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SITZUNGSBERICHTE
DER KAISERLICHEN
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PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE CLASSE.
ACHTER BAND.
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AUS DER K. K. HOF- UND STAATSDRUCKEREI.
IN COMMISSION BEI W. BltAUMÜLLER, BUCHHÄNDLER DES K. K. HOFES UND DER
K. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
18S2.
SITZUNGSBERICHTE
DER
PHILOSOPHISCH - HISTORISCHEN CLASSE
DER KAISERLICHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
ACHTER BAND.
Jahrgang 1852. Heft I —V.
WIEN.
AUS DER K. K. HOF- UND STAATSDRUCKEREI.
IN COMMISSION BEI W. BRAUMÜLLER, BUCHHÄNDLER DES K. K. HOFES UND DER
K. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
1852.
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INHALT.
Seite
Sitzung' vom 7. Jänner 1852.
Freiherr Hammer-Purgstall, Über die Geisterlehre der Moslimen . 3
Wocel, Bericht über eine kunstarchäologische Bereisung Böhmens . 4
Sitzung vom 14. Jänner 1852.
Freiherr Hammer-Purgstall, Fortsetzung obiger Abhandlung ... 25
Beidtel, Über österreichische Zustände in den Jahren 1740—1792.
IV. Über den Charakter der Communalverfassungen (1740—
1780) 26
Sitzung vom 21. Jänner 1852.
Freiherr Hammer-Purgstall, Fortsetzung obiger Abhandlung ... 39
v. Kremer, Topographie von Damaskus und Mittel-Syrien .... 41
Verzeichntes der eingegangenen Druckschriften 46
Sitzung vom 4. Februar 1852.
Freiherr Hammer-Purgstall, Fortsetzung obiger Abhandlung ... 53
Chmel, llabsburgische Excurse III 54
Sitzung vom 11. Februar 1852.
Freiherr Hammer-Purgstall, Schluss obiger Abhandlung .... 112
Ferd. Wolf, Ein spanisches Frohnleichnamsspiel vom Todtentanz . 114
Hehltel, Fortsetzung. V. Über die Entwickelung der Justizgesetz
gebung unter K. Joseph II. in Hinsicht auf die Hypothekar
gesetze 151
Sitzung vom 18. Februar 1852.
Otto, Zur Charakteristik des heiligen Justinus des Philosophen und
Märtyrers 164
Heidtei, Fortsetzung. VI. Über die Entwickelung der Justizgesetz
gebung unter K. Joseph II. in Hinsicht auf die Gemeinde-
Verfassungen 181
Schleicher, Über v (-ov-, -ev-) vor den Casusendungen im Slawischen 194
Verzeichniss der cingegangenen Druckschriften 211
Sitzung vom 10. März 1852.
Freiherr v. Schlechta, Verzeichniss der neuesten in Konstantinopel
erschienenen orientalischen Druckwerke 215
Seidl, Fortsetzung der Beiträge zu einer Chronik der archäologischen
Funde in der österreichischen Monarchie 216
Schimmer, Berichte aus und über Abyssinien 227
Sitzung vom 17. März 1852.
Jäger, Zur Vorgeschichte des Jahres 1809 in Tirol .
240
Seile
Sitzung vom 24. März 1852.
Sibiljan, Über 17 unedirte Münzen der armenisch - rubenischen
Dynastie in Kilikien
Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften
Sitzung vom 14. April 1852.
[ Zappert, Über den Affect des geistigen Schmerzes im Mittelalter
I Zim> nermann, Der Cardinal Nicolaus Cusanus als Vorläufer Leib-
nitzens
Arneth, Alfred, „Der Feldmarschall Starhemberg” (Auszüge)
Sitzung vom 21. April 1852.
Haas, Aus dessen Schreiben an Hrn. Director Kreil
v. Karajan, General - Bericht über die Arbeiten der historischen
Commission
Höfter, Betrachtungen über das deutsche Städtewesen im 15. und
16. Jahrhundert
Arneth, Fortsetzung der Auszüge aus dem Leben des Feldmarschalls
Starhemberg
Sitzung vom 28. April 1852.
275
301
305
306
328
330
331
372
374
Pfizmaier, Über einige Eigenschaften der japanischen Volkspoesie .
Zappert, Über den Affect des geistigen Schmerzes im Mittelalter
(Schluss)
f v ' Kremer > Über sein Werk: Deseription de l’ Afrique par un arabe
anonyme du 6? siecle de V ltegire
Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften
Sitzung vom 12. Mai 1852.
L Chmel > Versuch einer Begründung meiner Hypothese über den Ur
sprung des „Privilegium majus” von 1156
Sitzung vom 19. Mai 1852.
v. Karajan, Über eine neue Handschrift von Ottackers Reimchronik
: , Freiherr Hammer - Purgstall, Neuestes zur Förderung der Länder-,
Sprachen- und Völkerkunde Nprd-Afrika’s
Zeibiy, Beiträge zur Geschichte der Wirksamkeit des Basler Concils
in Österreich
Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften
377
388
389
429
4
S35
482
483
515
617
SITZUNGSBERICHTE
DER
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE CLASSE.
VIII. BAND.
1. HEFT. — JÄNNER.
JAHRGANG 1852.
3
SITZUNG VOM 7. JÄNNER 1832.
Die Classe beschliesst auf Antrag der historischen Commission ihr
für die Kunde der classisclien Alterthümer in der österreichischen
Monarchie den Hrn. Regierungsrath Arneth als permanentes Mit
glied beizugesellen.
Die von dem w. M., Hrn. Reichshistoriographen Stiilz, einge
sandte Abhandlung: „Das Leben und Wirken des Bischofs
Altmann von Pass au,” wird zur Aufnahme in die Denk
schriften bestimmt.
Freiherr Hammer-Purgstall begann die Lesung einer
ebenfalls für die Denkschriften der Akademie bestimmten Abhand
lung „über die Geisterlehre der Moslimen,” deren Ueber-
blick natürlich nicht in die Daimonologie des Zendavesta hinaufreicht,
aber von der der Araber unmittelbar vor Mohammed Kenntniss nimmt.
Nach der Rechenschaft über die Quellen, deren beide ersten der
Koran und die Ueberlieferung, und nach der Eintheilung in die
guten Geister (die Engel) , die bösen (die Teufel) und die mittleren
(die Dschinnen), welche theils bös theils gut wie die Menschen, stellt
der Verfasser als Einleitung die Uebersetzung der LXXII. Sure des
Korans, welche die Dschinnen betitelt ist, an die Spitze, weil
dieselbe den Beweis enthält, dass Mohammed den Glauben an die
Dschinnen, so wie den an die Engel und Teufel bei seinem Volke
schon vorfand; diese Sure wird mit Recht von allen Lebensbeschreibern
l *
4* Freih. Hammer-Purgstali. Ueber die Geistei'lehre derMosliinen.
Mohammed’s als eine der phantasiereichsten und feinsten des Korans
erwähnt, wie dies noch der jüngste und beste Lebensbeschreiber
Mohammed’s, Hr. Dr. Sprenger, ein geborner Tiroler, dermalen
Vorsteher des Collegiums yon Calcutta und Secretär der asiatischen
Gesellschaft in Bengalen, in seinem verflossenes Jahr zu Allahabbad
erschienenen ersten Theile von Mohammed’s Leben bemerkt hat. Die
moslimische Hierarchie der Engel besteht zuerst aus den vier Erz
engeln: Gabriel, Michael, Israfel und dem Todesengel,
welcher, nachdem die drei ersten sich durch die Bitten der Erde
hatten erweichen lassen, von ihr die zur Schöpfung des Menschen
nöthige Erde (welche sie auf Gottes Befehl nehmen sollten) nicht zu
nehmen, ihr dieselbe gewaltsam entriss, wesshalb er beim Tode der
Menschen der Erde was er ihr gewaltsam geraubt, als Staub zurück
gibt; dann die vier Träger des Himmels in Stieres-, Löwen-, Adlers
und Menschengestalt; die beiden Schutzengel, Schreiber der guten
und bösen Handlungen, die Grabesengel, die beiden gefallenen Engel
Harut und Marut, welche zur Strafe dafür, dass sie die schöne
und tugendhafte Anahid verführen wollten, im Brunnen von Babel,
wo sie die Menschen die Zauberei lehrten, bei den Füssen aufgehängt
sind u. s. w.; die Unterwürfigkeit der Daimonen unter die Herrschaft
Salomon’s gründet sich auf Verträge, und ein merkwürdiger Beleg
hiezu wird den Schluss dieser Abhandlung bilden, nämlich ein Vertrag
Satans mit Salomon, dessen Abschrift Lord Byro n in einer Röhre aus
Goldblech um den Hals gehängt als Amulet auf der Brust trug, und
welches im Besitze Sr. Durchlaucht des Hrn. Fürsten v. M e 11 e r n i c h.
Vorgclegte Abhandlung.
Bericht über die im August und September 1851 unter
nommene kunst-archäologische Bereisung Böhmens.
Von dem c. M. Hrn. Prof. Job. Woccl in Prag.
Durch das hohe Cultus- und Unterrichts - Ministerium huldvoll
unterstützt, hatte ich in den Ferienmonaten des Jahres 18M eine
Bereisung Böhmens in der Absicht unternommen, um die bisher wenig
oder gar nicht bekannten Ueberreste der Kunst und des Alterthums
1. Bericht über eine kunst-archäol. Bereisung Böhmens.
Prof. Joli.Woce
in Böhmen zu erforschen und nach Möglichkeit dahin zu wirken, dass
dieselben dem ihnen drohenden Verderben entrissen werden mögen.
Die Ergebnisse meiner Bereisung sind in mancher Beziehung erheb
lich und bedeutend, daher ich es wage, eine Uebersiclit derselben
der kais. Akademie der Wissenschaften vorzulegen, zuvörderst in
der Absicht, um die Aufmerksamkeit der Forscher auf diese und ähn
liche Kunstschätze, als die Grundbedingungen einer künftigen Cultur-
geschichte Oesterreichs, hinzulenken, vor Allem aber, weil ich die
Ueberzeugung hege, dass die kais. Akademie der Centralpunct ist, in
welchem die Kenntniss der Errungenschaft der gesummten Völker
Oesterreichs im Gebiete der Kunst und Wissenschaft niedergelegt
werden soll.
Mein Augenmerk war vorzüglich auf diejenigen Gegenstände
gerichtet, welche, wiewohl durch ihren artistischen oder archäolo
gischen Werth denkwürdig und bedeutungsvoll, unbeachtet und wenig
bekannt, daher dem nahen Verderben am meisten ausgesetzt sind.
Als solche erschienen vor Allem die K i r c h e n g e b ä u d e desRund-
bo gen styl es, die Miniaturhand schritten und Tafel ge
mal de aus dem XV- und XVI. Jahrhunderte.
I. Kirchen im Rundbogenstyle.
Eine sehr bedeutende Anzahl solcher Denkmale der ältesten Kir
chenbaukunst in Böhmen ist bereits bekannt und beschrieben worden;
ich glaubte, dass es nicht nothwendig wäre, meine Aufmerksamkeit
auf diese, dem Dunkel der Vergessenheit bereits entrissenen Monu
mente zu richten, sondern hielt es für nöthiger solche aufzusuchen,
die zumeist unbekannt und unbeachtet in den abseit gelegenen Ort
schaften des Landes sich bergen. Auf meiner diesjährigen archäo
logischen Reise durch den Prager, Pilsner, Egerer, Böhm. Leipaer
und Pardubitzer Kreis hatte ich folgende im XII. und am Anfang des
XIII. Jahrhunderts im Rundbogenstyle erbauten Kirchen untersucht.
Die Pfarrkirche zu Potvorov (Potfuhre), im Pilsner
Kreise, Bezirkshauptmannschaft Krälovic, ehemals Herrschaft Blas.
Diese Kirche gehört unstreitig zu den interessantesten Baudenkmalen
des Rundbogenstyles in Böhmen und ist um so beachtenswerther, weil
sie fest und dauerhaft, in allen ihren Bestandtheilen wohlerhalten ist.
Der innere Kirchenraum ist 10° l' lang, wovon auf das Presbyterium
2° 3' entfallen; die Breite des Schiffes beträgt 4° 3'. Besonders
0
Prof. J o h. W o o e 1.
interessant ist die, vom Kirchenschiffe durch zwei Bogenstellungen
getrennte Vorhalle, über welcher eine Loge oder Empore angebracht
ist. Ausgezeichnet erscheint die mittlere Stütze der Empore, die aus
einem viereckigen, reichgegliederten Pfeiler besteht, an dessen Flä
chen sich vier mit zierlichen Capitälern geschmückte Säulen an-
schliessen.
In Harmonie mit dem Mittelpfeiler und durch eigentümlich ge
schmückte Capitäler ausgezeichnet, sind die übrigen die Empore stüt
zenden Säulen. Eben so trefflich ausgeführt ist das Portal dieser
Kirche. Die Gewände desselben stufen sich in rechten Winkeln ab.
In den dadurch gebildeten Ecken stehen auf jeder Seite zwei Wand
säulen; das Capitäl zweier von diesen Säulen ist mit einem aus
sinnreich geschlungenen Kreisen gebildeten Ornamente geschmückt,
während die beiden anderen Säulenknäufe mit schuppenförmig über
einanderliegenden Blättern geziert erscheinen. Einfach, aber von
kräftiger Form und rein ausgeführt sind die vier Bogen, die das Portal
krönen. Zwei derselben entspringen aus den Pilastergewänden, die ein
einfacher Abakus deckt, und zwei aus den zierlichen Capitälern der
Wandsäulen. Das Basrelief im Halbkreisfelde über dem Eingänge
ist durch die Zeit und den Kalkanwurf beinahe gänzlich zerstört.
Leider ist dieses Portal durch eine später angebaute Thorhalle
verdeckt.
\ on aussen gewährt diese Kirche einen imponirenden Anblick.
Das halbrunde Presbyterium ist in seiner ursprünglichen Form treff
lich erhalten. Unter dem Dachgesimse läuft die würfelförmige Ver
zierung und unter dieser die charakteristische Rundbogenreihe hin,
welche durch vier stark vortretende Lissenen gestützt wird. Die
schmalen, vom Rundbogen überhöhten Fensteröffnungen sind an ihrer
inneren Wandfläche durch kräftig markirte Rundstäbe belebt. Die
Hauptmauern ruhen auf einem hohen Sockel, dessen oberen Theil
trefflich geformte Rundstäbe, Hohlleisten und Platten bilden. Die
Structur des ganzen Gebäudes ist meisterhaft, die Quadersteine rein
zugehauen, die Mörtelfugen kaum kennbar. Die Kirche zu Potvorov
stellt sich als ein noch wohl erhaltenes Meisterwerk des ausgebildeten
Rundbogenstyles dar, wie er am Ende des XII. und am Anfänge des
XIII. Jahrhunderts in Böhmen blühte; der Thurm an der Westseite
der Kirche ist in viel späterer Zeit angebaut worden. Der Patron der
Kirche ist Se. Durchlaucht der Fürst Metternich.
Bericht über eine kunst-archäologische Bereisung Böhmens. 7
Die Kirche zum heil. Jakob dem Gr. in Rudig (Vrou-
tek) im Egerer Kreise, Bezirkshauptmannschaft Saaz. Dieses Kirchen
gebäude, in dem seit mehr als 100 Jahren kein Gottesdienst mehr
gehalten wird, erscheint in seiner Structur und äusseren Ausschmük-
kung der vorbeschriebenen Kirche zu Potvorov ähnlich, nur ist es
bedeutend kleiner und in einem sehr verwahrlosten Zustande. Wür
felverzierung, Halbkreisbogen und die stark vortretenden Lissenen
sind sowohl am halbrunden Presbyterium wie auch unter dem Gesimse
der übrigen Wandflächen gut erhalten. Der erhöhte Sockel, auf dem
die Hauptmauer ruht, die pilasterförmigen Lissenen und die gesammte
Bauart der Kirche beweisen, dass dieselbe derselben Periode und
derselben Kunstrichtung wie die Kirche zu Potvorov angehört. Leider
haben Menschenhände weit mehr als die Zeit an der Verwüstung die
ses schönen Baudenkmals gearbeitet. Besonders wahrnehmbar ist die
ses am Portale der Kirche, von dem nur zwei Säulen, deren Schäfte
schneckenförmig gekerbt sind, mit dem darauf ruhenden Rundbogen
sich erhalten haben. Uebrigens sind die Mauern des Gebäudes sowohl,
als auch die Wölbung desselben fest und können noch manches Jahr
hundert überdauern. Durch Freimachung der Kirche von den daran
geklebten Bienenstöcken und durch einige wenig kostspielige Repa
raturen würde dieses interessante Denkmal der ältesten Kirchenbau
kunst dem Vaterlande erhalten werden. Der Patron der Expositur-
Pfarre zu Rudig ist Se.Excellenz Graf Eugen Czernin.
Die Pfarrkirche zu Liebshausen, Egerer Kreis, Be
zirkshauptmannschaft Teplitz. Ein ansehnliches, im Rundbogenstyl,
wahrscheinlich am Schlüsse des XII. Jahrhunderts i.ufgefül.i tes K.r-
chengebäude. Es ist in seiner ursprünglichen Form erhalten, bis aut
das gothische Presbyterium und die zwei Säulen, welche die Empore
stützen; diese sind nämlich von Holz, zum Theile mit Mauerwerk
verkleidet. Der an der Westseite befindliche Thurm ist der ur
sprüngliche, byzantinische. Die Fensteröffnungen sind durch eigen
tümlich geformte, aus zwei sich verschlingenden Rundstäben gebil
dete, mit einem Blättercapitäl gekrönte Säulen in zwei Abtheilungen
geschieden. Das Portal, wiewohl durch eine Vorhalle zum Tlioile ver
baut, ist ein schönes, nach den strengen Regeln des Rundbogenstylcs
ausgeführtes Werk. Das Halbkreisfeld über dem Eingänge ist durch
eine aus dreifachen Halbkreisen gefügte Bordüre eingefasst. Unter
dem Gesimse des Thurmes ist die Würfelreihe, unter jenem des Kir-
8
Hrof. Joli. Woccl.
ehenschiffes aber die Rundbogenverzierung sichtbar. Die Kirche ist
fest und im trefflichen Zustande. Sie soll aber, wie mir berichtet
wurde, erweitert werden. Möge dieses nur mit der nöthigen Umsicht
und Sachkenntniss geschehen! Der Patron der Kirche ist Se. Durch
laucht Fürst v. Lobkowitz. Herzog zn Raudnitz.
Die Kirche der heil. Apostel Peter und Paul zu
Schelkowitz (Zelkovice), eine halbe Stunde östlich von Liebs
hausen. Dieses Gebäude gehört zu den merkwürdigsten Kirchenbauten
des Rundbogenstyles in Böhmen, indem sich dasselbe als eine Rotunde
darstellt, aus der ein halbrundes Presbyterium an der Ostseite her
vortritt. Unter dem Gesimse des Presbyteriums läuft die Reihe der
Halbkreisbogen hin. Ueber der Rotunde erhebt sich ein laternförmi-
ges Thürmchen, dessen Fensteröffnungen durch zierliche, eigentüm
lich geformte Säulehen in zwei Theile geschieden erscheinen. Der
ziemlich schmale Eingang, zu dem drei hohe Stufen hinaufführen, ist
anstatt eines Portals, von einer breiten aus dreifachen Halbkreisen
bestehenden Bordüre eingefasst. — Diese Kirche hat eine auffallende
Aehnlichkeit mit den bekannten kleinen Rundcapellen in Prag (in der
Postgasse, am Wyschehrad und in der Nähe der St. Stepbanskirche).
Wölbung und Mauerwerk ist noch immer fest und dauerhaft. Bemerkt
muss werden, dass dieselbe ein bedeutendes Kirchenvermögen besitzt;
daher soll sie, wie ich in Erfahrung gebracht, eingerissen und an ihrer
Stelle eine andere Kirche erbaut werden. Sollte dieser Fall eintreten,
so würden unsere Nachkommen, bei denen wohl ein regerer Sinn für
die Achtung und Würdigung solcher Denkmale geweckt sein wird,
die Vernichtung eines der ältesten und eigenthümlichsten Tempel in
Böhmen tief bedauern müssen. Die Kirche zu Schelkowitz ist eine
biliale der Pfarrkirche zu Liebshausen.
Die Kirche zu Vinec (unrichtigPodvinec),bei Jungbunzlau.
Von der schönen, mit einem vollkommen erhaltenen, zierlichen Por
tale geschmückten Aussenseite dieses interessanten Denkmals des
Rundbogenstyles geschah zwar in mehreren Schriften Erwähnung; die
bei weitem interessantere Emporloge dieses Gotteshauses ist aber
bisher unbeachtet geblieben. Sie zieht sich an der Westseite längs
der ganzen Breite der Kirche hin, und wiewohl sie bloss einen Raum
von 21' Länge und 10' Breite umfasst, so ist sie durch ihre Anlage
und Ausschmückung überaus wichtig für die Kenntniss des Details
und der Ornamentik des Rundbogenstyles. Nach der untern Kirche zu
Bericht über eine kunst-archäologische Bereisung Böhmens.
9
öffnet sich diese Empore mit einem Bogen, der alle Elemente eines
zierlichen Portals umfasst. Ein hoher, reichgegliederter Sockel dient
zur Basis der innern Gewandung dieser Bogenöffnung, in der ohne
Zweifel ehemals ein zweiter Altar befindlich war. Die breite Band-
verziernng, welche die Archivolte des ersten Bogengliedes schmückt,
hat eine auffallende Aehnlichkeit mit dem architektonischen Schmucke,
der den Eingang der Bundkirche zu Schelkowitz umgibt, lieber die
ser Bogenöffnung raget ein Kämpfer, auf dem ein aus Rundstäben,
Hohlkehlen und Leisten gefügtes Gesims aufruht, das hier als blosser
Schmuck rechts und links sich ausflügelt und über zwei Säulenknäu-
fen, die zu beiden Seiten des Kämpfers über der Bogenöffnung
ragen, seinen Abschluss findet. Auf diesem Kämpfer ruht der Bogen
auf, der über die Breite der Empore zum gegenüberstehenden Wand
pfeiler gespannt ist. Die zu beiden Seiten desselben hervortretenden
Säuleneapitäler sind viereckig und mit einer sorgfältig ausgeführten
Ornamentirung versehen. Der Ansatz eines Säulenschaftes senkt
sich einige Zoll tief unter diesen Capitälern herunter. In der Scheide
mauer. welche die Empore von dem untern Kirchenraume trennt, sind
zwei Fensteröffnungen. Jede derselben ist durch ein eigenthümlieh
und überaus zierlich geformtes Säulchen in zwei vom Rundbogen
überhöhte Theilc geschieden. In den vier Ecken dieser Emporkirche
stehen Wandsäulen, deren Cäpitäler einen sternenförmigen, durch
mannigfache Streifen eingefassten Schmuck tragen. Eine fünfte Säule
dieser Art ragt aus der, dem Altarbogen gegenüber befindlichen W and.
Der Aufgang zu dieser Empore ist eine schmale, in der innern Mauer
dicke angebrachte Steintreppe.
Die Länge der untern Kirche mit Einschluss der unter der Em
pore befindlichen Vorhalle beträgt 42', wovon auf das Presbyterium
14' entfallen. Das Presbyterium selbst ist nicht halbrund, sondern,
eine seltene Ausnahme des Kirchenbaues im Rundbogenstyle in Böh
men, dreiseitig. Die in den Ecken der Unterkirche befindlichen Säu
len haben in ihren Capitälern eine aus Laub fl echt werk gebildete Ver
zierung.
Die Kirche oder vielmehr Doppelcapelle zu Vinec bietet meiner
Ansicht nach einen belehrenden Stoff dem Künstler, der in das Wesen
der Bauweise und der Ornamentik des Rundbogenstyles eindringen
will; dieselbe ist wohlerhalten und zur Dechanteikirche zu Jungbunz-
lau eingepfarrt.
10
Prof. Joh. Wocei.
Die Kirche zu Mohelnic an der Iser, Jiciner Kreis, Bezirks-
hauptmannschaft Jungbunzlau. Das Innere dieser, im Rundbogen-
style erbauten Kirche, misst im Lichten 30' in der Länge, IS' in der
Breite. Die stark verbaute Empore an der Westseite wird von zwei
Rundbogen, die auf Wandpfeilern und einer mit byzantinischem Capital
gekrönten Säule aufruhen, gestützt. Das Portal ist durch eine, in
neuerer Zeit angebaute Vorhalle verdeckt. Die charakteristische Wür
felreihe und Rundbogenzier ist sowohl am Friese des Kirchenschiffes
als auch am halbrunden Presbyterium sichtbar. Leider ist das Letz
tere durch eine darangebaute Sacristei grösstentheils versteckt. Der
an die Westseite der Kirche sich anschliessende massive Thurm ist
bis auf das moderne Dach in seiner ursprünglichen Form erhalten.
Die Fensteröffnungen im obern Theile desselben sind durch byzanti
nische Säulchen in zwei, vom Rundbogen überhöhte Abtheilungen
geschieden. Unter jeder dieser Fensteröffnungen befindet sich noch
ein schmales Rundbogenfenster; die Mitte des Thurmes ist von einer
schmalen Rundbogenbordüre eingefasst.
Wiewohl dieses Kirchlein nicht zu den in künstlerischer Hin
sicht ausgezeichneten Gebäuden dieser Art gehört, so verdient es
doch besonders des wohlerhaltenen Thurmes wegen Beachtung. Es
wäre daher sehr zu bedauern, wenn diese Kirche, wie beabsichtigt
wird, umgebaut und ihr ursprünglicher Typus vernichtet werden
würde. Sollte eine Vergrössung derselben nothwendig sein, so müsste
sie mit Umsicht und Sachkenntnis vorgenommen werden. Das Ver
mögen dieser Kirche ist sehr bedeutend. Patron derselben ist der Be
sitzer von Miinchengrätz, Se. Excellenz Graf v. Waldstein.
Die Kirche zu Ilolubitz (Holubice), bei Tursko im Prager
Kreise. Dieses Dorfkirchlein hat zwar keine architektonischen Orna
mente, ist aber durch seine eigenthiimliche Bauart merkwürdig. Es
ist eine Rotunde, aus welcher östlich das Presbyterium in einem Kreis
bogen, der beinahe a / 3 der Peripherie beträgt, hervortritt; an die Süd
seite der Rotunde sehliesst sich eine eben so stark vorragende Rund
capelle und an die Nordseite die viereckige Sacristei an. Ein latern-
förmiges Thürmehen krönt den mittleren Rundbau; an der Westseite
ist ein gothischer Thurm, der Bauart nach aus dem XV. Jahrhundert
angebaut. Bloss die Aussenseite des Presbyteriums ist durch 3 w'eit-
geöffnete von schmalen Wandsäulen gestützte Rundbogen belebt.
Die drei Fenster des Presbyteriums sind gothisch und wurden an die
Bericht über eine kunst-archäologische Bereisung Böhmens.
11
Stelle der ursprünglichen schmalen Rundbogenfenster, höchstwahr
scheinlich zu derselben Zeit da der Thurm gebaut wurde, angebracht.
Aermliche Ueberreste der Glasmalerei befinden sich im Fenster zur
rechten Seite des Hochaltars.
Die Kirche ist nach Minitz eingepfarrt; sie ist sehr fest und bei
nahe unverwüstlich. Jeden dritten Sonntag wird hier Gottesdienst
gehalten. Sie besitzt .ein sehr bedeutendes Vermögen. Patron der
selben ist Se. Durchlaucht Ferdinand Fürst zu L o bko witz.
Bedeutende Ueberreste der ursprünglichen byzantinischen Anlage
enthält die im XVIII. Jahrhundert erneuerte Pfarrkirche im Dorfe
Libcan bei Königgrätz. Ausser zwei schönen byzantinischen Säu
len. welche die in einen Musikchor umgewandelte Empore stützen,
befinden sich da zAvei Portale, von denen das eine zwar schmucklos
aber bedeutend durch seine correcten Formen, einer Vorhalle gleich
nach aussen sich ausweitet, dass andere aber durch die schöne Glie
derung und sorgfältige Ausführung seiner Bestandtheile interessant
erscheint.
Bei meiner diesjährigen Bereisung hatte ich keine der bekannten
theils von andern, theils von mir bereits beschriebenen Kirchen des
Rundbogenstyles in Böhmen berührt, und war vor allem bemüht bisher
unbeachtete Baudenkmale dieser Art aufzusuchen und zu erforschen.
Ueber die Kirche zu Podvorov, Rudig, Vinec und Holubic hatte ich
wohl bestimmte Andeutungen; die Kirchen zu Liebshausen, Schel-
kowitz, Mohelnic und Libcan wurden aber erst bei dieser Bereisung
von mir als Denkmal des Rundbogenstyles erkannt und gewürdigt.
Solcher, bisher unbeachteter Baudenkmale mag Böhmen noch eine
sehr bedeutende Anzahl besitzen; die Ausforschung derselben bietet
aber ungewöhnliche Schwierigkeiten dar. Denn häufig wurde mir
irgend eine Kirche als ein Bauwerk des Rundbogenstyles charakterisirt;
hatte ich aber an den entlegenen Ort die zumal in der diesjährigen
regnerischen Witterung beschwerliche und kostspielige Reise unter
nommen, so fand ich, dass es ein gothisches Gebäude mit niedrigem
Presbyterium oder eine im Renaissancestyle gebaute baufällige Kirche
war. Belehrungen, die über solche Gegenstände in Zeitschriften und
Broschüren verbreitet werden, dringen selten in solche abgelegene
Gegenden, wo ihre Beachtung eben wünschenswert!! wäre.
12
Prof. Job. Wocel.
II. Miniaturhandschriften.
Die Bedeutung alter Miniaturen für die Kunstgeschichte eines
Volkes und die Kenntniss seiner Culturzustände, seiner Sitten und
Gebräuche ist in neuerer Zeit lebhaft anerkannt worden. Der hohe
Werth der böhmischen Miniaturen des Mittelalters, die sich in ver
schiedenen Pergamenthandschriften bis auf unsere Tage erhalten
haben, wurde in neuester Zeit durch sachkundige Männer des Aus
landes anerkannt und so hoch angeschlagen, dass nach dem Urtheile
Waagen’s (im deutschen Kunstblatt 1850) viele altböhmische Mi
niaturen in die erste Reihe der gleichzeitigen europäischen Kunst
denkmale dieser Art eingereihet werden müssen. Waagen hatte
aber bloss die in Prag und Wien befindlichen Miniaturen böhmischer
Meister gesehen; die zahlreichen in den Landstädten Böhmens zer
streuten Pergamentgemälde hatte er nicht in das Bereich seiner For
schung gezogen. Ich hielt es daher für meine Pflicht, auf meiner Reise
diesen vaterländischen Kunstdenkmalen meine besondere Aufmerk
samkeit zuzuwenden, damit einerseits der Vorrath, den wir an diesen
Kunstresten besitzen, erkannt und sicher gestellt werde, andererseits
aber, damit die Kirchen- und Gemeindevorsteher auf die Bedeutung
der, ihrer Obhut anvertrauten mit Miniaturen geschmückten Perga
mentbücher aufmerksam gemacht und angeregt werden, dieselben
sorgfältiger als es bis jetzt der Fall gewesen, zu bewahren und vor
Verderben zu schützen.
Während dieser Reise hatte ich zwanzig Miniaturhand-
schriften in verschiedenen Städten Böhmens untersucht. Das
ausführliche Resultat dieser Untersuchung gedenke ich in einer
besondern Abhandlung bekannt zu machen, und beschränke mich hier
darauf, bloss eine gedrängte Schilderung der vorzüglichsten dieser
Kunstwerke vorzulegen.
Das Leitmeritzer Cantional.
Dieser merkwürdige Pergamentcodex ist, wie beinahe alle alten
Cantionale in Schweinsleder gebunden und mit kunstvoll von Messing
gearbeitetem Laubwerk beschlagen. Die Länge desselben beträgt
2' S", die Breite 19"; sein Gewicht ist 110 Pfund, die Zahl der
Blätter 46S. Der Text der darin enthaltenen Kirchengesänge ist
lateinisch. Aus dem auf dem ersten Blatte befindlichen Epigramme
leuchtet hervor, dass Jakob Ronovsky der Stifter dieses Cantionais
Bericht über eine luinst-archäologisclie Bereisung Böhmens.
13
gewesen; (las mehrmal vorkommende Wappen der Stadt Leitmentz
beweiset, dass es für den gottesdienstlichen Gebrauch dieser Stadt
verfertigt wurde. Die unter den Choralnoten gesetzten Kirchengesänge
sind: Introitus, Kyrie, Gloria, Graduale, Offertorium, Sanctus, Agnus
Dei, dann Rhythmen, Hymnen und Prosen. Die Texte fangen mit gros
sen Versalbuchstaben an, von denen viele eine Fläche von 16Q"
einnehmen. Das Innere dieser, auf das glänzendste ausgeführten, mit
Gold und lebhaftem Farbenschmuck gezierten Buchstaben ist mit
herrlichen Miniaturbildern ausgefüllt. Die übrigen Buchstaben des
Textes, sowie die Musiknoten sind öfters, besonders im iexte gros
ser Festtage, und zuweilen auch in der Mitte an bedeutenden Stellen
mit massivem Golde aufgetragen, worauf die Fortsetzung bald mit
rother, blauer und endlich schwarzer sehr regelmässiger Minuskel
schrift folgt. Die Ränder sind mit sinnreichen Arabesken, Engel
gestalten und wohl auch mit Bildern geschmückt, die auf den Text
Bezug haben. Bei grossen Kirchenfesten befindet sich überdies häufig
ein grossartiges, das ganze Blatt ausfüllendes Gemälde. Der Kunst
werth dieser Miniaturgemälde ist sehr bedeutend. Originalität der
Composition, Sorgfältigkeit der Ausführung und grösstentheils auch
richtige Zeichnung weisen denselben einen bedeutenden Rang unter
den gleichzeitigen Werken dieser Art nicht bloss in Böhmen, son
dern, wie ich ohneUeberschätzung ihres Werthes zu behanpten wage,
in Europa an. Hervorragend durch ihre Schönheit sind insbesondere
folgende Bilder: 1. die Geburt Christi; 2. das letzte Abendmahl, ein
wundervoll ausgeführtes Blatt, voll Kraft, Ausdruck und Schön
heit; 3. Christus im Tempel und in der untern Randfläche die laufe
Christi. Merkwürdig in historischer und artistischer Beziehung ist
das, eine ganze Blattseite ausfüllende Bild, auf welchem Huss vor
der Kirchenversammlung zu Costnitz auf einem Katheder unter einem
Baldachine, in rothem Talare und rothem Barette, das Haupt mit gol
denem Scheine umgeben dargestellt ist. Auf der anderen Seite er
blickt man Huss auf dem angezündeten Scheiterhaufen. Zur Seite
dieses Bildes erscheint ein Wappen, in welchem im blauen Felde zwei
geharnischte Arme von unten auf in die Höhe langen; dabei liest man
den Namen Wiis de Rzepnicz. Da Wenzel v. Rzepnicz im
Jahre 1517 als Bürgermeister von Leitmeritz vorkommt, so kann
daraus geschlossen werden, dass dieses kostbare Werk am Anfänge
des XVI. Jahrhunderts verfertigt wurde. Kaum dürfte eine der in
14
Prof. J o h. VV o c e 1.
Prag befindlichen von Waagen gepriesenen Miniaturen an Tüch
tigkeit der Ausführung, an Farbenglanz und Reichthum der Vergol
dung diesem Werke gleich kommen, wiewohl dasselbe, wie aus dem
Verlaufe dieses Berichtes ersichtlich wird, noch immer nicht das aus
gezeichnetste Miniaturwerk in Böhmen genannt werden kann. — Es
wird gegenwärtig im alten Rathhause der Stadt Leitmeritz sorgfältig
aufbewahrt.
Böhmisches Cantional der Stadt Luditz (Zlutice).
Dieses für die Kunstgeschichte Böhmens höchst wichtige Rie
senhuch enthält 494 Blätter; die Höhe desselben beträgt 2\ die
Breite 1' 4“. Der Schreiber des Textes und der Noten war Jan
, Taborskyz Klokotske hory; der Maler der Miniaturen der
Prager Bürger Fabianus Polirar. Dasselbe wurde in den Jah
ren 1558—1539 verfertigt. Den Inhalt des Werkes bilden böhmische
Kirchengesänge, die beinahe in derselben Reihenfolge wie die latei
nischen im Leitmeritzer Cantionale Vorkommen. In ihrer Art unüber
trefflich sind die Miniaturbilder, welche die Versalbuchstaben und die
Ränder der Blätter zieren. Der Ideenreichthum, der sich in den zarten
und sorgfältig ausgeführten Gemälden kund gibt, kann nicht genug
bewundert werden. Eben so bewundernswert ist die Pracht und
Schönheit der Farben, die sich in ihrer lebhaften Frische bis auf un
sere Tage erhalten haben. Durch meisterhafte Conception und Treff
lichkeit der Ausführung sind besonders ausgezeichnet folgende Bilder:
1. die Offenbarung der Majestät Gottes im Himmel, nach dem IV. und
V. Capitel der Apokalypse aufgefasst. Gott Vater am Throne vom
Strahlenglanze umschlossen, das Buch des Lebens haltend, dessen
Siegel das Lamm Gottes öffnet. Rings im Wolkenkranze die 24 Ael-
testen in weissen Gewändern, die ihre Harfen und Kronen vor dem
Throne neigen; im Vordergründe der apokalyptische Seher Johannes.
Wiewohl dieses Bild in mehreren böhmischen Gantionalen sich wie
derholt, so ist es nirgends in solcher Schönheit und Vollendung wie
hier ausgeführt. 2. Die Geburt Christi, ein durch die Innigkeit und
Naivetät der Auffassung ausgezeichnetes Bild, das in seiner reichen
prachtvollen Einfassung eine magische Wirkung hervorbringt. 3. Chri
stus mit der Siegesfahne über dem offenen Grabe. Die Gestalt Christi
ist überaus correct und kühn gezeichnet, das Antlitz voll Ausdruck
und Würde. 4. Die Himmelfahrt Christi. Die Gruppirung der zahl-
Bericht über eine kunst-archäologische Bereisung Böhmens.
15
reichen Gestalten ist trefflich, Zeichnung und Perspective untadelhaft.
5. Die Sendung des heil. Geistes. Die Richtigkeit der Zeichnung, dei
Fleiss der Ausführung und der geistige Ausdruck in den Gesichtern
kann nicht genug gepriesen werden. 6. Eben so muss die Darstellung
des letzten Abendmahles als ein bedeutendes Kunstwerk anerkannt
werden. Der hohe Adel im Antlitze Christi und die Lebhaftigkeit des
Ausdruckes der um einen runden Tisch trefflich gruppirten Jüngei
verleihen diesem Bilde einen ungewöhnlichen W erth.
Die Arabeskenverzierungen in diesem Werke sind die herrlich
sten unter allen, die in den zahlreichen Miniaturen, die ich zu sehen
Gelegenheit hatte, Vorkommen. Die mit wunderbarem Fleisse ausge
führten Blumen und Frachtstücke in demselben würden selbst einem
tüchtigen Blumenmaler unserer Tage zur Ehre gereichen.
Das Luditzer Cantionale gehört nach meiner Ueberzeugung in
die erste Reihe der Kunstschätze in Böhmen, welche durch ein glück
liches Geschick aus den Stürmen der Vergangenheit gerettet wurden.
Es wird gegenwärtig im Locale des Luditzer Stadtrathes aufbewahrt.
Böhmisches Cantional zu Trebnitz.
Ein Pergamentcodex, fast von derselben Dimension wie das Lu
ditzer Cantional. Er wurde um das Jahr lö7ö verfertigt; der Maler
der Miniaturen war aller Wahrscheinlichkeit nach Matthias v. Lind-
p e r k. Derselbe scheint sich das Leitmeritzer Cantional zum Yor-
bilde genommen zu haben, indem die Motive, welche in den Ge
mälden des Leitmeritzer Codex Vorkommen, häufig im Trebnitzer
Cantional erscheinen. Auch in diesem kommen Bilder vor, welche
die ganze Blattseite einnehmen, nur sind sie nicht mit demselben
Aufwande von Gold und Farbenpracht ausgeführt. Ausgezeichnet
durch treffliche Zeichnung sind die meisten der darin enthaltenen Bil
der, doch müssen sie, was die Sorgfalt und die Zartheit der Ausfüh
rung betrifft, den Miniaturen der beiden vorbeschriebenen Cantionale
nachstehen; dafür muss an demselben die charakterische Individuali-
sirung der fleissig ausgeführten Gesichtszüge mit Lob anerkannt
werden. Die ausgezeichneteren Gemälde in diesem Werke sind: Das
erste Blatt, welches das Wappen der Stadt Trebnitz, den heil. Georg,
darstellt, über welchem Christus schwebt; zu beiden Seiten stehen
die vier Evangelisten. Im breiten Seitenrande ist der Stammbaum
Christi durch die hervorragendsten Personen desselben repräsentirt.
16
Prol'. J oh. Wo c el.
Das Ganze ist trefflich componirt und mit grossem Fleisse ausgeführt.
Sehr wacker gezeichnet und schön gearbeitet sind ferner: a) die
Geburt Christi und im untern Rande des Blattes der bethlehemitische
Kindermord, b) die Sendung des heil. Geistes und darunter die Taufe
Christi, c) die allerh. Dreifaltigkeit, d) das letzte Abendmahl, e) die
Auferstehung. Das Cantional wird im Rathhause der Stadt Trebnitz
sorgfältig verwahrt.
Lateinisches Cantional zu Jungbunzlau.
Ein ungeheuerer Pergamentcodex, dessen Länge 2‘ 2“, die Breite
1 1 6" beträgt. Ueber den Schreiber und Maler dieses Cantionais
findet sich im Buche seihst eben so wenig irgend eine Aufklärung, wie
über den Zeitpunct, in welchem dasselbe zu Stande kam. Die Aehnlich-
keit der Schriftzüge und gewisser typischer Formen der Bilder mit
den Zügen und Formen des Leitmeritzer wie auch des Königgrätzer
Cantionais setzen es aber ausser Zw eifei, dass dieses Buch am An
fänge des XVl. Jahrhunderts in Böhmen verfertigt wurde. Die Far
ben der zahlreichen Miniaturen sind von ausgezeichneter Schönheit
und Frische, das Gold sowohl am Hintergründe der Bilder, als auch
in der Schrift und auf den Musiknoten reichlich aufgetragen. Die
meisten Lichter sind auf die Deckfarben zart aufgelegt; oft vertritt
das Gold die Stelle der Lichtfarbe. Die Arabesken haben zwar nicht
den phantasiereichen Schwung der Luditzer Verzierungen, sind aber
mit grosser Meisterschaft ausgeführt. Vorzüglichen Werth haben die
zahlreichen Figuren in den Randverzierungen, insbesondere die vie
len Engelgestalten der musicirenden Genien, die 14 Brustbilder im
Stammbaume Christi, die mit Recht als Meisterwerke dieser Art be
zeichnet werden müssen, wie auch die vielen Vögel und Thiergestal
ten, mit denen das zarte Flechtwerk der Arabesken belebt ist. Die
Bilder in den Versalbuchstaben sind zwar mit ausserordentlichem
Fleisse ausgeführt, aber mehr typisch gehalten und einigermassen
steif, wogegen die zahlreichen Figuren in den breiten Randbändern
ungezwungen und natürlich bewegt erscheinen. Dieser Unterschied
zwischen den Versalbildern und den Randverzierungen ist bei den
meisten Cantionalminiaturen wahrnehmbar. Die Ursache dieser Ver
schiedenheit ruht darin, dass bei den Heiligenbildern der Versalien
die Künstler an gewisse Formen und Vorbilder mehr oder weniger
sich banden, wogegen die Randverzierungen einen freien Spielraum
Bericht über eine kunst-archäologische Bereisung Böhmens.
17
der Phantasie und Künstlerthätigkeit gewährten. Die bedeutendsten
unter den Versalbildern sind: a) der segnende Gott Vater von anbe
tenden Engeln umgeben; b) die Geburt Christi; c) die Auferstehung
Christi; d) die Steinigung des heil. Stephans; e) die Gottesmutter
mit dem Christuskinde in der Strahlenglorie stehend.
Dieses kostbare Werk lag leider bis in die neuere Zeit unbeachtet
in einer Kammer, und war dem Muthwillen yon Menschen preis gegeben,
welche von dem höhen Wertlie desselben keine Ahnung hatten. Viele
Miniaturbilder wurden herausgerissen und mehrere der schönsten
Randverzierungen weggeschnitten und wie man mir erzählte, Kindern
als Spielzeug überlassen. Gegenwärtig wird es auf der Dechantei
wohl verwahrt.
Böhmisches Cantional zu Jungbunzlau.
An Umfang und Grösse gibt dieses Pergamenthuch dem vorbe
schriebenen wenig nach, ist aber bedeutend stärker, indem dasselbe
532 Blätter enthält. Der Kunstwerth der zahlreichen Miniaturen des
selben ist aber geringer als jener der sich in den vorbeschriebenen
Gemälden kund gibt. Dieses Cantional liess die Bürgersfrau Katha
rina Militka im Jahre 1572 von dem Prager Künstler Johann
Kantor verfertigen. Mit Auszeichnung können bloss drei Bilder
genannt werden, und zwar das erste grosse Bild, worauf das Wap
pen der Herrn Kr aji'r v. Krajek, rings von den personificirten
vier Cardinaltugenden umgeben, dargestellt ist. Die Farben sind
leicht aufgetragen, die Lichter durchsichtig, die Zeichnung vortreff
lich. Ferner das schöne Blatt, auf welchem der Maler Jan Kantor
vor dem Crucifixe kniend dargestellt wird, und endlich der Traum
Jakobs, ein meisterhaftes mit ausserordentlicher Sorgfalt gemaltes
Bild; besonders vortrefflich ist die Landschaft im Hintergründe.
Lateinisches Cantional zu Chrudim.
Enthält 344 Pergamentblätter, ist 2' 1" lang und 1' 5" breit.
Es wurde im Jahre 1530 vollendet; die Schrift rührt, wie aus dem
Monogramme ersichtlich, von Johann Taborsky her. Der Maler
der Miniaturen ist nicht bekannt. Die Farben derselben sind frisch
und lebhaft, das Gold stark aufgetragen, die Zeichnung ist aber mei
stens uncorrect, der Faltenwurf steif. Bloss die Darstellung der
allerh. Dreifaltigkeit im Buchstaben V muss als gelungen hervorge
hoben werden.
Sitz!), d. piu.-hist. C). VIII. Bd. I. Hft
2
18
Prof. Joli. Woccl.
Böhmisches Cantional zu Chrudim.
Enthält 298 Pergamentblätter, ist 2' lang und 1'4" breit. Ver
fertigt wurde es um das Jahr 1370. Die darin enthaltenen Miniaturen
gehören zu den vorzüglichsten Leistungen der böhmischen Kunst
schule des XVI. Jahrhunderts, wiewohl nicht alle denselben Werth
haben. Besonders ausgezeichnet sind folgende Bilder: 1. das erste
Miniaturblatt, den in den Wolken schwebenden Erlöser darstellend,
zu dessen Füssen König David kniet; 2. Gott Vater im Kaiserornate;
3. die Auferstehung Christi; 4. die Taufe Christi; 3. die Sendung des
heil. Geistes. In den breiten Seitenrändern dieses Blattes gewahrt
man ein reich componirtes Bild, den Zug der Israeliten durch das
rothe Meer darstellend. Bichtige Zeichnung, eigentlnimliche Auffas
sung und sorgfältige Ausführung weisen diesem Bilde einen bedeu
tenden Rang unter den gleichzeitigen Miniaturen an. Das böhmische
sowohl als das lateinische Cantional befinden sich am Literatenchor
der Dechanteikirche zu Chrudim.
Lateinisches Cantional zu Königgrätz.
Inhalt, Form und Grösse dieses Cantionais stimmt mit dem Jung-
bunzlauer und Chrudimer lateinischen Cantionale grösstentheils über
ein. Was den Farben- und Goldschmuck betrifft, so muss ich es als
das reichste und prachtvollste unter allen Gradualen, die ich zu sehen
Gelegenheit hatte, bezeichnen. Es kommen darin ganze Seiten vor,
deren sämmtliche Buchstaben sammt den Musiknoten Von reinem
Dukatengold gebildet sind. Die Versalbilder sowohl, als auch
die Arabeskenverzierungen sind äusserst zart und sorgfältig ausge
führt, wiewohl viele Figuren steif, und die Extremitäten manchmal
verzeichnet erscheinen. Tadellos gemalt sind aber folgende Bilder:
1. die Auferstehung Christi; 2. die Himmelfahrt Christi; 3. die Sen
dung des heil. Geistes; 4. Die Mutter Gottes im Strahlennimbus mit
dem Christuskinde; darunter das Wappen der Stadt Königgrätz von
einem Engel mit gezücktem Schwerte gehalten; 5. das letzte Abend
mahl, ein prachtvoll geschmücktes, zart ausgefüjirtes Bild. Der Maler
dieses Prachtwerkes ist nicht bekannt.
Zwei böhmische Cantionale zu Königgrätz.
Wiewohl von diesen merkwürdigen Pergamentbüchern in topo
graphischen Schriften häufig genug Erwähnung geschah, so ist doch
Bericht über eine kunst-archäologische Bereisung Böhmens.
19
ihr Kunstwerth und die ästhetische Bedeutung derselben noch nir
gends würdig anerkannt und hervorgehoben worden. Es sind zwei
mächtige Bände, deren Dimensionen mit dem früher geschilderten
Cantionale grösstentheils übereinstimmen. Das erste derselben ent
hält Adventgesänge, das zweite Gesänge auf die Festtage des ganzen
Jahres. Beide sind mit herrlichen Miniaturen auf das grossartigste
ausgeschmückt. Der Maler derselben war der Chrudimer Bürger
Matthias Radaus. Die Bücher wurden zwischen den Jahren 1886—
1594 auf Kosten der Königgrätzer Bürger für das Literatenchor die
ser Stadt verfertigt.
Der erste Theil des Cantion als enthält auf der ersten
Seite ein meisterhaftes, das ganze Blatt ausfüllendes Gemälde, in
welchem die Porträte des Malers Matthias Radaus, des Verfassers
des Textes Georg Richnovius und des Schreibers Matthäus Li-
tomericky sorgfältig ausgeführt erscheinen. Die breiten Ränder
schmücken musicirende Engelgestalten. Meisterhaft sind ferner:
1. die Geburt Christi, ein das ganze Blatt ausfüllendes Bild. Die Treff
lichkeit der Auffassung, Schönheit der Formen, besonders aber die
fromme Innigkeit und der Liebreiz im Antlitze Marien’s verleihen diesem
Bilde die höhere Kunstweilie; 2. die Beschneidung und die Taufe
Christi; 3. die heil, drei Könige, ein herrliches Blatt voll Leben und
individuellem Ausdruck; 4. die Auferstehung Christi. Der Heiland,
von dessen nackten Schultern ein rother Mantel herabwallt, steht mit
der Siegesfahne auf dem Deckel des Grabes. Der Ausdruck der Ma
jestät im Antlitze Christi, die Zeichnung und die Behandlung des
Nackten dieser Gestalt ist wahrhaft bewundernswerth. Ebenso
herrlich ausgeführt ist 6. die Himmelfahrt Christi.
Im zweiten Th eile des Cantionais sind unter den zahl
reichen trefflichen Miniaturbildern besonders hervorzuheben: I. die
Sendung des heil. Geistes, durch meisterhafte Gruppirung der Ge
stalten und die charakteristische Lebhaftigkeit der Gesichtszüge aus
gezeichnet; 2. Christus am Kreuze. Das schmerzvolle, edle Antlitz
des Gekreuzigten ist von ergreifender Wirkung, die Zeichnung und
Färbung des Körpers untadelhaft. Ueberaus schön ist die das Kreuz
umgebende Landschaft. Die Localtöne im Vordergründe und die har
monisch verschwimmenden Tinten der Ferne sind trefflich gehalten;
3. das letzte Abendmahl, ein grossartiges Bild voll Lehen, Bewegung
und Ausdruck; 4. die Taufe Christi; 5. der Kampf Michaels und
20
Prof. J oh. Wo c el.
seiner Engel mit dem Drachen nach dem XII. Capitel der Apokalypse
dargestellt. Die poetische Auffassung dieses höchst schwierigen Stof
fes, die kühne Zeichnung der lebhaft bewegten Gruppen, die kunst
reiche Beleuchtung der Scene beurkunden, dass der Name des ge
nialen von der religiösen Idee hochbegeisterten Meisters Radaus
in das Ehrenbuch der Künstler seiner Zeit eingetragen zu werden
verdient.
Die Zeichnung der zahlreichen, wiewohl nicht mit gleicher Mei
sterschaft ausgeführten Bilder in diesen beiden Cantionalen ist durch
aus correct, der Pinsel breit, die Farben leicht aufgetragen. Stau
nenswerth ist die vortreffliche Ausführung der Gesichter insbeson
dere aber der Hände, die den Miniaturmalern unserer Zeit zum Vor
bilde dienen könnten. Möge mein Urtheil über diese Miniaturen nicht
für übertrieben oder überschwänglich im Ausdrucke gehalten wer
den; jeder Kunstkenner, der diese Gemälde mit derselben Genauig
keit wie ich betrachtet, wird gewiss meinem Urtheile beistimmen,
ja gestehen, dass ich eher zu wenig als zu viel die Werke des Mei
sters Radaus gepriesen habe.
Diese sind die ausgezeichneteren Miniaturen , die ich während
meiner Bereisung in Böhmen untersucht habe. Ausser diesen hatte
ich noch e i 1 f mit Miniaturbildern gezierte Pergamentbüeher gefun
den und untersucht; da aber der Kunstwerth der darin enthaltenen
Malereien bedeutend geringer ist, als derjenigen, die ich hier be
schrieben, so will ich, um den Umfang dieses Berichtes nicht zu sehr
anwachsen zu lassen, dieselben bloss oberflächlich anführen.
In Rakonitz. Am Chore der Dechanteikirche ein böhmisches
Cantional vom Jahre 1396.
InLaun. Lateinisches Cantional vom Jahre 1330. Mehrere
der in demselben enthaltenen Miniaturen haben einen bedeutenden
Werth, besonders schön sind die Arabesken; das Gold ist reichlich
aufgetragen.
Eben daselbst ein zweites, älteres lateinisches Cantional von ge
ringerem Kunstwerthe. Beide werden im Archive der Stadtgemeinde
aufbewahrt.
Zu Leitmeritz ein böhmisches Cantional vom Jahre 1379 im
Dekanal-Archive.
Im Rathhause derselben Stadt ein zweites lateinisches Cantional
aus der ersten Hälfte des XVI. Jahrhunderts.
Bericht über eine kunst-archäologische Bereisung Böhmens.
21
In Königgrät z ein Cantional auf gewöhnlichem Papier unter
dem Titel Knihy roratni, vom Jahre 1585 mit 6 trefflichen Ab
bildungen der Stifter dieses Buches, die sehr interessante Costüm-
bilder darhieten.
Ebendaselbst befinden sich noch 5 lateinische Cantionale, deren
Miniaturen, wiewohl sie einen geringeren Werth als die eben beschrie
benen haben, doch manches Interessante darhieten. Leider sind
diese Bücher sehr verwüstet, gar viele Bilder ausgeschnitten und das
Gold herabgekratzt. Gegenwärtig werden aber diese tmd die oben
beschriebenen Königgrätzer Cantionale am Literatenchor der Deka-
nalkirche zu Königgrätz sorgfältig verwahrt.
III. Tafelgemälde.
Es ist fürwahr hohe Zeit in Oesterreich und zumal in Böhmen
ernstlich dahin zu trachten, dass nach dem Beispiele, das uns Deutsch
land, vorzüglich durch die Brüder Boissere gegeben, die aus dem
Ungeheuern Schiffbruche der Vergangenheit noch geretteten, für die
vaterländische Kunstgeschichte hochwichtigen Tafelgemälde dem Dun
kel der Vergessenheit entrissen werden. Der Zahn der Zeit, die Hand
der Rohheit und Unwissenheit arbeiten unaufhaltsam am Untergange
dieser Kunstreste die von dem hundertjährigen Staube, der sie ver
deckt gereinigt, und würdig aufgestellt, den Freunden der Kunst und
des Alterthums zur Freude, und dem Vaterlande zur Ehre gereichen
würden. Vor der Hand muss man sich aber bloss auf die Kenntniss,
Rettung und Erhaltung solcher Kunstreste beschränken; die Samm
lung und artistische Würdigung derselben ist die Aufgabe späterer
Zeiten. Auf solche, meistens verkannte und verwahrloste Bilder hatte
ich daher auf meiner Reise mein Augenmerk gerichtet und lege hiermit
ein vorläufiges Verzeichniss der von mir untersuchten alt-böhmischen
Tafelgemälde vor, von denen die meisten einen nicht unbedeutenden
Kunstwerth haben.
In der Dechanteikirche zu Rakonitz hängen im Presbyterium
vier auf Holz gemalte Bilder mit goldenem Hintergründe und zwar:
1. die Verkündigung (auf der Rückseite Christus im Garten Geze-
mane); 2. die Geburt Christi (Rückseite: Christus vor Pilatus); 3.
die Beschneidung (Rückseite: die Dornenkrönung Christi); 4. die
heil. 3 Könige (Rückseite: Christus am Kreuze). Der Kunstwerth
dieser Gemälde ist bedeutend..
22
Prof. Joh. Wocel.
In Leitmeritz liegen in einer dunklen Kammer des Ratli-
hauses vier vortreffliche Bilder mit goldenem Hintergründe und zwar:
1. die Geisselung Christi; 2. die Krönung Christi; 3. Maria und Eli
sabeth; 4. die Geburt Christi.
In der Propsteikirche zu Raudnitz hängen im Presbyterium
neun altböhmische Tafelgemälde, deren Werth bereits von andern
Kunstkennern erkannt wurde, und zwar: 1. Ein grosses Gemälde
den Tod Marien’s darstellend, wahrscheinlich aus dem XIV. Jahrhun
dert; 2. das letzte Abendmal; 3. Christus vor Pilatus; 4. Christus
vor Kaiphas; 5. Die Geisselung Christi; 6. ein Ecce Homo; 7. Chri
stus unter der Last des Kreuzes fallend; 8. Christus am Kreuze und
9. die Grablegung. Im linken Seitenschiffe derselben Kirche befin
den sich zwei Gemälde auf Goldgrund, deren Ursprung wahrschein
lich in das XIV. Jahrhundert fällt.
Zu Königgrätz befinden sich am Literatenchore die Ge
mälde eines alten Flügelaltars; das Mittelbild stellt die heil. Familie
dar; im rechten Flügel unten die heil. 3 Könige, oben Maria und Eli
sabeth; der linke Flügel enthält unten die Geburt Christi, oben die
Verkündigung. Auf der Rückseite des einen Flügels ist die heil. Anna,
auf der andern Joachim dargestellt. Diese Gemälde sind besonders
ausgezeichnet durch die Trefflichkeit der Zeichnung, Schönheit der
Ausführung, Wahrheit und Innigkeit des Ausdruckes. Wahrschein
lich sind sie im XIV. Jahrhundert gemalt und sind vielleicht Werke
des Meisters Radaus, wenigstens haben sie grosse Verwandtschaft
mit seinen meisterhaften Miniaturbildern.
In Kuttenberg befinden sich in der Barbarakirche zwei Ta
felbilder auf Goldgrund, das eine in der Nähe der Sacristei, das
andere in der ersten Seitencapelle zur linken Hand des Hochaltars.
Das letztere ist unbestreitbar ein Werk des XIV. Jahrhunderts. In
der Muttergotteskirche derselben Stadt hängen am Musikchore zwei
alte Flügelaltäre, wovon das zur rechten Hand der Orgel befindliche
einen vorzüglichen Werth hat.
In C h r u d i m erblickt man in der St. Katharinenkirche einen Flü
gelaltar, dessen Mittelbild zwar fehlt, die beiden hohen Seitenflügel
aber mit trefflichen Bildern auf Goldgrund geziert erscheinen; der
rechte Flügel stellt die heil. Katharina von Engeln gekrönt, der linke
die Enthauptung dieser Heiligen dar. In derselben Kirche befinden
sich noch die Bruchstüche eines zweiten Flügelaltars. In der heil.
Bericht über eine kunst-archäologische Bereisung Böhmens.
23
Kreuzkirche derselben Stadt ist ein Flügelaltar, dessen Mittelstück
Maria mit dem Cliristuskinde im Goldgründe darstellt; die Seiten
flügel enthalten die Bilder einiger Apostel und ein Ecce Homo; am
Sockel ist die Verklärung Christi dargestellt. Ebendaselbst befindet
sieh noch ein zweiter Flügelaltar; das Mittelbild desselben stellt die
Auferstehung Christi, die Seitenflügel die Apostel Petrus und Johan
nes, dann Jakob und Philipp yor; im obern Theile ist Christus im
Garten der Magdalena erscheinend, am Sockel aber sind die böhmi
schen Landespatrone dargestellt. Alle Bilder sind auf Goldgrund, ihr
Kunstwerth ist sehr bedeutend.
Im Vorhause der Dechantei zu Chrudim hängen unbeachtet
zwei herrliche Bilder der altböhmischen Schule. Das erste stellt die
heil, drei Könige, das zweite die Geburt Christi dar.
Im Dorfe K o c f nahe bei Chrudim hängen im hölzernen Thurme,
der zugleich die Vorhalle des Dorfkirchleins bildet, zwei Bilder aus
dem XVI. Jahrhundert, wovon das eine, das letzte Gericht darstel
lende, meisterhaft componirt und ausgeführt ist. Leider sind beide
Bilder sehr beschädigt und mit Schmutz bedeckt.
Ich beschränke mich bloss darauf, jene alten Tafelgemälde hier
anzuführen, die ich auf meiner diesjährigen Reise untersucht hatte,
mit der Bemerkung, dass, soweit mir aus eigener früherer Anschau
ung und fremden Berichten bekannt ist, Böhmen in seinen Gottes
häusern noch eine sehr bedeutende Anzahl solcher Bilder besitzt.
Ein Verzeichniss und eine Sichtung der einheimischen Kunst
denkmale ist vor allem nothwendig, wenn die Kenntniss und das
Studium der vaterländischen Kunst- und Kirchenalterthümer einen
gedeihlichen Anfang in Oesterreich nehmen soll. Bisher hatte man
zumeist dem Auslande die Aufmerksamkeit zugewendet; denn es war
viel bequemer das bereits durch Schriften und Abbildungen Bekannte,
dem Beschauer leicht Zugängliche zu studiren, als sich der mühsa
men Aufsuchung und Erforschung der einheimischen Kunstreste zu
unterziehen. Und hatten auch einige wackere Forscher in Oester
reich die Hand an das mühevolle Werk gelegt und in Monographien
manches interessante Alterthum vor das Forum der 0Öffentlichkeit
gebracht, so waren es doch nur vereinzelte Unternehmungen,
die ohne Zusammenhang unter einander sporadisch auftauchten
und bloss einzelne Bausteine zur Construirung einer systema-
24 Prof. Joli. Wocel. Bericht über einekunst-archäologischeBereis.Böhmens.
tischen Kunstgeschichte Oesterreichs lieferten. Wohl ist es unum
gänglich nöthig, dass auch die Kunstdenkmale des Auslandes aufge
sucht und studirt,werden; aber dieses Studium muss im vorliegenden
Falle als Mittel zur Erreichung eines höher liegenden Zweckes be
trachtet werden. Der Forscher im Bereiche der vaterländischen
Kunstgeschichte und Alterthumskunde hat somit eine doppelte Auf
gabe : Er muss die Errungenschaft fremder Völker auf diesem Ge
biete kennen lernen; und gerüstet mit dieser, Kenntniss, die seinem
Urtheile die nothwendige kritische Schärfe verleiht, im eigenen Va
terlande nach den Ueherresten der alten Kunst forschen. Die auf
diesem Wege gewonnenen Ergebnisse sind für die einheimische
Alterthumskunde bedeutungsvoll. So z. B. gewährt eine Vergleichung
der von Putrich herausgegebenen deutschen Kirchenbauten des Rund-
bogenstyls mit den in Böhmen befindlichen Bauwerken dieser Art
interessante Resultate, und weiset auf so manche Eigentümlichkeit
des böhmischen Baustyls jener Zeit hin.
In den oben beschriebenen Miniaturen und Tafelbildern gewahrt
man ferner Motive, welche an die Werke der alten italienischen und
deutschen Meister lebhaft erinnern, und eben daselbst erblickt man
Gebilde, die einen eige'nthümliehen nationalen Typus haben. In dem
Ludizer Cantional bemerkt man z. B. Bandverzierungen, welche eine
auffallende Aehnlichkeit mit einigen Motiven in Raphael’s Logen haben,
und im Königgrätzer lateinischen Cantionale vom Jahre 1505 befin
den sich Bilder, deren Composition mit den Holzschnitten in Albrecht
Dürer’s, im Jahre 1511 zum erstenmal gedruckten Passio Christi
erblicken lässt. Ueberhaupt wird durch solche Vergleichungen ein
tiefer Einblick in das bewegte Künstlerleben des XV. und XVI. Jahr
hunderts in Böhmen eröffnet.
Schlüsslich bemerke ich, dass der österreichische Kaiserstaat
in der Mannigfaltigkeit seiner nationalen Elemente eine überreiche
Fülle an alten Kunstdenkmalen bewahrt, in welchen das edelste
Vermächtniss der Vergangenheit ruht. Die Erforschung derselben 1
ist eine schöne, dankenswerthe Aufgabe, t die in unserer Zeit um so
wichtiger erscheint, weil der Nationalgeist der Völker in einer sol
chen Würdigung des theuren Nachlasses der Ahnen eine edle, den
Kunstsinn wie auch das humane und religiöse Gefühl anregende Be
friedigung findet.
Freih. H amm er-Purg St all. Ueber die Geisterlehre der Moslimen. 25
SITZUNG VOM 14. JÄNNER 1852.
Der Präsident derClasse, Hr. v. Karajan, eröffnet die Sitzung
mit einer Ansprache an die Classe, worin er mit tiefem Bedauern
des grossen Verlustes erwähnt, den die Wissenschaften und die
Akademie durch den am 10. d. M. erfolgten Tod ihres w. M., Hrn.
Prof. Graviert, erlitten.
Zugleich aber gibt er Hoffnung, dass ein Freund des Verbliche
nen, der, wie bekannt, ein Schüler Niehuhr’s, die römische Ge
schichte zum besonderen Studium gemacht und sie von einer neuen
eigenthümlichen Seite aufgefasst hatte, eine von ihm fast vollendet
hinterlassene grössere Abhandlung: „Cato und Ennius” in sei
nem Geiste völlig ausarbeiten, und zum Abdruck in den Schriften
der Akademie fertig machen werde.
Gelesene Abhandlungen.
Freiherr Hamm er-Purg stall fährt in der Lesung seiner
Abhandlung über die Daimonologie der Moslimen fort, er führt die
Stellen des Korans an, in welchen Iblis, das Dschinnenkind, dessen
Erziehung im Himmel so übel gerathen war, sich weigert, wie ihm
Gott befahl, den Menschen , vor demselben sich niederwerfend, zu
verehren. M a c h du m, d. i. der Bediente, welcher Name von den
Arabern und Persern insgemein nurWefiren und grossen Herren, die
ein grosses Gefolge haben, beigelegt wird, heisst ursprünglich der
von den Dschinnen Bediente, und M e s ü r heissen ursprünglich nur
die von Teufeln und Dschinnen für Salomon verfertigten Klingen;
hieraus erklärt sich, warum so viele persische und türkische Säbel
mit Koranstexten Vorkommen, die sich auf Salomon beziehen; die
Dschinnen dienten ihm nicht nur als Baumeister und Perlenfischer,
sondern auch als Schwertfeger und Glasbrenner, indem sie für ihn
auch die Gläser der Flaschen und der Bäder, die halb kugelförmigen
gläsernen Kuppen, wodurch von oben das Licht einfällt, verfertigten.
Gabriel heisst der Pfau des Himmels und Melek eth-thäüs,
d. i der Engel; der Pfau ist der Gegenstand der Verehrung der Jefidi,
26
Ignaz Beidtel.
die darunter aber nicht den Engel Gabriel, sondern den Teufel ver
stehen. Ainsworth hat daher Unrecht die Sage vom Engel Pfau zu
bezweifeln, welche noch jüngst Moriz Wagner in seinem Berichte
über die Jefidi (in der Beilage der A. A. Z.) gegeben.
Die Dschinnen, d. i. die Genien, sind männliche und weibliche.
Die Gule, welche in der neuesten Zeit von europäischen Dichtern
gewöhnlich nur als weibliche aufgeführt werden, sind männliche und
weibliche, die letzten sind Zauberinnen oder Hexen; eine Art der
Dschinnen sind die Nisnas (Halbmenschen), welche die Inseln des
indischen Meeres bewohnen (grosse Paviane) und die Schikk (ge
spaltene Menschen) welche nur ein Aug, eine Hand, einen Fuss
u. s. w. haben, wie der Wahrsager, welcher Mohammed’s Ankunft
prophezeihte. Von den Dschinnen sind mehrere metonymische Aus
drücke des Arabischen hergenommen, so heisst die Grille Dikold-
schinn, d. i. der Hahn der Dschinnen, hässliche Menschen; Mesi-
chol-Dschinn, d.i.in Dschinnen Verwandelte, die Pest; Rema-
cliol-Dschinn, d. i. die Lanze der Dschinnen. Die schnellsten
Arten der Kameele werden zu den Dschinnen gerechnet.
lieber österreichische Zustände in den Jahren
1740 -1792.
Von dem c. M. Hin. Oberlandesgerichtsrath Beidtel.
IV.
Ueber den Charakter der Communalverfassungen in den österreichischen
Staaten (1740—1780).
Bei den nach dem Jahre 1753 beschlossenen Justizreformen
boten für die österreichischen Staaten die Communalverfassungen die
grössten Schwierigkeiten dar, und da auch seit 1848 die Gemeinde
verfassungen eine der schwierigsten Aufgaben für die österreichische
Staatsverwaltung geworden sind, so scheint es nicht unangemessen
über den Zustand der Communalverfassungen der böhmisch-österrei
chischen Provinzen, wie er vor 1780 war, einen Vortrag zu halten.
Ungeachtet aller Schwierigkeiten, welche diese von den
österreichischen Historikern wenig auseinandergesetzte Seite der
altern Staatsverfassung zeigt, glaube ich doch darüber spre-
Ueber österr. Zustande in den Jahren 1740— 1792.
27
chen zu dürfen, weil ich als Mitglied höherer Gerichtsstellen
Gelegenheit hatte, viele Acten in Ansehung der altern Gemeinde
einrichtungen von Mähren, Schlesien, Steiermark, Kärnten, Kram,
dem Küstenlande und Dalmatien zu sehen, und diese Acten
grösstentheils dasjenige erläuterten oder näher bestimmten, was
mir aus gedruckten Werken bekannt war, eine übrigens sehr natür
liche Erscheinung, da die Entwickelung den westeuropäischen Staats
verfassungen während des Mittelalters überall in den Giundzügen
dieselbe gewesen ist und in den österreichischen Staaten die Institu
tionen des Mittelalters noch um die Mitte des achtzehnten Jahrhun
derts vorherrschend waren.
Wie in den meisten westlichen Ländern Europas war auch
in den westlichen Provinzen des jetzigen Kaiserthums Oester
reich das Land in dem Besitze von Edelleuten, geistlichen Stiftun
gen und einigen grösseren Städten gewesen, welche die Bauern ihres
Gebietes oder wie man in den letzten zwei Jahrhunderten sagte, ihres
Herrschaftsbezirkes in dem Zustande gänzlicher oder halber Leib
eigenschaft hielten. Ereignisse und Betrachtungen verschiedener Art,
unter denen auch religiöse gewesen waren, hatten aber viele diesei
Edelleute und Communitäten bestimmt, einzelnen Ortschaften auf ihren
Gütern eine mehr oder weniger beträchtliche Freiheit zu geben, bald
unentgeltlich, bald auf leichte Bedingungen, ohne sie jedoch aus
dem Herrscliaftsverbande ganz zu entlassen.
Eines der gewöhnlichsten Privilegien der begünstigten Orte war,
dass die Einwohner einen gesicherten Besitz ihres Vermögens er
hielten, Gewerbe treiben konnten, sich ihre Ortsobrigkeit zu wählen
befugt waren und ihre Kinder zu was immer für einem Stande be
stimmen durften. Oft kam dazu noch eine Marktfreiheit, gewisse
Ehrenbezeugungen in dem Wohnsitze des Herrn, das Recht Zölle
anzulegen und noch so manches Andere. Dagegen war es sehr ge
wöhnlich, dass die begünstigte Gemeinde die Bestätigung ihrer Obrig
keiten bei dem Besitzer des umliegenden Landstriches ansuchen,
ihm einen bestimmten jährlichen Zins entrichten, gegen ihn ein ge
wisses Ceremoniel beobachten und ihn in Nothfällen mit einem Zu
zuge von Mannschaft unterstützen musste. Solche th eil weise
Emancipationen gewisser Ortschaften kamen noch im Anfang des
achtzehnten Jahrhunderts in Mähren vor, wie das Beispiel der Stadt
Ungrisch-Brod beweiset.
28
Ignaz Beidtel.
Es gab aber auch Städte und Märkte, welche schon in sehr
alter Zeit unter keinem Edelmann, sondern unmittelbar unter
dem Landesherrn standen. Diese hielten sich für vornehmer, waren
auch gewöhnlich sehr begünstigt, und diese Ortschaften erscheinen
nach Verschiedenheit der Landesverfassungen unter dem Namen der
landesfürstlichen oder königlichen Städte und Märkte. Sie wurden
als die landesherrliche Macht sich mehr ausbildete, gewöhnlich zu’
den Landtagen berufen und es gab Zeitpuncte, in denen ihr Ansehen
gross war. Die andern Städte und Märkte wurden als halb unter-
thänig betrachtet, gegenüber dem Herrschaftsbesitzer, auf dessen
Besitzungen sie lagen.
Alle diese ganz- oder halbfreien Gemeinden legten auf ihre Stel
lung einen grossen Werth, denn gegenüber dem Landvolke, welches
oft leibeigen und stets mit Leistungen der verschiedensten Art gegen
die Herrschaft belastet war, war die Stellung der Bewohner der
Städte und Marktflecken eine beneidenswerthe. Sie richteten sich
also zufolge der ihnen gewährten Autonomie alles nach ihren An
sichten und Bedürfnissen ein, Bürger aus ihrer Mitte, auf längere
oder kürzere Zeit gewählt, versahen alle obrigkeitlichen Aemter,
übten die Gerichtsbarkeit, sorgten nothdürftig für die Polizei, hoben
die Abgaben ein und leiteten, insofern irgendwo von Vertheidi-
gung die Rede sein konnte, die durch die Bewaffnung der Bürger
schaften ohnehin schon vorbereitete Vertheidigung. Das bürgerliche
Recht in diesen Gemeinden bestand meistens in einigen Landes
gesetzen und den örtlichen Gewohnheiten i), welche den Rechtspre-
chenden von Jugend auf bekannt waren und für einfache Rechts
verhältnisse hinreichten; in den reicheren Gemeinden, wo manch
mal die Rechtssachen schwieriger waren, hatte man aber seitdem
sechzehnten Jahrhundert oft rechtsverständige Consulenten mit ver
schiedenen Benennungen.
Als in Städten und Märkten sich eine sehr bemerkbare Zufrie
denheit des Volkes und ein steigender Wohlstand zeigte, wurde es
‘) Von diesen örtlichen Gewohnheiten und einigen andern Acten der istria-
nischen Gemeinden Parenzo, Mantona, Albona, Pisino, Capo d’Istria u. s. w.
beianden sich beim Appellationsgerichte zu Klagenfurt Abschriften, welche
die Regierung batte machen lassen, dagegen war von den Statuten der mähri-
sehen Städte in den Registraturen -wenig zu finden.
Ueber österr. Zustände in den Jahren 1740— 1792.
29
auch gewöhnlicher, den Dörfern etwas von einer geordneten Ge
meindeverfassung zu bewilligen. Die Herrschaftsbesitzer erlaubten
oft den Bauern Richter und Geschworne aus ihrer Mitte, nur behiel
ten sich viele Herrschaftsbesitzer die Kenntnissnahme oder die Be
stätigung der Gemeindebeschlüsse vor, sie beschränkten auch sonst
den Wirkungskreis der Dorfgemeinde auf mannigfaltige Art, gaben
ihr aber in der Verwaltung ihres Gemeinde-Eigenthums viele Freiheit.
Da diesen Einrichtungen zufolge die Stadt- und Dorfgemeinden
eine Art kleiner Republiken mit höchst verschiedenen Graden von
Abhängigkeit, von Vermögen und von Macht wurden, so entstand
auch eine beträchtliche Verschiedenheit der Gemeindeverfassungen.
Hier drang das aristokratische Element vor, zufolge dessen man die
wichtigeren Gemeindeämter nur in dem Besitze der Vornehmeren
oder Reicheren sehen wollte, dort das demokratische, welches eine
mehr oder weniger allgemeine Wählbarkeit verlangte. Hier gab es
erbliche Gemeinde-Obrigkeiten, dort nicht, hier gab es Resoldungen,
wo anders gab es keine. Hier ergänzten sich die Stadtobrigkeiten
selbst, dort wurden sie nach bestimmten Perioden von allen Ge
meindegliedern oder einem Ausschuss derselben gewählt.
Ganz natürlich war es, dass auch in diesen Gemeinden Verfas
sungsfragen vorkamen und die Gemüther erhitzten. Oft geschehen
auf diesem oder jenem Wege Verfassungsveränderungen, welche, wie
hei Staaten, hier zum Guten, dort zum Uebeln führten. Im Ganzen
aber waren, da bald der Herrschaftsbesitzer, bald der Regent sich
einmengen konnten, diese Veränderungen doch selten, manche Ver
fassungen waren erweislich Jahrhunderte alt, aber seit der Glau
benstrennung des sechzehnten Jahrhunderts waren die Veränderungen,
weil der Zwiespalt in unzählige Gemeinden gedrungen war, häufiger
geworden.
In mehreren der österreichischen Besitzungen, namentlich in
Böhmen, Mähren und Schlesien wurde die Communalfreiheit während
des dreissigjährigen Krieges sehr eingeschränkt. Die Landesregie
rung traf, um einer Auflehnung der grösseren Gemeinden gegen den
Landesherrn vorzubeugen, mancherlei Vorsichtsmassregeln, unter
welche in Mähren gehörte, dass in jeder der königlichen Städte ein
sogenannter königlicher Richter als Regierungscommissär aufgestellt
war, dessen Zustimmung zu verschiedenen wichtigen Gemeinde
beschlüssen gesetzlich nothwendig wurde. Als aber die Periode der
30
Ignaz Beidtel.
Religionskriege vorüber war, bekamen die Gemeindeverfassungen,
weil die Staatsgewalt jetzt wenig mein- änderte, von Neuem mehrere
Festigkeit.
Eines der Hauptelemente der Stadt- und Marktverfassungen
waren die verschiedenen Zünfte. Diese batten herkömmlich durch
ihre Vorsteher viel zu sagen. In vielen Orten von Böhmen und Mäh
ren bestand ein Uebergewiclit der sogenannten Grosshürger über die
Kleinbürger und der Stadtbürger über die Vorstadtbürger. In den
südlichen Gegenden bemerkt man den Einfluss der italienischen
Städtehildung durch die Existenz eines Patriciats, wovon sich zu
Triest und Görz noch manches erhalten hat. Wien hatte ausser sei
nen gewöhnlichen Stadtobrigkeiten auch noch einen sogenannten
äussern Rath.
Als Resultat dieser verschiedenen Verhältnisse bemerkt man
gewöhnlich in den Gemeinden grosse Anhänglichkeit an den Wohn
ort, eine oft sehr verschiedene Sitte von der Sitte anderer Orte, viel
1 edlichen Sinn, viel Sparsamkeit; aber auch das, was man um das
Jahr 1780 Kleinstädterei oder spiessbürgerliche Gesinnung nannte.
Im Ganzen genommen schlossen aber die Stadt- und Marktgemeinden
ein gutes und rechtschaffenes Volk ein, welches hei einem massigen
Wohlstände nach der Sitte der Väter lebte, und von dem, was sonst
in der Welt vorging, wenig Notiz nahm.
Diese Zustände waren auch, jedoch gewöhnlich mit mehr Roh
heit verbunden, auf den Dörfern zu finden. Sie kamen auch theil—
weise in den ungrischen Provinzen vor, wo sich gleichfalls auf den
in den deutschen Provinzen betretenen Wegen eine Anzahl halb-
und ganzfreier Gemeinden gebildet hatten, und in diesem Zustand
fand (1140) Maria Theresia das Gemeindewesen in den österreichi
schen, böhmischen und ungrischen Provinzen.
Unstreitig hatte dieser Zustand gute und üble Seiten, doch die
ersteren waren überwiegend. Sie waren aber nicht bloss die Folge
der Communalzustände, sondern vieler zusammenwirkender Ursa
chen. Da man in jener Zeit wenig reiste, so waren, Handwerker
ausgenommen, die in ihren Wanderjahren weit herumgekommen
waren, wenig Menschen, welche viel von der Welt gesehen
hatten, oder ein Verlangen hatten, andere Lebensverhältnisse
eingeführt zu sehen. Bei dem Mangel an Fabriken wurde jedes
Gewerbe zunftmässig betrieben und die Zunftordnungen hielten auf
lieber österr. Zustände in den Jahren 1740 —1792.
31
Unterordnung und Sittlichkeit. Die Staatsorganisation sperrte dem
jenigen, welcher nicht beträchtliche Mittel und gute Verbindungen
hatte, jede Aussicht, im Stande den Staatsbeamten vorzukommen.
Von einem kolossalen Vermögen hörte man, einige Familien des
hohen Adels ausgenommen, nichts. Gelesen wurde wenig, gespro
chen viel, man gefiel sich in örtlichen Sagen, so wie in Familien
geschichten und der Befriedigung des Ehrgeizes im Orte, ganz na
türlich aber mussten solche einfache Verhältnisse mehr auf gute Sit
ten hinwirken als unsere heutigen Zustände.
Als das Cabinet nach 1745 das ganze österreichische Regie
rungssystem zu ändern beschloss, mussten in so vielen Bezie
hungen Veränderungen einzelner Verhältnisse hervortreten, dass,
wenn auch die alten Communalverfassungen geblieben wären, doch
eine grosse Veränderung in den Sitten und Begriffen des Volkes
hätte kommen müssen. Aber die Communalverfassungen mussten bei
der Systemsveränderung auch als ein Hauptgegenstand in Betrach
tung kommen, und der Zustand, welcher sich (1745) zeigte, war
folgender:
Die Stadt- und Marktgemeinden hatten der Regel nach die Civil-
gerichtsbarkeit über die nicht privilegirten Gemeindeglieder, wie
wohl oft mit mancherlei Einschränkungen. So konnten zwar die grös
seren Städte ihre Urtheile schöpfen und ohne weiters kundmachen,
aber die minder privilegirten Städte und Flecken bedurften oft, ehe
ihr Urtheil kundgemacht werden durfte, der herrschaftlichen Bestä-
tigung, welche wieder bald eine aus dem Standpuncte eines Cassa
tionsgerichtes zu schöpfende Entscheidung, also keine eigentliche
Bestätigung, bald aber eine wahre Approbation oder Abänderung
war. Auch auf den Dörfern hatten die Dorfgerichte eine wahre Ge
richtsbarkeit, nur wurden, weil die meisten Bauern nicht lesen und
schreiben konnten, viele ihrer mündlichen Aussprüche erst bei dem
herrschaftlichen Amte zu Papier gebracht und sofort den Parteien
jene Ausfertigungen, deren sie bedurften, hinausgegeben.
Nach den Begriffen unsers Zeitalters ist eine solche Justizver
waltung ein Unding, auch begriffen schon in den letzten fünfzig Jah
ren viele Rechtsverständige nicht, wie sie überhaupt möglich war.
Allein der frühere Zustand der Gesetzgebung erklärt die Sache.
Da das Verfahren nicht bei allen Gerichten gleich war, und
eben so wenig jener Theil der Gesetzgebung, welcher die Frage,
32
Ignaz Beidtel.
was ist Rechtens, entscheidet, so war die wissenschaftliche Rechts-
kenntniss bei weitem nicht bei allen Gerichten nothwendig, son
dern oft die Kenntniss gewisser Landesgesetze oder Gewohnheiten
hinreichend und in den mehr verwickelten Fällen entschied, oft bes
ser als man geneigt ist zu vermuthen, der gesunde Menschenverstand;
Entscheidungen dieser Art wussten aber gewöhnlich auch die ange
seheneren Einwohner des Ortes zu fällen, auch hatten viele Städte
und Städtchen unter verschiedenen Namen rechtsverständige Con-
sulenten.
Rei den damaligen Verhältnissen zeigte sich auch das als be
sonders wichtig, dass eine Art von traditioneller Jurispru
denz nach und nach unter dem Volke entstanden war. Diese um
fasste die mehr praktisch wichtigen Restimmungen der Gesetze und
Rechtsgewohnheiten. So wussten zwar der Landmann und der Rür-
gei der kleinen Städte nicht, wie dieser Contract sich von jenem
unterscheide, wer die Gesetze gemacht habe, oder welche Gesetze
bei einem andern Gerichte oder in einem anderen der österreichischen
Länder gelten. Aber er wusste, welcher Sohn nach dem im Orte
gültigen Rechte der Grunderbe sei, welche Ansprüche eine Tochter
in Ansehung des Heiratsgutes machen könne, zu wem er gehen und
die Bewilligung einholen müsse, wenn er Schulden auf seinen Grund
machen wollte, und diese und ähnliche Rechtskenntnisse reichten
hin, um die einfachen Rechtslalle, welche gewöhnlich vorkamen, zu
entscheiden.
Ganz anders wurde aber die Lage, als man unter Maria There
sia ein wissenschaftliches Recht in einer systemati
schen Ordnung und in einer möglichst präcisen
Sprache aufstellen wollte. Jetzt war es einleuchtend, dass nur
wissenschaftlich gebildete Rechtsverständige oder wie der gemeine
Mann sich ausdrückte, Juristen, zur Justizverwaltung taugten.
Ganz natürlich konnten also nur Orte, welche, um Juristen als Rich
ter aufzustellen, die Geldmittel und die verfassungsmässigen Befug
nisse hatten, im Besitze einer eigentlichen Gerichtsbarkeit, d. h.
einer solchen, die ihre Aussprüche ohne weiters kundmaehen kann,
bleiben und da die meisten Dörfer und Flecken in der österreichi
schen Monarchie sich nicht in diesem Falle befanden, ging ihre
Civiljurisdiction, wenn die Regierung auf ihren Ideen beharrte,
verloren.
Ueber östen-, Zustände in den Jalu-en 1740 — 1792.
33
Aelmliche Betrachtungen galten auch von dem den Gemeinden
überlassenen Theile der Polizei Verwaltung, in so fern man bei dem
selben schriftliche Aufsätze brauchte, und da den allen Gemeinde
gerichten dann höchstens noch d e r N a m e v o n G e r i c h t e n konnte
gelassen werden, so waren, da man ohnehin schon in mehreren Pro
vinzen den meisten Gemeinden (1754—176S) die Criminalgerichts-
harkeit abgenommen hatte, die a 11 o n G e m e i n d e v c r f a s s u n g c n
vernichtet.
Der Hinblick auf dieses Resultat war für jene Staatsmänner,
welche auf die Zukunft sahen, nicht erfreulich. Sie wünsch
ten nicht, dass die Communalverfassungen, welche ihnen die Quelle
von so manchen guten Eigenschaften des Bürgerstandes zu sein
schienen, wesentlich verändert würden. Aber ihnen zur Seite
standen andere Politiker, welche, wenn sie auch gerade nicht auf die
unmittelbare Vernichtung der alten Communalverfassungen Werth
legten, doch eine Menge anderer Ideen, welche der Fortdatier der
alten Communalverfassungen nachtheilig waren, gut hiessen.
Unter diese Ideen gehörte die Hoffnung, dass, wenn das Volk zu
einer höheren Bildung gelange, wozu ihnen die Gesetzgebung und die
Volksschulen die Mittel zu liefern schienen, bald ein Zeitpunct cin-
treten werde, in welchem die gebildeten Gemeindeglieder mit Beru
higung das Richteramt würden führen können. Viele Staatsbeamte
hielten dafür, dass die Organisirung der Volksschulen und der Poli
zeiverwaltung eine Sache des Staates sei, und schon von dieser
Seite die alten Communalverfassungen einer Reform bedürften. Noch
andere, physiokratischen Ideen nachhängend, wollten die Zünfte, wo
nicht ganz, doch zum Theil aufgelöst haben, und meinten, dass mit
der Lockerung des Zunftwesens ohnehin die alten Gemeindeverfas
sungen verschwinden würden.
Unterstützt wurden diese Betrachtungen durch eine andere
Partei, welcher das Vorherrschen des aristokratischen Elementes in
den meisten Gemeindeverfassungen zuwider war. Wenn der Gross
bürger den Kleinbürger, der Stadtbürger den Vorstadtbürger, der
Besitzer eines ganzen Bauerngrundes den Halbbauer geringschätzte,
gewisse Familien erbliche Vorrechte im Orte ansprachen und
lang ansässige Familien sich gegen die Ansässigmachung neuer An
kömmlinge sträubten, schien ihnen dies nicht minder verwerflich,
als der aristokratische Dünkel unter den höchsten Ständen, und
Sil/.!», d. plül.-hist. CI. VIII. Dd. I. II«.
34
Ignaz Beidtel.
demokratische Grundlagen, welche aber nur bei einer Totalreform
des Gemeindewesens Geltung erlangen konnten, schienen ihnen eben
desshalb die einzigen richtigen Grundlagen für eine Gemeinde zu sein.
Auch jene militärische Hülfe, welche die altern Stadtverfassun
gen durch die Verwendung der Bürgerschaft zur Vertheidigung ihrer
Mauern der Staatsgewalt gegeben hatten, und von der die Jahrbücher
so vieler österreichischen Städte glänzende Beispiele aufstellten,
schien vielen Militärpersonen um das Jahr 1738 von keiner Erheb
lichkeit mehr. Man meinte in den früheren Jahrhunderten, als die
Armee klein und die Artillerie sehr schwach war, hätten Städte, da
sie oft nur von einigen hundert Mann angegriffen wurden, allerdings
Widerstand leisten, und wohl auch in Verbindung mit einer regu-
ürten Kriegsmacht der letzteren eine nützliche Aushülfe leisten kön
nen, dies sei aber Alles, was man zugeben könne, mehr zu erwarten
sei bei den starken Armeen und der Vermehrung des schweren Ge
schützes schlechterdings unmöglich, und zum Wesen einer festen
Ordnung im Staate gehöre, dass nur die Armee bewaffnet sei.
Auch das, was man von den Fortschritten der Bevölkerung und
des Handels erwartete, lief gegen die alten Städteverfassungen, ln
den altern Zeiten waren die Städte so gebaut worden, dass man einen
möglichst kleinen Umkreis zu vertheidigen habe. Daher gewöhnlich
enge Gassen, kleine Plätze und vor allem Stadtmauern mit verschie
denen Thürmen. Könnte diese Ausdehnung und Bauart der Städte
bleiben, wenn die Bevölkerung sehr gross würde und etwa durch In
dustrie und Handel,ein beträchtlicher Tlieil der Einwohner zuReich-
thümern gelangte ? Was bedeuteten dann aber die Unterschiede zwi
schen Stadt- und Vorstadtbürgern, zwischen Grossbürgern und Klein
bürgern ?
Auch das machte man gegen die alten Stadtverfassungen geltend,
dass sie eigentlich Staaten im Staate bildeten. Diese Behauptung war
offenbar unrichtig, da sie Corporationen waren und keine Souverai-
nitätsrechte ansprachen, aber um 17S0 behauptete man auch von
jeder Corporation, dass sie einen Staat im Staate bilde, und viele an
sieh gutdenkende Menschen Hessen sich diese Behauptung gefallen.
Während diese Veränderung in den politischen Ansichten die
alten Stadtverfassungen immer mehr bedrohte, war auch im Wege der
Gesetzgebung schon Einiges geschehen, um ihre Stellung gegen die
Staatsgewalt zu ändern. Hier soll von jener Masse einzelner Decrete,
Ueber östeir. Zustände in den Jahren 1740 — 1792.
35
welche in die Gesetzsammlungen nicht aufgenommen wurden, keine
Erwähnung geschehen, nur von einigen der wichtigeren Gesetze für
diesen Zweck soll die Rede sein.
Ein Gesetz vom 7. Juni 1749 hatte in Ansehung der vielen lan
desfürstlichen Städte des Landes oh der Enns verordnet, „dass, wenn
die Stadtschreiber- oder Syndicusstellen in Erledigung fallen sollten,
„deren Ersetzung zwar wie bisher more consueto durch ordentliche
Wahl vorgenommen, der neue cleclus aber nicht eher zur Activität
gelassen werde, er sei denn vorher von der königlichen Repräsenta
tion und Kammer confirmirt worden.”
Ein Hofdecret vom 19. August 1750 verbot in Ansehung der
Sachen der Marktregulirungen, welche damals im Werke waren:
„Deputationen ohne vorher eingeholter Bewilligung an das a. h. Hof
lager zu schicken” wobei zugleich, einige allgemeine Maximen für
ähnliche Fälle aufgestellt wurden.
Ein Hofdecret vom 18. September 1751 für Böhmen gab den
dortigen Kreisämtern eine „Aufsicht in den Städten” auf alles jenes,
„was in den publieirten Generalien und Patenten verordnet wird, und
namentlich auf Gewicht und Maass der Comestibilien,” was vorher
fast ganz den Stadtobrigkeiten anheimgestellt war.
Eine andere allgemeine Verordnung vom 3. Jänner 1752 unter
sagte den Städten die Abreiehung der herkömmlichen Geschenke an
die Regierungsstellen.
Als mit dem Patente vom 24. Juli 1753 die Kreisämter in Oester
reich ob der Enns, „gleich wie in allen übrigen deutschen Erblän
dern bereits geschehen ist,” cingefüTirt wurden, erhielten sie eine
Instruction, welche mit der in andern Provinzen gleich scheint ge
wesen zu sein, und welche in Gewerbssachen die Autonomie der
Städte sehr einschränkte.
Ein Gesetz vom 7. Jänner 1754 lautete: „bei den in Städten und
Märkten obwaltenden Gebräuchen und Unordnungen in Ansehung der
Polizeigeschäfte werden sämmtliehe Städte und Märkte erinnert, dass
jeden Ortes sich befindenden Zünften wohlerfahrne Männer als Com-
missäre vorzustellen, über alle politischen Vorfälle und Veranlassungen
e i n P r o t o k o 11 zu führen und dasselbe namentlich dem Kreisamte zur
Einsicht einzureichen und in erheblichen Gegenständen die höhere Ent
scheidung zu gewärtigen sei.” Dieses Gesetz setzte die Zünfte in grös
sere Abhängigkeit; jener Tlieil desselben, welcher die Errichtung von
36
Ignaz Bei eitel.
Protokollen über alle politischen Vorgänge und Veranlassungen betrifft,
wurde aber bald von der Praxis so ausgelegt, dass das mündliche
Verfahren über viele gerichtliche und polizeiliche Gegenstände,
in Ansehung deren man früher höchstens die Resultate schriftlch
aufzeichnete, aufhörte und das schriftliche Statt fand. Besonders war
die Wirksamkeit der Bauerngerichte in den Dörfern dadurch getroffen.
Gegen den Wunsch der Städte wurde mit dem Hofdecret vom
29. Jänner 1754 die Conscription „in den gesummten deutschen
Erblanden” cingeführt. Zu Wien wurde (26. Juni 1734) auch eine
den damals neucreirten Polizeicommissären ertheilte Instruction kund
gemacht. Mit dem Hofdecret vom 29. Jänner 1757 kam die Baupo
lizei mehr an die Landesstellen.
Ein Gesetz für Böhmen vom 22. Juli 1763 erklärte, von den
damals im Lande bestandenen 3.78 Ilalsgerichten würden nur 24 bei
behalten , und die Ortschaften, welche die Crirainalgerichtsbarkeit
verlieren, hätten bestimmte jährliche Geldbeiträge an den Criminal-
fond zu leisten.
Die für die Städte so wichtigen Diensthotengesetze, wurden im
Erzherzogthum Oesterreich durch eine Dienstbotenordnung vom
12. August 1765 abgeändert, ohne die Städte zu fragen.
Mit dem Patente vom 18. November 1768 wurde die Zerstücke
lung der für die kleinen Orte sehr wichtigen Gemeindeweiden an
geordnet.
Ein Gesetz vom 25. September 1770 stellte allgemein, also auch
bei den Stadtobrigkeiten, den altherkömmlichen Gebrauch der Man
telkleider ah, wodurch es für diese Obrigkeiten an jeder Staatsklei
dung fehlte.
Als 1770 die ersten Schritte zur Einführung der Normalschulen
in den grossen Städten geschahen und mit der allgemeinen Schul
ordnung vom 6. December 1774 das gesammlc Volksschulwesen in
die Hände der Regierung kam, verloren die Gemeindeobrigkeiten
dabei viel von ihrem ehemaligen Einfluss auf diesen Gegenstand. Ein
Hofdecret vom 29. März 1776 begünstigte auch bereits in einem hohen
Grade die Gewerbsfreiheit, und ein anderes vom 13. Juni 1778 wollte
eine allmähliche Abstellung der verkäuflichen Gewerbe.
Durch diese und mehrere andere Decrete für einzelne Provinzen
war die alte um das Jahr 1740 bestandene Gemeindeverfassung un
tergraben, die jüngere Generation sah aber dieses nicht ungern, und
Ueber österr. Zustände in den Jaliren 1740 — 1792.
37
wenigen Menschen scheint die Frage eingefallen zu sein, wie wohl
die künftige Organisation der Gemeinden und Gemeindeverwal
tungen ausfallen werde.
Diese Frage fiel aber auch im Auslande, wo ähnliche Mass-
regeln gegen die alten Gemeindeverfassungen statt fanden, wenigen
Personen ein, obschon die Veränderung, welche in Ansehung der
Sitten, Wünsche, Trachten und Bestrebungen des Bürgerstandes
stattfand, vielen Menschen auffiel und namentlich in Ansehung Wiens
Pezzl, welcher im Jahre 1791 eine viel gelesene Charakteristik
Kaiser Joseph’s II. schrieb, schon bemerkte, dass der Wiener Bürger
von damals den alten Bürgern von Wien in nichts mehr ähnlich sehe.
Die Wichtigkeit der alten Communalverfassungen wurde in
Preussen erst eingesehen, als nach der Schlacht bei Jena (14. Oc-
tober 1806) das ganze preussische Staatsgebiet, ohne dass von der
Bevölkerung dem Feinde irgend ein Widerstand geleistet worden
wäre, von den Franzosen überschwemmt wurde. Der Minister Frei
herr von Stein und andere glaubten eine der Ursachen in der statt
gefundenen Zerstörung der alten Communalverfassungen zu sehen,
und seit jener Zeit bis in die neueste herab wurde die Ausmittelung
einer guten Gemeindeverfassung einer der Hauptwünsche der neueren
Staatsverwaltungen.
Preussen hat sich in dieser Rücksicht sehr thätig gezeigt, ohne
dass es aber in der langen Zeit von 1808 bis 1851 zu einem befrie
digenden Resultate gelangt wäre. Wer jedoch diesen preussischen
Bestrebungen seine Aufmerksamkeit zugewendet batte, wird bei aller
Anerkennung der Talente mehrerer preussischen Staatsmänner zur
Ueberzeugung gelangen, dass die Wiederbelebung der ehemaligen
Gemeindeverfassungen, des ältern Bürgersinns und der allen Genüg
samkeit eine Unmöglichkeit sei. Die wissenschaftlichen Gesetzge
bungen der neueren Zeit, die Aufhebung der Zunftverfassungen, die
fast in allen Staaten eingeführte Centralisation der Geschäfte, die
Schulverfassungen, der vermehrte und erleichterte Verkehr, nebst
hundert andern Einflüssen hindern solche Restaurationen und der
Abgang aller constitutiven Elemente der alten Gemeindeverfassun
gen macht sich selbst bei dem Plan für modifieirte Gemeindever
fassungen geltend.
Auf modifieirte Gemeindeverfassungen wurde aber noch
unter Maria Theresia um das Jahr 1780 in den österreichischen
38 Ignaz Beidtel. Uehcr österr. Zustände i. <1. Jalircn 1740—1792.
Staaten gedacht. Man sah ein, dass man mit jenen Gemeindever
fassungen, welche bestanden, weder die politische noch die Justi-
cialverwaltung zu Stande bringen könne. Mit dem Grundsätze, dass
man über viele polizeiliche Vorgänge und Gewerbsfragen schriftliche
Protokolle aufgenommen und nach Umständen den Oberbe
hörden vorgelegt wissen wollte, vertrug sich nicht die Communal-
verfassung der Dörfer, eben so wenig wollte man in Sachen der all
gemeinen Landespolizei viel von der Einsicht oder dem guten Willen
der Städte abhängen lassen.
Noch einleuchtender war die Nothwendigkeit, wegen der Justiz
regulirung viel in den Communalverfass.ungen zu ändern und mit
jedem Jahre überzeugte man sich aus dem bereits früher angeführten
Grunde mehr von dieser Nothwendigkeit. Aus den Registraturen der
Gubernien und dem Appellationsgerichte zeigte sich, dass zwischen
1775 und 1780 die Hauptgedanken die waren, den Dorfgerich
ten den Einfluss auf jene Geschäfte, welche nach dem Gesetze
schriftliche Verhandlungen forderten, zu nehmen, und die Ge
schäfte den Herrschaftsämtern zuzuweisen, den grösseren Gemeinden
aber die Pflicht aufzulegen, sich für die wichtigeren ihrer Geschäfte
der Hilfe von Juristen, die dann Communalbeamte werden mussten,
zu bedienen, wodurch die Stadtobrigkeiten Collogien, welche
theils aus Juristen theils aus Nicht-Juristen bestehen sollten, werden
mussten. Dass dies eine unvollkommene Organisation sei, ver
kannte man nicht; man glaubte aber nicht den Städten die Justiz
verwaltung ganz abnehmen zu können und sachverständige Männer
riethen, wenigstens vorher einen Versuch zu machen, inwiefern
man mit den auf diese Art modificirten Stadtverfassungen ausreichen
könne. Bei diesem Stande der Frage über die Communalverfassungcn
bestieg Kaiser Joseph II. den Thron.
Freili. H a min <M’-Pur gs l all. Ueber die Gefef.erlehrc (lerMoslimen.
39
SITZUNG VOM 21. JÄNNER 1852.
Die vuu Herrn Johann Hulakowsky aus Prag eingesandten
Probebogen seines in lateinischer Sprache abgefassten und lithogra-
phirten .Werkes über „Abkürzungen von Wörtern, wie sie vorzüg
lich in lateinischen Handschriften des Mittelalters Vorkommen, mit
beigefügten slawischen und deutschen dergleichen Schriftzügen, ge
sammelt und erklärt,” konnten die Classe zwar nicht bestimmen, auf
Uebernahme der Herausgabe dieses Werkes durch die Akademie an
zutragen, weil es eben die dazu unerlässliche Bedingung der Erwei
terung der Wissenschaft zu erfüllen sich gar nicht zur Aufgabe ge
macht hat. Aber die Aufgabe, die der Verfasser im Auge hatte, einen
verlässlichen, bequemen und wohlfeilen Auszug aus dem kostbaren und
seltenen Lexicon äipiornaiicuin Walter’s und eine Zusammenstel
lung des in mehreren Werken Dobrowsky’s und Kopitar’s zer
streuten Materials zu liefern, hat er so befriedigend gelöst, dass die
Classe beschloss, dieses Werk ausdrücklich in ihren Sitzungsberich
ten zu erwähnen, und Alle die sich mit Urkunden und Handschriften
beschäftigen, darauf aufmerksam zu machen, und es insbesondere
den Bibliotheken der gelehrten und Hochschulen als ein sehr zweck
mässiges Compendium der praktischen Diplomatik, ganz geeignet,
die so wünschenswerthe grössere Verbreitung dieser Wissenschaft
zu fördern, zu empfehlen.
Freiherr Ha mm er-Purgstall verfolgt die Lesung seines
Aufsatzes für die Denkschriften, über die „Daimono 1 og.ie der
M o s lim e n,” indem er die Stellen der Ueberlieferung über die Engel,
Erzengel, Schutzengel, Grabesengel, Folterengel und gefallenen
Engel, H'-arut und Marut, gibt; solche Ueberlicferungen des Pro
pheten sind:
Färbet euren Bart, denn die Engel heissen das Färben des
Bartes gut.
Wenn ein Mann sein Weib ins Bett ruft lind sie sich dessen
weigert und er sich zornig niederlegt, so fluchen ihr die Engel bis
an den Morgen.
40 Freih. Hammei’-P urff s tall. Ueber die Geisterlelire der Moslimen.
Wenn das Kind eines Gottesdieners stirbt, sagt Gott zu den
Engeln: Ihr habt das Kind einer meiner Diener in Empfang genom
men — sie sagen: ja! — Gott sagt: Ihr habt die Frucht seines Her
zens in Empfang genommen— sie sagen: ja! — Gott sagt: Wie
benahm er sieh?-— sic sagen: er lobte Dich und kehrte zu Dir
zurück! — da spricht Gott: bauet meinem Diener ein Haus im
Paradies!
Suchet die Wissenschaft! und wäre es in China; das Sueben
der Wissenschaft ist Pflicht für jeden Moslim, die Engel dehnen ihre
Schwingen aus über den der die Wissenschaft sucht und haben
Wohlgefallen daran, dass er sie sucht.
Steht (beim Gebete) in Reihen, denn die Engel stehen in Reihen,
schliesst euch Schulter an Schulter, dass kein Zwischenraum bleibe,
und fasset die Hände eurer Brüder, damit der Satan keinen Raum
finden möge sich einzudrängen; wer die Reihen hält, gelangt zu Gott,
und von dem der dieselben trennt, trennt sich Gott.
Die Engeln halten sieh an den Steigbügeln der reitenden Wall
fahrer und umarmen die zu Fusse gehenden.
Die Engel gehen in kein Haus, worin ein Hund oder ein Bild.
Die Engel wohnen dem Begräbnisse eines Ungläubigen nicht hoi,
sie meiden den mit Salben oder Safran Durchdufteten und die Handrosse.
Gottes des allerhöchsten Engel steigen jede Nacht nieder, um
die verirrten Lasttliiere der Fronkämpen zu Recht zu weisen, welche
keine Glocke am Halse haben.
In der Nacht meiner nächtlichen Himmelfahrt kam ich hei einer
Schaar Engel vorbei, die mir sagten : Mohammed, lass dich schröpfen !
Reitergeschwader mit Schellen werden nicht von Engeln be
gleitet.
Der Donner wird von einem Engel, der den Wolken vorgesetzt
ist, hervorgebracht, er treibt die Wolken mit feurigen "Geschossen.
Nennt euch nach den Namen der Propheten und nicht nach den
Namen der Engel.
Es liegt euch ob, Kopfbünde zu tragen, denn solche tragen die
Engel, und lasst das Ende derselben über eueren Rücken fliegen.
Die längste Ueberlieferung von den 9875, welche der kleine
Sammler SojnthPs enthält, ist weniger durch den Namen Gabri
els, welcher darin vorkömmt, als durch die Beschreibung der nächt
lichen Himmelfahrt merkwürdig, nach welcher die XVII. Sure: die
Prof. A. v. Kremer. Topographie von Damaskus u. Mittel-Syrien.
41
nächtliche Reise, betitelt ist; ein Wunder, welches Mohammed
durch den Koran beglaubigte, so dass Herr Ernst Renan im
Decemberhefte der Revue de deux tuendes sehr Unrecht hat zu
behaupten, Mohammed habe seine Sendung durch keine Wunder
beglaubigen wollen.
Hr. Prof. A. v. Kremer legt sein handschriftliches Werk:
„Topographie von Damaskus und Mittel-Syrien”
vor, und hält darüber nachstehenden Vortrag:
Hochzuverehrende Versammlung!
Als mich die kais. Akademie dor Wissenschaften im Anfänge des
Jahres 1849 mit einer Unterstützung zu einer wissenschaftlichen
Reise in den Orient beehrte, setzte sie mir ausser der Erforschung
der Bibliotheken von Damaskus und Haleh noch den Zweck vor,
während meines wenigstens sechsmonatliehen Aufenthaltes in Da
maskus Daten zu einer Topographie dieser Stadt zu sammeln.
Dadurch, dass mir eine weitere Unterstützung für ein zweites
Jahr bewilligt wurde, war ich nicht nur im Stande, statt der sechs,
zwölf Monate in Damaskus zu verweilen, sondern es erübrigte
mir Zeit genug, um nach den wichtigsten Städten und Gegenden
Syriens Ausflüge unternehmen zu können, auf welchen ich das
Materiale zu vorliegendem Werke sammelte.
Die kais. Akademie hat mir als Muster einer Topographie von
Damaskus das von dem englischen Arzte Rüssel zu Ende des
vorigen Jahrhunderts über Aleppo verfasste Werk vorgesetzt; da
dasselbe aber grösstentheils naturhistorischen Inhalts ist und auch
der dem Lehen und den Sitten der Bewohner von Haleb gewidmete
Abschnitt eher die Sitten einer Classo und zwar die der türkischen
Bewohner von Haleb schildert, wie schon Lhne bemerkt, so war es
mir nicht möglich, mich streng an die Form desselben zu halten.
Unter die Fortschritte der Wissenschaft in unserem Jahrhun
derte muss auch gerechnet werden, dass man in reisebeschreihenden
Werken nicht mehr wie ehemals bloss die Merkwürdigkeiten der
Länder und Städte, die eigenthümlichen Sitten ihrer Bewohner be
schreibt, sondern vielmehr die Denkungsweise der Bewohner, ihren
gesellschaftlichen und politischen Zustand, ihre Literatur, ihre Re-
42
Prof. A. v. Kr e m e r.
ligion, ihre Gesetze, bürgerlichen Institutionen, eben so gut wie ihren
Aberglauben, ihre Sagen, Ueberlieferungen und ihr häusliches Leben
einer genauen Erforschung würdiget.
Der bekannte Orientalist Laue, der mit grösster Aufopferung
während eines achtjährigen Aufenthaltes in Kairo die Notizen zu
seinem Werke : „The modern Eyyptians" sammelte, hat zuerst über
Egypten ein solches Werk geliefert, das uns den heutigen Egyptier
im Schosse seiner Familie sowohl als in der Rathsversammlung des
Divans, denarmen Fell ah auf seinem Durrafelde ehen so genau
wie den reichen Efendi in seinem Harem schildet.
So wie nun der genannte Orientalist seine Schilderungen des
arabischen Volkes und seiner Sitten an die Schilderung des Lebens
in Kairo, als einer der grössten rein-arabischen Städte anknüpft, so
war es mein Zweck bei der Verfassung des Werkes, welches ich
hier (fünf Hefte samrnt Plan von Damaskus) vorzulegen die Ehre habe,
anknüpfend an die Schilderung der Stadt Damaskus und des umlie
genden Gebietes eine so getreue als genaue Darstellung des Landes
und des Volkes zu geben.
Nach einer genauen topographischen und geographischen Schil
derung der Stadt und des umliegenden Gebietes gehe ich daher auf
die Schilderung der Bewohner, ihrer Abstammung, Sitten, Gebräuche,
Feste, Erziehung, Literatur, politischen und commerciellen Verhält
nisse über, wovon besonders das über den Handel neu Gesammelte
und hiemit zum ersten Male Veröffentlichte hei dem grossen Auf
schwünge, den der österreichische Handel neuester Zeit im Oriente
genommen hat, nicht ohne Interesse sein dürfte.
Ich habe daher allerdings die mir von der kais. Akademie auf
getragenen Notizen vollständig gesammelt, zugleich aber ein viel
umfassenderes Werk geliefert, als ursprünglich beabsichtiget war.
Wenn der obengenannte englische Gelehrte acht Jahre zubrachte,
um seine Notizen zu sammeln, so dürfte die Masse des von mir wäh
rend der Zeit meines zweijährigen Aufenthaltes im Oriente gesam
melten Stoffes den genügenden Beweis liefern, dass ich die Zeit wohl
benützte, während welcher Zeit ich ausserdem noch anderen Studien
oblag, von denen ich in meinen eingesendeten Berichten Rechen
schaft gegeben habe.
Es dürfte allerdings sonderbar scheinen, dass ich während eines
so beschränkten Zeitraumes so vielNeues über ein Land und ein Volk
43
Topographie von Damaskus nnd Mittel-Syrien.
zu sagen fand, über das fast alljährlich dicke Bände von englischen
und französischen Touristen und wissenschaftlichen Reisenden ge
schrieben werden; — allein der grosse Vortheil, den ich vor allen
solchen Reisenden voraus hatte war der, dass ich der Sprache des
Landes mächtig hin. Dem Beispiele des grossen Reisenden Burk
hardt folgend, der in Bauerntracht unerkannt das Land wie ein Ein-
geborner durchzog, vermied ich auf allen meinen Reisen mich als
Europäer erkennen zu gehen, bald hielt man mich für einen Kauf
mann aus irgend einer Küstenstadt, bald für einen türkischen Officier
u. g. w. — So vollbrachte ich die so schwierige Reise nach Pal
myra. ungeachtet sich gerade mehrere Beduinenstämme, deren Ge
biet durchzogen werden musste, in Fehde befanden, in Begleitung
eines einzigen Beduinenscheichs auf Dromedaren, in einem halben Mo
nate hin und zurück. Freilich fehlte oft alles, was man unter dem Aus
drucke Comfort versteht, — oft musste ich in den rauchigen Hütten
der Bauern übernachten, wie z. B. ums Neujahr 1880, wo ich hei
Uebersteigung des Libanons in einem elenden Dorfe Meks e ein
geschneit wurde und sechs Tage dort zubringen musste.
Ungeachtet zweier in Constantinopcl erwirkter F e r m ane konnte
ich doch von dem fanatischen Saidpaseha nicht die Erlaubniss er
halten, die grosse Moschee von Damaskus zu betreten, so dass ich
mich genöthiget sah, mich ebenfalls in Verkleidung einzuschleichen,
was nicht ohne Gefahr war, da jeder in der Moschee entdeckte Christ
dem Tode verfällt. Dass ein nicht geringer Eifer für die Wissen
schaft dazu gehört, abgesehen von meinen eigenen peeuniären Opfern,
solchen Entbehrungen und Gefahren sich auszusetzen, ist leicht be
greiflich; aber eben dadurch gelang es mir, mich mit den Verhält
nissen des Landes und des Volkes vertrauter zu machen als es den
meisten der früheren Reisenden möglich war.
Um aber das ganze Werk, insbesondere die zahlreichen in dem
selben gesammelten arabischen Inschriften, die oft wichtige histori
sche Daten enthalten, verständlich zu machen , sah ich mich genö
thiget, eine ausführliche historische Einleitung vorausznschicken,
wobei mir besonders das grosse Werk Ihn Ketir’s, das sich
auf der kaiserl. Hofbibliothek befindet, von grossem Nutzen war.
Für die mir bereitwilligst zugestandene Erlaubniss dasselbe zu
Hause benützen zu dürfen, muss ich hier öffentlich meinen Dank
aussprechen.
44'
Prof. A. v. Krem er.
Durch die Daten des genannten Werkes war ich in den Stand
gesetzt, eine viel ausführlichere Schilderung der Eroberung Syriens
und Damaskus zu gehen, als in den bisher die Geschichte der Araber
behandelnden Werken enthalten ist.
Nicht geringere Ausbeute gewährte mir die auf der kais. Hof
bibliothek befindliche Chronik von Ibn Forät, so wie das in meinem
Besitze befindliche Werk Kitäb-er-Raud’atein.
Auf diese historische Einleitung, welche die Geschichte Syriens
und Damaskus von der Eroberung des Landes durch die Araber, bis
auf die türkische Eroberung herab umfasst, folgt der eigentliche
topographische Theil, der die Lage der Stadt, ihr Klima, ihre Flüsse,
ihr Bewässerungssystem, ihre Mauern, Thiirme, Thorc, Viertel,
Strassen, Bazare, private und öffentliche Gebäude beschreibt: unter
letzteren ist besonders die berühmte grosse Moschee von Damaskus
einer ausführlichen Beschreibung gewürdiget und eine höchst interes
sante griechische Inschrift , die ich neu entdeckt, hiemit zum ersten
Male veröffentlicht worden.
Dieser Beschreibung der grossen Moschee sind allgemeine Be
trachtungen über die Entstehung und die verschiedenen Epochen des
arabischen Baustyles vorausgesendet.
Dem Ganzen ist ein Plan der Moschee beigegeben, so wie eine
Abbildung des zum ersten Male bekannt gemachten, vor der Moschee
befindlichen römischen Triumphbogens.
Daran schliesst sich die topographische Schilderung der Bazare
der Stadt und ihrer Stadtviertel an, mit zahlreichen arabischen
Inschriften, so wie die Schilderung der Citadelle, mit einem von
mir entworfenen Plane der Stadt Damaskus.
Hierauf folgt die Beschreibung der nächsten Umgebung der
Stadt, namentlich des grossen Dorfes Sali h i j e, das voll von Mc-
dreseen und Grab-Monumenten.
Der nächste Abschnitt enthält eine statistische Darstellung aller
in Damaskus befindlichen Medreseen, Moscheen und übrigen Lehr
anstalten mit einer allgemeinen Einleitung, welche das Entstehen der
öffentlichen Lehranstalten und deren Einfluss auf das wissenschaft
liche Streben der Araber schildert. Es werden 123 Medreseen, 27
Moscheen und 74 Grab-Monumente mit den Namen ihrer Erbauer und
biographischen Notizen über dieselben aufgeführt.
Topographie von Damaskus und Mittel - Syrien.
45
Daran scldiesst sicli die Schilderung der Ghuta, d. i. der
Ebene von Damaskus und Mittel-Syriens bis Haina im Norden, Tibe-
rias im Süden, Beirut an der Seeküste, so wie Palmyra in der Wüste
•— mit zwei Kartenskizzen und zahlreichen griechischen und palmy-
renischen neu veröffentlichten Inschriften.
Zur Vervollständigung des Bildes von Damaskus und der Umge
gend wird noch in einem besonderen Abschnitte die Schilderung ver
schiedener Localitäten in und um Damaskus durch Eingeborne gegeben.
Hierauf folgt der ethnographische Thcil, welcher die Abstam
mung, Sitten und Gebräuche der Syrer behandelt.
Ein besonderer Abschnitt ist den Volksfesten gewidmet, da bei
keiner Gelegenheit der Charakter eines Volkes sich besser zeigt, als
bei diesen; — eben so der Bildung und Literatur der heutigen Syrer,
woran sich eine Abhandlung über den Dialekt des Arabischen, den sie
sprechen, so wie über den Volkscbarakter im Allgemeinen ansehliesst.
Den Schluss macht der Abschnitt über Regierung, bürgerliche
Zustände der Christen und Juden und über den Handel, wo übersicht
liche Tabellen über Ein- und Ausfuhr, über die in Damaskus befind
lichen Seidenfabriken und Weberstühle, über cursirende Münzen,
über die üblichen Maasse und Gewichte gegeben werden.
Dies ist der Inhalt des Werkes, das ich unter dem Titel:
„Damaskus und Mittel-Syrien” der Classe zur Beurtheilung vorzu
legen mir erlaube.
Dass dieses Werk in Vielem mangelhaft sei, ist bei der Schwie
rigkeit und der Masse des Stoffes möglich; ich habe aber wenigstens
das Bewusstsein überall das Wahre gewollt zu haben, und kann
sagen, was in unserer an Compilationen so überreichen Zeit viel ist,
dass mein Werk aus eigenen Forschungen entstanden ist.
Schliisslich muss ich noch bemerken, dass, um das Werk in
jeder Druckerei zum Drucke bringen zu können, die einfachste Art
der Transkription orientalischer Namen gewählt wurde, nämlich die:
alle sogenannten emphatischen Buchstaben des arabischen Alphabetes
durch einen nachgesetzten Apostroph zu bezeichnen.
Die Classe weist dieses Werk einer Commission zur Prüfung zu.
46
Verzeichniss der
Verzeichnis
DER
EINGEGANGENEN DRUCKSCHRIFTEN.
(7. und 8. Jänner 1852.)
Anna len der Chemie und Pharm acie. Herausgegeben von Friedrich
Wühler und Justus L i e h i g. Bd. 8, H. 1. Heidelberg 1881; 8°.
Annales des Mines. T. XIV, livr. 1—3. Paris 1848; 8“.
Bizio, B., Dinamica chemica. T. I, p. 3. Venezia 1881; 8".
Boucher de Perthes, Hommes et choses.
Caumont, de, Abecedaire, ourudiment d’ArchcoIogie. Ouvrage ap-
prouvepar.Hinstitut des provinees de France, 2. ed. Paris 1881 ; 8°.
(SJjriftiania, Uutüer|ität8fd)rtften a. b. 3. 1880/81.
Coeckelberghe, Charles de Hutzele, Histoire de Fempire d’Au-
triclie depuis les temps les plus recules jusqu’a nosjours. 6. Vol.
Vienne 1847—1881; 8°.
Effeineridi astronomiclie di Milano, p. 1881. Milano 1881; 8".
Goldenthal, J., Die neuerworbenen handschriftlichen hebräischen
Werke der k. k. Hofbibliothek zu Wien etc. Wien 1881; 4°.
•giitbenbrcinb, Äart, Unterfuc&ungen über bte germantfdjeit qSöniten^
tialbüdjer. SBürjfutrg 1831; 8“.
Institut des provinees. Annuaire 1880—1882. Paris; 8“.
„ „ „ Memoires, 2. Serie, t. 1. Paris 1848; 4".
Journal, the astronomical. Vol. II, no. 6. Cambridge 1881; 4 U .
SOlatburg. UniüetfitätgfcSjriften a. b. 3- 1880/81.
Mignard. Histoire de dillerents Cilltes, superstitions et pratiques
mysterieuses d’une contree Bourguignone. Dijon 1881; 4".
Mo h I, Jules, Rapport annuel fait a la societe Asiatique dans la Seance
generale du 3 juillet 1880. Paris 1880; 8".
Sfjeobor b., 3trd)io f. b. ®efd)td)te bev Stepubtif ©raufcünbten,
SBb. I, £. G. Gtjur 1881; 8 Ü .
eingegangeneti Druckschriften.
47
Namias, Giacinte, Deila elettricitä applicata alla metlicina. Venezia
1851; 8".
Roman in, S. Bajamonte, Tiepolo e le sue ultiine vicende tratte da
doeumenti ined. Venezia 1881; 8".
Santini, Giov., Calcolo delle perturbazioni prodotte (lalle attrazioni
di Giove, Saturno, della terra e di Venere negli elementi elittici
della cometa di Biela. Venezia 1881; 4".
Schee rer, Th., Beiträge zur näheren Kenntniss des polymeren Iso
morphismus. Leipzig; 8°.
Scriba, Ileinr. Ed., Regesten der bis jetzt ungedruckten Urkunden
zur Landes- und Ortsgeschichte des Grossherzogthums Hessen.
Abth. 3. Darmstadt 1881; 4".
Societas scient. Upsaliensis. Nova Acta, Vol. 2—14. Upsal.
1778—1880; 4°.
Societe d’Archeologie etc. de St. Petersbourg. Memoires, Vol. XIV.
St. Petersbourg 1881; 8°.
Societe fran^aise pour la Conservation des monuments. Bulletin
monumental. Serie 2, tom. G. Paris 1880; 8“.
Societe fran^aise. Seances generales etc. 1880. Paris 1881; 8”.
Societe Imp. des Naturalistes de Moscon. Bulletin T. 24, no. 2.
M'öscou 1881; 8°.
SSerein, tiiftortfcfyer, für SIteberbatern. iBerlyanblungen, 58b. 1, .§>. 1—4;
58b. II, £. 1. SanbSIjut 1851; 8°.
58er ein, fnftorifcfyer, für Steiermarf. SXittljettungen, .§>. 2. ©rat$
1851; 8°.
5LÖ e t> e r, 58eba, ®a§ ißaffeter unb feine SBetooIgtter. $02it befonberer
SÜücfffdjt aufStnbreae! jpofer u. b. 3’cdR' 1809. .3nn§brucf 1852; 8°.
Woepke, F., L’Algebre d’Omer Altshayyami, publiee, traduite et
accompagnee d’extraits de manuscrits inedits. Paris; 8'’.
SÖitr jbutg. llniöerfttdtgfdjriften a. b. 3. 1850/81.
(14. und 15. .Humor 1852.)
Archiv der Mathematik und Physik etc. von Grunerl, Th. XVII,
Nr. 23.
G es e 11 s ch a ft, physikalisch-medicinische, in Würzburg. Verhand
lungen, Bd. II, Nr. 6—13.
Giessen. Universitätsschriften a. d. J. 1850.
48
Verzeichntes der
La ne et, nederlandsch. 2. Serie, I. Jahrgang, Nr. 1—4. Gravenhage
1851; 8°.
Reichsanstalt, k. k. geologische. Jahrbuch II, 3.
De la Rive. De Candolle, sa vie et ses travaux. Paris 1851; 8°.
@ d) mt b t, 2t. 9t., SSoratlberg uadj ben t>on beut geognoftifdpmontaniftifdjen
33cfeiu für Sirot unb Sßorartberg ueranlaßtenSSegebungeit, geognofttfd)
befdjrteben unb in einer gcogn. Satte bargcftettt. SnnSbtuif 1843;
8°., mit Sarte, $ot.
Society Chemical, Journal, no. 14, IS. London 1851; 8°.
Verein, naturforschender, zu Riga. Correspondenzblatt 1851, no. 1,3.
Schmidt, A.R., Tirols geognostische Karte, aufgenommen und her
ausgegeben auf Kosten des geogn. - montan. Vereines von Tirol
und Vorarlberg. 11 RI. Fol. Innsbruck 1851.
(21. und 22. Jänner 1852.)
In den Sitzungen beider C1 assen vorge 1 egt.
Biancbi, Giuseppe, Del preteso soggiorno di Dante in Udine cd
in Tolmino durante il patriarcato di Pagano dclla Torre. Udine
1844; 8".
— Doeumenti per la storia del Friuli dal 1317 al 132S. Udine
1844; 8°.
— Doeumenti per la storia del Friuli dal 1326—1332. Udine
184S; 8°.
•— Thesaurus ccclesiae Acquilejensis, Opus saec. XIV, quod cum
ad archiepiscopalem sedem nuper restitutam Zacharias Bricito
primum accederet typis mandari jussit civitas Udine. Utini 1847; 8°.
Colombi, Instruction pour le micrometre Lugeol. Brest 1849; 8°.
Gerhard, Eduard, Ueber Ursprung, Wesen und Geltung des Po
seidon. Berlin 1831; 4°.
Giornale, lisico-chemico italiano, punt. 3—3. Venezia 1831;-8°.
& ingenau grdt). Jpanbbud) ber S3ergted)tgfitnbe. 9Btcu 1831; 8°.
Jaffe, Philippus, Regesla pontilicum rom. ab condita ecclesia ad
annum p. Chr. n. 1198. Berolini 1831; 4°.
Kreil, Karl, Magnetische und geogr. Ortsbestimmungen im österr.
Kaiserstaate, Jabrg. IV. Prag 1851; 4°.
$hti$el, @ebaft., lieber bie SBetrianbtfdjaft ber germantfdj-novbifcf)en unb
Ijettenifdjen ©ötterriett. Sngolftabt 1845; 8°.
ei »gegangenen Druckschriften.
49
Mutzel, Sebast., Die römischen Wartthürine, besonders in Bayern.
München 1831; 4°.
9)1 u(5et, ©e&aft., Ue&er ein an ber Xeufetsmauer aufgefunbeneb ©ertpp
mongottfcber 9tace. s. 1. et d.; 4“.
Patellani, Luigi, Osservazioni zootomico-iisiologiche sul baco da
seta. Milano 1831; 8°.
R o z e t, Resume d’ une suite d’ observations meteorologiques faites
sur les Pyrenees etc. Paris 1851; 4°.
5Berein, geognofttfc^montaniftifcfyer, für Steiermarf. ©rfter SBeric^t.
©ra§ 1852; 8°.
SITZUNGSBERICHTE
DER
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
PHILOSOPHISCH-II IS TORISCHE CLASSE.
VIII. BAND.
11. HEFT. — FEBRUAR.
JAHRGANG 1852.
53
SITZUNG VOM 4. FEBRUAR 1852.
Vorgeleseu:
Fortsetzung der für die Denkschriften bestimmten Abhand
lung über die Daimonologie der Araber, Perser und Türken.
Vom Freiherrn Hammer-Purgstnll.
Er fährt in den Ueberlieferungen von den Teufeln und Dschinnen
fort. Dergleichen sind:
Nehmet einen weissen Hahn, in dem Hause wo ein weisser Hahn,
bleibt kein Teufel und kein Zauberer.
Wenn einer von euch isst, so esse er mit seiner Rechten, und
wenn er trinkt, so trinke er mit seiner Rechten, denn der Teufel isst
und trinkt mit seiner Linken.
Wenn einer von euch gähnt, so lege er die Hand aufseinen
Mund, damit der Teufel nicht hineinfahre.
Wenn einer von euch rülpset oder nieset, so rülpse er und niese
er nicht laut, denn der Satan lieht das laute Rülpsen und Niesen.
Wenn ihr den Hahn krähen hört, so bittet Gott um seine Huld,
denn der Hahn hat einen Engel gesehen, und wenn ihr einen Esel
)allen hört, so flüchtet euch zu Gott, denn der Esel hat einen Teufel
gesehen.
Satan hat besondere Augenschminken und wenn er damit die
Augen der Menschen salbt, so schlafen dieselben beim Gebete und
sein Schleck spitzt die Zunge zum Bösen.
In jeder Glocke wohnt ein Teufel.
Hütet euch den Teufel zu rufen, denn er ist ohnedies dem Her
zen und dem Auge nahe.
Das Weinen und das laute Geschrei sind vom Satan.
Die Zögerung kommt von Gott und die Eile vom Teufel.
4 *
54
Joseph Chmel.
Die Blasen sind des Teufels.
Der Reitende ist ein Teufel, zwei Reitende sind zwei Teufel
und der dritte ist das Handpferd.
Schmücket euere Tafeln mit Gemüsen, denn sie vertreiben
den Satan.
Der Teufel folgt der Teufelinn, d. i. der Taube.
Die Jugend ist eine Art von Wahnsinn und die Weiber sind die
Fallstricke des Teufels.
Die Dschinnen belästigen nicht das Haus worin ein edles Pferd.
Die Niederträchtigkeit hat siebzig Tlieile, wovon neun und
sechzig den Dschinnen und ein Theil den Menschen zufallen.
Die Engel sind aus Licht erschaffen, die Dschinnen aus rauch
losem Feuer.
Jeder rasend Verliebte heisst Medschnun, d. i. der von den
Dschinnen Besessene.
Eine der seltsamsten Ueberlieferungen, in der sich die ganze
Phantasie des Arabers ausspricht, ist die Prosopopöie von siebzehn
verdienstlichen Werken oder guten Eigenschaften, die dem Propheten
als Retterinnen des Gläubigen erscheinen.
Habsburgische Excurse.
Von Hm. Regierungsrath Chmel.
III.
Ich habe in meinem zweiten Excurse die „Stellung des
Hauses Habsburg und seine äusseren und inneren Ver
hältnisse in der Zeit von 1273 bis 1473” als die Aufgabe meiner
kleineren Abhandlungen angekündet und zuerst die Lage des Stifters
dieser Dynastie beim Beginne seiner politischen Laufbahn zu
schildern gesucht.
Erlauben Sie, dass ich aus mehreren Gründen vorerst den län
geren Zeitraum von 1274 bis 1452 übergehe und Sie gleich zu einem
Zeitpunct führe, der mit meinen früheren Studien und Arbeiten zusam
menfällt *).
Der Hauptgrund ist die erlangte Ueberzeugung, dass die bisher veröffent
lichten Quellen nicht hinreichen, die Verhältnisse klar zu erkennen. — Ehe
Habsburgische Excurse.
55
K. Friedrich IV. hat mit seinem Ahnherrn, dem kräftigen
Rudolf, wohl nur die Anhänglichkeit an die römische Kirche gemein,
die ihn mit Recht zu ihren frömmsten Söhnen zählt.
K. Friedrich IV. hat sich in einer Zeit, die für den päpstlichen
Stuhl zur gefährlichsten wurde, für ihn erklärt und dadurch sich
auf immer Ansprüche erworben auf seine Dankbarkeit und seinen
— Schutz.
Durch den Sieg über den gefährlifihsten Gegner, das Basler
Concilium, hatte der römische Papst gegenüber dem römisch-deutschen
Kaiser und den deutschenReichsfürsten sogleich wieder eine so günstige
Stellung erhalten, dass der, welcher als oberster Vogt der römischen
Kirche ihr Schützer sein sollte, selbst ihr Schützling wurde.
Dazu trugen am meisten die Deutschen und unter den Deut
schen die Oesterreicher bei. In Oesterreich wurde die Macht des
Hauses Ilabsburg so geschwächt, dass sie gegen die deutschen
Reichsfürsten durchaus unkräftig wurde.
Es sind nun gerade vierhundert Jahre; — die Geschichte des
Jahres 1452, welches zur traurigen Spaltung eines Länder-Complexes
den Grund legte, der erst tli eil weise nach 70 Jahren wieder sich
vereinte, ist gewiss von Interesse; ihre umständliche Erörterung
jedenfalls lehrreich.
K. Friedrich IV. war am 15. März des Jahres 1452 mit der
lombardischen (eisernen?) Krone, am 19. desselben Monats mit der
goldenen des römisch-deutschen Kaiserthums gekrönt worden — zu
Rom vom Papste Nicolaus V.
In den nächst darauf folgenden Tagen ertheilte derselbe dem
neu gekröntenReiclis-Oberhaupte in mehreren speciell ausgefertigten
Bullen solche Gnaden, dass ihre genauere Betrachtung uns räthlich
scheint, sie wird die Stellung des neuen Kaisers zur römischen
Kirche beleuchten i).
nicht die Archive, vor allen die römischen, zugänglich und ausgebeutet wer
den, wird man nur höchst ungenügende Schlüsse machen können. — Ich will
mich also vor der Hand auf die Zeit beschränken, welche durch meine
früheren Forschungen, so wie durch so viele Mittheilungen Anderer wenn
auch noch nicht ganz klar, doch unendlich verständlicher sein dürfte, als die
des dreizehnten und vierzehnten Jahrhunderts.
1 ) Es ist diese Erörterung um so nöthiger, je unklarer die Begriffe und Ansichten
sind, welche man über das Verhiiltniss der christlichen Staat e n zur Kirche
S6
Joseph C li m e 1.
Vor allem wichtig sind die beiden Bullen Papst Nicolaus’ V. vom
16. und 19. März 1452, durch welche er die Vollziehung zweier
Krönungenb eurkundet *).
In der ersten sagt Papst Nicolaus V. Folgendes: „Er (Papst)
auf die höchste Warte der streitenden Kirche gestellt, obschon ver
pflichtet darüber zu wachen, dass alle orthodoxen Könige zur
Förderung des Friedens und der Gerechtigkeit bei ihren Völkern
fortwährend in Aufnahme kommen, wende doch um desto lieber allen
Fleiss an, dass der römische König auf würdige Weise zur
kaiserlichen Ehre und Würde gelange, je mehr Er selbst aus
eigener Erfahrung die eifrige Ergebenheit desselben gegen Ihn
und den apostolischen Stuhl erprobt habe. König Friedrich
hat auseinander gesetzt, dass er zwar bei seinem Eintritt in Italien
um die Kaiserkrone aus seinen Händen zu empfangen früher be
schlossen habe, sich persönlich nach Mailand zu begeben, um dort
die ihm gebührende Krone des Königsreichs der Lombardei mit
gewöhnlicher Feierlichkeit'aus den Händen des Erzbischofs von
Mailand zu empfangen, wie bekanntlich einige seiner Vorfahren
(römische Könige) gethan. Weil aber in einigen Theilen der Lom-
so häufig findet selbst bei denen, welche sich für historisch gebildet halten.
Man studirt eben Geschichte nur aus Compendien oder aus Geschichtsschrei
bern, die ihre Darstellung selten aus den Originalquellen schöpften. —
Welchen Begriff hat man zum Beispiele von Maximilians Idee, Papst zu
werden, das heisst die geistliche und weltliche Macht in sich zu vereinen,
wie etwa das Oberhaupt der griechischen Kirche? Wir gestehen, dass wir in
dieser Beziehung eine erschreckende Seichtigkeit und Oberflächlichkeit des
historischen Wissens in Oesterreich mit Freiinüthigkeit beklagen müssen. —
Es. ist mithin keine unnütze Arbeit, die Verhältnisse auf eine Weise zu be
leuchten, die wir historische Anatomie nennen möchten. — Wir wollen
nämlich die urkundlichen Aeusserungen der Handelnden bis ins Einzelnste
verfolgen und unbefangen darlegen.
Zu den grellsten Beweisen von höchst beschränkten Ansichten muss man
gewiss die häufig gehörte Aeusserung zählen, „das sind m i t tel al tri ge
Zustände, das sind tempi passaii." — In der römisch-katholischen
Kiiche, welche mit grösster Consequenz ihre Principien bewahrt, bleiben die
Verhältnisse, nur die Personen wechseln; wir sehen, dass die Ge
schichtsschreiber von katholischer Gesinnung durchaus ihre Darstellung der
Begebenheiten und Verhältnisse darnach bilden, wir dürfen voraussetzen, dass
den Meisten diese Werke bekannt sind. —
l ) Abgedruckt im ersten Bande meiner Regesten K. Friedrich’s IV. Anhang.
Nr. 95 u. 96.
Habsburgische Exourse,
57
hardei und besonders in der Stadt Mailand eine ansteckende tödtliche
Krankheit so grassirte, dass er ohne höchste Lebensgefahr für sich
und die Seinen nicht hinreisen konnte, da auch die Verhältnisse und
Zustände jener Gegenden so waren, dass Seine Herrlichkeit weder in
Mailand noch in der Nachbarschaft mit Fug und gebührender Aus
zeichnung gekrönt werden konnte, musste er diese Reise unterlassen
und nach Rom eilen um nach empfangener kaiserlicher Krone also-
bald nach Deutschland zurückzukehren, dessen mannigfach verwirrte
Angelegenheiten seine Gegenwart dringend erheischten. Damit nun
nicht die Krone dieses lombardischen Reiches, welche als die ge
ringere schicklicher vor der Kaiserlichen empfangen werde als
nach ihr, vernachlässigt werde und da die oben angedeuteten Hin
dernisse obwalten, hat er uns demüthig geb eten, dass wir geruhen
mögen diese Krone ihm hier in Rom zu verleihen 1 ). Wir aber, den
Ritten des Königs geneigt, in Anbetracht, dass das von ihm Ausein
andergesetzte wahr und seine Bitte eine billige sei, haben heute nach
dem Rathe und mit Beistimmung unserer ehrwürdigen Brüder
(der Cardinäle) beschlossen, diese Krone des Königreichs der Lom
bardei sei demselben Könige durch uns zu übergeben und zuzu
weisen und haben ihm selbe auch mit allen Rechten, Ehren, Ge
rechtsamen, Bezügen und Vorzügen während des feierlichen Hoch
amtes in der Kirche des heiligen Petrus vor dem Hochaltäre in zahl
reicher und ansehnlicher Versammlung von Prälaten, Fürsten, Grossen
und Baronen mit allen und jeden gewöhnlichen Feierlichkeiten über
geben und zugewiesen 3 ) und ergänzen aus eigenem Antrieb alle
1 ) Mailand war bekanntlich durch den Tod des letzten Visconti (13. August
l4-r7) als kaiserliches Lehen ledig geworden; ich habe im zweiten Bande
meiner Geschichte K. Friedrich’s'IV., S. 455—470, die vergeblichen Bemüh
ungen erzählt, welche König Friedrich anwendete um seine Herrschaft dort
zu begründen. Franz Sforza, der Gemahl der natürlichen Tochter
des letzten Herzogs (Bianca Maria) hatte am 35. März 1450 seinen Einzug
in Mailand gefeiert, K. Friedrich war zu unmächtig, ihn zum Gehorsam zu
Zwingen, doch war ihm die Krönung durch den Papst wichtig zur Behauptung
der Oberherrlichkeit, wenn die Verhältnisse sich günstiger gestalten sollten;
die mailändischen Gesandten suchten diese Krönung zu verhindern.
) Oei uikundliche Ausdruck ist: tradidhnus et as sig n ctv im ns, cs liegt in
dem letzteren Worte offenbar die Ansicht, dass der Papst das Recht habe, die
Krone zu er th ei len; der Erzbischof von Mailand konnte ihn nur krönen,
was bei ihm nicht die Bedeutung hatte — des Zutheilens.
58
Joseph C h m e 1.
und jede Mängel, welche aus Ursache des Ortes, der Zeit, des Stuhles
(erzbischöflichen), der Person oder wie sonst immer vorgeworfen
werden könnten — und damit nicht der geringste Zweifel wegen
dieser Uebergabe und Zuweisung erhoben werden könne, wollen
wir und beschliessen, dass gegenwärtige Bulle darüber volle Be
weiskraft habe und die Sache keines weitern Beweises bedürfe.
Dieser einzelne Fall soll jedoch dem Bechte und der Gewohnheit des
lombardischen Reiches und des Erzbischofs nichts vergeben, sie
bleiben unversehrt.”
Wichtiger und charakteristischer noch ist die zweite Bulle,
welche in wenig Worten die ganze römische Theorie des christ
lichen Staaten-und Völkerrechtes entwickelt. „Gott ist —
der ewige Kaiser, der alles—Himmlisches und Irdisches — leitet,
er hat den Erdkreis zum Besten der Menschen in gewisse Reiche
getheilt. Als dieselben von der wahren Kenntniss ihres Schöpfers
und seiner Verehrung abwichen, hat er seinen eingebornen Sohn
geschickt, um sie zurückzuführen. Als dieser zum Vater zurückkehrte
hat er den ersten der Apostel zu seinem Stellvertreter eingesetzt,
damit derselbe über das Heil Aller wache und den ihm anvertrauten
Völkern zu ihrem Heile vor st ehe. Wir nun, die wir, obgleich un
würdig, vom Herrn zum Nachfolger dieses Apostel-Fürsten in seinem
Statthalter-Amte bestellt wurden und durch seine Barmherzigkeit der
streitenden Kirche, unter welcher auch das heilige römische Reich
dem (ewigen) Kaiser dient, vorstehen, verwalten freudig mit
wachsamer Sorgfalt das uns anvertraute Amt, damit die Gerechtsame
dieses (ewigen) Kaiser-Reiches und der einzelnen (darin bestehen
den) Reiche unter erspriesslicher Leitung zur Ehre des göttlichen
Namens zur Verbreitung des katholischen Glaubens und zur Be
glückung des ganzen (christlichen) Staates treu gewahrt und mit
Erfolg geleitet werden.”
„Nachdem durch den Tod des römischen Königs Albrecht das
römische Reich verwaist war, haben unsere Brüder und Söhne die
Churfürsten ihr Augenmerk auf das Haus Oesterreich gerichtet
(dem auch Albrecht angehörte) und den Herzog Friedrich ein-
müthig zum römischen König, künftigen Kaiser erwählt, in der Hoff
nung, derselbe werde sich bemühen, der redlichste Nachahmer seines
Vorgängers, Albrecht, zu sein, welchen die ganze Kirche als katho
lischen und frommen Fürsten, als Eiferer für die Gerechtigkeit als
Habsburgische Excurse. 59
treuesten Schützer des Glaubens und der Kirche, als Vorbild aller
Tugenden immerwährend preiset.
(Es folgt nun ein warmes LobFriedrich’s) 4 ). „Derselbe hat sich
„nun um die Salbung und das kaiserliche Diadem von der Kirche zu
„empfangen (,.ad honorem s. Romane ecclesie et sacri imperii
„decus'’J unsvorgestellt („nostro se conspectui presenta-
„vit”) und demüthig gebeten, ihm dieselben zu verl eih en („et
„illa per manus nostras sibi impendi humiliter supplicavit”J;
„wir haben üb er troffen gefunden, was der Ruf von ihm verkündet
„hatte ( n ct quamquam in minoribus constituti de meritis et virtn-
„iibus suis fuissemus sufficicnter edocti, nichilominus ea, quc
„laudis sue preconia nostris auribus retulerant, experi-
„rnento comperimus fore longe maiora, quam fame
„facultas sufficcr et exp li car e”J. „Wir haben nun seinen
„Bitten nicht unverdient gnädiges Gehör geschenkt und diesen unsern
„geliebten Sohn, dem wir mit herzlichster Neigung und gebührlicher
„Auszeichnung zugethan sind, nach gepflogener Beratliung mit unsern
„ehrwürdigen Brüdern den Cardinälen der heiligen römischen Kirche
„und mit ihrem Rathe zum Preis des allmächtigen Gottes und der
„glorwürdigen Jungfrau Maria und der heil. Apostel Petrus und Pau-
„lus und zur Erhöhung und Verherrlichung der genannten römischen
„Kirche lind des heiligen Reiches zum Empfang der kaiserlichen
„Würde geeignet und derselben würdig erklärt, und indem wir
„seine Erwählung bestätigen, haben wir ihn durch die Hände
„unsers ehrwürdigen Bruders des Bischofs von Porto salben lassen,
„ihm alle Insignien dieser Würde übergeben und ihm endlich die
„kaiserliche Krone aufzusetzen geruht, indem wir alle Mängel ergän
zen, sollten welche hei dieser Gelegenheit sich ereignet haben. —
(»Ad suscipicndum imperialis dignitatis cuhnen dignum et
„ydoneum declarav imus et electionem approban-
„tes . . .) Daher Wir allen getreuen Vasallen und Unterthanen
*) Der sich nach längerer Ueberlegung dieser Last unterzog und „de virtutibus
„in virtutes proficiens ac merita meritis accumulans per annos fere duodeciin
„regni sui gubernacula adeoprovide utiliter et salubriter gesserit,
„ecclesie unitati et ipsius regni prosperitati singulorumque serrandis juribus
„et fidelibus quibuslibet in pacis successibus votive dirigendis diligenter in-
„tentus, ut ipsum imperium tarn providi fidclisetpii principis felici
„regimini multipliciter gaudeat se commissum.”
60
Joseph Chmel.
„des besagten Reiches was immer für eines Standes, selbst wenn
„sie in königlicher oder bischöflicher Würde glänzen, strenge
„befehlen („districte prccipim.vs”), dem besagten Kaiser pflicht-
„gemäss zu gehorchen und zu Gebote zu stehen.”— (Folgt die
gewöhnliche Schlussformel.)
Wir sehen aus dieser wichtigen Bulle, dass erstens der Papst
die Bestätigung (oder Verwerfung) des zum König, künftigen
Kaiser von den Churfürsten Erwählten als Recht des päpstlichen
Stuhles wie so viele seiner Vorgänger vindicirte, und zweitens,
dass die Haltung des frommen Friedrich’s die Erwartung selbst
über troffen habe, ■welche man von seiner Ergebenheit hatte.—
Dass zu dieser Haltung gegen den päpstlichen Stuhl die Lage
Friedrich’s in seinen Reichen wesentlich beigetragen, ist in die Augen
springend; es waren ja von Oesterreich und Ungern Deputationen
erschienen, welche den Vormund ihres Erbherrn förmlich verklag
ten. Doch davon später. —
Wir müssen noch einige andere 'päpstliche Erlässe berücksich
tigen, welche die Stellung des neuen Kaisers beleuchten.
Vom selben Tage (19. März) der Krönung ist die Erlaubniss
datirt, nach alter Gewohnheit unter gewissen Bedingungen für persön
liche Verdienste seiner Getreuen geistliche Pfründen durch soge
nannte erste Bitten in Anspruch zu nehmen 1 ).
In der Einleitung wird hervorgehoben, dass der Kaiser gelobt
habe, ein treuer Vogt der Kirche zu sein, welche er als seine Mut
ter undHerrinn anerkenne ("„«6 eadem ccclesia cuius te fidelem
„advocatum, devovisti. . eam hitmili professione matrem tuam
■p'ecognoscens et dominum . . .
Aus dieser demüthigen Unterwerfung ist auch zu erklären, dass
der fromme Kaiser sich eine Reihe von päpstlichen Gnaden erbat;
welche theils seine Person, theils seine Lande betrafen.
So wünschte er , vom päpstlichen Stuhle die ausdrückliche
Genehmigung zu erhalten, seine Güter und Gerechtsame ver-
*) S. Regesten K. Friedrich’s IV., Bd. I, Nr. 2777, abgedruckt im Anhänge
S. CXVII, Nr. 97. Die Erörterung der Bedingungen würde uns hier zu
weit führen, wir bemerken nur, dass ausdrücklich untersagt ist, Benelicien
in Anspruch zu nehmen, welche der päpstlichen Disposition Vorbehalten
waren.
Habsburglache Excurse. 61
mehren uncl auf seine Erben diese vermehrten Besitzungen vererben
zu dürfen s ).
Keine Zeit ist auf Erwerbungen und Machtvergrösserung mehr
bedacht gewesen als gerade das fünfzehnte Jahrhundert, es fehlte an
grossen begeisternden Ideen, nur der Streit der Interessen, selbst
süchtiger Bestrebungen ist es, der die Nationen erfüllt. Zwischen
dem Zeitalter des Kampfes der geistlichen Macht mit der weltlichen
und dem Zeitalter der Reformation sind ein paar Jahrhunderte
verflossen, in denen die materiellen Interessen bei weitem die
wichtigsten und vorherrschenden waren; selbst der Hussitenkrieg,
obgleich der religiöse Fanatismus ihn entzündete, trug dazu bei,
die Selbstsucht und das Streben nach materiellen Gütern noch
mehr zu wecken und zu nähren. — Gerade desshalb ist die Ge
schichte von der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts bis zum Jahre
1 öl7 nur dann richtig zu erkennen, wenn man diesen Grund
charakter der Zeit stets im Auge hat und die Wege und das
1 ) Siche Regesten K. Friedrich’s IV. II. Nr. 3803. Der Geschichtsschreiber des
Hauses Habsburg (Lichnowsky) führt im Bde. VI., S. 113 und 113, die
päpstlichen Bullen auf eine Weise an, aus der man geradezu schliessen muss,
es sei ihm das ganze Verhältniss des römisch-deutschen Kaisers zum päpst
lichen Stuhle nicht klar gewesen; er zählt mehrere dieser päpstlichen Ver-
willigungen unter solche, welche „ganz geistlicher Art” seien, die aber
gerade sehr gemischter Natur waren und der Kern aller ist ja die
Ansicht gewesen, die „weltliche Macht sei der geistlichen unter
worfen.” Lichnowsky sagt: „Besonders aber war: die Erlaubniss die
„Lande seines Hauses vermehren und verbessern zu dürfen; welches der
„Kaiser, als seiner Unabhängigkeit und seinem Ansehen zu
„nahe tretend, wohl hätte ablehnen sollen.” — Ablehnen? —
Dei Kaiser hatte ja ganz speciell um diese päpstliche Erlauhniss gebeten —
„ut in liis, que tibi et postcris tuis profutura fuerint, petitionibus tuis
„favorabiliter annuamus.” — „Hinc est, quod nos, ut terras, dominia,
„castra et j-ura tui ducatus Austria ex quibuscunque bonis
„ad (e undecunque legitime provenientibus meliorare ct augmentare
„tuique lieredes, in iliis sic melioratis, tibi succedere, ac tu iila cum
„sana conscientia libere et licite tenere possitis, tibi et eisdem heredibus
„auctoritate apostolica tenore presentium indulgemus.” — Zur Erläuterung
dieser Bulle könnte man eine grosse Menge von Daten aus der späteren
Regierungsgeschichte K, Friedrich’s anführen, bei Gelegenheit der grossen
Cilly sehen Erbschaft wird sich heraussteilen, dass diese päpstliche Bulle
nicht ganz so unpraktisch gewesen, als Viele glauben wollen.
62
Joseph Chmel.
Labyrinth dieser selbstsüchtigen Bestrebungen ins Einzelne
verfolgt, dann wird auch diese Periode lehrreich und interessant,
wenn gleich das Interesse mehr ein pathologisches ist.
Auch Kaiser Friedrich IV. hielt sich von diesem Streben nicht frei,
wie konnte er, da es ein allgemeines war und gerade er und sein
Haus von ihm am meisten zu leiden hatten; wir werden im Verfolg
unserer Betrachtungen sehen, dass des klugen Kaisers Sinn und
Trachten auf Begründung materiellen Wohlstandes gerichtet war, um
eben dadurch den Angriffen so vieler Gegner und Neider gewachsen
zu sein. Zahlreiche Käufe und Erwerbungen liegender Güter beschäf
tigten ihn, oft mehr als es der von allen Seiten hereinbrechenden
Unsicherheit und Notli entsprechend war. Da aber besonders bei
Tauschhandlungen und Käufen solcher Güter, welche in Händen
geistlicher Corporationen und Orden gewesen, die grösste Vor
sicht räthlich war, indem in der geistlichen Hierarchie stets die
Bestätigung der Obern stattfinden muss, um jeden solchen Act
nach canonischem Rechte vollkommen gültig zu machen, so war ein
solches Privilegium, wie K. Friedrich Mendt vom Papste Nicolaus V.
erhielt, gewissermassen eine eventuelle Bestätigung aller derlei
Acquisitionen.
Wir finden, dass der gejvissenliafte Kaiser nicht bloss das Kir-
chenvermögen respectirte und weit davon entfernt war, sich ein
seitige Verfügungen darüber zu erlauben, sondern dass er sogar die
päpstliche Intercession in Anspruch nahm, wenn es sich darum han
delte, weltliches Besitzthum zu reclamiren, das zufälliger
Weise im zeitlichen Fruchtgenusse geistlicher oder weltlicher Perso
nen war. —
Die Sache ist von hohem Interesse. Nach der damaligen
Staatswirthschaft waren Verpfändungen von Staatsgütern, das heisst
von landesfürstlichen Burgen und Herrschaften die Hauptmittel
zu baarem Gelde zu gelangen; die Pfandinhaber bezogen die Renten
und blieben in deren Besitze, bis die Pfandsumme derselben baar
ausgezahlt wurde, was oft lange Zeit nicht geschehen konnte. Nicht
selten war das Darlehen in einigen Jahren durch die jährlichen
Renten getilgt, die Pfandinhaber bezogen sie aber fort und fort, weil
das baare Geld zur Einlösung fehlte. —• K. Friedrich, der diesen
Uebelstand, man darf sagen, diese Verschleuderung der landesfürst
lichen Bezüge nicht länger dulden wollte, beschloss ein anderes
Habsburgisclie Excurse.
63
System einzuführen; um dieses neue Verfahren gleichsam als ein
billiges und gerechtes zu rechtfertigen, wendete er sich an den Papst.
Dieser ertheilte auch in einem Breve dem Bischöfe von Gurk den
Auftrag, derlei Pfandinhaber zur Abtretung und Rückzahlung nöthigen
Falls selbst durch geistliche Censuren zu verhalten *).
Aus diesem Gefühl demüthiger Unterwerfung ging auch die Bitte
hervor, welche Papst Nicolaus V. durch eine eigene Bulle am
22. März 1432 gewährte, dass dem Kaiser nämlich gestattet sein soll,
sich im Nothfalle zur Vertheidigung seiner Lande des Beistandes der
Schismatiker und Excommunicirten bedienen zu dürfen -).
Zu den häckelichsten Verhältnissen der Kirche und ihrer Diener
(Kleriker) gehören die Immunitäten oder besonderen Freiheiten und
D
a )
S. Regesten K. Friedrich’» IV. II, Nr. 2845. Vom 27. April 1452. Vollständig
abgedruckt in m. Materialien etc. II, S. 12, Nr. X. „Exposuit nobis carissimus
„in Christo filius noster Fridericus Romanorum imperator semper Augustus,
„quod pleriqueabbates etalii Infra districtum sui ducalis dominii con-
„stituti certa castra cum suis pertinentiis ad ipsum imperatorem legitime
„spectantia titulo pignoris detinent licet ex illis perceperint ultra sortem.
„Quare idem imperator nobis humiliter supplicavit, ut sibi super pre-
„missis oportune providere de benignitate apostolica dig-
„naremur. Nos igitur huiusmodi supplicationibus inclinati fraternitati tue
„per apostolica scripta mandamus, quatinus vocatis dictis abbatibus et aliis
„qui fuerint evocandi, si est ita, eosdem abbates ac alios ut sua Sorte con-
?? tenti pignora ipsa et qui c quid ultra sortem perceperint pre-
„fato imperatori restiuant, monitione premissa per censuram ecclesias-
ttticam appellatione remota previa ratione compellas.”
S. Regesten K. Friedricb’s IV. Bd. II., Nr. 2804. Da den strenggläubigen Ka
tholiken der nähere Umgang mit Ketzern, Schismatikern und Excommunicirten
unteisagt ist, war allerdings die Aufnahme von schismatischen Söldnern,
vic damals gerade es recht viele böhmische, mährische, auch südslawische
(letzteie giiechischer Religion) Miethlinge gab, ein Missstand. Der Papst
dispensiit von der Pflicht, solche Leute zu meiden, mit folgenden Worten:
„Apostolice sedis providentia negotiorum et temporum qualitates matura con*
„sideiatione peistiingens, illa quandoque catholicis principibus, quos
w tarnen in fidei Constantia et devotionis sinceritate conspicuos non ambigit pro
551 ei um et temporum necessitate concedit, que .alias forent non inme-
55 i 1 to den eganda; tuis igitur in hac parte supplicationibus inclinati
„tibi, ut si terras et dominia tua hereditaria inimicorum tqorum insultibus
„invadi contingat et necessitas id tibi faciendum persuaserit scisma-
5 5 ticorum et extra communionem fidelium existentium succursu etauxilio
” te et huiusmodi tua hereditaria dominia tueri et recuperare cum
» sa na conscientia possis.” ....
64
Joseph Chme 1.
Privilegien, welche sie für sich und ihre Güter beansprechen; B e-
steuerung der Güter, Gerichtsbarkeit über die Personen das
waren oft genug die Veranlassungen zu Reibungen und zum bitter
sten Streite in früherer Zeit, K. Friedricb’s Haltung in dieser Bezie
hung zu beleuchten werden wir späterhin Gelegenheit haben, hier
avollen Avir nur jene päpstlichen Bullen berücksichtigen, welche
die Haltung der römischen Curie beurkunden.
Kaiser Friedrich hatte dem Papste vorgestellt, dass in früherer
Zeit bisweilen G nonnunquam’’J in seinen Erblanden ihm und
seinen Vorältern zur Verheiratliung der weiblichen Familienglieder
oder zur Bestreitung anderer Auslagen („pro maritandis puellis et
„pro incumbentibus vobis negotiis perferendis'’) von geistlichen
Personen Beiträge geleistet wurden („collecte sive contributiones
„et subsidia”) mit Einwilligung derDiöeesanen („de dio-
„cesanorum locorum cotisensu”J, welche natürlich von Fall zu Fall
eingeholt werden musste. Er hat nun, der Papst möge gestatten, dass
zur Einhebung dieser geistlichen Subsidien die Einwilligung der
Diöcesanen nicht erforderlich sei. („Quarc nobis humiliter suppli-
„carifecisti ut cum huiusmodi casus id rationabilit er requi-
„sierint, tu et heredes tui similes collectas et contributiones
„sive similia subsidia a clero dominii huiusmodi exigere et
„recipere possitis etiamsi ad id diocesanorum eorun-
„dem assensus non accesserit, vobis gratiose concedere
„de benignitate apostolica dignaremur.’') Der Papst gab nun
ihm und seinen Erben diese Indulgenz mit der Bedingung, dass diese
Subsidien mässig und nach altherkömmlicher Gewohnheit berechnet
seien 1 )- Er hatte Veranlassung genug, dem ergebenen Kaiser willfährig
zu sein („Quaeiura prohibent quandoque necessitutis
„casus indulget et quac expia causa negantur respcctu con-
„gruo ut utiliora succedant favorabiliter tolerantur
*) Ebenfalls am 22. März 1452, s. Regesten K. Friedrichs IV., ßd. II, Nr. 2805.
„Nos igitur huiusmodi supplicationibus inclinatiSerenitati tue et eisdem
„heredibus ut huiusmodi necessitatis tempore collectas et subsidia mode-
„rata iuxta taxam vel consuetudinem antiquam a clero et prelatis
„prefati tui dominii recipere et exigere etiam diocesanorum predic-
„torum ad id non accedente con sensu libere et licite pos-
„sitis tibi et eisdem heredibus auctoritate apostolica tenore presentium in-
„dulgemus.” 0
Habsburgisclie Excurse.
65
Die Diöcesanen aber (d. i. die Bischöfe) und noch mehr der Klerus
waren mit dieser Indulgenz (auf ihre Kosten) höchst unzufrieden
und ihre Klagen waren auf der im Jahre 14116 gehaltenen Provinzial-
Synode lebhaft genug.
Kurze Zeit darauf bewilligte der Papst dem Kaiser die Erhebung
des zehnten Theils der Einkünfte eines Jahres von dem Klerus im
gesammten heiligen römischen Reiche und beauftragt den Erz
bischof von Cöln und die Bischöfe von Siena und Gurk mit der Exe-
cution dieser Einräumung ')•
Ausser diesen Bewilligungen gab der Papst dem frommen Kaiser
auch eine Reihe von geistlichen Gnadenbriefen, welche zunächst seine
Umgebung betrafen 3 ).
1 ) Rom am 18. April 1453.S. RegestenK. Friedrich’s IV., Bd. II, Nr. 3829. Voll
ständig abgedruckt in m. Materialien II. S. 10, Nr. IX. Als Veranlassung zu
diesem Zehent wird die treue Sorgfalt für die Beeilte der Kirche und die auf
opfernde Mühe angeführt, welche K. Friedrich hatte, der Kirche den Frieden zu
verschaffen. „Attendentes igitur, quod carissimus in Christo filius nosterFride-
„ricus Romanorum Imperator semper Augustus universi cleri dicti imperii iuribus
„et libertatibus conservandis fidelis protectionis subsidiis, ac ecclesiarum
„et locorum sub eius imperio consistentium huiusmodi, sed etiam uni-
„versalis ecclesie pace et unitate ac apostolice sedis et
„saerf Romani imperii huiusmodi lionore et com modo cum
„fructu ecclesiarum earumdem Onera suhiit expensarum, ac
„reeensentes soquum fore et rationi consentaneum, quod idem clerus pro-
„vide congrua sibi gratitudine assurgat ac accomodum et relevamen
„prostet onerum huiusmodi sumptibus deducendis” .. . Die Abgabe trifft alle
„ohne Unterschied (Säcular- und Regularklerus), nur die Cardinäle sind
ausgenommen (wenn sie Bisthümer oder Pfründen im Reiche besitzen).
Die Widerspenstigen sind durch geistliche Censuren zu zwingen... „Volumus
„autem, quod iuxta ordinationem Viennensis concilii calices lihri et alia orna-
„menta paramenta ecclesiarum, monasteriorum, capellarum, domorum et
„aliorum ecclesiasticorum locorum divino cultui inibi deputata ex causa pigno-
„ris occasione exactionis decime huiusmodi nullatenus recipiantur , distralian-
„tur, vel etiam occupentur, quodque miserabiles persone et impotentes ad
„prestationem ac solutionem suhsidii et suhventionis predictorum nullatenus
„possint seu debeant compelli aut quovis modo coarctari.” —
) So veränderte er den Namen der Gemalilinn des Kaisers (Eleonore) in den Na
men Helena, zum Andenken der Mutter desjenigen Kaisers (Constantin),
welcher das Christenthum zur Staatsreligion erhoben hatte; als wollte er da
durch anzeigen, dass K. Friedrich durch sein Verfahren die Kirche aufs Neue
begründet habe. D. dto. Rom 22. März 1452. Regesten K. Friedrich’s IV. Bd.II,
66
Joseph Climel.
So hatte er ihm schon vor seiner Ankunft in Rom eine Bulle
ausfertigen lassen, in welcher dem Kaiser für sich und noch hundert
von ihm auszuwählende Personen bewilligt wurde, dass der Yon ihm
(oder ihnen) gewählte Beichtvater ihn (oder sie) von allen Sünden
(auch den sonst Yorbehaltenen) lossprechen könne einmal im Leben
und dann in der Todesstunde *).
Einige Tage nach der Krönung wurden auf seine ergebene
Bitte zahlreiche Indulgenzen ihm eingeräumt 2 ).
Nr. 2807. Wir finden aber keine Spur, dass dieKaiserinnvon dieser Namens
veränderung Gebrauch gemacht. Abgedr. in m. Materialien II, S. 3, Nr. III.
volentes et decernentes, quod deinceps Elena voceris et nomineris, et tu ipso
nomine fungaris” . . .
*) D. d. Rom 11. Februar 1452. S. Regesten K. Friedrich’s IV., Bd. I, Nr. 2766,
vollständig abgedruckt im Anhang S. CXIV, Nr. 94. Die Bedingungen sind:
wenn er (Kaiser) oder sie (die hundert) im Gehorsam verharren gegen Ihn
(Papst) oder seine canonisch-erwahlten Nachfolger; die Beichtväter sollen von
der Pflicht der Genuglhuung, wenn jemand dieselbe zu fordern berechtigt ist,
nicht dispensiren; sollten er oder diese hundert dadurch zu Vergehen ge
neigter werden, ist die Gnade ungültig. Eine weitere Bedingung ist, dass
er oder diese hundert ein ganzes Jahr nach Empfang der Gnade alle Frei
tage fasten sollen oder falls aus einem kirchlichenGebote dieser Tag ein Fast
tag (das heisst nicht bloss ein Abstinenztag) wäre, an einem andern Tage in
der Woche; sollten sie in dem bestimmten Jahre oder einem Theile desselben
verhindert sein, wird das Fasten auf eine andere Zeit verlegt oder kann auch
vom Beichtvater in andere fromme Werke verändert werden. Wird die Bedin
gung nicht erfüllt, ist die Gnade ungültig. — Diese Bulle wurde erneuert
(wenn sie nicht dieselbe ist?) am 23.März 1452; s.RegestenK.Friedrich’sIV.
Bd. II, Nr. 2811.
2 ) So am 23. März 1452 (s. Regesten Bd. I, Nr. 2689, durch einen Verstoss zum
Jahre 1451 gezählt, abgedruckt in meinen Materialien I, S. 346, Nr. CLXVII).
Erstens so oft und wo immer in seiner (des Kaisers) Gegenwart das Wort
Gottes durch einen Prediger Verkündet wird während des heiligen Messopfers,
kann derselbe Prediger mit apostolischer Auctorität allen Anwesenden („vere
poenitentibus et confessis”) Ablass erthcilen, ist’s ein Bischof, von 100, ein
Abt, von 60 und ein gewöhnlicher Priester, von 40 Tagen; zweitens bei einem
in seiner (des Kaisers) Gegenwart gehaltenen feierlichen Hochamte kann nach
demselben durch was immer für einen Bischof (antistes), wenn er es wünscht,
der feierliche Segen ertheilt werden, auch ohne Erlaubniss des Diöcesanen,
wenn nur nicht ein päpstlicher Legat oder der Diöcesan selbst anwesend ist;
drittens zur Verherrlichung seiner Capelle („ut tua imperialis capella am-
„pliori ex hoc venustate et decore proficiat”) dürfen seine Capläne („capellani
ejusdem capelledomestici tui”) in derselben undinihren Pfarrkirchen,
Habsburgiselie Excurse.
67
So erlaubt er ihm auch den Genuss von Milch- und Eier-Speisen
zur Fastenzeit (für sich und seine Gäste) und einen Trag-Altar, auf
welchem er sich zu jeder Zeit Messe lesen lassen dürfe J )-
Auch an Orten, die unter kirchlichem Interdicte liegen, soll er
für sich und die Seinen selbst öffentlichen. Gottesdienst
ab halten lassen dürfen 3 ).
Ausser diesen mehr persönlichen geistlichen Gnadenbriefen er
hielt aber Kaiser Friedrich noch eine Reihe von Bullen, welche auf
seine Schöpfungen und Stiftungen oder seine öffentliche Stellung
Bezug hatten und zum Theile von grosser Wichtigkeit sind, so dass
sie eine gründliche Erörterung verdienen.
Wie man schon aus dem bisher Angeführten abnehmen kann,
war Friedrich mit einer Vorliebe den geistlichen und kirchlichen
Angelegenheiten hingegeben, welche selbst seiner Stellung und seinen
Pflichten nicht ganz förderlich schien.
die sie inne haben („quarum rectores fuerint”) Almuzen (ein Kopf-
überwurf) von grauem Pelzwerk tragen („almutia de vario griseo deferre
valeant”), wenn nur nicht Canonici von Kathedralkirchen oder andere
Prälaten gegenwärtig sind, welche eben solche tragen.
1 ) Beide Bullen vom 24. März 1452, s. Regesten K. Friedricli’s IV. Bd. II, Nr.
2815 und 2816. Die Messe kann selbst ausnahmsweise Nachmittags cele-
brirt werden („ac etiam post meridiei horam”). Es wird jedoch hinzugesetzt:
„Rroviso, quod parce ultimis concessionibus liuiusmodi utaris, quia congruit
„ut in liijs communis servetur ecclesie ritus et cum in altaris ofiicio imoletur
„dominus noster Jesus Christus dei lilius qui candor est lucis eterne, ne hoc
„hat in noctis tenebris sed in luce” . . . Man sieht aus diesen päpstlichen Be
willigungen, wie das ganze Leben und Trachten des frommen Mannes durchaus
kirchlich gewesen und er in Dingen, welche sonst von Laien als höchst gleich
gültig betrachtet wurden, sich der strengsten Disciplin unterwarf. Einem solchen
Manne gegenüber konnte die römische Curie wohl von der gewöhnlichen
Strenge naclilassen und Dispens ertheilen, wie sie damals noch selten üblich war.
2 ) Bulle vom 22. März 1452. s. Regesten K. Friedricli’s IV. Bd. II, Nr. 2802.
„Tuis . . . devotis supplicationibus inclinati, serenitati tue auctoritate presen-
„tium indulgemus, ut si forsan ad loca ecclesiastico intcrdicto supposita te
„contigerit declinare, liceat tibi in illis etiam apertis ianuis exeom-
„municatis tarnen et interdictis exclusis p ul s ati s v e 1 non p u 1 s a t i s
„campanis a 11a vel submissa voce prout discrelioni tue videbitur
„in tua et obsequentium tibi et aliorum quos ad hoc admit-
„tendos decreveris presentia missam et alia divina ofheia facere celc-
„brari, dummodo tu vel illi causam non dederitis interdicto nec id tibi vel
„illis contigerit specialiter int er dici” . . .
Sitzb. d. phil.-liist. CI. VIII. Bd. II. Hfl. 5
68
Joseph Ohme 1.
Er, das Oberhaupt eines grossen weitausgedehnten Reiches,
das nur durch die persönlichen Eigenschaftön des Mut lies, der
Strenge, der Tapferkeit in Ordnung erhalten werden konnte,
der Aelteste eines Hauses, das seine Lande in den schwierigsten
Verhältnissen und in nicht selten feindlicher Nachbarschaft nur durch
umsichtige Energie und allzeit schlagfertige Rüstigkeit behaupten
konnte, der Vormund eines Knaben, der Erbe von Ungern und
seinen Nebenländern, von Böhmen, Mähren, Schlesien, von Oesterreich
u. s. w. war, aber nur in einem Tlieile dieser Lande aufrichtige An
erkennung, Liebe und Hingebung erwarten durfte, da er mit dem Erbe
seines Vaters auch dessen Feinde erbte, hätte ganz andere Eigen
schaften bedurft, um den äusserst schwierigen Verhältnissen zu genü
gen, ihrer Meister zu werden.
Diese eiserne Zeit brauchte einen Mann, dem selbst kriegeri
sches Wesen nicht fremd sein durfte.
K. Friedrich war klug, friedliebend, gerecht, fromm,
aber unentschlossen, weich, und Beschäftigungen hin-
g e g e b e n, die seinen R e g en te il pflichte n hinderlich waren.
Mit Vorliebe pflegte er Bauten und Oekonomie, nebst ihnen waren
religiöse Uebungen und kirchliche, besonders klösterliche Ange
legenheiten seine Hauptbeschäftigung.
Man kann K. Friedrich in den ersten Jahren seines Reichsregi
mentes durchaus nicht der Unthätigkeit beschuldigen, schon das ein
fache Itinerar weist einen grossen Wechsel des Aufenthalts nach;
indess beweisen eine grosse Menge von Correspondenzen und Urkun
den aus diesen Jahren, dass er schon damals weniger Mann des Han
delns als der Unterhandlungen war, die keineswegs zum Ziele
führten.
Lieblingsideen des frommen Friedrich’s waren eine Reihe von
kirchlichen Stiftungen in seinem Lieblingsaufenthalte in Wiener
Neustadt.
In einer Zeit, wo in Oesterreich die grösste Unsicherheit
herrschte, wo unbefriedigte Söldner Räubereien übten, feindliche
Ueberfälle aus dem benachbarten Ungern, aus Mähren dem Lande
grosses Wehe brachten, verhandelte Kaiser Friedrich nicht bloss die
freilich hochwichtige Beilegung des Kirchen-Schisma, die übrigens
durchaus keinen Einfluss hatte auf die Sittenverbesserung, sondern
er betrieb aufs Angelegentlichste auch mehrere Stiftungsangelegen-
Habsburgische Excui'se.
69
heilen mit einem Eifer, der für eine ruhigere friedlichere Zeit pas
send gewesen wäre.
Da wir die kirchlichen Verhältnisse der Passauer Diöcese an
einem andern Orte ‘) zum Gegenstände sorgfältiger Untersuchung
machten, wollen wir hier Beispiele aus den Diöcesen des Erzbischofs
von Salzburg und seiner Suffragane oder des Patriarchen von Acjuileja
und seiner Suffragane wählen, da die Erblande K. Friedrichs (das ist
Steiermark, Kärnten und Krain) zu diesen Diöcesen gehörten-, um
sein Verhalten und seinen Eifer zu beleuchten. Leider fehlt cs
gerade an Einzelforschungen für die Kirehenges chichte
Innerösterreichs. Die Diöcesen Salzburg (für Steiermark und
Kärnten), Sec kau, Gurk sind noch gar nicht bearbeitet, Tang Fs
Reihenfolge der Bischöfe von Lava nt ist ein verdienstliches Werk,
ahfjr welch grosses Feld ist die Geschichte einer Diöcese! Hohen-
auer’s Skizze einer Kirchengesehieilte von Kärnten ist eben nur
eine Skizze und zeigt die ungeheuren Lücken unsers Wissens. Die
historischen Vereine könnten wohl hier am verdienstlichsten wirken,
wenn sie das Materiale für eine Kirchengeschichte (freilich lieber
gleich die ganze Geschichte des Landes, es hängt ja alles aufs
Innigste zusammen) mit Sorgfalt sammeln würden. Auch hier ist der
einzig erspriessliche Weg, die Arbeit zu tbeilen und zu geben was
man hat und findet; will man warten, bis etwas Ganzes, Vollstän
diges zusammenkömmt, so kann man lange, vielleicht ewig warten.
Monographien, selbst Fragmente können unsere Kenntniss
wesentlich erweitern, aber freilich wird man darauf gefasst sein
müssen, dass später neue, reichere Quellen auftaueben, welche die
Ansichten modificiren, oft gänzlich umwandeln müssen.
Zu den schwierigsten Verhältnissen, w eil sie gemischter Natur
sind, gehören die Patronats Verhältnisse, überhaupt Besitz
verhältnisse, Gerichtsbarkeit, Unterthänigkeit der geist
lichen Besitzungen; in dieser Beziehung ist freilich die Kirchen-
J ) Siehe meine* Abhandlung; „Beitrüge zur Beleuchtung der kirchli eben Zu-
stände in Oesterreich im fünfzehnten Jahrhunderte” (die Passauer Diöcese
unter Bischof Leonhard von 1439 (1424) bis 1451 in dem zweiten Bande
unserer Denkschriften. Was ich in derlei „Abhandlungen” oder in „Excur-
sen” theilweise nicht ohne Mühe mit sorgfältiger Einzelforschung zusammen-
trage, hoffe ich im vierten (letzten) Bande der Geschichte K. Friedrich’s IV.
im übersichtlichen Zusammenhänge darstellen zu können.
& *
70
Joseph Chmel.
geschickte von der politischen nicht zu trennen. Besonders ist
das Verhältniss des Erzstiftes Salzburg und seiner Suffragane, Seckau.
Gurk, Lavant von höchster Wichtigkeit; die Besitzungen dieser Kir-
chenfursten und ihre Stellung gegen den Landesfürsten, zumal in
der Zeit, wo derselbe zugleich deutsches Reichsoberhaupt 'war, ver
dienen die umsichtigste Beleuchtung. Leider sind die Acten und Ur
kunden aus diesen Jahren (1440—1402) so fragmentarisch und
lückenhaft, dass man sehr leicht irre gehen kann in positiven Be
hauptungen. Salzburg war auf Seite des Concils zu Basel, selbst
noch zu einer Zeit, da K. Friedrich bereits mit Papst Eugen IV. und
seinem Nachfolger Nicolaus V. aufs innigste verbunden war; wahr
scheinlich hatte diese Stellung Einfluss auf des römischen Königs
Benehmen gegen den Erzbischof, der aber nicht versäumte, sich das
Wohlwollen einflussreicher Räthe zu verschaffen, um die königlichen
Gesinnungen zu seinen Gunsten umzustimmen *).
1) Die Geschichte des Erzstiftes Salzburg in diesem Zeiträume verdiente aller-
dings eine umständliche Beleuchtung, die wir uns für eine besondere Abhand
lung Vorbehalten, wir können hier nur des Erzbischofs Verhältniss zum rö
mischen Könige berücksichtigen.
Zu Brixcn vermittelte König Friedrich auf der Rückkehr von seiner ersten
Krönungsreise (10. und 12. Jänner 1443, s. Regesten I, Nr. 1337 und 1343)
zwischen Herzog Heinrich von Baicrn und dem Erzbischof Friedrich von Salz
burg, welche durch längere Zeit Jurisdictionsstreitigkeiten in Unfrieden ver
setzt hatten.
Der Erzbischof musste das oberste Halsgericht in Müldorf und auf der
Herrschaft Mattsee durch eine beträchtliche Geldsumme an sich lösen und dem
Herzog die Gerechtsame des Erzstiftes im Landgerichte Tittinoning und einem
Theile von Trossberg cediren.
Wenige Wochen später verlieh König Friedrich in Salzburg selbst dem
Kirchenfürsten die Reichsregalien, der den gewöhnlichen Lehenseid leistete
(Regesten I, Nr. 1381, 30. Jänner 1443).
Hinsichtlich der Verhältnisse des Erzbischofs in den Erb landen des
römisch-deutschen Königs ist zu bemerken, dass die landesfürstlichen Ge
richte bei Klagen innerösterreichischer Landesedlen gegen den Erzbischof
bereit waren, den letztem zum persönlichen Erscheinen in der Landschranne
zu nötliigen. Der König jedoch scheint durch das Ansicliziehen der Rechts
sachen der Stellung des geistlichen Reichsfürsten gebührende Rücksicht ge
schenkt zu haben.
Zu der in meinen Materialien, Bd. I, S. 171, Nr. LV, abgedruckten Urkunde
vom 28. Juni 1445 (s. Regesten I, Nr. 1933), vermög welcher K. Friedrich
verspricht, den Proccss zwischen dem Erzbischof und dem krainerischen
Habsburgische Excursc.
71
Was insbesondere die Capitel und Klöster des Landes betrifft,
so waren sie an den Schutz des Landesfürsten um so mehr an-
Landes-Eillen Friedrich Zobelsberger zum Bannstein bis Martini dieses Jahres
zu entscheiden, kann ich jetzt noch mehrere seitdem aufgefundene Acten-
stücke hier mittheilen, welche auf diese Streitigkeiten, wenn schon nicht hin
längliches doch jedenfalls mehr Licht werfen, als uns bisher vergönnt war.
1) 1444. G. April. Salzburg. Erzbischof Friedrich von Salzburg schickt
seinen Secrctiir Friedrich Grenn"', päpstlicher Rechte Licenciaten, als Be
vollmächtigten zu dem Tage (der gütlichen Ausgleichung oder rechtlichen
Entscheidung), welchen K. Friedrich ihm (Erzbischof) und dem Friedrich Zo
belsberger auf den Sonntag hach Georgi bestimmte („fm* sein kuniglicli Ma
iestat, sein Rete und Lanndlewte”). — Orig. Papier. (K. k. geh. Haus-, Hof- u.
Staatsarchiv.)
2) 1444, 31. Juli. Passau. K. Friedrich IV. stellt dem Erzbischof Fried
rich von Salzburg einen Schuldbrief aus über viertausend ungrische Gold
gulden, welche Ihm derselbe haar geliehen hat („zu unsern notdurfften”) und
die innerhalb eines Jahres wieder zurückgezahlt werden sollen („zu Lcy-
benncz in dem Slosz, so ir vieztumb daselbs von iren wegen innehat”). —
Orig. Perg. (Hausarchiv.)
3) „Es ist ze merekn Als Fridreich Zobelsperger zwm Sawnstain ettwas
spriiehe ze habil vermaint zu dem hochwirdign Fürst» vnd herrn Kern Frid-
ricli Erczbisclipfn ze Saltzburg von einer vischvrayd bey Lieclitcnwald auf
der Saw. auch von wegn ayner behabnuss so der benant Zobelsperger in der
Landschrann ze Krayn darüber vermaynt erlangt liabfi darum]) denselben be-
den tailn für vnsern allergnedigsten herren den Römischen kunig auf den Sun-
tag nach sand Jorgfi tag nächst vergangn, tag benennet was. Also ist zwischfi
des von Salczburg anwald vnd des Zobelsperger furgenommen vnd beredt
wardfi. Hoch auf ain anbringen an den benanten von Salczburg auf solich weg
das bede obbepant tail yetz an ainen schub nemen sullfi von vnserm allergne
digsten herren dem Rom. kunig auf sand Michelstag schierst, vnd sulln da-
zwisclm auf sand Bartholomeestag schierst ainen tag mit einander haldn durch-
sicliselb oder Ir anweid zo Lieclilenwald vnd sol daselb yeder tail zwen
Spruchman nyder seczü vnd für diseiben vier Spruchleut sulln bede obbenant
tail all ir notdurft furbringen lassen der sy dabey ze genyessn vermainen.
Möchten dann diseiben vier Sprecher dy benantn bede tail in der gutlichait
vnd mit irem wissen nicht veraynen so sulln sy auf der bemeltn beder tail
furbringen, red vnd widerred recht spreche — vnd wie Sy oder der merer tail
aws In disclb Sache mit dem reclitn entschaidii dabey sol es an verrer way-
grum beleibn. Wer aber daz dyseiben vier Sprecher zwayg wurdn vnd zwen
auf aynen tail viele vnd zwen auf den andern, so sulln sy von bedn tayln
ganczn volln gwalt habn aws den nachbenanten vier mannen hern Erasifi
Liechtenwerger, licrn Andre Sawrer, Andreen Raminger oder Leopoldn As-
pach, Ir aynen welhes sy all vier Sprecher oder der merer tail aws in aynig
72
Joseph Chmel.
gewiesen, als die Zeit eine sehr schwierige war und sie von den
Uehergriffen der Nachbarn oder dem Ungehorsam der Unterthanen
vielfach bedrängt wurden.
werdn zw ainein obman neiiien, der sol von bayden (ailn gebetii werdn sich
der Sachen anzenemmen. Vnd wie derselb obman solich obgcmelt recht
sprechn der bemeltn vier Spruclilewt dy im iren Spruch in geschrift zw
senndii sulln, durch recht entschaidet dabey sol es auch an all verrer waygrum
genczlicli beleibii, vnd dem sol von baydn tailii vngeuerlich nachgangü werdn.
Es sol auch der von Salczburg hye zwischn vnd sand Johannstag zwn Sunn-
wenndfi dem Zobelsperger verkundii ob er der sacli also eingeen well oder
nicht. Vnd ob sich fügte daz der von Saltzburg des nicht eingeen wohl, vnd
das dem Zobelsperger zwsclirib so sullii dann Sy obgenant bede tail durch-
sicliselb oder ir anweid für vnsern allergnedigsten harren des Römischen ku-
nigs auf Sand Michelstag schierst körnen vnd iren Sachen verrer nachgeen in
mass als dann vor herkomen vnd in seinem kun. schubbrief begriffe ist auch
vngeuerlich. Vnd ist solich obgcmelt beredum beschehn ze Wyenn an mitichii
nach Sand Jörgfi tag Anno domini etc. xliiijif. (29. April 1444.)
Der tayding ist der Zobelsperger nicht nachgangü Minder ist er an vrlawb
von dem tag abgoschaidn, darumb ist ein lailum wider in gegclin er kom oder
nicht etc. — Concept. Papier. (Geh. Hausarchiv.)
4) Vermerckt das anbringn an vnsern Allergepedigisten herrii den Römi
schen kunig so des von Salczburg potschaft getan liabn,
Von erst als vnser allergn. her der Röm. K. dem von Salczburg geschribii
vnd an In begeret hat ettlich seiner Räte zu dem tag der zu Grecz gewesn
solde sein ze senndii den sein lt. gnad verlengt hat vntz auf den montag nach
Invocavit in der vastn schirst, also hat vns der von Salczburg zu demselben
tag gesant vnd beuolhfi vnserm gn. herren den Röm. K. anzebringii das der
von Salczburg vnd sein voruodern von solichii gultn vnd gutem so dann das
g-otshaus Salczburg in den lanndii Steil- Kerndn vnd Krain hat allezeit willig
gewesn sein in allen gcmaynem lanndes notdurftn hilf vnd beybestand ze tun
doch so habii des gotshaus Salczburg lewte in denselben lanndü angesessri
mercklich gebrechn vnd beswerum als mit dem Jarmarckt zu l.eybentz vnd
andern Irn gewerbn gen (die) von Grecz vnd andern dye sy mit iren ge wer Im
nicht lianndeln lasst! als Inwoner sunder als gest vnd auslennder das doch
von alter nicht also herkomen ist vnd darumb der von Salczburg wenndum
begert hat an sein k. gnad dye Im aber vntz her nicht hat ergeen niugü ist
des von Salczburg dyemiitig gebete sulle er von den obberiirtii giiltii vnd
gittern in Steil- Kerndn vnd Krain gelegn dye dem gotshaus Salczburg
zugehürn denselbü lanndn vnd Inwanern daselb hilf vnd beybestand tun das
dann sein lewt in denselben lanndn angesessri als Inwoner vnd mit Iren
handeln vnd gewerbn als von aller herkomen ist gehalden vnd das in solich
ir gebrechn dye Sy meniger mal anbracht habii gewendet werdn.
Habsburgisclie Excurse.
73
Die Zusammenstellung der wenigen uns zu Gebote stellenden
Notizen wird jedenfalls heraussteilen, welchen Einfluss Friedrich als
Landesfürst hatte, und wie sehr er ihnen geneigt war.
Item das vor Zeiten dhain Erczbischoue von Salczburg in aigner person in
die lanndschrannen Steir Kerndfi vnd Krain geczogn noch zu recht geladfi
rvordn ist sy sein auch von Bäbsten vnd Römisehn Kaysern gefreyet das sy
an den oder an andern enndfi für recht persöndlich nicht sullii gezogfi werdfi
dye weil sy sich vor iren Reten zu recht verantwurttn wellfi Sy haben auch
ire amväld vnd viczdom in denselben lanndfi dye all sach voraws was Grund
vnd Podfi des gotshaus Salczburg berürent in den lantschrannen verantwurttn
sullii dye auch ains lierrfi von Salczburg klag vnd notdurft in denselben lannd
schrannen furbringfi mügfi Nu sein eltlich ladung seind Erczbiscliof Eberhartz
des Newnliauser sSligfi zeit« von den bemeltü lanndschrannen ausgangfi darinn
die ertzblschof wider altes herkomen gwonliait vnd sölich obberurte freyhait in
aygner person fürgeladn sind darin Sy sich wider solich ir obgemelt freyhait
nicht begehn iiabii. Nu ist dem gotshaus Salczburg aus sölichfi ladungü merck-
liclier schad und Irem lewtii Verderbs leibs vnd guts maniger mal erganngfi
Ritt der von Salczburg in aller dyeraut vnser allergn. herr der Rom. K.
geruche solichs abzeschafffi vnd das gotshaus Salzburg haldfi bey freybaitn
vnd gwonhaitn als von alter her körnen ist wann doch der von Salczburg
willig ist sich durch sein viczdom und anweid in den landschrannen zu ver
antwurttn vmb sach dye des gotshaus Salczburg grund vnd podn berurii in
denselben lanndd gelegfi vnd das auch ein viczdom sein vnd seines gotshaus
notdurft in den lanndschrannen zu recht auch fiirbringn muge als dann von
alter herkömen ist.
Item von des von Freysing des Grunnwald wegfi ist der von Salczburg
vast vnd hoch arigehaldn wordfi er solde im recht tun wider alle dye, die des
gotshaus Freysing gslösser vnd guter in Oesterreich Kerndfi vnd Krain inn-
hieldil. Es hat auch lierczog Albrecht von Baicrn dem von Salczburg ge-
schribn wie vnser allergn. herr der Rinn. K. solichs vergunt byete es habfi
auch das Capitl vnd alle Briesterscliaft des Bistumbs zu Freysing dem
von Salczburg geschribn vnd durch ir trefflich botschaft vmb recht angc-
haldn, ob aber der von Freysing rechtlos gelassn wurde von dem von
Salczburg so miistn sy gedenekn damit sy von seiner gwaltsam ausgeezogn
vnd sich mit gehorsam an dye ennde gehn da sy zum rechtii geschirmet wurdn
als dann des alles ir briet vorhanden sein. Sy habfi auch protestation getan
ob sy solichs recht verezog zu schadn körnen das sy denselben schadn zu
dem von Salczburg vnd seinen gotshaus suchfi woldn das alles dem von
Salczburg «wer vnd zu besargfi ist er vnd sein gotshaus möchte des in
mercklichfi schadn vnd Swechung körnen. Nu hat der von Salczburg noch
darin nicht(s) getan und Bitt in aller dyemut vnser allergnedigister herr
der Riim. K. geruche ine ze ratfi Wie er sich in den sacken haldfi sulle
damit er recht vnd nicht vnrecht tue vnd damit sein kuniglich Stift Salcz-
74
.1 o s e p h C li m c !.
So gibt er am 13. Juli 1440 dem Chorlicrren'-Stifte Seekau
Behufs einer Stiftung eine herzogliche Waldung hei Knittelfeld mit
bürg bey solich Eer vnd wirdikayt belcibn als von alter herkomen ist vnd
darinn nicht geswcclit noch gesmelt werde auch in dbaynen Schadii körne.
Item Als vnser allergnedigster herr der Röm. K. Fridreichii Zobelsperger
von des von Salczburg wegü für sein Ret vnd Lantlewt geladn hat der
selben ladum der Zobelsperger aber nicht nachkomen sunder ist, so von-
gerecht von des von Salczburg wegn das zu Nüremberg nächst nicht anders
notdurft gewesn wäre dann ain vrtail in denselben Sachen ze uclln nach
Innlialt des gerichtzeugbrief daselb zu Nüremberg darumb gegebn. Nu aber
vnser allergnedigster herr der Rom. K. auch dye Rät dye solich vrtail
spreclm soldü an (rem aufbruch vnd abscliaidn gewesn sind das dye vrtail
nicht gesprochn ist woi-dii, ist Friedreichn Gren des von Salczburg Secrc-
tarien zu enboten wanne vnser allergnedigster herr der Rüm. K. her in disew
lannd körne daz dann sein K. gnad angebaldn werde so welle sein gnacl
schaffe vrtail in der berürttn sach ze spreclin. Also bitt der von Salczburg in
aller dyemut vnser allergnedigster herr der Rom. K. schaffe Im noch vrtail in
der bemeltn saclie ze spreche.” (Promemoria, gleicliz. Pap. Geh. Hausarchiv.)
5) „Allerdurjchlauchtigister genadigister licrr vnd König Ich scliikch cwrä
kunigleichü gnadn ain clilag zedl vnd ain Notell, daran ewer kuniglcich genad
wol verneinen wenl was prechii ich gen dem von Salczburg vnd den seinen
habe vnd pitt ewer kuniglcich genad dicmütligleich Ir wellet die genadig-
leichn horfi vnd verneinen darann werdet ir wol verneinen oh mir gutlcich
oder vnguttleicli von dem von Salczburg vnd von den sein peschikcht das
ist die gegnwurttig zedl vnd Notteil.
Item von Erstn hat mir der Pangracz Reygperger hei dem grossen Slain
bey Nider Fresaw auff meiner vischwaid ain Eyshakcbn geprochn vnd ain
Arch geslagn des hab ich mich dem von Salczburg erchlagt Bisscholff Jo-
hansen Ercztbisscholff ze Salczburg vnd prieffleicli anbnacht darauf!' hat er
mir gescliriehii, er liiet mir ain antwurt getan die wurd mir churczlejäth
chomen vnd ain antwurtt tun, da mir die chomen ist stett also in dem
hrieff Er wol ( sein Rett her in scliikchn zu Mitteryastn gen Liechttiibald
da liabent sie mir enpottn daz Ich hin in zun in chem vnd liiet ich icht
zun In zespreclni daz Ich das furbrocht so westn seiv die sach wider an
den von Salczburg zebringii, da gab ich ze antwurt Er hiet mir gescliribn
man schult mir ein antwurt tun wan mir die chem so west ich verrer darin
fürzebringil Also hat mich Sigmund Weinaitter vnd auch der Chrug vnd
Johannes Schreiber mitpurger ze Liechttnbald den Got genad vast ich scliolt
hin. in reyttn, da gab ich inn ze antwurt Ich wolt duricli des phaffii willn
heiu’ü Vinceuc/.fi vher den weg nicht reyteu, der die czeit viezdom ze
Leybnicz vnd pliarrer ze l-’ettaw gewesn ist vnd da sew mich also vast
patln da sprach ich ich wii zu dem Rätter vnd zw dem Holnekcher gern
. reytii vnd lies mich des vlnu’ reden vnd rayt also hin in zun in gen Liechtn-
Antwort. Antwort. Antwort.
Habsburgischc Excurse.
75
vollem Jagdrechte; nur bleibt den Bürgern von Knittelfeld das alte
Recht, llolz zu fallen, auch soll das zu den herzoglichen Bauten
ballt ila fragttn sew mich ab ich iclit fürzebringn liiet gab ich in ze anl-
wurtt liiettii sew vollri gebalt so wolt ich in das vnd merz furbringn, was
ir antwurt sew wolltii daz an den von Salczbiirg bringen was der schuh'
daz wollt« sie tun der viczdom vnd auch der liolnekcher der Rätter hat
sich nichts darumb angenomen vnd da mir nicht genug da beSchäclin ist
des hab Ich mich dem landesrecht zu Laibach erchla’gt vnd ain behabnuss
getan dauil frumer iewt Wappens genos an dem Reclitü gesessen sein vnd
geweyst mit gericlites pötten als auff zehn phunt gelts des ich an Recht
entwerdt pin wordnri
Item die antwurt darauf! daz sich bei dem Pangracz Reysperger der
vor phleger hie zu Liechttiibald gewesen ist vergangfi hat darumb ist
mir NiklaSfi Gallnberger vnd auch vns Liechttnbalderh nichts wissiit-
| leicli wie sich die sach pegebn liat darin mag man sich wol verrer
erfarn ausgenomen daz mir Niklasen Gallenberger vnd vns Liechtnbaldern
wissntleich ist nach dew als wir vns darin erfarn habfi daz der selbig
I Eyshakchn zu dem Geslos Liechtnbald gehaldn wurdn ist vnd ich den als
ich pliieger hie gewesen pin als pey vierczehn Jarn preclin hab lassfi vnd
nach den zu meines genadign herrn von Salczburg etc. banden gelialttü bah
vncz auff die czeitt — auch von des Arch stiit wegil die leyt ze nächst an dem
Vmargkt vnd des Zoblsperger grünt nach gericht in einer nahent nicht beruertl.
Item so hat mir Globattecz die czeitt richter ze Liechttiibald meinen
man einem genant Matheus geuangn ah Recht vnd an clilag vnd hat mir
den von dinst praclit
Item darauff ist mein des Globattecz antwurt mir ist nicht wissntleich
I darumb daz ich den Matheus des Zoblsperger inan ye geuangn noch von
I dinst bracht hab vnd der selbig Matheus hat mich auch des vor frümeu
Iewtln beredt.
Item so hab Ich auff mein vischwaid gescliikclit vnd hab Eyshakchn haissu
pre'chn da ist Niklas Gallenberger mit den purgern von Liechttiibald chömen
vnd hat die mein mit gewalt clauon getribii vnd mein vischnecz genomen.
! Item darauff ist mein Niklasn Gallenberger vnd vnser der Liechttnbalder
i antwurt daz wir dem Zoblsperger an seiner vischwaid nye chain Eys-
1 hakchn gewert habil ze precliii nach chain vischnecz genomen Sünder die
I sein sind chomeii auff mein« genadign herrn von Salczburg etc. grundt
' vnd gericht vnd vischwaid vnd habfit an einem Eyshakchn geprochnn daz
, hab wir In gewerlt vnd ein pös vischnecz genomen.
Item so hat meiner man einer genant Janes am perg dem Richter klagt
vber ein vergn darumb iiv der Richter teg penent hatt darczu mein man
mit frtimen lewttn chonien ist So hat man in die leg nye abgesagt nach
Recht ergen lassn. Also sein" wir ain es tags aynig worein herr Hanns
Reichnburger vnd ich gen Liechttiibald ze chonien da ist mein man l'iir-
Antwort. Antwort.
76
Joseph Chmol.
nöthige Holz daraus genommen werden (Regesten I, Nr. 89). Am
3. April 1443 ertheilt er demselben Stifte die Erlaubniss, im Dorfe
trettii vnd hat sein sach fürbracht vnd darum!) daz er nicht ein Lieclittn-
balder zw zewgnuss gehabt hat vnd hat sust. fruiiier man.zwen zu Zewgen
gehabt darumb hat in daz sein nicht clmnnen widerfaren.
Item darauf? ist mein die czeit Richter antwurt Es ist wol an dem daz
mir des Czoblsperger man genant Janes am perg gechlagl hat vber den
vergii Ich hab Ihm auch (eg darumb benent Nu hat der obgenant verg in
der czeitt müssn in meines genadigii herrii von Salczburg etc. geschefft vnd
notdurfft fueter hinab gen Rain iiirri damit die sach also verhaltn ist wurdii.
Darnach ist herr Hans der Reychenburger liawbtman ze Rain vnd Niklas
Gallenberger vnser plileger vnd der Zoblsperger vmb die vnd vmb merr
ander hernach geschribn sacliii eines tags her genn Liechttnbald aynig
wördii vnd pey dem selbigii tag ist die sach gancz gericht vnd geayntt
wurdii mit des Zoblsperger willn darumb den frümen lewttii die pey dem
tag gewesen sind wol wissiitleichii ist.
Item hat mir der huetter Michelcz vnd sein prueder der Jacob vnd des
Jannses visclier chneclit zw Liechttnbald mein scheff neclitleich abtrukehii
land genomen daz hab Ich den Richter lassn anbringii daz er mir daz
wider schaffii hiet vnd doch der hueter an laugii gewesn ist daz ist mir
nicht wider tan wurdii darumb ich hab müssen phenttii vnd ein plierd auf?
meinem gericht genomen vnd darumb daz ich mit dem plierd ettweull hab
lassn arbitten darumb hat man mir daz scheff engegn abgesproeliii vnd mir
mein Vrfar damit Nider gelebt des Ich grossn scliadii seyt genomen hab
vnd nach tegleich nym.
Item darauff ist mein die czeit richter antwurt Es ist wol an dem daz
mich der Zoblsperger hab lassn anbringii daz im der michelcz hueter ein
scheff abtrukkn land genomen scholt liabii darumb hab Ich den penanttn
hueter ze red gesaezt, der hat mir geantwurtt Er hab einen poden von
einem posen zehakchttii scheff von des Zoblsperger man einem genant
Jursche gechaufft vmb fünf vnd zwainczigk Pliening, wie darumb hiet der
|Zoblsperger daran nicht ein benügn so wolt er im gern darumb ze Recht
sten vor mein als vor einem Richter daz hat der Zoblsperger also abge-
slagn vnd hat darüber einen mitpurger ze Liechttnbald genant Jacob ar-
\ baitter ein plierd genomen vnd daz vast abgenuezt darumb nu herr Hanns
der Reichnburger hawbtman ze Rain vnd Niklas Gallenberger vnser plileger
vnd der Zoblsperger eines tags aynig wurdii sind her gen Liechttnbald
darczu der Zoblsperger mit etleichn seinen frewndtn cliömen ist die babnt
sich mv mitsampt herii Hansn in die sach geseezt vnd liabnt darumb aus-
gesprochfi mit des Zoblsperger willn also daz der hueter dem Jacob ar-
baitter für sein schedii die im der Zoblsperger an seinem pherd getan hat
durch gelymplies willn. ain gülden gebii hat vnd damit ist die sach gancz
v gericht ynd geayntt wurdii.
Habshurgische Excurse. 77
i*
unter St. Marienkirchen bei Prank eine Taverne zu errichten (Re
gesten I, Nr. 1401).—Am 7. October 1445 bestätigt er dem Propste
Item so hab ich zwen Erbboldn zu Liechttnbald der ain liaisset Maiczn
Fleysschakclier des Janes sun Selign am vrfar vnd Matheus Smid des Mer-
tin Sun am perg darumb Ich mich an den Gallnberger ein landsrecht begertt
hab da hat er mir ein margkt recht gepottii darumb Ich mich einem lann-
desrechtn zu Laibach Erklagt hab da liabiit die landtlewtt daz Recht gen
mir erchant er wer in dem land nicht gcsessii vnd hat doch sein Erb vnd
gutt vnd auch sein Siez in der hawbtmanschafft zu Krain pey Stein ze
Minkchendorff ein Turn verstet miinigleicli wol ab mir gutleich pescbiecht
ader nicht vnd scliol also meiner Erbholdnn aussen ligenn.
Item darauff ist mein Niklas des Gallnberger antwurt als der Zoblsperger
zwen purger hie. ze Liecliltiibald an mir eruodertt hat im die ze antwurttn
ader Im die zu einem lanndesrecht ze stelln darauff hab Ich Im hinwi-
derumb cnpottii Ich wolt Im die hie ze Liechttiibald zu einem margkt recht
stelln doch also wurd daz von den frümen lewtn erchant die zu solhn
tegri ehernen vnd auch von der nakchparscliafft daz ich im die zu einem
■g \ lanndesrechtt stelln scholt des wer ich im willig daran hat er chain be-
^ nügii gehabt vnd hat mich verrer darumb gen Laibach in ain Landesrecht
I geladri wie er der saclin vmb zway hundert phunt pliening schedii ge-
I nomen hiet mynner ader merr darauff pin ich in antwurt chomen vnd hab
I Im die teg abgenomen vnd die sach hat sich auch anders in eym lann-
\ desrechttn pegebii wen des Zoblsperger sclireibn vnd fiirbringii Inne haltt.
Item So ist vor etleiclier zeitt meiner man. einer gestorbii genant Michl
zu Luppawicz da ist Mathe Chudanit auff dasselb mein guet gelaufffi vnd
hat an klag vnd an alles anbringn subii frissching ab meinem guet vnd in
meinem gericht an recht genomen daz hab ich den Gallenberger auch lassii
anbringn daz er mit im schult vnd auch darezu hielt daz er mir vnd den
mein die frissching wider tan hiet vnd hiet der selb Chudanit icht zu
meinen Icwttfi ze sprechn so wer ich im willig ein Recht widerfarn lassi)
also lig ich der Frissching aussenn.
f Item darauff ist mein Niklasii Gallnberger antwurt Ich hab den Mathe
i Chudanit darumb ze Red geseezt des antwurt stet also Er hab Sechs fris-
~ ] sching von des Zoblsperger pawer einem gecliaufft vnd beczalt vnd er hat
% / im die selbes geantwurt wie darumb so hab ich dem Zoblsperger ein Recht
^ j darumb pottn Daz hat er also abgcslagn vnd daz dan nachmaln zu solhn
f tegii gericht vnd geaynt ist wurdn als her lians der Reyclinburger hawbt-
man ze Rain vnd der Zoblsperger ze Liechttnbald pey einander gewesn sind.
Item So ist der Sorgko ZSüne purg für den Crisan brabiczsch vmb drey
mark phening der ist gcsessii ob vnserer frawn in einer müll an der
Liechttnbald der lig ich auch aussenn.
Item darauff ist mein Niklasii Gallnberger antwurt ich ways chain Sorko
Zsuiie der da gesessn ist ob vnserer Frawn an der liechttnbald an einer
mül ich hab auch des nicht chuüeii erfarii.
Antwort.
78
Joseph Ohme 1.
Andreas von Seckau den Kauf zweier Höfe, gelegen zu Sehendorf bei
Knittelfeld, zweier Güter, einer Mühle und zweier Ilofstätte daselbst
Item so hat der Galliiberger vnd der Richter ze Liechttnbald meinen lewttn
Zway plierd an alles Recht genohien vmb da/, daz ich des Arbaitter Schu
ster plierdt zu Liechttnbald in meinen -woingarttii gespants in einer Eysen-
lialt nechttleich gangii ist vnd grossii scliadn getan hat als es- in plottn
gewesn ist do man den grosstii schadii tun mag in t weingarttn da hab
ich ir widerumb newn genoiiien da sind die liechttnbalder zu mir cliomen
ich schol in irew plierd wider tun da gab ich in zu antwurt ich hi et Chain
anefangk gemacht also pattii sie mich vast da gab ich in ze antwurt Ich
wolt in die pherdt zu gelymphn nakcliparschafft willii wider gehn daz sew
auch meinen lewttn Irew pherdt wider schikclitln daz habil sew tan vnd
hab in auch Irew pherd widergebü verstet man wol was man mit mir vnd
meinen lewttn vbermuts getriebn hat wol hab ich geredt ich wurd daz
wol verrer wissn ze sucliii vnd des nach vil merr zu merkchen wer ge
wesen.
Item darauf! ist mein Niklasn Gallenberger vnd des Richter antwurt als
ver vnd wir in den sacliü gehandlt vnd erfarii habil Es hat sich pegebn
/
daz der arbaiter schuster zu seinen weingarttn gerittn hat dapey der Zobls-
perger auch einen weingarttn hat da ist dem arbaitter sein pherd ledig
wurdn vnd ist peym liechltü tag in des Zoblsperger weingartii cliomen
daz liabiit des Zoblsperger elineclit auf geuangn darauf!'ist der arbaitter
zu dem Zoblsperger gangn vnd hat in gepettn daz er im sein plierdt liiet
wider geantwurt nach dew als es im chainen scliadn nicht getan hab des
hat er nicht wellü tun sunder für den schadn geuodert hat fünf margk
phening die hat ihm der Arbaiter nicht wellii gehn darauf! hat der Arbaiter
den Zoblsperger aber gepettn Er scliolt an ein peschaw schikehn ypd ivas
I sich da erfund daz sein plierdt scliadii hiet getan daz wolt er Im beczallii
/ daz hat der Zoblsperger also getan vnd hat an die peschaw gesannd vnd
f die selbigü fruine lewtt die an der peschaw gewesen sind die habnt chainen
\ schadn mugii erchennen anders wen einen iungii scliussling an einer rebii
I der ist der Ni der gelegn daz das pherdt villeiclit mit dem scliwanez ab-
geslagii hat vnd da die fr uni e lewtt die an der peschaw gewesn sind die
er dar gesand hat im zugesagt habil sew mochttii da chainen schadii
pruefen als vmb den scliussling darumb liab nt sew auch chainen schadn
mugii scheczn darauf! hab ich meiner clinecht einen zu" dem Zoblsperger
gescliikcht Seydermalii im chain schad nicht bescliehn wer daz er dem
arbaiter sein pherd wider gehn liiet des hat der Zoblsperger nicht gebii
welln anders er hat im ein margk pliening müssii gebii darauf! es fruih
lewtt cliawm erpettn vnd pracht habn Auch hat mich Hans Verg meines
\ genadign lierrfi von Salczburg etc. vischer vor etleicher zeit anpracht wie
^ im der’Zobksperger ein scheff vnd ein necz auf meines herrn von Salcz-
b.urg etc. visehwaid genohieu hat darauf! hab ich zu dem Zoblsperger ge-
Antwort. Antwort. Antwort.
Habsburgische Excurse.
79
und macht diese früheren L eh en desFürstentlnims Steier zu freiem
Eigen des Stiftes (Regesten I. Nr. 19ßö).-—Am 20. Juli 1446 gibt
schikclit daz er sollicli scheff vnd necz wider getan hiet nach dew als daz
auff meines lierrn von Salczburg etc. visclnvaid genomen wer wurdn darauff
hat er mir geantwurt es wer auff seiner visclnvaid genomen wurdn dar auff
hab ich an in widerumb pegert daz wir darumb auff ain anlaidt chomen
scholtii Erfund sich da das ers auf seiner visclnvaid genomen hiet so liiet
ich dosier mynner darin ze rfedfr Erfund sich aber daz ers auf meines lierrn
von Salczburg etc. vischwaid genomen hiet daz er daz wider tau hiet daz
hat er also abgeslagn. Nu hab ich von des scheffs vnd necz vnd des Ar-
baiter wcgii des Zoblsperger pawrii zway pherdt hie ze Lieclittnbald da
rum!) auffgelialdn da ehkegn hat der Zoblsperger den purgern hie ze Liechtn-
bald auff freyr strassfl riewii pherdt genomen da enkegn hat man die .pherdt
gegri einander ausgebii wie dem allm so hat der visclier seins scheffs vnd
visclinecz nicht vnd der Arbaiter der margk phening auch nicht. Auch hat
der Zoblsperger aber hernach dem Arbaiter ein vas most genomen wider
recht, als ers däfi maynt. Da pey mag man wol versten ab den meines
herii von Salczburg von dem Czoblsperger guettleich peschieclit ader nicht.
Item So bahnt mich die Liechttnbalder geczicgn wie ich des Prugkler
geselln enthalt» hiet in seinerii chrieg vnd auch yetz in lierr benedicts von
Turcz chrieg bahnt sie mich auch gecziegn wie ich sein geselln • enthailttn
hiet der sich kaines in warhaitt Ervindn mag.
Item darauff ist vnser der liiechtiibalder ahtwurtt Es ist merr wen einst
an vns gelanget wie viiser veindt scholttn sich pei dom Zoblsperger enthalttii
habnn vnd wir auch vns ein sollins selbes nicht erdachtt liabenn.
Item so habfit sew mein visclier mit leib vnd mit guett gesidlt vnd ein cziilln
entfurtt gen Lieclittnbald der mir auch mein zins schuldig ist daz liab ich den
Richter lassn anbringen also ist mir cliain wenttung nach henugn peschelin
vnd von solliclier drohredt wcgii die er dan geredt hat Er well mir mein vergii
slahen daz hat er in enpottn pey dem prabeczsch da ist mir cliain went
tung nicht peschelin von dem Richter daz ist beschehn am herbst im lesenn.
Item darauff ist vnser der Liechttnbalder antwurt vns ist nicht wissntleicli
daz wir dem Zoblsperger ye cliain visclier gesidlt nach czi.il entfuret scholttn
habn vnd der selbig visclier den der Zoblsperger maynt der ist vntler vn-
serih genadign lierrn von Salczburg etc. nicht mit wonuiig gesessen vnd
der Richter hat auch nichts vber in ze piettn auch hat der selbig vischerwns
vor fruhicn lewtt peredt daz wir an solhcr sidlung cliain schuld nicht habn.
Item so sind an der nächst Abgängen mittich nacht vor Symonis vnd Jude
ellcicli Liechttnbalder viul der seih visclier als pey vierczigfi nachtlcicli auff
mein guet vnd gericlit gelauffn vnd bahnt mir ein liaws auff geh roch n mein
vergen vnd ein Jungn lioldn geuangil vnd ein Czüllü genomen vnd daz alles
gen Lieclittnbald gefuret da hab ich zu dem Richter gescliikcht Er scholt
mir mein lewtt ledig lassn liiettn sy zii in icht ze spreclm gehabt ich wer
Antwort,
80
Joseph Ch mel.
er ihm einen Auftrag' des Vertrauens (Schiedsgericht) in einem Streite
über eine Stiftung und gewisse Bezüge vom Opferstock in der Frauen-
In Rechlns genug gewesn ynd hab doch nichts chunnen erfarii daz sew in
warliaitt scliolttn yerhandlt habil wol ist ein cbnecht chomcn der ist vber
nacht pey dem Vergii gewesn den hat er gepetlii er scliolt pey im pleibn
man wolt im ein czülln nächtlich nemen daz Er Im die hülff ze rettn da
rauf! ist der gut gesell heliebii daz ist peschehn in herii Benedicts von
Turcz frid den Er mit dem von Salczburg gehabt halt. Auch als ewer
Künigleiclie Gnad am nachstü zw Laibach gewesn ist vnd ewern Gnadn
Niltlas Gallenberger anbracht wie ich ein vnwilln gen in hiet darumb mir
ewer cliunigleiqli genad geschribn hätt vnd der selb brieff ist gehn wördn
am phincztag vor sand Colmanstag vnd ist mir wordn an aller lieiligii obend
also hat er mir vormaln mer brieff verhalttn von des von Salczburg wegn
piss daz ich ausgerittn pin vnd zerung vmbsust hab müssen tun vnd des
wer nach vil mer ze schreibt!.
/ Item Als sich der Zoblsperger vber vns Liechttiibalder Erchlagt Avie Avir in
näclitleiclin auff^sein gutt A r nd gericht gelauffn habn \ T nd im ein haAvs auff ge-
brochil And einen vergn vnd ein iungn lioldii darin geuangn vnd ein zulln
scliolttn genoüien habii mit mer Avortlii .yprfangn, darauf! ist vns er äutwurtt
daz Avir denselbii vergn vnd den iungii holdii geuangn habn als für vnser veinde
die A r .ns viiserm leib vnd gutt nach getracht habn mit andern vnsern veinttn
die sich mer Aven einst pey demselbn seinen vergn vnd inn seym liaAvs auff
vnser schadii enthalttii habn vnd die selbe nacht da auch in gegmvurttigkail
sind geAvesn vnd durich seine hulff vns dauon choinen sind vnd aucli der selbig
verg hat von dem gutt daz vns die veindt genonien habii geleichii tail ervodertt
als er des selbes anliellig ist ynd daz A r or frulnen leAvttfi becliant hat. Auch
als der Zoblsperger inn seinem sclireibii perürt von des visclier Avegii vnd Avie
Avir im ein zulln entfürt scholltii habn darumb \ t jis nichts Avisshtleich ist vnd
1 mag sich auch zun vns nicht erffndii A T nd der selbig A-ischer ist daselbs pey
\ vns auch nicht geAvesn nach wir sein da gesekii habn. Auch als der Zobls
perger peruert in seinem sehreibn Avie wir die geuangn liiettii ins herrn
Benedicts von Turcz frid, darauf! ist vnser autAVurt Avir habn zu der zeitt
vmb chain fridii nicht geAvest sew habnt auch zu der selbign zeit vns vn
serm leib vnd guet nach getracht als daz der Zoblsperger der jung hold
selbs pechant hat. Auch hat vnsers herrn gnad vnn Cily etc. unsenn phleger
mer weil einst s darumb geschribn Er scliolt darob sein daz die selbig ge-
vangii ledig gelassii Avurdii darauf! hat A r nser phleger von vnser Avegn seinen
genadn geantAvurt als die sach an ir selbs vnd oben beruert ist. Wir liabn
A r ns auch geAvilligt seinen gnadn die geuangn ze antAvurttn doch also daz
sein genad vns damit für secli damit Avir von der sach Avegn nicht verrer
angelanget Ayurdn als wir des ein guette hoffnung czu seinen furstleiclnl
gnadn habii darauf! hat sein genad geantAvurt Er avoU sollich sehreibn daz
\ vnser phleger von vnser Avegn getan hat dem Zobelsperger zu schlkchn
Antwort.
Habsburgisclie Excurse.
81
Capelle der Pfarre Traföss (Regesten !, Nr. 2118), und fordert
ihn am 12. August desselben Jahres insbesondere auf, die Entscliei-
/ damit er in vnderiveyse Avie sich die sachn balde daz er dan verrer darin
Avisse ze handln vnd daz stet nach also ann.
Auch als der Zoblsperger in seinem Schreibn berürl vnd sich Erklagt
vnserm allergenadigistii herrii dem Romischii kiinig etc. vber mich Niklasn
denn Gallrlberger Avie ich seiner gen&dn brieff verhalttii hab mit men* Avorttn
vertangn darauff ist mein Niklasn Galliiberger antAvurtt Ich hab dem Frid-
reich Zoblsperger merr Aven einst gescliribü nach deAV als er ein vnAvillii
zu mir hat Er scholt mich verscliribh Avissn lassii Aves ich mich gegn im
fürsehfi scholt darauff mir van im hye cliain antAvurl Aviirdn ist Ich hab im
auch zu geschribn ab in daAvehtet daz ich Avider in ader wider die sein
icht A'npillich gehandlt hiet, darumb avoII ich mit im gern fürchömen für
meinen genadigii herrn von Salczburg etc. nach deAV als ich seiner genadn
versprocliner diener pin ader für seihen haivbtmän ze Rain ader für vnsern
Allergenadigistii herrii den Romischii kiinig etc. der vnser paider lanndes-
furst vnd herr ist ader für seiner gnadii verbeser in Krain vnd Avelher tail
sich da vnreclit erfund der Avurd darumb gestrafft vnd tet dem andern tail
darumb ein abtragn darauff mir auch A-on ihm cliain antAvurt w'urdn ist
daz bau ich hu ann vnseren allergenadigistii herrii den Romischii kiinig etc.
bracht als er am naclistn ze Laibach geAvesn ist der hat mir darauff einen
brieff in die Chanczley geschaffn daz der Fridreich Zoblsperger mit mir
/vnd den meinen in vhguttn nicht ze schaffii scholt liabn hiet er aber zu
mir ader zav den mein icht ze spreclin daz er daz tett mit recht an pillichn
stettii, in dem hat an mich gelanget Avie vnser benantter herr der Römisch
kunig etc. Fridreichh den Zoblsperger zu sich ervodert hiet als ander
lanndleAvl darauff hab ich mit dem brieff auff iu verhalttii vnd hab auff in
geAA r artt damit ich selbes gern mit im für viisern Allergenadigistii herrii etc.
cliomen AVer vnd da er nicht choilien ist da han ich den brieff aus der chancz
ley genomen vnd hab im denn zugesChikcht Vnd dapey mag man aa^oII A r ersten
daz ich vnsers Allergenadigistii herrii des Römischen küiiigs etc. brieff nicht
geverleicli verhalttn hab Auch han Ich im mit vnsers allergenadigistii herrn
etc. brieff selbes auch'geschribn Er scholt mich verschribii Avissn lassii avcs
ich mich vnd die mein gegn im verstehn scholttii darauff er mir auch cliain
antivurt getan hat Auch als der Zoblsperger in seinem schreibn beriirt Avie
ich im vormalil merr brieff verhalttn hab von meines genadigii herrii von
Salczburg etc. Avegii darumb mir nicht wissntleich ist avoI ist ann dem daz
mir brieff zu geschikcht Avurdn sind die da gelaAvt liabn Avn vrisei*m Aller-
genadigistii herrn dem Römischii kunig etc. vnd die meinen genadign herrii
von Salczburg etc. beriirt liabn vnd ich scholt die dem Zoblsperger duncli
Nöder vnd czeAvgnuss antxvurttn vnd ab ich sollie brieff in einem solhn ver-
lialttil hiet daz AVer an mein schuld vnd czeiclit mich der Zoblsperger in
v einem solhn ains andern daran tuet er mir vnd auch lm selbes Amgutleich.
(Gleichzeitige Abschrift. Geh. H.-Archiv. 5 Bl. Fol.)
82
Joseph Chmcl.
düng so einzuricht.cn, dass die obenerwähnte Stiftung nicht zum
Nachtheile dieser Pfarre (Traföss) gereiche (Regesten I, Nr. 2130).
(!) 14 45, 29. März. Notariatsinstrument über die Cüation des Friedrich
Zobelsbergcr vor das königliche Gericht (die juridica nach St. Jörgentag),
auf Klage des Erzbischofs Friedrich von Salzburg.
Die Citation geschah durch Nicolaus Gallcnberger, Castellan des Schlosses
Lichtenwald und zwar: „in valvis Castri Sawnstain” mit dem Briefe König
Friedrich’s in der Hand („presentibus ibidem honorahilihus nobilibus atque
„discretis viris D. Georgio perpetuo vicario in Licclitenwald Barthoiomeo divi-
„norum socio ibidem presbiteris, Sigismundo Gallenberger, Andrea Kchager
„armigeris, Georgio et Nicolao Concivibus opidi Licchtehbald, Aquilegiensis
„et Salzburgensis dioc.” Notar: „Clemens deRevffnicz, Clericus Aqüileg. dioc.
„imperialis notarius.”— Orig. Perg. (Geh. Hausarcliiv.)
Dass übrigens noch vier Jahre später die Streitigkeiten nicht beigelegt
waren, beweist 7) ein Schreiben desselben Friedrich Zobelsberger an den Viz-
dom und Hauptmann zu Pettau, Wilhelm Reysperger.
1449, 21. December. „Dem Edelenn und vestenn Ritter hern Willialbm den
Reysperger etc.
„Mein frewntlichenn dinst lieber Herr Wilhalbm. Ich schicke euch hyemit
„des allerdurekleuchtigistenn Fürstenn meines allergenadigisten herrn des
„Romisclienn Kuniges etc. Brieff den wisset ir meinem herreu von Salczburg
„woll zu schikclien wan er mir vor zugeschriben hat Ich bedorfft als fer hinaus
„nicht zuschikclien Ich sclioltz seinen viezdom zue schikenn der weste das woll
„zu senden und meins liern Brieff ist mir worden nur an der nächst vergangen
„Pliincztagnacht das er nicht dacht das ich in verhalden hiette als mir besche
ren ist mit etlichen Brieffen.” — Orig. Papier. (Geh. Hausarchiv.)
Dunkel ist noch, was es eigentlich für eine Bewandtniss habe mit jener merk
würdigen Bulle Papst Eugeu’s IV. vom'4. Februar .1446 (abgedruckt in meinen
Materialien, Bd. I, S. 195, Nr. LXXI1I, Regesten K. Friedricli’s IV. Bd. I,
Nr. 2019), wodurch dieser dem noch nicht ganz entschiedenen Könige Frie
drich, um ihn ganz für sich und die Curie zu gewinnen lebenslänglich die
Befugniss einräumt, die sechs Bisthümer Trient, Br ixen, Gurk, Triest,
Chur undPiben im Erledigungsfalle zu besetzen; eine bisher beispiellose
Bewilligung, wodurch die Rechte der Capitel, bei Gurk insbesondere das
offenbare Recht des Erzbischofs von Salzburg verletzt wurden (s. Gesell. K.
Friedrich’s IV., Bd. 2, S. 385).
Was Gurk betrifft, so wurde von Eugen's Nachfolger Papst Nicolaus V.
gleich nach seiner Wahl dem Erzbischöfe, um ihn vom Concilium abzuziehen,
das wohlbegründete, von Kaisern und Päpsten vielfach bestätigte Recht der
Besetzung der aus der so weitausgedehnten Diöcese von den salzburgischen
Erzbischöfen selbst ausgeschiedenen und gestifteten Bisthümer Gurk, Chiem
see, Scckau und Lavant aufs neue gesichert (Mezger Hist. Salisburg.
p. 984. Lünig, Spicil. Eccl. I. Th., Forts, p. 1014).
Habslnu'g'ische Excurse.
83
Das vegulirte Chorherreiv-Stift Voraü erliielt am 1. Juli 1443
einen Bestätigungsbrief aller Privilegien und Freiheiten, K. Friedrich
gab ihn als älterer regierender Fürst des Herzogthums Steyer; ein
Beweis, dass sein Bruder Herzog Albrecht als Mitbesitzer galt (Re
gesten I, Nr. 1493). Das Stift hatte in diesem Zeiträume einen resig-
nirten Propst, Nicolaus Zink, welcher von mehreren Chorherren,
dem Dechant an der Spitze, im zweiten Jahre seiner Verwaltung (1432)
wegen übler Wirthschaft war gefangen worden; zu erhalten, obgleich
er den Besitz der Pfarre Friedberg zu erlangen wusste; K. Friedrich
bestätigt ihm am 21. April 1449 die vom Capitel selbst ausgeworfene
jährliche Rente (Regesten 1, Nr. 2560), und lässt durch seine Räthe
eine Convention abschliessen zwischen ihm und dem wirklichen Propste
Andreas zur Beilegung ihrer langjährigen Streitigkeiten, am 13. Juli
1449 (Regesten I, Nr. 2578).
Dem Abte Andreas des Benedictiner-Stiftes Admont überliess
K. Friedrich am 5. August 1449 die Veste und Herrschaft mit Land
gericht zu Wolkenstein; er soll und mag jederzeit einen („erbern
vernuftigen”) Edelmann als Pfleger setzen u. s. w. Am St. Oswalds
tage jedes Jahres hat der Abt von den Nutzen 100 Pfund Pfennige
abzuliefern, das Haus muss dem Landesfürsten offen stehen, auf Ver
langen abgegeben werden; mit dem Tode des Abtes Andreas wird
die Veste ledig (Archiv des Finanzministeriums, Ms. 150. b, fol. 59).
Es wäre eine kritische Untersuchung der Bullen und Actenstücke aus diesen
Jahren höchst wünschenswerth, denn die Beurtheilung der Verhältnisse wie
der Personen hängt von der Echtheit oder vielmehr von der wahren Kenntniss
dieser schriftlichen Denkmäler ab. Wo so vielfache Interessen sich kreuzen,
ist die Möglichkeit lingirter Actenstücke nicht bloss von einer Seite nahe
liegend. Der Erzbischof von Salzburg war übrigens, wie begreiflich bei seiner
Stellung, mit den habsburgischen Landesfürsten im besten Einvernehmen. So
quittirt K. Friedrich IV. am 5. Juni 1447 aus „Grecz” den Erzbischof Fried
rich von Salzburg über 15000 ungrische Ducaten, welche Herzog Sigmund
von Oesterreich-Tirol bei ihm hinterlogt hatte, und die dem Leonhard Ilarra-
clier, k. Ratlie, und Bernhard Fuchsperger, königl. Diener, wirklich übergeben
wurden (Geh. Ilausarchiv, Salzb. Kammerbücher V, Nro. 166, p. 280). Von
dem am 17. Februar 1448 zwischen dem römischen Stuhle und der deutschen
Nation durch den Cardinal Johann Carvajal, päpstl. Legaten, und K. Friedrich
zu Wien abgeschlossenen Concordate schickte der Letztere an demselben Tage
ein mit den Siegeln des Kaisers und des Legaten versehenes Duplicat dem Erzbi
schöfe zu. (Geh. Hausarchiv. Salzb. geistl. Abth. 8 (6) 1:}l / 10 .) Im Bauern
aufruhr 1525 wurden die Siegel abgeschnitten.
Sitzb. d. phil.-hist. CI. VIII. Bd. II. Hft
6
3
3
84 Joseph Chrnel.
1 i
Mit dem Cistercienserkloster Rein („Reim”) bei Grätz schliesst
K. Friedrich IV. verschiedene Tauschverträge, so gibt er im Jahre
1442, hei Gelegenheit'seines mehrwöchentlichen Aufenthaltes daseihst,
dem Ahte alles Marchfutter zu Qualstorf und auf vier Huben zu
Gross-Sulz, auch auf vier Huhen zu See; wofür der Abt seine Hol
den zu Wurmschach abtritt und den dabei gelegenen Wald, so auch
Viehhofen mit aller Zugehör (Regesten 1, Nr. 438). Am 24. August
1447 überlässt er dem Kloster jährlich 90 Eimer Weimnost (Grätzer
Kaufmass) aus dem Hubamte zu Grätz („doch also daz si denselben
most von unserm Hubmaister in unserm hof zu Grecz auf is selbs
kost und mue in ir selbs vesser ingiessen und vechsen lassen”); dafür
erhält er die zwei Theile Weinzehent zu Weikerstorf und 37 Eimer
Zinsmost aus der Münichprunt, dann 2 Eimer von der Öd und 1 Eimer
Bergrecht vom langen Weingarten (alles Neustädter Mass). (Archiv
des Finanzministeriums, Ms. Nr. SO. b, fol. 38 b.)
Besondere Gunst wendete König Friedrich dem Cistercienser
Kloster Neuberg, einer Stiftung seines Hauses (Herzog Otto des
Fröhlichen), zu. So weist er ihm am 22. November 1441 jährlich
400 Pfund Wienerpfennige schwarzer Münze aus dem Salzsieden zu
Aussee an (Regesten I, Nr. 408), mit der Verpflichtung die Zahl der
Mönche zu vermehren (um 6). Am 2. August 1443 bestätigt er den
Kauf einer Gülte von jährlichen 124 Pfennigen von einem Hof zu
Visclia, und macht dieses bisherige Lehen des Fürstenthums Oester
reich zum freien Eigen (Regesten I, Nr, 1507). Am 8. Mai 1444
erhält das Kloster von ihm eine Bestätigungs-Urkunde aller Privile
gien unter goldener Bulle (Regesten 1, Nr. 1639), und am 15. Mai
1444 wird es von jeglicher Steuer, unter welchem Namen immer
sie gefordert würde, frei erklärt, wogegen das Kloster fortwährend
30 Mönche unterhalten soll (Regesten I, Nr. 1644).
Das Basler Concilium ward auf dieses vom römischen Könige
so begünstigte Kloster aufmerksam und ertheilte (wohl aus freiem
Antriebe) den Aebten die Befugniss, sich der Pontiiicalien zu bedie
nen und feierlich bei verschiedenen Gelegenheiten den Segen erthei-
len, auch für den Gebrauch des Klosters geistliche Kleider und Or
namente weihen zu dürfen 1 ).
1 ) Am 8. Juni 1444; s. Regesten K. Friedricli’s I. Nr. 1653. Diese Bulle hätte zu
Folge der dortigen Angabe im „Anhang” mitgetheilt werden sollen, sie ward aber
Ilabsburgisclie Excurse.
85
Papst Eugen IV. hingegen gab auf König Friedrich’« Bitte selbst
den Achten nicht bloss des Klosters Ne uh erg, sondern auch der
nebst andern Documenten aus Mangel an Platz zurückgelegt. Wir theilen sie
jetzt mit, da sie beweist, wie sehr sich das Concilium bemüht hatte, den um
diese Zeit noch schwankenden König für sich zu gewinnen. „Sacrosancta ge
neralis Synodus Basiliensis in spiritu sancto legitime congregala universalem
„ecclesiam representans.“ Dilectis ecclesie filiis Abbati impresentiarum et Con-
„uentui monasterii Novimontis Cisterciensis ordinis Salzeburgensis Diöcesis
„Salutem et omnipotentis dei benedictionem. Locis pia religione conspicuis in
„quibus divirie maiestatis gloria frequentia devote laudis attollitur et pie vite
„Studio virtulum domino deservitur decet universalis ecclesie providentiam in
„liijs quc sunt honoris et gracie, ad illorum decorem se lnunificam exliibere.
„Nos igitur propter fervorcm multe religionis, quo ad Monasterium Novimon-
„tis Cisterciensis ordinis Salzeburgensis diöcesis, in quo ut aecepimus dicti
„ordinis cum divini cultus actione solemni, viget observantia regularis valde-
„que rcfloret, ac Carissimi ecclesie filii Frederici Romanorum Regis Rlustris,
„quem suorum intuitu meritorum in visceribus gerimus caritatis quique ut si-
„militer aecepimus successu temporis promotivi fauoris presidio tarn grandia
„tamque deo grata in ipsius monasterii structuris ac inibi degentium persona-
„rum suslentatione congrua impendit augmenta, quod ex lioc inibi nuinero mi-
„nistrorum dei salubriter multiplicato cum celebri venustate cultus divini de
zenter continue altissimo famulatus exhibetur, ut tu fili impresentiarum et
„successores tui pro tempore existentes ipsius Monasterii Abbales Mittra Ba-
„culo, Anulo et aliis pontilicalibus insigniis libere possitis uti, nec non quod
„in dicto Monasterio et Prioratibus eidem subiectis ac Parrochialibus ecclesiis
„ad vos communiter vel divisim perfinentibus quamvis vobis pleno iure non
„supsint benedictionem soleinnem post Blissarum Vesperorum et Matutinorum
„solemnia dummodö ibidem — aiiquis Autistes vel sedis apostolice Legates
„presens non fueril nisi ad id eius assensus aceesserit elargiri — Et insuper
„Corporalia Vcstes et alia ornamenta ecclesiastica pro usu dicti monasterii
„benedicere possitis, felicis recordationis Alexandri pape IIII. que incipit Ab-
„bates, ac Benedicti XII. et aliis quibuscunque Constitutionibus apostolicis in
„contrarium editis nequaquam obstantibus, tibi abbati et eisdem suceessoribus
„aüctoritate vnivcrsalis ecclesie de speciali gratia tenore presentium indul-
„gemus. Nulli ergo omnino liominum liccat baue paginam nostre concessionis
„infringere vel ei ausu temerario contraire. Si quis autem hoc attemptarc
„presumpserit indignationem omnipotentis Bei et vnivcrsalis ecclesie se no-
„verit incursurum — Datum Basilee VI. Idus Junii anno a Nativitate Domini
„Millesiino quadringentesimo quadragesimo quarto.”
CXXXVIII Jo. de Rocapetri.
G. Cossel.
M. Loelinger. Von Aussen: Concessio Pontificalium pro monasterio
Novimontis expedita per Dominum Wal-
rainum in Baden plebanum.”
Orig. Perg. Bleierne Bulle. (Geh. Hausarchiv.)
6
86
Joseph Chmel.
beiden andern vom Könige begünstigten Cistercienser-Klöster, Rein
und Neustadt, dieselbe Befugniss; auch können sie ihren jungen
Mönchen die minderen Weihen ertheilcn, so wie den Mönchen dieser
Klöster gestattet wird, dunkle Kleider zu tragen („vestibus seu pan-
nis brunis siye nigris uti”) und darüber goldene Kreuze (?). Die
Bulle reiht sich denen an, welche Papst Eugen damals dem Könige
ausstellte, als er sich definitiv ihm angeschlossen hatte (ddo. Rom,
S. Februar 1446, s. Regesten I, Nr. 2021, abgedr. bei Koplik:
Hist. Hospitalis etc. 1735, p. 15, unterm Jahre 1445).
Da die jährlichen zweihundert Mark Silber, welche von den
Herzogen Otto und Leopold dem Kloster Neuberg waren zur Herhal
tung der Gebäude zugesagt worden, seit einiger Zeit nicht ausge
zahlt wurden, so gab König Friedrich für sich und als Vormund K.
Ladislaus P. (eigentlich als Aeltester des Hauses?) zur Schadlos
haltung dem Kloster die einträgliche Pfarre Herrantstein (Hirnstein),
in Oesterreich (am 22. August 1446 , s. Regesten I, Nr. 2133) 1 ).
Am 13. Juni des folgenden Jahres (1447) erhielt das Kloster einen
neuen Beweis der königlichen Gunst in der Erlaubniss, in den Bächen
„Yischa” und „Wintbach” fischen zu dürfen (auf Klostergrund in
den Dörfern Yischa und Weikerstorf hei Neustadt; s. Regesten I,
Nr. 2292).
Da der königliche Rath Walther Zebinger zu Kranichberg sein
Haus zu Neust; 1 ,dt („in minner briider virtail zwischen Hern Mathiasen
des Kefer und Niclasen des Knarsclien hewser") an das Kloster Neu
berg vertauscht hatte gegen ein anderes daselbst („im egk ze nagst
dem purgkgraben steg bei den minnern brüdern gelegen” Tausch-
Urkunde vom 4. Jänner 1448 im Hausarchiv, Orig. Perg.), so bestä
tigte K. Friedrich am 20. Februar 1448 diesen Tausch und über
trug die auf dem früheren Hause des Klosters ruhenden Freiheiten auf
das neueingetauschte (s. Regesten I, Nr. 2425).
In Betreff der übrigen steierischen Mannsklöster haben wir bis
her nur wenige Notizen sammeln können. — So bestätigt K. Friedrich
am 23. Mai 1443 auf Bitte des Hanns Lauer zum Hannstein das von
*) Der Besitz; dieser Pfarre war nichts weniger als gesichert, Zehentholden wei
gerten sich zum Beispiele durch längere Zeit, ihre Abgabe zu leisten. Am
3. März 145t erliess K. Friedrich einen Befehl an den Pfleger zu Starhem
berg, derleiRenitenten zu ihrer Pflicht zu verhalten (s. Regesten I, Nr. 3684).
Habsburgische Excurse.
87
dessen Vorfahren zu Voitsberg gestiftete Karmeliter-Kloster,
freiet die Gründe und Leute desselben, die aber im Fall der Noth
dem Kloster durch eine massige Steuer unter die Arme greifen sollen.
Das Kloster erhält yom Könige auch die Erlaubniss jährlich 6 Fuder
Wein über den Semcring (aus Oesterreich) oder aus der Mark, wie
auch 300 Vierling Getreides mautli- und zollfrei heimzuführen zum
eigenen Gebrauch oder auch zum Verkauf; auch gefürstete Freiung
im Bezirk seines Gebäudes wird ihm bewilligt, die Verletzung seiner
Privilegien wird mit einer Pön von 20 Mark Goldes gebüsst (Re
gesten I, Nr. 1439).
Das Karthäuser-Kloster Seiz hatte Streit mit dem Pfarrer
Niclas Sakh zu Gonowitz, dessen Drittel-Zehent es unentgeltlich mit
seinen zwei Dritteln heim führen sollte, da doch bisher die Kosten
seines Theiles der jeweilige Pfarrer bestritten hatte. König Fried
rich befiehlt auf Ansuchen des Priors am 1. Juni 1443 dem Pfarrer,
seinen Theil selbst zu fechsen (Regesten I, Nr. 1455).
In jeglicher Beziehung wichtiger aber ist die von K. Friedrich
als Landesfürsten und oberstem Vogt gegebene Urkunde
vom 3. Mai 1447, wodurch die Streitigkeiten der zwei Klöster in
Pettau (Dominikaner und Minoriten) mit ihren Leuten und Holden,
welche sich über Zinsen und Roboten beschwert hatten, entschieden
wurden. König Friedrich spricht in dieser Urkunde ganz bestimmt
aus, dass er oberster Erbvogt aller in seinen Fürstenthumen und
Landen gelegenen Klöster sei 1 ).
*) Die Leute and Holden werden verpflichtet, die gewöhnlichen Zinsen und
Abgaben zu geben und Roboten zu leisten, welche sie bei Lebzeiten der Herren
von Pettau gegeben und geleistet hatten, keine neuen Steuern dürfen die be
sagten Klöster von ihnen fordern. —• Wir theilcn dieses Doeument aus einer
im Hausarchive befindlichen handschriftlichen Collection des Dominikaner
klosters zu Pettau mit. „Wir Fridreich von gots gnaden Römischer kunig zu
„allentzeytn merer des reiclis Hertzog ze Österreich ze Steil- zeKerenden vnd
„ze Kraft), Graff zu Tirol etc. Deckenncn von der stöss vnd zwitrecht wegen,
„so gewesen sind zwischen den erbern geistlichen n. den brudern vnd klo-
„sterleuten der prediger vnd der minnerbriider Orden zu Pettau ains vnd aller
„irer vnd irer gotsheuser leut vnd holden die in n weilend n die von Petlaw
„geben habend, des andern tails, die Sy vns als lanndesfürsten, vnd irem obristen
„vogt fürpraclit vnd angerufft habend enlschaidung darumb zwischen in ze tun,
„wie es hinfür darumb zwischen in steen vnd gehaldn sull werdn. Das wir
„die selben ihr stöss vnd zwitrecht aigenttleich fürgenomen vnd nach vnser
88
Joseph C h m e 1.
Am 13. Decemberl4ol bestätigt er auch denselben zwei Klöstern
die Güter, welche ihnen weiland Bernhard von Peltau gegeben batte
„ret rat, ein sollic Ordnung zwischen in gemacht vnd gesetzt haben wisscnt-
„lich mit dem brieff, als hienaeh geschriben steet. Von erst, daz die obgenan-
„tcn Ieut vnd holden all solicli nulzs zinns dienst vnd gult als plienning, wein,
„getraid, zehent, pergkhreclit, höher vnd ander essend dienst, den obgemeitn
„brüdern vnd iren anweiten vnd ambtleutcn zu ihren hanndfi zu yeden zeylen
„vnd diensttetzen raichen vnd gehen sullen in aller der mass vnd gewonhait
„als sy n. den von Pettaw die gehen vnd gereicht haben vnd darinn heinerlay
„enndrung noch pewng fürnemen noch machen in dhain weis. Item von rohat
„wegen, darin die egenanten leut heswei't sein worden, als sy vns fürpracht
„habent, ordnen vnd setzen wir, das sy den ohgenantn brüdern vnd ordenn ir
„zinns, als getraid vnd wein zu beiden Klöstern vnd darzw souil tagwercli
„prennholts füren sullen, als sy den vorgenantn von Pettaw die vortzeiten
„gefiirt habent, darüber sy auch die ohgenantn hrudei':mit Icainer anderlay
„rohat nicht beladn noch bescliwerü sullen in dhain weis. Item von veil vnd
„wenndl wegen ordnen vnd setzen wir, das die obgenantenn bruder vnd ir an-
„weldt von allen peenmessigen Sachen vnd tatfi, die den lod nicht berurend nach
„sollten gewonhaiten vnd rechten so dieselben leut wider in vnd in den gcgen-
„deu dasclhs haltend veil vnd wenndl neinen niugen nach genaden vnd an der
„leut verderben als von alter ist lierltomeu, dein die selben leut also nachuol-
„gen vnd sich darin nicht setzen sullen. Item von Stewer wegen ordnen vnd
„setzen wir, das die ohgenantn brüder noch ir anweid den egemeltii irn leuten
„litv liinfür hainerlay stewer noch ansleg aullegen noch von in nenten noch
„auch dieselben leut in die zc gehen phlichlig sein sullen, Sünder sieh an iren
„gcwondleiehen zinsen, dienstew vnd galten von in henügen lassen, in »lass als
„oben berürt vnd von alter lierkomen ist. Olt aber wir oder unser erben auff
„die bemelt leut von vnser oder des lanndes lioturfft wegen ieht stewer legen
„vnd ansleg auff sy tun wurden, die sullen durch die vnserii, den wir das we-
„nelchen werdn bcscliehn ingenomen vnd inpracht werden yngeuerde. Wir
„mainen vnd setzii auch, als wir aller kloster in vnsern fürstentumen vnd
„lanndeh gelegen, sunder der egenantii kloster obrister Erbguet (erbuogt)
„sein, das in die ohgenantn briider vnd leut keinen andern vogtt fürnemen,
„den vns vnser erben vnd nachkomen lanndesfürsten oder wen wir in zu vogt
„geben vnd setzen vnd sich anderswohin ann kein ander herschafft nicht
„vogttii noch slachen in dhain weis. Oh auch ettleich der ohgenantn holdii
„ahfurn vnd den egenantn brüdern ire guter nicht zustifTteln als lanndsrecht
„ist, oder ob denselben brüdern ettleicli grünt veriiiellfi oder ledig wurdii,
„darinn sullen sy vnd ir anweldt alle die recht haben vnd geprauchen als die
„ohgenantn von Pettaw in sollien gehabt liahent vnd von alter herkomen vnd
„landesreclit ist. Es sol auch ein yeder vnser haubtman inSteier wer der yelz
„ist, oder kunfftigkleich wirt, die benautii kioslerleut vnd vrbarleut von vnsern
„wegen hanthaben beschirmen vnd in allen notdurfflen so sy an in bringen
Habsburgische Excurse.
89
und die Anordnung desselben, dass der Landesfürst von Steiermark
jederzeit ihr Vogt sein soll (ddo. Gretz, S. Lucientag. — G. Ilaus-
arcliiv, Ms. 176, fol. 103. v.).
Wenig wissen wir yon den steierischen Frauen-Klö stern.
Am 21. September 1441 befreiet König Friedrich das Frauen
kloster zu Gr ätz von der Steuer, die jezuweilen von den
Landesfürsten auf die Prälaten und den Klerus des Landes gelegt
wird, da seine Dotation unzulänglich sei (Regesten I, Nr. 376).
Dem Frauenkloster zu Mäh r e nber g verleiht er am 26. Jänner
1450 Mauthfreiheit für seine Lebensbedürfnisse und die Ausübung
der eigenen Gerichtsbarkeit (durch seinen Anwalt und seine Amts
leute, s. Regesten I, Nr. 2605).
Die Privilegien des ansehnlichen Frauenklosters zu Goss be
stätigte König Friedrich am 17. December 1443 unter einer Pön
von 50 Mark Goldes (Regesten I, Nr. 1570), nachdem er am 27. Juni
desselben Jahres (1443) dem Richter zu Eisenerz befohlen hatte,
die Holden des Klosters, welche sich geweigert hatten die auf sie
gelegte Steuer (6000 fl. mussten die steierischen Prälaten und Klöster
beisteuern zur Abfertigung Herzog Albrecht’s, Bruder des Königs) zu
entrichten, dazu zu nöthigen (im Joanneum zu Gratz). — Einen
Streit des Klosters mit dein Erbmarschall in Kärnten und Oberst-
Kämmerer in Steiermark, Niclas von Liechtenstein, hinsichtlich des
Marschallfutters, das das Kloster von seinen Gütern in Kärnten zu
geben hatte, liess König Friedrich durch den Patriarchen von Aquileja
(Lorenz) und Verweser des Eisthums Lavant gütlich ausgleichen f ).
..werden, ratsam hilffleich vnd gewalts viel vnreclits vor sein, vntz anvnsilocli
;.vntz an fl' vnscr widerrnfTen. Ob auch hinfiir von der obgemeltn artikl ainem
„oder mer oder in ander weg icht zwitrecht zwischen in entstunden vnd erhebt
„wurden, die sullen sy an den oligenantn vnsern hauhtman bringen sy darumb
„zu entschaiden vnd welhcr tail die vorgoschriben vnser Ordnung nicht stett
„hielt vnd dawider tet, vnd vns darumb furpraclit wurde, den wolten wir
„schwerleich darumb schaffen zu straffen. Mit vrlcund des briefs. Gehen zu
„Pettaw, an des heiligen kreutztag inventionis nach kristi gepurd im viertze-
„henhundert vnd sibenundviertzigisten Jar, vnsers reichs im achten jar.
Comnlissione domini Regis in consiiio.”
Ms. N. 176. Oestr. Coilect. d. Dominicanerkl.
zu Pettau. fol. 106. v.
i) Revers des Liechtenstein vom 15. April 1445 ; wir theilen denselben aus dem im
geh. Hausarchive liegenden Originale hier mit. „Ich Niclas von Liechtenstein
90
Joseph Chm el.
Einen Zelient- und Gültentauseh, welchen Kloster Goss mit
seinem Ratlie Hanns Ungnad und dessen drei Brüdern eingegangen
hatte, bestätigt K, Friedrich als Landesfürst in Steier und Erbvogt
des Klosters am 18. Juli 1449 (s. Regesten I, Nr. 2580).
Aber nicht nur den bestehenden Klöstern wendete K. Friedrich
seine Gunst und Sorgfalt zu, er dachte auch mit Vorliebe an neue
Stiftungen; da ihn die gleich zu erörternden in seiner Lieblingsstadt
Wiener Neustadt vorzugsweise beschäftigten, so üherliess er die
Sorge für ein in Steiermark zu Rottenmann zu gründendes Clior-
„Erbmarselialich in Keremlen vnil Obrister Camrer in Steir Bekenn offenleich
„mit dem brieff für mich vnd all mein cribn vnd tuen kund allen den die Nu
„sind, oder noch kunftigklieh werdent. Als ich stössig gewesen bin mit der
„Hoehwirdign frawn frawn Anna Ahbtessinn des Gotzliaws zu Goss vnd mit
„Irem Conuent, von wegen ainer mass des marschalichfueter so ich von des
„Marschalich Amhts auf den Güetern so das benant Gotzhaws in dem laniule
„Kercndn hat, darumbe vns der Ilochwirdig Fürst und lierr her Laurencz, der
„heylign lcirichen ze Agiay Patriarch yetz verweser des Bistiimbs Lauen! nach
„empfelliung des AUerdurlewchtigisten Fürsten vnd herrn hern Fridreichen
„des Romischn. kunig etc. vnsers allergnädigislen lierren mit andern so dabey
„gewesen sein frontleich geriebt. Vnd alles mit beider taill guetem willen ge-
„aint hat, soliclier maynung das ich vnd all mein eribn vnd naclikomen oder
„wer das marschalich fueter von vnsern wegn innymbt von den obberuerten
„guetern ye von ainer buchen nemen schullen zwen virling habern sandVeiter
„masze vnd ain achttail vnd nicht mer nach inhaltung ainer mass so dann
„yetz gemacht wirdet, vnder der Stat zu sand Veit zaichen vnd auch vnsern
„zaicben, die schullen sew ewigkleicli gestrichen geben an widerred. Vnd obe
„sew darin verezieclin vnd nicht zu rechter zeit zynnsen wollen , als zwischn
„sand »Ierttentag vnd derLiechtmess, das scliol der, der das Marschalichfueter
„von vnsern wegen innymbt an des Gotsliaws Ambtman bringen der schol an-
„uerczieclien schaffen auszerichten, wäre der aber sawmig darinne so mag
„sich der, der das Marschalichfueter von vnsern wegen innymbt selhs darumbe
„phennden, als von alter her körnen ist, vnd hat darinne wider nyemants ge-
„tan. Vergessen wir vns aber darinne vnd die obgeschriben Tayding vnd richti-
„gung nicht gänczleich stät halden wolden des sol In vor vnd Ir schirm sein
„der Lanndesfürst sein Ilawblman, vnd Ir anwalt vnd sew dabey hanndhaldcn
„vnd scherm nach dem lanndesreclitn in Keremlen. Das in all obgeschriben
„Tayding vnd Riehtigung von mir vnd all meinen eribn stät vnd vnczebroclicn
„ewigkleicli beleihe gib Ich in den offen briet vnder meinem aigeii anliangun-
„dem lnsigill darunder ich mich verpind mitsambt meinen eriben, alles das
„war vnd stät zu haltii das in dem brieff geschrihn stet. Der geben ist nach
„Kristi geburd Tawsent vierhundert vnd in dem fünf vnd virczigistem Jare am
„nagsten pliincztag vor Jubilate.”
Harosburgisehe Excurse.
91
herren-Stift vorläufig seinem Amtmann daselbst,-Wolfgang Dietz,
mittelst Auftrag vom 30. November 1431, indem ihn bereits die An
stalten zur Reise nach Italien ganz in Anspruch nahmen (s. Regesten I,
Nr. 2738) J ).
Dass K. Friedrich aber wie den Klöstern so auch den Kirchen
und Pfarren der sogenannten Weltgeistlichen ein treuer Vogt und
Patron gewesen, ist nur desshalb weniger bekannt, weil überhaupt
die Geschichte dieser Kirchen noch sehr vernachlässigt ist; nur
einzelne Notizen tauchten hier und da auf. So legte er im Jahre 1430
den Grundstein zum Wiederaufbau der St. Aegidiuskirche in
Gr ätz (Caesar Ann. Styriae III, MO) die auch unter ihm vol
lendet wurde.
Dem Pfarrer zu Mitterndorf gibt er auf 3 Jahre (1430—
1432) den Rcutzehent in der Pfarre Mitterndorf ( „daz zway tail
uns und der drittäil dem pharrer zu der Purg gepuren zenemen”)
in Gestand gegen eine mässige Gebühr (18 Schillinge Pfenninge)
und eine geistliche Verpflichtung 3 ).
Der Pfarre Grauschern, jetzt Rürk genannt, bestätigte
König Friedrich um diese Zeit ihre Freiheiten, darunter eine auffal
lend genug ist 3 ).
') Wahrscheinlich derselbe Wolfgang Diez, „Bürger zum Roltenmann” erklärte
am 6. Juny 1449, dass er dem Spitale zu Ilottenmann seine Lehengüter in der
Strcchau überlassen und dafür dem K. Friedrich und dessen Bruder Herzog
Albreclit seine freieigenen Güter in der„Vedunger und Hinterberger” Pfarre als
Lehen des Fürstenthums Steier übergeben habe. (Geh. Hausarchiv. Orig. Perg.)
? ) ßd. Neustadt, Eritag vor Gotzleiehnamstag 1450. Der Pfarrer, Herr „Mathes”
„soll ynner der benanten drein Jarn an aim yglichen Suntag in der pharrkirchen
„zu Mitterndorf ain ambt von der heiligen driualtikait singen lassen; wer
„aber daz an der Suntag aim ain vesst ains heiligen tag geuallenjnml dadurch
„das obgenant ambt ze singen angestellt wurd, so sol dann dasselb ambt allweg
„am nagsten tag darnach oder an aim anndern tag in derselben Wochen daran
„das füglich Wirt gesungen werden (wie er es versprochen hat). Befehl dess
halb an den Handschreiben des Fürslenthums Steyer, oder wer das Amt sonst
zu verwesen hat. (Archiv des Finanzministeriums, Ms. Nr. 50 b. fol. 62 b.)
Es ist kaum glaublich , wie wenig man sich bisher um geistliche Stiftungen
und ihre Urkunden bekümmert hat, und doch wäre die Zusammenstellung der
selben von bedeutendem Interesse!
s ) In demselben Cod. Ms. Nr. 50 b, fol. 24 (im Archiv des k. Finanz-Mini-
sterium’s). Leider ist die Urkunde daselbst unvollständig (es fehlt das Ende).
„Bekennen — als der hochgeborn fürst Herezog Ernst löblicher gedechtnuss
92
Joseph C li m e 1.
Von (len Klöstern und Kirchen des Herzogthums Kärnten
und König Friedrich’s Verhältnissen gegen dieselben haben wir
wenige urkundliche Daten aus dieser Zeit.
„unser lieber vater durch seiner und seiner vorvordern und naclikomen seel-
„hayl willen der pharrkirchen und ainem yeden pliarrer der ye zu zeiten zu
„Krawscliarn sein wirdet, die genad getan und die fr ei heit geben hat, daz
„ain yeder pliarrer derselben pharrkirchen umb alle die wenndl und veil die
„sich dann auf den gruntten in dem dorfflein zu der Purg und in dem
„winkl genant im Tslem zwischen den lewten die daselbs gesessen sind und
„die zu der egenanten kirchen Grawscliarn gehören ynner oder ausser liaws
„verhandlen und verkaulfen pessern und püssen sol und mag und sullen auch
„dieselben leut als offt ir ainer oder meniger wandl vellig werden m i t
„ainem yedem pliarrer oder seim anwalt dar umb ab dingen
„und abkomen (!) als dann gewondleich ist von aller meniclich unge-
„hindert. Doch ausgcnomen was sollicr saclien sein die den tod berüren,
„darumb sol unser Janntricliter zu Wo Ikon St ain gewalt zu pessern und
„zu richten haben als von alter ist herkomcn. Ob auch ielit scliedleich lewt
„auf die obgenanten grünt an dem dorfflein zu der Purg und im Tslem
„kernen und mainten sich daselbs zu enthalten und der obgenanten freyhait
„zu gemessen die sull und mag unser lanndricliter zu Wolklienstein an ains
„yeds pliarrer anwalt und amblman ervordern der sol im dann solicli zu unscrn
„hanndcn anltwurtten an all waygrung und widerred als das alles von aller
„ist herkomcn angeuerd. Hat auch der gegenwurltig n. pliarrer derselben
„pharrkirchen zu Grawscharn zu erkennen gegeben, daz sich dieselb
„freyung anheben an dem stain an dem S toder 1 ing prucken und von dem
„stain auf uncz in den Mitterpach und nach demMi 11er p acli der enhalb
„des Talers rintt auf uncz under den Kogel von dem Kogel auf durch
„die Kogelrin von der Ko ge Irin uncz auf den weg, der auf an den
„prant get nach demselben weg uncz auf den prant, von dem prant den weg
„nach uncz auf die Chr cm mus cli eben von Chremmuscheben an Gimd-
„leins wisen von derselben wisen auf den Kopien nach Lepien auf den
„SateJ nach dem Satel den w r eg ab in den Kr um pp enb ach nachdem
„Kr um pp enb ach in den Wers es spach nach dem Wersesspach ze tal
„uncz daz der Sn e s i n c z p a c h darin rindt, nach dem Snesinczpach auf uncz
„an den Vogeloffen von dem Vogeloffen auf uncz den Meiling von dem
„Meiling zetal ab uncz auf dem Übeleck von dem Übelekch dem graben
„zetal ab uncz auf den Stubenpacli, von dem Stubenpach uncz an den
„Hä Ins tein, von dem Hälnstain uncz an die Gry mi n g da der Liinech-
„pacli darin rindt von dem Länechpach ze tal ab nach der Gryming uncz
„auf die Klacliau von der Klachau ze tal ab nach der Gryming uncz ab der
„Treis chm ul in die Mawr nach der Maur uncz an den Purkclistalstain
„von dem stain uncz an den Rast stain von dem Raststain uncz an den
„Halenstain von dem Hälnstain under der Eseluel uncz in den S toder-
Haäsburgische Excurse.
93
Am 14. (?6?) December 1441 bestätigt König Friedrich dem
Propst Christoph 1 von Eberndorf (Oberndorf) im Jaunthal den Besitz
der Güter und Zehente, welche er und sein Convent von den Recli-
bergern erkauft hatten 1 ), obschon die Letztem den Kauf mit Ge
walt rückgängig machen wollten.
Am 1. Mai 1447 bestätigt er demselben Stifte regulirter Chor
herren alle Gerechtsame und Privilegien (Regesten I, Nr. 2277) und
„lingp.ach, aus demselben Stoderlingpach aut den stain vor der Stoderling
„prukclien da sieb die freyung anhebt. — „Auch alle die freyhait die auf den
„obgeschriben gruntten begriffen sind die hat daz dorffei auf der K1 a ch a w
„mit aller seiner zugehörung.” — K. Friedrich bestätigt dieselben alle. —
Die Geschichte dieser Pfarre, welche meist als Dotation landesfürstlicher
Diener verwendet wurde, wäre gewiss nicht ohne Interesse.
O Dd. „Prugk an der Mur Piingstag nach St. Niclastag 1441.” Abschrift im
geh. Hausarchive. Der Propst hatte vorgebracht: „wiowol inen Hanns Uech-
„berger der aeltere und Christoph und Hanns die Itecliberger seine Söhne
„die hernach benannten Stück Güter und Zehent recht und redlich verkauft
„und inen ihr versiglt brief darum gegeben, jedoch so hätten dieselben Itecli-
„berger sie und das benannte Gotteshauss freventlich angegriffen, beraubt,
„beschädigt und die benannten Kaufbrief um dieselben hernach benannten
„Güter lautend mit gewalt genommen zerschnitten und vernichtet” — er
bittet also um Schutz gegen solchen Frevel. K. Friedrich bestätigt dem
Kloster die Güter, als wären die Briefe nie zerschnitten worden und-erlässt
desshalb gemessenen Befehl. Die angeführten Güter sind: „von erst ein gut
„unter Rechberg und haist unter dem Prart da etwann Niklauss Hur-
„saim und nun sein son aufgesessen ist; it.. ein gut gelegen bei Veil ach
„unter der Brucken vor der Capellen und haist am Kremsers, dasjezund
„ain Rupplt innhat; it. ein gut gelegen untern Prart, das etwann Fridrieh
„des Mannspurger ist gewesen und das Martin Zckalo innhat und auch einen
„zehend daselbst gelegen. It. ein gut gelegen zu G o r s a c li. da die Raifner
„aufsiczend; it. ein ödes gut genannt am Purdeles mit einer wisen gelegen
„zwischen Görs ach und Gl ans ach, das die obgenannten Raifner inn-
„habent; it. ein gut gelegen an der V cllacl) im dorf, da ein Kristan aufsiezt.
„Item ein wisen und vorst zwischen St. Preuns und Ob er wein gurk
„neben dem see gelegen, die jezund Mathee zu GÖzzcldorf innhat; it. zwey-
„theil Zehend geh zu Neusaz der kaufft ist worden zu St. Elen Gotteshauss
„gegen Sitterstorf; it. aber zweitheil zehend von des Kopauzen gut gel.
„ob Sitterstor ff; it. aber zwey. g-ü t er geh zu St. Stephan im Ni d e r n
„Glabassniz da an dem ainern jare und an dem andern etwann ein Andre
„aufgesessen war; it. zweytheil zehend geh am Hart neben Weinberg zu Sit-
„terstorff, der auch etwann des Mannspurger ist gewesen.” (Ad mandatum
d. Regis. Conradus Praepositus YViennensis Cancellarius.)
94
Joseph Chmel.
trägt seinen Hauptleuten, Verwesern und Richtern auf, alle gegen
das Stift, dessen Urkunden vor einigen Jahren meist entfremdet und
vernichtet worden sind, auftretenden Kläger an ihn, den König,
zu verweisen, er werde dann Recht sprechen lassen (Regesten I,
Nr. 2278). Der Propst zu Eherndorf hatte von Bernhard von Laakch
eine Hube im Dorfe Gutenstein bei der Pfarrkirche und eine Wiese
daseihst erkauft, beide Stücke waren Lehen des Fürstenthums
Kärnten; König Friedrich machte am 7. März 1448 dieselben zu
freiem Eigen (Regesten I, Nr. 2428). Eherndorf hatte übrigens nicht
bloss widrige Schicksale von äusseren Feinden zu erdulden, auch
innere machten ihm zu schatfen; so erlässt der König am 19. Sep
tember 1448 einen Steckbrief gegen einen flüchtigen Chorherrn, der
bei seinerEntwedchufig allerlei Stiftsgut mit sich genommen hatte. Der
Auftrag lautet übrigens auch auf andere Chorherren, falls sie aus
diesem Stifte entweichen würden, zu greifen; vermuthlich gab es
einen inneren Krieg, wie damals so manche andere geistliche
Comnmnitäten innerlich zerrüttet waren (Regesten I, Nr. 2483).
Der Propstei Werd bestätigt König Friedrich am 5. Jänner
1444 zu St. Veit sämndiche Privilegien, insbesondere einen Schied-
sprueh des Bischofs Berthold von Bamberg zu ihren Gunsten, gegen
die Finkensteiner (Regesten I, Nr. 1588).
Die Privilegien des Benedictiner - Klosters St. Paul im
Lavantthale bestätigt er am 2. September 1449 ebenfalls während
eines Aufenthaltes in St. Veit (Regesten I, Nr. 2590).
Dem Cistercienser-Ivloster Vi kt ring, gibt er 1443 seine Mühle
„an der Lankchwart auf der Landstrass bei der prukgen gelegen,”
die jetzt Jakob Kriechpaum inne hat und jährlich 2 Pfund Pfge.
zahlt. Auch gestattet er aus besonderer Gnade, dass man jährlich
zwölf halbe Fass seines Bauweines auch Zehent und Bergrechts von
„Lembach” und „Pyker” durch die Stadt Marburg und auf der
Strasse durch den „Traawald” nach Viktring führe (Archiv des
Finanzministeriums, Ms. Nr. 50 b, fol. 14.)
Dem Benedictiner-Kloster St. Salvator zu Millstatt bestätigt
er am 18. August 1444 die von seinen Vorfahren erhaltenen
Privilegien (Regesten I, Nr. 1(589) und zwei Tage später (20. Aug.
1444) die gefürstete Freiung im Bezirk seiner Mauern (Regesten 1,
Nr, 1692 it. Nr. 1701). Aus einem zu Nürnberg am 1. October'1444
erlassenen Gerichtsspruche König Friedrich’s erhellt, dass Abt
Habsburgische Excurse.
95
Christoph von Millstatt vor dem königlichen Kammergericht Process
führte gegen Grafen Morand vonPorzili wegen des weltlichen Gerichts
zu St. Focat und denselben gewann, wobei dem Grafen Heinrich von
Görz auf sein Verlangen die Lehenschaft desselben Gerichtes bestätigt
wurde (Regesten I, Nr. 1767).
Die Privilegien des Frauenldosters St. Georgen am Läng
see (bei St. Veit), insbesondere ein inserirter Bestätigungsbrief
Herzog Rudolph?» IV. vom 11. März 1360, werden von König Friedrich
am 30. October 1430 zu Neustadt bestätigt (Hausarchiv, Salzb.
Abth. Diplomatarium von St. Georgen).
Eben so vereinzelt sind die Notizen über die Klöster und
Kirchen des Herzogthums Krain.
Am 10. Februar 1444 bestätigte König Friedrich zu Laibach
die Privilegien der Karthause Freudnitz (Freudenthal) mit der
beträchtlichen Pön von 100 Mark Goldes gegen ihre Verletzung
(Regesten I, Nr. 1398). Friedrich besuchte selbst dieses Kloster
laut einer gleichzeitigen Notiz auf der Kehrseite dieser von ihm aus
gestellten Urkunde.
Auch die Privilegien der Karthause Plettriach bestätigt er
daselbstj am 19. Februar 1444 (Regesten I, Nr. 1600) und am
selben Tage in einer eigenen Urkunde zwei Privilegienbriefe seines
Vaters Herzog Ernst und seines Oheims Herzog Leopold (Regesten I,
Nr. 1601); er vermehrt auch diese Privilegien, indem er dem Kloster
gefürstete Freiung und das Landgericht auf seinen Gründen verleiht.
Es darf in seinem Dorfe zu Ob er fei d mit Bürgern und Geschwornen
das Landgericht besetzen, seine Leute sollen von den benachbarten
Städten (Landstrass, Mettlik, Neustadt) nicht wider Willen des
Klosters zu Bürgern aufgenommen Werden; eben so wenig dürfen
sie sich sonst wo im Lande ansiedeln, sie können abgefordert
und müssen ausgeliefert werden (ein flüchtiger Holde mit dem
mitgebrachten Habe, ein Erbholde (?) „als er mit Gürtel um
fangen ist”). — Das Kloster ist jedoch zu gleichem verpflichtet.
Es erhält Mauth- und Zollfreiheit für seine Lebensbedürfnisse und die
Bergwerke auf seinen Gründen, seine Leute und Güter sollen von
allen Steuern frei sein, welche die landesfürstlichen Hauptleute, An
wälde oder Amtleute im Lande auflegen würden; sie dürfen nicht
aufgehalten oder gepfändet werden wegen eigenen oder fremden
Schulden, ohne früher beim KlÖstergefichte Klage geführt zu haben;
96
Joseph Chmel.
die Bussen der straffälligen Holden gehören dem Kloster. Der Prior
ist immer (eo ipso) Hofcaplnn, alle Güter im landesfürstliclien Schutz.
Pön gegen die Verletzer dieser Privilegien 10 Mark Goldes (abgedr.
in m. Materialien I, S. 13ä, Nr. XXXVII). — Dass es nicht an An
fechtungen fehlte, beweist eine vom Verweser der Hauptmannschaft
in Krain, Jörg von „Tschernöml,” am 29. Juni 14S0 ausgestellte
Urkunde, dass drei Gerichtsbriefe von den Jahren 1407 und 1408
volle Gültigkeit haben, obgleich die Siegel etwas verletzt seien, und
dass Niemand die Stiftsgüter anfechten soll i ).
1 ) Ich theile diese Urkunde hier mit, weil sie die Verhältnisse der Klöster
gegenüber den landesfürstlichen Behörden beleuchtet; es wurden die neuen
Stiftungsgüter in offener Schranne in drei verschiedenen Terminen „berufen,”
damit die dagegen zu machenden Einwendungen vorgebracht werden binnen
Jahresfrist, erst dann ward der ruhige Besitz rechtlich zugesprochen.
„Ich Jürig von Tschernöml Verweser der Haublmanschaft in Krain vergich
„das der Erwirdig vnd geistleich herr Bruder Hilary Prior Karluser Ordens
„des Klosters zu Plettriach liewt für gericht kom vnd bracht für drey ge-
„riclitsbrieff weillend Iiie in dem lanndesrechtn ausgegangn der Erst lautund
„Ich Jacob von Stubenberg llaubtinan in Krain, Vergich das der Ersam Her
„Iler Hartman ausriebter der Newnstifft zu Plettriach, Chartuser Ordens
„heut für mich vnd das liecht komen ist vnd liess ain slifltbrieff hörn den
„in ir Stiffter geben hat vnd auch meins hem Herezog Ernsten , Herczogn
„ze Österreich etc. Bestetlbrieff darüber , vinb etzlicli gütter, die der Stiffter
„zu dem benanlii gotshaws gehn hat, als der Stifftbrieff lauft, vnd Bat dar-
„umb ze fragfi ob man billeich beruffen Hesse ob yemandt zu denselben
„Gütlern begriffen in dem Stifftbrieff ielit ze spreelui hettii, der seit das
„suchen inner Jarfrist. Beschech aber das nicht, so soll er vnd sein nach-
„komen fui'basser darumb gerubt sein. Da ward berufft offenleich in der
„lanndseliran nach völlig vnd frag vnd soll aucli das nach beruffen lassen
„zu dem nagsten hoftaidingn vnd beschech dan aber was Beeilt sey. Gehn
„zu Laybach an Montag vor des beiligii Krewcztag Exaltationis anno do-
„mini etc. quadringentesimo seplimo” der ander lautund — „Ich Paul
„der Glowiczer , des Edlii herii herii Jacobs von Stubenberg verwesen in
„Krain vergich das der Ersam herr, her Hartman ausricliter der Newn-
„stifft zu Plettriach Khartuser Ordens heut für mich vnd das Recht komen
„ist vnd hat sein andern tag lassfi beruffen nach laut vnd sag seiner
„Stifftbrieff, die das egenant Gotshaws hat, ob yemand zu denselbn Göttern
„begriffen in dem Stifftbrieff iclit ze spreche hettii, der soll das suchn inner
„Jarfrist. Beschech aber das nicht, so solt er vnd sein nachkoraen fur-
„basser darumb gerubt seyn, da ward berufft offenleich in der lanndseliran
„nach volig vnd frag vnd solt auch das noch offennlich beruffen lassen zu
„dem nagsten Hoflaiding vnd beschech aber was Recht sey — Gehn zu Lai-
Habsburgische Excurse.
97
Dem Frauenkloster Mün cliendorf bestätigt König Friedrich
am 1, August 1443 alle Freiheiten und Privilegien (Regesten I,
Nr. 1S0S) und in einer zweiten Urkunde (am selben Tage) das von
Herzog Albrecht (II.) erhaltene und von seinem Vater Herzog Ernst
bestätigte Privilegium in Betreff der Gerichtsbarkeit, dass nämlich
nur des Todes würdige Verbrecher aus den Klosterleuten dem Lan
deshauptmann zur Verurtheilung auszuliefern sind („als mit Gürtel
umfangen”), das Habe bleibt dem Kloster. Pön 100 Mark Gold!
(siehe Regesten I, Nr. 1306).
Ein ähnliches Privilegium wird dem Frauenkloster Michel
stetten am 29. Jänner 1444 ausgestellt (siehe RegestenI, Nr. 1597).
Zu Laibach machte der fromme König im J. 1444 (13. März)
eine Stiftung zu Ehren des heiligsten Altars -Sacramentes, mit
„hach an Montag vor Anthony — Anno domini Millesimo quadragentesimo
„octavo’’—Der dritt laut und „Ich Paul Giowiczer, des Edlen herfi
„lierrn Jacobs von Stubenberg verweser in Krain, vergich das herr Hart-
«man ausriehler der Newnstifft zu Plettriacli Chartuser Ordens hewt vor
„mein vnd dem Rechten erfundn vnd ertailt, ist wardn mit völlig vnd mit
„frag, wer zu den güttern icht ze spreclin hat, die in dem Stifftbrieff be
griffen sind, die dieselb Newstift von dem Sliffter bat, der sol das mit
„dem ianndesrechtn sucliir von dem hewligen tag inner Jarfrist, gesclicch
„das nicht so sol der egenant Her Hartman vnd sein nachkomen hinfür
„darumb gennlzlich gerubt beleibn. Es ward auch erfunden, das das also
„solt berufft werdii offenleich in der 'S ehr an y und dasselb ward auch also
„berufft — Gehn zu Laibach an Mantag nach Gotsleiclinamstag Anno do-
„mini etc. Octavo’’ — die also aigenlicli vor gericht gelesen gehört vnd
vernomen sind wordn vnd der egenant Prior gab durch seinen Redner dar-
auff zu erkennen wie das dieselbn obberüpttri Gericlitsbriff etwas an Insi-
gellii vnd betscliaftri verseret wer», die darauf! aigenlicli vor gericht be-
siclitet vnd rechtgeuertigt sind fundii wardn vnd er batt darauf! ze fragen,
ob ich im vnd seinem Convent vnd irn nachkomen dieselbn gerichtbrieff
billeicli durch ain andern czewgbrieff, den ich in darumb von gericht sol
gehn zu recht, zu krefth gesprochn, damit derselb zewgbrieff hinfür kunff-
tiklich bey krefften beleibn vnd vernewet sein sol. Vnd ich vnd ain yeder
kunfftiger Haubtman oder verweser in Krain suiln den egenantii Prior sein
Convent vnd ir nachkomen bey solhen güttern sollier Slifft haltn vnd dar
auf! vestikleichen schermen als recht ist vnd dos ist dem obgenantii Prior
seinem Convent dieser Zewgbrieff auf! hewt von gericht erfunden wardn,
den ich in gegenwurtikleicli gib vnder meinem anliangunden Insigel. Geben
zu Laibach an montag Sannd Petter vnd sannd Pauls tag apostolorum Nach
Cristi geburd tausent vnd vierhundert Jar vnd darnach in dem funffezi-
gisten Jare.” Orig. Perg. 1 Siegel. (Geh. Hausarchiv.)
98
Joseph 0 h m e 1.
deren Obsorge er die Zeclileute der Gottesleichnams-Zeche der
Schneider daseihst betraute. Dieselben sollen nämlich in Bereitschaft
halten 4 leinene Chorröcke, 4 Gugeln (Kopfbedeckung) von braunem
Wollentuch, dann 2 Kreuzfähnlein von Seide, 2 Glaslaternen mit
Wachskerzen; so oft nun die Priester der Pfarrkirche zu Laibach das
Sacrament den Kranken bringen in der Stadt und den Vorstädten, so
sollen 4 arme Schüler, die von Almosen leben, die Chorröcke an-
legen, 2 sollen die Fähnlein, 2 die Laternen tragen, mit brennenden
Kerzen vor dem heil. Sacrament hergehen und das Responsorium:
Homo quidam fecit u. s. w. oder den Hymnus: Fange lingua ab
wechselnd singen: dafür sollen die Zeclileute jedesmal den Knaben
4 Wienerpfennige und dem Messner der Pfarrkirche jährlich 60 Pfen
nige geben, damit er Chorröcke, Fähnlein und Laternen in seine
Obhut nehme. Die Zeclileute beziehen dazu jährlich zu Michaelis aus
dem Vizthumamte in Krain G Pfund Wienerpfennige. Auch soll
täglich hei dem Frolmamte von 2 Schülern der Hymnus: Tantum
ergo Sacramentum, oder der Vers: Ecce panis angclonun ange
fangen und vom Schulmeister und dem ganzen Chor ausgesungen
werden. Sind die Zeclileute nachlässig, sollen die Bürger von
Laibach die 6 Pfund erheben und sind in ihrem Gewissen verpflich
tet, für die Ausführung zu sorgen (siehe Regesten I, Nr. 1608,
abgedr. in m. Materialien I, S. 137, Nr. XXXVIII).
König Friedrich bestätigt am 9. Mai 1449 die von dem Laiba
cher Bürger Heinrich Stauthaimer und seiner Hausfrau Katharina
gemachte Stiftung einer Capelle am Rain zu Laibach zu Ehren des
heil. Clemens und heil. Fridolin mit einem eigenen Capfan und einer
ewigen Messe. — Er übernimmt auch für sich und seine Erben das
Patronat über diese Capelle, und soll nach Stauthaimers Tod, so oft
der Fall eintritt, einem Pfarrer oder seinem Vicar einen Caplan präsen-
tiren. — Diese Bestätigung gibt er nicht bloss als Landesfürst soli
dem auch als römischer König. Am seihen Tage trägt er seinem
Yizthum in Krain Jörg Weichselberger auf, von den Renten seines
Amtes eine Fleischbank zu Laibacb neu herrichten und zum Besten
dieser Capelle vermiethen zu lassen. — So bestätigt er auch zu glei
cher Zeit alle übrigen Stiftungen der Stauthaimer’schen Eheleute,
welche mit freigebiger Hand der Karthause Freudnitz, den armen
Leuten im Spital zu Laibach, den Franziscanern daselbst und andern
Gotteshäusern und Bruderschaften einen Tlieil ihres Hab und Gutes
Habsburgische Excurse.
99
vermacht hatten (siehe Regesten I, Nr. 2S61, 2S62 und 2S63) ;
am 10. Juni 1449 cedirt Stauthaimer das Patronatsrecht über diese
Capelle schon hei seinen Lebzeiten. (Or. geh. Hausarchiv.)
Diese Daten Hessen sich ohne Zweifel ungemein vermehren,
wenn man den Urkunden jene Aufmerksamkeit geschenkt hätte, zum
Theil noch schenken wollte, die sie so sehr verdienen; aus'ihnen
muss mühsam zusammengelesen werden, was einzig und allein uns
die Verhältnisse der Vorzeit klar machen kann.
Sehen wir aus den wenigen Notizen, die ich beibringen konnte,
dass der Landesfürst von Steiermark, Kärnten und Krain ein ganz
besonderer Freund und Gönner des Klerus und seiner Kirchen und
Klöster gewesen, so stellt sich das noch ungleich lebendiger aus den
Stiftungen heraus, welche der fromme Friedrich in diesen Jahren zu
\\ iener-Neustadt machte, sie fordern eine umständlichere Be
sprechung.
Wiener-Neustadt war schon von König Friedrich’s Vater, Herzog
Km st, besonders ausgezeichnet worden, die dortige Burgcapelle
ward zu einer Familienstiftung bestimmt. — Die Ausführung ver
zögerte sich bis in das Jahr 1444, am B. April dieses Jahres aber
zugleich mit der Stiftung eines Cistercienserklosters daselbst ward die
Capelle zu einer Propstei erhoben und nebst dem Propste ein Dechant
mit 11 (9 ?) Canonicis gestiftet. Der König selbst schrieb in der
Stiftungs-Urkunde genau vor, auf welche Weise der Gottesdienst
gehalten werden sollte; es begann eine Reihe von Anordnungen,
Verhaltungsregeln, Einrichtungen und Abänderungen, die im Laufe
der Jahre nicht wenig Zeit in Anspruch nehmen mussten, welche
wichtigeren Regierungsgeschäften entzogen wurde i).
') S. Regesten I, Nro. 1619. Der dort angeführte Inhalt ist jedoch minder genau,
wir wollen aus der bei Pez (Anecd. VI, 3, 293) abgedruckten Urkunde hier
einen Auszug mittheilen, der uns die An - und Absichten K. Friedrich’s klar
machen wird. Es heisst darin: — „volentes, ut idem Prepositus, Decanus et
„(11) Canonici pcrpetuis futuris temporibus officium septem liorarum canoni-
„carum, videlicet Matutinum, Primam, Terliam, Sexfam, Nonam, Vesperas et
„Completorium cottidie cantent, singulisque horis ipsis Officium Beate Vir-
nffinis, qüod Cursus appellari consuevit, legendo subiungant. Ad hoc qua-
„libet die prior Missa de tempore aut festo, proul occurret, nec non inter
„easdem missas etiam una missa de B. Virgine ab ipsis Canonicis ad finem
„cum Scquentia, Symbolo, Praefatione et Oratione dominica plenarie iuxta
Sity.b. d. phil.-hist. CI. VIII. Bd. II. Hft. T
100
Joseph Chmel.
Die Dotation dieser Propstei war: die Lehenschaft über die
Pfarre in der Bürk im Ennsthale, die Corporis-Christi-Capelle in der
„cuiuslibet temporis exigentiam decantentur. Dicti etiam Prepositus, Decanus
„et Capitulum cottidie ante vel post missarum solemnia, prout ipsis placuerit,
„alta voce septem psalmos poenitentiales premisso hymuo: Yeni creator
„spiritus, legere et post psalmos illud canticum: Exaudi nos Domine, ac
„Lytaniam subiungere, et cum duabus collectis, una pro pace, et alia pro
„peccatis concludere, ac in qualibet angaria anni vigilias mortuorum una cum
„officio pro defunctis ultra prodicta tria officia decantare debebunt, fiantque
„alii cantus, lectiones et processiones cum ceteris Eccle&iasticis ceremoniis,
„quemadmodum baec omnia iuxta ordinem rubrice seu Breviarii Ecclesie
„Salzburgensis et Statuta de quibus infra fit mentio, pro quolibet tempore
„anni fuerint observanda.” — „Praefatas quoque horas et officia, et reliquum
„divinum cultum dicti Prepositus, Decanus et Canonici nunc pro principio in
„Capelia Castri nostri in hoc oppido nostro Nove civitatis ordinabiliter et
„devote debebunt peragere, donec nos aut her.edes nostri ad id
„aliam Ecclesiam edificare seu deputare curaverimus, in
„qua et tune höre et officia huiusmodi futuris temporibus, ut prefertur,
„laudabiliter compleantur. Si vero Prepositus, Decanus et Canonici predicti
„ultra prescriptas Missas et officia etiam alias et plures missas celebrare
„voluerint, in hoc eos suis conscientiis et libere voluntati reliquimus, ita
„quod illos presentis fundationis nostre vigore ad plura officia, quam superius
„expressum est, non intendimus obligare. Idem etiam Prepositus, Decanus et
„Canonici communem vitam ducere in uno Refectorio, de cellario et coquina
„communibus victum habere, in uno dormitorio iacere, et alias ecclesiasticas
„disciplinas ac bonos mores observare, in omnibusque laudabilem vitam
„ducere debebunt, prout in eorum Statutis et ordinationibus desuper rationa-
„biliter edendis videbitur contineri.” — Die Statuten werden sie b e-
scliwören. — Das Patronatsrecht und die Besetzung der Pfründen bleibt
den Landesfürsten — „ducibus Austrie, Ducatum Stirie pro tempore regen-
tibus” — „Ita ut Decanus Arcliiepiscopo Salzburgensi, qui erit pro tempore,
„et canonici eorum Preposito per hos presentent, confirmationes suas et
„investituras ab ipsis recepturi, prout iuxta Juris communis dispositionem
„fuerit faciendum.” — „Et ut prefatus Prepositus, Decanus et Capitulum
„divino cultui eö liberius insistere valeant, ipsis de gratia speciali concedimus
„et impartimur omnia iura civilia dicti nostri Opidi Nove civitatis, ita quod
„iis uti possint, quemadmodum Cives eiusdem Opidi utuntur et potiuntur in
„emendo et vendendo intra et extra ipsum Opidum impedimentis cessanti-
„bus quorumeunque. Vina etiam ex cultura eorum sive iure montano, cen-
„sibus aut decimis» quas modo possident, aut futuris temporibus possidebunt,
„provenientia in prefatum nostrum opidum duci facere, inibique sine solutione
„Ungelde, vendere aut ad ducillum propinare poterunt iuxta arbitrium sue
„voluntatis. Nolumus tarnen, quod dicti Prepositus, Decanus et Capitulum seu
Habsburgisehe Excurse.
101
Burg zu Neustadt, beide mit allen Renten; dann die Untertlianen
und Güter der abgebrochenen Veste Grimmenstein, 20 Pfund Pfen
nige jährlich aus den Renten des Gerichtes Neustadt und 2 Mühlen.
Von diesen Einkünften soll der Propst jährlich SO Pfund Wiener
pfennige, der Dechant 30 und jeder Chorherr 20 ungrische Gold
gulden beziehen.
Die Einwilligung des Erzbischofs von Salzburg als Ordinarius
war vorausgegangen, das Basler Concilium beeilte sich, diese Stif
tung des römischen Königs zu bestätigen (am 26. September 1444,
siehe Regesten I, Nr. 1762); wie es scheint anfangs aus freiem
Antrieb, wenige Wochen später neuerdings nach dem inzwischen
kund gegebenen Wunsche König Friedrich’s (10. October 1444,
siehe Regesten 1, Nr. 1787). — Das Concilium ertheilt dem Könige
und seinen Nachfolgern (als Fürsten von Steiermark) das Präsen
tationsrecht sowohl zu den einfachen Canonicaten als zur Propst- und
Dechantswürde, dem neuen Stifte selbst alle Rechte und Vorzüge,
" ßlche die Dignitare und Canonici zu St. Stephan (in Wien) gemessen.
„familiäres aut liomines eorum occasione huiusmodi prerogativarum et gra-
„tiarum, ipsis per aos, ut prefertur, concessarum, vigiliis, custodia portarum
„seu murorum labore in fossalis aut aliis quibuscunque oneribus realibus
„seu personalibus ullalenus pregraventur, quin imo cos ab iis Omnibus volu-
„mus babere Iiberos et quielos.’' — „Volumus quoque, quod Capitanei
„uostri, Eantsehreiber, Caste11 an e i, iudices quicunque
„aut que.vis alia secularis potestas in die tos Prepositum,
„D ec an um, Cap it uluni, eorum familiäres, colonos, liomines
„et bona potestalem et Superioritatem aliquani nullatenus
„babeant, neque sibi vindicent, aut vendicare presumant, quouiam nobis,
„heredibus et successoribus nostris uti fuudatoribus et advocatis eorum, aut
„de cerla scientia ad id a nobis deputaudis poteslatem et superiorilatem buius-
„modi quoad temporalem iurisdictionem specialiter duximus reservandam.”
Uer Propst ist landesfürstlicher Rath, Propst und Capitel dürfen roth siegeln.
Am Ende: „Nos Fridericus prelibatus prescripta recoguosciinus, profitemur
„et approbamus. Ad mandatum Domini Regis in cousilio, presentibus venera-
„bilibus Friderico Ratisponensi, Lconliardo Pataviensi, Johanne Gurcensi,
„Sylvestro Kiemensi et Laurentio Lauentinensi Episcopis, Caspar Slick,
„Caucellario, Conrado de Kreyg, Wagistro Curie, Johanne de Nejtperg,
„Georio de Puchhaiin, Johanne de Starlienberg, Alberto de Pottendorf, Sigis-
„mundo de Ebersdorff, Johanne Ungnad, Magistro Camere, Walthero Zebin-
„ger, Georio Fuchs, Marscbalco Curie, et aliis quam pluribus personis fide
„dignis.”
7 *
102
Joseph Chmel.
An demselben Tage gibt dasConcilimn in einer eigenen Bulle auf Bitte
des Königs die Erlaubnis, dass der Abt des neuen Cistercienserklosters
in Neustadt die Kirchenkleider und Paramente der neuen Collegiat-
kirclie weihe, weil die Entfernung von Salzburg zu gross sei, um sie
bequem und ohne grosse Kosten dort weihen zu lassen (siehe Rege
sten I, Nr. 1788). — Es war damals -der Propst der neuen Stiftung
noch nicht in Activität, denselben (Wolfgang Günther hiess der
erste Propst) zu introduciren gab Erzbischof Friedrich von Salzburg,
der ihn investirt hatte, dem Abte des Cistercienserklosters zu Neu
stadt Auftrag, am 21. November 1444 (Orig. Perg. Hausarchiv).
Am 21. December 1444 präsentirte König Friedrich, der den
Propst auch ernannt hatte, acht Canoniker zur Investitur (abgedr. in
m. Materialien I, S. 149, Nr. L, Regesten I, Nr. 1872), die Hälfte
derselben war aus der Passauer, die Hälfte aus der Salzburger
Diöcese.
Bald stellte sich heraus, dass die von König Friedrich selbst
vorgeschriebenen Obliegenheiten den neuen Capitularen zu beschwer
lich fallen mussten, daher der Erzbischof von Salzburg als Diöcesan
sie durch eine eigene Verordnung vom 2. April 1445 von einem Theile
der auferlegten Last dispensirte; zugleich regelte er in derselben
Urkunde das Verhältniss der der neuen Collegiatkirche incorporirten
St. Ulrichskirche 1 ).
*) Wir theilen dieses Stück, welches für die innere Geschichte dieser Propstei
wichtig ist, aus dem im Hausarchive liegenden Originale hier mit. — Am
selben Tage (2. April 1445) verordnet der Erzbischof, dass die Canoniker
zur Advents-und Fastenzeit, so wie an den Quatembertagen und am Tage
Aller-Seelen Gugeln (Kopfbedeckung) von dunkler Farbe aus Wolle tragen
sollen (Hausarchiv, Abschrift). Eine ähnliche Verordnung (zur Advents- und
Fastenzeit in ihren Supercilicien im Chor zu erscheinen) erliess er
bereits am 19. Februar 1445 (Hausarchiv, Abschrift). „Fridericus dei gratia
„sancte Saltzburgensis Ecclesie Archiepiscopus, Apostolice Sedis Legatus.
3,Notum facimus vniversis, ad quos presentes nostre litere pervenerint in
„perpetuum. Quoniam non verbis sed corde orandus est deus. Id circo melior
„est paucorum psalmorum decantatio cum cordis puritate, spiritualiquc hila-
„ritate, quam totius psalterii modulatio cum anxietate cordis atque tristitia.
„Hinc est sicut accepimus Quod dilecti nobis in Christo. . Prepositus, Decanus
et Canonici ecclesie Collegiate Castriducalis Noue civitatis nostre Diöcesis,
„omnes et singulas lioras canonicas nocturnas atque diurnas juxta Breviarium
„nostrum Salczburgense, nec non missarum officia tria cottidie decantare, ex
Habsburgische Excurse.
103
König Friedrich IY. aber gab seiner neuen Stiftung als römisch
deutscher König ein Wappen (österreichischen Bindenschild mit einem
„eorum primaria fundatione sint astricti. Verum quia dicti canonici propter
„prolixitatem horarum huiusmodi, nec non trium officiorum supradictorum,
„per eos decantandorum, Eisdem horis canonicis tarn attenta tamque deuota
„mente intendere non valeant. Idcirco ut prolixitas, que mater tediorum
„existit euitetur, Breuiarium seu Rubricam ecclesie nostre Salczburgensis
„predicte, quoad horas canonicas in prefato collegio decantandas in punctis
„infrascriptis duximus relaxandum seu moderandum, ac iuxta illam que
„sequitur formam tenore presentium auctoritate nostra metropolitica relaxa-
„mus atque moderamus. Primo videlicet ut in Ecclesia collegii supradicti a
„festo pasce usque ad octavas corporis Christi inclusive, tarn de tempore
„quam de sanctis Nocturnus in matutinali officio non dicatur, sed tres
„psalmi cum tribus lectionibus, sine precibus ad horas, preter primas et com-
„pletorium in quibus preces inchoentur a versiculo Dignare domine etc. Et
„longa prima infra idem tempus dominicis diebus non dicatur. Item per om-
„nes octavas solemnitatum, per nostram diöcesim servari solitas, totius anni
„tarn de tempore quam de sanctis tres psalmi cum tribus lectionibus in ma-
„tutino teneantur, exceptis festis sanctorum ibidem occurrentibus sine pre-
„cibus ut supradictum est. Item ad binos per totum, preces in primis et
„completorio inchoentur a versiculo Dignare domine etc. et dicantur usque
„ad sacerdotes. Item in festis novem lectionum et dominicis diebus preces
„consuete in primis et completorio usque ad Sacerdotes dicantur, et psalmi
„poenitentiales in fine horarum obmittantur. Item in festis trium lectionum
„preces ad horas obmittantur, preter primas et completorium, in quibus solite
„preces absque Miserere dicantur In fine tarnen horarum unus dumtaxat de
„septem psalmis poenitentialibus sine gradibus adjungatur. Item in feriis
„extra Quadragesimam et quatuor tempora preces solum ad primas et Com-
„pletorium plenarie cum Miserere dicantur, ad omnes tarnen horas unus de
„septem psalmis poenitentialibus cum gradibus adiciatur. Item in Quadrage-
„sima psalmi usque quo etc. qui in precibus post miserere solent dici obmit-
„tantur, et preces in primis a versiculo Repleatur os meum laude inchoentur
„Item quindecim gradus et finales obmittantur. Item cursus beate virginis
„per totum annum Vigilie mortuorum et septem psalmi penitentiales in Qua-
„dragesima cuilibet in privato dicenda relinquantur. Dudum etiam supradic-
„torum prepositi et canonicorum mense ecclesiam parochialem sancti Vdalrici
„extra muros Nouecivitatis nostre diocesis et collationis — cum omnibus suis
„fructibus atque pertinentiis de consensu Capituli nostri subiecimus et incor-
„poravimus sub talismodi moderacione quod Sacerdos pro tempore ponendus
„ad regimen eiusdem ecclesie a nobis aut successoribus nostris curam ani-
„marum recipere deberet, veluti in literis incorporationis desuper concessis
„clarius continetur. Verum quia dictis Preposito et Canonicis graue nimisque
„sumptuosum foret, propter loci distantiam singulis vicibus pro presbiteris
„ibidem ad nutum removibiliter ponendis, curam animarum a nobis aut suc-
104
Joseph Climel.
ausgebreiteten goldenen Adler, oben mit einer Infel) und gestattet
dem Capitel, mit rotliem Wachs zu siegeln (die Urkunde Avurde am
15. Februar 1446 ausgestellt, siebe Regesten I, Nr. 2025).
Da sich berausgestellt hatte, dass die ursprüngliche Dotation
der neuen Propstei unzulänglich sei, so verbesserte er dieselbe durch
einen Weingarten am Brunneberg, genannt der Riid, eine Alpe
(SchAvaig) zu Seliluttarn im Ennsthal und drei Hallämter zu Aussee,
bis ein Aequivalent in Gülten angeAviesen Avürde (Urkunde vom
23. Mai 1446, siebe Regesten I, Nr. 2091). Die drei Hallämter zu
Aussee Avurden am 19. Februar 1449 (siehe Regesten I, Nr. 2551
und 2553) vertauscht gegen einen jährlichen Bezug von 450 Pfund
Pfennige aus der Salzmauth zu Aussee, bis zur definitiven Giilten-
anAveisung.
König Friedrich batte inzAvischen die Liebe Frauenkirche, Avelclie
zum Sitze des Collegiatstiftes bestimmt Avar, neu bereichten lassen;
die St. Ulrichskirche in der Vorstadt Avar demselben incorporirt *)-.
„cessoribus nostris impetrari. Idcirco predictos prepositum et canonicos
„fauoribus amplioribus prosequi volentes, Eisdem ut sacerdoti pro tempore ad
„Regimen antedicte ecclesie ponendo, curam ipsam animarum in antea com-
„mittere habeant. Dummodo tarnen habili et idoneo committant, in quo ipso-
„rum conscientias oneramus. Similiter ut et ipsi prepositus decanus atque
„canonici, eorumque cottidiana et domestica familia Sepulturam ecclesiasticam,
„apud dictam ecclesiam sancti Vdalrici eligere et habere possint, nec non
„singula Jura paroebialia et ecclesiastica sacramenta ibidem percipere valeant,
„indulsimus et concessimus, ac tenore presentium concedimus et indulgemus.
„In omnibus autem aliis presenti indulto nec non Incorporatione literis nostris
„supradictis non insertis nec expressis Jus Episcopale in dicta parochiali
„ecclesia sancti Vdalrici quomodolibet. competens nobis et successoribus nos-
„tris salvum esse volumus ac illesum. Harum testimonio literarum — Datum
„Salczburge mensis Aprilis die Secunda Anno domini Millesimo quadringente-
„simo Quadragesimoquinto.” Orig. Perg. 1 Siegel. (Geb. Hausarchiv.)
*) Am 3. März 1449 genehmigt das Collegiatcapitel zu unserer lieben Frau im
Schlosse zu Neustadt (Wolfgangus Prepositus Ulricus Decanus et Capitu-
lum etc.) den Tausch zwischen dem Pfarrer Stephan in „Pyesting” („cu-
„ius presentandi ad nos racione ecclesiae sancti Udalrici inSuburbioNoue ciui-
„tatis sitae pertinere dinoscitur”) und jenem zu „Pernytz” (Leonhard Oben-
inn) und bittet den Erzbischof Friedrich von Salzburg, als Diöcesan, den
zum Pfarrer in Piesting präsentirten L. Obeninn zu investiren — (Orig.
Perg. Hausarchiv). In der kirclil. Top. Bd. 12, S. 164 (Pfarre Piesting) heisst
es, „dass sie im Jahre 1478 schon zu dem vom K. Friedrich IV. 1460 bei
St. Ulrich zu Neustadt gegründeten regulirlen Chorherrenstifte gehörte” . . .
Habsburgische Excurse.
105
Seine Sorgfalt erstreckte sich auf das Einzelne des dort gefeierten
Gottesdienstes, so ordnete er an, dass (wie in Laibach) das zu den
Kranken von der St. Ulrichskirche aus getragene heil. Altarssacrament
von 4 Knaben begleitet werde (in Chorröcken und Gugeln mit bren
nenden Kerzen und Gesang), wie es auch in der Frauenkirche (zu
Neustadt) gewöhnlich ist. Er wies zur Entschädigung jährlich 4 Pf.
Pfennige aus seinen Aemtern an (Revers des Collegiatstiftes vom
24. August 1448, siehe Regesten I, Nr. 2468).
Am 19. September 1448 tritt die Propstei die 2 Mühlen an der
Fisclia, welche ihr in der Dotation waren gegeben worden, wieder
dem Könige ab, weil dieselben wegen Raufälligkeit wenig Ertrag
gaben; König Friedrich wies ihr dafür einstweilen jährlich 38 Pf.
Pfennige von der Salzmauth zu Aussee an (s. Regesten I, Nr. 2484).
Eine zu gleicher Zeit vom König Friedrich ins Leben gerufene
Stiftung zu Neustadt, die eines Cistereienserklosters, beschäftigte ihn
noch mehr.
Um dem zu gründenden Kloster einen passenden Platz anzuwei
sen, mussten weitläufige Anstalten getroffen werden, ein Nonnen
kloster zu St. Peter in der Sperr (Ad S. Petrum in catenis, Petri
Kettenfeier, 1. August, nicht aber wie es in der kirchlichen Topogra
phie Rd. 12, S. 59 heisst: „von ihrer nahen Lage am Wienerthore”),
wurde aufgehoben (die Nonnen wurden in andere Klöster ihres Ordens
— Dominikanerinnen — vertheilt), weil es nicht im Stande war,
sich seihst von seinem Verfalle (an Gebäuden und Wirthschaft) zu
restauriren; an die Stelle der Klosterfrauen wurden die Dominikaner
versetzt (am 1, Jänner 1444 gab der General des Dominikaner-
Ordens dazu seine Einwilligung, siehe Regesten I, Nr. 1585). —
Das Dominikanerkloster erhält als Schadloshaltung die Freiheit,
jährlich 7^4 Fass Wein zu Neustadt ungeldfrei ausschänken zu
dürfen (2. Jänner 1443, Archiv des Finanzminist. Ms. Nr. 44,
fol. 59). — In dem bisherigen Dominikanerkloster aber wurden
Cistercienser gestiftet (Stiftbrief vom selben Tage, wie der der Col-
legiatkirche, 5. April 1444, siehe Regesten I, Nr. 1618, vgl. kirchl.
Topographie, Rd.XIII, S. 1—175) *); die ersten Mönche, 12 an der
1 J Die Einwilligung zur Stiftung hatte der Abt von Cisleaux, als Cistercienser
Vaterabt, bereits am 19. Jänner 1443 gegeben, s. Regesten I, Nr. 1359. Er
dankte lebhaft für die gute Gesinnung und Geneigtheit des Königs gegen den
106
Joseph Chmel.
Zahl, mit ihrem Abte Heinrich Sternberger, kamen aus Rein.
Die Dotation dieser Stiftung war: die Veste Rohr mit Zugehör, das
Marchfutter, das von Alters her in den Kasten zu Grätz gedient wurde,
wird nach Rohr übertragen; 300 Pfund jährlich von der Pfarre
St. Peter ausser Laibach, deren Lehenschaft dem Landesfürsten
zusteht; der Maierhof in der Vorstadt vor dem Ungerthor, mit den
dazu gehörigen Gemärken; alle diese Güter werden frei von dem
bisherigen Lehenverbande, das Kloster erhält verschiedene Gerecht
same in der Stadt, ohne zu den gewöhnlichen bürgerlichen Lasten
verbindlich gemacht zu werden. Die Professen haben freie Wahl des
Abtes, der k. Rath sein und desshalb den gewöhnlichen Eid (eines
Rathes) ablegen soll, er darf mit rothem Wachse siegeln. Die Bestä
tigung des Erzbischofs von Salzburg als Diöcesan erfolgte im selben
Monate *). Das Basler Concilium bestätigte am 26. Juni 1444 diese
königliche Lieblingsstiftung und wiederholt am 10. October desselben
Jahres (Marian IV (8), p. 347, kirchl. Topogr. XIII, p. 160)^).
Orden; König Friedrich betrieb alle diese Angelegenheiten mit grossem Eifer,
indess wichtigere Geschäfte bei Seite geschoben wurden.
') Erzbischof Friedrich von Salzburg schreibt am 15. April 1444 dem Bischof
Sylvester von Chiemsee, der König habe ihn um Bestätigung des zu Neustadt
an demselben Platze gestifteten Cistercienscrklosters „ubi antea erat Clau-
„strum Fratrum Praedicatorum licet imperfectum” gebeten auch hinzugefügt:
„Nee non fraternitati vestre, ut dilectum nobis in Christo Heinricum Strem-
Berger Professum monasterii in Buna in Abbatem eiusdem monasterii pre-
„ficere ac munus benedictionis ad virgam pastoralem eidem impendere pos-
„sitis, concedere (nos) et indulgere desideravit.” — „Nos itaque desideriis
„Regie maiestatis iustis et rationabilibus libenter annuentes, uti tenemur,
„dilectioni vestre committimus” . .. Er (Chiemsecr) soll alles untersuchen
und die Commission ausriehten, auch die gewöhnlichen Indulgenzen verlei
hen. — (Pez B. Anecdota VI, [Illj, p. 302.)
“) Das Concilium sagt in s. Bestätigungsbulle: „Sane carissimi ecclesiae filii Frid.
„R. R. Illustris exhibita nobis nuper petitio continebat, quod olim ipse pio
„devotionis zelo succensus et cupiens terrena in celestia, et transi-
„toria in aelerna lelici commercio commutare de bonis sibi a Deo
„collatis ad laudem Dei omnipotentis totiusque Curiae coelestis pro sua et
„progenitorum suorum Austriae ducum animarum salute in-
„signe monasterium sub ordine Cistertiensium in Nova Civitate opido suo Sal-
„czebuigensis dioecesis, in quo Rex ipse ut plurimum residere et moram fa-
„cere solitus est sub honore et vocabulo sanctae et individuae trinitatis ac
„gloriosissimae Dei genitricisVirginis Mariae de novo erexit, magnilice
„fundavit, et dotavit copiose.” (Kirchl. Top. XIII, p. 161.)
Habsburgiaclie Exeurse.
107
König Friedfich fuhr fort, dieselbe mit neuen Gnaden zu beden
ken; so yerordnete er am 10. Juli 1445, der Abtei jährlich 50 Fuder
Salz aus dem Salzwerke zu Aussee zu reichen (Regesten I, Nr. 1939),
drei Tage später befreit er sie von dem Ungelde , das sie von dem
in der Stadt und Vorstadt auszusehänkenden Weine entrichten sollte
(13. Juli 1445, siehe Regesten I, Nr. 1940).
Rereits einige Wochen früher (im Juni 1445) hatte er bei 100
Joch Aeckcr, 100 Tagewerk Wiesen im Hauthaie bei Lichteriwörth,
mehrere Weingärten, worunter drei bei Fischau sammt Bergrecht
und zwei in Ober-Enzersdorf bei Medling waren, ein Haus vor dem
Ungertbor —jetzt zu einer Schäferei verwendet— und einen Garten
vor dem Wienerthor hinter dem ehemaligen Spitale derselben gege
ben (kirchl. Topogr. XIII, p. 7, 169). Am 16. Juli 1446 verleiht er
dem Kloster ein Wappen (österreichischen Schild, im weissen Felde
ein goldenes Kreuz, auf demselben eine Infel) und die Freiheit, mit
rothem Wachs zu siegeln (siehe Regesten I, Nr. 2026).
Im Jahre 1447 liess der König in der Klosterkirche einen Hoch
altar errichten (kirchl. Topogr. XIII, S. 143), der von Viktring
herkam (?).
Am 18. Februar 1449 machte er Lehengiiter (Zehente zu
Prodestorf, Mitterndorf, Walter stör ff), die das Kloster von Marga-
reth, Gattinn des Bernhard Braun, erkauft hatte, zu freiem Eigen
(siehe Regesten I, Nr. 2550).
Der zweite Abt des Klosters, Gottfried von Otterstef, war ganz
besonders begünstigt und auf des Königs Antrag hatte ihn Papst Nico
laus V. zum Executor jener Bulle ernannt, durch welche Friedrich
die päpstliche Erlaubniss erhielt, eine Zahl erledigter Benedeien
(100) zu besetzen (siehe Regesten I, Nr. 2623, vom I. Mai 1450
ein Auftrag König Friedrich’s in dieser Hinsicht).
Wir sehen aus den angeführten Daten, dass König Friedrich
einen sehr grossen Theil seiner Zeit und seiner Sorgfalt auf geist
liche Stiftungen und ihr Gedeihen verwendete; er ward desshalb von
Ordens-Obern, wie von einzelnen Corporationen förmlich zum Mit
glied ihrer geistlichen Communitäten aufgenommen und aller der
guten Werke theilhaftig erklärt, welche durch sie
gewirkt wurden. — Sovom Augustiner-Eremiten-Ordens-
Generalen am 23. August 1444 (siehe Regesten I, Nr. 1699),
vom C i s t e r c i e n s e r V a t. e r - A h t e im Jah re 1448 (siehe Regesten I,
— —wim
108
Joseph Chmel.
Nr. 2627), vom Franciscaner Johann Capistran am 16. Juli
14S1 (siehe Regesten I, Nr. 2704), vom Kloster Tegernsee am
• 24. August 1449 (siehe Regesten I, Nr. 2S86), u. s. w.
Diesem frommen und der römischen Kirche ganz ergebenen
Fürsten konnte die römische Curie ganz vertrauen und ihm in allem
willfährig sein, ja der Papst fand esräthlich, ihm Rechte einzuräumen,
welche bisher weltlichen Obrigkeiten nicht zustanden, nach canoni-
scliem Rechte. So wurde in der Bulle Papst Nicolaus V. vom 7. April
14-S2 (Regesten 11, Nr. 2822), nebst der nicht auffälligen Erlauhniss
zur Errichtung eines Stiftes regulirter Chorherren (in Neustadt
oder in sonst einem andern Orte) und der Bewilligung für die Pröpste
dieses neu zu errichtenden und der bereits bestehenden Chorherren-
StifteVorau und Stainz, sieh der Pontificalien zu bedienen und
Paramente u. s.w. weihen zu dürfen (was auch dem Abte des Cister-
cienserklosters zu Neustadt gestattet sein soll), dem Kaiser das Recht
eingeräumt, in diesem und allen andern Klöstern seiner Lande Miss
bräuche, falls selbe von den Diöcesanen nicht abgestellt würden,
reformiren zu dürfen <).
Die Motivirung dieser geistlichen Gnaden und eingeräumten
Rechte beweist, dass der Papst das Benehmen und die ganze Hal
tung des neugekrönten Kaisers nach Verdienst würdigte 2 ). Ja er
i) Abgedr. in m. Materialien II, S. 7, Nr. VI. Es heisst daselbst: „Adjicientes
„premissis ad hoc, ut in predictis omnibus et singulis aliis tui ducalis do-
„m i ni i monasteriis quorumcunque ordinum regularis observantia in omni
„integritate vigeat et integra conservetur, ut quotiens in eisdem monasteriis
„quicquam deforme aut ab huiusmodi observantia devium irrepserit diocesanis
„locorum reformandis deformitalibus huiusmodi non intendentibus tu viros
„ydoneos sub huiusmodi observantia viventes deputare possis, qui dicta mo-
„nasleria illorumque personas visitent, singula, quae ad visitationis officium
„spectant, ibidem exerceant quaeque in eisdem monasteriis deformia refor-
„ment, excessus et crimina quorumcunque corrigant et puniant, ipsisque etiam
„monasteriis presidentes prout eorum culpae et demerita id exegerint, et id
„alias de jure faciendum fuerit, ab illorum regimine destituant et amoveant”...
2 ) Es heisst in der Einleitung: „Dignum arbitramur et congruum ut tu fili
„carissime, quem favor virtutum omnium celestis imperii dispositio provida ad
„terreni imperii fastigium censuit salubriter sublimandum quique tuae appro-
„b a t i o n e m personae ad huiusmodi fastigii culmen nec non victoriae conse-
„crationem et imperiale diadema a nobis vicario illius licet immerito
„cuius sunt omnium iura regnorumdigne susciperemeruist;
„ab ccclesia sanctaRomana cuius te fidelissimum devovisti
Habsburgisclie Excurse.
109
räumte auf dringende Bitten des frommen Fürsten diese ihm früher,
in der Bulle vom 7. April, nur persönlich bewilligte Befugniss, die
sämmtlichen geistlichen Orte und Personen seiner Lande visitiren
und wo es Noth thut reformiren zu lassen, auch den Nachfolgern
ein, in der Bulle vom 30. April 1452 1 )-
Ausser diesen wichtigen Bullen erhielt der Kaiser für seine Stif
tungen und Klöster noch mehrere bezeichnende päpstliche Bewilli
gungen. So wirkte er dem Nonnenkloster Goss aus, dass die Nonnen
„advocatum omnis favoris et benivolentiae f o v e a r i s affec-
„tibus et petitiones tuae nedum in hijs quae tua sincera devotio in divini
„cultus et sacrae religionis augmentum pie prosequitur, verum etiam in aliis,
„per quae cultus ipsius venustas sive decor exigitur, et in religiosorum locis
„sacrae regularis observantiae disciplina subsistat et te aliis gratiosum exbibere
„possis ad exauditionis gratiam liberaliter admittantur.”
1 ) S. Regesten II, Nr. 2849. Vollständig abgedruckt in den Materialien II, S. 13,
Nr. XII. „ licet ministerium nostrum ubilibet exequi studeamus, ad loca
„tuorum dominiorum tui dominii pia tua instantia moti, illud eo specialius
„convertimus, quo id ibidem magis didicimus fore oportunum. Cupientes igitur
„u t s i n g u 1 a religiosorum loca dictorum tuorum domini-
„orum illorumque personae quorumcunque etiam mendican-
„tium ordinum fuerint in suae religionis et sacrae observantiae cultu
„semper floreant, nec quicquam in illis irrepat devium ab huiusmodi cultu
„volumus ac tibi et succcss oribus tuis Austriae ducibus
„auctoritate apostolica tenore presentium concedimus, quod quo-
„tiescunque in quibuscunque locis huiusmodi visitationis
„et reformätionis ministerium necessarium fuerit etiam si
„loca, ordines et personae huiusmodi quocunque exemptionis privilegio quod
„presentibus obsistat a sede apostolica aut alias qualitercunque munita
„fuerint superioribus suis in huiusmodi visitatione et reformatione quae per
„eos faciendae essent negligentibus vel remissis personae utiles et ydoneae,
„quas tu vel ipsi successores tui ad hoc deputaveritis, una cum aliis reli-
„giosis sub regulari observantia viventibus ac de ordinum ipsorum regu-
„laribus institutis et quae circa ea statuenda et ordinanda fuerint sufficienter
„edoctis, loca et personas huiusmodi, quociens opus fuerit visitare, delin-
„quentium excessus corrigere, deformitates reformare, presidentes eisdem
„locis, suis culpis et demeritis exigentibus destituere et quae circa ea
„necessaria fuerint statuere et ordinäre, nec non omnia alia, quae visi-
„tationis , correctionis et reformationis requirit officium facere et exercere,
„ac ea quae facienda, statuenda et ordinanda decreverint, per censuram
„ecclesiasticam et ordinum huiusmodi disciplinam, ac alia iuris remedia
„exequi possint, super quo ipsis praesentium serie plenam et liberam con-
„cedimus potestatem. 1 ’ — Von einem Concilium hätte K. Friedrich eine
solche Bulle wohl nicht erlangt.
110
Joseph Ohmei.
von der sonst überaus strengen Diseiplin, welche die gänzliche Ent
haltung vom Fleischessen forderte, durch drei Tage in der Woche
befreit sein sollen (am 23. April 1452, siehe Regesten II, Nr. 2835).
Dem neuen Collegiatstifte zu Neustadt (nun bereits an der Frauen
kirche daselbst) wird gestattet, dass der Propst und das Capitel das 1
„Officium, matutinale” (einTheil des Chorgebetes), welches bisher
um Mitternacht gehalten werden musste, zur Tageszeit beten dürfen
(am 28. April 1452, siehe Regesten II, Nr. 2847). Den beiden
neuen Stiftungen, eben dieser Collegiatkirche so wie dem Cister-
cienserkloster zu Neustadt gibt der Papst auf Kaiser Friedrich’s Inter-
cession eine ganz ungewöhnliche Auszeichnung, dass nämlich
nicht bloss der Propst und der Abt Infel und Ring tragen dürfen, son
dern auch der Dechant und der Prior (siehe Regesten II, Nr. 2850).
Doch soll dies nur innerhalb der Propstei und Abtei ge
stattet sein.
Da sieh bald nach Errichtung beider Stiftungen ein Rangstreit
zwischen den geistlichen Vorstehern und den Gliedern beider Insti
tute erhoben batte, welcher am 25. Februar 1451 durch den päpst- ' ^
liehen Legaten, den Cardinal Cusanus (Cardinal S. Petri ad vincula),
war dahin entschieden worden, dass bei öffentlichen Processionen
der Abt und der Propst zusammen (collateraliter), und die Canonici
den Mönchen Vorgehen sollten, und da wo wegen Enge des Raumes
nicht beide Vorsteher neben einander schreiten könnten, der
Abt den Vortritt haben sollte, die Mönche aber nach Kaiser Fried
rich’s Bericht mit dieser Entscheidung nicht zufrieden waren, übrigens
aber die Sache unentschieden wäre (,,«e hesitetur si super ea
(ordinatione) legiMma quae executioni debitcie demandari pos
sint appareant documentader Legat hatte in dieser häckeligen
Sache wahrscheinlich nur mündlich entschieden), so verordnete der
Papst in einer eigenen an die Bischöfe von Gurk und Seckau und den
Salzburger Official gerichteten Bulle vom 28. April 1452, dass diese
Entscheidung seines Legaten wirklich in Ausführung komme (siehe
Regesten II, Nr. 2848, abgedr. in den Materialien II, S. 12, Nr. XI). #
Ungleich wichtiger war die päpstliche Gnade, welche Kaiser
Friedrich für jene Unterthanen seiner Pfandschaften in Ungern er
wirkte, die von Zeit zu Zeit wegen Ungehorsam in zeitlichen Dingen
(wahrscheinlich Versagen gewisser Leistungen und Dienste) von
ungrischen Bischöfen in Bann gethan wurden. Sie wurden davon
Habsburgische Excurse.
1 I 1
befreit und losgesprochen, weil es nur zu oft geschah, dass sie daran
ganz unschuldig waren und der Gehorsam gegen ihren weltlichen
Herrn seinem geistlichen Gegner anstössig gewesen 1 ).
Es erübrigt noch eine Reihe von päpstlichen Bullen aus diesen
Tagen, die hei weitem das grösste Interesse erregen, es sind jene
Erlässe, in denen der Papst sich für Kaiser Friedrich, den geliebten
Sohn der Kirche, erklärt gegen seine Gegner und Feinde, welche
eben in diesen Tagen seine Abwesenheit von den Erblanden seines
Mündels benützt hatten, üm seiner Vormundschaft ein Ende zu machen.
1 j Bulle vom 22. März 1452, in einem Vidimus vom Jahre 1458, zu welcher
Zeit (nach K. Ladislaus P. Tode) freilich die Feindseligkeiten gegen
K. Friedrich, den ein Theil der Ungern zum König wählte, in vollem
Maasse sich kund gaben.
„Nicolaus Episcopus seruus seruorum dei Carissimo in Christo filio
„Friderico Romanorum imperatori semper Augusto Salutem et apostolicam
„benediclionem. Tue celsitudinis fauor et eximie deuotionis merita non
„indigne deposcunt, ut petitionibus tuis in liijs que subditis tuis in salutem
55 cedunt animarum et per que ipsi a grauaminibus releventur indebitis fauo-
„rabiliter annuamus. Cum itaque siciit pro parte tua nobis nuper exibita
„petitio continebat Subditi tui liabitatores castrorum opidorum et villarum
„que in regno Ungar ie obtines ut plurimum pre'ter eoru m d e m e-
„rita per locorum diocesanos, seu alios ordinarios iudices quamuis offi-
„ciales per te in eisdem castris constituti singulis de eis querulantibus
5) expeditam iustitiam ministrare parati sint excommunicationum sententiis
„involuantur, ac loca incolatus ipsorum per eosdem diocesanos seu ordi-
„narios iudices ut plurimum ecclesiastico subici contingat interdicto pro parte
»tua nobis fuit humiliter suplicatum ut prouldere super hiis salubriter de
„benignitate apostolica dignaremur. Nos igitur tuis in hac parte supplica-
„tionibus inclinati Serenitati tue ut iidem subditi per diocesanos et ordi-
„narios iudices prefatos excommunicati et loca incolatus seu ad que decli-
„nauerint interdici absque sedis apostolice expressa licentia minime possint
5,certis etiam rationabilibus per te nobis expositis suadentibus causis tenore
»presentium indulgemur. Absolventes omnes ex prefatis subditis tuis qui
„huiusmodi sententiis tenentur irretiti qui parati sunt stare iuri, Omneque
5 ,interdictum in prefatis locis forsan appositum harum Serie relaxantes.
„Nulli ergo omnino homini liceat hanc paginam nostre concessionis absolu-
^tionis et relaxationis infringere vel ei ausu temerario contrairc. Si quis
„autem hoc attemptare presumpserit indignationem omnipotentis dei et bea-
„torum Petri et Pauli apostolorum eius se nouerit incursurum. Datum Rome
5) apud Sanctum Petrum anno incarnationis dominice millesimo quadringen-
„tesimo quinquagesimo primo vndecimo kalendas aprilis Pontificatus nostri
„anno sexto.”
Notariatsurkunde von 1458. (Hausarchiv.)
112
Freiherr Hammer- Pu rgstall.
Sie hatten den Papst zum Schiedsrichter gemacht, weil sie hofften,
er werde sich für sie erklären.
Doch diese leidigen Verhältnisse erfordern eine genaue unpar
teiische Untersuchung, welche der Gegenstand des nächsten (vierten)
Excurses sein soll.
SITZUNG VOM 11. FEBRUAR 1852.
Von dem c. M., Freiherrn von Ankershofen zu Klagenfurt,
und Hrn. Wolny, Subprior zu Raigern, die zu den eifrigsten Mit
gliedern der Classe in denKronländern gehören, werden neuerdings
eingesandte Beiträge zu dem „Archiv” und dem „Notizenblatt” der
historischen Commission vorgelegt, und zwar von dem ersteren
urkundliche Beiträge aus dem Gurker Dom-Archiv; von Letzterem
drei Aufsätze: 1) Excommunication des Markgrafen von Mähren
Prokop im Jahre 1399; — 2) Inventarium der Olmützer Dom
kirche vom Jahre 1435; — 3) Urkundliche Beiträge zur Geschichte
von Mähren, Böhmen, Ungern und Oesterreich.
Derk. k. General -Consul zu St. Petersburg Hr. James Thal,
welcher der Akademie schon so vielfache Beweise seiner thätigen
Theilnahme gegeben hat, sendet ihr die erste Lieferung des durch
Alexis Uwaroff herausgegebenen Prachtwerkes über die Alter-
thümer Süd-Russlands und der Ufer des schwarzen Meeres (in rus
sischer Sprache, mit vielen Abbildungen) und Verzeichnisse der
jüngst in Russland erschienenen wissenschaftlichen Werke.
Vorgelesen:
Schluss der Abhandlung über die Daimonologie der
Moslimen.
Freiherr Hammer-Purgstall beschliesst seine Abhandlung
über die Daimonologie der Moslimen mit der Uebersetzung des im Be
sitze Sr. D. des Hrn.Fürsten von Metternich befindlichen Amuletes
Lord Byron’s; dieses enthält einen Vertrag Salomon’s mit einem weil)-
Ueber die Geisterlehre der Moslimen.
113
liehen Teufel, welcher Omm efs-fsihjan, d. i. Mutter der Knaben,
heisst. Der Glauben der Moslimen an die Kraft solcher Verträge,
erhellet aus besonderen Werken, die darüber bestehen. In die Classe
solcher Werke gehört auch das persische in der Bibliothek des Joan
neums zu Gratz, dessen Anfang und Ende fehlt, auf dessen Einband
aber: Gemälde geistiger Arzney steht, was vielleicht der Titel
desselben. Darin erscheinen zwei und siebzig Teufel und Engel vor
Salomon, der auf dem Throne sitzt und dieselben zwingt, ihm die
Talismane und Amulete wider eben so viele Krankheiten anzusagen,
jeder dieser Daimone hat eine phantastische Gestalt und willkürlichen
Namen. Ethisch und psychologisch ist von der höchsten Merkwür
digkeit der Glauben des Moslims an die Kraft geschriebener Verträge
und der Aberglauben Lord Byron’s an die Abschrift eines solchen, die
er um den Hals trug. Wiewohl Salomon durch den Koran als Herr
scher der Menschen und Daimonen beglaubigt ist und durch seine
Macht die letzten, Verträge einzugehen zwingen kann, so sind sie doch
nur durch ihr schriftliches Wort gebunden von der Qual der Men
schen abzustehen. Das Amulet ist halb türkisch, halb arabisch, die
Erzählung des Gespräches mit Salomon türkisch, der Vertrag selbst,
der aus Koranstexten, Gebeten und Zufluchtsformeln besteht, arabisch,
die Gebete sind die Adams, No es, Jobs, Jonas, Abrahams; der
Inhaber dieses Amuletes Ibrahim der Sohn Mustafa’s i. J. der Hidschret
1166 (1763). Schwerlich war Lord Byron mit dem Inhalte dieses
seines Amuletes vollkommen bekannt, aber dass er es trug beweiset
seinen Aberglauben an diesen Vertrag Salomon’s mit dem Teufel, kraft
dessen dieser dem Träger nichts Böses anhaben kann. Die Daimo-
nologie der Moslimen ist, wie aus dieser Abhandlung ersichtlich, schon
grösstentheils vor' dem Islam da gewesen und die wenig bekannte
Mythologie der alten Araber war eine weit ausgebreitete. Beweis genug
ist das halbe Hundert ihrer Idole, wovon jedes besondere Namen und
besondere Geschichte hatte. Herr Renan (im Decemberhefte der
Reime desdeux mondes) hat also eben so Unrecht die Mythologie
der alten Araber vor dem Islam zu läugnen, als zu behaupten, dass
Mohammed seine Sendung durch keine Wunder habe beglaubigen
wollen.
114
I 1 'erdinan d VV o 11'.
Ein spanisches Frohnleichnanisspiel vom Todtentanz.
Nach einem alten Druck wieder herausgegeben.
Von Ferdinand Mo IC.
Die k. Hof- und Staatsbibliothek zu München besitzt neben
mehreren anderen spanischen Druckwerken des IS. und 16. Jahr
hunderts von der grössten Seltenheit *) auch in Einem Quarthande
*) So wurde ich durch die Nachricht des Herrn Dr. Koni-ad Hofmann,
dessen freundlichen Bemühungen ich schon so viele Mittheilungen über die
Schätze der Münchner Bibliothek in der älteren spanischen Literatur zu ver
danken habe, auf das Angenehmste überrascht, dass nicht bloss das British
Museum sich rühmen könne, ein Exemplar beider Theile der Silva de
varios romances in der ersten Ausgabe von 1550 zu besitzen, — wie
ich noch bei Abfassung meiner Abhandlung: „Über eine Sammlung spa
nischer Romanzen in fliegenden Blättern auf der Universitäts-Bibliothek
zu Prag” (Wien 1850, Quart-Ausgabe, S. 134) vermuthen musste,— son
dern dass sich ein ebenso vollständiges Exemplar davon auch auf einer Biblio
thek Deutschlands, auf der Münchner, befinde. — Ja ich bin noch über
dies durch die gütige Vergleichung des Herrn Dr. Hof mann der daraus
in meiner Abhandlung abgedruckten 13 Romanzen in den Stand gesetzt
worden, die Auslassungen und Nachlässigkeiten meines englischen Copisten
hier zu verbessern, bei welcher Gelegenheit ich auch ein paar übersehene
Druckfehler berichtigen will.
S. 146, Z. 19 v. o., statt 19, lies 9 Blätter ohne Foliation mit Chistes.
„ 155, Rom. 1, Sp. a, Vers 5 v. u., statt Prendadlo, 1. Prendeldo.
53 156, ,, 3, Sp. a, V. 10 v. u., 1. vestidura.
3i 158, j3 3, Sp. a, V. 1 v. o., 1. Muerto sois como bucn hombre.
3i 158, ,, 3, Sp. b, V. 18 v. o., st. amaba, 1. ama.
33 158, „ 3, Sp. b, V. 8 v. u., st. toma, 1. torna.
3i 161, „ 5, Sp. a, V. 5 v. o., st. andado, I. andando.
33 161> 33 5, Sp. b, V. 6 v. u., st. le, 1. se, wodurch meine Conjectur
(la) unnöthig wird.
„161, „ 5, Sp. b, V. 3 v. u., st. casa, 1. cosa.
„ 162, „ 6, Sp. a, V. 6 und 7 v. o., sind im Text drei Verse:
Velese bien el castillo,
que al que liallare velando
ayudarle con mi grito;
„ 162, „ 6, Sp. a, vor dem letzten Vers ist folgender ausgelassen:
Ortuno me llamo, Cid,
r> 163, „ 7, Sp. b, V. 7 v. u., st. moco, 1. mo§o (mozo).
Ein spanisches Frohuleichnamsspiel vom Todtentanz.
115
(P. 0. hisp. 4°. 29; ex electorali bibliotheca sereniss. utriusgue Ba-
variae ducuni) zusammengebunden eine Anzahl von Comedias, Farsas
und dramatischen Eclogas aus der Mitte des 16. Jahrhunderts; einige
wenige kostbare Ueberbleibsel aus jener Periode des spanischen
Dramas, in welcher die Keime zu seiner naehherigen Eigenthümlich-
167,
» 168,
» 168,
» 169,
« 169,
S. 165, Rom. 8, Sp. a, nach V. 14 v. o., ist der Vers ausgefallen:
Treinta dias duran las hodas,
daher die Interpunction der nachfolgenden nun so zu verändern ist:
treinta dias, que mas non.
Y un dia estando comiendo etc.
Und wonach die am Ende in den Zusätzen dazu nachgetragene Anmer
kung wenigstens in Bezug auf diese Stelle zu berichtigen ist.
S. 165, Rom. 8, Sp. b, V. 16 v. u., 1. otorgan.
n n 8, Sp. b, V. 2 v. o., st. Gustos, 1. Gusto.
?5 166, „ 9, Sp. a, vor V. 5 v. u. sind die beiden folgenden ausgelassen:
muy esforzado en las armas,
y de letras adornado;
}) 9, Sp. a, nach V. 2 v. o., sind wieder zwei Verse ausgelassen:
rnuchas justas y torneos
entre eilos se han concertado.
„ 10, Sp. a, V. 21 v. o., st. Llamado ha, 1. Llamando ä.
„ 10, Sp. b, V. 5 v. o., nach yo fehlt muy.
5, 10, Sp. a, V. 8 v. u., 1. que el rey criado habia.
„ 10, Sp. b, st. V. 1 v. o. sind zwei :
ä las puertas de Sevilla;
las puertas hallo cerradas,
daher hat das Comma am Ende des vorhergehenden Verses wegzubleiben.
S. 169, Rom. 10, Sp. b, vor dem V. 4 v. u. sind, wie ich angezeigt habe,
in der That zwei Verse ausgelassen:
otro dia escribio cartas
a Caliz (sic) aquesa villa.
55 173, Rom. 11, Sp. a, nach V. 8 v. o. fehlen die zwei Verse:
y ä don Fadrique el maestre,
el maestre de Santiago,
11, Sp. b, V. 1 v. o., st. d’Orozco, 1. Orozco.
11, Sp. b, V. 8 v. u. 1. Sintiendolo.
12, Sp. b, V. 6 v. o., hat me, nach ä mi, wegzubleiben.
12, Sp. a, V. 4 v. o., st. agradan, 1. agradaban.
12, Sp. a, V. 5 und 6 v. u., st. Alvendano, 1. Avendano.
13, Sp. b, nach V. 2 v. u., steht der von mir supplirte Vers
wirklich im Texte:
traidora sois, Ia duquesa.
Sitzb. tl. plül.-hist. CI. VIII. Bd. II. Hft. 8
173,
173,
174,
175,
175,
175,
116
Ferdinand Wolf.
keit und Grösse gelegt wurden; indem es aus dem engeren Kreis
der Kirche und aus seiner Abhängigkeit von der Liturgie auf den
„lauten Markt” unter das Volk hinaustrat und mit mehr Selbststän
digkeit sich zur Volksbühne gestaltete. Es liegt in der Natur der
Sache, dass solche für das Volk geschriebene und von dem Volke
dargestellte Stücke von geringerem Umfange, gleich den fliegenden
Blättern durch Verbrauch und Nichtbeachtung dem Verderben
preisgegeben, sich in nur sehr geringer Anzahl erhalten haben;
und selbst die gelehrtesten und umsichtsvollsten Geschichtsschreiber
des spanischen Dramas, von Schack und Ticknor, die das
reichste Material mit grossem Eifer zusammenzubringen suchten,
haben sich mit der Autopsie von ein paar solchen Stücken, mit spär
lichen Notizen von da und dort zerstreuten ihnen unzugänglich ge
bliebenen ähnlichen Seltenheiten, und mit Vermuthungen und Schlüs
sen auf grösseren einst vorhanden gewesenen Reichthum begnügen
müssen 1 ). Um so kostbarer und merkwürdiger ist der erwähnte
’) Vgl. v. Schack, Gesch. d. dramat. LU. und Kunst in Spanien. Bd. I.
S. 195, 203 — 205, wo er sagt: „Die gegenwärtig noch vorhandenen
Stücke der letztgenannten Art aus der Zeit vor 1550 sind unstreitig nur
ein sehr geringer Theil des ursprünglichen Vorrathes. Man kann da
her zweifeln, ob von diesen Resten ein Schluss auf die ganze Gattung
erlaubt sei.” — Auch Ticknor, Geschichte der spanischen Literatur,
ins Deutsche übersetzt von N. H. Julius, Leipzig 1852, 8., Th. I,
S. 444 — 447, kennt nur sieben solcher Stücke aus Autopsie, die sich,
in einen Band zusammengebunden, im Besitze des berühmten Bibliophilen
Henri Ternaux-Oompans befanden. — Ebenda, S. 444, Anm. 3, habe
ich auf einen ähnlichen Sammelband in der Bib 1 iotheca Heberiana
hingewiesen.—Als einen Beweis von der ausserordentlichen Seltenheit sol
cher Stücke kann man auch ansehen, dass die k. k. Hofbibliothek, — die, wie
Herr Baron von Münch in seiner unlängst erst hier vorgelegten Abhand
lung : „Ueber die älteren Sammlungen spanischer Dramen,” nachgewiesen
hat, unter die im Fache des spanischen Dramas reichsten Bibliotheken
der Welt gehört, — von Stücken der Art aus der ersten Hälfte des 16.
Jahrhunderts nur ein Paar hat, nämlich, so viel mir bewusst, nur die
beiden nachstellenden allerdings sehr merkwürdigen und fast ganz unbe
kannten :
1. ©glojjß mmmmente trcba&ß por -Ämtßitöo öe p<ingu«s,
cn loor öe fa »atrmößö öe mteffro feitot*; ©u la quäl fc iiitroDiijeu
qnatro pßftoreti. ©upoA »embres fc». llmtgo fnbiöo. ®il pct«.
JJenitillo. Pcro ponc«. SToö qttaied infoi'iitßöod bc los ß»$e(c$ fomo
Ein spanisches Frohnleiclmamsspiel vom Todtentanz.
117
Band der Münchner Bibliothek, worauf ich durch die gütigen Mit
theilungen meines verehrten Freundes Herrn Prof. Dr. V. A. Huber
ctyritfo era qa itßciöo Dienen le ßöorßt t) ofreeen fuö öoite$ t)
nuefh-ß feitorß im Iß* grnciaä i) llca,ß iningo fßöiöo taftcnöo wttß
1) öije CtC. S Bll. in 4°. mit gotliischen Buchstaben ohne Ort und
Jahr, aber aus der Mitte des 16. Jahrhunderts. In achtzeiligen Strophen
de arte mayory und am Ende ein Villancico. Ein gänzlich unbekanntes
Weihnachtsspiel.
2. Hrß$eöiß üßiitßöß .Jofevbittß: ititeußmeitte fßcßöß öe (ß pref«n=
öiößö öe tß fßßirßöß cftvigtiirß j) trcüßöß vor 1H i dj ß e I öe (äfß=
rßiißjßt öe tß dnößö öe Plßjenciß. tDmgiöß ß(nuii) nftuftre feitet-
öen Atitßr 'p’etöe ©ferio: eoitöe öe ITrßftßmßrß: inßrqitcs öe
ilficraa, cte. Darüber ein Holzschnitt mit den Personen des Stückes, niim-
lieh wie die U ob er schritten lauten: Jacob et filii eius generacio. Abrahe,
Putifar. Joseph. Zenobia. Faraon. und zwei Abbildungen des Domus Jacob.
Am Ende: ftte impreffa tß prefente ohrß eit tß imperial eittößö öe (Te-
tcöo eit cßfß öe 3ttßit öe Hpalß. Heßhofe ß öo$ öißß öct me0 öe 3utio,
ßitO . . . ÖC 1546. 32 Bll. in 4°., mit gotliischen Buchstaben. In achtzeiligen
Coplas de arte comun mit Canciones und Villancicos am Ende der Acte
und prosaischen Argumenten. Diese schon völlig ausgebildete Comedia
divina in vier Acten (am Schlüsse jedes Actes befindet sich merkwürdiger
weise ein: clioro de las tres donzellas), welche die Geschichte des ägyp
tischen Josephs zum Gegenstände hat, war bisher nur aus Moratin (a.a.O.
p. 194, unter dem Jahre 1543) dem Namen nach bekannt, den er im Index
der Inquisition angeführt fand. Sie verdiente in mehr als einer Beziehung
einen Wiederabdruck. Ich will nur als Probe den auch in literar-liistori-
sclier Hinsicht merkwürdigen Prolog des ersten Actes hersetzen, den der
Faraute (d. i. der Schauspieler dos Prologes) spricht:
Prologo con argnmento.
Faraute.
Quanquam ad sacre solempitatis ornamentum etc. Que donoso trag. barras:
perdonen vuegtras mercedes que en verdad no me acordaua que (odos soys
tau sabidos que. ninguno sähe latin | porende a nuestro romance me aten-
go | no por falta de lenguajes | que siquereys del Tudesco liasticoz hex
tinguert tanque gutliber liet hex lifex lanceman. Pues de las vandas de
Italia pota de sancta Nulla faro diro clio pue bisogna fin al cancaro que
ti vengnan il mal de la Cantina anchora. Pues del Frances alomenos essas
son mis missas. Y mas si es del heuer y avn el parlar. Perla sandi alebu-
san donami ballesa del von vin. No hablo del gorgear de Coca: ni de Ma
drigal: pues que a todos se nos entiende medianamente. Ansi. que senores
yo soy Faraute y al presente mensagcro del seuor | del senor Auctor: por
cuya industria se que se vos suelen represeptar passos dela
8*
X
I
118
F e r d i n a n d VV o 1 f.
aufmerksam gemacht wurde und wovon ich die nachstehende biblio
graphische Beschreibung der Gefälligkeit des Herrn Dr. Konrad
Hofmann verdanke. Er enthält nämlich folgende Stücke:
I.
öüomeöia Hatitaöa S lo r i it e a: qtrc leitete öc Io$ mnorev öel
luten &nque 5(oviaito, coit Id tinöa t; mm; cafte i; sciterofa 25clifi*a,
mtctntmettfe f;ccl;a: mm; öraciofd i; feufiöa, t; mm; prercdjofa para
mtifo öc nutc(;o0 neeioj?.
X>ifte i; cramiitdbc, i; coit liccticia itnprcffa. Xtettöettfc (sic) cit
Rteöiua öd Äampo en cafa öe ilöriatt ©(tcmarf. IÖ54-.
Dieser Titel ist mit einem schlecht ausgeführten Rande in Holz
schnitt eingefasst. Ueber dem Druckorte das Sinnbild des Buchhänd
lers: eine Hand die einen Falken trägt, mit der Bandumschrift:
Post Tenebras spero lucem.
sagrada hystoriafya creo me conosceys: algunos me parece que se
alegran: otros se alborotan: que sera: mas que sera. Ila. Ha. Ha. Ya:
ya: ya: vos entiendo | oy senores que gente tan sentida: sabed que
muchos se quexan porque muchos en estos trances se entremete trage y
gente de Judea: ami me paresce tienen razon que para en Verano no «on
sanas tantas Capirotadas avn que los que se sienten Ajos han comido en
ellas: en verdad que el senor Auctor dessea complazer a vuestras merce-
des: para lo quäl ha trastornado todo Amadis y la demanda
del sancto Grial tfe peapa por remembrar oy algo que sin perjuyzio
sea: y no halla sino casos de muertes: armas campos: rcbueltas: peleas:
golpes: espadadas tan estranas que en tal representacion por Ventura el
corrimiento passado agora seria correncia. Y por tanto senores el Auctor
se ha buelto a sus treze | y ha sacado dela sacra hystoria para esta
sancta fiesta de Corpus Christi: vna Tragedia Uamada Josefina:
y el caso es que diez hermanos hijos de Jacob Itey de Canaan queriendo
por embidia matar a su hermano Joseph: por industria de su hermano
Rüben en el campo le empozan. Y al fin le venden a Egipcianos. El
padre le llora por muerto: con que acaba la primera parte: y antes de la
segunda nos vereinos. Es materia que en figura contiene la causa que
oy causa esta sancta Fiesta: oygase con atencion y nadie murmure: que
la intencion del Auctor es ornar la sancta Fiesta | y a ninguno injuriar.
Mas contentar a todos: alomenos a los buenos y sabios: y porque destos
quando mas mas ay tantos como cueruos blancos: por Ventura auremos
sembrado en Arena y contentado a ninguno: que alas vezes enla Placa
Ilana esta el Desierto: lo quäl no querria que con vuestras mercedes acon-
tesciesse: tu senor rescibe el seruicio.
Bin spanisches Frohnleichnamsspiel vom Todtentanz.
i 19
Zuerst vier unfoliirte Blätter. Auf dem 2. r°. eine Zuschrift:
@1 bafyifkt jo an It o Dr j;g « e 5 citDcrccattbo la eottteDia. lla=
nt ab a Nlcriitca a im cjpecial amigc fttpo, p coitfatittliqr eit et cfht=
Dio, abfeitfe.
Bl. 2 v®. beginnt: tut proctltio Del flttlor, in Versen bis Bl.
3 v°. Bl. 4 v®. enthält das Personen-Verzeichniss. Dann folgt auflS6
foliirten Blättern die Comedia, die in Prosa ist mit hie und da einge
streuten Versen, ohne Absätze gedruckt, und in 43 „scenas” einge-
theilt (eine dramatische Novelle ä la Celestina; vgl. darüber Tick-
nor L, S. 220, der dieselbe Ausgabe benutzte, aber nur ganz kurz
den Titel angibt).
Am Schlüsse: Ücaba la cotttebia itö HtCttO0 Ptil qttc gtwiofa l)
eotitpeitbtofa: llamaba 5lorittea: mietramcittc cempiicfta. „Kmpvcffa
eit Hlebitta Del Gampo eit cäftä De ©itillertito De Willis, fräs la iglefta
utaijor. iltto De 1554.
Dieses Stück wird auch angeführt von Colon y Colon in sei
nen: Noticias del teatro espanol anterior a Lope, in der Zeitschrift
El Semanario pintoresco espanol. Madrid , Serie 2 f Tomo II, ano
de 1840, p. 163—166.
ii.
Sragifctttebia alegorica: Del JDdrapfo t) Del iitfiento.
Darunter ein Holzschnitt, zwei Schiffe vorstellend ; dann eben
falls in einzelnen neben einander gereihten Holzschnitten die Figuren
folgender namentlich bezeichneter Personen: Hidalgo, Juan, Logrera,
Ladron, Alcahueta, Corregidor, Letrado. Und unter diesen:
Woral reprefcttlaeioit Del Diitcrfo eantiitc qttc Ijajett las attimas
eit partienbo Dcfta prefcitfc inDa. Niguraba por fco? Des ttaitios qttc
aqiti parcfecit. @1 tmo Del cielo. V d Ptro Del iitfiento. Cntpa fiibtil
imtertcioit p titatcria cit cl argtiiiteiilo De la obra je pttebe ttttip
hielt rer.
12 unfoliirte Blätter; in Versen, aber ohne Abtheilung in Jor-
nadas oder Scenen; mit einem „Introyto” (Bl. 1 v°. — 2 v°.).
Am Ende des Stückes: Deo grucias. Dann: In omnibus ope-
ribus tuis memorarc novissima tua: et in eternum non pec-
cabis. Ecclesiastici septimo capitul. Darunter: ilplieacio» Dcfia
auctoviDaD al prepofifo beftas Dos bareas. In zwei achtzeiligen
Strophen. Dann Laus Deo.
120
Ferdinand Wolf.
Ohne Jahr und Ort (jedoch kommen zwei der Figuren in den
selben Holzschnitten, nur mit veränderten Namen, in Nro. IV, V, VI
und VIII, und sechs in Nr. XIV wieder verwendet vor). Die Blätter
sind zu zweien signirt.
v. Schack (a. a. O.I, S.205)und Mo rat in (Origenes del tea-
tro esp. in dessen Obras, in der Biblioteca de aut. esp. Madrid 1846.
Tom. II, p. 193), beschreiben eine Ausgabe desselben Stückes von
Burgos 1539; und in den Zusätzen zu Moratin wird nachgewesen,
dass Gil Vicente selbst diese spanische Bearbeitung seiner früheren
portugiesischen verfasst habe, und davon eine Probe gegeben.
III.
(£ome?i*: Haina?»: ilquitana. fjgora mieiiamcnfc fftnpreffa
corregi?»: p einen?»:?*:. iSedja por 3?arH;oIcme ?e Horrem 1T*:=
Ijflvro. M. D. L. II. (1552). Darüber ein Adler, der einen Mann
auf dem Rücken trägt.
Am Schlüsse: Aue impreffa la pvefenfe obra en 23urgov en
cafa ?c Jitan ?e %\mf*:, (ta ?eji=9ep9 ?im? ?el mcv ?e %jientbre.
Aino ?e mH p qninientov p cinquenta p ?o$ &nop..
24 unfoliirte, zu zweien signirte Blätter. In fünf Jornadas ab-
getbeilt.
Vgl. über diese bekannte, hier wahrscheinlich schon von der
Inquisition castigirte Comödie des Torres Naharro: Moratin,
1. c. p. 187. (Diese Comödie des Naharro wird im Index der Inqui
sition noch besonders, ausser der Sammlung seiner Werke, Propa-
ladia, angeführt.)
IV.
i£ome?iaHanta?»:Cfi?ea: comptteff a pot* Ar an et# co ?c la$
XX a i a 9: benefteta?o en la pglefta perredital (sic) ?c la nilla (£ue=
baö rubia*, p en I*: pglefta ?e fatirta CCruj ?et Itrgar ?e ItcbiHa
»»ibria?*:. $n la qnal fc infro?ttjen nn geitfil Jjontbrc eanaHcro Ha=
ma?o ?on Hi?eo p ?c9 cria?09 fupoö cl nito Prnbente, et otvo Ai=
Icno, p rna rieja ale*:gneta Hama?a XVi-oe, p nna ?onjeHa noble
n»:ma?a Aauflina con mta fit cria?a ^ufliita. j)00 p»:florc9 el nito
Uam»:?o jDanton, ei olro HIen»:Iea0. ltn algttajH con fite cri»:?o0.
i£Ipa?rep ma?re ?c la bonjella, ei pa?rc Xtiffeo, la tna?t*e SVecia.
SVatanfc lo» amore0 ?e ?on ©?eo coit la bcnjella, p como Io
121
Ein spanisches Frohnleichnamsspiel vom Todtentanz.
nlcmtfo per tttlcrpoftctott 5c «quell« i'ieja «Icntjttcf«: i) ctt ftti por fctett
ie p«j ftteron ctt utto e«f«5o*. obr« srnctof« i) ap<&Wt. 1550.
Ohne Druckort.
Darunter auf einzelnen Holzstöcken 5 von den Personen.
16 unfoliirte Blätter, zu zweien signirt. Mit „Introyto.” In Ver
sen und in 5 Jornadas abgetlieilt.
Am Schlüsse: Finis presentis interlocutionis. Francisco
Natas bcneficiatus-
Moralin, a. a. 0. p. 193, führt davon eine Ausgabe von 1585
an, kennt sie aber nur dem Titel nach (und auch den gibt er unrich
tig: „Fidea,” und ebenso falsch den Namen des Verfassers: „Franc,
de lasNavas”) aus dem Index der Inquisitionen dem Index von 1583,
abgedruckt bei Adolfo de Castro, Historia de los Protestantes
espanoles, Cadiz 1851. 8°., p. 435-446, ist aber Titel und Namen
des Verf. ganz richtig so wie in unserem Druck angegeben, s. v. Co
media, und Tidea).
V.
liomcöia mfititl«5« Sljcfornt«: In itt«tcrr« öe ln qitßU‘0
vno» «more* 5c wn pcn«5c per nt« fetter«, pötr«* perfoit«* aöl)c=
vcntes. ■’Öifelj« mtett«mcrtfe por 3 apmc 5 c ©nctc. Pero 1« por
fer fu n«tttr«I Icti^in «r«$ottefa uo fitere por tmty cenDr«5o0 ter=
mitte/, qimttfo « ejlo mcrcfcc pcrboit. £o* itticrlccirtere* fett los? itt=
frn ptteftos?: t; cs? 5c itol«r qtte el fr«yle es? f«fc«5or (sic).
Darunter die Holzschnitt-Figuren folgender Personen:
Citeria moija de Lu (sic), Pinedo mo?o de Te, Lucina dama,
Fray vegecio frayle, Tesorino cauallero, Pero grillo pastor, Giliraclio
pastor de Ti, Sircelo mo?o de Ti, Timbreo padre de Lu, Margarita
esclaua de Tim. —
20 zu zweien signirte aber unfoliirte Blätter. In Versen und in
5 Jornadas abgetlieilt.
Am Schlüsse: Autlioris ad Zoilum duplex propugnatorium
Nanoslhicon. In lateinischen Distichen von denen das letzte :
Nunc humilemturbare meamrogo desine musan (sic)
quamvis non Torres digna Nauarro venit.
Telos.
Ohne Ort und Jahr. — Angeführt in der Bibliotheca He-
beriana, Vol. VI, Nro. 2818 (hier heisst der Verf. wobl durch
122
F e r d i n a n d VV o 1 f.
einen Druckfehler Guerte); : —bei Schack I., S. 193; Tiek-
11 or 1. S. 440; — und hei Mo ratin, X c. p. 193, unter dem
J. 1331, aus dem Index der Inquisition. Bei all diesen lautet der Name
des Verf. Hu etc, und ebenso in dem erwähnten Index von 1S83,
I. c. p. 437, wiewohl Moralin hinzufügt: „No hay otra noticia de’
ella [comedia] ni de su autor.” Ticknor und Schack aber führen
U ?tm»i : jtod U itno? S j: N: " n< ‘" nocl1 eine andere Comedia llamada Vidr i a na
an, und mit Merkmalen, die keinen Zweifel an der Identität des Verf.
lassen; übrigens ist Giiete für Huete nur eine in der Aussprache
des Hue wie Güe.gegründete oft vorkommende orthographische
Variante, wie güerto für huerto, Origüela für Orihüela etc., (vgl.
Diez Grammatik der roman. Spr. I, S. 222).
XodioifdidtoH nogiaoid r>b «f VI
(Someöiß ^1 o v i fe a nmvmmte compijcffß por Sv a »c t & c o
ör HIICII b fl h 0, etc. Siehe den ausführlichen, mit unserem Druck
wörtlich zusammenstimmenden Titel hei Moratin, 1. c. p. 197, und
Schack I, S. 233, die eine Ausgabe ohne Ort vom J. 1533 be
schreiben und über den Verf., den eigentlichen Einführer der Ein-
theilung in 3 Jornadas, berichten.
Unter dem Titel in Holzschnitt die Figuren folgender Perso
nen: Muerto, Floriseo, Biancaflor, Salauer, Pedruelo (die beiden
letzten haben nur Einen Holzstock). Ohne Druckort. 1331. 8 unfo-
liirte zu zweien signirte Blätter.' Eine Jornada. Am Ende ein Villan-
cico; dann: Deo gracias.
VII.
(?t‘fl#ebirt Polin fl »ö dc.üolcbo 15X7. Siehe die genaue Be
schreibung nebst einer Uebersicht des Inhalts dieser Nachahmung
der Celestina in den Zusätzen der spanischen Uebersetzung von
Ticknor’s Werk (Madrid 1831. 8°., Tomo I, p. 323—328). Dort
" ird aus dem Akrostiscbon der dem Stücke vorstehenden und mitge-
theilten vier achtzeiligen Strophen ä los enamorados, von welchen
die Anfangsbuchstaben der Zeilen 1—29 folgende Lesung ergeben:
EL BACHELLER SEBASTIAN FERNANDEZ, gefolgert, dass darin der
Verfasser seinen Stand und Namen ver- und enthüllt habe;
allem dies Gedicht ist nur eine ganz allgemein gehaltene Warnung
vor den Täuschungen der weltlichen, und eine Ermahnung zur liimm-
Ein spanisches Ft'olinleichnamsspiel vom Todtentanz. 123
lischcn Liebe, welches wohl auch von einem Freunde des Verfassers
herrühren konnte; während in dem Exemplar der k. k. Hofbibliothek
von der Ausgabe: Holeho, cit cdfa DcAVrtiaiihc he fciifa(£aH)aliiia ...
fll pvimevo hta hcl Ute* he !1T<u*fo. Üno he 1548, auf der Rück
seite des vorlezten Blattes sich ein Epilog findet, der, was wohl
zu bemerken, allerdings in der Ausgabe von 1547 noch fehlt, und
der wohl zu der Annahme berechtiget, dass der auch sonst bekannte
Dichter und Verfasser des Ritterromans P a 1 m e ri u de I n gl a t e r r a,
Luis Hurtado de Toledo (vgl. über ihn und diese Ausgabe der
Policiana, meine Abhandlung über die Prager Romanzensammlung,
S. 125) auch der Verfasser dieser „Tragedia” gewesen sei. Um
diese von mir (a. a. 0.) aufgestellte Behauptung zu rechtfertigen,
will ich den Epilog nach dem Exemplar der hiesigen Hofbibliothek
ganz hiehersetzen:
Luis Hurtado al Lecior.
Lector, desseoso de Claras sentencias,
aqui debuxa la madre Claudina
debaxo de gracias sabrosa doctrina,
para guardar de mal las conciencias:
veräs los auisos de mil excelencias
que ä los virtuosos son claro dccliado:
y si su autor se liaze callado 1 ),
es por el vulgo, tan falto de ciencias.
Y pues que sant Pablo, claro doctor,
nos da por auiso, que toda escritura
es saludable, teniendo gran cura,
que della s’escojga lo santa (sic) y mejor:
bien me paresce, que en casos de amor
vaya mezclado auiso con eilos,
por que se halle remedio de aquellos
que hazen al liombre mortal pecador.
Solo dire la leigas notando
lo prouechoso que en ella es hallado,
por que lo malo, siendo mirado,
*) D. i. wohl nur in so weit „sich verschwiegen als er sich, wie bemerkt,
in der ersten Ausgabe noch gar nicht zu erkennen gegeben und auch in
dieser sichnichlaufdem Titel genannt hat; denn dieser Epilog, besonders des
sen letzte Strophe scheinen doch kaum einen Zweifel übrig zu lassen, dass
der Schreiber desselben auch der Verfasser des Werkes sei! —
124
Ferdinand W o 1 f.
auise liuyllo y ser de otro vando.
Y si algun error liallares mirando,
su pla mifalta tu gran discrecion:
pues yerra la mano, y no el cora^on,
que aqueste lo bueno va siempre buscando.
ym.
©5105a pafloril mtettantettle compitcfla eit Ja quäl fc inlrobu=
jcn cinco pafferes? p cf uno e» encattlabor p ef tncaric bei ftttjar: el
quhl cß llantabo para que l)a5a fe t>’«« cafantienfo, p el rajotta=
ntienlo beließ eß la ttrapor parle be las? cofaß qttc fe Ijatt fefltttbo eit
Dal'cttcta be fjupr be laß «jentes?, p bei loritar, p be laß fttffaß be
loß moroß p fomo mteflra fenora, p fant Uiccitle ferrer tteß l)att
guarbabo be perccer p conto tttr paffor vio a tmaß fenoraß itobleß
qnc cflanbo retrapbaß por laß nuterfeß ett im Inqar fe puatt a ver
laß fnenteß p laß ljuertaß p aqnel paftor bi je qnc betten be pr a
bußcar lena para qattar la t'iba, p olro paflor le refpottbc p le btje
ett cierla mancra loß ttotttbreß be Üna tyfabel plltaria p ala mejefa
beflo lantbicit be laß paffioneß que loß paflcrcß fnclen lener p an=
ftaß be laß pernaß p bei ciattabo, p conto a la fitt int paflor fe qne=
ria ntorir por amoreß be .Tintena be Jfottlorio, p el encantabor le
fatto cott fnß tntloß p ettcanleß c fflfo qne clla pettaffe be amoreß bei
p ala fitt tut villattcico.
Ober diesem Titel acht Holzschnitte in ztvei Reihen, darstellend
die namentlich bezeichnten Personen: Juan melenudo, Peranton, Cli-
mentejo, Gil caluo, Mossen bartholome, Llorente encantador, ein
Schloss und einen Baum.
8 unfoliirte zu zweien signirte Blätter. In Versen; ohne Abthei
lungen. Ohne Ort und Jahr.
IX.
©^lo^a mtena ett la quäl fe ittlrobujctt laß perfonaß ffquienlcß.
Itna paflora, tut fanlero, ttn nteleocfjero, m ffraplc, p boß paflcreß.
©ntra la paflora ccnlanbo vn nillancieo.
Dann fünf Figuren; darunter das Villancico:
Quien podra estar sin temor
de las fuer^as del amor.
Dann:
Comienfa la farsa.
6 Blätter, mit Signatur. Ohne Ort und Jahr. In meist neunzeili
gen Strophen,
125
Ein spanisches Frohnleichnamsspiel vom Todtentanz.
X.
Sdtfa llatttaba baitfa la mtictlc etc. (Siehe den nachstehen
den Wiederabdruck derselben.)
XI.
jfqrfa bei ttttitt&o p moral bei antor öe la real ([tte e$ $ e r n a it
Co p e j ? c 1) a ii^ « a 0: (a quäl t>a birigtba a la^llnftre p macjitt=
ftca fettora, la feftora öotia Jitaita öe (fttnnta Gonörffa öe ilötii=
lar. M. D. L. I. (1551) Ohne Ort.
Darüber vier Figuren. 16 Blätter, mit Signatur. Ganz in acht
zeiligen Strophen.
TJeber den Verfasser, der wahrscheinlich auch der jener oben
angeführten im Besitz der k. k. Hofbibliothek befindlichen Egloga ist,
vgl. Ni c. Anton i o, Bibi, liisp. nova, Toni. II, p. 879.
XII.
Xarfa mtcuatttenfe trobaöa per $e r n a n 5 o D i a j. la
qttal fe introtuijeu Ire* paflore? llamabos. ^»att cafaöo. Stilen bo=
ölqo. Pero praller. p tm aitqcl. la qttal farfa t»c ma0 i?e fer tmip
qraciofa 1) ab la eit loor bei »ascimiento bc ^ef« Sfjrifto. ®ntra pri=
mero ^ltatt cafaöo.
Darüber ein Holzschnitt, Christus in der Krippe darstellend, mit
der Jahreszahl: 1554.
8 Blätter, das letzte ganz leer. In achtzeiligen Strophen. Am
Schlüsse:
"tmpreffa cn 23jtir#oi? ett cafa be Juan be Junta.
XIII.
Jrarfa mtepamenfe comp lieft a per Juan be Paris: en la
qtial fe itifröötijen ciitco perfMiaö. Itit efenöero llamabo (Sflacto:
p int ■’i&crmitairo: p una lllcca: p tut Diablo p bo» paffere#. $1
tmo llamaöo uiccitle: p cl olro cremen. BI. D. £. J. (1651) Ohne Ort.
Darüber ein Holzschnitt.
12 Blätter zu zweien signirt. In achtzeiligen Strophen.
Von diesem Stücke führt Ticknor (a. a. 0. I, S. 444—445)
eine Ausgabe von 1536, jedoch unter dem Titel „Egloga” an, und
gibt eine Inhaltsanzeige mit Auszügen dieses „ausserordentlich merk
würdigen Dramas.”
I 26
Ferdinand Wolf.
XIV.
UatimiJa Sal« ment in« miciiameittc ccntpticfta per
X' <u* f fjc lo tit c p a (a u cfhiöianfc öc XMmtaqtu'ita: eit la qttal fe
mfrobttjcii Ins pcvfomtö fhjMicitte*. ©fliiömiitc. Somito meco öc
cfpttelat’. Jitancbo DiKopito. llittoitio hebe. Ulende fripera. XM=
Iren paflor. Salanmittiito öottjclle. (Terefa ntoce. ®l baä0tt tvi=
peeo. Ceenfcro pet>re öe Stlatmtiifiim. V fit' Ülpajil con fue cm=
fco*. ©0 obr« que p«|T« entre los cjhtöirtiitcs eit Selenteite«. 1552.
Darüber Holzschnitte, darstellend: Estudiante, Soriano, Vizcayno,
Anton, Mencia, Beltran, und in zweiter Reihe: Salamantina, Teresa,
Bachiller, Leandro, Algnazil.
18 Blätter, nach Doppelblättern signirt. Ohne Druckort. Sechs
von den Holzschnitten sind mit denen von Nr. II gleich.
In Versen und zehnzeiligen Strophen mit: „Introyto y argumento.”
In fünf Jornadas.
Da mich dieser Titel einen nicht nur für die Kunst- sondern
auch für die Sittengeschichte interessanten Studenten-Schwank er
warten liess, so erbat ich mir von Herrn Dr. Hofmann eine Ab
schrift. Allein meine Erwartung wurde in beiden Rücksichten gänz
lich getäuscht, und das Stück verdient keinen Wiederabdruck. Denn
für die Kunstgeschichte ist es höchstens als Beweis merkwürdig,
dass noch, oder — nach Torres Naharro’s Vorgang — wieder um
die Mitte des 16. Jahrhunderts Producte von solcher Rohheit auf der
spanischen Bühne erscheinen konnten. Diese Posse ist so arm an
Erfindung, so ganz ohne alles dramatische Geschick, und dabei in
den Charakteren und selbst in der Sprache so pöbelhaft- gemein, so
plump-unanständig, dass, wurde sie um jene Zeit wirklich, und, wie
es scheint, sogar von den Studenten zu Salamanca aufgeführt *), man
1 ) Dies ersieht man nicht nur aus dem Titel, sondern auch aus dem:
„Introito y argumento,’’ dessen erste zwei Strophen zugleich als
Probe der Sprache und des Versbaues hier stehen mögen:
jHa, no pese a san Julian,
porque lanto me tärde !
jY qu&ntos bobos es tan
esperando a mi mercUi*
aqui pasmados!
;Dios, y quäntos licenciados
ay aeä, y quantas mugeres!
4N0 mirays, los b ä t li i 11 e r e s ,
que tales se eslan sentados
sin yerguir?
Que no son para dezir
a mi merce: ,,que se assienle.’’
No me deben connoscer,
juri ä mi y a sant Vincente,
quereys ver:
pues tambien soy bachiller
de tibi quoque cozina,
y cuydo me querran her
doctorato en merdecina
sin dudar.
\
Ein spanisches Frohnleichiuunsspiel vom Todtenlanz.
127
nur über diesen Rückfall staunen kann. Aber auch für die Sitten
geschichte hietet sie, ausser eben dieser Thatsaehe, sehr wenig Be-
merkenswerthes. Wie äusserst dürftig und trivial die Fabel ist, wird
aus folgender Analyse erhellen. Ein Student und Soriano, ein verab
schiedeter herrschaftlicher Reitjunge (mozo de espuelas), treffen
sich, klagen sich gegenseitig ihre Annuth und Noth, wobei jeder die
wenig lohnenden Aussichten und um so grösseren Beschwerden seines
Standes schildert, und verabreden sich, eine wohlhabende Schöne
aufzusuchen und ihr den Hof zu machen, um dadurch zu Geld zu
kommen; sei es auch, indem sie sie bestehlen und dann sitzen lassen
sollten. Dazu müssen sie aber vor Allem bessere Kleider borgen,
was der Student durch den Credit seiner Freunde möglich zu machen
verspricht, und der eine als galanter Cavalier, der andere als sein
Diener erscheinen; die erstere Rolle fällt dem Studenten zu, der
Mozo bleibt durch Uebernahme der anderen in seinem Fache. Noch
bevor sie dies ausführen, kömmt ihnen ein betrunkene? Biscayer in
den Wurf, für welchen der Student um einen Real einen Brief an
dessen Angehörige nach Hause schreibt, und der Junge einer Kal-
daunenverkäuferinn, der Tölpel (bobo) des Stückes, dem sie in das
Haus seiner Mutter folgen, und als sie dort einen Schinken stehlen
wollen, von ihm ausgeprügelt werden. Müssige Scenen als komische
Würze aber vom gröbsten Schrot. Damit schliesst die erste Jor-
nada. Die zweite führt uns in das Haus der Heldinn des Stückes,
Salamantina, der Tochter eines wohlhabenden Landedelmannes, ein;
der von dem auf seinem Landgute abwesenden Vater gesandte Bote,
ein Hirte, überfällt gleich bei seinem Eintritte ins Haus keineswegs
mit arkadischen, sondern sehr brutalen Liebkosungen die Zofe 1 e-
resa, die sich vor seinen handgreiflichen Zudringlichkeiten nicht an-
Uebrigens ist dieser 'Introito ein mit dem Stücke in gar keinem Zusam
menhang stehendes Quodlibet, in welchem der Autor (Verfasser oder
Schauspieldirector, wahrscheinlich beides zugleich) dem Publicum seine
Lazzi Vormacht (er selbst sagt davon: contando’s cosas de loco) die mit
unter sehr unanständig sind, und höchstens dadurch einen Vorgeschmack
von dem im Stücke herrschenden Ton geben; von dessen Argument aber
nichts enthält und nur kurz dessen am Schluss erwähnt:
que es vna farsa muy fina» Es un, muy nueuo argumento
llamada Salamantina; de vnos amores lingidos,
lo demas, bien lo vereys en cin.co autos repartidos . . .
su intento.
128
K e v (l i n a n d W o 1 f.
ders mehr, zu schützen weiss, als indem sie die Herrinn zu Hülfe ruft;
noch während diese mit geringem Erfolge sich bemüht, die Liebes-
brunst des Schäfers zu mässigen, erscheinen der Student und der
Mozo Verabredetermassen als Galan und Gracioso, um der Dama und
der Moza die herkömmlichen Liebeserklärungen zu machen, die An
fangs allerdings mit Befremden, dann mit Misstrauen, endlich aber
doch unter der Bedingung aufgenommen werden, dass man sich von
den ehrlichen Absichten und standesmässigen Qualitäten der im-
provisirten Liebhaber vergewissern müsse. Natürlich erhält die
Zofe diese diplomatische Mission, und damit schliesst die zweite
Jornada. Die dritte eröffnet wieder eine ebenso grobkörnige Scene
zwischen dem zudringlichen Schäfer und der sich dessen kaum er
wehrenden Zofe, die, als sie ihn endlich losgeworden, mit dem Roit-
juugen Soriano zusammentrifft, und nun beginnt ihn über seinen
Herrn auszuforschen, den er natürlich für einen vornehmen und
reichen Edelmann aus dem Geschlechte der Guzmanes und in To
ledo ansässig ausgibt, dabei aber unablässig seine eigenen Liebes-
werbungen bei ihr auf nicht viel minder handgreifliche Weise als
der Schäfer, wenn auch endlich mit mehr Glück betreibt, indem sie
nicht nur unter sich eins werden , sondern auch verabreden, ihre
Herrschaften zu verkuppeln. Hierauf folgt wieder eine ganz miissige,
komisch sein sollende, aber sehr platt-triviale Scene, in welcher der
Bachiller Tripero zur Kaldaunenverkäuferinn kommt, ihre Bekannt
schaft durch sehr unzweideutige Reminiscenzen an Jugendsünden
erneut, und ihren Jungen, den Bobo, anwirbt zu der von ihm
vorzunehmenden Beschwörung der Heuschrecken (ä conjurar la lan-
gosta) das nöthige Geräthe ihm nachzutragen (nämlich: que me ha
de llevar — una estola y eamisas — y el hisopo y-calderilla — y el
libro de conjurar) ; als sich der Tölpel aber über seine Verrichtun
gen bei der Beschwörung praktisch unterrichten will, verdirbt er
das Geräthe, und will den darüber aufgebrachten Bachiller verlassen,
wenn er ihm nicht die wohl seine Weisheit verspotten sollende
Frage: „el rio, ^ado va ä dormir, — cuando quiere anochescer?” —
beantworten könne. Mit dessen Versprechen, sie ihm beantworten zu
wollen, schliesst die dritte Jornada. In der vierten erscheint der
Vater der Salamantina, empfiehlt ihr sehr eindringlich ein eingezo
genes Leben zu führen und ihren guten Ruf zu Avahren, Avas sie na
türlich verspricht. Unmittelbar darauf folgt wieder eine komisch sein
Ein spanisches t’rohnleichnamsspiel vom Todtentanz.
129
sollende, mit der Handlung in gar keiner Verbindung stehende Scene
zwischen dem Tölpel, der Blutwürste zu Markte trägt, und dem Al-
guacil, der durchaus ihre Sauberkeit in Zweifel ziehen will, eigent
lich aber es auf ein Geschenk abgesehen hat; unter Drohungen ent
fernt sich endlich der Alguacil, und der Tölpel stösst auf die beiden
Gauner, die ihr Liebesabenteuer auszubeuten kommen, erkennt sie
als die Schinkendiebe, wird aber von ihnen durch ein Trinkgeld be
schwichtiget und bewogen, den Platz zu räumen. Unterdess sind die
Beiden von ihren Schönen gesehen, erkannt und eingeladen worden,
das Nachtmahl bei ihnen einzunehmen. Salamantina vergisst sehr
schnell über den Liebesbetheurungen des Studenten die Lehren ihres
Vaters, und nachdem er ihr die Ehe versprochen, ist sie bereit, mit
ihm zu entfliehen. Nun glauben sich die Gauner am Ziel ihrer
Wünsche, denn, was für sie die Hauptsache, ein Sack Geld, Sala-
mantina’s mütterliches Erbtheil enthaltend, soll auch mitgenommen
Averden, und schon hat sich der Student damit beladen. Da tritt ihnen
ein unwillkommener Bote vom Vater, der Hirt, unter der HausschAvelle
entgegen, erkennt die Mädchen, und Verrath witternd sucht er die
Flucht zu hindern; umsonst suchen ihn die Weiber zu besclrwiclitigen,
die Männer durch Drohen einzuschüchtern; und als Soriano mit dem
geAviehtigsten Argument, mit Prügeln, ihn zur Raison bringen will, ruft
er die Häscher zu Hülfe. Auch gegen den herbeigeeilten Alguacil
und seine Diener setzten sich die Gauner zur Wehre, und es gelingt
ihnen, mit dem Geldsack zu entfliehen; die beiden Schönen aber be
nützen die Verwirrung des Streites, sich "wieder in ihre Behausung
zurückzuziehen, und als der Hirte, dessen Behauptung, die Ertappten
seien seine Herrinn und deren Zofe geAvesen, der Alguacil ohnehin
Avenig Glauben beimisst, auf dessen Geheiss Einlass begehrt, stellt
sich die Zofe Avie vom Schlafe aufgeschreckt und betheuert, sie seien
schon vor ein paar Stunden zu Bette gegangen, so dass der Alguacil,
von ihrer Unschuld überzeugt, sich entfernt; der Hirte aber, endlich
eingelassen, zu schweigen verspricht, Avenn Teresa ihm zu V\ illen
sein wolle; mit ihrer ausweichenden Erwiederung: pensare sobre
ello, schliesst die vierte Jornada. Die fünfte eröffnen die beiden Gau
ner, die, ganz zufrieden mit diesem Erfolge, den erbeuteten Sack mit
Geld theilen und ihr GeAvissen beruhigen, indem der Student in Be
zug auf das gegebene Eheversprechen ganz casuistisch also argu-
mentirt:
130
Feriliaancl VVo11
Faltando el consentimiento
lo demas es burleria;
aunque es verdad
que en el foro judicial
tiene esta regia falencia,
que me harian casar:
pero no quanto a conciencia.
Doch sind sie noch ehrlich genug, die geborgten Kleider zuriick-
zustellen, bevor sie sich aus dem Staube machen. In der darauffol
genden Scene besprechen sich Salamantina und Teresa, wie sie sich
benehmen sollten, wenn der zurückgekehrte Vater ihre Schmach er
führe; die Zofe ist nur wegen des entwendeten Geldes beunruhigt,
als ihr aber Salamantina versichert, es sei ein Erbtheil von ihrer
Mutter, und ihrem Vater unbekannt, räth sie auf alle Anklagen : negar
ä pies juntos. Der Hirte, der sie belauscht und über dessen Bedin
gung des Schweigens die Gedanken der Zofe, wie sich nun zeigt,
noch nicht ins Reine, oder vielmehr Unreine gekommen, droht, wenn
sie sich nicht gleich entscheide, alles zu verrathen. In diesem kriti
schen Augenblick erscheint der Vater, und der über Teresa’s Sprö
digkeit erbosste Hirte platzt nun mit seinen Anklagen und mit der
Erzählung des nächtlichen Abenteuers heraus. Die Mädchen beharren
bei ihrem Leugnen und beschuldigen dagegen den Hirten, er sei be
rauscht urn Mitternacht heimgekelirt und habe das Alles geträumt.
Der Vater beschliesst, um sich zu vergewissern, zu dem Alguacil zu
gehen, und verlässt unter Drohungen die angsterfüllten, und noch
überdies wegen des Schicksals ihrer Liebhaber besorgten Mädchen.
In dem Alguacil finden sie aber unvermuthet einen Retter; denn die
ser beharrt bei seiner früheren Ansicht, dass der Hirte sich ge
täuscht, die Mädchen verkannt („es seien gewiss: algunas putas
rameras que se dan ä ciento y veinte, gewesen”) und nun seine Herrinn
und ihre Zofe falsch beschuldigt habe, die wirklich das Haus nicht
verlassen hätten; dadurch wird nicht nur der Vater vollkommen
beruhigt, sondern sogar der Hirte zweifelhaft, ob er recht gesehen,
und sie begeben sich zufrieden nach Hause. Damit ist die eigentliche
Fabel völlig zu Ende; aber um das Stück würdig mit einem komischen
Knall-Effect seiner Art zu schliessen, folgt noch eine Zank- und
Prügel-Scene zwischen dem Tölpel, seiner Mutter und dem Alguacil,
und nachdem die ersteren beiden den Mann der Justiz fortgeprügelt
haben, was wahrscheinlich das sicherste Mittel war, das „Victor”
Ein spanisches Frohnleichnattsspifel vom Todtentanz.
131
des Publicums, auf welches die Farce berechnet war, zu erlangen,
räth der Tölpel sich zu verstecken, und scldiesst mit dem an die
Zuschauer gerichteten Witze :
süs andar,
senores. a reposar
con la bendicion de Christo:
y si nos vienen ä buscar,
decid que no nos habeis visto.
XV.
Glosa sobre la obra que hizo don George manrrique a Ia muerte
del Maestre de Santiago don Rodrigo manrrique su padre dirigida a
la muy alta y muy esclarescida y christianissima Princesa dona Leonor
Reyna de Francia Con otro romance y su glosa.
Darunter ein Holzschnitt, darstellend den Tod mit der Sense,
der vor einem sitzenden Ritter steht. Dann:
Impreso en Leon.
16 Rlätter, mit Signatur. Von Bl. I. v 0- — II. v°- das „Pro-
hemio”; dann die „Obra,” je eine Strophe Text und vier Strophen
Glosse auf einer Seite. Jede Strophe zwölfzeilig. Die Glosse schliesst
Bl. XIV. v 0 ' Dann folgt:
Lo que don George dixo en loor de su padre.
Der Verfasser der Glosse nennt sich: F r a n c i s c o de G u z m a n.
Dann folgt mit fortlaufender Signatur (von C 1 an), aber be
sonderem Titel:
Romanze fecho quando el Emperador Charlo (sic) quinto entro
en Francia por la parte de Flandres con gran exercito. M. D. XLV.
afios. Fue impresso en Leon. 1S48.
6 Blätter, die Rückseite des letzten Blattes ist leer. Ueber je
acht Verse der Romanze sind vier Glossen-Strophen in Decimen; von
dem Glossator des vorhergehenden Gedichtes.
Am Schlüsse:
Haz aquello que quisieras
Auer hecho quando mueras.
Impresso en Leon por Pedro Compadre y Blas Guidon. 1S48 *).
*) Die Romanze beginnt:
En la Gaula de Aquilon
que Belgien nombre avia,
y en la Cesalpina Galia
que Piamonte se de/-ia,
Silzh. d. phil.-hisl. Ci. VIII. Ril. If. Hft. 9
132
Ferdinand W o 1 f.
Mir schien vor allem die unter Nr. X aufgeführte Farsa von
Interesse zu sein, und ich wandte mich desshalb mit der Bitte um
Besorgung einer Abschrift an meinen verehrten Freund, Herrn Biblio
thekar Sehmeller. Dieser, selbst ein gründlicher Kenner und
Freund der spanischen Sprache und Literatur, hatte die ausseror
dentliche Gefälligkeit, mir eine eigenhändig gemachte Abschrift
zuzusenden 1 ).
Ich habe es daher für das Passendste gehalten, von einer so
verlässlichen Abschrift eines Denkmals des 16. Jahrhunderts einen
genauen Wiederabdruck zu geben, mich darauf beschränkend, die
offenbaren sinnstörenden Druckfehler im Texte zu verbessern und
die urkundliche Leseart in den Anmerkungen daz‘u anzuführen; eben
dahin die minder zweifellosen Verbesserungsvorschläge zu verwei
sen, und nur durch Hinzufügung der Interpunction, der nöthigsten
Accente und einiger Didascalien (die von mir herrührenden sind
cursiv gedruckt) sowie durch Erklärung einiger minder bekannten
veralteten Formen das Verständnis zu erleichtern; hingegen habe
ich mich enthalten, an dem häufig unregelmässigen und mangelhaften
Versmass eine Verbesserung zu versuchen, selbst wo eine solche nahe
lag, da eben diese Unregelmässigkeiten mit zu den charakteristischen
Merkmalen ähnlicher volksmässiger Dichtungen gehören.
Um mich aber zu rechtfertigen, dass ich mich nicht in meiner
Vermuthung getäuscht zu haben glaube, das nachstehende Stück
werde von besonderem Interesse für die Geschichte des spanischen
Dramas und der Literaturgeschichte überhaupt, und desshalb, ab
gesehen von seiner Seltenheit als bibliographische Curiosität, schon
la sangre de los cliristianos
por los carapos se vertia,
que entrc los Gälos y Hispanos
muy pruda gucrra liavia.
Und schliesst:
Por que torneis los enojos
contra la secta maldita:
si no dais presto el remedio
que en aquesto conuenia,
la secta mahomctana
nuestra fe lleva vencida.
jVerguen^a, verguen^a, Reyes
cliristianos que soys oy dia!
J ) Ueberdies war Hr. Dr. Hof mann so gütig, die zweifelhaften Stellen
nochmals zu vergleichen,
Ein spanisches Frohnleiclmamsspiel vom Todtentanz. 133
des Wiederabdruckes in den Schriften der Akademie werth sein, er
laube icb mir nur auf Folgendes aufmerksam zu machen.
Es scheint mir nämlich in allgemein literar-historischer Hinsicht
merkwürdig, als die, meines Wissens, einzige eigentlich dramatische,
d.i. flir dramatische Darstell u n g bestimmte Bearbeitung des mit
telalterlichen Mythus vom Todteritanze 1 ). Wohl ist jenes bekannte, den
selben Gegenstand überhaupt zuerst poetisch behandelnde und einen
ähnlichen Titel führende Gedicht: „Danza general de los muertos”
(nun vollständig von Ticknor herausgegeben) 2 ) aus der Mitte des
14. Jahrhunderts auch schon dramenartig und wird meist unter den
Anfängen des Dramas in Spanien aufgeführt; aber es ist doch nur
noch ein ganz roher Anfang, ein höchstens zur Begleitung mimischer
Tänze bestimmter Gesang (un triste Cantar, wie es sicli selbst nennt)
in dialogischer Form, in ganz loser Scenenreihe ohne eine eigentliche
abgeschlossene Handlung.
Das vorliegende Stück hingegen ist aber ein vollständig ausge
bildetes Auto sacramental mit allen charakteristischen Merk
malen dieser Art von Autos, und daher auch noch insbesondere für
die Geschichte des spanischen Dramas von bedeutendem Interesse.
Denn wir haben darin nun einen urkundlichen Beleg, dass, wie
Herr v. Schack (I, S. 239 ff.) aus Mangel daran nur vermuthen
konnte, schon um die Mitte des 16. Jahrhunderts (1SS1) dieFrohn-
leichnamsspiele als eine besondere Art von Autos aus den
kirchlichen Spielen sich entwickelt und nach dem Vorgänge der
Moralitäten gebildet hatten, mit einer symbolischen Handlung, mit
1 1 Ueber die poetischen und bildlichen Darstellungen dieses Mythus ist
so eben ein die Resultate der zahlreichen vorausgehenden Untersuchungen
zusainmenfassendes und durch neue eigene erweiterndes Werk erschienen:
Essai hislorique, philosopliique et pittoresque sur les danses des morts,
par M. E. H. Eanglois (du Pont-de-1’Arche); accompagne de 54 plan-
ches et de nombreuses vignettcs, suivi d’une lettre de M. C. Leber et
dune note de M. Depping sur Ie meine sujet, ouvrage complete et
publie par M. Andre Pottier, et M. Alfred Baudry. Rouen 1851, 2
Voll, in 8. (une premiere redaction de ce travail parut en 1832 dans les
Bulletins de la societe d'emülation de Rouen. — Vgl. Journal des sa-
vants, Janvier 1852, p. 58).
) Dieser alte castilisclie Todtentanz wurde'von Pere Miquel Carboneil
ins Catalanische metrisch übertragen; — vgl. die span. Uebers. von Tick-
nor’s Werk, Tomo l, p. 536, 537.
134
Ferdinand Wolf.
allegorischen Personen und einer fast epigrammatischen Schluss
anwendung auf das Fest des Corpus Christi; alle diese die Autos
sacramentales in ihrer ausgebildetsten Form durch C a 1 d e r o n cliarak-
terisirende Merkmale finden sich auch schon in unserer „Farsa.”
Schon der Titel kündet die festliche Bestimmung ausdrücklich an
(Ya dirigida a loor del santissimo Sacramento); das Stück ist schon
mit einem Prologo oder einer Loa versehen; und die symbolische
Handlung, nämlich: die Erlösung von dem Tode durch die Unterwer
fung der Leidenschaft (Ira) und des beschränkten menschlichen Ver
standes (Entendimiento) unter die Leitung der durch göttliche
Offenbarung erleuchteten Vernunft (Razon), und die Theihaftwer-
dung an der Erlösung durch den Genuss des Leibes Christi selbst
für den Einfältigen und Niedrigen, aber Demüthigen und Gläubigen
(Pastor), ist auch hier schon durch die Einführung von allegori
schen Personen und die Anknüpfung an das Frohnleichnams-
f e s t dargestellt und gelöst.
Endlich ist dies Stück noch dadurch merkwürdig, dass es zugleich
den Beweis liefert, dass diese Festspiele schon damals, wie Schack
(a. a. 0. S. 242) ebenfalls nur noch vermutlien konnte, aus dem
Bereich der Kirche und ihrer Abhängigkeit von der Liturgie getre
ten waren; denn es ist von einem Weltlichen, einemTuchscherer
(tundidor) und Bürger (vezino) von Segovia verfasst, der im Prö-
logo in der Person des Hirten (Pastor), den er wahrscheinlich seihst
auch dargestellt hat, sich ausdrücklich rühmt, „obgleich ein Hirte,
doch mehr zu wissen, als ein guter Kirchendiener (que, aunque
pastor, mäs se que un buen sacristan), und zur Verfassung und Dar
stellung des Stückes „von dem Weisesten und Klügsten des ganzen
Gemeinderathes der Stadt erkoren worden zu sein (A lo quäl....
he venido cierta mente por el mas sabio y prudente de todo nuestro
concej o).” Es war also wahrscheinlich ein von der in Segovia sehr
zahlreichen und angesehenen Zunft der Tuchscherer im Aufträge des
Gemeinderathes dargestelltes, und jedenfalls von einem aus ihrem
Mittel verfasstes Festspiel zum Frohnleichnamstage; und zwar gewiss
ausser der Kirche dargestellt, wie schon aus der Anrede an das
Auditorium im Prologe hervorgeht, worin es wiederholt „gebeten”
(ruego y no mando) wird „schweigend” (callando) bis ans Ende
(de lo interpuesto, d.i. wohl des derFrohnleichnams-Procession
eingefügten Zwischenspiels) auszuharren; und aus dem
Ein spanisches Frolinleiclinamsspiel vom Todlentanz.
135
Schlüsse des Stückes, wo das Auditorium „um Verzeihung wegen der
Belästigung des langen Aufenthaltes gebeten wird (perdon deman-
dando al noble auditorio de la pesadumbre de nuestra engorrencia).”
ttßiitß&ß ößitfß öc ln innerte, m (pic fc öc=
ctßrß conto a teöoe tos mortßtc», et pßpß Jjßftß et que no
tiene cupß, tß miievic tjßje eit eftc rnifero ftieto fee ptjußtes, t) a ttß&ie
peeöoitß. Gelittene mß$ eottto qiuitquiee tuuicitfe f;itntßtto Sette ßtitße
tß eßjott, tenienöo entiSintieitto Settß: confiSerßitSo et peottedfo que
Se fit contpßftjß fe cottficpte. Itß Siritpöß ß (ooe Set fßntifftnto Sßceß=
mento. ■’s&ectjß poe 0 tt ß it ö c e Ö e ß j ß, ftmöiöoe, nejtno öe Se=
goiuß. Sott titfevtoentofc* Sc tß prefente oheß tß* perfottß* Sc fttfo
cotttcitiöß*. M.D.L.I. (8 Bl., die Bückseite des letzten Blattes leer.
Nicht foliirt, aber zu zweien signirt; mit goth. Buchst.; ohne Ort).
Nämlich ober dem Titel ein Holzschnitt mit vier Figuren, mit
der Unterschrift der:
Persona s.
JDßpß.
linierte.
Hep.
IDßntß.
Pßfter.
Sa Itß jo n.
Sa %va.
©t ©ttfenöiitttettto.
Villancico.
Mi melena pendare, 1 )
podrä ser que la agradare.
Pendare mi melena,
de piojos bien llena,
para agradar ä Elena.
Quando al poblado yre,
mi melena pendare,
podrä ser que le agradare.
l ) I). i. peinare.
136
F e r d i n a n d W o 1 f.
(Dice el Pastor al prologo o la Loa.)
; 0 que enora buena venga
mi merce, y en tal esten,
soncas, alos qne aqui ven
ä Pascual el de revenga*) !
Sefiores, Dios vos mantenga,
y os de lxuerte gasajado.
Sabed, soy aqui aballado,
para os ser breve vna arenga.
A lo quäl, sin ser perplexo,
he venido cierta mente
por el mas sabio y prudente
de todo nuestro concejo.
No burles del zagalejo,
que aun debaxo del sayal,
yo cuydo, soncas, que ay äl
de lo que en qualquiera viejo.
Pues ;ä otras! ;juri ä san s )!
por el nuestro 3 ) sabio honrrado
de todo nuestro poblado
aqui embiado me han.
Ved, los otros ;quien serän,
quando yo soy el mejor!
No penses: que, aunquc pastor,
mas se que un buen sacristan.
Vengo ; pardios! aguijando,
a daros cuenta, sonores,
de los interlocutores
que aqui estays esperando.
Por eso estad muy callando,
bonrrada gente y de chapa,
pues veres luego entrar un P a p a,
en vana gloria jalando 4 ).
*) Wahrscheinlich verdoi-ben, und entweder zu lesen: y en tal esten, soncas
(Traun), eilos que aqui ven a Pascual, dl de revenga; oder wahrscheinlicher:
ellos, que aqui den a Pascual el de: revenga.
*) juri a san; so wie: a otras, Betheurungsformeln.
3 ) Wahrscheinlich verdruckt für: mas.
D. i. jactando.
Ein spanisches Frohnleichnamsspiel vom Todtentanz.
137
Y luego, muy prestamente
veres laMuertc cruel,
quc viene, soncas, por el,
de que no serä paciente.
Muerto el Papa, lo siguiente
es, qu’en muy poca destancia
imRey estä con jatancia
de esfor^ado y muy valiente.
El quäl ansi de tal suerte
Iratando sus valentias,
para dar fin ä sus dias,
veres tornar ä entrar la Muerte;
y dexandolo, aunque fuerte,
quäl al Papa, 6 como se llama,
entrarä luego vna D am a
qu’cn 4 ) mil vicios se pervierte.
Y al mejor sabor que es,tä,
notando su gentileza,
la Muerte muy sin pereza
con ella j pardios! serä;
y muy poco tardarä,
;y os 3 ), por vida de mi aguelo!
de dar con ella en el suelo,
do muerta la dexarä.
Luego entrara un P a s t o r,
con su fiirron platicando,
para dar ; por san Herrando !
ä la obra gran sabor:
con quien tendrä sin rigor
la Muerte, segun que siento,
sabroso razonamiento,
apazible al auditor.
Y luego, sin tardar nada,
entrara la R azon ä tiento,
de Ira y Entendimiento,
quäl veres, acompanada,
por quien el ato y majada
dexa el Pastor, y hazen via:
salido en su compaiiia,
queda la obra acabada.
1 j im Text: que, wo offenbar das n (quen) ausgefallen ist.
a ) Wohl für: hevos, he aqui.
138
F erd in and W olf.
Y porque estan esperando,
que salga yo para enlrar.
no quiei’o mas delatar,
sino que os ruego, y no mando,
ä todos, que estes callando
ata 1 ) el fin de lo interpuesto.
Ceso, senores, con esto,
sus pies y manos besando.
( Comienza la Farsa.)
i 0 quän sublimada que fue mi Ventura!
f Y quan ä sabor tambien fortunado!
Venido de nada en tat alto estado,
vicario en Ia tierra de Aquel del altura,
de quien sobre toda qualquier criätura
poder me fue dado acä sin dubdar,
para absolver, ligar, desatar,
segun que a sant Pedro verdad digo pura.
Principes grandes, aunque emperadores,
reyes, perlados, sefiores potentes,
y todos estados me son obedientes.
por ser desigual al mio y menores:
todos aquestos me son servidores,
por ser mas divino mi officio que humano.
y todos procuran besänne la mano,
por mas que presuman de grandes senores.
i Con quänta humildad me sirven y acatan
todos estados acä en este suelo!
Pues para salud del alma y consuelo
remedios esperan de mi en lo que tratan:
y si de lo tal verdad me relatan,
puesto que ä Dios se da la noticia,
de mi son absueltos de toda immundieia,
que acä en Su lugar me tienen y acatan.
(Sale la) DTttCffC.
i 0 quän sin acuerdo de mi y sin temor
yazes en vicios terrenos jatando!
La gloria passible de acä procurando,
sobervia mostrando por ser gran senor,
f ) Wohl zu lesen : hasta.
Ein spanisches Frohnleichnamsspiel vom Todtentanz.
139
en quien la humildad, segnn que a pastor,
avia de ser grande exemplo al ganado:
y pues fue al reves, yräs muy priado
comigo ado quenta daras de tu error.
; 0 muerte! no vengas con tanto furor,
aplaca tu yra, ten mas sufrimiento,
mira qu’es grande mi nierescimiento,
de muy alta estima mi estado y valor;
no muestres comigo tan grande rigor,
que tengo en la tierra muy gran senorio.
11 Umte.
Muy poco le escusa tan gran desuario
el golpe mortal de mi pasador.
Sin mas resistencia sabras sin mentir,
aunque tu estado ä todos oy sobre,
muy breve seras ygual con el pobre
en solo este passo que llaman morir.
JJaprt.
Dexame vn poco, si quieres mi *) niuir,
Muerte, no vengas tan arrebatada.
para que eniniende la vida passada.
lirticrfe.
No puede ser, digo, comigo aveys de yr.
(Entranse.)
Xtei).
Yo qu’en la tierra por Rey elegido
fuy justamente por ser de los Godos,
mi nombre en la fama delante de todos
y puesto, y mando jamas ser vencido.
; 0 quantos valientes a mi se lian rendido!
Villa d ciudad 3 ) cerco pusiesse,
jamas se escapö, que no.se me diesse.
Varon tan notable jamas fue nascido.
1 ) So, statt tles offenbar verdruckten: biuiuir.
2 ) Wohl für: ahi.
3 ) Sinn und Versmass fordern hier die Einschaltung von: a que.
140
Ferdinand Wolf.
No siento provincia ninguna ni parte,
pues es eosa cierta, yo no me adelanto,
l (Io puesto no aya grandissimo espanto
mi muy vitorioso y real es (and arte?
(Vuelve la) WtttCVte.
i 0 qudn ä sabor tu Alteza, de parte
de mi teniendo acuerdo ninguno!
Que vengo, sabräs, segun que repuno,
de priessa, quäl ves, sin duda a llamarte.
Met;.
No miras, que son de grande memoria
mis fuer^as valientes, y manas sotiles?
VÜaevte.
Aqui do me ves, te bare querciles ’)
traydo a mis pies tu gran vanagloria.
Met).
I No miras, que siempre sali con vitoria
de muclias batallas, refriegas, eombates?
Dineete.
Ningun caso liago de quanto debates,
pues breve tu cuerpo sera como escoria.
Met).
No quiero contigo tencr mas contienda,
por ser de razones en nada apazible. —
Despide a tu 2 ) furia que bien es terrible,
y no ine perturbes el tiempo de emienda.
DTticfte..
Sin duda sabräs que mäs no te atienda,
pues tiempo bas tenido sobrado, y lugar.
i Süs vamos! qu’es tarde, do cuenta bas de dar
estrecha sin duda quäl fue tu bivienda.
(Vanse.)
J ) Ist so verstümmelt, und auch der Vers so mangelhaft, dass kaum eine Conjec
tur zu wagen ist; vielleicht: que reiles (rehiles) ?
2 ) So ganz klar, statt des verdruckten: su.
Ein spanisches Frohnleichnamsspiel vom Todtenfanz.
141
Dame.
De gracias dotada i quien täl como yo?
En toda hermosura i quien tanto perfeta?
Dispuesta, galana, no menos discreta,
l en quien la natura assi se reviö,
que fama de hennosa tan alto bolö,
segun que contemplo, por mäs que bolasse,
que a ser de la mia ygual alcanpasse?
^ni quien tan servida de grandes se viö?
i 0 quäntos oy penan que son amadores,
heridos de mano del alto Cupido,
con un desigual dolor muy crescido
ä mi muy sugetos por causa de amores!
(Vuelve la) !Ji||et'ft\
i En quänta jatancia de vanos dul^ores
yazes, hennosa, de mi trascordada!
Que vengo por priessa por ti, que casada
estas eon el mundo, compuesta de herrores,
Dauta.
;0 väläme Dios! ;y que sohrevienta
que siento al presente, y quan gran turbacion!
Pues veo delante tan triste vision,
en nada apazible, segun que lamenta.
Dolor excesivo me a dado, que sienta,
para la vida privar muy bastante. —
Suplicote, Muerte, que passes adelante,
no eures liazer de mi tanta cuenta.
Usa de ser muy bien comedida
comigo, que peno en ver tu crucza:
mira, que en dama de tanta helleza
razon no consiente que falte la vida.
y\UmU.
Por mäs que seays galana y polida,
comigo, do cuenta dareys sin herrar,
yreys brevemente sin mas dilatar.
jSus vamos! pues veys que estoy de partida.
(Vanse.)
142
Ferdinand Wolf.
JDrtffor.
Sin duda ninguna de entrar hora en cuenta
con vos, mi Qurron. yo traygo acordado,
pues es cosa cierta, segun que he notado,
que Dios la salud nos da, y acrecienta;
no menos la vida tambien nos augmenta
comer con gran gana muy liuerte de todo:
que de otra manera la muerte de lodo
nos pone, y debaxo de tal aposenta *).
Quiijas que aunque el hombre este trascordado,
y harto de andar por valles y cuestas,
y trayga las mientes en vos mucho puestas,
dires vos a 2 ) hombre que coma un bocado.
Yo acuerdo sentarme, pues vengo cansado,
y no dilatar con vos mäs razones.
; Süs ea, sali por los cabeijones!
Veamos lo que es en vos encerrado.
(Saca una bota)
Vos estares queda aqui do os assiento,
Mira , que guardes muy bien el despojo.
; Sali vos acä! que tengo cordojo
en ver, no liazeys cuenta de mi buen aliento.
; 0 que cabeqa de ajos! ;que a tiento!
No traygo otra eosa jpor san! mas preciada:
con esta yo cuydo de no lios dexar nada
dentro en el cuajo, si no me arrepiento.
; 0 que sabor! ; mal ayan mis males!
;Y cömo se cuela tarn bien con el ajo!
Ygual es aquesto que el otro s ) brevajo,
que me mandö dar el licenciado Morales
de aquesta manera, por yr ä pascuales.
Qui^as podrä ser que vamos agejas 4 ).
; 0 como me arden aquestas orejas!
jBenditas las viiias que dan vinos tales!
De aquesta manera me entiendo curar,
y dense mis amos priessa a grufiir:
pues he, no se quando, ; pardios ! de morir,
y si hombre algo tiene, acä ha de quedar.
’) So fordert der Reim, statt des verdruckten : aposento.
3 ) Im Text offenbar verdruckt: ba.
3 ) Im Text: eilo tro.
4 ) Wobt statt: a quejas, oder wahrscheinlicher a aquejas, d. i. aqucjainientos,
dass wir Eile haben, getrieben werden; nach der Analogie von: andar ä las
bonicas, und dem später auch hier vorkommenden: andar äporradas?
Ein spanisches Frohnleichnamsspiel vom Todtentanz.
143
; Pardiobre! si puedo, que no ha de ganar
fiesego 1 ) nada, ni cregos *) comigo.
Si desta manera de agora me sigo,
bien pueden un perro jpardios! espulgar.
Pues dexo el ganado paciendo seguro,
acuerdo a esta sombra hecharme a dormir:
que en esto poquillo que aca he de biuir,
gozar mis madexas de oy mäs ; yo lo juro!
(Echase a dormir.)
(Vuelve tu) DhtcHc.
Bien piensa el villano, que tiene algun muro
que sea bastante ä mi resistencia.
Y ; conto pone en dormir gran emencia 3 )
el bruto salvaje, villano maduro! —
iRecuerda, y levanta del sueno, pastor!
Cata, que el mundo te tiene vencido.
Levanta del bueno, y torna con sentido,
qu’ estas muy tendido, durmiendo k sabor. —
jMaldita la cosa! j le aquexa, temor!
jNi acuerdo ninguno que tenga de mi! — 4 )
i Levanta, zagal! que vengo por ti,
que ansi me es mandado de alto seüor.
I Quien es el que llama, que tanto temor
me ha puesto con voz tan triste, espantosa?
Wohl für fisco.
s ) D. i. clerigos.
8 ) D. i. hemencia, vehemencia.
4 ) Diese Stelle ist etwas dunkel, und diegegebene Interpunction nur einVersuch,
einen Sinn herauszubringen, nämlich der Tod spricht diesen und den vorher
gehenden Vers für sich, nachdem er vergeblich versucht, den Schläfer zu
wecken, der, wohl gemerkt, mit Todesgedanken eingeschlafen war; darum
sagt nun der Tod: „Verwünscht! ängste ihn, Furcht! Noch möge er irgend
eine Erinnerung an mich haben !”— (um ihn unvorbereitetzu überraschen).
Jedesfalls ist es ein sehr beachtenswerfher Zug, dass der Tod über die in
weltlicher Eitelkeit Versunkenen und seiner gänzlich Vergessenden, seien sie
auch so hoch gestellt wie der Papst, der König, augenblicklich Gewalt erhält;
hingegen dem einfachen Schäfer, der aber der Vergänglichkeit alles Irdischen
und der Nähe des Todes selbst im Genüsse des Augenblickes eingedenk bleibt,
nicht überraschen und bewältigen kann.
144
Ferdinand Wolf.
DülCi'td.
Hermano, la Muerte, que nunca reposa,
liaziendo al mas grande ygual al menor.
Yo liago qu’el Papa, el Rey, el sefior
vengan a ser yguales ä li.
Pflftov.
; En algo 4 ) entiendes! eeliaos, y dorini
debaxo essa pena, y seräos mejor.
UTiterfe.
No son essas eosas, hermano, ä in! dadas ,
que nunca las huve jamas menester,
ni haze ä mi 2 ) caso dormir ni comer,
sino andar con los bivos contino ä porradas.
Prtfiov.
Pues i eömo, y teniendo tan ruynes quixadas
salis de contino, dezi, vitoriosa?
ilTmnfP.
Si, porque biva en el mundo no ay cosa
ni cosas que a mi no sean sojuzgadas.
Por tanto no pienses, pastor, escapas
de mi general y fuerte combate;
mas tien por muy cierto, que te he de dar mate,
y en esta mi forma y manera törriar.
Pflflot*.
; Par diobre! que tengo con vos de luchar.
Saco, no valgan ; mira! ^ancadillas,
que quiero muy sanas tener las costillas,
y gana no tengo j par Dios! de finar.
lltiitfle.
i O eömo es grande, pastor, tu inocencia,
en quererte comigo poner ä luchar!
Tu piensas, si dado me fuesse lugar
de aquella divina y real providencia,
que fucr^as, sentidos con grave dolencia
perder no te haria con gran turbacion.
’) Wohl für: en 41, en otra cosa; beschäftige dich mit etwas Anderem.
ä ) Im Text unrichtig: u n.
145
Bin spanisches Fi'ohnleichnamsspiel vom Todtentanz.
Pßftor.
Luego tu esperas, como liaze el sayon,
ä que pronuncie eljuez la sentencia.
linierte.
Tu dizes eil esto, pastor, la verdad;
mas ya que alcan^aste lo tal ä entender,
razon es que sientas, que tienes el ser
subjeto a mi fuerQa do uo lias libertad:
y pues tienes vida sin seguridad,
della lias de ser, contempla, privado
muy presto, pues tiempo no liay limitado.
Haras con aquestos, pastor, ygualdad.
P«ftcr.
Con esse oso*) que ; por san! que no quiero.
^Pensas en aliviarme con vuestras consejas?
i Pardiobre! no dexe guardar mis ovejas
por otro renazgo a ), papazgo ni 3 ) papero.
llltierfc.
Escucbame aea si quieres, majadero,
que digo que tienes con estos venir
en su ygualdad en quanto al morir.
prtftor.
Y mi esposa despues ique liarä, si yo muero?
linierte.
I Aqucsto te pena? Qui^a yrä primero
comigo tu esposa querida Costan^a.
Prtftor.
No tengo della yo tal confianpa
que dexe por otro ini gala y 4 ) papero.
Sabes i quäl pard ä Juan meseguero,
porque llego ä liazelle cosquillas?
;Por san! con la rueca le diö en las costillas,
y un huerte rascuno en aquel trasero.
) D. i. hueso,
) D. i. reinazgo.
) Das im Text stehende: vii scheint keinen Sinn zu geben"!
) Das im Text fehlende y scheint der Sinn zu fordern.
■
S
146
Ferdinand Wolf.
linierte.
i 0 cömo liuelgas liablar necedades,
ecliando por alto, pastor, mis razones!
No quiero contigo travar mas quistiones,
pues viene quien burle de tus liviandades:
escuclia *) sus dichos que son las verdades,
mediante los quales, si estäs muy atento,
muy presto vendras en conoscimiento
de quanto me deven temor los mortales.
(Sule la) HajOll
Dios te de vida y gracia, pastor,
tal que me ames de muy buena mente.
Mucho me liuelgo de verte presente,
exemplo tan sano ä qualquier peccador:
contempla qu’el Papa, el Rey, el seiior,
no menos los otros eslados menores
liasta los miseros pobres pastores,
que aquella 2 ) los lleva sin mas defensor.
Por tanto no fies, hermano, del mundo,
ni menos de nada por quanto el ofresce
aca en esta vida do todo peresce,
salvo el servieio del verbo jocundo:
si en este servieio te ocupas, profundo,
por Dios despreciando las cosas terrenas,
yo te asseguro que escapes de penas,
qu’ enpues ä los malos se dan 3 ) en el profundo.
Ten esperanza contino, y temor
de aquella que a todos los bivos aquexa,
pues cosa en el suelo, aunque fuerte, no dexa,
no menos lo flaco, con grande furor
tirando muy cierto con su passador,
segun avras visto en tiempo passado.
}3rtftor,
Tambien me liiriö ; mas vesme escapado.
*) Im Text wolil irrig: escucho.
2 ) D. i. la muerte.
3 ) Der Text hat: da, und auch das Versmass fordert hier eine Elision; da
aber häufig unregelmässige Verse Vorkommen, so scheint dan vorzuzielien,
wie es die grammatische Construction und der Sinn fordern.
I
!
I
14?
Ein spanisches Frohnleiclinamsspiel vom Todtentanz.
HTttcrte.
Por tanto da gracias, hermano, al Senor.
Y mira que sientas, le plugo y qu’el 1 ) quiso
dexarte, que emiendes la vida pasoada:
por ende las cosas del mundo en no nada
tendräs, procurando acä el parayso.
Prtffor.
De aqui yo’s prometo bivir sobre aviso,
y nunca papar de oy mas peccados.
( Volviendose ä la Razon.)
Dezidme, senora, ^comeres dos bocados
de pan de centeno y un ajo bien liso ?
ilajon.
Ante, yo mesma me do en colacion
ä quantos me quieren. y ä ti.
Pöfior.
Que ä vos days ,
pues £ cömo aveys nombre, dezidme, ä do vays ?
que j soncas, me eopanta tan gran novacion!
MrtJClt.
Tu deves saber que soy la Razon,
ä quien los humanos biviendo aborrescen
en casos fortunos que acä les contescen.
(Sälen la Ira y el Eniendimiento)
Por mi que procuro dar tal ocasion.
La quäl interpongo de dar con presteza
do quiera que quadra acä entre mortales
(Seiiala ä la Razon)
Pore 2 ), esta faltando, sucedan mil males
ä donde mi intento, sabräs, se endere^a.
1 ) Im Text das unverständliche : q u e u , was, sollte auch nach galicischer Mund
art que eu für que yo stehen, nicht mit quiso zusammenstimmen würde, und
ebenso wenig könnte man lesen: que eu, quiso (nämlich el Senor), denn dann
müsste es heissen: te deje.
2 ) So: por e, wohl für: poren oder por que; ersteres würde aber ohne Eli
sion den Vers um eine Sylbe zu lang machen und den Rhythmus zerstören.
Sitzb. d. phil.-hist. CI. VIII. Bd. II. Hft.
10
148
Ferdinand Wo! f.
igtiten&iittiento.
(Sciialandu a la Ira)
Esta de mi — que cn toda cabe^a
soy ciertainente, sabras, habitante —
es la que haze salir, y aun adelante
de si la Razon, e *) con gran fortaleza.
Esta corrompe qualquier voluntad,
que varias se pueden las tales dezir:
pues parte contraria las haze seguir.
y junto con ellas a ml en ceguedad.
Wajon.
En todo lo dicho no falta verdad.
(Volvienilose al Pastor)
; t Haslo, por dicha, sentido y notado?
Paftoi-.
i Par Diego, que no! que va revesado.
Hfljon.
Nota pues, dello te 2 ) doy claridad.
Tu deves, hermano, sin duda saber,
que aquesta es la Ira, muy grave peccado,
la quäl me destierra de todo poblado,
ecliandome fuera segun su poder.
(Senala al Entendimiento)
De aqueste que agora su noinbre a entender
procuro de darte, por hazcr contento,
el quäl introduze por entendimiento,
que por ser muy ilaco se dexa vencer.
PflflOf.
; A otras, seiiora! segun que inagino 3 ),
ä parte dexando que soys muy liermosa,
pues vos a los bombres soys tan provechosa,
que os traten tan mal, es gran desatino.
Mas, por que no salga jamas de camino
aca mientra biva en qualque provecho 4 ),
con vos, que guiays camino derecho,
lener compafiia de Oy müs 5 ) determino.
(Senala el Entendimiento)
J ) So wohl das im Text stehende: razono zu verbessern.
2 ) Im Text wohl verdruckt: le; man müsste denn den ganzen Satz: dello le
doy claridad, als ein aparte nehmen 1
3 ) D. i. imagino.
f j im Text offenbar verdruckt: perrocho, was sinn- und reimlos ist.
5 ) Im Text verdruckt: mal.
Kin spanisches Frohnleichnamsspiel vom Todtentanz.
149
Y vos, sobre aviso de oy mas estareys. ■
iGuardä! que la Ira viniendo, mirad,
la puerta no os gane de la voluntad,
por donde se alcan^a y consigue interes
de parte de aquesta maldita, lo 1 ) quäl es.
segun que percalo, la justa razon:
y aquesta biviendo, mirä bobarron,
conviene que siempre muy liuerte guardeys.
Y desta manera teniendo cuydado,
ansi resistiendo muy liuerte a la Ira.
; por san! que la liagays mäs rezia, que vira
bolver donde vino, a otras, priado.
(Volviendose a la Razon)
Y pues que por suyo, seiiora, me he dado
yre do me quiera jpardiobre! llevar.
ItßJOlI.
Muy cerca de aqui a ver y adorar
ä Dios sempiterno, en pan transformado.
En cuyo. servicio con loor muy creseido
oy haze la yglesia muy grande memoria.
Y cömo? ;tal fiesta a ti no es notoria!
PflflOf.
No, pese hora a san, que he-) estado dormido.
Wrtjon.
Si quieres saber, despierta el sentido,
y escüchame acä, pues tanto dormiste:
tii deves saber que oy corpus Christo,
fiesta muy digna de gozo complido.
P^ftOf.
i 0 quän bien andante, dichoso zagal
me puedo oy llamar sin duda, pardios 3 )!
en solo topar, seiiora, con vos
por estos desiertos en este herial:
de ado muy plaeiente concluye Pascual,
llevando lios delante, seiiora, por guia.
Partainos los dos de aqui en compania
a do ver podamos al Rey celestial.
) So wollt statt des im Text stehenden beziehungslosen el.
) Die im Text fehlenden a und he sind supplirt worden, wie sie Sinn
und Consti-uction fordern und da sie ohnehin nur durch die Synalöphen
ausgefallen sind.
') Statt des im Text stehenden sinnlosen: Parnos.
10
1 50 Ferd. Wolf. Ein spanisches Frohnleichnamsspiel vom Todtentanz.
Hajo».
i Sus vamos, hermano, sin mas dilaeion
do tienes respeto segun buen cliristiano!
Camina placiente asido ä mi mano,
pues eres venido comigo en union.
Sey sosoegado, y ten atencion,
pon las rodillas en tierra priado:
que Dios sempiterno, en pan trasformado
£vesle do yace? ; Süs, hazle oracion
Pflfior. 4
i O pan excelente, divino manjar,
en carne del liijo de Dios convertido!
0 sacro mysterio, por quien soy venido
aqui, dö me truxo Razon sin herrar,
solo a te ver, Seiior, y adorar,
qu’en pan trasformado, segun tengo mientes,
y hazes por bien de todas las gentes
que quieren contigo sobir ä reynar!
Adoro te, verbo divino, sagrado,
que yaces debaxo de aqueste acidente,
y a tu magestad suplico bumilmente,
puesto que indigno, de ynojos prostrado:
nos libres y guardes, Seiior, del peccado,
dando nos graeia aca, que aleancemos
el reyno de gloria, Sefior, que alendemos,
por ti prometido a nos de buen grado.
Y pues he gozado sin mas resistencia
ver quäl he visto sin dubda oy, por san,
a Dios sempiterno en forma de pan,
manjar saludable de nuestra doleneia:
concluyo — pues quiero con gran diligencia
bolver a mi bato — con gozo nolorio,
perdon demandando al noble auditorio
de la pesadumbre de nuestra engorrencia.
Laus Deo.
Ignaz Beidtel. Uebcr österr. Zustände i. d. Jahren 1740—1792. 151
Fortsetzung der Vorträge über österreichische Zustände
in den Jahren 1740 — 1792.
Von dem c. M. Hrn..Oberlandesgerichtsrath Beidtel.
V.
üeber die Entwickelung der Justizgesetzgebung unter Kaiser Joseph II.
in Hinsicht auf die Hypothekargesetze.
Die Entwickelung der Justizreformen unter der Regierung
Joseph’s II. (1780 — 1790) ist für ddn Historiker, welcher der
inneren Geschichte der österreichischen Monarchie in der Periode
von 1740 bis 1792 seine Aufmerksamkeit zuwendet, nicht minder
merkwürdig, als es die ersten Schritte zu dieser Justizreform und
ihre Einwirkung auf die Gemeindeverfassungen unter Maria Theresia
gewesen sind. Diese Entwickelung zeigt, was unter Joseph geworden,
und wenn man erwägt, dass an dem damals Eingeführten unter dem
Kaiser Leopold II. wenig geändert worden und unter den späteren
Regierungen stets die Josephinischen Justizgesetze die Grundlage
aller neuen Justizeinrichtungen geblieben sind, indem man nur Ver
besserungen im Einzelnen wollte, so sieht man, dass die
Josephinischen Reformen eigentlich auf unsere gesellschaftlichen Zu
stände so entscheidend einwirkten, als es nur überhaupt Justiz
reformen, welche von der Staatsgewalt ausgehen, vermögen.
Joseph II. war der Mann seiner Zeit. Er gehörte ihr mit seiner
Bildung, seinen Ansichten, seinen Hoffnungen und seinen Besorg
nissen. Er hatte grosse Pläne, aber um sie ausfübren und noch unter
dem Baume ruhen zu können, welchen er gepflanzt hatte, wollte er,
dass in allen Verwaltungszweigen schnell an den für nothwendig
erachteten Reformen gearbeitet werde. Ganz natürlich wollte er also
auch die Justizgesetzgebung, deren grosse Wichtigkeit für die meisten
Lebensverhältnisse er nicht verkannte, bald beendigt sehen, und zwar
im Sinne der Aufklärungspartei, welche schon seit dem Jahre 1760
auf die österreichische Gesetzgebung einen bedeutenden Einfluss
gehabt hatte. Joseph wechselte daher nach seinem Regierungsantritte
schnell Referenten und Instructionen und innerhalb acht Jahren trat
durch eine Reihe einzelner mehr oder weniger wichtigen Gesetze eine
neue Gesetzgebung hervor, ivelche man vollständig hätte nennen
152
i ynaz B eiiltcl.
können, wenn nicht im Februar 1790, in welchem der Kaiser
starb, noch das Sachenrecht des bürgerlichen Gesetzbuches ge
fehlt hätte.
Zufolge dieser Gesetzgebung bestand für alle Streitsachen eine
und dieselbe Processordnung; bei den als Collegien organisirten Ge
richtsstellen bestand eine auch viele Amtshandlungen des nicht strei
tigen Richteramtes betreffende Instruction; der Gerichtsstand
durch Gleiche hatte fast ein Ende erreicht, die Gerichtsbarkeit der
Universitäten und der bischöflichen Gerichte hatte aufgehört; die alten
Communalverfassungen waren aufgehoben worden; ein neues Straf
gesetzbuch stand da, ebenso ein neues Strafverfahren; der Geschäfts
gang war geändert; ein folgenreiches Gesetz über die gesetzliche Erb
folge war eingeführt; in Ansehung der Heiratsgüter und der Ehe war
viel neues angeordnet; ja selbst das Familienverhältniss hatte neue
gesetzliche Grundlagen erhalten.
Mehrere Bestimmungen dieser Gesetze griffen tief in das gewöhn
liche Leben ein; sie bestimmten die Art, wie manche Verträge z. B. in
Ansehung des Heiratsgutes und der weiblichen Ansprüche abzufassen
seien; sie entschieden über die Leichtigkeit das Vermögen zu con-
centriren/zu theilen oder zu verbrauchen, und nach Umständen wohl
auch über die Art, wie man sein Vermögen oder seine Kräfte auf die
vortheilhafteste Art geltend machen könne.
Hier soll nur eine der wichtigeren neuen Einrichtungen, welche
unter Joseph II. hervortraten, nämlich die Einrichtung des Hypotheken
wesens betrachtet werden, jedoch keineswegs mit jener Umständlich
keit, welche etwa der Rechtsgelehrte wünschen könnte, sondern bloss
nach den Wirkungen, welche sie in historischer Rücksicht
hervorgebracht hat und wodurch sie auch auf die politischen
Zustände zurück wirkte.
Es ist eine bekannte Sache, dass man in allen Staaten die Grund-
eigenthiimer für die natürlichenStützen der Ordnung im Staate gehalten
hat und im Allgemeinen ihre Lage eine glückliche nannte. Unstreitig
gibt ein Grundbesitz, wenn er gross genug ist, die Bedürfnisse einer
Familie zu decken und nicht etwa dem Besitzer durch zu hohe Ab
gaben, durch Schulden oder durch Feudallasten ein grosser Theil
des Ertrages entzogen ist, einer Familie eine behagliche Existenz,
welche, gleichweit von Reichthum und Armutli entfernt, Anhänglich
keit an den Boden, welcher sie nährt, erzeugt. In dieser Lage be-
Ueber österr. Zustände in den Jahren 1740 — 1792.
153
stehen gewöhnlich einfache Sitten, wenig Hang zu Veränderungen
und überhaupt günstige Einwirkungen auf den National Charakter.
Wird dagegen der Reinertrag des Bodens, von welchem eine
Familie lebt, bedeutend vermindert, sei es nun durch Steuern, Un
glücksfälle, Schulden oder hohe Feudalabgaben, so dass die zur Ver
fügung übrigbleibende Rente des Grundeigenthümers seine gewöhn
lichen Ausgaben nicht deckt, so entsteht ein Ringen mit den Ver
hältnissen, eine beständige Beschäftigung mit Gedanken, deren
Mittelpunct das Geld ist, und eine Denkungsart, bei welcher die
Vaterlandsliebe nicht gewinnt.
Aus diesem Gesichtspuncte betrachtet, sind die Belastungen
des unbeweglichen Eigenthums an Häusern und Grundstücken sowohl
für die Besitzer als den Staat keine gleichgültige Sache.
Die älteren Zeiten, welche bedeutende Feudalabgaben kannten,
hatten eine Menge von Institutionen, welche die Belastung des Grund
eigenthums mit Schulden erschwerten oder verhinderten. Bei den
grösseren Familien galt meistens, zufolge der Gewohnheit, des Ge
setzes oder des Privilegiums, das Recht der Erstgeburt oder es war
die Begünstigung des männlichen Geschlechts gegen das weibliche
eingeführt; in den Städten herrschten ähnliche Einrichtungen und auf
den Dörfern machten die den Feudalherren oder der Gemeinde
zuständigen Heimfallsrechte, dass der Landmann in der Benützung
des Realcredites sehr beschränkt war. Diejenigen nämlich, denen die
Heimfallsrechte zustanden, wollten dem Landmann keine Aufnahme
von Capitalien gestatten, welche sie s e lb s t in dem Falle des Heimfalls
hätten zahlen müssen, auch schien es ihnen oft wegen der andern
Lasten, welche auf den Bauerngütern lagen, bedenklich noch Ein
schuldungen zuzulassen.
In den österreichischen Staaten war nach der Verfassung der
meisten Provinzen noch um das Jahr 1763 der Landmann bloss ein
mehr oder weniger beschränkter Nutzungseigenthümer seinei
Grundstücke. Die Regierung hatte in einigen Provinzen und nament
lich in Böhmen durch das Gesetz vom 6. Februar 17 <0 dahin gewirkt,
dass die Bauern auf leichte Bedingungen das Eigenthum ihrer Grund
stücke erhielten, allein um das Jahr 1783 hatten noch nicht a 11 e
Bauern ihre Grundstücke im vollständigen Eigenthume, auch war von
den Bauerngründen an Steuern, Feudalabgaben, Zehnten u. s. w. so
viel zu entrichten, dass nur die Bauern mit einem grösseren Grund-
154
Ignaz Beidtnl.
besitze wohlhabend genannt werden konnten, jene mit einem kleinen
aber in einer dürftigen Lage waren, welche dann, wenn etwa mit der
Bauernhütte kein Grundbesitz verbunden und der Besitzer derselben
an Handarbeiten gewiesen war, bis zur eigentlichen Armuth hinab
gehen konnte.
Unter der Regierung des Kaisers Joseph II. bestand aber, wie in
dem ganzen westlichen Europa, so auch in den österreichischen
Staaten, das Verlangen, die Lage des Bauernstandes zu ver
bessern. Unter die Mittel sollte vor allem eine fortgesetzte Milderung
der Feudallasten gehören. Vieles erwartete man aber auch davon,
dass der Bauer, wenn er eine grössere Schulbildung erhalte, mittelst
eines mehr rationellen Betriebes der Landwirthschaft seine
Einkünfte erhöhen werde. Allein, dass dann auch Capitale für die
Verbesserungen nothwendig sein würden, war nicht zu verkennen,
diese aber dem Bauer zu verschaffen, hielt man, wenn er auf seinen
Grund Schulden machen könne, für leicht.
So wie man der landwirtschaftlichen Verbesserungen wegen
für den Bauer seinen Realcredit zu gründen wünschte, so wünschte
man wieder für die Herrschaftsbesitzer und die Hauseigentümer in
den grösseren Städten einen solchen Credit im Hinblick auf jene
Gleichheit der Rechte, welche man für eine Forderung der Vernunft
erklärte und daher dem Erbrechte zum Grunde legte.
Warum, hiess es, soll ein Sohn den ganzen Grundbesitz und die
andern Söhne und die Töchter keinen Theil davon erhalten? Sie sind
Kinder so gut wie die andern vorher von dem Gesetze Begünstigten.
Die Betrachtung ging noch weiter. Wenn, hiess es, der Grund
eigentümer seinen Geschwistern Erbteile hinauszuzahlen und bis
zur Hiuauszahlung auf den ererbten Grund zu versichern hat, so wird
der Eigentümer der Realität zwar allerdings eine kleinere freie Rente
haben, als er ausserdem gehabt haben würde, allein er wird dadurch
gezwungen industriös zu sein, um seinen Grundertrag durch Ver
besserungen zu erhöhen.
Es kann auch sein, dass der Grundeigentümer, um sich die Hin
auszahlungen an die Geschwister zu erleichtern, eine wohlhabende
Braut sucht und lindet. Die Geschwister aber haben den Vorteil,
dass sie ein Capital erlangen, welches ihnen vielleicht den Antritt
eines Gewerbes oder eines kleinen Handels möglich macht, wodurch
wieder die .Industrie gewinnt.
Uelier österr. Zusliind'e in ilen Jahren 1740 —1792.
155
Man verkannte nicht, dass Besitzer, welche viele Schulden auf
ihrem Besitze haben, leicht auf Andringen der Gläubiger durch den
Ausspruch des Richters ihren Besitz verlieren können. Allein diese
Betrachtung schien kein erheblicher Einwurf gegen die Freiheit
der Schuldencontralürung auf das unbewegliche Eigenthum zu sein.
Man meinte, der aus dem Besitz getretene Besitzer werde doch
noch Einiges an Vermögen retten, was ihm zur Gründung einer
andern bürgerlichen Stellung zu Gute komme, und der neue Käufer
werde sich hüten dann zu kaufen, wenn er nur einen kleinen Theil
des Kaufgeldes bezahlen könne und also mit grossen Schulden an
fangen müsse.
Es gab Finanzmänner, welche hei einem häutigeren Wechsel der
Eigenthümer auch Vortheile für das Stempelgefäll, die Gerichtstaxen
und die Veränderungsgebühren sahen, es gab Menschen, welche es als
einen Vortheil für die Cultur ansahen, wenn von Zeit zu Zeit Aus
wärtige in eine Gemeinde treten, es gab endlich Politiker, welche
meinten, Alles gehe, wenn es einmal eingeführt sei, die Menschen
wüssten sich nämlich in jeder Lage zu helfen.
Diese Betrachtungen schienen es nun den von dem Monarchen
mit der Gesetzgebung betrauten Männern zu empfehlen, dass die Be
stallung von Hypotheken auf Grundstücken und Häusern durch das
Gesetz erleichtert werde. Einrichtungen dieser Art waren bereits
in vielen Staaten von Europa gemacht, in den österreichischen Staaten
kamen aber noch einige besondere Verhältnisse hinzu, welche sie
begünstigten.
In den meisten österreichischen Provinzen war es nemlich
mehr durch die Gewohnheit und die Convenienz, als durch Gesetze
eingeführt worden, dass man Eigenthümer mit geschlossenen
Grundbesitzungen hatte. Zu jeder Herrschaft, zu jedem Bauernhöfe
gehörten gewisse Grundstücke, welche nicht willkürlich von dieser
Besitzung getrennt werden konnten. Der Besitzer hatte zwar manch
mal noch andere trennbare Grundstücke, aber dies war eine zufällige
Erscheinung. In ganzen Provinzen herrschte daher das sogenannte
„System der Complexe.” Es lag oft der Besteuerung oder den Feudal
abgaben zum Grunde, und obgleich man in der Periode von I ToO
bis 1790 sehr wenig von den grösseren Besitzungen zu halten anfing
und daher von der Staatsverwaltung das System der Zerstückungen _
begünstiget wurde, so konnte doch keine Trennung des Complexes
156
I gnaz Beidtel.
ohne obrigkeitliche Bewilligung erfolgen, wodurch also
stets das System der Complexe blieb, wenn sich auch ihr Umfang
von Zeit zu Zeit ändern konnte.
Eine solche Verfassung war für die Begünstigung des Real-
credits ungemein vortheilhaft. Der Gläubiger kennt bei ihr genau das
Object, auf welches er eine Versicherung sucht, und da keine Tren
nung des Complexes erfolgen kann, ohne dass er früher von ihr
verständiget wird, so kann auch eine von dem Eigenthümer veran
staltete Parcelirung seines Grundeigenthums den Hypothekargläubiger
wegen seiner Sicherheit nicht beunruhigen.
Nur ein Umstand war für den Geldverleiher, welcher einen
Bealcredit gibt, nach dem Zustande von 1779, oft bedenklich, und
dieser war die Existenz gesetzlicher und privilegirter
Hypotheken. Schon das römische Hecht, welches in so vielen
Gegenden des österreichischen Staates noch subsidarisches Hecht
war, kannte sie und die Landesgesetze hatten hierüber noch neue
erweiternde Bestimmungen gemacht. So konnte es geschehen, dass
gesetzliche Pfandrechte bestanden, welche man aus dem öffent
lichen Buche nicht erfahren konnte, oder privilegirte Pfand
rechte geltend gemacht wurden, welche, obgleich später erworben,
dennoch einer schon früher erworbenen Hypothek vor gingen.
Notlnvendig beschränkten also solche Hypnthekargesetze den
Realeredit.
Zu diesen durch die gesetzlichen und privilegirten Hypotheken
entstandenen Bedenklichkeiten der Darleihen kamen noch andere,
veranlasst durch die oft sehr mangelhafte Führung der öffentlichen
Bücher. Ohne gehörige Nachweisungen, warum diese oder jene
Tabularschuld erloschen sei, erschien sie oft im öffentlichen Buche
durchstrichen, oder eine vom Gerichte bewilligte Löschung war gar
nicht angemerkt und liess also eine nicht mehr bestehende Schuld
in dem öffentlichen Buche erscheinen.
Diese Betrachtungen und eine oft für die Eintreibung von For
derungen allzu langsame oder kostspielige Justizverwaltung beschränk
ten selbst auf jenen Grundbesitzungen sehr den Realeredit, auf welche
sonst ohne Anstand von dem Eigenthümer Buchschulden gemacht
werden konnten, was zur Folge hatte, dass selbst bei solchen Be
sitzungen vor dem Jahre 1784 selten eine beträchtliche Hypothekar
last vorkam.
Heber österr. Zustände in den Jahren 1740 — 1792.
IST
Bei der Josephinischen Justizgesetzgebung ging man aber, dem
Zeitgeiste folgend, welcher dieMobilisirungdesGrundeigen-
thums wollte, von der Ansicht aus, dass man durch Abschaffung der
gesetzlichen und privilegirten Pfandrechte, so wie durch Maasregeln
zu einer geordneten Führung der öffentlichen Bücher den Realcredit
sehr liehen könne. Man that in dieser Rücksicht viel, aber doch nicht
Alles, was geschehen konnte. Die oben angedeuteten Grundsätze
wurden weder vollständig noch rein ausgeführt und es kam das in
so vielen Beziehungen wichtige System der Pränotationen und Su
perpränotationen auf, welches die Führung der öffentlichen Bücher
verwickelte und die Uebersicht der auf einer Besitzung haftenden
Lasten erschwerte. Aber die zwei Hauptgrundsätze, von denen jede
gute Führung der öffentlichen Bücher ausgehen muss, wenn sie dem
Einsichtnehmenden Beruhigung verschaffen soll, nämlich der Grund
satz, dass nur die aus dem öffentlichen Buche ersichtliche
Hypothek bestehe, und zweitens, dass unter den bestehenden die
frühere Forderung, wenn es auf Zahlung ankommt, stets der spä
teren vorangehe, wurde doch ziemlich genau durchgeführt.
Demzufolge war die Josephinische Justizgesetz
gebung der Erlangung des Real er edits sehr günstig;
aber es entstanden nun auch, besonders da sie bis auf den heutigen
Tag geblieben ist, mehrere wichtige Folgen. Um sie gehörig zu
würdigen, müssen wir aber vor allem die Hauptursachen, welche die
Belastung des städtischen und Landeigenthums mit Hypotheken her
beizuführen pflegen, in Betrachtung ziehen. Es waren folgende:
1. Die Erbfolgegesetze, welche allen Kindern ein gleiches ge
setzliches Erbrecht gewähren. Wenn nämlich irgend ein Sohn das
Haus oder die Landwirtschaft seines Vaters übernimmt, aber wegen
des Abganges an anderm Vermögen seinen Geschwistern Erbteile zu
zahlen hat, so bleibet ihm in den meisten Fällen nichts anders übrig,
als diese Erbteile als Schuld auf seinem Besitze zu versichern,
oder wie der Kunstausdruck lautet, intabuliren zu lassen und sofort
zu verzinsen. Es begreift sich, dass die zu versichernden Summen
verhältnissmässig sehr hoch sein müssen, wenn etwa viele Ge
schwister sind, und daher ist es eine alltägliche Erscheinung,
dass mancher Besitzer, dessen Haus 4000 Gulden wert ist, auf
diesem Hause mehr als 2000 Gulden seinen Geschwistern ver
sichern muss.
158
Ignaz Beiiltel.
. 2. Oft geschieht es, besonders bei grösseren Landbesitzungen,
dass der Besitzer, um landwirthschaftliche Verbesserungen durchzu-
fiihren, auf seinen Besitz Schulden machen muss. Allerdings werden
oft solche Verbesserungen aus dem Ertrage der Verbesserungen
wieder bezahlt, aber manche Verbesserungsplane misslingen und
selbst bei den gelungenen besteht wenigstens längere Zeit, nämlich
bis zur Tilgung der Schuld, die Buchschuld.
3. Bei den Käufen und Verkäufen der Realitäten geschieht es
alle Tage, dass der Käufer die auf der Realität versicherten Schulden
zur Zahlung übernimmt und diesen Betrag von dem verabredeten
Kaufgelde abrechnet. So werden, wenn Jemand eine Landwirt
schaft um 10.000 Gulden kauft, aber auf dieser Landwirtschaft
4000 Gulden an intabulirten Schulden bestehen, nur 6000 Gulden haar
dem Verkäufer übergeben und gleichwohl wird der Käufer der Eigen
tümer der auf 10.000 Gulden geschätzten Landwirtschaft. Hier
bestehen also Buchschulden schon zufolge des Kaufvertrages
und ihre Uebernahme war auch eine wirkliche Zahlung, weil gesetz
lich der jeweilige Besitzer einer Realität für die auf ihr haftenden
Buchschulden haftet.
■ 4. Manchmal geschieht es auch in Zeiten allgemeiner Noth, oder
einer schlechten ökonomischen Lage des Realitätenbesitzers, dass er
auf sein Eigenthum Buchschulden machen muss, anderer Veranlas
sungen z. B. der Ausheirathung einer Tochter, oder des Antrittes
eines Amtes, nicht zu erwähnen.
Durch diese Verhältnisse ist es geschehen, dass in jenen öster
reichischen Provinzen, in welchen die Hypothekargesetze das Auf
nehmen von Schulden begünstigen, schuldenfreie Grundbesitzungen
sehr selten Vorkommen, dagegen die meisten Grundbe
sitzungen bis zur Hälfte des Werthes mit Schulden, deren
Zinsen der Besitzer zu zahlen hat, bebürdet sind, und dass der Be
sitzer oft, wenn der Gläubiger die Zahlung verlangt, in Verlegenheit
ist, wie er sie werde leisten können. Es ist bekannt, dass wenn er sie
nicht leistet, gewöhnlich von dem Gläubiger die richterliche Hülfe
verlangt wird, wo es dann mit einem executiven Verkauf der Realität
sich zu endigen pflegt.
Ohne Zweifel ist die Lage eines Resitzers, welcher viele Hypo
thekarschuldenhat, eine weit schlimmere, als die eines schulden
freien Besitzers. Der erstere hat nicht nur, wie der letztere, für die
Ueber österr. Zustände in den Jahren 1740 — 1793.
1S9
landesherrlichen Abgaben und die etwa verfassungsmässigen Zehent-,
Feudal- und Landesabgaben zu sorgen, sondern auch für die Inter
essen seiner Tabularscbulden und die Mittel, sich in dem Falle der
Aufkündigung seiner Schuldposten zu helfen. Das sorgenfreie Leben
des schuldenfreien Besitzers wird also dem mit Schulden beladenen
n ; c ht zu Theil und das ist etwas Bedeutendes für die allgemeinen
Zustande eines Landes, weil die Grundbesitzer und ihre Familien den
grössten Theil der Bevölkerung ausmachen. Aus dieser Lage folgt
von selbst Einschränkung der Gastfreiheit, eine gewisse Aengstlich-
keit bei jeder neuerwarteten Ausgabe, ein Streben reicher zu scheinen
als man ist, ein gewisses Haschen nach reichen Heirathen, also eine
solche Veränderung in den häuslichen Verhältnissen, welche viel von
den ehemaligen Annehmlichkeiten des Landlebens nicht mehr möglich
macht.
Eine andere Folge ist, dass die Festsetzung der Grundsteuern
an den Staat, welche ohnehin zuweilen durch Feudal- und Local
abgaben zu einem sehr misslichen Geschäfte gemacht wird, nun
nothwendig noch misslicher werden muss. Der Staat rechnet
zum Beispiel, dass eine Besitzung von dem und dem Ertrage die
und die Grundsteuer an den Staat ertragen kann und die Berechnung
wäre auch eine ganz richtige gewesen, wenn dem Eigenthümer der
ganze Grundertrag bliebe, da aber der Eigenthümer vielleicht von sei
nen Einkünften von 4000 Gulden 1000 an seine Hypothekargläubiger
bezahlen muss, also nur 3000 Gulden an reinem Ertrage hat, so wild
die Grundsteuer für ihn drückend, und selbst in solchen Ländern, in
welchen sonst die Grundsteuern noch nicht übermässig sind, sind für
ihre Steigerung sehr enge Grenzen gesetzt.
Manche Finanzverwaltungen des Auslandes, welche mit ähnlichen
Verhältnissen der Grundeigentümer es zu thun halten, blickten zwar
auf dieses Verhältnis hin, aber sie verweilten nicht dabei. Sie
meinten der Grundeigentümer könne den auf seinem Grundeigenthum
versicherten Capitalisten verhältnissmässige Abzüge an ihrem
Zinsengenusse machen. Allein wer dies denkt, kennt nicht die leichte
Beweglichkeit der Capitale von Puncten, auf denen sie wenige Vor
teile verheissen, auf Puncte, wo sie mehrere Vorteile versprechen.
Es ist die allgemeine Erfahrung aller europäischen Staaten, dass die
Grundeigentümer durch verhältnissmässige Abzüge an dem Zinsen
genusse ihrer Gläubiger sich nicht erholen können.
1 BO
fiiaz Beidtel.
3. Eine dritte Folge der Belastungen des Grundeigentums mit
Hypothekarschulden ist die, dass viele, dem Landmann von der
Staatsverwaltung zugedachte Vortheile z. B. die Verminderung
oder Aufhebung des Pfarrzehentes, oder der Feudallasten, die
Lage der Bauern im Allgemeinen gegen das, was sie einst war, wenig
oder gar nicht verbessert haben. Was der Grundbesitzer an Feudal
abgaben oder Zehenten jetzt erspart, wird nämlich oft überwogen,
auch ganz abgesehen von der Erhöhung der Staatslasten seines Be
sitzes, durch die Summe seiner Interessenzahlungen.
4. Auch das geht aus dieser Stellung hervor, dass, einige grosse
Grundbesitzer ausgenommen, selten ein Grundbesitzer viel für die
Verbesserung seiner Landwirthsehaft tliun kann. Versuche sind ihrem
Resultate noch immer ungewiss und wer bereits mit Schulden bela
den ist, scheuet sich, eines Experimentes wegen, neue Schulden zu
machen. Ueherhaupt bat man in jener Zeit, in Avelcher man der Bo
denverbesserung wegen, dem Grundeigenthümer einen möglichst
grossen Realcredit verschaffen wollte, das. was von Verbesserungen
dieser Art zu erwarten sei, viel zu hoch angeschlagen. Man findet
in dem Lehrbuche von Sonnenfels *). der einen grossen Einfluss auf
die österreichische Gesetzgebung hatte, wie viel er von dem, was man
heut zu Tage SpatenwirthSchaft nennt, erwartete. Ungeachtet seit
beinahe einem Jahrhundert für die Vervollkommnung der Landwirt
schaft viel geschah, haben sich die Vervollkommnungen doch meistens
nur auf den grossen Grundbesitz beschränkt und wahrscheinlich den
lotalertrag der Ernten in Deutschland, in so fern nicht der Anbau von
Mais oder Knollengewächsen Unterschiede hervorbringt, nach dem
Urtheil der erfahrensten Landwirthe kaum um drei Procente ge
steigert.
5. Die Belastung des Grundeigenthums mit Buch-Schulden hat
ferner zu einem grossen Wechsel der Besitzer geführt. Der eine
verkauft aus Noth, der andere aus Speculation, das Grundeigenthum
ist, wie Leinwand oder Tuch, eine Waare geworden, welche aus einer
Hand in die andere geht. Jene innige Verbindung, welche ehemals bei
') Handlungswissenschaft. Auflage von 1771, Seite 110, 111 in der Anmerkung,
wo behauptet wird, der Besitzer von ein Paar Joch Feld würde dabei eine
grössere Ernte haben, als der Besitzer von acht.loch, welche auf die ge
wöhnliche Art bestellt würden.
lieber österr. Zustände in den Jahren 1740—1792.
161
einem mehr dauerhaften Besitze die Glieder einer Gemeinde zu einem
möglich gleichartigen Ganzen vereinigte, welches Gemeinde-Interessen
schuf und Verhältnisse erzeugte, von denen man glaubte, unter keiner
andern Regierung Hessen sie sich auf eine eben so befriedigende Art
fortsetzen, haben nach und nach andern Verhältnissen Platz gemacht
und bilden einen Tlieil jener Schwierigkeiten, mit denen heut zu
Tage alle Versuche zur Bildung fester Communalverhältnisse es zu
thun haben.
Diese wenigen Andeutungen über die durch die Hypothekar
systeme in den österreichischen Staaten entstandenen Veränderungen
dürften es, da ähnliche Einrichtungen in so vielen auswärtigen Staaten
getroffen worden, erklären, wie sich in so vielen europäischen Ländern
die Verarmung grosser Menschenclassen einfinden und das Grundei
genthum sich in ein den früheren Zeiten unbekanntes Verhältniss zur
Industrie stellen konnte. Nach den von dem preussisehen Statistiker
Hansemann 1 ) bereits im Jahre 1833 mitgetheilten Daten waren im
Jahre 1827 die zu einem Gesammtwerthe von 27 Millionen Reichs-
thaler abgeschätzten Rittergüter der Churmark mit 21 Millionen
Thaler Hypothekarschulden belastet. In demselben Jahre waren nicht
weniger als 17.347Subhastationsprocesse vorgenommen. Nach Schön 3 )
waren (1834)) in Westpreussen von 262 grossen Gütern nur 67 schul
denfrei und 71 befanden sich unter Sequester. Man schlug das
Landeigenthum im ganzen preussisehen Staate auf 1700 Millionen
Thaler an und darauf hafteten 430 Millionen Thaler Hypothekar
schulden. Bei einem Häuserwerth von 343 Millionen bestanden
203 Millionen bücherliche Lasten 3 ).
Der Freiherr von Haxthausen, welcher königlieh-preussischer
Regierungsrath war und im Jahre 1839 ein Werk über die ländliche
Verfassung in den Provinzen Ost- und Westpreussen herausgegeben
hat, erzäht mit Umständlichkeit die Geschichte der nach dem Jahre
1763 in jenen Provinzen zu Stande gekommenen Creditsinstitute und
bemerkt, wie günstig sie anfangs wirkten; sagt aber in Ansehung der
späteren Zustände nach 1806: „die Creditsinstitute erleichterten den
*) Hansemann, Preussen und Frankreich. Leipzig; 1833, S. 292, verglichen mit
Pölitz Jahrbücher der Geschichte und Politik. Decemberheft 1839, S. 527.
2 ) Schön, Statistik der Centralisation, S. 230.
Krause: Worin haben die Unruhen ihren Grund? Ilmenau, S. 71, 72.
162 Ignaz Beiiltel. Ueber österr. Zustände in den Jahren 1740—1702.
Verkehr mit dem grossen Grundeigenthum ungemein. Da kam jener
berüchtigte Güterschwindel, hier wie in anderen Provinzen das Ver
derben der Familien. Die Güter des Adels wurden Sache der Specu-
lation. Die Anhänglichkeit an den vaterländischen Herd, der ehren
feste Sinn, der in den von den Vorältern ererbten Gütern ein
unantastbares Heiligthum sieht, ging unter. Es war damals gar nicht
nöthig, dass man Vermögen hatte, um Güter zu kaufen, man kaufte sie
wie jetzt in Staatspapieren, um sie mit einigem Profit in der nächsten
Stunde wieder zu verkaufen.” Haxthausen, nachdem er noch einige
interessante Wahrnehmungen mitgetheilt, bemerkt, dass nach der
Katastrophe von 1806, um welche Zeit die französischen Armeen in
das Land kamen, sämmtliche Gutsbesitzer bei dem gesunkenen Werth
der Güter zu Grunde gerichtet waren, indem die Tabulargläubiger mehr
als den ganzen damaligen Werth zu fordern hatten.
Auch Frankreich hat darüber, wohin die Vermehrung der Hypo
thekarschulden führe, seine Erfahrungen gemacht. Schon im Jahre 1846
war das französische Grundeigenthum mit 12.000 Millionen Livres
belastet; deren Verzinsung jährlich von den auf 1650 Millionen Livres
angenommenen Ertrage 630 Millionen, also mehr als den dritten Theil
wegnahm 1 ). Das schwedische Grundeigenthum ist in den mittäglichen
Provinzen bis zu 50 Procent des Werthes belastet.
Zieht man nun die Wirkungen in Betrachtung, welche jener
Theil der Justizgesetzgebung hervorbringt, welcher sich mit den
Hypotheken beschäftigt, so wird man zugeben, dass er tief in alle
ökonomischen und gesellschaftlichen Verhältnisse eines Volkes ein
greift. Es kann hier nicht davon die Rede sein zu untersuchen, ob die
gewöhnlichen Ansichten über die Begünstigung des Realcredites die
richtigen sind, oder wie die jetzt in so vielen Staaten bestehende
Begünstigung des Realcredites auf die Industrie, den Handel, die
Steuerfähigkeit dieser oder jener Classe und die Summe unserer
säinmtlichen Staatseinrichtungen einwirkt; die Absicht bei dem heu
tigen Vortrage war nur zu zeigen, wie weit oft die Wirkungen eines
einzigen unter die Grundlagen der Justizgesetzgebung aufgenommenen
Grundsatzes gehen und wie sehr sich also, besonders bei der neuen
Geschichte des Studium dieser Grundsätze einem Historiker empfiehlt.
*) Nach Duic Siatistique de V agriculture, von 1848, pag. 4 — 43.
163
SITZUNG VOM 18. FEBRUAR 1852.
Hr. F o n t a n a, k. k. Consulats-Agent zu Molsetta (in Apulien)
gibt in einem an die Akademie gerichteten Schreiben Nachricht von
dem neuesten antiquarischen Funde in der Umgegend seines Wohn
ortes , und besonders von einer bei Ruvo ausgegrabenen sehr merk
würdigen gross-griechischen Vase, wovon er eine Abschrift des
officiellen Berichtes der Ausgrabungs-Commission beigeschlossen hat.
Hr. Regierungsrath Arneth wird auf Ersuchen der Classe
darüber berichten und dem Hrn. Einsender den Dank derselben in
einem eigenen Sendschreiben aussprechen.
Das c. M., Hr. Bibliothekar Sc hm eil er in München, sendet
der Classe einen Abdruck seines in der k. baier. Akademie gelesenen
Berichtes über seine Vorarbeiten zu einem Wörterbuche der Sprache
der sogenannten Cimbern der VII. und XIII. Communen von Vicenza
und Verona, und bietet ihr seine Arbeiten über diese Sprache, da
sie ein speciell österreichisches Interesse haben, zur Herausgabe an.
Die Classe nimmt diesen Antrag mit grossem Interesse und an
erkennender Würdigung auf, und überweist ihn zur Begutachtung
der zweckmässigsten Art der Ausführung einer Commission.
Eine von Hrn. Dr. Ludwig Steub aus München eingesandte
Entgegnung auf die in dem Sitzungsberichte vom 6. November 1850
abgedruckten: „Kritischen Beiträge zur Geschichte und Alterthums
kunde Tirols, von Matthias Koch,” wird vorgelegt und ebenfalls
einer Commission zur Prüfung zugewiesen.
Dann bestimmt die Classe die Zusendungen der mährisch-
schlesischen Gesellschaft zur Beförderung des Ackerbaues zu Brünn,
auf deren Ansuchen durch die Sitzungsberichte der Classe, und die
von ihrer liistor. Commission herausgegebenen Fontes und Archiv zu
erwiedern.
Sitzb. der phil.-hist. CI. VIII. Bd. II. Hft.
11
164
Prof. Dr. Karl Otto.
Gelesene Aufsätze.
Zur Charakteristik des heiligen Justinus, des Philosophen
und Märtyrers.
Von Hin. Prof. Dr. Karl Otto.
Als die theologische Facultät der Universität Jena ihren
Studirenden im Jahre 1839 die Schriften und die Lehre des be
deutendsten unter den altchristlichen Apologeten als Gegenstand
einer Preisaufgabe stellte, trieb mich die Liebe zum Alterthume der
Kirche die Untersuchung mit Eifer zu beginnen und zu dem Grade
der Vollendung durchzuführen, welcher den Kräften des im zweiten
Studienjahre stehenden Jünglings entsprach. Die Entscheidung der
Preisrichter ermuthigte mich zu weiterem Streben auf demselben
Gebiete; meine literarische Thätigkeit blieb, soweit die Arbeit des
akademischen Berufs es gestattete, hauptsächlich jener glaubens-
und begeisterungskräftigen Zeit der Kirche zugewendet ').
Demnach dürfte es nicht auffallen, dass ich obgedachten Haupt
apologeten des zweiten Jahrhunderts hier vorführe: den „heiligen
Justinus, den Philosophen und Märtyrer”.
Derselbe war zu Flavia Neapolis in der Landschaft Samaria um
Anfang jenes Jahrhunderts geboren Da er im hellenischen
Glauben seiner Aeltern das innere Bedürfniss nicht befriedigt fand,
ward er gleich Vielen jener Zeit zum Studium der Philosophie
hingetrieben. Er selbst erzählt ausführlich im Eingänge seines
Dialogs mit Tryphon 3 ), wie er durch die damals namhaftesten
Schulen hindurchgegangen sei. Zuerst besuchte er längere Zeit den
Unterricht eines Stoikers; aber dieser wusste ihm nichts über das
*) Meine Preisschrift über Justinus wurde im J. 1841 gedruckt. Ihr folgte
1842 ff. die Bearbeitung seiner Werke. Die /.weile Auflage führt, in Folge
der Erweiterung des Unternehmens, den allgemeinen Titel: Corpus Apologe-
tarum Christianoruin saeculi secundi. Jenae apud Fr. Mauke. Davon enthalten
zunächst die ersten 5 Bände (1847—1850) Justin’s und der 6. Band (1851)
Tatian’s Werke. Ausserdem erschien: De Epistola ad Diognetum. Jenae 1845.
Die zweite Auflage dieser Schrift ist unter der Presse.
a ) Apol. I. c. 1.
3 ) Dial. c. Tr. c. 2.
Zur Charakteristik des heil. Justinus etc.
165
göttliche Wesen zu sagen. Daher ging er von selbigem weg und
begab sich zu einem Peripatetiker; doch schon nach einigen Tagen
missheiligte ihn dieser in Betreff des Honorars. Wegen dieses un
würdigen Benehmens verliess ihn Justinus und wandte sich an einen
Pythagoräer; allein dieser setzte Kenntniss der Musik, Astronomie
und Geometrie voraus, weil durch dieselben der Geist vom Sinnlichen
abgezogen und zum Schauen des Übersinnlichen befähigt werde.
Justinus bekannte seine Nichtkenntniss jener propädeutischen Wissen
schaften, und darum wurde er sofort zurückgewiesen. In seiner
Verlegenheit ging er zuletzt zu einem Platoniker *). Bei ihm ver
schaffte er sich eine Fülle philosophischen Wissens. „Die Er-
kenntniss der übersinnlichen Dinge und das Schauen der Ideen
beflügelte meinen Geist; in kurzer Zeit meinte ich ein Weiser
geworden zu sein, und in meiner Thorheit hoffte ich alsbald Gott zu
schauen, denn dies ist das Hauptziel der platonischen Philosophie.”
Weiter nun erzählt er wie er aus einem begeisterten Platoniker
ein glaubensvoller Christ geworden. Einstmals wunderte er, um der
Contemplation sich ungestört hinzugeben :i ), in eine stille, nicht fern
vom Meere gelegene Gegend. Daselbst fand er einen ehrwürdigen
Greis', der hierher gekommen war um abwesender Verwandter
willen, die er einholen wollte. Justinus pries in dem Gespräche,
welches sich an den Zweck seiner Anwesenheit knüpfte, lebhaft die
Philosophie; ohne sie trage überhaupt das Leben etwas Ungöttliches
an sich, daher müsse jedweder Mensch sie betreiben. Ihr Object
sei das Absolute (rö öv) und ihr Preis die Glückseligkeit. Nun er
greift jener Alte das Wort. Er weist nach, dass die Philosophie,
insbesondere auch die platonische, dieses nicht vermöge, insofern
weder durch empirisches noch durch discursives Verfahren eine
Wissenschaft vom Göttlichen angestrebt werden könne. Eine solche
sei nur möglich durch unmittelbares Schauen des Göttlichen, ein
Schauen, von welchem die platonische Philosophie nicht ausgehe.
Justinus fragt, wer ihm denn Aufschluss über das Göttliche gewähren
könne. Der Greis verweist ihn auf die Propheten, welchen ein
unmittelbares Schauen zu Theil geworden. Diese , älter als die
’) VEUffTt jVicbjp.^O'avrt -üpezipa noXsi.
") !'• c. c. 3 sqq.
3 ) ttoXXüs vjpsp. I. x ; s(z”jopvj3^v«i.
166
Prof. Dr. Karl Otto.
hellenischen Philosophen, seien erfüllt gewesen vom heiligen Geiste
und als Träger desselben durch Weissagungen und Wunder be
glaubigt worden; sie hätten Gott den Vater gepriesen und den von
ihm gesandten Sohn Jesus Christus den Menschen verkündigt. Er
möge Gott bitten, dass er ihm die Pforte des geistigen Lichtes öffne.
Der Greis entfernte sich. Und in Justin’s Seele entbrannte ein
göttliches Feuer. Mit Eifer las er die Bücher der altheiligen Pro
pheten; es bemächtigte sich seiner eine innige Liebe zu ihnen, zu
Christus und den Seinen. So ward er ein Jünger der alleinwahren
Philosophie — ein Christ. Er sagt vom Christenthum i): tcsötijv
jj.6vr]V süpioxov tpiloaofiav daipalrj rs xcä mp.tpopov.
Wir ziehen jene Erzählung des Justinus über seine Wanderung
durch die Philosophenschulen und über die Art seiner Bekehrung
nicht in Zweifel. Auch in seinem glaubwürdigen Martyrologium
antwortet er auf die Frage des Stadtpräfecten von Rom: „Welcher
Philosophie hist du zugethan?” also: „Ich suchte mich mit allen
Systemen bekannt zu machen; beigepflichtet aber hah’ ich der christ
lichen Wahrheit, ob sie gleich den durch Vorurtheile Verblendeten
missfällt.” Und in seiner zweiten Apologie 3 ) bekennt er, dass er,
jetzt ein Christ, einst an Platon’sfLehren sich erfreut habe. Auf ähnliche
Art fanden so manche Andere dieser Zeit, da weder heidnischer
Cultus noch hellenische Weisheit ihr religiöses Bedürfniss befrie
digten, die ersehnte Beruhigung in der christlichen Sache: auch
ihnen trat nach langem vergeblichen Suchen endlich in den heiligen
Schriften der Christen, insbesondere den prophetischen, das Göttliche
entgegen; auch sie wurden durch diese Schriften zu Christus hin
geführt. Wir erinnern nur an Tatianus und Theophilus.
Den Unterricht des Platonikers hatte Justinus in seiner Vater
stadt 3 ) genossen, welche, als eine römisch-griechische Colonie,
hellenischer Bildung zugänglich war. Von dort war er in die ein
same Gegend des Meeres hingewandert, d. i. nach unserem
Dafürhalten in das Jordanthal , nördlich vom todten Meere 4 ).
In dieser wenig belebten Gegend, kaum drei Meilen von Jerusalem
U c. 8.
a ) Apol. II. c. 13 sq.
3 ) Vgl. S. 165 Anm. 1.
4 ) Von .losephus wird es noWv) ipypia genannt. Vgl. S. 165, Anm. .3 .
Zur Charakteristik des heil. Justinus etc.
167
entfernt, wohnten Christen jüdischer Abstammung. Demnach würde
jener Greis, welcher den nachsinnenden Justinus auf die Bücher
der Propheten hinwies und ihn dadurch auf den Pfad zum christ
lichen Glauben leitete, einer dieser Christen gewesen sein — ein
philosophisch gebildeter und einer derjenigen, welche Justinus im
Dialoge mit Tryplion *) als christliche Brüder anerkennt, im Gegen
satz zu den strengen (akatholischen) Judenchristen, welche auch
von den Heidenchristen die Beobachtung des mosaischen Gesetzes
verlangten und daher jener Anerkenntniss nicht gewürdigt werden. An
welchem Orte Justinus durch die Taufe zum Christenthume auf
genommen worden, lässt sich nicht ermitteln. Er sagt nicht, dass
ihn jener Greis in die judenchristliche Gemeinschaft eingeführt habe;
im Gegentheil erzählt er 3 ), dass jener ihm ein weiteres Nach
denken über den Gegenstand der gepflogenen Unterredung an’s Herz
gelegt und er selben nie wieder geschaut habe. Wir sind auch
anderweitig nicht berechtigt, den dem Heidenthume entsprossenen
Justinus als einen Proselyten des Judenchristenthums, am wenigsten des
schon damals als ketzerisch geltenden, anzusehen. Wohl mag er in
männlicher Jugend um Anfang des vierten Jahrzehends zum Christen
thume übergetreten sein. Denn noch als Platoniker, kurz vor seinem
Übertritte, sah er wie die Christen gemartert und getödtet wurden,
aber standhaft blieben bei Allem was von den Menschen als furcht
bar gehalten wird 3 ). Es ist bekannt, dass gerade seit Beginn jenes
Jahrzehends, unter Hadrian’s Regierung, die palästinensischen Christen
blutigen Verfolgungen ausgesetzt waren, nicht nur von Seiten der
Juden, weil sie verweigerten sich mit diesen zu verbinden und
unter dem falschen Messias Bar-Cochba gegen die Feinde des
gemeinsamen Vaterlandes zu streiten, sondern auch von Seiten der
Römer, weil sie von diesen als Juden angesehen und demgemäss
behandelt wurden.
Justinus fand, wie wir bemerkten, im Christenthume die einzig
wahre Philosophie, und als yvr/mogr/is dlrj^civg ydoffoyt«? spaarf/? 4 )
legte er nach seinem Übertritte den Philosophenmantel nicht ab 5 ).
*) Dial. c. Tr. c. 47.
2 ) L. c. c. 8.
3 ) Apol. II. c. 12 sq.
4 ) Eusebius H. E. IV. c. 8.
5 ) Dial. c. Tr. c. 1.
168
Prof. Dr. Karl Otto.
Wahrscheinlich wühlte er, wie Quadratus, den Beruf eines Evange
listen. Als solcher war er an eine bestimmte Gemeinde nicht ge
bunden , sondern verkündigte das Evangelium wo sich ihm eine
Gelegenheit darbot. Bei dieser Verkündigung zeigte er sich, Heiden
wie Juden gegenüber, gewissenhaft und mutliig f). „Wer die
Wahrheit nicht verkündigt, obschon er sie verkündigen kann, verfällt
dem göttlichen Gerichte. Ich verkündige sie sonder Menschen
furcht” 2 ). So finden wir ihn in Ephesus, der Hauptstadt des
proeonsularischen Asiens, wo er in einer Halle den Tryphon und
dessen Freunde für den christlichen Glauben zu gewinnen suchte;
so finden wir ihn zweimal während längerer Zeit in der Weltstadt
Rom, wo er in seiner Wohnung den ihn Aufsuchenden die Heils
wahrheit verkündigte 3 ). Gerade in den christlichen Hauptge
meinden des Morgen- und Abendlandes tritt er auf. Demnach sind
seine Berichte über kirchliche Verhältnisse der damaligen Zeit von
höchster Bedeutung.
Aber Justinus war zugleich ein Apologet des Christenthums;
er nahm dasselbe in Schutz, gegen die ihm damals entgegentretenden
zwei feindlichen Elemente: das Judenthum und das Heidenthum.
Die Juden erhoben sich wider die Christen in Wort und That; sie
verfluchten und verläumdeten dieselben, ja sie übten, wenn die Um
stände wie unter Bar-Cochba es zuliessen, sogar Gewalt gegen die
selben 4 ). Justinus, aus Palästina stammend und darum mit dem
Judenthume näher betraut, zeigte im mündlichen Verkehre, so oft
sich ihm eine Gelegenheit darbot, den Juden das Thörichte ihres
Benehmens gegen die Christen, und hob zu diesem Behufe die Unter
schiede des alten und neuen Bundes bestimmt hervor. Diesen apolo
getischen Eifer rühmt der Jude Tryphon im Dialoge 5 ). Mehr
standen die Heiden den Christen feindlich gegenüber: die Staats
männer, weil das Christenthum den Titel der Verjährung nicht bean-
’) Vgl. Apol. I. c. 3. Dial. c. Tr. cc. 38. 58.
a ) Dial. c. Tr. cc. 82. 120.
3 ) L. c. c. 1 (Eus. IV. c. 18); Actt. martyr. S. Just. c. 3 (Apol. I. c. 26 und
II. c. 3).
4 ) Apol. I. c. 31. Dial. c. Tr. cc. 16. 17.
5 ) C. 50: "Eoixas ptot ex nrpoarptiJ/EWj npo? rcoXkovs trepi rrävrcov
rÄw ?vjtoo[jievwv '/E^ovEvai xa: 5t« roöro Irot'ptcoj eye'.'j ÄK'jxpivecräca 7rpöc
jravra S av eKepur^äy;.
Zur Charakteristik des heil. Justinus etc.
169
Sprüchen könne, zum Abfall von der Religion des Staates verlocke, in der
Stille gefährlichen Tendenzen huldige; die Priester, weil es ihren
Tempeln die Opfergaben entzog: die philosophisch Gebildeten, weil es
ihre Weisheit als Thorheit betrachtete; die ungebildete Menge, weil es
den altväterlichen Cultus aufgegeben und darum als die Ursache von
Landesnöthen galt. Justinus, der auf Reisen die Leiden der Seinen
sah, suchte zu vermitteln so oft er konnte. So überführte er, wie
er selbst *) berichtet, den Christenfeind Crescens, einen Cyniker,
als er mit ihm in Rom zusammentraf, seines unwürdigen Benehmens.
Inmitten der Christen selber war ein gefährliches Element zu be
kämpfen : die häretische Gnosis. Diese, aus orientalisch-heidnischem
Geiste hervorgegangen, offenbarte sich in verschiedenen Formen und
hatte damals eine drohende Macht erreicht; sie richtete sich mehr
oder minder gegen das historische Christenthum, verflüchtigte die
christlichen Grundlehren, fand die änoluTpuais in der Befreiung
des Geistes, zersetzte die Kirche in Parteien. Diese christlichen
Häretiker nahmen die Thätigkeit Justin’s ganz besonders in Anspruch:
gegen sie trat er als Polemiker auf. Selbst mit Häuptern derselben,
wie mit Marcion, kam er während seines römischen Aufenthaltes in
persönliche Berührung ~).
Doch nicht nur im mündlichen Verkehre wirkte Justinus apolo
getisch-polemisch für die christliche Sache, sondern auch durch
Schriften. Es richtete an die Juden bald nach dem Jahre 139 den
Dialog mit Tryphon, und für die Heiden waren, von zweifelhaften
Schriften abgesehen, berechnet die beiden Apologien, welche gewiss
nicht bloss rhetorische Übungsschriften sein sollten: die grössere im
Jahre 139 an Antoninus Pius und seine Adoptivsöhne, die kleinere
zwischen den Jahren 161 und 166 an Marcus Aurelius und seinen
Mitregenten. Er verfasste endlich ein — leider verlorenes •— Werk
„wider alle Häresien,” wovon ein Theil sich im Besonderen gegen
den antijudaistischen Gnostiker Marcion wendete. Hier ein Wort
über das apologetische Verfahren, welches er einschlägt. Im Dialoge
mit Tryphon werden zuerst die Vorurtheile der Juden gegen das
Christenthum widerlegt, dann die Lehren des letzteren von der
Gottheit und der Menschwerdung Jesu Christi sowie der Ver-
*) Apol. II. c. 3.
2 ) Apol. I. cc. 26. 58.
170
Prot*. Dr. Karl Otto.
sölinung durch sein Blut nachgewiesen, endlich die Christen als das
wahre geistige Israel und das Volk Gottes dargestellt. Der Haupt
zweck, welchen Justinus durch seine erste Apologie erreichen will,
als nach Hadrian’s Tode Verfolgungen ausgebrochen waren, ist: es
möge yon den römischen Machthabern nicht zugelassen werden, dass
die Christen als Christen verfolgt würden. Dieser Gedanke zieht
sich durch die ganze Schrift hin. Der Apologet weist zu jenem
Zwecke nach: es sei mit dem Begriffe eines Christen der eines
Übelthäters nicht verbunden, vielmehr beruhe ihre Lehre auf einem
guten Grunde, und ihr Cultus fördere zu allem Guten. Am Schlüsse
ruft er aus: „Haltet ihr unsere Sache für wahr, so achtet sie; wo
nicht, so verachtet sie. Aber tödtet uns nicht als Übelthäter.
Zwar könnten wir auf Grund des Hadrian’schen Rescriptes von euch
verlangen, dass ihr bei vorkommenden Anklagen uns nicht als
Christen, sondern nur als eines wirklichen Verbrechens Überwiesene
bestrafet; doch wir thun dies nicht, vielmehr sind wir von der Ge
rechtigkeit unserer Bitte überzeugt, und darum haben wir diese
Vertheidigungsrede abgefasst. Wir fügen die Abschrift von dem
Rescripte des Hadrianus hei, damit ihr euch auch darin von der
Wahrheit unserer Behauptung überzeugen möget” >). Im Eingänge
der zweiten Apologie schildert Justinus die bedrängte Lage der
Christen, welche der Willkür heidnischer Richter preisgegeben seien;
zum Belege erzählt er die Martergeschichte mehrerer Christen, die
in Rom wegen ihres Glaubens unlängst gelitten. Solchen Reden
pflegten die Heiden Hohn entgegenzusetzen. „Warum beklagt ihr
euch, wenn ihr getödtet werdet, und tödtet euch nicht selbst, um
bald zu eurem Gotte zu gelangen?” „Oder warum lässt euch euer
Gott, wenn er so mächtig ist, ohne Hülfe und von den Widersachern
tödten?” Dieser nachtheilige Hohn musste zurückgewiesen werden.
Justinus suchte daher beide Einwürfe der Heiden zu entkräften:
den ersteren kurz, den anderen ausführlich, indem er dabei hingeleitet
wird auf Erörterungen über die Weltschöpfung, die Dämonen, den
Sohn Gottes, das ewige Gericht. Zuletzt bittet er um die officielle
Bekanntmachung dieser Schutzschrift, damit die Leute, welche nur
aus Unkenntniss der guten Sache thörichte Meinungen in Betreff der
) Dann folgt das Rescript, dessen (latein.) Original ich zuerst in meiner Aus
gabe mitgetheilt habe: Corp. Apoll. Vol. I, p. 163.
Zur Charakteristik des heil. Justinus etc.
171
Christen an den Tag legten, ihrer strafbaren Unwissenheit sich ent
ledigen könnten *).
Sicher sind Justin’s halieutischen und apologetisch-polemischen
Bestrebungen in Wort und Schrift von gutem Erfolge begleitet ge
wesen. Daher erklärt sich die ausgezeichnete Anerkennung, welche
er in der Kirche fand. Schon von Tatianus wurde er als ö 3caip.cc-
cnürxros gepriesen, und von Tertullianus unter die viri sanctitate et
praestantia insignes gezählt 3 ). Frühzeitig erhielt er in der Kirche 3 )
das Prädicat „des Philosophen und Märtyrers,” weil er nach seiner
Wanderung durch die hellenischen Philosophenschulen im Christen-
thume die einzige und alleinbeseligende Philosophie fand, sie mit
begeisterter Liebe verkündigte, und selbst der irdischen Güter
grösstes für sie opferte. Kirchliche Schriftsteller der nächst
folgenden Zeit, besonders Irenäus und Tertullianus, schlossen sich
ihm oft an in wörtlicher Entlehnung von Stellen aus seinen Schriften.
Noch Spätere, wie Eusebius, muntern zum Studium dieser Schriften
auf. Justinus war einer der gelehrtesten Männer seiner Zeit:
Ko}.vp.x^£ix re xxi iarop'iwv nepippe6p.evo( nlovrtp — sagt Photius 4 ).
Er hatte die hellenische Literatur kennen gelernt; mehrmals über
trägt er in seine Schriften Stücke von dorther, vorzüglich aus Platon.
Sehr betraut war er mit den Büchern des alten Testaments, welche
er nach damaligem Brauche lediglich in der griechischen, auch als
inspirirt geltenden, Übersetzung las. Einige Irrthümer und Un
genauigkeiten, besonders historischer Art, dürfen wir ihm nicht zu
hoch anrechnen 5 ); dergleichen linden sich auch bei anderen
Schriftstellern, wie die Erzählung von der griechischen Übersetzung
des alten Testamentes 8 ). Die Darstellung in seinen (anerkannt
echten) Schriften, den beiden Apologien und dem Dialoge mit
Tryphon, ist schmucklos. Er spricht in ihnen die Sprache des
1 j Ich erkläre mich entschieden gegen die Hypothese Boll’s (IUgen’s Zeitschr.
f. d. histor. Theol. 1842. II. 3. S. 3 ff.)< beide Apologien hätten ursprünglich
nur eine einzige gebildet. Vgl. Leipz. Repertor. d. deutsch, und ausländ. Lite
ratur 1852. N. 4. S. 197 ff.
a ) Tatianus Or. ad Gr. c. 18. Tertullianus adv. Valent, c. 5,
3 ) Dafür zeugt Tertullianus I. c.
4 ) Biblioth. cod. 125.
5 ) Apol. I. cc. 26. 31. 42. 62. Dial. c. Tr. cc. 34. 86.
“) Apol. I. c. 31 ; vgl. Cohort. ad Gentt. c. 13. — Dial. c. Tr. c. 131,
172
Prof. Dr. K u r 1 O 11 o.
Lebens; daher ist der Gedankengang mitunter durch Abschweifungen
gehemmt, der Satzbau zuweilen schleppend, der Ausdruck nicht
immer gewählt. Schönrednerei lag ihm fern, wie den anderen Apolo
geten, im Hinblick auf die schlichte Rede der heiligen Schriftsteller
des alten Testaments. Vpatpas vjj.iv dviazopsiv p.äAXw, oö xccrccmevyjv
Xöywy iv fj.övrj ziyyp iKiosi.y.vvoäai gizzvqvj '). Mitunter aber erhebt
sich seine Darstellung, zumal wenn er auf die Erhabenheit der christ
lichen Sache und ihre Erfolge zu reden kommt 3 ).
Die christliche Überzeugung, welche Justinus durch Wort und
Schrift verkündigt hatte, besiegelte er durch seinen Tod. Im Jahre
166 erlangte er die Krone des Marterthums.
Die Apologeten des zweiten Jahrhunderts bewegen sich beson
ders im Kreise derjenigen Lehren, hei welchen das Interesse der
Gegensätze des Judenthums und Heidenthums sowie des Gnosti-
cismus coineidirten; zur genaueren Erörterung anderer Probleme
fehlte die Nöthigung. Auch Justinus entzieht sich gern Specula-
tionen, die nicht im Zusammenhänge mit dem Glauben stehen; er
meidet Bestrebungen, die ohne Beziehung auf die Kirche sind. Fra
gen wir genauer nach seiner dogmatischen Richtung, so kommt sein
Verhältniss zum Platonismus und Ebionitismus in Untersuchung.
Die Frage über den Platonismus der Väter, Justinus an ihrer
Spitze, ist seit Ausgang des 17. Jahrhunderts viel verhandelt wor
den, und zwar meist einseitig, insofern als sie unbedingt entweder
bejaht oder verneint wurde. Wohl waren die alten Väter der plato
nischen Philosophie zugeneigt: wegen der gegenseitigen Verwandt
schaft des Platonismus und des Christenthums. Aber diese Verwandt
schaft darf nicht zu weit ausgedehnt werden. Wenn in neuerer Zeit
bereits im Platonismus das sittliche Verderben Und die Erlösungs
bedürftigkeit angedeutet gefunden wurde, so ist dies nur zum Theil
richtig; denn die Erneuerung bei Platon ist mehr inteilectueller als
moralischer Art: sie ist Erneuerung durch Wissenschaft. Die Logos
lehre des vierten Evangeliums vermittelte‘Platonismus und Christen-
thum. Die platonische Schule selber erfuhr Einwirkung vom Chri-
stenthume her. Der Neuplatonismus entlehnte aus demselben die
Vorstellung über die Schöpfung der Welt frei aus Gott, indem er
’) Dial. c. Tr. c. 58.
2 ) Apol. I. c. 14. Dial. c. Tr. cc. 13. 34, 39. 110, 113, 132. 127. 134.
Zur Charakteristik des heil. Justinus etc.
173
die ewige Materie verwarf; Proklus besonders machte den Begriff
des Glaubens, welcher in der antiken Philosophie verworfen wurde,
zu einem Hauptbegriffe. Die Einwirkung des Platonismus auf das Chri
stenthum zeigt sich bis in’s 5. Jahrhundert, wo er dem Aristotelis-
mus wich. Zuvörderst wurden in der Kirche die Lehren von der
Weltschöpfung, Trinität und vom menschlichen Geiste von dorther
ausgebildet. Dann sind einige kirchliche Formeln ganz platonischen
Ursprungs: Gott, der unbegreifliche, unwesentliche, überwesent
liche. Besonders im 4. Jahrhundert wurde Manches in Sprache und
Methode von dort entnommen. Die Meinung, dass die Spuren des
Platonismus zunächst der Apologeten des zweiten Jahrhunderts aus
dem alexandrinischen Judenthume herzuleiten seien, lässt sich histo
risch nicht beweisen; es war ja in letzteres ebenfalls Platonismus
eingedrungen. Aber weiter hat man zu beachten: 1) dass eine Ver
fälschung der christlichen Lehre durch den Platonismus nicht ange
nommen werden kann; denn einestheils ist aus ihm keine Idee ins
Christenthum herübergekommen, welche sich nicht aus der ursprüng
lichen Idee des Evangeliums hätte entwickeln können, und andern-
theils ist die Idee des Evangeliums durch platonische Einflüsse nicht
verändert worden. Darum hielt 2) die Kirche stets den Widerspruch
gegen den Platonismus fest ') und behauptete den absoluten
Vorzug der christlichen Offenbarung. 3) Gerade einige Hauptbegriffe
des Platonismus hat die Kirche gar nicht aufgenommen. So wird
das hei Platon viel geltende datp.övt« von der Kirche immer in
schlimmer Bedeutung gefasst. 4) Der Einfluss des Platonismus war
überhaupt mehr in der Sittenlehre als in der Glaubenslehre vorhan
den. Allerdings grenzt die platonische Ethik am nächsten an die
christliche, wie sie denn hinweist auf Ideale im Menschenleben und
in der gesellschaftlichen Verfassung. Dazu kommt S) dass als
Quell der platonischen Lehre am wenigsten die Schriften Platon's
selbst gebraucht wurden, meist Timäus und unechte Briefe; es
folgten die „platonisirenden” Väter mehr dem Geiste der platoni
schen Schule, welcher damals besonders in Alexandrien und Vorder
asien sehr verbreitet war, der platonischen Tradition. — Die ersten
Spuren platonischer Philosophie in der Kirche zeigen sich bei Justi-
') Hierher gehört auch die gegen die Platoniker gerichtete Schrift (des Hippo-
lytus) rrspl roO irctvro'c, „vom All der Dinge.’'
SB
174 Prof. Br. Karl Otto.
nus. Er hatte derselben, wie wir sahen, ein möglichst eingehendes
Studium gewidmet. Als Christ weist er oftmals auf die Verwandtschaft
der christlichen Lehre mit der platonischen ausdrücklich hin, wie in
Beziehung auf Weltschöpfung *), Logos, heiligen Geist 2 ), sitt
liche Freiheit 3 ), letztes Gericht 4 ). Diese Anklänge der christ
lichen Wahrheit in der vorchristlichen Zeit leitet er sowohl von
der inneren Offenbarung des spermatischen Logos her (löyog yäp %v
y.cci £<mv 6 iv navri wv), als auch von der äusseren durch Einsicht
in die mosaischen Schriften zugeflossenen Offenbarung 5 ). Aber wie
es das eine Verdienst Justin’s ist, dass er einzelne Strahlen des Gött
lichen, Funken religiöser Wahrheit, auch im Hellenismus fand und
dadurch die neue Welt mit den classischen Erzeugnissen der alten
in Verbindung brachte: so ist es sein anderes Verdienst, dass er im
Evangelium, obgleich es ihm als Eine Sache mit der allgemeinen
Vernunft galt, das Göttliche in vollkommenster Weise zur Erschei
nung gekommen betrachtete. Da er in Christus den göttlichen Logos
in seiner Totalität, die absolute Vernunft, erkannte (<S näg löyog, o
San-XpioroO), so fasste er das Christenthum als die Wahrheit an sich,
als die Religion der Vernunft schlechthin. Deutlich spricht er in der
zweiten Apologie fi ) so von den platonischen Lehren, dass sie nicht
gleich den christlichen seien, sondern ihnen nur ähnlich. Xpianavdg
svpeSrjvai xai sö^opsvog xai jzap.p.äxo>g dymt^öpsvog opoloydi, ov%
Sn dllorpid ian rd nXdrwvo? diddypaaa tov Xpiuroü, all' Sn ovx
San nävry op.ot.ot. Also sein Platonismus hält sich durchaus auf der
Basis des Christenthums; stets behauptet Justinus den unbedingten
Vorzug des letzteren: es ist ihm die absolute und einzig wahre
Philosophie. Der eigentliche Mittelpunkt der Justin’schen Philosophie
ist die Lehre vom Logos, welcher sich in der Schöpfung, in der
Vernunft und in der Person Jesu geoffenbart habe. Doch diese Lehre
ist nicht die rein platonische; sie ist im Anschluss an die jüdisch-
alexandrinische Theosophie entwickelt. Sie unterscheidet sich von
der platonischen 1) der Grundbedeutung nach, denn bei Platon ist
*) Apol. I. c. 20.
8 ) L. c. c. 59 sq.
s ) h. c. c. 44.
4 ) h. c. c. 8.
5 ) L. c. cc. 44. 59, 60.
0) Apol. II. c. 13.
Zur Charakteristik des heil. Justinus etc.
175
der Logos nichts Transeuntes, sondern ein Immanentes; er ist nichts
Selbstständiges, wie ihn die Alexandriner aus Gott hervorgegangen
dachten (a-poyoptxös), vielmehr das Denken Gottes selbst. 2) Die
Unterscheidung zwischen innerlichem und äusserlichem Logos findet
sich bei Platon nicht, welcher voüg und hat, wo die Kirche
schwankt zwischen äusserem Logos und heiligem Geist. 3) Der Ge
danke, dass der göttliche Logos nicht nur der Welterbauer, sondern
auch der Herr und Verwalter der Geisterwelt gewesen sei, an dem
die Menschengeister Theil genommen hätten, beruht nicht auf dem rei
nen Platonismus. Hier ist der vovg die Seele der Welt; zu dieser Seele
gehören die Menschenseelen, in denen sich der Zug (das Abbild)
jener Seele finden soll. Der Justin’sche Ausdruck Xöyog GTczpita.Tiy.0g
hängt mit dem Stoicismus zusammen, welcher damals im Occident
überwiegend herrschte als die eigentliche philosophia civilis, wie
ja der von dorther stammende Pantänus ein Stoiker gewesen sein soll,
obwohl zu Alexandria nie Viele ausschliesslich dieser Philosophie
angehörten. Besonders war die stoische Fatumlehre dem christlichen
Bewusstsein sehr anstössig, während hinwiederum die stoische Sitten
lehre Anerkennung fand; in der zweiten Apologie schreibt Justinus den
Stoikern bloss hinsichtlich des letzteren Punktes treffliche Leistungen
zu *)• Aber im Stoicismus bezeichnet jener Logos den aus Keimen
sich entwickelnden Weltgeist (ö iv anipp.aai Xöyo?), dagegen ist
er bei Justinus eigenthümlich die durch die Vernunftwelt hindurch
gehende (zerstreute) Gotteskraft, verwandt mit dem Göttlichen in
Christus (Gnapzlg ’köyog'). Noch darin trifft Justinus mit dem Stoicismus
zusammen, dass er in seinen echten Schriften nirgends mit Bestimmt
heit als Trichotomist erscheint; er unterscheidet neben aeüp.« nicht
zwischen 'pv/ri und nvsOu.a, d. h. zwischen dem animalischen Le-
bensprineip (dem Sitze der Begierden und Affeete) und dem Princip
der Vernunft und des Willens. Diese Nichtunterscheidung eines un
vernünftigen und vernünftigen Theiles der Seele ist ganz im Sinne
der lateinischen Kirche, welche schon durch ihre Sprache der Tren
nung eines doppelten seelischen Principes fern blieb. Sie ist hoch
bedeutend für die Gestaltung der ehristologischen Ansicht. Man hat
Justinus, gerade in neuerer Zeit, zum Vorläufer des Apollinaris ge-
l ) h. c. c. 8: Srwixol xav röv vjSixöv Xo'jov xocrgiot '^o'vao'iv — i?ta rö
sp/purov Travr!. yivei ävSpwjrwv vnipp.a rou Xoyou.
176
Prof. Dr. Karl Odo.
stempelt. Er sagt in einer berühmten Stelle seiner zweiten Apolo
gie >) : die Person Christi bestehe aus oüfxa, \6yog, <Wenn
nun Justinus seine Anthropologie auf die platonisirende Annahme
von der Trichotomie der menschlichen Natur gestützt hätte, so würde
er allerdings anstatt des Pneuma (der Vernunftseele) in Christus
den göttlichen Logos gesetzt haben und apollinaristisch lehren. Aber
vom Standpunkte der Dichotomie ist in jener Stelle die Zusammen
stellung von aco/za und ■■pv^v als Bezeichnung der vollständigen
Menschheit Christi zu fassen und Xoyog als Ausdruck seiner Gottheit.
Demnach behauptet der Märtyrer im kirchlichen Sinne: in Christus
sei Göttliches und Menschliches zur persönlichen Einheit verbunden
erschienen.
Über das Verhältnis» Justin’s zum Ebionitismus ist erst in
neuerer Zeit verhandelt worden. Am Weitesten ging Schwegler,
welcher geradezu behauptete 2 ), der dogmatische Standpunkt Ju
stin’s müsse wesentlich als eigenthüiiiliche Entwickelungsphase des
akatholischen, d. i. ebionitischen Judenchristenthums aufgefasst wer
den. Die Annahme einer solchen Hinneigung Justin’s zum Ebionitis
mus ging von der Voraussetzung aus, dass das Judenchristenthum
schon damals als Secte aus der Kirche ausgewiesen gewesen und
dennoch von Justinus mit grosser Milde beurtheilt werde. Dabei
kommt die vielbesprochene Stelle des Dialogs mit Tryphon c. 47
in Frage. Justinus unterscheidet dort zwei Arten von Judenchristen:
die eine mildere, deren Anhänger nur für sich am mosaischen Ge
setze festhalten wollten, ohne dessen Beobachtung von den Christen
heidnischer Abstammung zu verlangen; die andere strengere (ebio-
nitisch gesinnte), welche das Gesetz auch für die Heidenchristen
als absolut verbindlich betrachtete. Wenn er die milden Juden
christen nicht von der Seligkeit ausgeschlossen sein, sondern sie,
obschon als schwache, doch als christliche Mitbrüder gelten lässt,
so gibt er damit zu verstehen, dass dieselben damals noch nicht als
Secte aus dem kirchlichen Verbände ausgeschieden worden waren.
Gleichwohl verschweigt er nicht, dass Manche seiner Richtung in
sofern anderer Meinung seien, als sie auch mit ihnen keine Kirchen
gemeinschaft haben mochten, Doch hatte diese Meinung Einzelner
*) h. C. c. 10.
2 ) Das nachapostol. Zeitalter. 1. Bd. (Tiib. 1846) S. 659 ff.
Zur Charakteristik des heil. Justinus etc.
177
einen weiteren Einfluss nicht erlangt, wie aus der von Justinus liin-
geworfenen Bemerkung hervorgeht: oig iyo> oü cOvcavog d\u. Was
berichtet er nun von den strengen Judenchristen ? Er kündigt, da
sie mit denjenigen Heidenchristen, welche das Gesetz nicht beobach
teten, keine Gemeinschaft haben wollten, ihnen auch den Verkehr
auf; er stellt sie als Secte hin. Denn bei dieser Aufkündigung spricht
er offenbar im Sinne und als Repräsentant des gesammten das Gesetz
nicht haltenden Heidenthums. Daneben nennt er in analoger Weise zwei
Arten von solchen Heidenchristen, welche die Beobachtung des Geset
zes eingegangen: die eine, welche dabei den Glauben an Christus
festhielt; die andere, welche damit das eigentlich Christliche aufgab.
Die der ersten Art Angehörenden werden nach Justin’s, d. i. der das
Gesetz nicht haltenden Heidenchristen, Annahme vielleicht (fowg)
selig; aber den Angehörigen der zweiten Art wird die Seligkeit
geradehin abgesprochen. Also jenes milde Urtheil Justin’s über das
Judenchristenthum bezieht sich lediglich auf die milderen Juden
christen, und da mit diesen die Kirche in ihrer Mehrzahl den Umgang
nicht aufgegeben hatte, so wird auch eine Hinneigung Justin’s zu
ihnen nicht auflallen dürfen. Hauptsächlich machte man noch fol
gende drei Momente geltend: 1) Justinus schweige in seinen Schrif
ten über den Apostel Paulus, welcher den Judenchristen verhasst
gewesen. Aber daraus folgt noch nicht, dass er im Geiste der Juden
christen eine Abneigung gegen Paulus gehabt. Denn wäre dies der
Fall, so hätte er oftmals Gelegenheit gehabt sich mit Anführung
dos Namens des Apostels förmlich von ihm loszusagen. Dazu kommt
noch ein Umstand. Wie von den Judenchristen wurde Paulus, der
Heidenapostel und gewaltige Gegner des mosaischen Gesetzes, von
den Juden mit tödtlichcm Hasse verfolgt. Da mm Justinus im Dialoge
mit Tryphon ausschliesslich auf Juden einwirken wollte , so gebot
ihm diese Rücksichtnahme Schweigen über die Persönlichkeit jenes
Apostels. In den Apologien erwähnt er ihn ebenfalls nicht, weil sie
in weiteren Kreisen gelesen wurden und auch in die Hände der Juden
gelangen konnten ‘). Übrigens geht er in seiner Darstellung der
christlichen Lehre immer auf Jesus Christus als den Anfänger und
Vollender selber zurück. 2) Justinus lasse sich nie auf den eigen-
thümlichen Lehrbegrifl' des Paulus ein. Aber er scbliesst sich gerade
*) l)ie Belege in Illgen’s Zeit.sehr. f. <1. Iiistor. Theol. 1842. H. 3. S. 53.
178
Prof. Dr. Karl Otto.
in seiner Polemik gegen das absolute Fortbestehen des mosaischen
Gesetzes eng an die paulinische Lehre an: die Christen hätten ein
neues Gesetz, welches für das ganze menschliche Geschlecht, nicht
bloss für ein Volk, bestimmt und durch welches das frühere Gesetz
aufgehoben sei 1 ). Dies führt er dergestalt durch, dass sich die
paulinische Grundlage nicht verkennen lässt. 3) Justinus spreche
sich an einer Stelle des Dialogs a ) gegen den Genuss des Opferflei
sches aus, während Paulus I. Kor. 10, 2S ff. nur unter einer ge
wissen Bedingung dagegen sei. Aber jener richtet sich dort nicht gegen
den Apostel, sondern gegen die Gnostiker, indem er dem Verbote die
Beziehung jenes Fleisches auf die heidnischen Götter, die Dämonen,
zum Grunde legt. Aus diesem Gesichtspunkte verbietet auch Paulus
I. Kor. 10, 14 fF. die Theilnahme an Opfermahlzeiten eben als Dämonen
dienst. Andere dem Apostel nichts weniger als feindlichgesinnte Väter
klagen ebenfalls über die Gleichgültigkeit der Gnostiker in jenem Punkte.
Weitere Einwände übergehen wir, da sie sich auf durchaus neutrale
Vorstellungen beziehen. Justinus kann schon darum nicht ebionitisch
gesinnt gewesen sein, weil er sich über die judaisirenden Christen
als ihm fremde Parteien erklärt. Und wie hätte er die Heidenchristen
in seiner ersten Apologie höher als die Judenchristen setzen können ?
Er nennt jene geradezu akriSiOTspoi xcd mororspoc 3 ). Demnach
gehörte er zu den gemässigten echt apostolischen Heidenchristen.
Er hat eine doppelte Grundlage seiner Darstellung der christ
lichen Lehre: das kirchlich-traditionelle Taufbekenntniss und die
heilige Schrift. Die prophetischen Schriften des alten Testamentes
haben ihm ja die Brücke zum Christenthum geschlagen, und stets
beruft er sich in seiner Darstellung auf die (neutestamentlichen)
„Denkwürdigkeiten de!- Apostel.” In Bezug hierauf vermag kein
Widerspruch sich geltend zu machen. Nur hinsichtlich des ersteren
Punktes erlaube ich mir noch Einiges beizufügen, da er von den
Gelehrten bisher keine Berücksichtigung gefunden hat.
Die Grundlage jenes Bekenntnisses war das Taufmandat auf
Vater, Sohn und Geist 4 ), worin die Centralidee des Evangeliums
*0 Dial. c. Tr. cc. 11 12. 67.
2 ) C. 34 sq.
3 ) Apol. 1. c. 53.
4 ) Matth. 28, 19. — Schon in den Schriften des neuen Testamentes finden wir
weitere Spuren davon. So ist Hebr. 10, 29, was alle Ausleger merkwürdiger
Zur Charakteristik des heil. Jiistinus etc.
179
erklärt ist: die Idee vom göttlichen Reiche. Dasselbe enthielt das
was die apostolische Verkündigung in die Gemeinden gelegt hatte
und die rechtgläubige Kirche festhielt: den Glauben an Gott den
Weltschöpfer, an Jesum Christum den Gottessohn, der zu unserem
Heile Mensch geworden und gestorben, an den heiligen Geist, der
durch die Propheten und Apostel geredet und die Gläubigen zur
Heiligung führe. Es war das Ursymbol der Kirche. Wir finden es
bei Tertullianus und Irenäus unter dem Namen der Glaubensregel.
Das allgemein Geschichtliche von Christus flocht sich in selbige
hinein, einzelne Begriffe reihten sich an, wie sie das kirchliche
Interesse erheischte, doch nicht überall dieselben und in gleicher
Weise; dies geht daraus hervor, dass jene beiden Väter in ihrer
Anführung der Glaubensregel unter einander abweichen *). Im An
fänge flüssiger gehalten, erhielt sie im Laufe der Zeit aus den gegen
die Häresien gerichteten Lehrbestimmungen der Kirche immer mehr
Zusätze, und gab so die Grundlage dessen was später unter dem
Namen des apostolischen Symbols durch Rufin’s Redaction festgestellt
wurde. Die theologische Forschung hat es bisher ganz übersehen,
dass schon bei Justinus sich die Spuren finden des ausdrücklich bei
der Taufe vor der Gemeinde abgelegten Bekenntnisses, der Glaubens
regel. Er führt mitunter, jedesmal dem besonderen Zwecke der Rede
angepasst, die Summe des christlichen Glaubens oder einzelne Sätze
so an, dass man die stillschweigende Beziehung auf etwas kirchlich
Gegebenes merkt; man sieht, dass er einer gewissen Norm folgt.
Überhaupt spricht er meist communicativ aus dem Bewusstsein der
Übereinstimmung mit Anderen, die ihm gleich denken und glau
ben ; er — der echt apostolische Christ — redet gern als Repräsen
tant einer Gemeinschaft, und zwar der Gemeinschaft der ii/xd^rcd
Vf/J TvjCTOÖ XpiffTOö x«! xccSapä? dtdamcäixs 2 ), im Ge-
Massen übersehen haben, eine Hinweisung aul' die Taufformel; erst durch
diese Beziehung wird die Stelle klar. Es heisst: die welche von der christ
lichen Sache abfallen stossen von sich 1) Gott in seinem Sohne, 2) den
Sohn der durch seinen Tod den Bund besiegelte, 3) den Geist der Gnade
verleiht; kurz sie handeln gegen die in der Taufe übernommene Verpflichtung.
’) ‘reniius adv. haer. I. c. 10. §. 1 u. 111. c. 4. §. 2. Tertullianus de virgg.
vel. c. 1, adv. Prax. c. 2, de praescriptt. haer. c. 13.
a ) Dial. c. Tr. c. 35.
Sitzb. d. phil.-hist. 01. VIII. Bd. II. Hft.
12
180 Prof. Dr. Karl 0 tto. Zur Charakteristik des heil. Justinus etc.
gensatze zu den Gnostikern, die er für unechte Christen erklärt *).
Nicht willkürlich aufgestellte Satzungen , vielmehr allgemein aner
kannte Lehren (üg edidäx-^"'!/ AEVa )) will er vortragen. Seine
Schriften zeigen in den einzelnen Sätzen des Bekenntnisses über
Gott, Christus, heiligen Geist bereits (kirchlich-) antignostische
Bestimmungen; besonders das Bekenntniss Christi stellt sich in
Annäherung zu einem mehr formulirten Schema heraus, und nament
lich ist schon die Gewohnheit sichtbar mit der declaratorischen
Nennung Christi factisclie und historische Aussagen zu verbinden.
Bei solcher Grundlage, die hinsichtlich der wesentlichen Lehren
kirchlich gegeben war, blieb ihm natürlich die Freiheit der weiteren
Ausführung seiner individuellen Denkungsart gemäss, und anderes
nicht Wesentliche liess freie Forschung zu. Wir machen auf die
wichtigsten Stellen aufmerksam. Die Taufformel erwähnt er Apol. I.
c. 61, wo er unter Anderem auch sagt: die Taufe werde vollzo
gen auf den Namen zov nazpög ni» öl wv xai ösonizov -Seciü,
und auf den Namen ’Iriaov Xpiazov zov crcoipu^EVTo; int
üovrtou HUluzov, und auf den Namen Kvsvpazog ccyiov, ö dix
z cjj v Kpo<pr/Tüiv 7rpoexfjpu£e zä naztx zov ’I yjoovv ndvzcc. Als
Objecte des Glaubens nennt er c. 6 den Vater, den Sohn, die Engel
nebst heiligem Geist 3 ). Wir verehren, bemerkt er c. 13, röv
<}Y)p.iovpydv zovös zov noevzög, dvzvdsYi aipdzoov xai ukovocZv xai
3-vp.icep.uzo)v xrX., dtoaffxaAöv re roürwv ■yevöp.evov Yip.iv v.cd zig
ZOVZO yEVVY]SzVZCt '1‘fjGOVV XpiOTOV ? ZOV GZCCVpOlSzVZtX ZKl IIoVTiOO
ILAärou, zov ysvop.zvov dv ’Iovdeda drei ypövoig Tißzplov Kedaa-
pog dizizpörcov, v£öv avzov zov övztog Szov xrX., Kvsvp.cc re KpotprjZixöv.
Im Martyrologium 4 ) legt er sein christliches Bekenntniss ab und
nennt als summarischen Inbegriff der rechtgläubigen Lehre den
Glauben zig röv ^eov, öv Yiyovp.z$a zvcc zovzov dlg e>.pyr t g koiyizyiv
x«t önp.iovpyöv zrig ndoyjg xrt'aew?, öparvj? re xai äopäzov, xai
xvpiov ’lrjuoöv Xpcozöv Koctöa 3sov, ög xai Trpoxexvjpoxrat Vkö züv
*) h. c. cc. 35. 80.
2 ) Apol. I. cc. 6. 13 u. o.
3 ) Wir verweisen auf eine bisher unbeachtet gebliebene Parallele 1. Tim. 5, 21 •
Aiap.apzvpop.ca sveoffiov toö ^soö xal Xpioroö ’lvja’oö xal twv sxXextwv
a*y*y A wv
4 ) C. 2.
Ignaz ßeidtel. Über österr. Zustände in den Jahren !740—1792. 1 81
npofr,rüv piAAwv naparivsaSzi rö) yivu rcöv dv$pürcoiv aon-npiag
xvpv£ xcä Siodoxalog xcclüv iJ.osBr,röiv. Zugleich fügt er bei: Käyw
ävSpomog &y [xupä vopi£« 1eysiv npdg rvjv otvroü änsipov Ssoryroc,
npofyirixrjv nva. Svvap.iv öpoloyüv- insi npoxzx-ripvxrai nspi rovrov ov
spyjv vöv 3soö uiov övroc. Namentlich gibt er in Beziehung auf Chri
stus Andeutungen des Bekenntnisses, wie Apol. I. c. 21 und 42. Dort
lautet es: ’lvjffoöv Xpiorov räv dtSdoxalov v$piwv, xai rovrov aravpca-
■9-svra xai axoSavovrx xcä xvaordvra avslrjlvSivai dg röv oöpavov.
Hier, mit Beifügung einer neuen Formel: Xpiarog oravpu-
$dg xai drcoSavoov dviarri, xai £ ß aa ilsv a ev dvelScljv stg oöpavöv.
Endlich, um Anderes zu übergehen, sagt er c. 46: „Christus* ge
boren von einer Jungfrau, gekreuziget und gestorben, auferstanden
und aufgefahren in den Himmel.”
Möge es mir in diesen oh auch flüchtigen Zügen gelungen sein,
das Verständnis und die Würdigung Justin’s, des Philosophen und
Märtyrers, einiger Massen gefördert zu haben.
Fortsetzung der Vorträge über österreichische Zustände
in den Jahren 1740 — 1792.
Von dem c. M. Hrn. Oberlaudesgerichtsratk Beidtel.
VI.
lieber die Entwickelung der Justizgesetzgebung unter K. Joseph 11. in
Hinsicht auf die dadurch in den Gemeinde-Verfassungen hervorgebrachten
Veränderungen.
Die Veränderung an den Gemeindeverfassungen, welche unter
der Regierung Joseph’s II. Statt fand, gehört unter die wichtigsten
unter dieser Regierung hervorgetretenen Neuerungen. Im Jahre 1780
waren diese Verfassungen durch das, was seit 1750 in Ansehung
ihrer geschehen, zwar sehr erschüttert aber nichts weniger als auf
gelöst. Die Staatsverwaltung trug daher Bedenken, eine neue Ge
meindeverfassung einzuführen, bei welcher das alte Recht der freien
und halbfreien Gemeinden, durch Männer aus ihrer Mitte die Justiz
zu verwalten, ignorirt oder aufgehoben würde. Man war geneigt, den
Gemeinden diese Gerichtsbarkeit, wenn es auf angemessene Bedin
gungen geschehen könne, zu lassen, sei es auch mit theilweiser Auf-
12 *
182
Ignaz B ei dtel.
gebung des Grundsatzes einer wissenschaftlichen Justizpflege. Man
bemerkte nämlich leicht, dass wenn gewisse Gemeinden sich selbst
nach den neu einzuführenden Landesgesetzen das Recht sprechen
sollen, dies nur geschehen könne wenn, allenfalls mit Zuziehung
eines in den neueren Gesetzen bewanderten Mannes, ein aus Ge-
meindegliedern zusammengesetztes Collegium die Gerichtsbehörde
des Ortes werde. Diese Betrachtung bestimmte zum Abwarten
und selbst zu einer gewissen Toleranz bei der Handhabung der neuen
Gesetze.
Bald im Anfang der Regierung Joseph’sII. erschien (1. MailTSl)
die allgemeine Gerichtsordnung und die mit ihr in eine enge Verbin
dung gesetzte Concurs-Ordnung. Sie beruhte im Wesentlichen auf
den Vorschriften des canonisclien Rechtes, verbunden mit Zusätzen
neueren Ursprunges und von ungleichem Werthe.
Alle anderen Process-Ordnungen, welche in den deutschen Pro
vinzen und Galizien bestanden und deren Zahl ungemein gross und
selbst in Ansehung der leitenden Grundsätze höchst verschieden war,
wurden durch das Kundmachungs-Patent aufgehoben und dadurch
für die meisten Städte und Märkte, wenn sie nicht Juristen zu Rich
tern oder Consulenten gehabt hatten, eine grosse Schwierigkeit her
beigeführt, die Gerichtsbarkeit im Sinne der nunmehr bestehenden Ge
setze auszuüben. Auf den Herrschafts-Bezirken entstand aber für
die Herrschaftsbesitzer sogleich die Nothwendigkeit, sich um einen
oder den anderen mit den neuen Gesetzen bekannten Beamten für die
Justizverwaltung umzusehen.
Die Gerichtsordnung hatte die zum Richteramtein Zukunft erfor
derlichen Eigenschaften festgesetzt. Sie bestanden nach den •§§. 430
und 431 in vollendeten Rechtsstudien und einem von dem Ober
gerichte nach vorhergegangener Prüfung ausgestellten Fähigkeits-
decrete. Nur ausnahmsweise wurden durch den Schlusssatz des
•§. 431 auch Männer ohne Rechtsstudien, wenn sie ihre Fähigkeit
praktisch bewährt hatten, zum Richteramte zugelassen. Diese letz
tere Ausnahme musste man anfangs als Regel betrachten, um nicht
in den meisten Städten und Märkten sogleich die Justizpflege unmög
lich zu machen, die Dörfer aber musste man ganz an die herr
schaftlichen Gerichte weisen.
Ungeachtet dieser Vorsichten konnte jene wissenschaftliche
Justizpflege, welche bei der Kundmachung der Gerichts- und Con-
Ueber österr. Zustände in den Jahren 1740 —1792.
183
curs-Ordnung beabsichtiget worden, durchaus nicht erreicht werden.
Selbst bei den Stadtgerichten fanden sich die Beisitzer äusserst
schwer und meistens auch widerwillig in die neuen Processformen.
Theilweise hatte dies die Regierung vorhergesehen. Dies war der
Hauptgrund, dass die Gerichtsordnung ganz gegen die Grundsätze
der früheren Zeiten, in jeder auch noch so unbedeutenden Rechts
sache gegen ein Urtheil die Appellation und gegen jeden Bescheid
des unteren Richters den Recurs gestattete und bei einer Verschie
denheit der Entscheidungen des unteren und oberen Richters auch
noch die Revision oder den Recurs an den obersten Gerichtshof er
laubte. Man begreift, dass man auch noch andere Gründe für diese
Begünstigung der Appellationen und Recurse hatte, aber diese Begün
stigung, welche wegen des Zustandes der Untergerichte weiter ging,
als sie vielleicht sonst gegangen wäre, gereichte der Justizpflege
nicht zum Vortheil.
Die Schwierigkeiten, mit den alten Communal-Verfassungen eine
wissenschaftliche Justizpflege zu erreichen, vermehrten sich, als
(23. Juni 1782) eine neue Vorschrift in Ansehung des Geschäftsstyls
erschien, welche Gleichförmigkeit, Präcision und Kürze des Styls
verlangte und dazu auch Formulare hinausgab. Zwar wirkte diese
Vorschrift mehr auf die sogenannten politischen Geschäfte; die Ge
richtsordnung hatte aber auch etwas Aehnliches verlangt und auch
dies machte den alten Communal-Beamten Schwierigkeiten.
Die Schwierigkeiten vermehrten sich aber, als in den Jahren
1783 und 1784 Jurisdictions-Normen erschienen, welche neue Be
stimmungen über die Competenz der Gerichtsstellen gaben. Durch
sie erloschen die Gerichte der Universitäten, die geistlichen Gerichte,
die privilegirten Instanzen für unadeliclxe Staatsbeamte und die soge
nannten siegelmässigen Personen. Die Communalgerichte hatten
nun oft über Dinge, welche bei den aufgehobenen Gerichten erster
Instanz vorgekommen und zum Theil wichtige Fragenbetrafen, zu ent
scheiden und die Klagen, dass schlecht entschieden werde, waren
häufig.
Obgleich nun die Staatsverwaltung, um eine gute Justizpflege
im Sinne der neueren Gesetze sicher zu stellen, schon mit dem Hof-
deerete vom 1. Nov. 1783 den Wiener Magistrat und um dieselbe
Zeit auch die Magistrate einiger andern Städte organisirt hatte,
musste sie sich, da auch bei der politischen Geschäftsführung über die
184
Ignaz Beid tei.
Gemeinde-Obrigkeiten der Städte und Märkte geklagt wurde, ent
schlossen, auch dort eine neue Organisirung eintreten zu lassen. Sie
geschah vorzugsweise durch das Hofdecret vom 9. September 1785
und das an alle Appellationsgerichte ergangene Gesetz vom 19. De-
cember 178S. Diese Gesetze stellten für die Regulirung die Grund
sätze auf.
Zu Folge derselben war bei den Gemeinde-Verfassungen der
Städte und Märkte darauf zu sehen, ob die Gemeinde nach der Ver
fassung von 1780 ihre Urtheile in Civilsachen, ohne sie einer höhe
ren Bestätigung vorlegen zu dürfen, kundmachen durfte oder nicht.
Im ersten Falle sollte sie einen Anspruch auf die Beibehaltung der
Civil-Gerichtsbarkeit haben, im zweiten Falle geht die Gerichts
barkeit an jenes Amt über, welches das Recht hatte, die Vorlage
der Gemeinde-Ansprüche vor ihrer Kundmachung zu verlangen.
Doch auch in dem Falle, wenn die Gemeinde nach dem eben er
wähnten Grundsätze einen Anspruch auf die Beibehaltung der Ge
richtsbarkeit hatte, gehörte zur wir kl i che n Aus Übung noch das,
dass sie ein rechtsverständiges von dem Appellationsgerichte als
tauglich anerkanntes Individuum als Justiz-Referenten aufstellen und
mit einem gewissen Gehalte betheilen kann. Kann dies die Gemeinde
thun, so wählt sie den Referenten, kann sie mit der gehörigen
Besoldung keinen Justiz-Referenten aufstellen, so geht die Gerichts
barkeit auf so lange, als dieses Hinderniss besteht, an den Besitzer
jener Herrschaft über, auf deren Gebiet die Gemeinde besteht.
Neben diesen Justiz-Referenten sitzen in dem Gemeinderathe,
welcher stets den Titel Magistrat führt, einige von der Gemeinde
zu Räthen gewählte Männer und ein gleichfalls aus der Gemeinde
gewählter Bürgermeister. Wenn es aber bei grösseren Städten
der Umfang der sämmtlichen dem Magistrate zugewiesenen ge
richtlichen, politischen und ökonomischen Geschäfte fordert, dass
mehrere Referenten, welche die Rechte studirt haben, bestehen, so
können und sollen auch mehrere oder sogar alle Magistratsräthe aus
dem Stande der Juristen gewählt und aus demselben Stande auch
mittelst einer Wahl der Bürgermeister aufgestellt werden. Das min
dere Personal eines jeden Magistrates besetzt der Magistrat.
Die hier angeführten Grundsätze der Organisation der Magi
strate wurden, in soferne es die Verschiedenheit der Provincial-
Verfassungen forderte, eingeführt. An und für sich schienen diese
Ueber österr. Zustände in den Jahren 1740 — 1792.
1 85
Grundsätze in Beziehung auf die Gemeinde-Verfassungen ziemlich
einfach zu sein; sie sind es aber nicht und machten daher manche neue
Zusätze und Erläuterungen nothwendig. Als Resultat ergab sich
Folgendes:
1. Die alten Communal-Yerfassungen in den Städten und Markt
flecken hatten als unverträglich mit der Organisirung der Magistrate
aufgehört und mit ihnen die alten Titel oder Aemter von Schul-
theissen, Primatoren, Stadtältesten, Rathsherren, Senatoren, Stadt
schreibern, Consulenten u. s. \v.
2. Der Magistrat bestand in den kleineren Städten und Märk
ten, welche die Civil-Gerichtsharkeit beibehalten hatten, gewöhnlich
aus einem Bürgermeister, dem Justiz-Referenten, welcher Syndicus
hiess und zugleich erster Rath war, und zwei oder drei von der Ge
meinde aus den ihrigen gewählten Räthen. In den etwas grösseren
Städten war der Bürgermeister, ja zuweilen auch noch ein Rath aus
dem Stande der Juristen genommen, ja in grossen Städten bestand
das ganze Collegium des Magistrates aus Männern mit Rechtsstudien.
3. Der Magistrat hatte die sämmtlichen gerichtlichen, politi
schen und ökonomischen Geschäfte seines Bezirkes über sich und
vertheilte ihre Besorgung unter seine Mitglieder. In Ansehung der
ökonomischen Geschäfte bestand jedoch ein von Zeit zu Zeit erneu
erter Gemeinde-Ausschuss zur Controle des Magistrates und zur
Entscheidung über Ausgabsposten oder jene Neuerungen in der Ver
waltung, welche der Magistrat in Antrag bringt.
4. In den kleinen Städten und Märkten, welche keinen gesetz-
mässig bestellten oder nach der Geschäftssprache keinen organi-
sirten Magistrat erlangten, konnten zwar die alten Titel und auch
etwas von der älteren Geschäfts-Vertheilung fortdauern, doch war
die Stellung im Ganzen wesentlich verändert, weil die Civilgerichts-
barkeit wegfiel und gewöhnlich auch die Polizei-Verwaltung, in so
fern die letztere es gesetzlich mit schriftlichen Aufsätzen zu thun
hatte.
5. Zufolge der Organisation der Stadtgemeinden hörte dadurch
der den Zünften verfassungsmässig gesicherte Einfluss auf gewisse
Geschäfte, die ausschliessliche Wählbarkeit gewisser Classen oder
Familien zu bestimmten Gemeindeämtern, die alten Ceremonien
bei der oder jener Veranlassung, die herkömmlichen Gastmähler
nach gewissen Wahlen auf; die alten städtischen Gedenkbücher,
186
Ignaz Bei eitel.
welche zum l'heil für die Geschichte des Ortes wichtig waren, wur
den oft als Maculatur behandelt und meistens nicht fortgesetzt,
und viele das Rangsverhäjtniss zu anderen Städten oder die gegen
seitige Hilfeleistung betreffende Verträge wurden als nicht mehr be
stehend angesehen. Viele Familien kamen dadurch in ganz neue
ihnen oft unangenehme Verhältnisse.
6. An manchen Orten war die Gemeindeverfassung auf eine
noch auffallendere Art geändert worden. So waren zufolge des
Hofdecretes vom 27. Februar 1784 die vier Prager Städte, Altstadt,
Neustadt, kleine Seite und Hradschin in eine einzige Gemeinde ver
einigt. In Galizien wurden durch das Hofdecret vom 13. April 1784
periodische Wahlen der Dorfrichter ganz gegen die alten Obser
vanzen eingeführt.
7. Die gesetzmässige Stellung des Gemeindeausschusses führte
gewöhnlich zu Misshelligkeiten zwischen ihm und dem Magistrate.
Viele ruheliebende Bürger verlangten daher weder den einen noch
den anderen Platz, wer aber solche Plätze nicht erhielt, hatte in
den Gemeinde-Angelegenheiten gar nichts zu reden Wenige Bürger
bekümmerten sich daher um diese Angelegenheiten, und da ohnehin
zufolge der Geschäftsordnung die bei manchen Stadtobrigkeiten und
für manche Geschäfte bestandene Oeffentlichkeit der Verhandlung
aufgehört hatte, so waren auch manche Gegenstände nicht mein' da,
welche ehedem ein Interesse für die Ortsbewohner gehabt hatten.
8. Ungeachtet durch die Aufstellung von Männern mit förm
lichen Rechtsstudien die Geschäfte meistens in die Hände fähiger
Personen gelegt worden, so war es doch unvermeidlich, dass die
neue Gemeindeverfassung ihrem Zwecke, den Gemeinden die
Handhabung einer wissenschaftlichen Justiz-Gesetzgebung möglich
zu machen, nur zum Schein erreichte.
Die eigentlichen Juristen sprachen, wenn der Magistrat gröss-
tentheils aus Nichtjuristen bestand, gewöhnlich in allen Geschäften
das entscheidende Wort, und wenn die Nichtjuristen ja zuweilen eine
andere Meinung hatten, so war sie selten gut begründet. Der Syn-
dicus, ein Mann, der vor seiner Anstellung als solcher geAvöhnlich
der Gemeinde fremd gewesen war und stets Neigung hatte, sie gegen
einen bessern Platz zu verlassen, war nun meistens der einfluss
reichste Mann der Gemeinde, und es kam oft vor, dass er diese Stel
lung missbrauchte,
Ueber österr. Zustande in den Jahren 1740— 1792.
187
9. Für manche kleine Stadt- und Marktgemeinde entstand die
Folge, dass ihre Einwohner in vielen Fällen, für welche vorher
die Entscheidung in der Gemeinde geschah, an das oft sehr entfernte
herrschaftliche Amt gewiesen waren, und dem Besitzer der Herr
schaft, auf welcher die Gemeinde lag, die Justizverwaltung für sie
zukam.
Der Besitzer der Herrschaft konnte nun zwar seine Gerichts
barkeit eine vergrösserte nennen, da er aber nach dem Hofdecrete
vom 29. Jänner 1786 keinen anderen als einen vom Appellationsge
richte für fähig erkannten Mann als Ortsrichter oder Justiziar auf
stellen konnte, er selbst, wenn er. diese Befähigung nicht hatte, zur
Ausübung des Richteramtes nicht berechtiget war und die neuen Ge
richte, ohne Rücksicht auf den etwaigen Befehl des Herrschafts
besitzers, für ihre Geschäftsführung den Appellationsgerichten ver
antwortlich waren, so hatten der Sache nach die Herrschaftsbesitzer
in vielen Beziehungen aufgehört Obrigkeiten zu sein, wenn auch in
der Geschäftsspräche der Titel Obrigkeit allen Herrschaftsbesitzern
bis zu den Ereignissen von 1848 geblieben ist.
10. Bei der Menge neuer, selbst in ihrer Grundlage oft von den
ehemaligen sehr verschiedenen Gesetze zeigte sich hei den meisten
bei den Gerichten erster Instanz angestellten Beamten eine verhält-
nissmässig geringe Gesetzkenntniss, aber noch viel geringer wurde
sie jetzt bei den Bewohnern der Städte und Märkte, welche den Ver
handlungen fern standen. Die Regierung schien daher, wenn man
die Endclausein in dem Kundmacliungs-Patente der Gerichts-Instruc
tion vom 9. September 1785 berücksichtigt, den Gedanken gehabt zu
haben, jene Organisation, welche sie (1783—1785) den höheren
Gerichten und den Magistraten der grossen Städte gegeben hatte,
nämlich die eines bloss aus Juristen zusammengesetzten Collegiums,
auch allen Gerichten erster Instanz zu geben, allein wie das Orga-
nisations-Decret vom 19. December 1785 zeigt, war man sehr bald
von dieser Idee zurückgekommen. Sie hätte allzu grosse Gerichts
bezirke geschaffen, zu viel gekostet und der alten Patrirnonial- und
Municipal-Gerichtsbarkeit ein Ende gemacht. Diese Betrachtungen
zusammen hatten auch zur Folge, dass man selbst nach 1786 das
System, die Justiz in erster Instanz durch einzelne Richter verwalten
zu lassen annahm und es auch später (1787—1848) als passend
beibehielt, so viel auch einzelne Rechtsverständige dagegen erinnerten,
188
Ignaz, B e i tl tel.
11. Man drang also nur darauf, in Ansehung der Herrschafts
bezirke geprüfte Justizbeamte zu haben, und um den Herrschafts
besitzern die Kosten dieser Einrichtung nicht allzu drückend zu machen,
gestattete man mit dem Hofdecrete vom 14. Juni 1787 den Justiziaren
ausserhalb ihres Gerichtsbezirkes die Partei-Vertretung, was einer gu
ten Justizpflege Abbruch that. Man hatte übrigens auch nichts dagegen,
wenn der als Richter aufgestellte Beamte auch andere Geschäfte
seines Gerichtsherren, z. B. ökonomische oder polizeiliche, besorgte.
Diese letztere Gestattung war für alle Herrschaftsbesitzer, vor
allem aber für die minder reichen wichtig und wohlthätig, allein bei
der Seltenheit der Juristen in jener Periode fanden die Herrschafts
besitzer nicht leicht Männer, welche nebst den Justizgeschäften auch
noch die Besorgung polizeilicher und ökonomischer Geschäfte über
nehmen wollten. Sie mussten also, wenn ihnen die gesetzlich ge
stattete Delegation der Gerichtsbarkeit nicht leicht war, einen eige
nen Richter aufstellen, was ihnen schwer fiel. Selbst wenn
dieses nicht der Fall war, war die Erscheinung, dass oft die Justiz,
die Polizei und die Ausübung der herrschaftlichen Rechte bei drei
verschiedenen Personen waren , den Bauern, weil diese nicht
immer den Wirkungskreis jedes einzelnen Beamten kannten, un
angenehm, besonders da der herrschaftliche Richter oft mit den
Local- und Personal-Verhältnissen seines Bezirkes wenig bekannt
war. Die Klagen wurden daher von so vielen Seiten laut, dass die
Regierung wie bei den Stadtgemeinden, so auch bei den herrschaft
lichen Gerichten von ihrem Lieblingsgedanken, die wissenschaft
liche Gesetzgebung bloss durch Juristen handhaben zu lassen, noch
mehr abgehen zu müssen glaubte.
Ein Hofdecret vom 21. August 1788 beschränkte nämlich den
Wirkungskreis der Justizämter und setzte fest: „Soll auf dem
Lande nicht Alles zum Gerichtsstände gezogen, sondern folgende
Justizgeschäfte von dem Wirthschaftsamte derjenigen Grundobrig
keit verhandelt werden, unter welche in Streitsachen der Ge
klagte, in Grundbuchsgeschäften die Realität und in den Geschäften
des adelichen Richteramtes der Waise oder der Erblasser gehört.”
Es wurden dem Wirthschaftsamte die sämmtlichen Grundbuchsge
schäfte, gewisse Schuldklagen und die Injurienhändel zugewiesen,
so wie in den Geschäften des adelichen Richteramtes die Bestel
lung des Gerhaben (Vormunds), die Bestätigung aller den Mündel
lieber öslerr. Zustände in den Jahren 1740 1792.
189
betreffenden Contracte, die in Waisensachen vorkommenden Consens-
ertheilungen, die Aufnahme und Berichtigung der Waisenrechnungen,
die Verlassenschafts-Abhandlung mit allen Amtshandlungen, die dahin
gehörig sind, die Entwertung des Abhandlungsvertrages oder die
eigentliche Verlassenschafts-Einantwortung, welche jedoch wegen
der Gesetzmässigkeit dem Ortsgericht zur Einsicht und Bestätigung
vorzulegen sind.
Durch dieses Gesetz, welches noch im Jahre 1848 bestand,
war, da das herrschaftliche Wirthschaftsamt gewöhnlich mit einem
Manne ohne Rechtsstudien besetzt war, der bei weitem grössere
Theil der auf den Herrschaftsbezirken vorkommenden Geschäfte wie
der in die Hände von Nichtjuristen geliefert worden. Die Controle
des Herrschaftsvorstehers durch den Justiziar, welche durch das
Gesetz vom 21. August 1788 vorgeschrieben war, nützte wenig,
mehr aber die strenge den Herrschaftsbesitzern auferlegtc Haftung
und die wegen dieser Haftung für sie entstandene Nothwendigkeit,
sich in schwierigen Fällen mit Consultationen zu helfen.
Die ganze Justizverfassung und dem zufolge auch die Gemeinde
verfassungen kamen aber in ein neues Stadium, als durch das Ge
setz vom 10. Februar 1789 angeordnet wurde, dass gegen einen den
Herrschaftsbesitzern anzuweisenden Antheil an der Grundsteuer vom
1. November 1789 an alle Frohnen, Zehnten und herrschaftlichen
Bezüge an Geld oder Naturalien, welche von den Landleuten zu lei
sten waren, aufhören sollten. Von jetzt an war es sonderbar, wenn
man die Patrimonial-Gerichtsbarkeit beibehalten wollte, weil der
alte Begriff von Unterthanen im Feudalsinne gerade in den wichtigsten
Beziehungen aufhörte. So wie man aber keine Patrimonial-Gerichts
barkeit mehr duldete, liess sich kein genügender Grund finden, um
die Municipal-Gerichtsbarkeit, welche gewöhnlich aus den alten
herrschaftlichen Jurisdictionsrechten durch die Ertheilung von Privi
legien hervorgegangen war, beizubehalten. Gleiche Betrachtungen
sprachen auch dafür, den Herrschaftsbesitzern und den Städten die
politische Verwaltung und die Einhebung der directen Steuern abzu
nehmen und in der letzteren Beziehung enthielt bereits das Patent
vom 10. Februar 1789, welches die neue Grundsteuer einführte,
Bestimmungen. Dem ganzen Verhältnisse der Herrschaften und der
Gemeinden standen daher zufolge des Patentes vom 10. Februar 1789
neue und tief in alle Landesverhältnisse eingreifende Veränderungen
■
1
z
190 IgnazBeldtel.
bevor. Jeder Sachverständige erwartete sie, sie erfolgten aber doch
nicht, und Folgendes scheint davon die Ursache gewesen zu sein.
Im Jahre 1788 hatte ein Krieg zwischen Oesterreich und der
Türkei begonnen, welcher die Aufmerksamkeit des Kaisers und die
Finanzen gleich sehr in Anspruch nahm. Die Einführung landes
fürstlicher Gerichte anstatt der herrschaftlichen und Com-
munalgerichte kostete aber, auch wenn der Regel nach keine Collegial-
Verfassung eingeführt wurde, sehr viel, und wenn man auch diese
durch die Gerichtstaxen decken konnte, so gab es desto grössere
Umstände mit der Ausmittlung von Kanzleien, Wohngebäuden, Ar
resten und den für Gerichte zuweilen nothwendigen Fuhren. Nicht
minder schwierig war bei der Ausmittlung der Gerichtsorte die Be
rücksichtigung aller Convenienzen der Bevölkerung. Endlich hing
man um jene Zeit der Idee nach, auch in erster Instanz die Justiz
von der politischen Verwaltung zu trennen, doch konnten die Männer
von Einfluss nach den Erfahrungen, welche zu dem Patente vom
21. August 1788 geführt hatten, über diesen Punct sich nicht ver
einigen, weil viele fürchteten, dass das Volk, wie es schon seit 178S
einigermassen deutlich geworden war, sich in diese Trennung nicht
würde finden können. So geschah es also, dass man auch nach
dem 1. November 1789, an welchem das neue Steuersystem mit
Aufhebung der Frohnen in Wirksamkeit trat, die Justizverfassung
von 1788 noch beibehielt und Joseph II. (20. Februar 1790) starb,
ehe noch die Cominunal- und Jurisdictions-Verhältnisse auf eine Dauer
versprechende Art geordnet waren.
Die zufolge der neuen Gerichtsverfassung nothwendig gewor
dene Umgestaltung der Gemeindeverfassungen war aber nicht das
Einzige, was die. alten Verhältnisse der Gemeinden änderte, auch
manches Andere kam seihst in der Justizlinie hinzu.
Die alten Gemeindeverfassungen hatten fast durchgängig das
sogenannte Einstandsrecht gekannt, zufolge dessen, wenn ein Ge
meindeglied sein unbewegliches Vermögen an eine nicht zur Gemeinde
gehörige Person überlassen wollte, bald die Gemeinde und bald auch
die Verwandten des Eügenthümers das Recht hatten, dieses Eigen
thum gegen Erlegung einer gewissen Geldsumme an sich zu bringen.
Da diese Geldsumme fast immer kleiner war, als der wirkliche Werth
des wegzugebenden Gutes, so war dies ein Hauptmittel, die Zahl
der Kauflustigen, welche sich etwa finden könnten, klein zu erhalten
a
Ueber österr. Zustände in den Jahren 1740 —1892.
191
und dadurch bei den Eigentümern nicht leicht Veräusserungs-Ideen
aufkommen zu lassen. Den Fremden war dadurch der Weg gesperrt,
sich in einer Gemeinde, welche nicht schon ihr Wohnort war, ein
Grundeigenthum zu kaufen; eben desshalb bildeten die Ortsbe
wohner eine auch in Rücksicht auf Sitten, Sprache und Interesse
enggeschlossene Corporation. Ganz dieselbe Einrichtung bestand
auch zum Theil unter dem Namen der Landmannschaft, des Incolats
oder des Indigenats unter den Landständen der meisten Provinzen.
In dem zweiten Capitel des ersten Theils des Josephinischen
Civilgesetzbuches war bereits (1786) die Aufhebung des Einstands
rechtes ausgesprochen worden und als man dort und da versuchte,
dem nicht ganz deutlich abgefassten Gesetze eine möglich ein
schränkende Auslegung zu geben, erklärte ein Gesetz vom 8. Mai
1787, „dass nicht bloss das landmännische und bürgerliche Einstands
recht, sondern alle Gattungen des in den verschiedenen Landes
gesetzen und Gewohnheiten gegründeten Einstandsrechtes allgemein
und ganz, unter was immer für einer Art und Benennung dasselbe
derzeit gewöhnlich und Rechtens gewesen, aufgehoben sei,” und nur
nachträglich wurde zur Beruhigung derjenigen, deren Einstandsrecht
sich auf Verträge gründete, durch das Hofdecret vom 27. Mai 1787
erklärt, dass jene früheren Anordnungen „die Rechte, die aus Con-
tracten entstehen, nicht berühren.”
Ein auf Contracte gegründetes Einstandsrecht kam aber selten
vor, und da das auf Gesetze und Gewohnheiten gegründete Einstands
recht gesetzlich aufgehört hatte, so stand es nun jedem Gemeinde-
gliede frei, sein unbewegliches Eigenthum demjenigen, welcher die
besten Bedingungen anbot, zu verkaufen, ln der Regel war jetzt
das Kaufgeld dem wahren Werthe entsprechender als früher,
daher die Verkäufe häutiger, aber eben dadurch kamen jetzt in alle
Gemeinden von Zeit zu Zeit neue Grund- und Hausbesitzer.
So wie nun in der Justizlinie durch die neuen Gesetze über die
Competenz und die Zusammensetzung der Gemeinde-Gerichte so wie
durch die Gesetze über das Einstandsrecht die alten Gemeinde-Ver
fassungen sich auflösen mussten, so wurde auch durch die Ge
setzgebung in der sogenannten politischen Linie selbst in Ansehung
der Zusammensetzung der Bevölkerung und der Sitten viel geändert.
Die Wanderung der Einwohner von einem. Orte zum andern war
durch die Aufhebung der in mehreren Provinzen bestandenen Leib-
192
I f»' n ;i •/. B e i d t e l.
eigenschaft (1782) sehr erleichtert, weil nun viele Bauernsöhne
zu den städtischen Gewerben übergingen, in den Jahren 1783 und
1784 verschwanden viele Zünfte, die seit 1781 eingeführte Toleranz
brachte oft protestantische Gewerbsleute in Ortschaften, in denen
vorher nur Katholiken gelebt hatten, und die schon durch ein Gesetz
vom 12. October 1771 sehr begünstigten Grundzerstiickungen wur
den zufolge des Gesetzes vom 18. Mai 1786 so häufig, dass sie in
manchen Provinzen fast in jedem Orte neue Häuser entstehen Hessen,
deren Bewohner sich grösstentheils von industriellen Beschäftigungen
ernährten.
Ganz natürlich musste also in mehr als einer Rücksicht das Ge
meindewesen anders als ehemals aussehen und eben daraus sich auch
die Unmöglichkeit ergeben, jemals wieder die altenGemeinde-Yer-
fassungen herzustellen.
Mehr noch als diese Einrichtungen wirkten auf den Dörfern die
durch die Gesetzgebung sehr begünstigten Grundzerstückungen.
Schon nach einem Gesetze vom 12. October 1771 sollte ein
ganzer Bauerngrund höchstens in vier Theile zerstückt werden
können, und im Gesetze vom 20. Mai 1785 wurde eine Prämie auf
Grundzerstückungen gesetzt, doch musste in diesem Falle der neu
entstehende Bauernhof noch immer nicht unter 40 Metzen enthalten.
Allein bald ging man mit den Grundzerstückungen weiter. Mit der
Hofentschliessung vom 18. Mai 1786 wurde befohlen, jenen Dominien
und Kreisämtern, unter deren Amtswirksamkeit die meisten Grund
zerstückungen zu Stande gekommen waren, die höchste Zufriedenheit
ihres Kaisers und die Belobung ihres Diensteifers zu erkennen zu
geben. Am weitesten ging aber das Hofdecret vom 18. Mai 1786,
indem es verordnete: „wo die Agricultur den einzigen oder doch
den bei weitem wichtigsten Nahrungszweig ausmacht, ist darauf
zu sehen, dass bei der Zertheilung der grossen Höfe wenigstens Eine
Besitzung von vierzig Metzen Feld im Ganzen bleibe, wenn auch der
Ueberrest in kleinere Theile zertheilt wird. In gebirgigen Gegenden
aber, wo nicht sowohl der Ackerbau als die verschiedenen Gattungen
des industriellen Verdienstes die Hauptnahrung der Bauernclasse
ausmachen, haben die Obrigkeiten bei der Vertheilung sich an kein be
stimmtes Maass zu binden. Sie können die Gründe in was immer für
kleine Theile zertheilen lassen. Zu dieser Gestattung bestimmt die
Regierung die Betrachtung, dass in Gegenden, wo Handel, Fuhrwerk
1
Ueber (taten*. Zustände in den Jahren 1740— 1792.
193
und Manufacturarbeiten die Hauptnahrung ausmaehen, ohnehin der
grösste Theil der Victualien aus anderen Bezirken herbeigeschafft
werden muss. Kleine Grundbesitze bieten dann nur Beihülfe für die
Hauswirtbschaft und im Allgemeinen kann aus solchen Zerstücke
lungen in sehr kleine Theile kein Schaden entstehen.”
Man sieht aus diesem Gesetze, dass längere Zeit hindurch die
Staatsverwaltung einen Theil jener Industrie, welche nach der älteren
Verfassung nur in Städten ihren Sitz gehabt hatte, auch auf die
Dörfer verlegen wollte, und in der That zufolge fortgesetzter und im
Sinne der obigen Gesetze geleiteter Grundzerstückungen auf den
Dörfern eine Menge Besitzer, welche den grösseren Theil ihres Un
terhaltes von Manufacturarbeiten zogen, entstehen musste. Diese
Besitzer waren also in der Hauptsache Handwerker und als solche
ein der alten Dorfverfassung sehr fremdartiges Element.
Eine nothwendige Folge der vielen neuen Ansiedlungen war die
Erweiterung vieler Ortschaften durch neue Gebäude, wodurch in
manchen Gegenden die Rechte der einzelnen Hausbesitzer, über
Gemeinde-Angelegenheiten zu sprechen, oder an dem und jenen ein
Interesse zu nehmen, sich änderten.
Selbst in Ansehung der Bauart änderte sich manches durch neue
Bauordnungen. Mit dem Hofdecrete vom 17. August 1789 wurde mit
Strenge auf die Abstellung der längst verbotenen hölzernen Rauch
fänge hingewirkt und den Herrschaften und Gemeinden zur Pflicht
gemacht, unvermögliche Hausbesitzer dabei mit Baumaterial zu unter
stützen.
Ganz natürlich änderte sich nun von Jahr zu Jahr mehr der
äussere Anblick sowie die innere Constituirung und die Sitte der Ort
schaften, was sehr verwickelte Verhältnisse allen denjenigen zeigte,
welche der Vervollkommnung der Gemeinde-Verfassungen ihre Auf
merksamkeit zuwendeten.
194
Prof. Schleicher.
Heber v (-ov-, -ev-j vor den Casusendungen im
Slawischen.
Von Hm. Prof. Schleicher in Prag. ►
Nicht selten zeigt bekanntlich in den Sprachen des indogerma
nischen Stammes der Nominativ singularis eine kürzere Form als die
anderen Casus. Dies findet im Slawischen ebenfalls Statt. Theils geht
hier die vollständigere Form durch alle anderen Casus hindurch, wie
M4TH, MATEpE; HMA, H/VUHC; JKp’fcKA, JKp'fcEATE; HEKO, HEEECE,
theils zeigt sie sich nur in gewissen Casus mehr oder minder con-
stant, wie ckihti, ckihobe, ctvIhokt». u. s. w. neben ckihh, ckihtsl.
Schon dadurch unterscheiden sich Formen der letzteren Art scharf
von den zuerst angeführten Beispielen, dass hier gewisse Casus mit
Vorliebe die längere Form haben, andere sie nie zulassen (so gestattet
im Kirchen-Slawischen im ganzen Singular bloss der Dativ die längere
Endung), ferner auch dadurch, dass die Zwischensylbe -cm-, -eb-
nicht auf eine bestimmte Classe offenbar gleichartiger Nominalstämme i
beschränkt ist, wie die Sylben -Ep-, -eh-, -at-, -ec-, sondern an
Stämmen verschiedener Art, an a- und i-Stämmen sich zeigen:
riÄTEEH neben ckihobh , eotobh. Warum ich die u-Classe im
Slawischen nicht als eine besondere Classe betrachte, wird sich aus
dem Folgenden ergeben.
Jene zuerst aufgezählten Formen richtig aufzufassen ist nicht
schwierig. Nur der Nominativ ist hier verkürzt, die anderen Casus
zeigen die volleForm, oder, wie bei den Neutris auf o-, es entwickeln
sich zwei Stammformen neben einander, indem sich namentlich in
der jüngeren Sprache aus dem Nominativ ein kürzerer Stamm neben
heeec ohne -ec herausbildet.
Weniger klar ist das Wesen der Zwischensylbe -CB-, -EB-. Sie
scheint zwar auf den ersten Blick ebenfalls auf die Weise erklärt
werden zu müssen, wie die anderen Formen — als entsprungen aus
der in anderen Casus eingebüssten Stammendung u — allein diese ?
Erklärungsart stösst, so dünkt es mich, auf unüberwindliche Schwie
rigkeiten. Da die eben erwähnte Auflassungsart dieser Zwischen
sylbe von Auctoritäten wie Bo pp, Miklosich, Safarik aufge
stellt ist, und da sie ferner von grosser Bedeutung für die slawische
Laut- und Formenlehre ist, so schien mir eine ausführliche Bespre-
lieber v vor den Casusendungen im Slawischen.
195
chung dieses Punktes von Wichtigkeit. Oh es mir gelingen dürfte
eine befriedigendere Erklärung zu geben, bezweifle ich mehr als
dass sich die Bedenken gegen die bisherige Auffassung als gegründet
heraussteilen werden.
Als Grundlage meiner Untersuchung nehme ich die Darstellung
der in Rede stehenden Spracherscheinung, wie sie für das Kirchen
slawische, Russische, Serbisch-Illyrische, Alt- und Neuböhmische,
Polnische, auf welche Hauptdialekte ich mich beschränken zu dürfen
glaube, in den besten grammatischen Werken vorliegt. Ich lasse die
von mir angezogenen Gewährsmänner hier mit ihren eigenen Worten
reden: würde ich selbst das Bild jener Spracherscheinung entwerfen,
so könnte leicht meine Ansicht auf dasselbe unbemerkt Einfluss
nehmen oder mich doch leicht der Verdacht treffen, meiner Auffas-
sungsart zu Liebe einzelne Züge jenes Bildes zu scharf markirt,
andere verwischt zu haben.
Kirchen-Slawisch. Miklosich, Formenlehre der altslo-
venischen Sprache pag. 2 „im Sing. dat. und in allen Endungen des
Plurals, ohne Zweifel auch des Duals, erscheint häufig, vorzüglich bei
einsylbigen Substantiven, zwischen dem Thema und dem Casussuflix
die Sylbe ok, welche als euphonische Stellvertreterin des Tv angesehen
werden muss. Im Dual kann ich die Sylbe OB nur durch ein Beispiel:
C'kiNOROy’ *) belegen, was daher kommen dürfte, dass der Dual nicht
so gar häufig ist,” ebend. „Sing. Dat. Nach ob ist das Casussuffix H
nicht oy: OBoy kommt nie vor: EoroRH cod. sup. ant. glag. cloz. 3 )
13S, 908; neben coroy glag. cloz. 298, MHpoßH neben MHpoy,
CKINORH, TpOyAOßH, AP <> V TOßH 5 BparOBH, AIvBOBH, B'fccOBH,
•irtOB'kKOBH, rocnoAHNOBH, npaBbABHHKOBH ant. hark;
selten ist a^mobtv prol. 86, es heisst domum, ou«Ss 3 ); aus obh
st, so scheint es, OB'K und daraus oy hervorgegangen; häufig ist
obh bei fremden Wörtern : nonOBH, HCoycoßH , Hpo^OBH, iifTpOßH,
(ldBAOBH, ÜHAATORH , HOANORH, THTOBH , HOCHFORM , d^UMORH,
VPHCTOBH, apYHTpHKAHHOBH.”
*) Findet sich auch in den rpaMMaTH'iecitin iipannua /,u Vostokovs Ostromirmit
der Bemerkug o^HaHC^M BCTpinaeTea, fehlt aber im Wörterverzeichnisse.
2 ) Die Abkürzungen zur Bezeichung der Quellen behalte ich hier wie im Folgen
den unverändert bei. Dem Kenner der betreffenden Literatur sind sie ver
ständlich, für den Nichtkenner aber auch die volle Bezeichnung ohne Nutzen.
3 ) Eben desswegen nicht nothwendig ein Dativ.
Sitzb. d. phil.-hist. CI. VITT. Bd. II. Hft.
13
196
Prol'. Schleicher.
Pag. 3. „e nehmen an (im Plur. Nom.) diejenigen Substantiva,
in welchen zwischen Thema und Casussuffix cm erscheint: ckiHOBE
B'kcoKf, mhhobe, Kp^OKe, ctj.tobe, uiTOYA^ßf, nonoßE, oapobe,
AOMOBE, AkßOBE, BOAOBE, AMBOßE, nAOAOBE , A a P <>K6 ) A°VX 0ߣ ’
oyMOßE, Aß^poßE, nocobe , 0YA 0Kf Im( l <>VA H ” —
„Plur. Genit. ob tritt ein: aomobTs., ckihobt»., A^pOßTs., rpo-
EOBT»., TpOYA OKrk > BOAOBTv, j BpArOBTi, [fOTOBT*; im
cod. ostrom. nur einmal: rp’fcyoß’k.”
Pag. 4. „Plur. Dat. ob tritt ein: jkha^kom’r, K’kcoßOAA'k,
C'klHOBOAVk, CTiNOBOAVR, BtlTpOBOMTi., rpAAOßOAVk, <S\[iWk,
AOMOBOiW'h., aP«A roßOAVk rp'byoBOM’K u. s. w.” —
„Plur. Acc. ob tritt ein: b’Kcob’KI, ßATiKOß'ki, a 0 ' 1 ' 08 ' 81 ?
BpAHOK'Ki, rpAACßm.!, a^aoetvI, AP i >Yr'Oß'ki> A rtrKr< ’ß' KI 5 r^A^ß'ß'j
HACOß’kl , CkNOETvl, TpAflOBTil U. S. W.” —
„Plur.Instrum, ob tritt ein: ckNOßki, c^a 08 ’ 81 : iuthtobTvI.” —
„Plur. Loc. ob tritt ein: MdC0B r kY, oyA' 5 ’ 8 ’^ JßHAOß’ky, po-
AOB’kx 1 , ckiNOB'kjf neben MACOBoyk, jKHAOBOjfk, rpaAOßoyii..”—
Pag. S enthält das Paradigma von AkB r k mit ob im Dat. Sing,
und im ganzen Plural.
Ibid: „Man bemerke dass bei den Adjectiven ob nie eintritt.”
Pag. 6. „ob geht hier (bei Masc. mit Aussl. h) in eb über:
paießH ant., 3a\hi€bh pat., KpaießE, 3AAHießf psalt. glagol. saahic-
BOAVk ioann.’’
„Die aus fremden Sprachen entlehnten Substantiva auf "kn, eh
werden in den meisten Casus nach ckim». declinirt: Sing. Dat. ah-
APEOB« ioann. 12. 22. ap^HiepEOBH ioann. 18. 24. cod. ostrom.,
A\onrkoBH ant. liorn. avohceobh ioann. 8. 29. thmoteoeh cod.
sup. dagegen ^ApdAaMriHiBEH cod. ostrom. man bemerke NOießH
triod.” (im Plural gibt M. kein Beispiel von Einschaltung des OB
oder eb).
Pag. 7. „Auslaut k. — Sing. Dat. eb tritt ein: nscapießH
ioann. 19. 12. KscapsßH, BHHapfBH cod. ostrom. lue. 13. 7. roeno-
AEBH ioann. 6. 23. auihcebh luc. 1. 27. cod. ostrom. napEBH,
H3pdHA!6EH ioann. 1. 31. kaaaenebh luc. 4. 3. orHießH georg. mon.
OATApEKH , A’ßJKAfßß- ’
„Plur. Nom. eb tritt ein: crpaJKEBE, Bpausßf, kaiomebe.”
Pag. 8. „Plur. Genit. eb tritt ein: MfkiKEß'k, BpauEB'k, KO-
paBAieB-k.’' —
Ueber v vor den Casusendungen im Slawischen.
197
Plur. Dat. tK tritt ein: a^JKA*k©avk prol.
Plur. Acc. tK tritt ein: NC>}KCB r kl, /VlkMtß’kl. —
Plur. Instr. tK tritt ein: HC^KtK'ki, /UkHtß’ki prol, KOUitK'ki pal.
Kpank wird daher mit willkürlicher Annahme der Sylhe tK im
Sing. Dat. und im Plur. so declinirt: (folgt Paradigma, in welchem
auch loe. Plur. KpaMtß’feY'k)-
Da nwv.mk für /H&jKj'k, npaH für npa^ steht, wie dies aus
der bei diesen und ähnlichen Worten eintretenden Sylbe ob, tK klar
hervorgeht, so fallen die Declinationen c'kiH'k, Kpan und M&Htk
zusammmen” etc.
Pag. 9 werden aufgeführt: „n^TtKH, TarfßH, 3ß’kpeßH,
AkHieBH, sp'kBtBH vostok. rocn«iA fKH c °d- sup.”
Pag. 17 „aaaTOKH fast unerhört”. Ibid. /uoptkh cod. sup. wo
mit saaTOBH zu vergleichen.
Pag. 19 „OTpOHATfBH barl.”
Russisch. Ausser der Endung des Gen. Plur. -obu,, -em
hat nur bei einigen Verwandtschafts Wörtern der ganze Plural die
Zwischensylbe. Yostakov, pyccuaa rpaMMaTima 7. Ausg. 1848
zählt cbiHOBba, KyMOBba, 3areBbH Gen. cbiHOBeü u. s. f. auf und
setzt hinzu, dass auch die regelmässige Flexion bei chhi. und 3HTb
stattfinde, so wie bei anderen Wörtern, die im Plural ba u. s. w.
ohne -ob-, -es- haben, falls sie ynoTpeöaaeMoe B'b samHofi phua
«an bte. nepeHOCHOwb 3HaueHiu.
Puchmayer, Lehrgebäude der russischen Sprache, fügt diesen
noch hinzu: cnaroBba von cnaT'b in der Bedeutung von Schwieger
vater meines Sohnes und meiner Tochter und Myai'b Plur. Myrneßba
in der Bed. Ehemann.
Serbisch-Illyriscli. Vuk Stephanovic in der dem
serbisch-deutsch-lateinischen Wörterbuche (Wien 1818) vorausge
schickten kurzen serbischen Grammatik geht nicht genauer auf unseren
Gegenstand ein, es heisst dort Pag. XXXVIII: „Cßa HMeaa Koja ce
cnpiiiyjy H a o, h Maora Apyra, ocoöhto jeßHocaojKHa n ^BojecaoaiHa,
HapacTy y Maom, ßpojy na een «au Ha oeu', diese Zwischensylbe
kommt in allen Casus des Plurals vor, wie die Paradigmen aus weisen;
ho osa CBa mwena Mory hmuth h no npaBHay, h koa l)enojH ce
roBopu oöa/iBoje, h. n. mhluh h mhuicbh u. s. w.
Berlid, Grammatik der illyrischen Sprache, Agram 1850, setzt
zu obiger Regel, die auch er gibt, noch Mehrere« hinzu, wodurch
13
198
Prof. Schleicher.
wohl der Usus bei einzelnen Wörtern genauer bestimmt wird, aber
eben dieser Usus scheint sich nicht in Regeln fassen zu lassen. Trotz
dem tritt die später zu besprechende Bedeutung der Zwischensylbe
in Folgendem klar zu Tage: pag. 36, § 34, d. „züb, der Zahn, hat
in der vielfachen Zahl zübi, wenn es die Zähne im Munde; aber
zübovi, wenn es die Zähne an den Rädern oder andern Werkzeugen
bezeichnen soll. Mjesec hat in der Bedeutung des Mondes mjesecevi,
aber in der Bedeutung des Monats mjeseci. — List das Blatt hat listovi,
wenn es Briefe oder die Blätter eines Buches bedeutet; aber zui
Bezeichnung der Blätter an Bäumen bedient man sich des Collectives
listje. — cvjet die Blume, hat cvjetje; man sagt aber auch cvjetovi,
wo es dann künstliche Blumen bezeichnet.”
Böhmisch. SafaHk, pocätkove staroceske mluwnice im
Vybor z literatury ceske, v Praze 1845, gibt folgende Beispiele der
verlängerten Form zum Paradigma pan § 33: Dat. sg. pozdeji ovi:
Davidovi ZG. synovi ZK. ostnovi Alx. PI. Nom. pozdeji ove: obrazove.
närodove ZG. synove, vrahove ZK. cecHove Pass, pohanove CE. ZSO.
— Gen. obycejneji ov: bogöv LS. vrahöv. junöv. kvetöv. lesov RK.
angelöv. pröduehöv. kozlöv. psöv. ZK. — Dat. ridceji ovoin: bohovom.
Tatarovöm RK. — Beispiele zu parad. otec. § 34. Dat. Sing, nekdy
evi Zhyhonjevi RK. Jezisevi Pass. Se zpätecm prehläskou ovi: krä-
ovi ZK. Aiinäsovi. otcovi.Pass.-Plur. nom. ndko cve: Judeve Ev.-Gen.
casteji ev: knjazev. Judev. Ev. mecev. häjev. vojev. krahujcev. Nemcev.
RK. tisicev Alx. pastyrev. Pass, kotäcev. kltcev. Rem. pozdeji se zpä
tecm prehläskou öv: krajöv ZG. ZW. sanov. krälöv. tisücöv. ZK.
srsnjöv. Dal. — zu par. liosf § 35. loktöv CE. — zu parad. lernen
§ 36: dnove ZK. dnöv ZK.
Neuböhmisch. Tomicek, ceskä mluvnice. vPraze 1850. Zu den
Paradigmen had und sud. § 20. Unterschied der belebten und unbe
lebten: Dat. Sing, liolubu a slavnejsi tez: holubovi, u nezivych pouze:
stromu (nikoliv stromovi). Im Genit. Plur. hat bis auf Spuren über
all uv Platz gegriffen. § 26: vom Dativ Sing.: vlastni jmena osoh
maji vzdy vychod ovi, druhovä pak jmena, s nimi ve pidsade jsouct,
jenom u: urozenemu pänu, panu Jirfkovi a. t. d. Buh mä jen bolni —
Lok. jest rovei'i Dativu — u zivych jest lmsteji u nez ovi. die beim
Dativ gegebene Regel gilt auch hier. — Nom. PI. § 32. Koncovku
ove maji zivi i nezivi zäroven. Jednoslabicnä majl vsak casteji ove:
Cechove, lvove, synove (stare syni jiz docela se zanedbalo), ducliove,
Uebor v vor den Casusendungen im Slawischen.
199
rekove; tak i: orlove, predkove, svedkove. Pes mä: psove i psi; pan:
pänove i päni; ptak: ptäci, zrfdka ptäkove a. t. d. — Zu Paradigma
zet und plast. Gen. Plur. wie oben überall -uv. Dat. sg. belebt -i
und -ovi unbelebt -i. § 45. na ce ukoncena miluji vice i nez ovi: darci,
odpurci a. t. d. § 47. nom. Plur. wie oben: einsylbige belebte lieber
ove als i; auf ce, ec: soudcove, zradcove; ovsem tez podle libosti: vo~
lenci neb volencove a. t. d. den bat dni und dnove. Gen. dni, dnuv.
knez hat nur knezi. — §4. und in Tomlcek’s pravopis cesky 1850:
kdyz nominativ mnozneho poctu nezivych muzskych bytosti na ove
se koncf, ma povahu bytosti zivych, procez i pridavnä jmena s
nim jako pri zivych se spojuji n. pr. stromove vysoci (aber stromy
vysoke).
Polnisch. Muczkowski, grammatyka jezyka polskiego.
Wydanie drugie. w Krakowie 1836. Im Dat. Sing, ist bei Parad. sad
und s.Joii sadowi, sloniowi Regel, so wie im Genit. sadöw, stoniöw. Die
Endungen ohne w gelten als Ausnahmen; in diesen beiden Casus bat
die längere Endung alle Beziehung zur Bedeutung verloren (was im
Böhmischen nur im Gen. Plur. stattfand). Wir geben daher hier
nicht das Einzelne, sondern beschränken uns auf das, was Mucz
kowski über den Dativ Sing, sagt, weil hier die Spracherschei-
nungen im Polnischen sieb besonders auffallend von anderen Dialekten,
namentlich vom böhmischen entfernen: § 126. „Celownik liezby
pojedydczej na owi zakoriezony moze sie skracac na u, szezegölniej
z prz.yimkiem kn, n. p. ku koncu, zainiast ku koheowi, leu Krakmvu.
127. Skracanie na u w niektörycb imionach tak weszto w zwyczaj,
ze ich na owi nigdy nie konczymy. Takiemi sa: Bogu, bratu, clilopu,
ezartu, diablu, Ibu, kpu, katu, ksiedzu, kwiatu, ojeu, panu, swiatu, i
we wszystkich jednozgloskowanycb, ktöre e wyrzucaja: n. p. hvu,
psu.” Also gerade Personenbezeichnungen und einsylbige. Nom. (voc.)
Plur. „Zakonczenie na owie, dawniej powszechniejsze, bo nawet i
nieosobowym rzeezownikom dawane (n. p. ptaszkowie, zefirkowie),
dzis maja tylko nazwiska narodöw starozytnych (opröcz Grecy i na
anin zakoiiczonych), imiona osobowe, rodowe, urzedowe lub pokre-
wienstwo wyrazajace, osobowe na ek (opröcz parobek), tudziez
cudzoziemskie osobowe na f, <j, 1, m, r, zakonezone n. p. Janowie,
Kartaginczykowie — ojeowie, wujowie, synowie, swiadkowie” i. t. d.
„Imiona urzedowe na k, nigdy nie przybieraja zakonczenia owie ale
y" i. t. d.
200
Prof. Schleicher.
Diese Zwischensylbe stellte DobroAvsky und nach ihm viele
ganz auf gleiche Linie mit den anderen gegen den Nominativ Sing,
verlängert erscheinenden Casusformen. So sagt er in den institutt.
pars. II, cap. I, §.4, pg. 465: casus formantur 2. augmenta
quaedam inserendo. Assumunt autem Masculina ob, fß. Neutra
ch, at, cc. Feminina cp.
Bopp in der vergl. Gramm, erklärt sie für Gunasteigerung von
y; synov aus dem vorauszusetzenden syny (y— skrt u), ognev-i
aus OGNJY u. s. w., er nimmt Stämme auf y (u) an, aus denen sich
dann leicht jener Zwischenlaut entwickelt. Dieselbe Ansicht hat im
Wesentlichen Miklosieh, der jene Sylbe aus der Steigerung von
v
'k hervorgehen lässt s. o. ebenso Safarik staroc. mluvn. § 31:
„koncovka ov, ev (im Gen. Plur.): bohöv, otcev, vlastne a puvodne
jen jistym slovüm, majfcim ji jiz ve kmenu ve forme u, pristojnä a
ve vsech pädech uzivanä.”
Dieser scharfsinnigen und die vorliegende Spracherscheinung
in so genaue Parallele zu den verwandten Sprachen stellenden Erklä
rung gegenüber drängen sich mir doch folgende Bedenken auf.
Es ist unerhört in der Geschichte der Sprachen, dass eine so
verschwindend kleine Anzahl, wie die der substantivischen u-Stämme
im Slawischen, für eine ungeheure Masse, wie die der a-Stämme, die
Analogie abgebe, dagegen steht der entgegengesetzte Vorgang in
vollem Einklänge mit der sprachgesehichtlichen Erfahrung. Als echte
unzweifelhafte Beispiele sind mir nur wenige bekannt, etwa np r k\"'k
lit. virszus; mc^Ti lit. medüs HU; ockATi goth. asilus; ctj.ih’K lit.
sunus, goth. sunus, Tp^rk lit. türgus; Tp'kN'k goth. thaurnus,
kann gegen lit. namas (für damas) äo/zog ved. wegen des
schwankenden domus nicht als u-Stamm gerechnet werden; solcher
zweifelhafter gibt es noch einige. Bei Adjectiven tritt aber -ob-, -ck-
nie ein, Avarum, Averden wir später sehen. Für die weichen wie
KOynkUk üt. küpczius u. a. ist aber trotz des litauischen kein
ursprünglicher u-Stamm anzunehmen, da sie den Stämmen auf
skr. -ja, lat. -iu, griech. -to entsprechen und auch im Litauischen
nur im Sing, und Dual unursprünglicherweise nach der u-Declination
gehen, im Plural aber die Declination der a-Stämme beibehalten
haben. Mag man auch noch mehr substantivische u-Stämme auf
treiben, so Avird ihre Anzahl immer eine so kleine sein, dass es un
denkbar erscheint, Avie diese Avenigen Formen die grosse Masse mit
Ueber v vor den Casusendungen im Slawischen.
20t
sich fortreissen konnten. Suche man sich nicht etwa dadurch über
die Schwierigkeiten hinweg zu helfen, dass man sagt: ursprüngliches
u und a sind im Slawischen gleichmässig durch 'k (u) vertreten, wie
etwa im Lateinischen durch u, und desshalb konnte die Declination
beider verwechselt werden. Schon das Lateinische zeigt das Gegen-
theil, die Sprachen behalten sehr wohl das Gefühl für den verschie
denen Ursprung später gleichlautender Elemente; es bleibt die alte
Schwierigkeit, dass die vereinzelten echten u den Massstab abgege
ben für die aus a entstandenen. Man müsste auch annehmen, dass
die Sprache mit der Bildung der anderen Casus so lange gewartet
habe, bis die Nominative auf as zu us oder bis beide zu Tv herabge
sunken waren, und bis sie das Gefühl für die verschiedene Herkunft
dieses Endlautes verloren.
Sehr befremdend wäre es, ja unbegreiflich, wenn der Ursprung
des -ob-, -tß- vom Auslaut des Stammes herzuleiten wäre, dass
bei den Adjectiven mit gleichem Stammauslaut, deren Flexion sonst
nicht im mindesten von der der Substantiva abweicht, doch diese
Zwischensylbe sich nimmer und nirgends vorfindet.
Dass einige Casus häufiger, andere nie -ob-, -«b- zeigen, dass
es ferner in der Mehrzahl besonders beliebt ist, im Dual fehlt, wäre
völlig unbegreiflich, wenn es eine Folge des Stammauslautes wäre.
Wie verschieden sich Doppelformen ausnehmen, deren Ursache ver
schiedener Stammauslaut ist, wird klar, wenn man die Declination
von caobo mit der von rkiNTi vergleicht.
Es zeigt sich ein Überhandnehmen dieser Formen in der jün
geren Sprache, Stammerweiterungen aber pflegt die Sprache nach
Analogie der nicht erweiterten Stämme eher abzuschleifen als her
vorzurufen; vgl. CAOßO, wie denn die Sprachen in ihrem geschicht
lichen Verlaufe immer mehr den alten Formenreichthum verlieren.
Da -ov-, -ev- in der späteren Sprache besonders häufig auftritt
(vgl. Alt- und Neuböhmisch), so müsste man nach der bisherigen
Erklärung annehmen, die Sprache sei auf dem Wege gewesen, die
w-Stämme in die «-Stämme aufgehen zu lassen, und habe später die
entgegengesetzte Richtung eingeschlagen — eine unthunliche An
nahme.
Die Endung -ob-, -fß- steht in Zusammenhang mit der Bedeu
tung des Wortes, dem sie sich anfügt; sie ertheilt ihm sogar eine oft
sehr stark hervortretende Beziehung (s. o. Böhmisch, lllyrisch, Rus-
202
Fi'ol'. Schleicher.
sisch) ■— ein Factum, welches nicht erklärt wird, wenn man sie nur
für ein rein phonetisches Erzeugnis hält.
Der bisherigen Ansicht hleibt nichts anderes übrig, als Formen
auf -tß- von «-Stämmen: ii/Vtjbh u. s. w. (s. o.), für sehr unorga
nisch zu erklären. Auf der anderen Seite aber sollten Adjective,
welche wirklich den «-Stämmen der verwandten Sprachen entspre
chen (cfr. )("lvlTp'k lit. kytrüs, Gen. kytraus, mit den analogen Bil
dungen im Sanskrit, wie z. B. C'kiT’k lit. sotüs) deren sich meh
rere nachweisen lassen, nie die Zwischensylbe annehmen, dieselbe
also gerade da nicht stattfinden, wo sie organisch wäre, während
sie sich weit über ihre natürlichen Grenzen hinaus über «- und i-
Stämme verbreitet hätte. Es ist eine bedenkliche Sache, wenn man
in einer Sprache solche gründliche Desorganisation statuirt. — For
men , wie rocnoAd, rocnoA«Y u. a. harte Formen, in der späteren
Sprache noch häufiger, sind auf ganz regelrecht sprachgeschicht-
lichem Wege entstanden durch das Umspringen der selteneren z-De-
elination in die vorherrschenden «-Formen und haben mit -cm-, -eß-
nichts zu tliun; neuere Dialekte bieten von der Declination rocTh
nur Spuren, das ist begreiflich, und die im Indogermanischen noch
viel selteneren «-Formen sollten nicht nur diesem Loose entgangen
sein, sondern sogar die «-Formen in ihr Bereich theilweise herein
gezogen haben ?
Eine unbefangene Betrachtung, dünkt mich, findet auch im Sla
wischen in Bezug auf die Nominalstämme das Ergebniss vor, welches
wir nach Massgabe aller sonstigen sprachgeschichtlichen Erfahrung
allein erwarten können: die seltenen «-Stämme sind durch die über
wiegende Analogie der «-Stämme verdrängt, und ihre Declination
fällt somit mit der «-Declination unterschiedlos zusammen: sie sind
in «-Stämme übergegangen '). Wir haben uns demnach für die Er
scheinungen, die man auf ein auslautendes Stamm-« zurückführt,
nach anderer Erklärung umzusehen.
*) Sichere Spur eines u-Stammes linde ich nur in iue,\u kAi', aicakmi'u. In diesen
nach der Bedeutung zu schliessen uralten Wörtern hat sich, wie nicht selten
in Zusammensetzungen und Ableitungen, erhalten, was sonst verloren ging.
Dass einmal einc-aiHOBH und c-uiHOne ähnlich klingt wie FFTST «• s. w.
e\
vermag nichts gegen die Fülle anderweitiger Erscheinungen zu beweisen.
Lieber v vor den Casusendungen im Slawischen.
203
Hierher gehören die Dative Sing, der Substantiva, Adjectiva,
Pronomina Masc. und Neutr. auf u, so wie die in der späteren
Sprache häufigeren mit einem gleichlautenden Genitive Sing, und die
Vocativ-Formen auf ?/ .- c'bJNOy, AvkcToy, /i,OEpoy (Masc. und Neutr.)
Kpaio, ?u&>Koy (Dativ, Voc.) TOA\oy u. s. w. Will man diese Formen
mit Bopp für flexionslos halten, so nöthigen sie dennoch nicht zur
Annahme echter w-Stämme. Wir nehmen im Slawischen wie z. B.
auch im Lateinischen zweierlei u, Ts-Laut an, einmal ’K als Vertreter
von ursprüngl. a, der häufigere Fall; sodann-k als Vertreter eines
ursprünglichen u (z. B. K'K/ykTH u. a.); beiderlei r u kann in den vol
len Vocal oy übergehen. Obschon oy aus ob entstehen kann (vor
einem Consonanten im Inlaute: -Oß-dTH, -oy-bX), so ist es doch
nicht thunlich ihm im Auslaute diese Entstehung zuzuschreiben. Aus
CkiHOßH müsste ckiNOBh, später vielleicht CTsiNOßT». werden (vgl. den
Genitiv Plur.')• Indessen gestehe ich gerne, dass die Annahme,
jene Casus seien ohne Flexionsbezeichnung, mir nicht zusagt, wage
jedoch noch keine andere Erklärung liier auszusprechen. Ich behaupte
nur so viel, dass es unstatthaft sei, jene Formen auf oy aus dem
Überhandnehmen echter u - Stämme zu erklären. Wäre ovi überall
die ursprüngliche Form, warum sollte es sich denn nur bei Substan
tiven erhalten haben, nie bei Adjectiven und Pronominen. Letztere
lieben ja besonders alte Flexionen zu bewahren, und doch wird sich
nun und nimmer etwa ein tomobh auffinden lassen. Übrigens ist
-obh später als oy, worauf schon hingewiesen worden ist und ich
später zurückkommen werde.
Ferner wurde besonders die Zwischensylbe -OB, - fß- auf den
Stammauslaut u zurückgeführt. Der folgende Erklärungsversuch
steht nicht nur im Einklänge mit allen sonstigen sprachwissenschaft
lichen Erfahrungen, sondern genügt auch, so bediinkt mich, vollkom-
l ) Erst die neuböhmische Umgangssprache macht aus der Endung des Genitiv
Plur. (und hier und da auch des Besitzbeiwortes, Tomicek §. 113) -uv ein
blosses u, dies hat aber seinen besonderen Grund darin, dass der Neuböhme
hier üv statt ov spricht; eine solche Annahme ist für das Kirehen-Slawische
ganz unstatthaft, hier fordern die Lautgesetze die oben angegebene Form.
Der böhmische Dativ Plural auf -um (-6m) hat nichts mit jenem -eil- zu
schaffen also nicht etwa an Zusammenziehung aus -ovom zu denken) wie dies
die Formen (s. o.) auf -ovom darthun. Die Dehnung in -uv und -um läuft pa
rallel und ist eine Eigenthümlichkeit des Böhmischen.
204
Prof. Schleicher.
men für die hierher gehörigen, oben aufgezählten Formen des Sla
wischen.
Es werden nämlich, wie bekannt, im Indogermanischen einzelne
Casussnffixe nicht selten mittelst pronominaler Elemente an den
Stamm gefügt, wie z. B. in der pronominalen Declination mittelst
srna, welches durch seine Anwendung im Slawischen gerade im Da
tiv Sing, genau dem ob im Dativ Sing, der Substantiv-Declination
entspricht *); im Deutschen hat sich das pronominale (demonstra
tive) Element n, ursprünglich nur gewissen Wortstämmen eigen, zu
einem Flexionselement entwickelt, das die schwache Declination
charakterisirt a ). Im Deutschen gilt n für Substantiva und Adjectiva
in gleicher Weise, im Slawischen theilen sich zwei Pronominalstämme
in dieselbe Function: bei den Substantiven, wo sich übrigens der
Gebrauch des Zwischenlautes auf die Masculina beschränkt, was wir
auf seine Bedeutung zurückzuführen haben, erscheint ß, bei den Ad-
jectiven das volle Pronomen h. In jenem ß erkennen wir das Haupt
element des im Slawischen auch als selbstständiges Wort vorkom
menden Pronomen obt*, Oßd, obo; serbisch-illyrisch ovaj, ova,
ovo, altböhm. ov, ova, ovo; poln. öw, owa, owo. Dies Prono
men findet sich auch in anderen indogermanischen Sprachen wieder:
Zend. -“»* (ava), Altspers. yyy (ava), Neupers.^, im Sansk.
57, Griech. aörög und in anderen Sprachen zeigen sich Spuren des
selben , nur im Iranischen und Slawischen findet es sich als selbst
ständig gebrauchtes Pronomen. Dies Pronomen spielt im Slawischen
wie in anderen Sprachen andere Pronominalelemente, in den Wort-
bildungs- und Ableitungs-Sylben überhaupt eine hervorragende Rolle,
wozu es die demonstrative Bedeutung befähigt; mit ihm werden Ad
jectiva gebildet, Verba abgeleitet, kurz es gehört zu den frequen
testen Wortbildungselementen. In der Declination gerade dies Pro
nomen auftreten zu sehen, kann demnach nicht Wunder nehmen.
Dass nach ob im Dativ Sing, h als Casusendung gebracht wird,
scheint mir durch die Analogie der übrigen im Vergleiche zum No-
*) Anwendung von Wortbildungselementen in einzelnen Casus ist mir aus neu
indischen Sprachen erinnerlich aber nicht deutlich genug, um die Beispiele hier
her setzen zu können. Die nöthigen Bücher aber sind mir nicht zur Hand.
®) In der Auffassung der schwachen Declination im Deutschen folge ich Grimm,
der namentlich in seiner Geschichte der deutschen Sprache diese Sprach-
erscheinung mit der ihm eigenen Meisterschaft dargestellt und erklärt hat.
Hebet- v vor den Oasusendungeu im Slawischen.
205
minativ verlängerten Formen bewirkt zu sein, da sonst die Endungen
nach ß sich von der vocalischen «-Declination nicht unterscheiden,
wie ja consonantische und vocalische Declination im Slawischen über
haupt durch Überhandnehmen der letzteren wenig verschieden sind.
In ßH erscheint die einzige consonantische Endung nach ß, ausser
dem erscheinen die gewöhnlichen Suffixa der «-Declination, was man
sich aus dem Überhandnehmen derselben erklären kann oder daraus,
dass von oet* (urspr. ava) va in die Flexion eingesetzt wurde, wo
dann bh als Ausnahme erscheint. Die letztere Annahme gilt mir als
die wahrscheinlichere. Vielleicht wirkte im Dativ auch der Umstand
ein, dass mit der Endung osoy der Dativ des Substantivs mit dem
Dativ des von demselben abgeleiteten Besitzadjectivs zusammenge
fallen wäre.
Bei den «-Stämmen ist nur b (ß'K) angetreten, das 0 von ob
gehört dem Stamme (vgl. Formen wie npoTHBTv von npoTH u. s. w.);
in fi/üT6ßH. OTpcuATEBH dagegen ist nach halbconsonantisch
(auf Th) auslautenden Stämmen -ob- statt des blossen B gewählt
und die Verbindung -kcb nach der Begel in -eb verwandelt worden.
Die Declination mit e ist offenbar wie die deutsche schwache
Declination (in der überwiegenden Mehrzahl von Fällen) späteren Ur
sprunges, dies folgt aus ihrem Wesen und ist historisch nachweis
bar, da sie nur dem Slawischen eigenthümlieh ist und auch hier in
der jüngeren Sprache zunimmt. Doch davon später. Es lässt sich
dies aber auch an den Formen selbst wahrnehmen. Wäre sie ein
getreten zur Zeit, als noch die Nominative (von der muthmasslichen
älteren Form der Wurzelsylbe sehen wir hier ab) bogas, synus, pa-
tis existirten, so müssten z. B. die Dative dieser Wörter beissen:
bogavi, synuvi, pativi; sie trat aber offenbar ein als « zu o gewor
den: KOroBH , als die Endung -ns schon untergegangen war und
synus als c^hiHTv wie Kork flectirt wurde, also £ r hiH0BH = K0r0BH
und als patis bereits nXTh geworden war. Namentlich durch die er
schlossenen Formen wird die Parallele recht anschaulich, in welcher
unsere Spracherscheinung mit der deutschen schwachen Declinations-
weise steht. Ein solches nach auslautendem Stamm-o (a) mit einem
gunirten Stamm-« zusammenfallendes Flexions-Element von so häu
figer Anwendung musste, falls es, was nicht unwahrscheinlich, zu
nächst und zuerst in der «-Declination, der häufigsten, Platz griff,
das Seinige dazu beitragen, um die «-Stämme obsolet zu machen.
jgl
WB
U
1
206 Prof. Schleicher.
Fliessen doch auch im Deutschen die Wortbildungssuffixa mit n mit
den Formen zusammen, in welchen das n ein nur der Declination zu
kommender Zusatz ist, durch welchen die Casusendung mit dem
Stamme in Verbindung tritt. Überhaupt wird das n in deutscher
Wortbildung und Flexion in einer der Anwendung des gleichbedeu
tenden ß im Slawischen in vielen Stücken analogen Weise gebraucht.
Betrachten wir nun das Vorkommen der durch ß erweiterten
Formen und sehen wir zu, wie sich damit unsere Herleitungsweise
verträgt.
Allen Dialekten gemeinsam ist, dass dieZwischensylbe nur beim
Masculinum vorkommt, ursprünglich, meist auch jetzt noch aber
auch wegbleiben kann.
Beim Adjectivum konnte ß keine Anwendung finden, da das Be-
dürfniss für das bestimmte Adjectivum schon durch ein anderes Pro
nomen gedeckt ist und das unbestimmte eben einen solchen bestim
menden Zusatz nicht verträgt: auch beim Nomen werden wir ß nicht
ohne Bedeutung finden. Das Pronomen bedarf ebenfalls einer solchen "
Zutlsat nicht. Bei diesen Wortclassen kann ß nur als wortbildender
Laut verwandt werden.
In der Substantivflexion gesellt sich ß nur dem Masculinum, nie
dem Femininum, nur in ganz seltenen Spuren im Kirchen-Slawischen,
wo überhaupt der Gebrauch dieser Zwischensylbe noch wenig fixirt
ist, dem Neutrum. Überblicken wir nämlich den Gebrauch von ß,
so zeigt es sich, dass es eine individualisirende Beziehung ausdrückt,
die sich z. B. im Böhmischen bis zur belebenden steigert. Der Ge
brauch des ß wäre desshalb allerdings beim Neutrum kühn, das Fe
mininum liesse ihn eher zu, allein dem ß ward einmal eine entschie
den masculine Bedeutung, den Femininal-Formen, die sich ja üheiv
haupt vom Concreten zum Abstraeten hinneigen, ward diese Aus
zeichnung versagt.
Der Gebrauch des ß nimmt in der späteren Sprache zu und
setzt sich fest. Diese Erscheinung, die der bisherigen Erklärung zu
wider ist, wird nach unserer Auffassung in ihrer Ursache ersichtlich.
Wir finden ja in diesem ß nichts Ursprüngliches, aus der indoger
manischen Ursprache Mitgebrachtes und daher in anderen Sprachen
ebenfalls Vorkommendes, sondern ein speciell slawisches Erzeugniss,
ähnlich wie die Eigenthiimlichkeit in der Beziehung des Zeitwortes,
welches erst vor unseren Augen sieb weiter entwickelte und festo
Ueber v vor den Casusendungen im Slawischen.
207
Bedeutung gewann. Hätten wir nur ältere slawische Denkmäler, ge
wiss würde von unserem Flexions-ß nicht viel darin zu finden sein.
Im Genitiv Plural setzte sich in der späteren Sprache B ohne
Rücksicht auf die Beziehung fest, weil die Endung dieses Casus, Ti,
namentlich bei kurzen Worten eine Erweiterung der Form begün
stigte. Im Accusativ, Instrumentalis, Locativ kam sie gänzlich ab.
Im Plural war ß von besonderer Bedeutung, weil es ihn als einen
Complex Einzelner erscheinen Hess, was im Dual wegfiel, weil hier
schon die genaue Beziehung auf Zwei in der Form gegeben ist,
woraus ich mir erkläre, dass es im Dual nicht in Anwendung kam.
Die Betrachtung der einzelnen Dialekte wird die Bedeutung des
besprochenen Elementes in klarem Lichte zeigen.
Weniger scharf tritt die Bedeutung von ß im Kirchen-Slawischen
hervor. Es ist natürlich, dass eine spätere Sprachform , für welche
wir die Casusendungen mit ß erklären müssen, erst mit der Zeit
festen Gebrauch und Bedeutung erhält; auch muss man sich hierbei
erinnern, dass in Übersetzungen der originelle Geist einer Sprache
sich weniger entfalten kann. Zumal solche Feinheiten in der Auffas
sung der Beziehung leiden leicht. Wir möchten eine Parallele hier
ziehen zwischen der eigenthümlichen Auffassung der Beziehung beim
Nomen mit der beim Verbum im Slawischen. Wie sich im Zeitworte
vorzüglich die Sonderung des Einmomentigen und in mehr Momente
Zerlegbaren auf der einen Seite vom ununterscheidbar Dauernden
auf der andern ausspricht, so wird hier im Plural geschieden zwi
schen einer Mehrzahl von einzelnen Individuen und einer mehr ab-
stract empfundenen ununterschiedenen Menge. Stromove im Böhmi
schen z. B. sind einzelne Bäume, jeder tritt gleichsam persönlich
für sich heraus, daher werden diese Formen den belebten gleich
geachtet, stromy sind Bäume schlechthin. Im Singular verhält es sich
ähnlich, -ovi bezeichnet bestimmt den Einzelnen als Individuum,
daher für die belebten im Böhmischen ausschliesslich in Gebrauch —
vgl. padnouti, -— die gewöhnliche Endung gibt schlechthin nur die
Dativbezeichnung ohne solche Hervorhebung — padati. — Im Kir
chen-Slawischen sind es im Plural besonders einsylbige Substantiva,
denen auf diese Weise mehr Gewicht verliehen wird, im Dativ Sin
gular vor allem civiH'h. in der Bedeutung von Gottes Sohn. Fremden
Wörtern wird obh mit Vorliebe gegeben, weil es Nomina propria
von Personen, seltener Bezeichnungen von Beamten u. dgl. sind,
208
Prof. Schleicher.
welchen beiden das Suffix vermöge seiner Bedeutung zukommt. Eine
genauere Untersuchung, in wie weit aut die Wahl dieser Endung
ausser der Einsylbiglceit die Bedeutung und die jeweilige Fassung
der Beziehung Einfluss nimmt, geht mir zur Zeit noch ab. Die be
lebten scheinen vorzüglich mit diesen Endungen bedacht zu sein,
doch findet sie auch bei zahlreichen einsylbigen unbelebten statt.
Im Russischen liegt die definirende Bedeutung unserer Endung
schon klar vor. Sie wird hier sparsam gebraucht, nur im Plural bei
Verwandtschafts Wörtern, wenn sie nicht im übertragenen Sinne ge
nommen werden, d. h. wenn man die einzelnen Individuen bezeichnen
will; bei cuan, beschränkt sie die Bedeutung auf den Cßar-B xar'
iqoyr,v, den Schwiegervater der eigenen Kinder, bei Myrn-B unter
scheidet sie den Ehemann vom Manne schlechthin.
Im Serbisch-Illyrischen ist v ebenfalls dem Singular fremd,
desto häufiger zeigt es der Plural; die zwei Auftässungsweisen sind
freilich oft gleich gut möglich, nur bei einigen Substantiven hat die
Sprache sich für eine der beiden entschieden. Sehr belehrend sind
die Fälle, in welchen der Pronominalzusatz die Bedeutung des Sub
stantivs ändert: zübi die Zahnreihe des Menschen, zubovi die ein
zelnen Zähne der Maschine. Mjeseci die leblosen in einander ver-
fliessenden Monate, mjesecevi die einzelnen, gleichsam belebt ein
herwandelnden Monde. Listovi, evjetovi die übertragen so genannten
oder künstlich verfertigten Blätter, Blumen, im Gegensätze zum
natürlichen Laub- und Blumenwerke.
Das Altböhmische zeigt, wie sich die Endungen mit v erst spä
ter entwickeln; sie kommen hier vor allem den belebten zu, im Sin
gular hat sie der Dativ, selten der Locativ, der Accusativ, Instrumen
tal, Locativ Plural nie, selten der Dativ, am häufigsten der Genitiv, in
welchem Casus die Form mit v sich später ganz festsetzte, aus pho
netischen Gründen s. o. Im Nom. Flur, begünstigte das schwächer
hervortretende Casusverhältniss die Nebenbeziehung, dem Vocativ
müsste sie besonders erwünscht sein. Im Neuböhmischen haben die
belebten, aber nur diese, mit Vorliebe die längere Endung; bei
Eigennamen ist sie die allein gebräuchliche, ganz im Einklänge mit
derBedeutung des Zusatzes. Mehrmals hintereinander, bei zusammen
gehörigen Wörtern setzt man die Formen mit v nicht: panu doktoru
Pavlovi, was ebenfalls in der Bedeutung des v begründet ist. buh
kann, anscheinend ausnahmsweise, nur boliu haben: da es kein nomen
Heber v vor den Casusendungen im Slawischen.
209
proprium ist, so würde die Endung' ovi den Sinn geben: einem ein
zelnen, bestimmten Gotte, sie ist demnach nur, wenn von einem
Götzen die Rede ist, mit Fug zu brauchen. Fast gleichen Schritt mit
dem Dativ hält der Locativ Singular; im Nominativ, Vocativ Pluralis
tritt der Zusatz auch an unbelebte, wodurch sie aber als Einzelwesen,
Individuen gefasst und gleichsam personilicirt werden, so dass sie als
begleitende Adjectiva die Endung der belebten annehmen. Stromy
und stromove machen ganz verschiedenen Eindruck; bei Personifi-
eationen ist die längere Endung am Platze, man würde z. B. mit
Recht sagen: vysoci dubove mi poseptali, aber: vysoke duby dävajl
mnoho dobreho drtvt. Im Genitiv Pluralis hat -uv ohne Rücksicht auf
die Bedeutung überall Platz gegriffen.
Im Polnischen hat nicht nur im Genitiv Pluralis sondern auch
im Dativ Singularis die längere Endung sich zur herrschenden erhoben
und so ihre eigentliche Bedeutung eingebüsst. Daher kommt es, dass
die Endung ohne Zwischensatz im Dativ bei den gewöhnlichsten
Wörtern im ausschliesslichen Gebrauche ist als Abkürzung: da nun
Verwandtschaftsbezeichnungen und andere Benennungen von Perso
nen unter die am häufigsten gebrauchten Wörter der Umgangssprache
gehören, so ist es gekommen, dass diese völlig im Gegensätze zu
den mehr am Älteren haftenden Dialekten die kürzere Endung haben.
Im Plural dagegen hat sich die längere Form bei den Personen, Ge
schlechter, Stände etc. bezeichnenden Namen in ihrer ursprüngli
chen Geltung erhalten, wiewohl der Usus, wie es in modernen Spra
chen der Fall zu sein pflegt, hier bestimmte Regeln festgesetzt hat.
Eine so entschieden an der in Rede stehenden Endung haftende
Bedeutung wird man weder wegläugnen können, noch geneigt sein,
sie auf eine rein phonetische Erscheinung zurückzuführen, auch ab
gesehen von den oben entwickelten Gegengründen. Namentlich die
böhmische Sprache, die bei manchen starken Einbussen doch viel
Altes, echt Slawisches erhalten hat, zeigt die Bedeutung unserer For
men, von denen sie sehr ausgedehnten Gebrauch macht, im hellsten
Lichte — vielleicht kommt dies mir nur desshalb besonders klar zur
Anschauung, weil ich mit dieser Sprache genauer vertraut bin und
sie aus dem Leben kenne.
Dadurch, dass das eingeschobene Element noch in seiner Be
deutsamkeit empfunden wird, unterscheidet sich die slawische De-
clinationsweise von der deutschen schwachen Substantivdeclination,
210 Prof. Schleicher. Ueber 11 vor den Casusendungen im Slawischen.
mit welcher sie formell, abgesehen von der Verschiedenheit der
verwandten Pronominalelemente, viel Übereinstimmendes hat. Zu
dem Vielen, was beide Sprachen, die germanische und die slawische,
Übereinstimmendes, nur ihnen beiden Eigenthümliches besitzen,
würde sich in bedeutsamer Weise auch die besprochene Sprach-
erscheinung gesellen, falls unsere Erklärungsweise derselben die rich
tige ist. Sollte dies auch nicht der Fall sein, so ist es doch für
klare Auffassung und sicheres Verständniss einer so wichtigen
Spracherscheinung nicht ohne Nutzen, wenn sie von verschiedenen
Seiten aus beleuchtet wird.
211
VERZEICHNIS
DER
EINGEGANGENEN DRUCKSCHRIFTEN.
(Februar.)
Academie d’Archeologie de Belgique. Annales. Vol. IX.
Annalen der Chemie und Pharmacie. Herausgegeben von Friedr.
Wohl er und Just. Liebig. Bd. 81. 1.
Annales des Mines. Tom. XX. livr. 1.
Archiv der Mathematik und Physik etc. Herausgegeben von
Grunert. Greifswald. Th. XVII. H. 2. 3.
Brcguet, A., Manuel de la telegraphie electrique a l'usage des
employes des chemins de fer. Paris 1831; 8 V °.
Buch, Leop. von, Lagerung der Braunkohlen in Europa. Berlin
1831; 8 vo .
Catalogue des principaux appareils d’acoustique et autres objets
qui sc fahriquent chez Marloye a Paris. Paris 1831; 8 V0 .
Flora. 1832. Nro. 1—4.
Frankenheim, M. L., Krystallisation und Amorphie. Breslau; 8 V ".
Gesellschaft, deutsche morgenländische. Zeitschrift. Bd. VII. 1.
®e fetlfdjaft, f. f. mähr. , beä 31<ferßaueg jc. SOJittheitungen
1830. iftro. 1—4. 1831. Sftro. 1—4.
— 8anbtuirthfd)aft§=Äatenber für 1832. 2 ©rempt.
Hermann, Karl Friedr., Perseus und Andromeda. Eine Marmor
gruppe der k. Sammlung im Georgengarten zu Hannover.
Göttingen 1831; 4 l °.
— Disputatio de sceptri regii antiquitate et origine. Göttingen.
1831; 4 t0 .
d’Homhres Firmas, Notes sur Fressac et description de deux
anciennes terehratules inedites. S. C. A. etc.
Sitzb. der phil.-hist. CI. VIII. Bd. II. Ilft.
14
212 Verzeichntes der eingegangenen Druckschriften.
Muquardt, Charles, De la propriete litteraire internationale de la
contrefa?on et de la liberte de la Presse. Bruxelles 1851; 8 V0 .
Otto, J., De epistola ad diognetum S. Justini, Philosophi etMartyris
nomen prae se ferente. Jenae 1845; 8 V0 . 3 Exempl.
Patellanf, Luigi, Abbozzo per un trattato d’ Anatomia e Fisiologia
veterinaria. Vol. III, fase. I. Milano 1847; S' 0 .
Pluskal, F. S., Die Ursachen des Fortbestandes und des all
mählich stärkeren Wiederauftretens variolöser Epidemien, ßriinn
1851; 8 V0 .
Selskab, K., Danske for Faedrelandets Historie og Sprog Danske
Magazin. 3. Reibe. Bd. 1—2, 3. H. 1—4.
Schleicher, A., Nal a Damajantl. Prag 1852; 8 V0 .
Societe d’ArcheoIogie et de Numismatique de St. Petersbourg.
Memoires. Vol. XV.
Society, R., geographical of London. Journal. Vol. 21.
Uwaroff, Graf Alexis, Forschungen über die Alterthiiiner Süd-
Russlands etc. Lief. 1, Fol. (3tt rufftfdjer Spraye).
SSeretn für £>amöurgtfc(je ©efdjidjte. Seitfdjrift. 33b. III., $.3—4.
Vukotinovic, Prirodoslovje. Agram 1851; 8 V0 .
Werlauft, E. C., Det Kong. Danske Selskab for Faedrelandets
Historie og Sprog i dets forste Aarhundrede. Kjobenhavn 1847;
8'°. 3 Exempl.
— Tillaeg til skriftet, Det Kong. Danske Selskab for Faedrelandets
Historie etc. i dets forste Aarliundrcde. Kjobenhavn 1847;
8 V0 . 3 Exempl.
Gesellschaft, physikal.-mediein., in Würzburg. Verhandlungen.
Bd. II, Nro. 6—22.
Weiss, Siegf., Die praktische deutsche Nationalökonomie in Ver
bindung mit ihrer Politik. Leipzig 1852; 8 V0 .
Wochenblatt, Österreich, botanisches. Red. von Alex. Skolits
I. Jahrg. Wien 1849.
ftürtd), Unimfttätgfdjriften. 3tu8 ben Sauren 1850—1851.
SITZUNGSBERICHTE
DER
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE CLASSE.
VIII. BAND.
111. HEFT. — MÄRZ.
JAHRGANG 1852.
15
215
SITZUNG VOM 10. MÄRZ 1852.
Vorgelegt:
Verzeichniss der neuesten in Konstantinopel erschienenen
orientalischen Druckwerke.
Von dem c. M. Freiherrn t. Sclilechta.
1) iJjUl d. i. Geschenk der Könige in Bezie
hung auf die Rechtweisung im Wandel; ein Druckwerk in türki
scher Sprache, enthaltend Vorschriften und Belehrungen für
die dem Nakschibendi-Orden angehörigen Derwische.
2) oLaill d. h. Schöne Sitten der Richter; lithographirte
Broschüre, handelt von den einem mohammedanischen Richter
(Kadlii) zustehenden Pflichten und Obliegenheiten (metrisch
und gereimt).
3) d. h. Denkmal des Schewket, ein türkisch-arabisch-
persisches Wörterbuch (Druckwerk).
Sämmtliche drei Werke wurden in der hiesigen grossherrlichen
Staatsdruckerei aufgelegt.
Zur Geschichte und Genealogie der Grafen von Bogen.
Von dem c. M. Freikerrn v. Ankershofen ')•
*) Wird in dem No tiz enb latt e der historischen Commission erscheinen.
16
216
J. G. Seidl.
Fortsetzung der Beiträge zu einer Chronik der archäo
logischen Funde in der österreichischen Monarchie.
Von dem w. M., Hrn. Custos J. G. Seidl.
In der Sitzung am 11. Juli 1849 erlaubte ich mir, der verehrten
Classe einen Aufsatz unter dem Titel: „Beiträge zu einer Chro
nik der archäologischen Funde in der österreichi
schen Monarchie” vorzulegen und die Aufnahme desselben in
das von der kais. Akademie herausgegebene „Archiv für Kunde
österreichischer Geschichtsquellen” zu bevonvorten.
Indem ich in meiner Einhegleitung den Zweck andeutete, den ich
bei meiner Arbeit im Auge hatte, und zugleich auf die Hindernisse
hinwies, die dem Einzelnen hei Verfolgung dieses Zweckes sich ent
gegenstellen, unterliess ich es nicht, offen zu erklären, dass ich mir
wolil bewusst bin, nur Kärnerdienst zu verrichten und nur nach
Massgabe meiner Kräfte auch einiges Material zu dem Baue herbei
zuschaffen, bei dem noch Manche gleich mir werden zu thun haben,
bis ein König der Wissenschaft den Grund zum Baue wird legen
können. Die verehrte Classe hat diese Bausteine freundlich aufge
nommen und ihnen das beanspruchte Plätzchen im Archiv angewie
sen. Eine zweite Lieferung solcher Bausteine habe ich im Jahre 18S1
dem damaligen Redacteur des Arehives, unserem verehrten Mitgliede
Herrn Regierungsrathe Chmel, als Fortsetzung der von mir begon
nenen Sammlung übergeben, als welche sie ohne weitere Erörterung
im Jahrgange 1851 (Bd. 1, Hft. 3 und 4) abgedruckt wurde. Ich
habe nunmehr die dritte Lieferung zum Drucke vorbereitet und würde
dieselbe als Fortsetzung einer von der verehrten Classe im Principe
bereits wiederholt gebilligten Arbeit kurzweg zum Abdrucke im Ar
chiv überreicht haben, wenn die vereheliche Redaction dieses letz
teren nicht gewünscht hätte, dass ich mein Manuscript in einer Clas-
sensitzung vorlege, was ich hiermit um so lieber thue, als es mir die
willkommene Gelegenheit darbietet, einige allgemeine Bemerkungen
über den Zweck auszusprechen, den ich durch die vorliegenden
Blätter wenigstens einigermassen zu fördern bestrebt bin.
Der Boden der österreichischen Monarchie ist eine unerschöpf
liche Fundgrube für die Geschichte unseres Vaterlandes während der
Römerzeit und der dieser unmittelbar vorangehenden Periode. Ist
Beiträge zu einer Chronik der archäolog'. Funde in d. österr. Monarchie. 217
die ungewöhnliche Menge der aufgefundenen und noch aufzufindenden
Monumente durch die grosse Ausdehnung des Kaiserstaates bedingt,
so sichert die eigeiithümliche Zusammensetzung desselben aus so
fremdartigen Elementen dieser ungewöhnlichen Menge zugleich eine
seltene Mannigfaltigkeit und Charakterverschiedenheit. Die Grenzen
des Ländercomplexes, der unser heutiges Österreich bildet, reichten
im Süden einerseits bis nahe an die Marken von Italia propria, ande
rerseits durch den Küstenstrich von Illyricum in die unmittelbare
Nachbarschaft Griechenlands. So drang der Wellenschlag etruski
scher Cultur durch Gallia cisalpina herauf bis in die Alpenthäler von
Tirol, während die Inseln des Adriatermeeres durch den Typus ihrer
Münzen schon das Gebiet der griechischen Numismatik berühren.
Die ungeheuere Strecke zwischen Gallia transalpina im Westen und
Sarmatia im Osten bot den wandernden Scharen, wie den zeitweilig
sesshaften Fürsten des grossen Keltenvolkes Raum genug, um allent
halben Spuren ihrer Herrschaft und ihrer eigenthümlichen Entwicke
lung zurückzulassen. Vom Norden her aus Germania magna wälzte
sich die drohende Gefahr, gegen welche die Römer an unserer Donau
ihre Wartthürme und Castelle errichteten. Unser Marchfeld ward
schon damals zu der blutigen Rolle eingeweiht, die es in den nach
folgenden Jahrhunderten zweimal auf eine für. Österreich entschei
dende Weise zu spielen hatte. Nebstbei tauchten im Norden und
Nordosten die räthselhaften Gebilde des alten Slawenthumes auf,
während von Südosten über Dacien her ein abenteuerliches Gemisch
von barbarischer Originalität und unbehilflicher Nachahmung classi-
scher Muster sich Rahn brach. So kam es, dass, während andere
Länder durch ihre Monumente nur ein Volk in verschiedenen Perio
den charakterisiren, Österreich durch seine Denkmäler in jeder
Periode verschiedene Völker zu vertreten hat. Gross ist daher die
Menge dessen, was in Österreich bereits zu Tage gefördert worden
ist, eine noch grössere Menge aber würde den Augen sich zeigen,
wenn man durch die Decke der Oberfläche, wie durch den Spiegel
des Meeres auf eine versunkene Vineta, hinabsehen könnte in die
Tiefen unseres heimischen Bodens, der durch dasjenige, was er uns
bisher fast ohne unser Zuthun gegeben hat, uns ahnen lässt, wie
reich er allenthalben, selbst in unserer nächsten Nähe, ein emsiges
Forschen nach dem kostbaren Vermächtnisse der Vergangenheit be
lohnen würde.
218
J. G. Seidl.
Diese Masse zu bewältigen thut Notli, wenn die Geschichte
unseres gemeinsamen Vaterlandes von vorneherein ergänzt werden,
wenn die Specialhistorien der einzelnen Kronländer nicht nebelhaft
in einander rinnen, sondern klar aus einander gehalten sein, wenn
sie nicht in einen wirren Klumpen zusammengeknäuelt bleiben, son
dern in deutliche Gruppen sich abheben, wenn sie nicht bloss auf
eine hypothetische Übertragung des Allgemeinen aufs Besondere sich
beschränken, sondern ein anschauliches Bild der historischen Krystal-
lisirung, möchte ich sagen, gewähren sollen. Die Lücke, die es
hier auszufüllen gibt, lässt nicht von aussen sich verkleistern, sie
muss von innen aus organisch sich verwachsen.
Damit dies wenigstens in Betreff derjenigen Periode möglich
werde, die hier in Betracht kommt, muss der Stoff, der dazu nöthig
und auch zum grossen Theile schon vorhanden ist, zur Bearbeitung-
gehörig vorbereitet werden, — ich sage ausdrücklich vorbereitet,
— wohlwissend, dass, bei der nicht seltenen Überschätzung mancher
ganz unbedeutender Funde und hei dem oft ans Kleinliche grenzenden
Bestreben, ganz unerheblichen Dingen den Schein der Wichtigkeit
anzukünsteln, eine nachträgliche, genauere Sonderung des Wesentli
chen vom Unwesentlichen, der nichtssagenden Nullen von wirklich zäh
lenden Ziffern, des brauchbaren Stoffes von dem unbrauchbaren nicht
minder nöthig sein wird. Der gesammte Stoff aber lässt sich, meines
Bedünkens, in drei Kategorien abtheilen.
In die erste Kategorie gehören die umfang- und inhaltreichen
Sammlungen epigraphischer Denkmäler, grossentheils das Erbe des
Biesenfleisses unserer Väter, von A p i a n, L a z , G r u t e r, M u-
ratori, Donati, Doni u. A. bis herab auf Schönwisner, Ka-
tancsich, Orelli, Zell, Steiner u. s. f., die Beschreibungen
einzelner Museen, die Kataloge berühmter Münzcabinete, die Ver
zeichnisse der in öffentlichen Anstalten und bei Privaten vorfindigen
plastischen Monumente, Anticaglien und anderer Alterthumsgegen
stände. Da jedoch alle diese Sammlungen, mit wenigen Ausnahmen,
von einem weiteren Gesichtspunct aus augelegt sind und nicht sowohl
die Provenienz der beschriebenen Gegenstände, als vielmehr das
allgemeine archäologische und historische Interesse derselben ins
Auge fassen, so ist eine Aussonderung dessen, was aus dem grossen
Schatze auf die einzelnen Kronländer der österreichischen Monarchie
entfällt, eine der nächsten Aufgaben, die gelöst werden müssen, —
Beiträge zu einer Chronik der archäolog. Funde in d. österr. Monarchie. 219
eine Aufgabe, zu gross für die Kräfte eines Einzelnen und selbst von
Mehreren nur in so fern zu leisten, als sie mit den nöthigen Quellen
gehörig vertraut und in der Lage sind, dieselben mit Müsse benützen
zu können. Diese mühevolle Arbeit wäre daher unter die geeigneten
Individuen dergestalt zu vertheilen, dass jedem derselben eine be
stimmte, ein oder mehrere Kronländer umfassende Section zugewie
sen würde, für die er Alles, was die in diese Section fallenden Alter-
thümer aus dem mehrfach berührten Zeitabschnitte betrifft, zu excei-
piren und nach gleichmässig bezeichneten Rubriken zu ordnen hätte.
In die zweite Kategorie gehören diejenigen selbständigen Werke,
Monographien, Dissertationen, Aufsätze, Notizen und Nach Weisun
gen, die als Ergebniss der Forschungen neuerer Zeit an die eben
erwähnten Sammlungen fortsetzend, ergänzend, aufbellend und
berichtigend sieb anschliessen. Da diese Literatur höchst weitläufig
und vielfach zerstreut, somit schwer zu verfolgen und oft kaum un
mittelbar an der Quelle aufzuspüren ist, so ist es nöthig, die Aus
beutung derselben solchen Männern anzuvertrauen, welche diese
specielle Richtung von vorneherein eingeschlagen haben. Hier möchte
nicht einmal die Vertheilung in Sectionen nach den Kronländern aus
reichen ; hier wird es gerathen sein, unmittelbar in jedem Kronlande
selbst einen in der archäologischen Literatur seiner Heimat vollkom
men bewanderten Gelehrten zu gewinnen, der diese Detailarbeit
als Ehrensache betrachtet und ihr mit gewissenhaftem Fleisse sich
unterzieht.
Ist nun endlich einmal das Material, das diese beiden Katego
rien liefern, aus dem rohen herausgearbeitet, d. h. ist alles aufge
speichert, was auf diesem Wege zu gewinnen war, dann beginnt
erst die nachträgliche Controle,, die Richtigstellung des Geliefeiten,
das will sagen, die zuverlässige Angabe, was noch vorhanden ist,
was nicht, was an Ort und Stelle geblieben, was in Museen gewan
dert, was Eigenthum von Privaten geworden, was gewissen Fund
orten fälschlich zugeschrieben, was übersehen worden ist u. s. w.
Da ist Fehlerhaftes zu verbessern, Zweifelhaftes ins Reine zu brin
gen, Unvollständiges zu ergänzen, Bildliches, wofür das Wort zu
ungefüg. ist, durch einfache aber getreue Zeichnungen zu versinnli
chen. Diese unerlässliche Controle würde zugleich zur Nachlese,
durch die nebstbei gar Manches noch zu Tage kommen dürfte, das
dann in die dritte Kategorie fiele, von der ich unten sprechen werde,
220
J. G. Seidl,
Denn die Spuren des Alterthumes sind in manchen Provinzen so ge
drängt, dass, während der Sammler, der mit dem Detail der Gegend
minder vertraut nur die hervorstechenden Puncte ins Auge fasst, oft
nebenan und drüberhin ein bisher übersehener, wichtiger und ertrag
reicher Ort mit vollstem Rechte gleiche Beachtung fordert. Zum Behuf
einer solchen Controle aber ist eine noch grössere Theilung der Arbeit
notliwendig. Hier wird vielleicht ein einziger Mann kaum für ein ein
zelnes Kronland genügen, sondern er wird nach seinem Ermessen
unterstützende Kräfte zu wählen, sie gehörig zu instruiren und die
Resultate ihrer Vergleichungen und Wahrnehmungen zu redigiren
und in ein übersichtliches Gesammtbild zu vereinigen haben.
In die dritte Kategorie gehört der Stoff, den die laufende
Gegenwart bringt und den die nächste Zukunft in Aussicht stellt.
Hier könnte das Sammelgeschäft, meines Bedünkens, unter gewissen
Voraussetzungen bedeutend erleichtert, um vieles vereinfacht und
zugleich höchst fruchtbringend gemacht werden. Diese Voraussetzung
bestünde darin, dass der vielseitige Zuwachs an Material eoncentrirt,
d. i, auf einem Puncte vereinigt würde. Mögen immerhin gelehrte
Alterthumsforscher die Früchte ihrer Studien mit löblicher Finder
freude und gerechter Behauptung der Priorität sowohl in Bezug auf
Entdeckung als Auslegung an beliebiger Stelle, je nach ihrem Gut
dünken und Ermessen, zur Öffentlichkeit bringen, — nebenbei aber
werde auch ein bestimmter Platz offen gehalten, wo Alles, was als
unmittelbarer oder mittelbarer Fund aus dem Schosse der Erde oder
der Vergessenheit auftaucht, in übersichtlicher Kürze möglichst voll
zählig zusammenfliesse, ein Sammelpunct für alles ohne Ausnahme,
was von Monat zu Monat oder von Semester zu Semester im weiten
Umfange der Monarchie als absolut oder relativ neuer Beitrag zu dem
gemeinschaftlichen Zwecke, von dem die Rede ist, sich bemerkbar
macht. Dahin gehören alle behördlich oder auf Privatweg einlau
fenden Berichte über neue Entdeckungen, ausführliche Beschreibun
gen bisher unbekannt gebliebener Fundobjecte, Besprechungen schon
vorhandener, aber noch nicht zur Öffentlichkeit in weiterem Kreise
gelangter Monumente u. s. w. Aus Aufsätzen dagegen, die nicht
vorzugsweise von diesem Gesichtspuncte ausgehen, dürfte hier in
kurzen Andeutungen nur dasjenige Platz finden, was in einer solchen
Zusammenstellung nicht vermisst werden kann, wenn sie der Voll
ständigkeit sich nähern soll. Dazu rechne ich die Erwähnung alles
Beiträge zu einer Chronik der arcliäolog. Funde in d. österr. Monarchie. 22 1
Derartigen, was die historisch-archäologischen Vereine und Gesell
schaften der einzelnen Kronländer in ihren Abhandlungen, Mitthei
lungen, Schriften und Berichten hinterlegen, die, trotz ihres unbe-
steitbaren Verdienstes, doch nur selten über den Kreis des engeren
Vaterlandes hinaus Verbreitung finden, und höchstens im Austausche
gegen die Veröffentlichungen ähnlicher auswärtiger Institute in die
Bücherschränke dieser letzteren wandern, wo sie, yon Wenigen gese
hen, von noch Wenigeren beachtet, unverdienter Vergessenheit
anheimfallen. Für Österreich waltet in dieser Beziehung ein eigener
Übelstand ob. So erfreulich nämlich einerseits die selbständige Reg-
samkeit der einzelnen Kronländer ist, so wenig lässt andererseits sich
läugnen, dass dieses löbliche, aus dem frischerwachten Nationalitäts
bewusstsein hervorgegangene Bestreben, im eigenen Hause selbst
aufzuräumen, in seinen äussersten Consequenzen zu einer Art von
separatistischer Zersplitterung führt, die der wissenschaftlichen Con-
centrirung fühlbaren Abbruch thut. Die grosse Anzahl der Publica-
tionen erschwert den Überblick, die Verschiedenheit der Landes
sprachen das Verständniss; Vieles findet an Stellen seine Besprechung,
wo man es nicht sucht, oder von welchen aus auf den allgemeinen
Sammelplatz übertragen es scheinbar zur müssigen Wiederholung
herabsinkt. Wer aber steht dafür ein, dass Alles, was dergestalt
zerstreut erscheint, auch wirklich zur Kenntniss all derjenigen ge
lange, denen darum zu wissen Noth thut?— In dieser Beziehung
drängt sich die Frage auf, ob es zulässig oder wohl gar geboten sei,
irgend etwas, das schon anderswo, vielleicht sogar in den Puldica-
tionen einer und derselben Anstalt, nur in einer anderen ihrer Sec-
tionen und unter einem anderen Gesichtspuncte besprochen worden,
abermals zu erwähnen, um eine Lücke zu vermeiden. Wenn
derartige Mittheilungen, wie die beantragten, ein möglichst vollstän
diges Repertorium, so zu sagen, ein Register, einen Elenchus, gewis-
sermassen eine Controle alles dessen vorstellen sollen, was binnen
einer bestimmten Frist neu entdeckt oder zum Erstenmal bekannt
geworden ist, so lässt sich an der Nothwendigkeit der Berufung auf
anderweitige Quellen und gelegenheitlicher Benutzung derselben
nicht zweifeln. Bei solchen Monumenten, welche leichter unter
einem bestimmten Schlagworte zusammenzufassen sind, das hinreicht,
die für jeden Archäologen kennbar zu charakterisiren, mag das ein
fache Citat genügen; bei Münzen aber, und namentlich bei Inschrift-
222
J. G. Seidl.
steinen, deren eigentliche Bedeutung nicht aus einem Schlagworte,
sondern nur aus einer detaillirten Beschreibung und Copie zu erkennen
ist, ja deren buchstabengetreue Abschrift selbst nur ein unvollstän
diges Surrogat für genaue Abbildung darbietet, langt das dürftige
Citat bei weitem nicht zu; hier scheint die wiederholte Aufnahme
des Monumentes selbst unerlässlich. Alles jedoch muss vom gleichen
Gesichtspuncte aus aufgefasst, und wenn gleich die einzelnen Bei
träge von Vielen herrühren können und sollen, das Ganze doch von
einer geübten Hand gehörig redigirt und in übersichtliche — am
besten vielleicht, im Hinblick auf den Zweck, geographisch-chrono
logische — Ordnung gebracht werden, um zur schnellen Orientirung
geeignet zu sein. Auf diese Weise würde allmählich eine Fundgrube
zu Stande kommen, aus der die vorhandenen Lücken in den bisherigen
Sammlungen ausgefüllt, und diese bis auf den heutigen Tag fortge
führt und ergänzt werden könnten, was ohne die grösste Mühe und
Unsicherheit auf anderen Wegen nicht leicht dürfte zu erreichen sein.
Ein solches Repertorium ziemlich vollständig fortzuführen, schien
vordem das k. k. Münz- und Antiken-Cabinet vorzugsweise berufen,
da alle Funde demselben angezeigt und zum Theile auch eingeliefert
werden mussten. Schon von der grossen Maria Theresia zu einem
Sammelplätze bestimmt, wohin alles Merkwürdige, was im Vater
lande auf dem Gebiete der Archäologie zu Tage käme, als in das
gemeinschaftliche Becken zusammenzufliessen hätte, hat diese kaiser
liche Anstalt fortwährendes für ihre Aufgabe gehalten, die Theilnahme
für heimische Monumente anzuregen und zu erhalten, das Fundwesen
zum Vortheile der Wissenschaft, so wie im eigenen Interesse der
Finder, zu regeln und zu beleben und für die Evidenzhaltung des
jeweiligen Standes der Alterthumsforschung in Österreich die nöthi-
gen Anhaltspuncte zu gewähren, — eine Aufgabe, der die Vorsteher
des kaiserlichen Museums vom Anbeginne bis auf den heutigen Tag mit
rühmenswerther Ausdauer ihre besten Kräfte geweiht haben. So hat
namentlich vom Jahre 1812 an das k. k. Cabinet dem Fundwesen
mit fast erschöpfender Anstrengung Zeit und Studium gewidmet. Die
in neuerer Zeit erschienenen Schriften, in denen zwei unserer ver
ehrten Mitglieder theils ganze Partien des k. k. Cabinetes illustrirt,
tlieils einzelne Gegenstände desselben zur Grundlage gelehrter For
schungen gewählt haben, wie des Herrn Regierungsrathes Arneth
Synopsen der griechischen und römischen Münzen, seine Monographie
B
saipg.tr wrJ
Beiträge zu einer Chronik der arcliäolog. Funde in d. österr. Monarchie. 223
über römische Militärdiplome, vor Allem seine mit Unterstützung der
kaiserlichen Akademie gedruckten Praclitwerke über die Cameen,
Gold-und Silber-Monumente des kaiserlichen Museums, dann des
kais. Rathes Bergmann Medaillen auf berühmte Österreicher, bis
herab auf die in den Publicationen der Akademie mitgetheilten archäo
logischen Analelden und Abhandlungen Beider, bergen in sich eine
Menge schätzenswerther Resultate, die nur dadurch möglich geworden
sind, dass das Cabinet auf alle im Vaterlande gemachten Funde un-
abgewendet sein Auge gerichtet hatte. So wurde auch im Jahre 1S46
von der Direction dieses Cabinetes Alles aufgeboten, um geeigneten Or
tes dahin zu wirken, dass ein humanes Zugeständniss zu Gunsten der
Finder, dem, insoweit es mit dem Vortheile der Wissenschaft ganz
wohl vereinbar schien, das Cabinet selbst warm das Wort redete,
nicht zum empfindlichsten Nachtheile der Wissenschaft ausschlüge,
ohne dass durch dieses Opfer das materielle Interesse des Publicums
besser gewahrt wäre. Bekanntlich hatte es in Folge jener Verhand
lungen von den bisherigen Massregeln sein Abkommen, und wurde
es den Findern anheimgestellt, von ihren Funden Anzeige zu er
statten. Hierdurch ward das Cabinet aus der glücklichen Lage ver
drängt, noch ferner wie bis dahin, des Überblickes über alle archäo
logischen Vorkommnisse in der Monarchie sich zu versichern. Nur
zufällig und unvollständig gehen ihm seither Nachrichten über neue
Funde zu; was anderwärts zur Öffentlichkeit gelangt, ist kärglich
und unverlässlich; die Gegenstände selbst wandern, kaum ans lages-
lieht gekommen, in die Hände von Mäklern, und bald ist jede Möglich
keit ihre Provenienz zu ermitteln, die doch ein so wichtiges Moment
für die Geschichte bildet, unwiederbringlich verschwunden. Bei
solchen Umständen ist jede Notiz in den Journalen, jeder kurze Be
richt, jede freundliche Anzeige mit Dank aufzunehmen und an dem
oben bezeichneten Centralpuncte festzuhalten, wenn nicht jeder mög
liche Gewinn verloren gehen soll. Bei solchen Umständen ist es aber
auch nöthig, durch Belehrung zu ersetzen, was früher durch Zwang
erreicht werden sollte.
Ich glaube daher den Wunsch hier nicht unterdrücken zu dür
fen, dass es an der Zeit sei, daran zu denken, dem grösseren
Publicum mittels einer populären, fasslichen Auseinandersetzung der
Wichtigkeit und des Werthes antiker Denkmäler Interesse für die
Sache einzuflössen. Denn gewöhnlich ist es der schlichte Mann, der
IHM
224
MB
J. G. Seidi.
ÜB
Bauer, der Taglöhner, der auf solche verborgene Schätze stösst, und
gerade dieser ist, wie die Erfahrung es bestätigt, weit empfänglicher
für Belehrung, als der sogenannte gebildete Finder, der, wenn er
Nichtkenner ist, vor Allem den materiellen Gewinn vor Augen hat,
wenn er Kenner ist, mit dem Gefundenen häufig aus egoistischer 9
Eifersucht zurückhält. Ich denke noch immer mit Vergnügen daran,
wie oft ich Zeuge des ehrfurchtsvollen Staunens war, womit Land
leute einen auf ihrem Acker liegenden oder an ihrer Hütte einge
mauerten, früher unbeachteten Stein betrachteten, wenn sie erfuhren,
dass er über ein Jahrtausend alt sei, dass er das Andenken einer
geliebten Gattinn, eines theuren Sohnes, eines redlichen Meiers oder
eines im Kriege ruhmvoll gefallenen Soldaten verewige, und wie be
reitwillig sie waren, solch ein Denkmal zur Aufbewahrung an geeig
neterer Stätte, etwa im Pfarrhause oder an der Kirche oder im Lan-
des-Museum, abzugeben. Mag auch das, was zunächst Gemüth und
Phantasie anspricht, in wissenschaftlicher Beziehung nicht immer das
Wichtigste sein; wenn nur dieses mit jenem gewahrt wird. Meines Er
achtens bedürfte es nur einer im volksthümlichen Tone geschriebenen
Aufklärung, um die Leute auf allfällige Funde aufmerksam zu machen,
um ihre Theilnahme für derlei Gegenstände anzuregen und ihnen die
jenige Pietät für Denkmäler der Vorzeit einzullössen, welche hinreicht,
um sie in ihrem eigenen Interesse, über den verzeihlichen Wunsch
schneller und billiger Verwerthung des Gefundenen, wenigstens der
vorläufigen Anzeige und Mittheilung nicht vergessen zu lassen.
Ein zweiter Wunsch bestünde darin, dass auch die Schule es
nicht länger verabsäume, in dieser Richtung das Ihrige zu thun.
Weit davon entfernt, der Volksschule oder auch nur der Mittelschule
zuzumuthen, dass sie ihre Schüler mit Dingen plage, die vielen noch
unpraktischer scheinen, als so Manches für unpraktisch Gehaltene,
glaube ich nur, dass man die jungen Leute, eben so gut als man sie
auf einheimische Pflanzen und Steine aufmerksam macht, auch auf
heimische Alterthümer und Überbleibsel aus der Zeit ihrer Väter
aufmerksam machen könnte. Die Sache liegt der jugendlichen Phan- ^
tasie und Wissbegierde des einfachsten Bauernknaben näher als man
denkt. So gern er heimische Märchen und Volkssagen erzählen
hört, und so genau er jede Stelle und jede Erscheinung sich merkt, die
darauf Bezug hat, eben so aufmerksam würde er auch Erzählungen
aus der heimischen Geschichte lauschen, und eben so leicht und tief
Beiträge zu einer Chronik der archäolog. Funde in d. österr. Monarchie. ZZ 5
das Bild von Münzen, Steinen, Gerätschaften, Baudenkmälern u. dgl.
sich einprägen, die man ihm als die sprechenden Zeugnisse für das
Erzählte und Geschilderte in seiner unmittelbaren Nähe nach
wiese oder mit dem Bedeuten beschriebe, dass dergleichen ehrwür
dige Reste der Vorzeit je zuweilen noch in Feld und W ald, auf Wei
den und Wiesen, an Berg und Bach auftauchen, und er wohl selbst
so glücklich werden könne, Finder oder Zeuge eines solchen Fundes
zu sein. So würde schon der Schulknabe jenen Sinn für die Sacro-
scmcta Vetustus in sich aufnehmen, dessen Abgang durch keine
Zwangsmassregeln sich ersetzen lässt; so würde er einst, wenn ei
ins Leben hinaustritt, der beste, weil unverdächtigste, Lehrerund
Rathgeber seiner minder gebildeten, daher oft misstrauischen Umge
bung werden, und durch seinen Einfluss der Wissenschaft selbst ab
sichtslos einen grossen Dienst leisten. — Die Mittelschule biauchte
in den verwandten Fächern manchmal nur einen kurzen Schritt
weiter zu thun, und es würde genügen, um das Interesse füi ein
Fach zu wecken, dessen Vernachlässigung später hinaus gewöhnlich
durch den unleidlichen Dünkel sich rächt, der Allem, was nicht zu
kennen er sich schämt, mit vornehmthuender Geringschätzung seine
Berechtigung abspricht. Nebstdem stünden dabei noch andeiweitige
Resultate in Aussicht. Die Liebe zum Vaterlande findet Nahrung in
derKenntniss seiner Vergangenheit, der unwillkürliche Rückblick
auf die Erlebnisse unserer Väter gibt Anlass zu ernsterem Nach-
denken über unsere eigenen; oft reden Steine, wo Menschen schwei
gen; zudem liegt ja überhaupt in dem Verkehre mit der Vorzeit so
viel Bildendes, in dem Ausdrucke mancher ihrer Monumente so viel
rein Menschliches, in dem Vergleiche von einst und jetzt so viel
geistig Anregendes, ja Poetisches, dass die Schule gewiss keinen
Fehlgriff thäte, wenn sie diesfalls ihr eigenes Interesse mit dem unse-
rigen in besseren Einklang brächte.
Auf solche Weise von verschiedenen Seiten gleichzeitig die
Theilnahme für die Archäologie zu wecken und zu nähren, hiesse
allmählich den Weg zur Erreichung eines Zieles ebnen, das gewiss
würdig ist, von Allen angestrebt zu werden, denen es um einen bal
digen festen Unterbau der vaterländischen Geschichte von den liü-
hesten Zeiten an zu thun ist.
Auf einen der dazu bestimmten Bauplätze ebenfalls wieder einige,
vielleicht nicht ganz unbrauchbare Bruchsteine beizuschafien, ist wie
226 J. G. Seidl. Beiträge zu einer Chronik der archäol. Funde etc.
ich mehrmals zu erwähnen mir erlaubt habe, auch meine Absicht bei
der Zusammenstellung, deren dritte Lieferung ich hiermit der ver
ehrten Classe überreiche. Dieselbe enthält kleine Excurse in 12 Kron-
länder, in denen tlieils wirklich neue Funde gemacht, theils bisher
noch nicht allgemein bekannt gewordene Monumente von dortigen
Forschern und Kennern zum Gegenstände der Besprechung gewählt
worden sind. Wirklich Neues wird zwar nur von Wien und dessen
Umgebung: Kahlenberg, Mauer, Mödling, Himberg, von
Poisdorf und Dürnstein in Österreich, von Gleichenberg
und Juden bürg in Steiermark, von Petersdorf, Jicin und
Gross -Skai in Böhmen, von Ofen, Laaz, Losoncz und
Bogschan in Ungern, von Balta V er ata in der Militärgrenze von
Ohläh-Piän in Siebenbürgen u. e. a. geboten, dagegen über zwei
Orte Nachholendes mitgetheilt, über vierzehn Fundorte zusammen
gestellt , was in öffentlichen Blättern lautgeworden, auf zehn Orte
mit Hinzugabe eigener Erörterung hingedeutet und über sechs-
unddreissig mit nöthiger Angabe der Monumente auf die Provinzial
vereinsschriften, in denen sie ausführlicher beschrieben sind, ver
wiesen, somit das Fundregister doch wieder um mehr als siebzig
Namen vermehrt.
Da eine derartige Zusammenstellung ihrer fragmentarischen Be
schaffenheit wegen zum Vortrage nicht wohl geeignet ist, so erlaube
ich mir dieselbe mit Berufung auf die früheren Lieferungen, die mehr
seitiger Zustimmung sich zu erfreuen hatten, mit dem Wunsche zu
überreichen, dass die verehrte Classe um des Zweckes willen, dessen
klare Erkennung ich in meinem Vortrage dargethan zu haben glaube,
auch den vorliegenden Beitrag zu den Mitteln zur Erreichung des
selben eines Platzes in den Publicationen der kaiserl. Akademie, und
zwar im „Archiv,” würdig erachten wolle.
Dr. Schi mp er. Berichte aus und über Abyssinien.
227
Berichte aus und über Abyssinien *).
Von Dr. Schimper.
. Amba-Sea, November 1849.
Ich kam hielier als Ausgeschickter eines wissenschaftlichen
Vereines, Reise-Vereines, der seinen Sitz in Wirtemberg hatte. Vom
Grossherzog von Baden, dessen Familie meinem in Russland geblie
benen Vater gewogen war, wurde ich unterstützt, und auf seine Em
pfehlung hin interessirte sich auch der König von Wirtemberg für
meine Reisen, die ich bereits im Jahre 18 30 / sl mit einem Ausflug
nach Algier antrat, von da nach Ägypten, später nach dem
felsigten, und dann nach dem Hedschas - Arabien ging, wo ich im
Laufe mehrerer Jahre die Flora vom Berge Sinai, von Mekka und
Taif einsammelte. Seit 1837 bin ich in Abyssinien, wo ich mit den
unerhörtesten Schwierigkeiten kämpfend, die Flora dieses Gebirgs-
landes in allen seinen Höhen - Unterschieden gewann und zugleich
durch meine Geduld das Misstrauen der Einwohner gegen Europäer
bekämpfte. Durch meine Ausdauer und Friedensbemühungen ist
dieses Land von Europäern jetzt weit leichter zugänglich als früher.
Die Abyssinier gewannen Vertrauen zu mir und behandelten mich gut.
Ich erhielt 18 4s /4 4 eine kleine Provinz zum Geschenk, Antitsclio,
zwischen Agame und Adoa, in Ausdehnung zwei Tagreisen im Um
fang mit 18 kleinen Ortschaften, einer Population von ohngefähr
4000 Seelen. Meine Stellung ist nicht die eines Statthalters allein,
sondern zugleich entsprechend jener eines Barons in Deutschland
zur Zeit des Mittelalters. Auch habe ich mich hier verheirathet,
indem ich es fast nach 20jähriger Abwesenheit nicht für geeignet
hielt, eine neue Laufbahn in Europa mir anzubahnen. Meine pecuniäre
Lage ist, ungeachtet meiner dem Anscheine nach lucrativen Stellung,
nicht vortheilhaft, weil meine Einnahmen in diesem gewerbs- und
geldlosen Lande meist nur in Naturprodueten bestehen, womit ein
Europäer mit seinen angebornen Bedürfnissen nicht ausreicht; um so
besser ist mein Familienglück. Ich habe 3 Kinder, 1 Knaben und
2 Mädchen, wodurch ich die Nothwendigkeit fühle, durch Fort
setzung meiner Privatarbeiten die Mittel zur Erziehung derselben in
1 ) Von dem hohen Ministerium des Handels giitigst mitgetheilt.
228
Dr. S c h i m p e i’.
Deutschland aufzubringen, denn meine sämmtlichen Privatmittel, mit
etwa 12,000 Thalern Zuschussgeldern, habe ich während meiner
Reisen, besonders in Abyssinien, geopfert. Ich bin bereits 46 Jahre
alt, doch rüstiger, als es gewöhnlich Europäer von 36 Jahren sind.
Das Klima sagt mir zu und hat meine in Algier und Arabien sehr
gelittene Gesundheit mehr als wieder hergestellt. Im Jahre 1834
machte ich in Ägypten die persönliche Bekanntschaft des Herrn
Ritter Lau rin, wodurch mir während einiger Zeit angenehme
Tage in Kairo bereitet wurden. Er hat auch bis jetzt seine Freund
schaft zu mir, ungeachtet einer Trennung von 15 Jahren, nicht er
kalten lassen. Meine naturhistorischen Arbeiten setze ich mit den
durch die Landesverwaltung entstehenden Unterbrechungen fort.
Über die Häuptlinge und die Landesbeschaffenheit Abyssiniens.
Abyssinien ist eines der seltenen Länder, wo die Regierungsform
einer längst vergangenen Zeit bis fast zu unsern Tagen bewahrt
worden. Die Titel der Angestellten, welche heute noch im Gebrauche
sind, geben eine Idee von der bewunderungswürdigen Staatsorgani
sation. Das Land war glücklich, im Besitz einer die Nachbarländer
beschämenden Civilisation, Grösse und Macht früherer Zeiten, wovon
heute nur noch die Ruinen zu uns sprechen und die herrliche Natur,
welche beständiger ist, als der Mensch, der sie beherrschen soll.—
In diesen glücklichen Epochen glich Abyssinien unserm deutschen
Vaterland zur Zeit des Kaiserreichs; —wie dort so auch hier fanden
sich \ersehiedenheiten geeint durch das Feudalsystem, geleitet und
gehalten durch einen Kaiser (Negus), unter welchem ein Major
domus (Ras) das Land verwaltete.
Die Ereignisse sind noch nicht richtig beurtheilt, welche dieses
glückliche Land zerrüttet und in das Unglück gebracht haben, das
wir heute beklagen. Seit 300 Jahren geht die Desorganisation
mit Schnelle weiter. Zu vermuthen ist, dass die Ursache der heutigen
Uneinigkeit weniger in Ereignissen des Zufalls, als in der Vermi
schung allzugrosser Volksverschiedenheiten beruht. Der Name Äthi
opien verwandelte sich in Hab es ch, Habyssinien, Abyssi
nien, bedeutend Land der Vermischung. — Die Kaiser (Negus)
boten durch eine allzugrosse Zurückgezogenheit von den öffentlichen
Geschäften eine zu grosse Macht ihren Verwaltern (R a s), welche durch
Berichte aus und über Abyssinien.
229
Missbrauch derselben sich zu Herren ihrer Herren machten; und es
scheint, dass diese Usurpirung eine Hauptursache des innern Zwie
spaltes ist, der Abyssinien zu vernichten droht. — Die Kaiser,
obwohl Titel und Eigenschaft des Geheiligten bewahrend, sind herab
gesunken zu einem Nichts, beraubt jeder Einwirkung auf das Land und
gedrückt von materiellem Mangel; — eine elende Hütte bewohnend,
leben sie seit mehr als 100 Jahren von almosenähnlichen Einkom
men, von der Marktbuttersteuer der Stadt Gon dar, und einigen
Äckern, zusammen im Betrag von jährlich 300 Thalern.
Zu bewundern ist, dass die Kaiser, herabgesunken zu dieser
Nichtigkeit, stets nach dem sorgfältig bewahrten Gesetz der Legiti
mität aus der gleichen Familie erwählt, und von dem Chef ernannt
werden, der die zeitliche Macht zu G ondar ausübt. — Diese Eigen-
thümlichkeit, dieses einseitige Conserviren beim Versinken, enthält
die Hoffnung einer Zukunft.
Wie in der Politik, so auch in der Religion, ist dieses Festhal
ten an der Form die besondere Eigenthümlichkeit. Alle Hauptformen, wie
sie zur Zeit des Verschwindens der Apostel bestanden, finden sich hier
gehandhabt, während der innere Glauben fast vollkommen verschwun
den ist. Ein buntes Gemische macht sich auch hier bemerkbar, doch
ist die Urreligion, die katholische, ohne dass es Jemand weiss, die
vorherrschende; gleichwohl kämpft der Fanatismus, gehetzt durch
den koptischen Bischof, mit dem besten Erfolge gegen die katholi
schen Missionäre. — Sonst finden sich in diesem äusseren abyssi-
nischen Cultus Elemente des Juden- und Heidenthums, des Mohamme
danismus, des griechischen und koptischen Cultus. Am bemerkbar
sten ist das katholische, das koptische und das jüdische Element. —
Der Bischof wird nicht aus den Abyssiniern erwählt, sondern durch
eine zahlreiche äthiopische, politische und geistliche Gesandtschaft
von den Kopten in Ägypten gegen eine Bezahlung von 7000 Thalern
erbeten, welche Summe der koptische Patriarch zu Kairo erhält, der
sie nach Gutdünken mit seinen geistlichen Unterhäuptern und dem
von dieser Gemeinschaft auserwählten koptischen Bischof für Abyssi
nien theilt. — Nach dem Gesetz soll letzterer nicht unter 40 Jahre
alt und gebrechenlos sein, wovon aber bei der letztstattgehabten
Bischofswahl im Jahre 1841, Umgang genommen und ein einäugiger
junger Mensch von 20 Jahren geschickt worden ist, der dem eng
lisch-protestantischen Missionshause zu Kairo eben entnommen und
Sitzb. d. phil.-hist. CI. VIII. Bd. III. Hft.
16
230
Dr. Schi mp er.
erst nach Eintreffen der abyssinischen Gesandtschaft in den
Priesterstand gebracht war, für sein jugendliches Alter ein seltenes
grosses Intriguen-Talent besitzt und seit seiner achtjährigen Anwe
senheit hier in Abyssinien die Interessen der Engländer fördert, mit
welchen er lebhafte Verbindungen unterhält, Abgeordnete nach
Aden sendet, woher ihm moralische Unterstützung zuiliesst, mittelst
welcher er hier die Zwistigkeiten unter den Häuptlingen anfacht, und
mit grossem Geschick zu unterhalten weiss. Die ihm eingeräumte
Einwirkungsmacht ist der Art wenig begrenzt, dass selbst der mäch
tige Fürst Ub ye in steter Besorgniss lebt und es noch nicht ver
mochte, dieses ihm gefährlichen Menschen sich zu entledigen.
Seit den letzten 20 Jahren ist der Kaiser der unterthänige Die
ner, zuweilen von Ubye, öfter und gewöhnlich von Ras Ali,
welch 1 Letzterer in Gondar befiehlt, dem Aufenthaltsort Seiner
kaiserlichen Majestät.
Die D e d s c h e s m a d s c h e, d. h. die Herzoge und Grossher
zoge, gereizt durch die illegale Aufführung des Ras, haben nichts
versäumt, um sich von einander so unabhängig zu machen als mög
lich , wodurch natürlich auch der Einfluss des Ras in seiner Eigen
schaft als Verwalter des Gesammten untergraben wurde. Durch Miss
brauch seiner Amtsfunction hat er seihst seinen Einfluss vernichtet,
und steht darum heute nur als Chef einer Partei den verschiedenen
Landesherren, den Mitregenten des Kaisers, d. h. den Herzogen
(Dedschesmadsche) feindlich gegenüber, suchend zu seiner Macht-
vergrösserung die Hülfe der mohammedanischen Gallasstämme , mit
denen er verbunden und verwandt ist, was schon sein Name „Al i
beurkundet.
Es besteht ein grosser Unterschied zwischen Ras, dem Diener
und Befehlsvollstrecker des Kaisers, und den Dedschesmadschen, den
Befehlshabern, den Herren und Eigenthümern der Einzelpartien des
Landes, die nur verwaltlich — nicht im Innern ihres eigenen Lan
des, sondern nur in Bezug auf die Einheit des gesammten Reiches —
dem supremen Haupt, Negus, untergeordnet sind.
Die inneren Kriege, geschaffen durch die Eifersucht der losge
wordenen Häuptlinge, zerstörten das Land und boten den äusseren
Feinden eine seltene Leichtigkeit desselben sich zu bemächtigen.
Einerseits lixirten sich die heidnischen und mohammedanischen Gallas,
während andererseits die Türken vordrangen und mit ihnen der Mo-
Berichte aus und über Abyssinien.
231
hammedanismus. Die Aufmerksamkeit stets nur auf kleine persönliche
Interessen gerichtet, erstreckte sich nicht mehr nach aussen, alle
Beziehung mit dem Auslande verlor sich und jede Art von Civilisation
sah sich vernichtet. Ein Rückschritt geht schneller als ein Fortschritt,
schneller ist ein Haus eingerissen als aufgebaut, und so ist es also eini-
germassen erklärbar, dass viele Reisende nur von wilden Horden spre
chen, die sie in Abyssinien beobachtet: sie fanden nicht die Spur der
ehemaligen Civilisation, worin auch wohl der Mangel an Beobach
tungsgabe einige Schuld trägt. Zweifellos ist es aber, dass heute ein
geringes Unglück hinreichen würde, die abyssinischen Völker voll
kommen zu zerstören, denn sie stehen am Rande des Verfalles.
Das herrliche Abyssinien, eine Gabe Gottes, bestimmt zur Glück
seligkeit seiner Bewohner, aber verschmäht von denselben durch den
blinden Materialismus, der auch in Europa heute die Menschen zu
bethören scheint, bietet die grösste Leichtigkeit, in kleinen Räu
men alle möglichen Producte der Erde zu erzielen. Man findet hier
jedwelches Klima, zwischen 40 Grad Reaum. Hitze und 6 Grad
Reaum. Kälte (also —6 Grad), letztere Temperatur zur Nacht auf
14000'ahsol. Höhe, wo die extreme Hitze -j-6 Grad berägt.—
40 Grad Hitze findet sich zuweilen in den Ebenen am Meere; in den
innern Thälern beträgt sie 25—35 Grad, je nach deren absoluten
Höhe und Position. In der mittleren Landeshölie zwischen (5000 und
7000' absoluter Höhe, wo die grössere Bevölkerung dieses Landes
lebt, und wo auch ich in Antitscho wohne, beträgt die Temperatur
in der trockenen Jahreszeit, vom October bis Ende Mai, früh
10—14 Grad, Mittags 18—23, Abends 14—18 Grad. Die kühleren
Nächte finden sich im December und Jänner, zuweilen fällt in dieser
Zeit der Thermometer auf -j-4 Grad. Die Monate Mai und Septem
ber haben die heissesten Tage. Obschon vom Juni bis Ende August
die Sonne am höchsten steht, so ist doch die Hitze nicht bedeutend,
indem der alsdann täglich zwischen 2 und 3 Uhr Nachmittags fallende
Regen die Temperatur bedeutend herabstimmt, der Art, dass solche
in dieser Regenperiode auf der angegebenen Landeshöhe früh 11 Grad,
Mittags 16 und Abends 12—14 Grad beträgt. Während der Regen
zeit ist also, wie natürlich, die Temperatur gleichartiger, es wird
weder so heiss noch so kalt, als während der trockenen Jahreszeit.
Diese Temperatur auf der mittlern Höhe des Landes ist massge
bend für ganz Abyssinien. Die grösste Hitze im Tacaze-Thal, das
16 *
232
Hi-. Sc hi mp er.
tiefste Thal im Lande, 2700' überm Meer, beträgt 35 Grad; im
Mareb-Tbal, 4000' überm Meer, wechselt die Mittagswärme zwischen
23 und 33 Grad während des Jahres. In den Thälern von 5000' ab
soluter Höhe , welche sich allenthalben finden , ist die Mittagshitze
23—30 Grad. Alle Thäler, tiefe wie hohe , haben zuweilen kalte
Nächte. Im Jänner beobachtete ich im Mareb -j-4 Grad, während
die Mittagshitze am gleichen Tage 26 Grad betrug (das hier ge
brauchte Höhenmass ist das Pariser Thermometer-Mass Reauinur).
Die Thäler und ßergplateau’s haben eine sehr verschiedene
Höhe, und diese Höhenverschiedenheiten finden sich fast überall
terrassenförmig nahe an einander, was ein besonderer Vortheil
für den Ackerbau ist, der sich andererseits durch gutes Terrain,
Trachyt und Urthonschiefer, begünstigt findet. — Die geologischen
Verhältnisse dieser weit ausgedehnten, kolossalen und gleichartigen
Gebirgshebung sind sehr einfach. Das Terrain ist fast nur vulcani-
scher Natur, das Gestein Trachyt, Eisenthon, Sandstein, Grauwacke,
Urthonschiefer, hie und da Granit und Syenit, und an einigen weni
gen Orten, z. B. in Endata, Kalk, wahrscheinlich letzterer der se-
cundären Formation angehörend.
Nach den Höhen ist das Gestein fast gleichartig vertheilt: von
7000 bis 14.000', fast überall Trachyt; diese Höhe ist zugleich von
7000 bis 9000' die Region des Weizenbaues; Gerstenbau fängt eben
falls von 7000' an und zieht sich wieder bis über 11.000' hinauf. Die
Gerste.ist die am höchsten hinaufcultivirte Getreideart. Die höchsten
Äcker sind zwischen 11.000 und 12.000' absoluter Höhe. Von 5500
bis 7000'Eisenthon, auch Sandstein und Grauwacke, zugleich Region
des Tefbaues. Von 4000 bis 6000' Urthonschiefer; hier ist auch die
Höhenregion des Dagussa- und Maisbaues. Von 3000 bis 5000' Ur
thonschiefer, hie und da Granit und Syenit, grösstentheils unbewohn
tes, aber an entsprechenden Stellen mit Mais und Dagussa angebautes
Land. Die unbebauten Stellen zeigen, dass diese Höhe die Region
der Terebinthenhölzer und der Mimosen ist; — hier ist Reichthum
an Gummi und Harz. Die obgenannte Getreideart Tef oder auch Täf,
welche ein gemässigtes und gleichartiges Klima verlangt, ist Era-
grostis Abyssinica, die beliebteste Brodnahrung der Abyssinier.
Man bereitet davon gesäuerte, flache, sehr dünne und biegsame Brod-
kuclien, eine leicht verdauliche, gutschmeckende, doch wenig kräf
tige Nahrung, aber, wie erwähnt, das Lieblingsbrod der Abyssinier,
Berichte aus und über Abyssinien.
233
am besten geeignet, mit den äusserst pikanten abyssinischen Pfeffer
saucen in Gemeinschaft gespeist zu werden.
Dagussa ist Eleusine Tocusso (sollte eigentlich genannt wor
den sein: Dagussa), wird ebenfalls zu Brod benützt, ohne jedoch
beliebt zu sein; dagegen eignet sich Dagussa besonders zu Bier und
ist dessbalb den Abyssiniern stets erwünscht. Diese Getreideart ver
langt warme und heisse Gegenden. — Mais gibt es eine Menge Arten
und Varietäten, nämlich Büsehelmais, Sorghum, welche zu Brod
und zu Bier benützt werden. Zea-Mais kommt auch vor, doch nur an
wenigen Stellen so häufig, dass er zu Brod verwendet wird. Etwas
ist aber allenthalben angebaut, und da, wo er nur spärlich vorkommt,
dienen die Körner nur als eine Art Naschwerk.
Vom Granit habe ich noch zu erwähnen, dass er sich auf allen
Höhen zeigt, doch liegt er von 4000' abwärts am häufigsten zu Tag.
Eisenthon und Sandstein, gewöhnlich auch Trachyt, haben Plateau
form; Urthonschiefer bietet wellenförmige Abfälle zu den Thälern
und trägt oben die merkwürdigen Eisenthonebenen.
Die unzähligen Plateau’s des Eisenthons und Sandsteins erschei
nen dem Auge als gleich hoch, sie haben jedoch eine leichte Sen
kung in der Richtung nach Südwest. Obschon sich aus denselben
manche hohe Trachytberge, selbst kleine Gebirgsreihen erheben,
so ist doch deren Senkung sowohl vor, als hinter diesen aus ihnen
emporsteigenden Bergstrichen, eine weithin regelmässig constant fort
laufende, derart also, dass sie, diese Eisenthon-Plateau’s in ihrer
Vereinigung, eine unermessliche Ebene bilden, welche unendlich
durch gewöhnlich ganz enge aber tiefe Tliäler zerrissen ist, und de
ren Hauptüberblick, je nach dem Gesichtspuncte, hie und da durch
einzelne, hie und da auch durch mehrere Trachytberge mehr oder
weniger gestört wird.
Dieses derart zerrissene Plateau des Eisenthons und Sandsteins
bat im Nordosten , wo es nach dem rothen Meere hinabblickt, die
Höhe von 8000'; hier ist es über 200' mächtig, und der Sandstein
ist die vorherrschende und zu oberst liegende Bildung; bei Adoa
hat es’die Höhe von 6300'; hier fängt der Sandstein an zu ver
schwinden, fast nur Eisenthon ist da, dessen Mächtigkeit kaum nur
100' beträgt. Dies ist 4 Tagreisen vom ersten Punct südwestlich.
Wiederum 4 Tagreisen von da nach Südwest hat dieses Plateau nur
die Höhe von 5500', zeigt nur Eisenthon von geringer Mächtigkeit
234
Dr. Schimper.
und macht sich da, wie auch an den andern besagten Orten, durch
seine rothe Farbe kenntlich, indem die steilen, senkrechten Wände
desselben weithin in die Ferne blicken, während die auf diesem
rothen Plateau befindlichen Trachytplateau’s an ihren gewöhnlich
ebenfalls senkrechten Wänden schwarz sich zeigen.
In der Form unterscheiden sich die Plateau’s des Eisenthons
von jenen des Trachyts dadurch, dass sie an allen Seiten senkrecht
abfallen, während jene des Trachyts gewöhnlich eine sanft abfal
lende Seite haben (nach Südwest); diese letztgenannten Trachyt
plateau’s haben nicht immer eine grosse Ausdehnung, sind zuweilen
sogar sehr klein, und unter einander au Höhe sehr verschieden; aber
eben die Höhenverschiedenheit dieser theils grösseren, theils klei
neren Trachytplateau’s gewährt ungemeinen Vortheil für den Acker
bau und zugleich eine Annehmlichkeit, die wohl nirgends in der
Welt in gleicher Art zu finden ist. Ohne sich besonders zu delo-
giren geht man je nach Wunsch zu jeder beliebigen Stunde in ver
schiedene Klimate und findet derart auf die freundlichste Weise einen
weiseren Arzt, als das intelligente Europa ihn besitzt.
Die Vegetation dieses wunderbaren Landes hat von 6000' auf
wärts ein perennes Grün, ebenso der Strand aller Flüsse und Bäche
jedwelcher Höhe. Grosse Bäume und schöne Wiesengründe finden
sich in dieser Region überall, letztere in schönster Pracht auf der
Höhe von 8000 bis 10.000'. Der Holzwuchs verliert sich auf 11.000',
die Wiesen ziehen sich bis über 13.000'hinauf, gewinnen aber je
weiter nach oben, je mehr Einförmigkeit in den Grasarten. Von
8000' abwärts haben die meisten Höhen ein zur heissen Zeit abfal
lendes Laub, wesshalb alsdann diese relativ niederen Landschaften
von Grün entblösst einen dürren Charakter aussprechen, um so
reichlicher aber bringen sie zur Regenzeit in Erstaunen erregen
der Schnelle eine saftgrüne, dichte Vegetation in unzähligen Kraut-,
Baum- und Straucharten hervor, und Gräser, deren Höhe die Men
schen überragt.
Zwischen 8000 und 6000' nimmt man ein Mittel dieser beiden
Vegetations-Verhältnisse wahr. Diese wenigen Worte können ge
nügend eine Farben-Ansicht des Landes geben.
Soviel über die Beschaffenheit dieses Landes, woraus hervor
geht, dass Abyssinien die Bedingungen zu einem Paradies enthält,
und alles Envünschbare für den Menschen hervorhringen kann, aber
Berichte aus und über Abyssinien.
235
es gehört dazu, dass der Menseh seine gottlose Selbstsucht im Indi
viduum verliere, in einmüthiger Gesammtheit das Werk der Cultur
ergreife. Auf der ganzen Erde gibt es kein Land, das mehr Vortheil
und Annehmlichkeiten zugleich bieten kann, als dieses von uns so
wenig beachtete Abyssinien. — Heute ist es eine stets an Umfang zu
nehmende dornenreiche Wildniss, welche die verwilderten und sieh
selbst zerstörenden Bewohner in immer enger und enger werdende
Räume bannt. Auch die wilden Thiere nehmen so sehr überhand,
dass in nicht sehr ferner Zeit ein förmlicher Krieg zwischen ihnen
und den Menschen in Aussicht steht. Schon jetzt sind die Thäler
von 4000' abwärts so damit bevölkert, dass der Jagdfreund den
mannigfaltigsten Stoff zur Beschäftigung daselbst findet, zugleich
aber auch, besonders zur Nachtzeit, in der grössten Gefahr schwebt;
einzelne Bestien greifen sogar zuweilen ganze Caravanen an, und
reissen aus derselben einzelne Menschen vom Wachtfeuer fort.
Nach diesem ausgedehnten Abschweif komme ich wieder auf
die politische Gestaltung des Landes zurück.
ln neuerer Zeit hat der Dedschesmadsch Ubye eine Menge
Seigneurs und Chefs sich unterjocht, indem er den Zweck verfolgt,
den Kaiser als Einigungspunct in seine ursprüngliche Macht einzu
setzen.
Die Neigung des R a s A1 i zum Mohammedanismus, die für Abys
sinien hieraus entspringende Gefahr hatte Ubye bestimmt, im Jahre
1841 alle christlichen Stämme zu vereinigen, an die Spitze der
Geistlichkeit einen Bischof zu stellen und den Ras zu bekriegen.
Ubye ward Sieger! Aber ein Zufall nach siegreicher Schlacht
machte ihn zum Gefangenen einer ganz kleinen feindlichen Abthei
lung. Der Ras kam hierauf von seiner Flucht zurück, übernahm
von Neuem seine Stellung und gab aus Furcht vor dem Volke seinem
Gegner die Freiheit (das Landvolk hatte den Ras mit Prügeln
durchgeprügelt!). — Leider etwas spät, weil bereits in Ubye s
Ländern dessen Bruder und andere Häuptlinge das Volk gegen ihn
beschäftigten. Ubye hatte nun mit Widerwärtigkeiten aller Art zu
kämpfen, aber ausgerüstet mit Schlauheit und Energie überwand er
Alles. Mit 24 Mann zog er aus, seinen Bruder Merrso zu be
kriegen , der sich in Semen eingenistet hatte. Nach glücklichem
Erfolge strömte seine zerstreute Armee ihm wieder zu; und nun zog
er nach Tigre, wo Balgatt’ Ar ei ja die Flucht nahm und der
236
Dr. S c h i m p e 1*.
Nebrid von Axum (d. i. Wächter der Bundeslade zu Axum) in
seine Hände kam. Auch die grossen Provinzen Wolkeit, Tacade,
Enderda u. s. w. kamen wieder an Ubye; die bewunderungswürdige
Geschicklichkeit, welche er in Überwindung der Schwierigkeiten
entwickelte, vergrösserte seine Macht und bald war er mächtiger als
je. Kaum waren 6 Jahre verflossen, als er von Neuem gegen den
Ras auszog 1846—1847, der aber diesmal nach langer Vorbe
reitung zum Kampfe ebenfalls eine grosse Streitkraft durch die Gallas
mohammedaner erhalten hatte. Die zwei Krieger standen sich mehrere
Monate unthätig einander gegenüber, ohne dass einer den Angriff
wagte, bis endlich in die beiden Heere zugleich der Hunger ein
drang, und die beiden Häuptlinge zum Rückzug nöthigte. — Bei je
desmaliger Abwesenheit U b y e ’s von Tigre erschien dort der be
rüchtigte Ballgatt’ Ar ei ja (ein Verwandter des verstorbenen Ras
Wolda Selasse, eines gewesenen Doppel-Ras), der sich damit
beschäftigte, Reichtliümer durch Rauhzüge im bloss gestellten Lande
zu erwerben. Ohne Weiteres zu unternehmen, zog er bei jedes
maliger Annäherung Ubye’s in seine Schlupfwinkel zurück,
was allerdings klüger sein mochte, als mit den Waffen gegen
Ubye’s Übermacht zu kämpfen. — Die Schlauheit Balgatta’s
wird von Ubye gefürchtet, der nun schon seit 1847 eine grosse
Abtheilung seiner Armee an dessen Schlupfwinkeln aufge
stellt hat, um ihn wo möglich auszuhungern. (Balgatta ist der
Titel, bedeutend Salzwächter oder Münzhüter; Areija ist der
Name. — Der Balgatta hat besonders auch für die Sicherheit des
Weges zur Salzebene zu sorgen, und begleitet desswegen mit seinen
Truppen die Salzhändler dorthin, deren stets mehrere Tausende zu
gleich sich in Marsch setzen. — Diese Vorsicht verlangt die Mord
lust der .Teltal, die zwar mittelst ihrer Häuptlinge unter abyssi-
nischer Hoheit stehen, aber zur Ordnung nicht angehalten werden
können, weil ihr tief liegendes Land, fast unbewohnbar, schrecklich
heiss ist. •—■ Dieses Verhältnis besteht seit den ältesten Zeiten.)
Die Hauptparteien von Ahyssinien sind heute repräsentirt einer
seits durch R a s A1 i, anderseits durch Ubye. Mit Letzterem sind
verbunden, doch unabhängig von ihm, der De d s ch es ma ds eh
Go scho mit seinem kriegerischen Sohn Bürru in Godscham, der
Dedschesmadsch Kassai, Sohn des verstorbenen Fürsten
Confu, Chef der Länder am Sennaar und noch einige Fürsten im
Berichte aus und über Abyssinien.
237
Lasta. Diese mit Ubye verbundenen Häuptlinge theilen die Absicht
Ubye’s, die alte Regierungsform unter dem Kaiser wieder herzu
stellen. Eine dritte Partei ist durch den König (Negüs) von Schon
repräsentirt, dessen Land durch einen schmalen von den Gallas be
setzten Streifen Landes sich findet. Diese Ausgeschiedenheit hat
Schon unabhängig von hier gemacht, wesshalb der Chef den Titel
Negüs führt, welcher früher nur dem Kaiser zukam. (Das Wort
Negüs bedeutet sonst: Selbstständig Regierender, also Regent, Hüter
und Vollbringer des Gesetzes zufolge des fetta Negüst, d. h. Staats
gesetzbuch.)
Ich habe noch der Menschen-Varietäten zu erwähnen, welche
sich in Samhar finden, und ein wahrhaftiges Chaos darstellen durch die
verschiedenartigsten Körperformen, Farben und Sprachen. Sie lassen
sich in 7 Hauptclassen theilen:
1) Eigentliche, aber ausgeartete Abyssinier mit einer Mundart, die
zwar abweichend von der Tigrespraehe ist, aber gemeinschaftlich mit
derselben die Geessprache zur Grundlage hat. Diese sind um das
Hochland herum nach allen Richtungen verbreitet, bewohnen mehr
gebirgige Theile als Ebenen und sind theils Ackerbauer, theils Hirten.
Religion: theils Christen, theils Mohammedaner, auch zum Theil
Heiden. Hieher gehören ausser jenen, welche zerstreut in den Ge
birgen Samhar’s wohnen, die Völkerschaften Rogho’s, Chal-Chal,
Bidel und ein dem Laufe des Mareb’s entlang wohnender Volkstheil,
den die Abyssinier fälschlich Schangalla nennen, wahrscheinlich weil
der Wohnsitz dieses Volkes in Mitte der Schangalla, d.h. Neger, ist.
Diese Schangalla, von denen hier die Rede ist, sind keine Neger und
unterscheiden sich in Bau und Farbe in Nichts vom Abyssinier; auch
ist die Sprache fast ein reines Gees, d. i. die Wurzelsprache der
abyssinischen Dialekte.
2) Habab, in Typus, Farbe und Sprache fast gleich den Stäm
men der vorstehenden ersten Classe. Der Unterschied ist nur durch
einige arabische Elemente bezeichnet; sie sind Ackerbauer, Hirten und
Fischer, wohnen im flachen Küstenland zwischen Sanakin und Mas-
sanah; sie sind Mohammedaner.
3) Schohö, unter sich in viele kleine Stämme getheilt, mit
eigentlnimlicher Sprache, über die ich nicht urtheilen kann. Diese
Schohö haben zwar unverkennbar einen abyssinischen Typus, sind
aber ganz schwarz und vollkommen verwildert, durch ihr Benehmen
238
Dr, Schimper.
und ihre Lebensart stellen sie sich fast als entmenschlicht dar; sie
sind grösstentlieils Nomaden und bewohnen vorzüglich den kleinen
Landestheil, der im engeren Sinne Samliar heisst, und ziehen sich
auch östlich hin zu den :
4) Teltal, die wiederum eine andere, doch etwas verwandte
Sprache reden sollen, und im Ruf einer ebenfalls ausgezeichneten
Verwilderung stehen;-— sie tragen in sich eine leichte Mischung
mit den Galla-Nachbarn, den Abyssiniern und den Scholiö. Bei Ein
zelnen sieht man eine Mischung mit Griechen, welch’Letztere vor
einigen hundert Jahren in Agame eingewandert waren und in Mi
schung mit den Abyssiniern des Hochlandes, den Teltal und Schollt»,
untergegangen sind. Hieraus war der berühmte Sabagadis hervor
gegangen, welcher während einiger Zeit Regent von Tigre war und
von Ubye besiegt worden ist. — Die Teltal wohnen südöstlich von
Massanah und sollen sehr verbreitet sein. Religion: theils Christen,
theils Mohammedaner, in der Hauptmasse aber Heiden.
o) Galla’s mit leichter Teltal-Mischung wohnen am Abhänge
des Hochplateau’s, südöstlich von den Teltal und sind im Zusammen
hang mit den unzähligen Gallastämmen des afrikanischen Hochlandes;
Religion: Heiden und zum Theil Mohammedaner.
C) Danakil. Diese bewohnen südöstlich von Massanah bis
gegen ßerhera hin den äusserstenRand der Küste und sind grössten-
theils Fischer und Schiffer. Sie sind augenscheinlich stark mit
Yemen-Arabern vermischt. Näheres weiss ich mit Sicherheit nicht
anzugeben. Religion: Mohammedaner.
7) Race von Harkiko, ausgezeichnet durch ihre Mischung zwi
schen Bosniern und Habab, Abyssiniern, Schollt» und Negern; sie
spricht einen eigenthümlichen Dialekt, welcher die Geessprache zur
Grundlage hat und von den Habab und jenen unter Nr. 1 genannten aus
gearteten Abyssiniern sehr gut verstanden wird. Religion: Moham
medaner.
Mit alleiniger Ausnahme der wenigen Galla’s sind alle diese
Stämme abyssinischen Ursprungs.
In dem Lande der Teltal, ungefähr 3 Tagereisen S. S. 0. von
Massanah zwischen dem rotlien Meere und demHochplateau wird durch
permanent vulcanische Vorgänge ein festes Kochsalz erzeugt, welches
von den Abyssiniern des Hochlandes bezogen, als Münze gebraucht
und weit hin ins Innere von Afrika verführt wird. Eben daselbst
Berichte aus und über Abyssinien.
239
erzeugt sich Schwefel, welcher den ganzen Bedarf für diesen Theil
von Afrika deckt.. Dieses Salz wird zu 8 Zoll langen, 1 (4—3 Zoll
breiten und iy a Zoll dicken Stücken (Pariser Mass) zugehauen und
bildet so geformt jenseits des Flusses Tacaze, also bereits diesseits
Gondar das cireulirende Geld, und ist also, indem es den Finanzfond
des Landes vertritt, von ausserordentlicher Wichtigkeit, auch be
schäftigt sich mit der Ausbeute und Ausfuhr eine bedeutende Volks
menge, indem hier die Transporte grösstentheils nur auf Menschen
rücken statthaben. Es ist also einleuchtend, dass dieses Salz eine
äusserst lebhafte Volksbewegung verursacht, auf verschiedene Weise
Nahrung unter alle Classen der Bevölkerung bringt.
Salzpreise.
Am Rand des Hochlandes in der Ortschaft Azehi 8000' über
dem Meere, unmittelbar oberhalb der Salzlocalität (welche, der erhal
tenen Information gemäss, tiefer als der Meeresspiegel zu sein scheint)
ist das erste abyssinische Salzdepot.
Hier in Azehi ist der Mittelpreis für 100 Stück 1 Thaler (österr.
M. Th. Th.), 1 y 2 Tagereise weiter zu Addegral 80 Stück 1 Tlmler,
wiederum 2 Tagereisen weiter zu Addoa für 60 Stück 1 Thaler,
* 6 „ „ Wogera „ 45 „ 1
Via „ * Gondar „30—40,, 1
Von Azehi nach Gondar sind 12—14 Tage langsamer Reise
erforderlich, und auf diesem Wege 16 Zollstellen, wo ein halbes
Stück Salz bezahlt wird, also bis nach Gondar 8 Stücke, d. i. von
einer Trägerlast, welche gesetzlich nicht mehr als 50 Stücke beträgt.
Hieraus geht die Geringfügigkeit des Gewinns hervor, aber eben die
Geringfügigkeit desselben ist Beweis, dass dieses Salz-Gehl alle
Verhältnisse des Volkes seit undenklicher Zeit mittelst seines Ein
flusses durchdrungen hat.
240
Prof. Jäger.
SITZUNG VOM 17. MÄRZ 18S2.
Gelesen:
Der Secretär liest einen von dem h. Ministerium des Äussern
der Akademie mitgetheilten Bericht vor, den der k. k. Consular-
Agent in Cartum, Hr. Dr. Constantin Reitz, über seine im August
v. J. stattgehabte Zusammenkunft mit der Princessinn Siddi Saua-
kin, der Tante des gegenwärtigen Sultans Hussein von Dar für,
eingesandt hat.
ZUr Vorgeschichte des Jahres 1809 in Tirol.
Vom Professor Jäger.
Es war am 29. Deeember 1803, wo Kaiser Franz durch den
Mund des damaligen Gouverneurs von Tirol, Grafen Brandis,
allen Bewohnern dieses Landes den Schmerz ausdrücken liess, den
sein Vaterherz empfand, Unterthanen verlieren zu müssen, die durch
fiinfthalbhundert Jahre mit einer zum Beispiel gewordenen Treue an
Österreichs Fürsten hingen. „Lag es aber, so fügte der Kaiser
„hinzu, nicht in meiner Macht, die empfindlichsten Stösse abzuwen-
„den, so habe ich es wenigstens an meiner Vermittelung nicht fehlen
„lassen, die weitern Wünsche der Tiroler zu erfüllen, nämlich, dass
„das Land ungetheilt bleibe, und seine Einrichtungen beibehalte.”
Nicht volle drei Monate später vernahmen die Gesandten der
tirolischen Stände aus dem Munde des Königs Maximilian von
Baiern die nicht minder herzlichen Worte : „Liebe, brave Tiroler!
„Ich verspreche euch nochmal, kein Jota an eueren alther
gebrachten Einrichtungen soll geändert wer den. Ihr
„habt einen guten Landesherrn verloren; ihr bedauert diesen Ver
lust; ich schätze euch darum, und würde euch nicht schätzen, wenn
„ihr es nicht thätet. Wohl fühl’ ich es, ich habe einen harten Stand,
„mir eure Liebe und Achtung zu erwerben; aber ich werde es mir
„zu meiner angelegentlichsten Pflicht machen, und dann hoffe ich, es
Zur Vorgeschichte des Jahres 1S09 in Tirol.
241
„werde euch einst auch um mich leid sein, wenn ihr mich durch den
„Tod verlieret.”
Unter den Auspicien dieser kais. und kön. Trostworte ging Tirol
am 11. Februar 180 6 als grossmiithiges Geschenk N a p o 1 e o n’s an das
neuerrichtete Königreich Baiern über. Allein ungeachtet dieser münd
lichen Versicherungen, und ungeachtet des 8. Artikels des Press
burger Friedens, der festsetzte, dass der König von Baiern Tirol
„auf dieselbe Weise und unter denselben Titeln, Beeil
ten und Prärogativen besitzen sollte, wie es Kaiser
Franz oder die Prinzen von Österreich besessen
hatten, und nicht anders,” lag doch weder in den Zusiche
rungen der beiden Monarchen, noch in dem Friedensartikel eine
beruhigende Bürgschaft für den Fortbestand der alten Zustände
Tirols. Denn aueli die vorder-österreichisclien-Lande waren unter
denselben Bedingungen und ganz mit denselben Aus
drücken an Baden und Würtemberg abgetreten worden; und doch
hatte der König von Würtemberg und der Grossherzog von Baden
die früheren Einrichtungen dieser Länder als nicht mehr geeignet
für die neuen Verhältnisse sogleich abgeändert. Tirol unterwarf sich
daher in banger Erwartung der Dinge die da kommen würden der
neuen Begierung.
Allein Baiern, in dessen Plane es allerdings lag, die verschie
denartigen Verwaltungsformen der neuerworbenen Provinzen durch
Ausscheidung der unbequemen und Assimilirung der brauchbaren auf
eine leichter zu beherrschende Einheit zurückzuführen, wollte nicht
gleich im Anfänge die Sache auf die Spitze treiben, und begann seine
Umgestaltungen nicht mit zerstörenden, sondern mit w o h 11 h ä-
tigen Deformen.
Es übernahm das Land aus den Händen eines Guberniums,
welches mit Ausnahme des an der Spitze stehenden Chefs und eini
ger wenigen tüchtigen Käthe, aus Individuen zusammengesetzt war,
deren körperliche Gebrechen der ganzen Verwaltung das Gepräge
des hinsiechenden Alters, der Schwäche und Langsamkeit aufgedrückt
hatten. Daher auch der Volkswitz das Mitleid erregende Collegium
mit dem Spottnamen „das Spital” belegte.
Die Baiern hingegen stellten an die Spitze der Landesregierung
ein mit ziemlich grosser Selbstständigkeit ausgerüstetes General-
Commissariat, unter der obersten Leitung des Grafen v. Arco
242
Prof. Jäger.
und der gewandten Feder des Herrn v. Mi eg. Um in die politischen
und justitiellen Geschäfte raschen Gang zu bringen, trennten sie das
Gubernium vom Appellations-Gerichte, welche bisher unter demselben
Chef vereint waren; dann theilten sie das Gubernium in zwei weitere
Sectionen, deren erste sich vorzüglich mit staatsrechtlichen und
polizeilichen, die zweite mit den staatswirthschaftlichen Gegenständen
zu befassen hatte. Das Land wurde vorläufig in 24, später in 30
Landgerichts- und in 24 Rentamtsbezirke eingetheilt, und den Land
richtern eine einflussreiche Stellung angewiesen. Sie wurden zur
Mittelbehörde zwischen dem Volke und der Landesstelle erhoben,
und ihnen die Ausübung der Civil- und Criminal-Gerichtsbarkeit und
Polizei in vollem Umfange überlassen, und alle Patrimonialgerichte
ihrer Aufsicht unterworfen.
Wie die Landgerichte wurden auch die neuorganisirten Rent
ämter unmittelbar der Landesstelle untergeben.
Die Vorgefundenen Kreisämter liess Raiern einstweilen noch fort-
b es teilen; es beschränkte aber deren Wirksamkeit dergestalt, dass
es ihnen nicht mehr als einen höchst indirecten Antheil an den Ge
schäften überliess, wesshalb auch das Personale bei diesen Ämtern
fast überall bis auf den Kreishauptmann und einen Actuar einschmolz.
Die Vortheile dieser Einrichtung gestalteten sich sowohl für die
Regierung als auch für das Volk ziemlich günstig. Für jene ergab
sich mittelst der streng überwachten Rentämter nicht nur eine klare
und geordnete Übersicht der Einnahmen und Ausgaben, sondern
auch eine regelmässige und ausgiebige Erhebung der Gefälle. Die
Rrutto - Einnahme aller Rentämter betrug am Schlüsse des Jahres
1806 1,774.342 fl., während die Besoldungen für die ganze Landes
verwaltung im J. 180 7 /s nicht mehr als 113.841 fl., und im J. 180 3 /o,
wo das Verwaltungspersonale vermehrt wurde, 121.000 fl. betrugen.
Das Volk erfreute sich einer viel rascheren und durchgreifen
deren Handhabung der Justiz und Polizei, und selbst Tiroler Beamte,
welche anfangs ein günstiges Ergebniss bezweifelten, mussten am
Ende der baierischen Landgerichts - Einrichtung den Vorzug zuge
stehen vor der mechanisch - abgemessenen Geschäftsführung der
früheren Kreisämter.
Die günstige Seite der haierischen Landes-Organisirung wurde
auch im Ganzen so anerkennend gewürdiget, dass von dieser
Seite in Verbindung mit andern materiellen Vortheilen, welche dem
Zur Vorgeschichte des Jahres 1809 in Tirol.
243
Lande aus der Vereinigung mit Baiern damals, ungefähr wie in unsern
Tagen von der Idee des Zoll-Vereines in Aussicht gestellt waren, der
baierisclien Regierung schwerlich je eine Verlegenheit entstanden
sein würde. Man sagte sich unverliolen, dass, wenn einmal die Zoll
stangen fallen, welche Tirol vom Nachbarlande trennen, von dorther
Überfluss an Getreide auf die tiroler Märkte strömen, und umgekehrt
in Tirol die Viehzucht, der Weinbau, die Seidencultur und Obstzucht
einen wünschenswerthen Aufschwung nehmen, und in Baiern einträg
liche Absatzmärkte finden werden. Im Genüsse dieser Vortheile würde
Tirol, so glaubten einige, sogar die Aufhebung seiner ständischen
Verfassung und selbst das Unglück seiner Trennung von dem alten
Fürstenhause allmählich verschmerzt haben, und vielleicht baierisch
geblieben sein.
Wenn es mir nun gegönnt ist, auf die Frage überzugehen, woher
es kam, dass ungeachtet dieser günstigen Verhältnisse Baiern und
Tirol doch nicht in einander verschmolzen, dass sich vielmehr gerade
in den materiell nicht unglücklichen Jahren 1807 und 1808 jener
Volkshass gegen Baiern entzündete, der im J. 1809 in die helle
Kriegsflamme aufloderte, so werde ich nicht die justitielle, finanzielle,
oder polizeiliche Verwaltung des Landes als Ursache jener Erschei
nung bezeichnen dürfen; ich werde vielmehr auf eine andere, bisher
viel zu wenig beachtete Quelle hinweisen müssen, und diese Quelle,
aus welcher so recht eigentlich wie aus dem tiefsten Ursprünge alle
Ereignisse des Jahres 1809 flössen, und ohne deren genauere Kennt-
niss der Aufstand der Tiroler nie vollkommen begriffen werden kann,
diese Quelle ist jene gewaltsame und schonungslose Umwälzung
in kirchlichen Dingen, welche die baierische Regierung mit
völliger Verkennung des tirolischen Volkscharakters in den Jahren
1806, 1807 und 1808 durchzusetzen bemüht war.
Man darf ohne Umschweife behaupten, dass Baiern im Verhält
nisse zur Kirche sich auf einen falschen Standpunkt gestellt hatte. So
wenig es dem Geiste der Kirche und den vernünftigen Grundsätzen
einer Regierung widerspricht, Missbräuche abzusehaffen, so war
doch das, was Baiern in Tirol that, nicht mehr ein blosses Abschaffen
von Missbräuchen, sondern ein zerstörender Angriff auf die Kirche
selbst. Die baierische Regierung ging von Principien aus, die mit dem
Wesen der katholischen Hierarchie unverträglich sind, und schlug
in der Durchführung dieser Principien einen Weg ein , der nur von
244
Prof. Jäger.
Terrorismus und Verachtung aller Rechte eingegeben sein konnte.
Ich kann den Geist dieser Grundsätze nicht treffender bezeichnen,
als wenn ich mir erlaube, eine einschlägige Stelle aus dem Berichte
des Herrn von Mi eg an das Ministerium des Innern mitzutheilen. Der
Bericht bezieht sich auf eine Note des päpstlichen Hofes an den baie-
rischen Gesandten in Rom, und lautet also:
„Die Note, welche der Cardinal-Staatssecretär dem köngl. Ge
sandten in Rom wegen der geistlichen Angelegenheiten in Tirol
übergab, und welche mir durch allerhöchstes Rescript vom 26. Februar
mitgetheilt wurde, liefert einen neuen Beweis, dass.dasPapstth.um,
sowie es dermalen besteht, im bleibenden Kampfe mit der
weltlichen Herrschergewalt, und mit dem Geiste des Jahrhunderts
seinem Untergänge entgegengeht. Dem dermaligen römi
schen Hofe hängt der krasseste Mönchsgeist an, ohne dass er die
gewöhnliche Mönchspolitik besässe. Aller Waffen beraubt, die ihm
im Mittelalter theils durch äussere Verhältnisse, tlieils durch die
eigenen eminenten Talente und die wissenschaftliche Bildung seiner
Schriftsteller und Geschäftsmänner zu Gebote standen, will er heute,
wo eine Trennung zweier Gewalten, die über Staats
bürger herrschen sollen, gar nicht mehr denkbar ist,
sondern alles auf die vollkommenste Concentrirung
der Herr sc hermacht hindeutet, von seinen alten weder auf
das Wesen noch die Gesetze der Kirche gegründeten Anmassungen
nicht nur nicht abgehen, sondern gar noch eine ähnliche Oberherr
schaft, wie damals, ausüben.”
In dieser Stelle des Herrn von Mieg sind die Grundsätze der
baierischen Regierung in Bezug auf die Kirche klar ausgesprochen.
Sie betrachtete die katholische Hierarchie als ein in Trümmer fallen
des Gebäude, auf dessen Schutt die weltliche Herrschaft ihren
absoluten Thron aufschlagen, und die bisher getrennten zwei Ge
walten, die kirchliche und staatliche, in der Hand des weltlichen
Landesfürsten vereinigen sollte. Daraus ergab sieb natürlich von
selbst, dass jede Weigerung oder Reclamation der Kirche und des
Klerus als eine Störung dieses neuen Staatsgebäudes auch mit Gewalt
unterdrückt werden musste. Dass solche Principien in Tirol-früher
oder später, ja wohl bald, zu einem heftigen Kampfe führen mussten,
war leicht vorauszusehen, und ging bald in Erfüllung. Ich beginne
daher die Darstellung dieses merkwürdigen Kampfes.
Zur Vorgeschichte des Jahres 1809 in Tirol.
245
Bei dem Eintritte der baierischen Regierung in Tirol schien sich
ein günstiges, ja sogar ein freundschaftliches Yerhältniss zwischen
Staat und Kirche bilden zu wollen. Bereits unter dem 7. Nov. 180!J
Hessen die Ordinariate das Volk durch die Seelsorgsgeistlichkeit auf
fordern, den einrückenden fremden Kriegsvölkern Ruhe und fried
liebende Ordnung, wie es wahren Christen geziemt, entgegenzusetzen,
und jede unnütze Gewalttätigkeit zu beseitigen. Die Bischöfe sandten
einen Abgeordneten nach München, um dem Könige ihre Gliicks-
wünsche zu seinem Regierungsantritte in Tirol darzubringen, und der
König geruhte, ihnen Folgendes zu erwiedern: „Wir erkennen es als
eine unserer ersten Regentenpflichten, die geistlichen Vorsteherin
der Erfüllung ihrer wohltätigen Amtspflichten auf das Kräftigste zu
unterstützen, und den durch die wahre Lehre der katholischen Religion
beziehen heiligen Zweck zum Glücke unserer Völker tätigst zu
befördern.”
Allein bald trübte sich das freundliche Verhältnis, und die
Besorgnisse, welche die antikirchlichen Vorgänge in Baiern längst
schon erweckt hatten, wurden in hohem Masse gesteigert. Denn
durch ein königliches Rescript vom 16. April 1806 wurden auf ein
mal alle kirchlichen Zustande Tirols, der Bestand der Domcapitel
und Beneficien, die Existenz der Prälaturen und Mönchsklöster, selbst
die Örtlichkeit und Zahl der bischöflichen Sitze, und die bisherige
Diöcesan-Eintheilung, alle Studienanstalten u. s. w. auf den schwan
kenden Fuss eines ungewissen Provisoriums gesetzt. Die Be
ängstigung und Aufregung der Gemüther wurde noch grösser, als die
hairische Regierung nebst vielen kleineren Plackereien gegen den
niedern Klerus, drei Forderungen an die Ordinariate stellte, welche
das Wesen der bischöflichen Rechte im innersten Kern anzugreifen
drohten. Erstens verlangte die Regierung, dass die Bischöfe keinen
Kleriker mehr zu den höhern Weihen befördern sollten, der nicht von
den Professoren der Universität zu Innsbruck geprüft und gutgeheissen
wäre. Zweitens sollten die Bischöfe an die gesannnte Seelsorgsgeist
lichkeit ein Circulare erlassen, worin diese angehalten würde, allen
Verordnungen der Regierung in Bezug auf Kirchenpolizei unver
züglichen Gehorsam zu leisten, und drittens sollten die Bischöfe die
Verleihung alle r Beneficien auch der Pfarreien in ihren Diöcesen dem
Könige überlassen. Da der erste Punkt den Sinn ausdrückte, als
dürfe der Bischof in Zukunft Niemand mehr weihen, als wen sie,
Sitzb. d. phil.-hist. CI. VIII. Bd. III. Hft.
17
246
Prof. Jäger.
die Regierung, dazu tauglich fände; da der zweite Punkt den wahrlich
neuen Grundsatz aufstellte, dass zukünftig in kirchlichen Dingen der
Staat Gesetzgeber, und der Bischof und Klerus nur Vollzieher der
politischen Verordnungen sein sollte, und da endlich der dritte Punct
den Bischöfen nicht nur ein wichtiges Recht entriss, sondern auch
die zukünftige Anstellung aller Seelsorger an den Staat übertrug, so
war, wenn die Bischöfe nicht auf ihre wesentlichen Rechte verzichten
wollten, das Signal zum Streite gegeben. Doch ehe ich weiter fahre,
wird eine kleine Schilderung der Individualitäten, die den Kampfplatz
betraten, hier nicht am Unrechten Orte stehen.
Tirol hatte damals 3 Bichöfe in seinem Lande. Es erstreckte
sich nämlich das Bisthum Chur, seit den Tagen seiner Gründung,
hinein ins Land, und umfasste nebst dem ganzen Vintschgau auch
noch im Burggrafenamte alle Berg- und Thalgemeinden, die am
linken Etsch- und rechten Passer-Ufer gelegen sind. Der damalige
Fürstbischof Karl Rudolf Freiherr vonBuol aus dem Geschlechte der
Schauenstein residirte zu Meran, wo er seit dem Jahre 1803 auch
ein Seminarium für Kleriker errichtet hatte. Auf dem Stuhle des
heil. Vigilius in Trient sass Emanuel Maria Graf vonThunn aus der
Linie von Castell Brughier. In Brixen trug die bischöfliche Infel Karl
Franz aus dem gräflichen Hause der L o d r o'n. An der Nordgrenze
Tirols griffen noch herein die Bisthümer Augsburg, Chiemsee und
Salzburg, und übten über kleinere oder grössere Landestheile ihre
geistliche Macht. Der Charakter der drei Fürstbischöfe von Chur,
Trient und Brixen lebt noch in zu frischem Andenken, als dass
er einer umständlicheren Beschreibung bedürfte. Karl Rudolf von
Chur war ein klarer Verstand, und besass eine unbeugsame eiserne
Willenskraft. Gefahren und Hindernisse kannte er sowenig, als ein
winkelzügiges Benehmen; er war in Wort und That ein gerader
Mann. Seine nächste Umgebung bestand, weil Gleichheit der Naturen
sich gegenseitig anzieht, aus Männern von derselben eisernen Willens
festigkeit. Dahin gehören der Kanzler Baal, ein praktisch-gelehrter
Kanonist und Theolog, die beiden Purtscher, Gottfried und Ignaz,
ersterer eine unerschöpfliche Fundgrube von Mitteln in allen Ver
legenheiten seines Bischofs; die beiden Tapfer, Anton und Michael,
fromme, gelehrte Männer; der Provicar Nicolaus Patscheider,
Pfarrer von Meran, und Joseph Lutz, ein Priester ohne höhere
Stellung. Was diese Männer sammt und sonders auszeichnete, und
Zur Vorgeschichte des Jahres 1809 in Tirol.
247
was sich als gemeinsamer CHärakterzug durch alle damaligen Churer
Geistliche hindurchzog, und seihst in den noch lebenden letzten
Überbleibseln nicht erloschen ist, das war eine ungeheuchelte be
geisterte Liebe zu ihrem Bischof, mit dem sie nicht bloss ihr Ver
mögen , sondern auch seine Dürftigkeit und Schicksale freudig
theilten.
Der Bischof Emanuel von Trient glich seinem Nachbar an Ge
sinnung und Willensstärke in hohem Grade; doch verfolgte er seine
Grundsätze nicht mit jener zähen Consequenz, welche dem Bischöfe
von Chur eigen war. Freilich hatte er nicht Gelegenheit gehabt,
seinen Charakter in jener Schule der Erfahrungen zu stählen, die
dem von Chur so reichlich zu Theil geworden. Die Diöcesan-Geschäfte
leitete in Trient der General-Vicar Zambaiti, ein moralisch fester
aber altersschwacher Mann; und unter den Domherren ragten Buff a,
Trentini und der Baron von EyrI durch einige Entschiedenheit des
Charakters hervor, obwohl nicht in dem Masse, wie die Umgebung
des Bischofs von Chur. In Brixen war die Seele des Consistoriums
der Domherr Konrad von Buol. Grossen Einfluss auf den Fürsten übte
der Kanonikus Giuliani, und auch Michael F e i c h t e r, in späterer Zeit
der belebende Geist der Brixner Diöcese, war nicht ohne Ansehen.
Übrigens leitete das Brixner Consistorium damals eine Klugheit,
welche, wenn man auf den Ausgang sieht, wohlberechnet erscheint,
von denjenigen aber, denen das entschiedene Auftreten der zwei
andern Bischöfe besser gefiel, heftigen kaum verdienten Tadel
erfuhr.
Von Seite der Regierung erschienen auf dem Kampfplatze der
General-Commissär Graf Arco, wohlwollend, gutmiithig, ein pünkt
licher Beamter, der nichts höheres kannte, als die Vollziehung der
Befehle seines Herrn. Ihm zur Seite stand der Kanzlei- und Kreis-
director v. Mieg, eine gewandte Feder, klar in seinen Ansichten, aber
verknöchert in den Grundsätzen der damaligen antikirchlichen Philo
sophie und Staatsweisheit, von Seite des Charakters heftig, für terro
ristische Massregeln eingenommen, und bis zum Erstaunen verblen
det im Glauben an die Zweckmässigkeit eines Schreckensystems zur
Beherrschung der Gemüther der Menschen. Später ward der Hofrath
und Kreishauptmann von Bruneck, Hofstetten, auf den Schauplatz
hervorgezogen, ein nicht unfähiger besonders mit inquisitorischen Ta
lenten begabter junger Mann; aber heftig, leidenschaftlich, wie Mieg
17
248
Prof. Jäger.
gewaltthätig, und unbesonnen, moralisch in hohem Grade gemein und
bübisch-leichtfertig. Minder wichtige Individualitäten, die nur als
Vollzieher der hohem Befehle eine untergeordnete Rolle spielten,
verdienen keine Erwähnung.
Mit diesen Slreitkräften ward also der Kampf eröffnet. Über
dessen Ausgang konnte kein Zweifel walten; er musste in seinen
äussern Folgen für den Klerus verloren gehen, weil der Regierung
physische Macht und Willkür zu Gebote standen; er musste aber
moralisch vom Klerus gewonnen werden, weil das Recht über das
Unrecht, und Charakterstärke über Charakterschwäche, selbst wenn
sie äusserlich zu unterliegen scheinen, den Sieg davontragen.
Der erste Schritt, den die Bischöfe zur Behauptung ihrer Rechte
thaten, war die Erlassung eines Circulares an den Klerus, worin sie
diesem geboten, den Befehlen der Regierung in Kirchenpolizei-
Sachenzu gehorchen, vorausgesetzt, dass durch diesel
ben, wie es sich von selbst versteht, und von den
religiösenGesinnungeneineskatholi s’c henMona rohen
mit Grund vorausgesetzt werden kann, keine von der
Kirche anerkannte Glaubenssache oder Kirchenzucht
offenbar gefährdet werde. Ihr zweiter Schritt war ein Recurs
nach Rom, um sich beim päpstlichen Stuhle Raths zu erholen, wie
weit sie den Forderungen der Regierung ohne Verletzung ihrer
bischöflichen Rechte nachgeben dürften.
Von Rom kam unter dem 2S. April 1807 Antwort. Sie enthielt
vor Allem die Aufforderung, in dem delicaten Geschäfte mit der
grössten Vorsicht, Bescheidenheit und Festigkeit zu Werke zu gehen.
Dann mögen die Bischöfe in Bezug auf die erste Forderung der
Regierung ein Auge zudrücken, wenn unter der Universitätsprüfung
nicht eine wesentlich-nothwendige Vorbedingung zur Weihe, sondern
nur ein überflüssiges aber ehrenvolles Zeugniss für die Tauglichkeit
des Jünglings verstanden werde. Sollte aber die Regierung behaupten,
die zu weihenden Kleriker müssten ihre Studien an der Universität
zurücklegen, und der Bischof dürfe sie ohne vorläufiges Zeugniss der
UniversitätsProfessoren gar nicht weihen, in diesem Falle würde den
Bischöfen ihr eigenes Gewissen zu erkennen geben, dass sie ihre Hände
denen n i e auttegen dürfen, die nicht von ihnen ausgewählt, und nicht
von ihnen als tauglich erfunden seien, indem der Priester nicht durch
die Macht der weltlichenGewaltin dasHeiligthum eingedrungen, sondern
Zur Vorgeschichte des Jahres 1809 in Tirol.
249
durch freie bischöfliche Wahl aufgenommen werden müsse. In Betreff
der zweiten königlichen Forderung sei es in der Kirche Gottes wirk
lich eine neue Erscheinung, dass Verordnungen über Gegenstände,
welche die kirchliche Polizei betreffen, vom Staate ausgehen, und
von den Bischöfen nur vollzogen werden sollen. Es wäre allerdings
zu wünschen, dass die politischen Verordnungen jederzeit von der Art
wären, dass die geistlichen Behörden sie unbedingt unterschreiben
und vollziehen könnten; allein die bisherigen Vorgänge im König
reiche Baiern geben hierüber keine Beruhigung; sie beweisen viel
mehr zur Genüge, dass die Grenzen des schon bestimmten landes
fürstlichen Rechtes circa sacra, allenthalben überschritten, und die
geheiligten Rechte der Kirche und des Priesterthums von der welt
lichen Macht überall--verdrängt werden. Es wäre daher des hohen
Charakters der Bischöfe unwürdig, wenn sie sich erniedrigen wollten,
ihren Priestern den Vollzug s olcher Verordnungen aufzudringen,
die den Rechten der Kirche schädlich und zuwider sind. Endlich in
Betreff der dritten Forderung werden die Bischöfe selbst bemerken,
dass, wenn in Zukunft der König alle Beneficien, selbst die pfarr-
liclien nicht ausgenommen, verleihen sollte, ihnen nicht nur jedes
Recht und jedes Mittel taugliche Priester zu befördern, oder verdiente
zu belohnen, benommen, sondern überhaupt eine ganz verkehrte
Ordnung in die Kirche eingeführt werde, indem der Bischof seine
Stellvertreter aus den Händen des Staates empfangen soll. Dieser
Punkt, bemerkte dann das päpstliche Schreiben, mache bei den Ver
handlungen über das Concordat die grössten Schwierigkeiten 1 ). Der
König will nämlich, fährt das päpstliche Schreiben fort, in allen Bis-
thümern seiner Staaten nicht nur alle jene Beneficien verleihen, wozu
ihm das Patronatsrecht von Alters her gebührt, sondern auch die
jenigen, welche bisher der Bischof oder der heil. Stuhl vergeben hat.
Seine Ansprüche gründet er auf jene Säcularisation4es Jahres 1803,
vermög welcher ihm alle Rechte der weltlichen Fürstentlnimer der
Bischöfe zugefallen seien. Allein dieser seltsamen Behauptung wird
sich der heil. Stuhl immer standhaft entgegensetzen. Die Bischöfe
sollen also einstweilen folgende Maximen als Regel befolgen. Der
*) Es wurde nämlich damals durch den Cardinal Hannibal della Genga an
einem deutschen Concordat zu Regensburg gearbeitet, bekanntlich ohne Erfolg,
indem das mit Baiern erst 1817 zu Stande kam.
250
Prof. Jäger.
Ernennung zu jenen Beneficien (mit oder ohne Seelsorge), über
welche die Regierung althergebrachtes rechtmässiges Patronatsrecht
ausübt, sollen sie sich nicht widersetzen, sondern nur die Vor
schriften des Conciliums von Trient festhalten, die dem Bischöfe
gebieten, keinen Priester zur Seelsorge zuzulassen, der nicht von
ihm würdig und tauglich erfunden werde. Aber in Bezug auf jene
Beneficien-Verleihungen, deren sich der König vermög des oben
bezeichneten neuen Grundsatzes anmasst, da sollen sie sich weigern,
die vom Könige Ernannten einzusetzen, sie mögen würdig oder
unwürdig sein, um nicht die Ungerechtigkeit solcher Ernennungen
und den Raub der Episcopats-Rechte durch einen amtlichen Act gut
zuheissen. Am Schlüsse drückt das päpstliche Schreiben noch den
Schmerz aus, den Rom über die unkirchlichen Schritte des Königs
von Baiern empfinde, und schildert die Bemühungen, welche der
Papst angewendet habe, um ihn zu bewegen, einmal aufzuhören, die
Kirche des Herrn zu betrüben. „Würden, heisst es noch am Ende,
würden alle Bischöfe mit einer ihres hohen Charakters würdigen
Festigkeit, und zugleich mit jener Ehrfurcht und Sanftmuth, die sich
geziemt, dem Könige ihre Vorstellungen über diesen Gegenstand ein
reichen, so wäre zu hoffen, dass der, der katholischen Religion doch
ergebene Fürst die Stimme des kirchlichen Lehramtes, und die Stimme
der Hirten seiner eigenen Seele noch erhöre.”
Das war die Antwort, welche Rom unter dem 2ö. April auf die
Anfragen der Tiroler Bischöfe erliess, und wie diese dem Rathe und
dem Geiste Roms entsprachen, wird die folgende Darstellung zeigen.
Inzwischen erfuhr das General-Landes-Commissariat in Inns
bruck zu seinem grössten Ärger, mit welchem Vorbehalte die Bi
schöfe das verlangte Circulare an den Klerus erlassen hatten. Es er
ging also unter dem 12. Mai und 26. Juni an die Bischöfe von Chur
und Trient, von denen obige Fassung des Circulares ausgegangen
war, die Aufforderung, jene Stelle wegzulassen, und den Klerus in
einem neuen Umlaufschreiben ohne Vorbehalt zur gebührenden Be
folgung der landesfürstlichen Verordnungen anzuweisen. Da der Bi
schof von Chur in zwei Schreiben sich an den König selbst gewen
det, und darin die Gründe auseinander gesetzt hatte, welche ihn zu
jenem Vorbehalte nöthigten, so erhielt er diese, wie sie genannt
wurden „ungeziemenden” Schreiben zurück, und ward neuer
dings aufgefordert, die „hö c hst ahnd un gs wür d i g e” Stelle weg-
Zur Vorgeschichte des Jahres 1809 in Tirol.
251
zulassen; zugleich wurde beigefügt, dass die Regierung ihn für jeden
Ungehorsam seines Klerus persönlich verantwortlich mache, und
dass er hei fortgesetzter Widerspenstigkeit die Entfernung aus dem
Lande und die Einziehung seines Gehaltes zu erwarten habe. Als
Termin, seinen Gehorsam zu beweisen, wurden ihm 4 Wochen fest
gesetzt.
Es geschah aber, was zu erwarten war. Die Bischöfe, von
ihrem Gewissen und von Rom zur Behauptung ihrer Rechte, und von
der Regierung zu gegründetem Misstrauen aufgefordert, änderten
das Circulare nicht, und sendeten je nach ihrem Charakter, der von
Trient bittend, der von Chur erörternd, ihre Entschuldigungen
ein. Es geschah also auch von Seite des Gen.-Landes-Commissariats,
was angedroht worden war. Unter dem 22. Juni und 13. Juli wurde
jede fernere Gehaltsbezahlung an die Fürstbischöfe von Chur und
Trient bei der kön. Provinzial-Hauptcasse und den Rentämtern sistirt,
und dem königlichen Ministerium in München Gewaltschritte gegen
die persönliche Freiheit der Bischöfe empfohlen. Das General-Com-
missariat rieth nämlich unter dem 9. September, den Fürstbischof
von Trient auf seine Präbende nach Salzburg, und den Fürstbischof
von Chur als Fremdling aus dem Lande zu verweisen. „Es würde,
so lauten die Formalien, es würde sehr rathsam sein, diesen frem
den Bischof, der nur den Samen des Unkrautes ausstreut, aus dem
Lande in seine eigentliche Diöcese zu entfernen, hingegen den Theil
seiner Diöcese in Tirol einzuziehen, und selben etwa der Diöcese
Augsburg, Freising oder Constanz einzuverleiben. Die 6000 fl.,
welche der Bischof bisher bezogen, könnten zum Religionsfonde
verwendet werden. Ich glaube E. k. Majestät versichern zu können,
dass ein einziges warnendes Beispiel dieser Art von den wohlthätig-
sten Folgen sein, und allein Streite der Geistlichkeit in Tirol mit
der weltlichen Macht ein Ende machen wird.”
Dass die baierische Regierung diese und ähnliche Gewaltstreiche
wirklich ausführen würde, darüber konnten die Bischöfe nicht im
Zweifel sein. Es geschah gerade um diese Zeit manches, was auf
grosses Gelüsten zu extremen Massregeln hindeutete. Weil ein ge
wisser Mönch Ag os tin i Klagen gegen sein Kloster vorgebracht hatte,
nahm die Regierung davon Veranlassung, das Stift Wälsch-Michael
als ein in Disciplin und Ökonomie zerrüttetes Kloster aufzuheben.
Unter dem 3. Juli erneuerte sie unter Androhung der schwersten
252
Prof. Jäger.
Strafen das schon zu Kaiser Jo s eph’s Zeiten gegebene Verbot, wel
ches Ordens-Corporationcn die Verbindung mit auswärtigen Klöstern
und Vorgesetzten untersagte. Unter dem 15. Juli geschahen Vor
bereitungen zur Aufhebung des Churerischen Priesterhauses zu
Meran; an demselben Jage begannen auch die Inventirungen aller
Kirchenschätze, namentlich der goldenen und silbernen, und eines
schönen Morgens, es war der 16. September, erschienen in allen
Stiften, Abteien und Commenden Tirols Commissäre, und setzten
die geistlichen Institute unter weltliche Administration.
Unter diesen Verhältnissen durften die Bischöfe erwarten, dass
die gegen sie ausgesprochenen Drohungen bald in Erfüllung gehen
würden. Aufmunternd und tröstend kam ihnen gerade um diese Zeit
ein vom 1. Angust datirtes päpstliches Breve zu Händen, worin sie
der Papst zur Ausdauer in der Vertheidigung der kirchlichen Rechte
ermahnt, ihre bisherige Standhaftigkeit lobt, und sie im Hinblicke
auf seine eigenen Leiden für die Rechte und Freiheiten der Kirche
Trost suchen heisst.
In der Vorahnung, dass sie keinen Tag mehr sicher seien vor
einem Gewaltschritte, versammelte der Bischof von Chur, so weit
es ohne Aufsehen geschehen konnte, die angesehensten Geistlichen
seines tirol. Diöcesan-Antheiles zu Meran, und verabredete mit ihnen
die Grundsätze ihres Benehmens, falls die Regierung Zwangsmass-
regeln gegen ihn ergreifen würde. Alle versammelten Priester gelob
ten Gehorsam und treues Zusammenhalten in Vertheidigung der bi
schöflichen Rechte, und versprachen, sich von der Regierung weder
gewinnen noch schrecken zu lassen, um schismatische Versuche der
selben zu begünstigen. Hierauf kam der Bischof von Chur auch mit
seinem Amtsbruder, dem Fürstbischof von Trient in Botzen zusammen,
um die Grundsätze zu besprechen, welche sie selbst der Regie
rung gegenüber gemeinsam befolgen wollten. Der Fürstbischof
E man uej von I rient war nämlich bereits auf der Durchreise nach
Innsbruck, wohin ihn das General-Landes-Commissariat berufen
hatte. Veranlassung dazu gab folgender Vorfall.
Dem Bischöfe und Domcapitel in Trient waren vier Fragen hin
nen 24 Stunden zu beantworten vorgelegt worden. 1. Ob sie das be
stehende Staatsgesetz in Betrelf der Beneficien-Vergebung anerken
nen wollten? 2. Ob ein Bischot unter dem Vorwände, er sei verbun
den, die Rechte seiner Kirche zu vertheidigen, oder unter Berufung
Zur Vorgeschichte des Jahres 1809 in Tirol.
253
auf römisches Verbot, diesem Gesetze den Gehorsam versagen dürfe?
3. Oh das Verbot der Regierung, mit Rom ohne Wissen und Bewil-
ligung der Landesstelle zu verkehren, im Gewissen verbinde? und
4. Ob päpstliche Rullen, Rreven u. s. w., ehe sie das placetum re-
gium erhalten, verbindlich seien?
DerRischof und seinGeneral-VicarZ amb aiti, dann dieDomher-
ren Eyrl, Trentin i und Buffa beantworteten die Fragen in einem
der Regierung entgegengesetzten Sinne, während sechs andere Dom
herren aus Furcht vor der angedrohten Temporaliensperre sie nach
dem Wunsche der Regierung unterschrieben. Das General-Landes-
Commissariat lud nun den Rischof in der Voraussetzung, ihn durch
mündliche Unterhandlung leichter gewinnen, oder Falls er hartnäckig
den Gehorsam verweigern würde, leichter und ohne grosses Auf
sehen entfernen zu können, nach Innsbruck. Obwohl der Rischof sein
Schicksal klar voraussah, folgte er ohne Verzug der Einladung, und
besprach sich, wie ich früher bemerkte, am 26. September zu Botzen
mit dem Bischöfe von Chur.
Während er sich auf der Reise befand, wurde durch den könig
lichen Land rech tspräsidenten und Kreishauptmann in Trient, Grafen
Welsberg, Beschlag gelegt auf alle bischöflichen Zimmer und
Schriften. Das Gleiche geschah dem General-Vicar Zambaiti und
dem Domherrn Eyrl; dieser letzte wurde zu Botzen, wohin er den
Bischof begleitet, vom Kreisamte unter Polizei-Aufsicht gestellt und
vielen Verhören unterzogen, und am 27. September der Priester
Gratl, eine einflussreiche Autorität, unter Militärbedeckung nach
St. Johann im Leuckenthale deportirt. So hatten also die Gewalt-
massregeln ziemlich geräuschvoll begonnen.
Der Bischof von Trient, kam am 29. September nach Innsbruck.
Sogleich erhielt das kön. General-Commando den Auftrag, bei den
Thorwachen zu Innsbruck solche Vorkehrungen zu treffen, dass der Bi
schof von Trient, falls er ohne Wissen des General-Landes*-Cömmis-
sariats sich entfernen wollte, angehalten und nicht durchgelassen
werde. Das Postamt erhielt Befehl, alle an den Bischof von Trient
einlaufenden Briefe an das General-Landes-Commissariat abzugeben.
Dann begannen die Verhandlungen. Es wurden ihm vier Proposi
tionen zur Unterschreibung vorgelegt. I. Unbedingter Gehorsam ge
gen alle königl. Befehle; 2. kein Recurs nach Rom und keine Ver
bindung mit einem andern Ordinariate; 3. Bewilligung oder Annahme
254
Prof. Jäger.
eines Terna-Vorschlages bei Besetzung der Beneficien, den entweder
die Regierung dem Bischof, oder der Bischof der Regierung zu
machen hätte; und 4) keinen Kleriker zu weihen, ausser solche, die
an einer königl. Universität die Studien absolvirt hätten.
Über den Erfolg der Verhandlungen kann ich nichts besseres
mittheilen, als den Bericht des General-Landes-Commissariats an
das Ministerium des Innern. „Der Bischof von Trient,” heisst es in
demselben, „ist wirklich hieher gekommen. Ich habe es an keinen
Vorstellungen fehlen lassen, um ihn zur Nachgiebigkeit gegen die
allerhöchsten Befehle zu bringen. Er sah ein, und wiederholte selbst
mehrmals, dass Sr. königl. Majestät Absichten weise und den Rechten
der Kirche nicht nachtheilig seien, gleichwohl blieb er unabänderlich
bei seinem Erklären, dass er dem Eide, durch welchen er
sich zur Aufrechthaltung der Vorrechte der Kirche
verpflichtet, getreu bleiben wolle; wenigstens könne er
durch sein Zuthun und seine Unterschrift zur Schmälerung der
selben nicht beitragen, und werde sich lieber allen schlimmen Fol
gen, die für seine Person aus seiner Weigerung entspringen mögen,
unterwerfen, als sein Gewissen beschweren. Wirklich habe ich
mich auch vollkommen überzeugt, dass Gewissensangst ihn von der
Erklärung abhalte, den allerhöchsten Anordnungen Folge leisten zu
wollen. Nun erlaube ich mir die untertänigste Frage, ob ich den
widerspenstigen Bischof nach Salzburg verweisen, oder dahier
lassen soll? und zweitens, ob ich nicht auch von den Bischöfen von
Chur und Brixen die Unterwerfung unter die königlichen Befehle um
so mehr fordern soll, als die aufgenommenen Protokolle über ihre
Theilnahme an dem ahndungswürdigen Betragen des Bischofs von
Trient sehr deutliche Aufschlüsse geben, und insbesondere beweisen,
dass der Bischof von Chur der erste Veranlasser des Recurses nach
Rom war.”
Noch ehe von München eine Weisung kam, war der Bischof
von Chur schon vermocht worden, ebenfalls in Innsbruck zu er
scheinen. Der Bischof von Trient musste auf Verlangen des General-
Landes-Commissärs, Grafen Arco, seine beiden Collegen, die
Bischöfe von Chur und Brixen, zur persönlichen Unterredung nach
Innsbruck einladen. Der Bischof von Brixen, sei es, dass er wirklich
krank war, oder vor den Gefahren erschrack, entschuldigte sich mit
Unpässlichkeit und erschien nicht. Dieses Ausbleiben zog ihm von
Zur Vorgeschichte des Jahres i 809 in Tirol.
25S
Seite seines eigenen Klerus heftigen Tadel zu, als hätte er nicht so
viel Muth gehabt, wie seine Collegen, für die Sache der Kirche zu
leiden, und als hätte er das später ihm zu Theil gewordene gelindere
Schicksal einer feigen Nachgiebigkeit zu verdanken. Allein mir liegt
ein Brief des Fürsten vor, worin er betheuert, jeden Augenblick
bereit zu sein mit seinen Amtsbrüdern tapfer zu handeln und zu lei
den, und worin er auf die Frage, warum er nicht nach Innsbruck
gekommen, antwortet, er sei zwar von den beiden dort anwesenden
Bischöfen dazu eingeladen worden, aber theils wegen Kränklichkeit,
theils aus dem Grunde nicht erschienen, weil er es für rathsamer
hielt, in seiner Residenz zu bleiben, so lange ihn die Regierung
nicht abfordere.
Der Fürstbischof von Chur hingegen brach ohne Verzug nach
Innsbruck auf. Er hatte sogar auf eine Reise nach Graubünden, die
früher beantragt war, verzichtet, sobald er seinen Amtsbruder von
Trient in Innsbruck in Gefahr sah. Vor seiner Abreise rief er noch
einmal den Klerus zusammen, und ertheilte ihm mündliche und
schriftliche Verhaltungsbefehle, falls er länger zu Innsbruck aufge
halten werden, oder gar nicht mehr zurückkommen sollte. Die frü
heren Meraner Conferenz-Beschlüsse wurden als Norm aufgestellt,
und der gesammte Klerus an den Provicar von Meran, Nicolaus
Patscheider, angewiesen, dem er, sowie dem Provicar Schuster
von Schluderns, die Gewalt eines General-Vicars übertrug. Am 16.
oder 17. October traf er in Innsbruck ein. Cher die Verhandlungen
erlaube ich mir wieder den Bericht des General-Landes-Commis-
sariats an das Ministerium des Innern mitzutheilen. „Ich habe mit
den Bischöfen, so schrieb Graf Arco, in wiederholten mehrstündigen
Unterhandlungen alle Mittel der gütlichen Überredung erschöpft,
ihnen zu vielmahlen alle Gründe wiederholt, aus denen sie, ohne
Nachtheil ihres Gewissens, den allerhöchsten Gesinnungen Folge
leisten könnten. Von dem Gewichte mancher dieser Gründe waren
sie selbst überzeugt; allein ihre vorgebliche oder wahre Gewissens
ängstlichkeit erlaubte ihnen nicht, der Stimme der Vernunft Gehör
zu geben. Am Ende bestanden sie immer darauf, es stehe nicht in
ihrer Gewalt, wesentliche Rechte der Kirche, die sie aufrecht zu
erhalten beschworen, durch ihr Zuthun, oder ihre Nach
giebigkeit schmälern zu lassen; dahin gehöre das Jus liberae
collationis, in Fällen, wo es nicht durch päpstliche Bewilligung, Her-
256
Prof. Jäger.
kommen oder Stiftung und Dotation von Kirchen oder Laien erworben
sei. So sehr sie eitrigst wünschen, in allen Gegenständen, wo es die
Grenzen ihrer Gewalt nicht übersteige, den allerhöchsten Anord
nungen nachzuleben, so wenig können sie sich doch gegen Gott,
Papst und Kirche etwas zu Schulden kommen lassen, und sie ziehen
die Ruhe ihres Gewissens allem irdischen Glücke vor. Zwar wünschten
sie, dass sie der Papst ermächtigt hätte, oder in Zukunft ermächtigte,
das Jus collationis oder nominundi bedingt oder unbedingt an den
König abzutreten; aber so lange dies nicht geschehe und es ihnen
vielmehr ausdrücklich vom heiligen Stuhle durch das jüngste Breve
untersagt sei, können sie sich nicht entschlossen, ein so wesentliches
Recht der Kirche eigenmächtig zu vergehen, und sie müssen eher
das Schlimmste geduldig und in christlicher Ergebenheit über sich
kommen lassen. Wegen Stellung der Geistlichen, oder der dem
geistlichen Stande sich widmenden Subjeete zu den jährlichen
Concurs-Prüfungen würden sie, mit Vorbehalt der bischöflichen Prü
fung vor der Ausweihung» naehgegeben haben. Zur unbedingten
Ausschreibung des königlichen Befehles an den Klerus, dass er die
von der Landesstelle erhaltenen Aufträge inKirchen-
Polizei-Gegenständen zu befolgen hätte, auch wenn
sie ihm noch nicht von dem Ordinariate bekannt ge
macht worden wären, konnte ich sie nicht bewegen, obwohl
ich ihnen einen Aufsatz hiezu entwarf, der so schonend als möglich
die stillschweigende Widerrufung des von ihnen früher eingeschal
teten anstössigen Reservates enthielt. Sie besorgten, schwache
Geistliche möchten sich daran stossen, und glauben, die Bischöfe
hätten auch Anordnungen über dogmatische Gegenstände oder
wesentliche Rechte der Kirche der weltlichen Gewalt überlassen.
Was endlich die noch verlangte Zusicherung betrifft, ohne aller
höchste Erlaubnis oder Vorwissen der Landesstelle keinen Recurs
nach Rom zu ergreifen, verstand sich der Bischof von Trient hierzu,
jedoch mit Ausnahme jener Fälle, wo er zur Sicherstellung seines
Gewissens in höchst wichtigen Angelegenheiten der Kirche der
Weisung und des Entschlusses des sichtbaren Oberhauptes der
katholischen Kirche zu bedürfen glaube. — Übrigens konnte ich von
diesen beiden Bischöfen nicht einmal die Zustimmung erhalten, dass
sie geneigt wären, um doch das Jus collationis und nominundi
zu behalten, statt ihres Orts eine Tema vorzuschlagen, auf eine
Zur Vorgeschichte des Jahres 1809 in Tirol.
257
ihnen vom Hofe oder von der Landesstelle vorgeschlagene Tema
zu nominiren, weil dieses nicht mehr eine „libera collatio” wäre.
So blieb mir also, sehliesst Graf Arco seinen Bericht, unter diesen
Umständen, welche, wenn die Bischöfe wirklich aus Gewissenhaftig
keit so handelten und sprachen, in der That Mitleiden er
wecken, nichts anderes mehr (ihrig, als die allerhöchsten Befehle
rasch in Vollzug zu setzen.
Datirt vom 17. October war nämlich ein allerhöchstes königl.
Rescript aus München angekommen, welches befahl, die Bischöfe
von Chur und Trient hinnen zweimal 24 Stunden über die Grenzen
der königlichen Staaten zu schaffen, welche sie ohne ausdrückliche
Bewilligung Sr. königl. Majestät nicht mehr betreten sollten.
Mit Thränen in den Augen kündigte Graf Arco am 23. October
den beiden Fürstbischöfen den königlichen Befehl an, der zugleich
dem General-Commando, den sechs Kreisämtern, allen Landgerichten
und Polizei- und Grenzzollbehörden mit dem Aufträge mitgetheilt
wurde, den deportirten Bischöfen auf keinem Punkte der Landes
grenze den Rücktritt zu gestatten.
Am 24. October wurde der Fürstbischof von Trient unter Auf
sicht des Gubernialraths-Accessisten Karl Grafen von Wolkenstein
bis ganz nahe an der österreichischen Grenze bei Salzburg jenseits
Reichenhall, und der Fürstbischof von Chur unter Aufsicht des
Polizei-Commissärs Joseph von Schubert durch Oberinnthal bis
Martinsbruck an die Bündner Grenze deportirt. Beide Commissäre
waren für die pünktliche Ausführung ihrer Aufträge persönlich ver
antwortlich gemacht, und hatten Befehl, im Nothfalle alle Civil- und
Militär-Behörden zu ihrer Unterstützung aufzufordern.
Die Reise ging ohne Unfall vor sich. Der Fürstbischof Emanuel
von Trient blieb in Salzburg, wo er am Domcapitel eine Pfründe
besass; Karl Rudolf von Chur wurde bei Martinsbruck über die
Grenze geschafft. Ganz in der kräftigen Weise seines Charakters
setzte er, begleitet von drei Männern aus Nauders, die Reise zu Fuss
durch Engedein fort, überstieg noch Abends das beschneite Joch
Scharl und gelangte unter mannigfaltigen Entbehrungen um Mitter
nacht in das Kloster Münster. Seine Führer erzählten, dass sie
manchmal bis über die Knie in den Schnee einbrachen, und wenn
sie dann den armen Bischof bedauerten, er sie ermunterte und zu
ihrer Aufheiterung geistliche Lieder sang.
258
Prof. Jäger.
Nun suchte die Regierung die Vortheile des vermeintlichen
Sieges rasch zu benützen. In der Voraussetzung, dass der gezeigte
Ernst vorzugsweise den Fürstbischof von Brixen auf bessere Gesin
nungen bringen werde, erhielt der Kreishauptmann von Bruneck,
Herr von Hofstetten, den Auftrag, zu sondiren, in wieferne man am
dortigen Consistorium geneigt wäre, den Forderungen der Regierung
nachzukommen. Um auch Mittel der Klugheit nicht unbenützt zu
lassen, ward ihm gleichzeitig befohlen, vorzüglich auf die Umge
bungen des Bischofs, insbesondere auf den Canonicus Giuliani so
weit es füglich geschehen könnte, einzuwirken. Ich werde später
Gelegenheit haben zu bemerken, dass man nicht zum erwünschten
Ziele kam.
Vollkommen aber gelang der Sieg in Trient. Hier gab es
Männer, denen Gunst und geschmeidige Willfährigkeit über Pflicht
und Ehre ging. Schon unter dem 8. October, wo das General-Landes-
Commissariat den Entschluss gefasst hatte, den Bischof Emanuel
nicht mehr in seine Diöcese zurückkehren zu lassen, hatte der Land-
rechts-Präsident und Kreishauptmann von Trient, Graf Welsberg, den
Auftrag erhalten, das Bisthum als erledigt zu erklären, und
unter möglichster Beobachtung der canonischen Formen, die Wahl
eines General-Vicars einzuleiten. Graf Welsberg erklärte die
jenigen sechs Domherrn, welche früher die vorgelegten Fragen im
Sinne der Regierung unterschrieben hatten, als das bischöfliche
Kapitel und übertrug ihnen die Wahl eines neuen Kapitel-
Vicars. Diese Männer wählten sofort wirklich, ohne Rücksicht auf
die canonischen Gesetze und ohne sich dadurch stören zu lassen,
dass die Bestimmungen des Conciliums von Trient über die Sedis-
vacanz auf den vorliegenden Fall keine Anwendung fanden, mit
Überschreitung ihrer Gewalt den Archidiacon ihres Kapitels Franz
Grafen von Spaur zum General-Vicar, und Spaur war schwach
genug, ein Amt und eine Würde, die ihm nicht zukam, anzunehmen.
Das General-Landes-Commissariat war mit dem Vorgänge vollkommen
einverstanden, und Graf Welsberg sowohl als der gewählte General-
Vicar und die sechs Domherren erhielten die glänzendsten Belobungs-
decrete, jener über seine Klugheit, diese über ihre Willfährigkeit
und ihren Gehorsam. Der neue General-Vicar wählte sich an Franz
Teeini einen Gehülfen für die Geschäfte seines Amtes. Tecini war
ein talentvoller Mann, hatte sich der bairischen Regierung durch
Zur Vorgeschichte des Jahres 1809 in Tirol.
259
Schriften über ihr Schulwesen empfohlen und von ihr eine Ehren
medaille erhalten. Das General-Landes-Commissariat legte nun dem
neuen General-Vicariate alle seine bisher immer zurückgewiesenen
Forderungen vor, und alles wurde jetzt mit der grössten Bereitwillig
keit unterschrieben und ausgeführt. Der alte General-Vicar Zambaiti
und die Domherren Eyrl, Buffa und Trentini, die wie früher gegen
die Fragen so jetzt gegen die uncanonischen Einrichtungen prote-
stirten, wurden in kurzem Processe mit Temporaliensperre, Polizei-
Aufsicht und Inquisitionen gestraft und gequält; der neue General-
Vicar hingegen erliess einen in sehr frommen Ausdrücken verfassten
Hirtenbrief an den gesammten Klerus, worin er diesen aufforderte,
sich der neuen Constituirung der Diöcese gehorsam zu unterwerfen.
Sämmtliche Landrichter erhielten Befehl, zur Verbreitung des geist
lichen Hirtenbriefes nach Kräften beizutragen und die Befolgung zu
überwachen.
Eine ganz andere Wendung nahmen die Dinge in dem Antheile
des Churer Bistliums, der sich über Vintsehgau und das Burggrafen
amt erstreckte. Die in Trient gelungene Durchführung der von der
Regierung beabsichtigten Massregeln wurde auch hier versucht;
allein hier stiess die Regierung auf hartnäckigen Widerstand. Den
ersten Versuch zur Aufstellung eines General-Vicars machte sie mit
dem Provicar Nicolaus Patscheider, Pfarrer zu Meran. Im Aufträge
des General-Landes-Commissariates musste ihm am 6. November der
dortige Landrichter (Wieser) ein Circulare zur Unterschrift vorlegen,
worin er und der gesammte Klerus unter verschiedenen Drohungen
aufgefordert wurden, den königlichen Befehlen unbedingten Gehorsam
zu leisten. Um ihn auch durch Acte des Vertrauens zu gewinnen,
wurden Pakete und Briefe, welche auf der Post an den Bischof ein
gelaufen waren, ihm zur Eröffnung zugesandt. Als aber Patscheider
das eine wie das andere, weil er von seinem Bischöfe dazu nicht
ermächtigt wäre, zurückwies, und aucli der Clerus die Unterschrift
des Circulares verweigerte, überzeugte sich das General-Landes-
Commissariat, dass auf dem Wege der Unterhandlungen hier nichts
zu erreichen sei. Es entschloss sich also wieder zu strengen Mass
regeln. Der Kreishauptmann von Oberinnthal v. Anderlan, der sich
als Commissär im administrirten ßenedictiner-Stifte Marienberg
befand, erhielt Befehl, den Verkehr mit dem im Münsterthale verwei
lenden Bischöfe von Chur zu überwachen und zu verhindern, die
260
Prof. Jäger.
Correspondenz aufzufangeu und alle Geistliche und Laien, die auf
Besuch heim Bischöfe waren, zu bestrafen. Gegen Gottfried Purtscher,
der mit dem Bischöfe aus dem Lande verwiesen war, es aber gewagt
hatte, wieder in Tirol zu erscheinen und eine päpstliche Bulle zu
verbreiten, wurden Verhaftbefehle erlassen. In Meran alle Papiere
und Geräthschaften des Bischofs in Beschlag genommen; sein Caplan
unter Polizei-Begleitung über die Grenze geschafft und gegen alle
Geistliche, welche von Purtscher die päpstliche Bulle angenommen,
Inquisitionen eingeleitet. Da sich aber das General-Landes-Commis-
sariat bald überzeugte, dass alle diese Gewaltmassregeln den beab
sichtigten Erfolg nicht herbeiführten, indem z. B. Gottfried Purtscher
am 10. November als Kaufmann verkleidet wieder ganz Yintschgau,
Meran und Passeyr durchwandert und allenthalben zur Anhänglich
keit an den Bischof aufgemuntert hatte, so brachte selbes das von
ihm sogenannte Purificirungs-System mit allem Nachdrucke
in Vorschlag. Der General-Landes-Commissär trug nämlich darauf
an, das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten sollte bei der
helvetischen Regierung dahin wirken, dass der Bischof von Chur
von der Grenze Tirols entfernt und in dem Innern der Schweiz
irgendwo unter Polizei-Aufsicht gestellt werde. Selbst den Einfluss
des französischen Hofes rieth er hierbei geltend zu machen. Er
empfahl ferner dem König die Diöcesanrechte des Bischofs von Chur
in Tirol und somit seinen Einfluss auf das diesseitige Gebiet gänzlich
zu zerstören; dies könnte dadurch bewirkt werden, wenn Se. Majestät
der König die Verwaltung der Pontificalien des Bischofs von Chur
in Tirol dem Churfürsten von Trier, als Bischof von Augsburg
oder dessen Weihbischof übertragen wollte. Wenn Se. Majestät der
König diese Vorschläge genehmigte, so erbat sich das General-
Landes-Commissariat für diesen Fall die Ermächtigung, auch den
Bischof von Brixen aus dem Lande schaffen und gegen alle wider
spenstigen Priester dieselben Massregeln ergreifen zu dürfen, die
gegen die Bischöfe von Trient und Chur angewendet worden.
Der König von Baiern ging auf diese Vorschläge, mit Ausnahme
ihrer Anwendung auf Brixen, wirklich ein. Unter dem 14. November
Unterzeichnete er ein Rescript, durch welches er nicht nur dem Bi
schöfe von Chur, sondern auch allen anderen auswärtigen Bischöfen
das, wie das Rescript besagte, zur Ausübung ihrer Ordinariats-Gewalt
in den baierischen Landen nöthige placetum regium entzog. Dieser
Zur Vorgeschichte des Jahres 1809 in Tirol.
261
kön. Beschluss wurde dem Bischöfe von Chur unter dem 21. Novem
ber von dem Tiroler General-Landes-Commissariat mitgetheilt. Die
Fassung der Mittheilung ist zu bezeichnend, als dass ich sie nicht
wörtlich hieher setzen sollte. „Ich habe die Ehre, Ew. fürstl. Gnaden
hiemit zu ersuchen und aufzufordern, den Diöcesan-Antheil, welchen
Sie in Tirol inne haben, Seiner königlichen Hoheit, dem Bischöfe von
Augsburg, frei zu resigniren; einstweilen aber bis zur definitiven
Vollziehung jener gänzlichen Resignation Ihre Ordinariats-Facultäten
an das bischöfliche Consistorium zu Augsburg zu delegiren. Ew.
Fürstl. Gnaden werden von selbst bedacht sein, die nöthigen Anord
nungen möglichst zu beschleunigen, da vom 1. Jänner 1808 an das
Placelum regium, welches der Ausübung der geistlichen Gerichts
barkeit als notlnvendige und unerlässliche Bedingung zum Grunde liegt,
für Hoclulieselben durchaus nicht mehr ertheilt, eine Verlängerung
dieser Frist aber ganz und gar nicht stattfinden kaan,”
Im Besitze dieser Vollmacht schritt das General-Landes-Com
missariat zur Durchführung seines Planes. Es machte den Anfang mit
dem Provicar Patscheider zu Meran. Da dieser in der Zwischenzeit
einer neuerdings an ihn ergangenen Aufforderung, die königlichen
Befehle in Kirchen-Polizeisachen zu publiciren, eine feierliche schrift
liche Weigerung entgegengesetzt hatte, sollte er unter polizeilicher
Bedeckung zur Verantwortung nach Innsbruck abgeführt werden.
Allein dieser Antrag musste in Folge der Aufregung, die hierüber in
Meran und in der dortigen Gegend entstand , unterbleiben. Kaum war
nämlich der Befehl zu Patscheider’s Wegführung bekannt geworden,
als in der Stadt eine solche Gährung und eine so drohende Stimmung
sichtbar wurde und eine solche Masse von Bauern zusammen
strömte, dass die dortigen Behörden ohne Militär-Unterstützung
keinen weiteren Schritt zu thun wagten. Es mussten also vorher
Truppen nach Meran gesendet werden. Aber da entdeckte man einen
merkwürdigen, kaum glaublichen Fehler. Als das General-Commando
am 26. November vom General-Landes-Commissariate um Abordnung
einiger Truppen mit etwas Artillerie ersucht ward, konnte ersteres
wohl Fussvolk zur Verfügung stellen, aber kein Geschütz, indem es
nicht einmal mit der Bespannung für den Dienst einer
einzigen Kanone versehen war; es musste daher erst an das
oberste Kriegs-Departement um Beischaffung von Geschütz und Be
spannung geschrieben werden; so vernachlässigt sah es mit der
Sitib. d. phil.-hist. CI. VIII. Bd. III. Hft.
18
262
Prof. Jäger.
baierischen Militärmacht im Lande aus, während doch die Regierung
fortwährend Schritte tliat, die jeden Augenblick Volksaufläufe herbei-
führen konnten. Man muss über diese Versäumniss um so mehr
staunen, als bereits unter dem 13. November der Kreishauptmann von
Botzen Besorgnisse über tumultuarische Bewegungen geäussert hatte
und auch anderwärts Spuren von Bauern-Conventikeln in Unruhe
setzten. Man hatte Anzeigen, dass bei Gelegenheit des Katharina-
Marktes zu Meran bedenkliche Bauern-Complotte stattfinden sollten.
Man entdeckte, dass in der Mahr bei Brixen wirklich schon eine
solche Zusammenkunft stattgefunden. Als besonders verdächtige
Theilnehmer wurden die Bauern Aster aus Sarnthal, Plattner zu
Verdings, der Sandwirth Hofer in Passeyr und der Ex-Professor
Mal sin er in Brixen bezeichnet. Die geheimen Fäden sollten sich
vorzugsweise im Vintschgau, Etschlande, Eisack-, Wippthal und
Unterinnthal verzweigen und in Sterzing, als ihrem Mittelpunkte, zu
sammenlaufen. Alle obengenannten wurden vorgerufen und scharf
examinirt, und Hofstetten, zu dessen inquisitorischen Talenten das
General-Landes-Commissariat ein besonderes Zutrauen zu haben
schien, beauftragt, die Fäden der Verschwörung bis zu ihrem Ur
sprünge zu verfolgen. Allein man kam auf nichts.
Indessen wurde das Militär-Commando ersucht, ein Piquet Trup
pen nicht nur in Meran, sondern auch in Sterzing aufzustellen, und
am 19. November traf das Militär an den bezeichneten Plätzen ein.
In Meran hatte mittlerweile der Proviear Patscheider von seinem
Bischöfe ein Schreiben erhalten, worin dieser die Gründe entwickelte,
welche ihm die Einwilligung in die verlangte Abtretung nicht ge
statteten, und worin er dem Klerus verbot, einen andern Bischof
oder Vicar anzuerkennen, als welchen er oder der Papst ihnen vor
setzen würden. Da die Fassung des Briefes für den Charakter des
Bischofes von Chur sehr bezeichnend ist, glaube ich ihn seinem
Wortlaute nach hiehersetzen zu dürfen: „Ich soll bis ersten Jänner
meinen tirolischen Bisthums-Antheil an Augsburg abtreten; mir
werde das Placetum regium,, welches der Ausübung der geistlichen
Gerichtsbarkeit als nothwendige und unerlässliche Bedingung zum
Grunde liege, nicht mehr ertheilt u. s. w. Allein resigniren darf ich
nicht, erstens weil die canonischen Gesetze ohne Bewilligung des
Papstes es mir verbieten; zweitens weil man mir die Resignation aus
einem offenbar häretischen Principe abdringen will, dem ich auf keine
Zur Vorgeschichte des Jahves 1809 in Tirol.
263
Weise beitreten darf, entstehe daraus, was da wolle. Machen Sie
sich also auf eine neue Verfolgung gefasst. Mein Wille ist, dass Sie
keinen auswärtigen Bischof oder Vicar anerkennen, den nicht ich oder
Rom Ihnen vorsetzt. Erklären Sie jeden für einen Eindringling und
Schismatiker. Bereiten Sie mit Bescheidenheit den Klerus und das
Volk auf den kommenden Sturm vor. Könnte es ohne Unruhe und mit
gehöriger Ordnung geschehen, so wünschte ich, dass der gesammte
Klerus in ganz Vintschgau eine ehrerbietige Bittschrift um die Frei-
gebung der Verbindung mit dem rechtmässigen Bischöfe an den König
einreichte. Würden sich auch die Gemeindevorsteher anschliessen,
so wäre die Wirkung desto verlässiger.”
Auch an die Regierung hatte Karl Rudolf seine Protestation
gegen die Abreissung des tirolischen Diöcesan-Antheiles eingesendet.
Er setzt darin auseinander, dass ohne Bewilligung des höchsten
Kirchenoberhauptes weder er seine Diöcese ganz oder theilweise ab
treten, noch ein anderer Bischof dieselbe annehmen dürfe. In Betreff
des Bischofs von Augsburg, bemerkte er, fürchtete ich die Recht
schaffenheit dieses würdigen Prälaten und seine Ehrfurcht gegen den
heiligen Stuhl schon durch die Zumuthung zu beleidigen, als könnte
sich Seine königliche Hoheit zur Annahme eines Bisthum-Antheiles
bereitwillig finden lassen, der von dem rechtmässigen Besitzer aus
Abgang der gesetzlichen Befugniss weder weggegeben werden kann
noch will.” Über die Nothwendigkeit des Placetum regium,
welches die baierische Regierung als unerlässliche Bedingung zur
Ausübung der geistlichen Gerichtsbarkeit bezeichnete, machte Karl
Rudolf folgende Bemerkung. „Ich will nicht untersuchen, schreibt
er, in wie fern selbes zur Gewaltausübung eines einmal canonisch
eingesetzten und durch eine Reihe von Jahren dafür anerkannten
Bischofes nothwendig sein möge; aber die Bemerkung kann ich nicht
ganz unterdrücken, dass dieser Grundsatz in der katholischen Kirche
neu und von ihr nie anerkannt wurde, und insbesondere, dass unser
deutsches Vaterland, so wie andere katholische Länder, das Glück
des wahren Glaubens noch heute vermissen würden, wenn die ersten
Verbreiter desselben den Abgang der souveränen Bewilligung als
gründliches und verbindliches Hinderniss ihrer Berufserfüllung ange
sehen hätten. Gewiss versagte der grosse Rath zu Jerusalem dem
Petrus und Johannes sein Placetum; aber was der Apostel für sich
und seine Nachfolger im bischöflichen Amte antwortete, ist zu be-
18
264
Prof. Jäger.
kannt, als dass es hier einer Wiederholung bedürfte. Endlich ist
jede einseitige Disposition über die Bisthumssprengel dem klaren
Buchstaben des von Seiner Majestät dem Könige von Baiern selbst
anerkannten Beichsdeputations-Recesses zuwider.”
Nach diesen Erklärungen des Bischofs schritt der Provicar
Patscheider an das schwere Amt, das ihm aufgetragen war. Er for
derte den Klerus auf, sich gegen die hereinbrechenden Bedrängnisse
zu rüsten, und theilte ihnen die bischöflichen Verordnungen mit, an
welche sie sich halten sollten. Ich erlaube mir Kürze halber nur
einige derselben anzuführen. Da die Verbindung mit dem Bischöfe
wahrscheinlich ganz unterbrochen und viele Priester deportirt werden
dürften, so hatte ihnen der Bischof ausgedehnte seelsorgliche Voll
machten ertheilt. Sie durften die ihnen übertragene Gewalt an andere
delegiren, auch zwei Mal des Tages Messe lesen, sich dabei gläserner
und zinnener Gefässe bedienen, und das Opfer in Kellern, Höhlen,
Wäldern und auch um Mitternacht darbringen. Mit den von der
Regierung aufgedrungenen Priestern sollten sie selbst keine Gemein
schaft haben, und auch dem Volke dieselbe untersagen. Sie sollten
das Volk belehren, dass es aus den Händen solcher Priester keine
Sacramente empfangen, ihren Messen und Predigten nicht beiwohnen,
ihnen keine Zehenten und Zinse bezahlen, von ihnen, ausser in der
Todesgefahr, keine geistliche Hülfe annehmen dürfe. Die Leute soll
ten, wenn sie keinen treuen Priester finden, ihre Kinder seihst taufen,
ihre Ehen nur vor katholischen Zeugen schliessen, und für die Ver
storbenen, wenn sie zu Grabe getragen werden, zu Hause beten, denn
alle Handlungen der von der Regierung bestellten Priester erklärte
der Bischof als ungültig und sie selbst als ipso facto suspendirt;
und wir werden sehen, wie pünktlich diese Vorschriften befolgt
wurden.
Nachdem also, wie oben bemerkt wurde, das Militär am 19. No
vember in Meran eingerückt war, fertigte das General-Landes-Com-
missariat unter dem 5. December dem Provicar Patscheider neuer
dings zwei Decrete zu, mit dem Befehle, erstens jeder Verbindung
mit dem Bischöfe zu entsagen, und zweitens sich unbedingt dem Ordi
nariate von Augsburg zu unterwerfen. Gleiches sollte vom ganzen
Klerus geschehen. Patscheider antwortete unter demselben Datum:
„Die heute mir zugefertigten Decrete kann weder ich noch ein anderer
Priester dieser Diöcese unterschreiben; das erste nicht, weil wir in
Zur Vorgeschichte des Jahres 1809 in Tirol.
265
Kraft göttlichen Gebotes schuldig sind, der Stimme unseres
Hirten zu folgen, das zweite nicht, weil wir uns von dem Bischöfe zu
Chur so lange nicht trennen dürfen, als wir nicht nach k i r c h 1 i c h e n
Gesetzen von ihm entlassen sind.”
Nun folgte Gewaltthat auf Gewaltthat. Um kräftiger durchzu
greifen , ernannte das General-Landes-Commissariat den königlichen
Hofrath und functionirenden Kreishauptmann im Pusterthal, Herrn
von Hofstetten, zum Specialcommissär in der geistlichen Ange
legenheit, und erwartete von seiner Thätigkeit und Klugheit, dass
er dem Vertrauen entsprechen werde. Hofstetten war dem über
tragenen Geschäfte, wenn dessen Endziel Gewaltstreiche waren,
vollkommen gewachsen; er war, wie ich schon früher bemerkte, ein
junger Mann, nicht ohne Talente; er hatte ja den Spaurischen Hir
tenbrief ins Deutsche übersetzt und mit nachhelfenden Noten beglei
tet, und sogar ein Gebet für den König von Baiern verfasst, welches
im Bezirke seines Commissariats von allen Kanzeln den Gläubigen
vorgesagt werden musste; übrigens war er ein unbesonnener, hefti
ger, und mehr als jugendlich leichtsinniger Mann. Noch erzählen die
Bürger von Meran, wie er sich mit den baierischen Offieieren nach
Art der Gassenjungen in der Stadt herumtrieb, und einst, als er spät
Nachts von Abenteuern in das Gasthaus zurückkehrte, von einigen
Burschen auf dem Pfarrplatze in den Brunnen getaucht wurde.
Dieser Hofstetten erschien in Militärbegleitung und mit sei-
sem deutschen Hirtenbriefe in der Hand am 26. December in Meran,
und hatte den Auftrag, den Klerus zur Unterschrift derselben Decrete
aufzufordern, die dem Pro-Vicar Patscheider vorgelegt worden
waren, und im Weigerungsfälle mit Temporaliensperre und Deporta
tion vorzugehen. Die Verhandlungen zwischen ihm und dem Klerus
gewähren ein höchst anziehendes Bild; ich kann aber der Kürze
wegen nur einzelne Züge daraus hervorheben. Der Klerus erschien
unter Vortritt des Provicars Pat scheid er, des Priesters Lutz
und des Bectors der kön. Mittelschule Benedict Langes, vor dem
Commissäre. Als dieser beim Namen eines gewissen Priesters an
ein Fräulein erinnert wurde, das er in Bruneck kennen gelernt, wurde
die Versammlung eine Viertelstunde lang mit dem Lohe auf dessen
herrliche Eigenschaften unterhalten; dann begann die Aufforderung
zur Unterschrift mit einer Rede, worin Hofstetten die Macht sei
nes Königs, das hohe Vertrauen der Regierung auf seine eigene
266
Prof. Jäger.
Gesch äftskenntniss und das schändliche Betragen des Klerus hervor
hob. Die Unterschrift ward einstimmig verweigert. Nur ein gewisser
Gilg, Walser, Achmüller und Pedroni, dieser letztere ein
unsauberer Priester, bereits von drei Ordinariaten verwiesen und
suspendirt, unterschrieben, und Hofstetten machte sich das Ver
gnügen, diese vier Männer als wackere Geistliche und Muster des
Gehorsams den übrigen vorzustellen.
In der Nacht auf den 27. wurden hierauf Patscheider und
Lutz unter Militärbedeckung, jener anfangs nach Botzen, später
nach Trient, dieser nach Innsbruck deportirt. Lutz fand seinen
Arrest bei den Serviten in Innsbruck und der Prior des Klosters
wurde unter persönlicher Haftung verpflichtet, den Schlüssel des
Arrestantenzimmers immer bei sich zu tragen. Patsch ei der ward
später im Kloster zu S. Marco in Trient eingesperrt. Ignaz Purt-
scher, Anton und Michael Tapfer und Kaspar Karl wurden über die
Bündnergrenze gewiesen. Einige Tage später liess Hofstetten auch
die Priester Anton Matscher, Alois Patscheider, einen Neffen des
Provicar, Josef Ladurner, den spätem fleissigen Geschichtsforscher,
den Pfarrer Prieth von Glums, Zingerle und Philipp Moser nebst
mehr andern aufheben, und theils nach Trient, theils nach Brixen
abführen. Dem Bector der Mittelschule, Benedict Langes, nahm
Hofstetten die Rectoratsgeschäfte ab und übertrug sie, so wie die
Pfarrverwaltung zu Meran an den elenden Gilg. Die Häuser und
Güter, welche zum bischöflichen Seminar gehörten, nebst allem be
weglichen und unbeweglichen Eigenthume der Priester Purtscher
und Tapfer wurden eingezogen; und um allen Massregeln desto
kräftigeren Nachdruck zu geben, erschien, datirt vom 7. Februar
1808, ein königliches Rescript, welches den Bischof von Chur aus
allen baierischen Landen proscrihirte, und sämmtliche obrigkeitliche
Behörden des Königreiches anwies, ihn, wo er auf baierischem Ge
biete sich betreten liess, als gefährlichen Volksaufwiegler gefäng
lich einzuziehen. Dessgleichen sollten alle geistlichen und weltlichen
Unterthanen des Königreiches, welche mit demselben eine fernere
Communication unterhielten, als Landesverräther angesehen und be
handelt werden. „Und da nach diesen Vorgängen,” fährt das Rescript
weiter, „der Bisehofsitz für unsere Staaten als Sedes vacans oder
wenigstens als gesetzlich impedita zu betrachten ist, so werden Wir
schleunigst die Einleitung treffen, damit die provisorische Admini-
Zur Vorgeschichte des Jahres 1809 in Tirol.
267
stration des Churischen Sprengels, so weit derselbe in Unsere Staa
ten hereinreicht, von einem unserer inländischen Bischöfe übernom
men, und von diesem für jeden Bezirk würdige Vicarien angestellt
werden.”
Allein an diesem letzten Punkte scheiterten alle Berechnungen
und Bemühungen der Regierung. Es war dem Commissär Hofstetten
einige Augenblicke gelungen, den Provicar Schuster in Schluderns
willfährig für seine Absichten zu finden. Als aber Schuster sein
Vicariat über den Clerus von Vintschgau geltend machen wollte, er
hielt er alle seine Currenden mit bittern Vorwürfen zurück. Beiläufig
um die Mitte Februars änderte er selbst seine Gesinnung, und weigerte
sich auf die Anträge der Regierung weiter einzugehen.
Eben so wenig gelang die beantragte Vereinigung des abge
rissenen Churertheiles mit Augsburg. Der Churfürst von Trier und
Bischof von Augsburg, ein Prinz von ausgezeichneter Rechtlichkeit,
konnte so wenig, selbst durch den allerhöchsten Einfluss des Königs,
zur Annahme, als der Fürstbischof von Chur durch wiederholte Dro
hungen und Aufforderungen zur Abtretung bewogen werden, und es
grenzt nun beinahe ans Komische, wie die.baierische Regierung die
abgerissenen Bisthumsstücke feilbietend von einem Ordinariate zum
andern herumtrug. Der nächste Bischof, dem sie angeboten wurden,
war der von Brixen. Brixen hatte offenbar in der ganzen Geschichte
mehr Geschmeidigkeit bewiesen, als die andern Ordinariate. Es war
schon im November 1807 auf Purificirungs - Anträge eingegangen,
und hatte als Tausch für den Bezirk von Lienz die Gemeinden im
Zillerthale: Dux, Hyppach und einen Theil von Fügen an Salzburg
abgetreten. Dennoch hatte das General - Landes - Commissariat nie
grosses Vertrauen zu Brixen gefasst. In einem Berichte an das Ministe
rium des Innern schreibt Graf Arco oder Herr v. Mieg ganz naiv :
„Wir müssen anrathen, dass derjenige Theil Tirols, der bisher unter
Salzburg und Chiemsee stand, dem Freisinger und nicht dem Brix-
ner Sprengel untergeben werde, weil Ew. kön. Majestät nur allzu
bekannt ist, welcher Geist im Bisthume Brixen herrscht, so dass die
ganze Brixner Diöcesan-Geistlichkeit durch ihre tiefe \erfinsteiung
weit hinter dem benachbarten Salzburger Klerus zurücksteht. Auch
in politischer Rücksicht wird es rathsamer sein, die baierische
Diöcese Freising eher nach Tirol auszudehnen, als die sehr anti-
baierische Brixner Diöcese zu vergrössern.
268
Prof. Jäger.
Indessen in der Notli musste man doch auch bei Brixen anldo-
pfen, und das General-Landes-Commissariat erhielt den Befehl, dem
Bischöfe die Übernahme des abgerissenen Churer Sprengels geradezu
aufzutragen. Doch dasselbe fand nicht für gut, gebieterisch zu
Werke zu gehen, und berichtete unter dem 13. Februar an den
König: „Ich erlaube mir die Vorstellung, dass so wie ich den Bischof
von Brixen und seine Umgebung kenne, und wie frühere Vorgänge
beweisen, durchaus nicht zu erwarten sei, er werde auf eine directe
Aufforderung der Regierung den Churer Sprengel provisorisch über
nehmen. Sowohl er als besonders seine Rathgeber denken viel zu
finster, um den Wünschen Ew. kön. Majestät so gerade zu entspre
chen. ’ An den Bischof von Brixen jedoch schrieb Graf Arco unter
demselben 13. Februar: „Möchte doch der verlassene Churer Sprengel
so glücklich sein, nach dem Wunsche Sr. Majestät von einem inländi
schen Oberhirten, wie dieses die Kirchengesetze auf den Fall sedis
vacantis seu impeditae so wohlthätig vorgesehen haben, bald mög
lichst unter Ew. flirstl. Gnaden einstweilige geistliche Obhut genom
men und dadurch vor denjenigen Nachtheilen geschützt werden,
denen eine geistliche Gemeinde ohne Oberhaupt nur allzu leicht aus
gesetzt ist. Allein Fürst Karl hatte für den schmeichelhaften Antrag
kein Gehör; er erklärte kurzweg, die abgerissenen Churer Antheile
nie übernehmen zu wollen, wenn sie ihm nicht delegirt werden, und
ich finde, dass das General-Landes-Commissariat unter dem 9. März
dem Ministerium des Innern rieth, mit dem Bischöfe von Brixen
schonend umzugehen, um nicht auch diesen durch directe Befehle
zu heftigerem Widerspruche zu reizen. Wahrscheinlich hatte der
später in der Brixner Diöcese so einflussreiche Michael Feichter an
dieser Haltung des Bischofs grossen Antheil; denn gerade um diese
Zeit musste Hofstetten ihn, wie das Decret sagt, wegen seiner hin—
fei listigen Widersetzlichkeit auf der Stelle von Brixen entfernen,
und ihm einen unschädlichen Aufenthalt anweisen.
Da also bei dem Ordinariate Brixen so wenig zu gewinnen war,
wie bei Augsburg, wendete die kön. baierische Regierung ihr Augen-
meik auf das Ordinariat Trient, von dessen Generalvicar sie die
nachgiebigste Willfährigkeit erwartete. Sie täuschte sich nicht. Graf
Spam kam dem Wunsche der Regierung bereitwilligst entgegen, er
fand sogar, dass schon die Natur das ganze Vintschgau geographisch
an Jiient angewiesen habe Freilich hatte die Regierung die Herzen
Zur Vorgeschichte des Jahres 1809 in Tirol.
269
der beiden Männer, des Generalvicars und des Dechants Tecini kurz
zuvor durch glänzende Titel gewonnen, indem sie den erstem zur
Würde eines kön. geheimen Ratlies, den letztem zurWürdeeines
wirklichen geheimen Rath es erhob. Das General-Landes-
Commissariat verkündigte also den Übergang des abgerissenen Churer
Sprengels an Trient unter dem 14. Mai allen betheiligten Behörden
und dem gesammten Klerus in den Provicariaten von Unter- und Ober-
Vintseligau. Auf den Wunsch der Regierung erliess auch der Triden-
tinische Generalvicar sogleich einen Hirtenbrief an die neuübernommene
Geistlichkeit, worin er ihr seine neue Gewalt ankündigte. Von der
kön. Regierung wurde er sowohl für den Hirtenbrief, als auch ins
besondere für die darin ausgesprochenen richtigen Ansichten von dem
Verhältnisse zwischen Kirche und Staat mit glänzendem Belobungs-
decrete belohnt. Das General-Landes-Commissariat that nun unge
säumt Schritte, um die neue, wie es glaubte, gelungene Einrichtung
für seine Zwecke weiter zu verfolgen. Einer der wesentlichsten be
stand darin, dass es ergebene Männer an den Pfarren der deportir-
ten Churer Priester anstellte, und sie von Trient mit den geist
lichen Facultäten versehen liess. Unter diesen war die Anstellung
des bisherigen Professors der biblischen Exegese und Pro-Kanzlers
der Universität von Innsbruck, Ingenu irr Koch, als Pfarrer zu
Meran die bedeutendste. Koch war, wie der Erfolg zeigte, ein ge
wissenhafter und redlich denkender Mann, aber ohne tiefere dogma
tische und kirchenrechtliche Schulbildung. Ihm war die Aufgabe zu
gedacht, als landesfürstlicher und bischöflich trientnerischer Commis-
sär die Einigkeit und Unterwerfung der Geistlichen zu bewirken;
allein dazu fehlte ihm die nöthige Kraft und geistige Überlegenheit.
Koch kam am t>. Juni nach Meran und eröffnete sogleich die Verhand
lungen mit dem Klerus. Am 19. Juni fand eine zahlreiche Conferenz
Statt, hei welcher die einflussreicheren Geistlichen aus Vintschgau,
Meran und Passeyr erschienen. Koch suchte sie durch viele Gründe
zu bewegen, sich dem Generalvicariate von Trient zu unterwerfen;
der Bischof von Chur, sagte er, sei bürgerlich todt, und somit das
Ordinariat von Trient berechtigt, sich der verlassenen Heerde anzu
nehmen. Zur Begründung seiner Behauptung berief er sich auf die
Canonisten Lucius Ferrari und Fagnani, und auf das Concilium von
Trient, welches im 16. Cap. der 24. Sitzung wirklich bestimmt,
dass bei einer Sedis-Vacanz der benachbarte älteste Bischof der
270
Prof. Jager.
verwaisten Diöcese sich annehmen könne. Allein diese Schaustellung
von Gelehrsamkeit bekam dem armen Koch sehr übel. Die ange
führten Stellen waren nämlich nicht Blüthen in seinem eigenen Gar
ten gewachsen, sondern der Italiener Tecini hatte sie ihm von Trient
aus an die Hand gegeben, und Koch die Unbedachtsamkeit gehabt,
sie in den Quellen nicht nachzulesen. Als er daher in die versammel
ten Priester drang, Angesichts dieser canonischen Gründe und der
Bestimmung des Conciliums von Trient die Unterwerfung nicht län
ger zu verweigern, trat Benedict Langes, ein ebenso gründlicher
Theolog als Schulmann hervor, und bat den Commissär Koch, die
Stelle im Concilium von Trient nur weiter zu lesen, denn da wird
der fremde Bischof mit klaren Worten nur für den Fall einer Sedis-
vacanz durch den physischen Tod des Diöcesan-Bischofs, und dann
erst, wenn sich das Capitel der Vernachlässigung seiner Pflichten
schuldig macht, zum Einschreiten ermächtigt; bei Chur war aber
weder das Eine noch das Andere der Fall. Koch stand betroffen da,
und wusste nichts zu antworten. Die Versammlung ergriff nun die
Gelegenheit, ihm eindringliche Vorstellungen über die von ihm über
nommene Sendung zn machen, und erklärte mündlich und schriftlich,
dass, so lange sie von Chur nicht entlassen und im Einverständnisse
mit Rom einem andern Ordinariate zugewiesen seien, sie die Treue
ihrem Bischöfe weder brechen können noch wollen.
Am 26. Juni erschien hierauf gleichsam das Ultimat-Aufgebot
an den Klerus, worin ihm nur die Wahl zwischen gehorsamer Un
terwerfung unter Trient, oder allen Strafen gelassen wurde, die
Landesverräther treffen sollten. Der Klerus wählte das Letztere; und
nun sah man Scenen in Tirol, welche mit den Vorgängen Frank
reichs in den neunziger Jahren Ähnlichkeit hatten; ich hebe nur
einige derselben hervor. Am 23. Juli rückte Militär mit einer Kanone
in Meran ein; in einer Nacht um die Mitternachtsstunde wurden die
Kapuziner-Klöster zu Meran, Schlanders und Mals, umringt, die
Mönche auf Wägen geladen, und theils nach Neumarkt, theils nach
Brixen deportirt, wo sie ihr weiteres Schicksal erfuhren. Die Bene-
dictiner von Marienberg, die als Professoren in Meran und als Seel
sorgspriester in Passeyr angestellt waren, wurden nach Fiecht
übersetzt, das Stift Marienberg gänzlich aufgehoben, und die dort
wohnenden Priester von der baierischen Regierung theils willkürlich
verwendet, theils den Vorangegangenen nach Fiecht nachgesendet; die
Zur Vorgeschichte des Jahres 1809 in Tirol.
271
Weltpriester, die ihrem Bischöfe anhingen, wenn sie sich nicht durch
die Flucht retteten, der eine da, der andere dorthin verwiesen. An
die-Stelle der Deportirten schickte die haierische Regierung andere
Priester, die ihr Vertrauen genossen, unter denen ein gewisser
Dresch, Elzenbaum, Sandbichler, Kotier, Prantner, Hermeter, Ambach
u. s. w. genannt werden, Männer aus verschiedenen Klöstern und
Diöcesen zusammengerafft, leider nicht immer vom besten Wandel
und Charakter. Den Einzug Hermeters in St. Martin in Passeyr
schildern die Bauern noch mit einiger Schalkheit, wie er mit Jagd
hunden an der Schnur und Flinten auf dem Rücken daher kam, und
sich sogleich nach dem Wildstande im Tliale erkundigte. Allein die
armen Männer waren zu bedauern. Vom Bischöfe von Chur ipso
facto suspendirt, konnten sie keine einzige geistliche Function ver
richten; erschienen sie in der Kirche, so lief das Volk davon ; wollten
sie Kranke besuchen, so wurden ihnen die Thören verschlossen. Man
erzählt sogar komische Auftritte. In St. Martin starb ein Bauer. Wer
ihm die Sacramente gereicht oder im Tode heigestanden, blieb mir
unbekannt. Als ihn einige Männer ohne kirchliche Ceremonie zu
Grabe trugen, erschien plötzlich Pfarrer Hermeter im Chorrock. So
gleich stellten die Träger die Bahre nieder und liefen davon. Kaum
hatte sicli Hermeter entfernt, kehrten die Bauern zurück und trugen
die Leiche weiter. Hermeter erschien wieder, und die Träger liefen
wieder davon, und so zum dritten Male. Erst als sich Hermeter hier
auf nicht mehr sehen liess, wurde die Leiche ohne Sang und Klang
eingescharrt. — Der Kurat Sandbichler zii Riffian war buchstäblich
nahe daran zu verhungern; Niemand gab ihm Zins und Zehent, Nie
mand wollte ihn pflegen und hegen. Überall musste die Regierung
mit Militärmacht nachhelfen. In das Thal Passeyr rückten daher in
der Nacht vom 29. auf den 30. Juli unter Anführung der Majore von
Zoller und Speicher zwei Compagnien Soldaten, eine von Sterzing,
die andere von Meran ein, zu keinem andern Zwecke, als um die
Bauern in die Messe und Predigt der suspendirten Geistlichen zu
treiben, und die Rädelsführer aufzuheben, die es gewagt hatten, bei
einem ohne Geistlichen gehaltenen Kreutzgange, den man für einen
Landsturmzug ansah, die Fahnen zu tragen und vorzubeten. Und so
verblendet war das General-Landes-Commissariat, dass es über den
Erfolg dieser Massregeln unter dem 8. Aug. folgenden Bericht an
den König schrieb: „Die Bestürzung über den unerwarteten Ein-.
272
Prof. Jäger.
marsch hat den Trotz der Bauern erstickt, und die Ruhe scheint im
Thale Passeyr dauerhaft hergestellt zu sein. Wenige Beispiele
dieser Art werden hinreichen, das Ansehen der Regierung in Tirol
gegen alle Versuche der Widersetzlichkeit sicher zu stellen. Über
haupt ist seit dem Einmärsche einer beträchtlicheren Militärmacht die
Verbindung der Widerspenstigen unter sich lockerer geworden; Ew.
Kön. Majestät werden sich neuerdings überzeugen, dass das General-
Landes-Commissariat jederzeit nach Wahrheit und Pflicht gespro
chen, wenn es behauptete, dass Energie, Muth und Beharrlichkeit
der Regierung in diesem Lande Alles vermögen.”
Nicht so verblendet waren hingegen einige der Bessergesinnten
unter den eingeschobenen Priestern, und unter ihnen vorzugsweise
Koch zu Meran. Schon jene Conferenz mit dem Klerus hatte ihn so
erschüttert," dass er am 11. Juli die Resignation der Pfarre Meran an
das General-Landes-Commissariat einsandte, die aber nicht angenom
men wurde. Unter dem 15. Juli erhielt er hierauf ein Schreiben des
Bischofs von Chur, worin dieser seine Verwunderung ausdrückte, wie
Koch, den er bisher für einen ehrlichen Mann gehalten, es wagen
könne, in einer fremden Diöcese, ohne Bewilligung des Bischofs,
pfarrliche Functionen auszuüben. Karl Rudolph kündigte ihm sodann
mit aller Förmlichkeit die Suspension an, woferne er seine falsche
Stellung länger einzunehmen fortfahre. Koch weinte hierüber einen
ganzen Tag lang, schrieb an das General-Vicariat von Trient bittere
Vorwürfe, dass es ihn betrogen und um Ehre und guten Namen ge
bracht, verliess Meran, und wurde von Brixen nach Lermos versetzt.
Dass ein so gewaltsamer Zustand trotz der gegentheiligen Über
zeugung des General-Landes-Commissariats und trotz der bisherigen
Ruhe des Volkes im Allgemeinen doch nicht von Dauer sein konnte,
und, wenn man es nicht auf einen völligen Bruch ankommen lassen
wollte, auf irgend eine Weise abgeändert werden musste, sah man
bereits seit einiger Zeit in München besser ein als in Tirol. In diesem
Sinne waren dem General-Landes-Commissariate wiederholte Mah
nungen zur Mässigung im Gebrauche der ertheilten Vollmachten dem
Klerus gegenüber zugegangen. Unter dem 28. Juli war diese Mahnung
wiederholt und dabei ausdrücklich die Bemerkung hinzugefügt wor
den, dass man von der Gewalt ablassen sollte, weil Aussicht auf
nahe Verständigung mit Rom vorhanden sei. Rom hatte näm
lich bereits seit dem Anfänge des Jahres 1808 auf friedliche Beile-
Zur Vorgeschichte des Jahres 1809 in Tirol.
273
gung der Wirren hingearbeitet. Auf eine Anfrage des Bischofs von
Chur, in wieferne ihm den Forderungen der baierischen Regierung
nachzugeben erlaubt sei oder nicht, hatte Pius VII. unter dem 16.
Jänner ihn sehr gelobt, dass er bisher nichts abgetreten ; der Papst
gab ihm das Versprechen, ihm bald anzukündigen, was mit Baiern
in bereits eingeleiteten Unterhandlungen ausgemacht werden würde.
Diese Unterhandlungen müssen sich aber zerschlagen haben; denn
unter dem 7. Mai erhielt Karl Rudolph ein Breve, worin ihm jede
Abtretung oder Delegation bestimmt untersagt, sein und des Vintsch-
gauer Klerus bisheriges Benehmen hoch gerühmt und beide zur fer
nem Standhaftigkeit ermuntert wurden. Erst unter dem 9. Juli finde
ich wieder eine Breve, worin der Papst dem Bischöfe von Chur an
kündigt, dass er den König von Baiern um einen Gesandten zur Bei
legung der kirchlichen Wirren ersucht habe, um den Leiden der Bi
schöfe von Chur und Trient ein Ende zu machen. Da inzwischen die
Stimmung in Tirol, wie wir gesehen, eine Wendung genommen, die
bedenklich wurde, und der Ausbruch eines Aufstandes das baierische
Cabinet vorzüglich wegen des Eindruckes, den ein solcher Fall auf
die französische Regierung machen musste, in Verlegenheit gesetzt
hätte, kam Baiern den Anträgen Roms entgegen, und den Zer
würfnissen wurde dadurch ein Zie1g e s e t z t, dass der
abgerissene Chur er Theil durch päpstliche Ent-
schliessung vom 7. Sept. 1808 an das Bisthum Br ixen
übertragen wurde.
Baiern stand also nach beinahe dreijährigen Stürmen und
Umwälzungen dort, wo es sich gleichs Anfangs hätte hinstellen
können, nämlich bei einer im Einverständnisse mit Rom getroffenen
neuen Bisthums-Eintheilung, ohne erst durch falsch berechnete Mass-
regeln sich an den Bischöfen zu vergreifen, altbestandene kirchliche
Verhältnisse eigenmächtig über den Haufen zu werfen, die Gemüther
zu verletzen, sich selbst im Lande verhasst zu machen, und die Er
eignisse vorzubereiten, welche sechs Monate später mit so schwerem
Schlage über die baierische Regierung in Tirol hereinbrachen.
Ich glaube somit meinen Anfangs ausgesprochenen Satz ge
rechtfertigt und nachgewiesen zu haben, aus welcher Quelle das
Jahr 1809 in Tirol hervorging. Nicht weniger wird man die Erschei
nung begreiflich finden, warum in den Tagen und Thaten des Jahres
1809 gerade die sonst so harmlosen und gutmüthigen Männer des
274
Prof. Jäger. Zur Vorgeschichte des Jahres 1809 iu Tirol.
Thaies Passeyr und die sonst so behaglichen Bauern des Burggrafen
amtes mit hervorragender Begeisterung an der Spitze des Aufstandes
fochten und ihr Blut verspritzten. In keinem Theile Tirols hatte die
haierische Regierung so übel gewirthschaftet wie dort. Zur Vollstän
digkeit des Bildes erlaube ich mir noch die weitern Schicksale des
abgerissenen Chur er Bisthum-Antheiles in den äussersten Umrissen
anzudeuten. Die Unterwerfung unter das Ordinariat Brixen ging in
den folgenden Monaten ruhig vor sich. Das General-Landes-Commis-
sariat machte zwar gegen Brixen noch manchmal Einwendungen und
schlug vor, die abgerissenen Churer Theile lieber an Trient zu über
geben und den General-Vicar Grafen Spaur zum Bischof zu erbe
ben; allein diese Vorschläge blieben unbeachtet, Brixen ordnete
ruhig und mit möglichster Nachgiebigkeit gegen die Regierung die
Angelegenheiten der neu übernommenen Bezirke. Die deportirten
Priester wurden zwar nicht wieder eingesetzt, viele von ihnen zur frei
willigen Resignirung bewogen, und die von der baierischen Regierung
Angestellten grösstentheils bestätiget. So verging der Winter ziemlich
ruhig, bis zu dem in der Tiroler Geschichte ewig denkwürdigen
9. April 1809, wo der Feldmarschall-Lieutenant Chasteller bei
Lienz den tirolischen Boden betrat, und dadurch das Signal zur all
gemeinen Erhebung gab , das wie die Blitze des Kreidenfeuers von
Berg zu Berg, von Thal zu Thal durchs Land hinleuchtete. Am 10.
April früh Morgens überstieg der Sandwirth Andreas Hofer mit
seinen Thalleuten den Jaufen, am 11. erhob Frischmann in
Sclilanders die Fahne für Österreich; an demselben und dem darauf
folgenden Tage überreichte Tschöll an der Spitze des Landsturms
von Algund, Tirol und Mais den baierischen Beamten in Meran ihre
Verhaftungsbefehle. Am 14. April entband Brixen den Klerus von
Meran und Vintschgau des angelobten Gehorsams, und wies ihn an
den von Kaiser Franz in seine Diöcese wieder eingesetzten Bischof
von Chur an. Tags darauf entliessen dieTrientner die eingekerkerten
Priester Patscbeider und seine Gefährten, die am 28. April ihren
Einzug in Meran hielten, und im Laufe der folgenden Monate kehrte
alles in das Geleise zurück, in welchem sich die Dinge vor dem An
tritte der baierischen Regierung in Tirol bewegt hatten.
P. Clemens Sibiljan. Über 17 unedirte Münzen der ruben. Dynastie. 27h
SITZUNG VOM 24. MÄRZ 1852.
Der von der Ober-Lausitzischen Gesellschaft der Wis
senschaften zu Görlitz angesuchte Schriftentausch wird angenommen,
und beschlossen deren Zusendungen durch die Sitzungsberichte
der Classe, die Fontes, das Archiv und Notizenblatt der
historischen Commission zu erwiedern.
Vorgelegt:
Vocabularimn der Aino - Sprache.
Vom Hrn. Dr. Pfizmaier *).
Über 17 unedirte Münzen der Armenisch-rubeni-
schen Dynastie in Kilikien.
Von P. Clemens Sibiljan,
Priester der Mechitharisten- Congregation in Wien.
(Mit Abbildungen.)
Bei dem immer grösseren Fortschreiten in der Münzkunde
konnte auch jene über die rubenische nicht Zurückbleiben, und es
erschienen allmählich darüber Abhandlungen wie in neuester Zeit
(18S0) eine von Langlois, wodurch diese Münzen den Sammlern
immer mehr bekannt wurden und mannigfaches Interesse erweckten.
Wir bemerken indessen, dass dennoch selbst nach diesem genannten
neuesten Werke noch mehrere rubenische Münzen unbekannt ge
blieben sind, welcher Umstand die richtige Classification der Münzen
verschiedener Könige und die genauere Beachtung der Wahrschein
lichkeitsgründe verhinderte. Da wir nun theils im Besitze, theils in
Kenntniss mehrerer solcher noch unedirter Münzen sind, so halten
4 ) Wurde zum Abdruck in den Denkschriften bestimmt.
276
P. Ciemens SibiIja«.
wir es im Interesse der Wissenschaft für unsere Pflicht, durch Ver
öffentlichung derselben eine Lücke in der Numismatik auszufüllen
und unsern Beitrag zu leisten.
Diese von uns zu veröffentlichenden Münzen bestehen in 17
Stücken, deren 15 dem Cabinete der P. P. Mechitharisten in Wien,
1 dem k. preussischen Museum in Berlin und 1 dem National-Münz-
cabinete zu Paris angehören. Alle diese Münzen waren bisher gänz
lich unbekannt, daher deren Beschreibung auf die Geschichte der
rubenischen Dynastie ein neues Licht werfen und zur bessern,
richtigeren Einreihung der Münzen dieser Art wesentlich bei
tragen kann.
Unter diesen Münzen ist die zweisprachige Münze des Ala-
eddin, Sultans von Iconien, und des Königs Hethum’s I., und die
Silbermünze Guidon’s ein Unicum. Ebenso waren die Silber- und
Kupfermünzen des kurz regierenden Sembat’s bisher noch gar nie
veröffentlicht, und jede der andern hat ihre wesentliche Bedeutung.
Unter den Dynastien, welche beim Verfalle der byzantinischen
Macht in verschiedenen Theilen des Keiehes zur Selbstständigkeit
gelangten, befand sich auch die der armenischen Bubenier in Kilikien.
Rüben I., (1080) der Stammvater dieser Herrscherfamilie aus
dem Geschlechte der ßagratiden, fand einen Zufluchtsort in der
Bergkette des Taurus, wo er die daselbst befindlichen Armenier um
sich sammelte, bei welchen er in hohem Ansehen stand und dadurch
bald zu bedeutender Macht gelangte. Seine Nachfolger erweiterten
durch ihre Tapferkeit die Grenzen ihrer Herrschaft, so dass Leon II-,
der früher ein einfacher Fürst war, wegen seiner vielfachen den
Kreuzfahrern geleisteten Dienste von Kaiser Friedrich I. Barbarossa
das Versprechen einer Königskrone erhielt, welches Versprechen der
Nachfolger und Sohn Barbarossa’s, Heinrich VI. und Papst Coele-
stin III. im Jahre 1198, vermittelst einer Gesandtschaft in der Person
des Conrads, Cardinal-Erzbischofes von Mainz in Ausführung brachte.
In Folge dessen wurde Leon II. in Tarsus zum Könige geweiht.
Die Dynastie wurde durch ihre vielfachen Beziehungen zu den
Kreuzfahrern, Griechen, Genuesen, Sicilianern, den Königen von
Cypern, den arabischen und tatarischen Herrschern, mit denen sie
mannigfache Verträge schloss, bekannt.
Über 17 uneriirte Münzen der rubenischen Dynastie.
277
Die Rubenier regierten vom Jahre 1080 bis zum Jahre 1393,
in welchem König Leon VI. durch seinen in Paris erfolgten Tod,
wodurch die vierte und letzte armenische Herrscherfamilie erlosch,
seine Herrschaft an die Mamelucken verlor. Diese kilikischen Könige
hatten, von Leon II. angefangen, bis zu ihrem Ende ununterbrochen
eigene Münzen geprägt, die aber lange Zeit der Aufmerksamkeit der
Gelehrten entgingen, und Niemand genaue Kenntniss darüber hatte,
so dass Pemhrocke eine solche rubenische Münze für eine runisehe
hielt. Als diese Münzen sich in den Cabineten vermehrten, zogen sie
erst die Aufmerksamkeit der Numismatiker auf sich, und wurden
einzeln ans Licht gebracht. Der Erste, der eine besondere Schrift
darüber veröffentlichte, war Sestini im Jahre 1789; seitdem sind sie
durch die Arbeiten Brosset’s 1839, Krafft’s 1843, Borrell’s 1845 und
Langlois 1830, immer mehr bekannt geworden. Die meisten der
eben erwähnten Schriften leiden aber an grösseren oder geringeren
Ungenauigkeiten, welche ihren Grund theils in der minderen Ver
trautheit der Verfasser mit der armenischen Sprache, theils in dem
Zustande der ihnen zugänglichen aber nicht gut erhaltenen Münzen
haben. Diese beiden Umstände verhinderten unsere Vorgänger, bei der
Classification und Bestimmung der einzelnen Stücke die Umschrift
richtig zu lesen, die Verhältnisse der Münzen zu einander zu be
merken und den Wahrscheinlichkeitsgründen genügende Rechnung
zu tragen. Die Berichtigung dieser Ungenauigkeiten, so wie eine
wahrscheinlichere und weit vollständigere Classification der rubeni
schen Münzen verschieben wir jedoch auf eine gelegene Zeit und
beschränken uns hier darauf, einige bisher unedirte Münzen der
Öffentlichkeit zu übergeben, da selbst nach der neuesten französischen
Arbeit von Langlois (im Jahre 1830), worin drei bis vier neue
Münzen veröffentlicht wurden, unter den uns bekannten rubensichen
Münzen noch 17 Stücke unedirt geblieben sind, welche für die
Forschung der Geschichte damaliger Verhältnisse neue Anhaltspuncte
liefern und der Aufmerksamkeit der Numismatiker um so mehr würdig
erscheinen, als sie die Münzen-Serie der rubenischen Dynastie nam
haft vermehren. Wir halten es daher für eine Pflicht, dem Wunsche
der Gelehrten dadurch zu entsprechen, dass wir von diesen inter
essanten Münzen eine Beschreibung liefern, worin wir nicht nur die
nöthigen Bemerkungen darüber geben, sondern auch unsere Gründe
zu deren Classification anführen wollen.
Sital). a. phil.-liist. Cl. VIII. ßd. III. Hft.
19
278
P. Clemens Sibiljan.
Die hier beschriebenen Münzen zerfallen in Münzen von Köni
gen, von denen bisher noch gar keine bekannt geworden waren, und
in Münzen von Königen, von denen wir schon Münzen hatten, aber
nicht von derselben Prägung, Form oder demselben Metalle wie diese.
Hetlium I. (1224 — 1270) und Ala-eddin ( 1219 — 1236).
Nr. 1. Avers, f J.'f'MIMr fWl'UMIP AUOIKi (Hethum
thagauor Hajoz, d. i. Hethum, König der Armenier). Der König
mit der Krone, rechts reitend, im Felde ein Kreuz.
Revers. ölLUl As-sultan
jjjJIÜ. ... ._jll Al-mu.... ala-eddin
y Kajkobad ben
Kajkhosrew
Königlich-preussisclies Museum in Berlin.
Die historische Wichtigkeit der von uns hier mitgetheilten
Münze besteht darin, dass sie zu den Zeiten des Vorgängers Ghajas-
eddin’s angehört, nämlich dem Sultan Ala-eddin Kaikobad ben Kaj
Khosrew. Sie ist ein Unicum und unterscheidet sich wesentlich von
den bisher bekannten zweisprachigen Münzen. Es fehlen auf der
selben der Prägeort Sis und die Jahreszahl, was, wie später darge-
than werden wird, auf keiner der bisher verölfentlichten zwei
sprachigen Münzen der Fall ist; ferner sind in der Umschrift die
Buchstaben f) und (* des Wortes (Thagauor) nicht
vereinigt, wie auf den übrigen derartigen Münzen. Im Felde findet
sich weder der Stern, noch der Mond, sondern nur das Kreuz.
Ala-eddin regierte vom Jahre 616 bis 634 der H. (1219 bis 1236
n. Chr.), und unsere Münze ist daher zweifelsohne König Hethum I.
zuzuschreiben, der vom Jahre 1224—1269 regierte.
Zweisprachige Münzen König Hethum’s I. sind schon bekannt,
und auf allen findet sich die Jahreszahl, obwohl hei einigen nicht
deutlich, und der Prägeort Sis ist jedesmal deutlich zu lesen. In
keinem zweisprachigen Stücke fehlt die Jahreszahl, ob auch Herr
Langlois (Nr. 11, Taf. I) von einem Stücke behauptet, dass es ohne
Jahreszahl sei; am Rande der Münze sieht man aber die Buchstaben
der Jahreszahl, wenn auch nicht leicht lesbar. Langlois hat diese
Münze nach Brosset’s Taf. I, Nr. 12, nachgebildet, wo sowohl die
Buchstaben der Jahreszahl als auch der Prägeort ersichtlich sind.
Über 17 unedirte Münzen der rubenischen Dynastie.
279
Von diesen Münzen sind acht bis zehn Stücke aufgefunden worden,
und alle sind von Ghajas-eddin Kaj Khosrew ben Kajkobad und von
Hetlium (oder Ilaithon) I. Die verschiedenen Jahreszahlen, welche auf
diesen Münzen sich finden, sind von 636—641 der H. (1238—1243).
In manchen Schriften *) sind diese zweisprachigen Münzen des
rubenischen Königs von Kilikien und der Seldschuken-Sultane als
Beweis angeführt worden, dass der kilikische König in einem Unter-
thänigkeits- und Tribut-Verhältnisse zu den Sultanen von Ikonien
stand, und es wird bei dieser Behauptung auch auf Saint-Martin's
Memoires lästoriques et geographiques sur l'Armenie verwie
sen; wir waren jedoch nicht im Stande, in dem angeführten Werke
eine Beweisstelle für diese Behauptung aufzufinden, im Gegentheile
glauben wir aber aus der Münze selbst und den Stellen gleichzeitiger
armenischer Geschichtsschreiber die freundschaftlichen Verhältnisse
des kilikischen Königs und der Seldschuken-Sultane beweisen zu
können.
Schon die äussere Form der Münze bestätigt nämlich, dass sie
die gemeinschaftliche Münze zweier Verbündeten von gleicher Macht
sei; auf dem Avers findet sich im Felde das christliche Zeichen des
Kreuzes, was der muhammedanische Herrscher bei seinem damaligen
Glaubenseifer kaum für die Münze eines tributpflichtigen Fürsten
zugestanden haben würde. Dieses Kreuz findet sich, ohne Aus-
n a h m e, auf allen diesen zweisprachigen Münzen, während Mond und
Stern, bald der eine bald der andere, und bald alle beide zugleich,
manchmal fehlen, wie eben auf der hier initgetheilten Münze. Für
die freundschaftlichen Verhältnisse Ala-eddin’s und Hethum’s I. ver
mögen wir aber überdies das Zeugniss des gleichzeitigen armenischen
Geschichtsschreibers Kyrakos Ganzaketzi (oder von Ganzak 3 ) aufzu-
1 ) Ducange, Edition de Joinville, pag. 238. IMss. XVI. Adler. Museum Cuficum.
Sestini u. s. w.
3 ) Kyrakos Ganzaketzi (aus Ganzak, jetzt Elisabethpol) schrieb armenisch
seine Geschichte in der Mitte des dreizehnten Jahrhunderts. Er fängt mit
dem heiligen Gregorius dem Erleuchter, der i. J. 303 Armenien zum Christen-
thume bekehrte, an, und führt die Reihenfolge der Katholikossen oder der
Generalpatriarchen Armeniens bis zu seiner Zeit fort, wie er auch Erwähnung
macht von den arsakidischen Königen bis zu ihrem Falle, der Marzpanen (von
der Seite Persiens über Armenien aufgestellten Stathalter), der Ostikanen
(von den Khalifen nach Armenien geschickten Praefecten), der Armenisch-
19 *
280
P. Clemens Sibiljan.
führen, welcher sich folgendermassen ausdrückt: Jbir / V /,„«VA
{11muiui'lrb '- tun- i][ii[um‘l‘niJn'h tui£ nunjini L nihh irp'^ ' r’j
* •jiuilllluujli uipgiujnup-Iruflfli JiullXli lunbiu^ [iHuiunhu,
fyiupy-iui-tipfy .... | l 'L[' /■ '- tlJiuip.iuhnuJ3~fli */y /'‘/"fr | |" r ^uiuAp. ^nn-in/siijt
npni J' iifhniV/ |•' (Oi dor Bibliothek der Mechitharisten -
Congregation in Wien, Fol. = 129) d. i. „Der Grosse Fürst
Constantin übernahm, als er die königliche Macht für seinen Sohn
Hethum übernahm, alle Sorgen des Königreiches auf sich, und ordnete
es weise .... und schloss Freundschaft und Bündniss mit dem Sultan
von Rum >), welcher Aladin hiess”. Constantin führte bloss für seinen
königlichen Sohn Hethum I. die Regentschaft, desswegen nur der
Name des Letzteren als des eigentlichen Königs auf der Münze ge
prägt ist. Der Grund zur Abschliessung dieses Freundschaftsver
trages scheint die Furcht vor den Tataren gewesen zu sein, welche
Iberien (Georgien), Aluanien (Albanien) und einen grossen Theil
Armeniens erobert hatten, und mächtig gegen Westen vordrangen,
wodurch die Fürsten dieser Länder (der seldschukische Sultan und
der armenische König) zu engem Bündnisse mit einander und mit
Bagratidisclien Könige Nord-Armeniens und ihrer Thaten und Geschichte.
Er erzählt auch, wie Mahomed’s Macht anwuclis, wie er und seine Nachfolger
sich Syriens und Armeniens bemächtigten und welche Verheerungen und
Blutbäder sie anrichteten. Ein besonderer Gegenständ seiner Geschichte ist
der Andrang und Einfall der tatarischen Horden in Iberien (Georgien) und
in die nördlichen Gegenden Armeniens, wo sie sich mehrerer Provinzen mit
Raub und Blutvergiessung bemächtigten und sich niederliessen. Was aber die
rubenische Dynastie in Kilikien betrifft, so beginnt er die Geschichte der
selben von Rüben I. und setzt sie fort bis Hethum I. (i. J. 1260), dessen
Zeitgenosse er war, und damit endigt er sein Werk, welches, allgemein ge
sprochen und abgesehen von manchen Einzelheiten, die mit Recht bestritten
werden können, einen grossen Werth hat, indem Kyrakos die frühere Ge
schichte meist aus den gleichzeitigen Historikern schöpfte und von der Ge
schichte im letzten Theile seines Werkes er selbst Zeitgenosse und Augenzeuge
war. Das Manuscript, welches wir besitzen, ist in-8. und 258 Seiten stark.
*) Die Seldschukischen Sultane von Ikonien (Konia) werden bei den Orientalen
Sultane von Rum genannt, weil sie sich eines grossen Theiles der Länder
des oströmischen Reiches bemächtigt hatten, welche Gegenden hauptsächlich
in dem Romanien genannten Theile Kleinasien’s lagen. Ausser unserm Kyrakos
kann man es auch bei dem arabischen Makrizi häufig finden, dessen zwei
Bände von Quatremere ins Französische übersetzt und Paris 1837—1845 her
ausgegeben wurden.
Über 17 unedirte Münzen der rubenisehen Dynastie.
281
den in Syrien befindlichen europäischen Herrschern gezwungen
waren, um dem gemeinsamen Feinde, wenn auch erfolglos, gemein
schaftlich die Spitze bieten zu können. Und dass die drohende Ge
fahr eine gemeinsame war, und daher ein allgemeines Bündniss der
seldschukischen und armenischen sowohl, als der in Syrien herr
schenden europäischen Fürsten zur Folge hatte, bestätigt der oben
erwähnte gleichzeitige Geschichtsschreiber, indem er weiter erzählt:
JÄ-/« y /y,<VZyyy tu | ,ninijHhl. ijr nj'h ^ Iihiij ) fjuijii 2
y 7/„/y 7//// j: y,///y//y, f Z t 4/» 7//„ y/7.y
liitfjl | j///y /,/,//7/^/7y , /. /. /, /./ ll^lnu>I,y/7yy 7/f/,// bu ruru
tjhtu .. . . : g _}njßtuu bu luubpburrj rjjuutjnL.iT rj.iuutun.ii j[i£fctiuiltnt-[(blrltb\\ n, -jy
uuuißf/ti ^^iiruniT/tj f tjnjt ujru rfji tuptutr b tuj~ |Jnujiniutrptr t
llzo nnf/li bu ^'hl ut ui l f’H’ 1 T frzh'kp Ijnijipifhijli ~y^.rj.fiujmnnfi bu
/' l i'' U \'J Ijnfh ft rjtuuprutjtr f np jiu^uup*-
^fi^j\yfiuj[iffbrjnij f bu fr tfrtuurtrtj.rurj h~nifbijbpiutj , bu bljfth unuj^ ujuimbjturrjiT
pf>*J- || f/y*lurjifhbijuirjlr $/'V' . (S. ^ V ()x = 150), d. i. „Nach
dem er (der clmrasmische Dschelal-eddin) diese Übelthaten verübt
hatte, zog er gegen die im Lande der Beznunier gelegene Stadt
Khlatb, welche unter der Botmässigkeit des Sultans Aschraf stand,
und lieferte einen Krieg gegen ihn, und bemächtigte sich der
Stadt .... Nun ging er weiter und verwüstete mehrere Provinzen,
welche dem Sultan von Bum, Namens Aladin, angehörten. Hierauf
verbündeten sich die Sultane Aschraf und sein Bruder Kamil, der
über Egypten herrschte, und Aladin. Sie riefen die armenischen
Truppen von Kilikien und die der Küstenländer der Franken (der
Europäer nämlich) zu Hülfe, und sie vereinigten sich, um gegen den
chorasmischen Dschelal-eddin Krieg zu liefern”.
Wie es aus dieser angeführten Stelle leicht zu entnehmen ist,
so sind die kilikischen Truppen auf dieselbe Weise zu Hülfe ge
rufen worden, und zeigen dasselbe Verhältniss zu diesem Bunde,
wie die in Syrien angesiedelten Europäer. Nun, wie Niemand aus
dieser Begebenheit das Unterthänigkeitsverhältniss der europäischen
Fürsten zu den oben genannten Sultanen folgern kann, indem ein jeder
die Unabhängigkeit der Ersteren von den Letzteren weiss, ebenso
wenig kann man dasselbe Urtheil über den kilikischen König fällen.
Überdies, nachdem Ala-eddin’s Nachfolger, Ghajas-eddin, von
den Tataren aufs Haupt geschlagen wurde, sagte sich der König von
Kilikien Hethum I., um seine Länder, als eines der Verbündeten
282
P. C1 emehs Sy biljan.
mit (len Seldsclniken vor den feindlichen Einfällen der Tataren zu
bewahren, von dem erwähnten Bündnisse los, und fing an bis zum
Ende seines Lebens einen jährlichen Tribut an die Tataren zu be
zahlen, wie es die gleichzeitigen armenischen Historiker ausdrücklich
erzählen; er liess aber immer die Münzen in seinem eigenen Namen
allein und nur einsprachig, nämlich armenisch, prägen. Wenn nun
die Behauptung wahr ist, dass Hetlium I., König von Kilikien, seine
Münzen als eines im Unterthänigkeits- und Tributverhältnisse zu den
Seldschuken stehenden Fürsten in zwei Sprachen hätte prägen
müssen, so hätte er hei einer wirklichen von gleichzeitigen Histo
rikern ausdrücklich erwähnten Tributpflichtigkeit gegen die Tataren,
und in noch weit längerer Zeit, gewiss derartige zweisprachige
Untertliänigkeits-Münzen prägen müssen, während kein solches Stück
aufzuweisen ist.
Öfters wird in den armenischen Geschichtsschreibern des Bünd
nisses Ala-eddin’s mit Hethum erwähnt, während der Alliance des
Letzteren mit Ghajas-eddin nicht besonders gedacht wird; doch lässt
sich auf ein Fortdauern der freundlichen Verhältnisse zwischen
beiden aus den vielen zweisprachigen Münzen, und aus dem Factum
schliessen, dass Ghajas-eddin heim Andrange der Tataren seine
Familie nach Kilikien in Sicherheit brachte.
Aus allen diesen vorgebrachten Gründen glauben wir ge
nügend bewiesen zu haben, dass aus den zweisprachigen Münzen
man nicht immer die Unterthänigkeit Eines zum Andern richtig
folgern kann, sondern vielmehr in den meisten Fällen, wie auch hier
im gegenwärtigen, es richtiger ist, derartige Münzen als ein Zeichen
der freundschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Begierungen,
und als eine gemeinschaftliche Münze zur Erleichterung des Handels
verkehres zu halten, wie es auch aus den zweisprachigen für die
Russen und Tataren zugleich geprägten Münzen erhellt.
Leo II!. (1270 — 1289).
Nr. 2. Av. f 1 Jjirol' l'M'/brJ'IHM* AlMlß (Leoni thagauori >)
haoz, d. i. Leon’s, des Königs der Armenier). Einfaches latei
nisches Kreuz.
1 ) Der Laut mancher armenischer Buchstaben und besonders mancher Conso-
rianten, wie sie jetzt bei einem grossen Theile der Nation und hauptsächlich
Über 17 unecHrte Münzen der rubenischen Dynastie.
283
Rv. f 1' UH) (Hatjal i Uaialln
Sis, d. i. geprägt io der Stadt Sis). Ein Löwe nach links
schreitend, ohne Krone. AL.
Cabinet der Mechitharisten-Congregation in Wien.
Diese Münze verdient wegen der Neuheit ihrer Umschrift Be
achtung; sie ist nämlich die einzige der bisher bekannten, auf welcher
sich der Name des Königs im Genitiv befindet. Auf den andern
Münzen kommt er immer im Nominativ vor, z. B. ]
M)J‘ ABOIHV (Leon thagauor Hajoz, d. i., Leon, König der
bei den in der Türkei wohnenden Armeniern ausgesprochen werden, steht im
Widerspruche mit dem Verhältnisse, welches das armenische Alphabet seit
dem Anfänge des fünften Jahrhunderts zum griechischen oder lateinischen
Alphabet hatte. Z. B. in früheren Zeiten das (der zweite Buchstabe des
armenischen Alphabets) entsprach ganz genau dem griechischen ß oder latei
nischen b, während jetzt ein grosser Theil des armenischen Volkes es als p
ausspricht, so auch das (der dritte Buchstab) war das Äquivalent des
griechischen = g, das — 6“ — d, das 1\t=x = k oder c, das = tt = p,
das g = t ; == t u. s. w., welche jetzt als fc, t, g, b, d ausgesprochen werden.
Aber ein nicht unbedeutender Theil der Nation, und besonders die in Russisch-
Armenien, Persien und Ostindien wohnenden Armenier erhalten das ursprüng
liche Verhältniss bis zum heutigen Tage auch in ihrer Aussprache, sie sprechen
daher das ^ wie b, das S' wie g u. s. w. aus. Hier ist nicht der Ort es zu
beweisen, welche von beiden Aussprachen die natürlichere oder die richtigere
sein kann. Es genügt uns hier nur allgemein zu bemerken, dass wir, trotz der
jetzigen Aussprache es vorgezogen haben, an der früheren oder andern
ursprünglichen Verhältnisse des Alphabetes festzuhalten, indem wir überzeugt
sind, dass das letztere sicherer sei, und die alte Schreibart so vieler Eigen
namen sowohl als überhaupt die ursprüngliche Harmonie des armenischen
Alphabets mit denen des Abendlandes nicht stört, und folglich haben wir das
p. durch b (nicht /?), das ^ durch g (nicht Zc), das l| durch k (nicht g), das
(ch durch th u.s.w. gegeben; so haben wir Rüben, Thagauor,Kostantin u.s. w.
geschrieben, statt Rupen, Takauor, Gosdantin u. s. w. zu schreiben, wie
manche, gestützt auf die heutige Aussprache, es thun. Ferner haben wir
das durch & ausgedrückt. Das *1^, welchem man schlechtweg den Gut
turallaut gh oder den eines arabischen ^beilegt, geben wir hier durch ein 1,
um es von einem blossen 1,(0 £ii unterscheiden als auch zu bezeigen,
dass es dem 1 oder einem weichen l gleichkommt, wie die Vergleichungen
bestätigen. Demnach haben wir den hier oft wiederholten Namen 'KU/LJU.'!'
(Stadt) nicht Kagliak sondern K'aiatf umschrieben. Das e haben wir
statt des armenischen das e statt ^ das ds statt gebraucht.
284
P. Clemens S i 1> i I jaiu
Armenier) AM-WIMU -U'a}II'> (Hethum tha-
gauor Hajoz, d. i. Hethum, König der Armenier). Ferner auf dem
Revers der bisher bekannten rubenischen Münzen fand sieh zur Be
zeichnung des Prägeortes immer die Formel: f K|,)HVI 1‘ '(MV -
*| l'/l’,), 1* DPI) (schittjal i Raiakn i Sis, d. i. fabricirt in der
Stadt Sis), b MMVI IWVp b UHJ (sehinads i lh-
lakn i Sis, d. i., fabricirt [nach einer vulgären Form der vergan
genen Zeit] in der Stadt Sis), während die vorliegende Münze das
passendere und classische (hatjal) deutlich darbietet,
da der Infinitiv atanel, schneiden) aus welchem das
vergangene (hatjal, geschnitten) abgeleitet ist, hei den
armenischen Classikern auch besonders für („Münzen) prägen” oder
„schlagen” gebraucht wird, während f ](schinel) eigentlich
dem deutschen „bauen, erbauen” entspricht, und nur nach einem an
die Vulgärsprache sich annähernden Sinne schlechtweg „machen,
verarbeiten, fabriciren” bedeutet. Noch eine andere Münze befindet
sich in unserer Sammlung, deren Avers-Umschrift j i'iri.p i<m>
‘HlMII'b (Ueoni thagauori Haoz) im Genitiv steht, und
mit der oben erwähnten Münze übereinstimmt;« auf dem Revers aber
sind die ersten Buchstaben der Umschrift beschädigt, doch ^ und |'
mehr zu lesen, als f J‘(, (schin), und man liest bloss deutlich ....
l.'Ul, b 'IMVIJMVl, UM) ( jal i Ualaltii Sis).
Eine ähnliche ebenso kupferne Münze, was den Typus betrifft,
findet sich auch bei Sestini, Tab. 11, Nr. 8, er liest die Umschrift
des Reverses: f(s'Chinjal), wo auf der Abbildung nicht
zu bestimmen ist, ob das Wort f Kl.L'l’l (schinjal) ist, oder
AUÄl/Ul, ( hat «i al )- Brossct zweifelte an der Existenz eines
solchen Typus, da aber schon fünf Münzen mit gleichem Typus, wenn
auch mit Varianten in der Umschrift bekannt sind, so ist kein Grund
mehr vorhanden, an der Existenz dieses Typus länger zu zweifeln.
Was den Grund anbetrifft, warum wir diese Münze Leon III.
zuschreiben, so ist er von der Grösse der Münze hergenommen, die
mit der der mittleren Kupfermünzen Hethum’s I. zusammentrifft, und
daher wohl seinem Nachfolger zuzuschreiben ist, da ein aufmerk
sames Betrachten der Kupfermünzen der rubenischen Dynastie her
ausstellt, dass die ersten Kupfermünzen derselben die grössten sind,
und mit der Zeit immer kleiner werden, wie sich jeder in einer
reichen Sammlung leicht überzeugen kann.
Über 17 unedirte Münzen der rubenfsehen Dynastie.
285
Einen zweiten noch überzeugenderen Grund finden wir darin,
dass auf dieser Münze wie auf den schon bekannten Silbermünzen
Leon’s III. der Name 1 (Leon) ohne den Buchstaben |v (hiun
— y oder u) gesclirieben ist. Die Umschrift der erwähnten Silber-
münzen lautet nämlich: Id'F/H’MH* Uin/LU-vFG
-IP.vjlK» (Leon thagauor amenajn Hajoz, d. i. Leon, König aller
Armenier). Eben in solcher Schreibart erscheint der Name Leon’s III.
auch in dem mit den Genuesen! im Jahre 1288 abgeschlossenen
Tractate, während dem Namen der übrigen Leone das |« (hiun) oder
l] (w) niemals fehlt, indem er immer ] li-MTli (Lewon) ge
schrieben wird, wie in dem von Leon V. mit den Sicilianern ge
schlossenen Vertrage von (H'M'TVI = 1330) und auf den Mün
zen der übrigen Leone. Wir glauben , zur Erhärtung unserer Ansicht
wird auch nicht wenig beitragen der Umstand, dass der Löwe nach
links schreitet, wie es nur auf den Silbermünzen Leons III. der
Fall ist. Diese Gründe zusammengefasst, glauben wir, dass die vor
liegende Münze Leon III. zuzuschreiben sei, wenn auch weder Kr afft
noch Langlois Kupfermünzen von ihm nachgewiesen haben. Auch
ist es sehr unwahrscheinlich, dass Leon III. in der langen Regierung
von 21 Jahren keine Kupfermünzen geschlagen haben sollte, wie
dies seine Zeitgenossen genug gethan.
. Sembat (1296—1298).
Nr. 3. Av. f ... US f'HVHH* -J'{> (• • • at thagor Haj) der
König mit der Krone sitzend auf einem von zwei Löwen ge
stützten Throne. In der rechten Hand den Reichsapfel mit dem
Kreuze, in der linken Lilien oder Seepter haltend.
Rv. t UUIMI ••• UlJvSIIlM)' (garo ... thbnAstuz)
das Doppelkreuz zwischen zwei aufsteigenden Löwen. Durch
bohrt M.
Cabinet der Mecliitharisten-Congregation in Wien.
Diese Silbermünze hat einen grossen Werth bei den Miinz-
kundigen, da bisher noch keine Münze veröffentlicht war, die auf eine
zuverlässige Weise dem Könige Sembat zugeschrieben werden
konnte. Es ist wahr, Sestini in seiner Beschreibung (Tom. II, Tah. II,
Nr. 6) führt auch eine als Sembat zugehörige Silbermünze an; es
ist aber nunmehr allgemein bekannt, dass sie gar keine armenische,
sondern eine serbische ist,
286
P. Clemens Sibiljan.
Von den Münzen seines Vorgängers Leon III. und yon denen
seiner Nachfolger unterscheidet sich die vorliegende dadurch, dass
auf jenen der König immer zu Pferde dargestellt ist, während er hier
auf dem Throne sitzt, wie auf dem gewöhnlichen Typus Leon JI.
Merkwürdig ist auf unserer Münze auch die Abkürzung: fd'iyi'lll 1
(thagor) für •‘I’l'IH' (thagauor), welche Abkürzung wir auf
den Münzen der früheren Könige unter ISO Stücken nur zweimal
gefunden haben, nämlich auf einer Münze im asiatischen Museum zu
St. Petersburg und auf einer im National-Cabinete zu Paris.
Die Arbeit dieser neuen Münze ist ziemlich roh, so dass man
beim ersten Anblick gleich bemerkt, dass sie eine ganz andere
Fabrication als die Münzen Leon II. hat, mit denen sie nur in der
Grösse übereinstimmt.
Nr. 4. Av. i UUT'C.S hMVH'Mlf* ill (Sembat thagauor Ha.)
Der König mit der Krone zu Pferde nach rechts reitend, in der
rechten Hand eine Lanze mit lilienähnlicher Spitze.
Rv. f f • - l* 'IMVIjMA b Ol»... (sch i Halali
i Si ..) Lateinisches Kreuz, mit 4 langen Strahlen in Form
von Lanzen oder Lilien. JE.
Cabinet der Mechitharisten - Congregation in Wien.
Diese vortrefflich erhaltene Münze lässt keinen Zweifel auf-
kornmen; der Name des Königs OUT'1’8 (Semba*t) ist vollkommen
deutlich, nur sind die beiden ersten Buchstaben zusammengezogen.
Der Styl ist fein und die Form der Buchstaben ist verhältnissmässig.
Auch die Kupfermünzen, welche Sestini (Nr. 8) und Brosset (Nr. 18)
veröffentlicht haben, gehören offenbar dem König Sembat an; da
aber die beiden Schriftsteller mit den armenischen Schriftzügen
nicht hinlänglich vertraut waren, und indem der Name des Königs
auf ihren Exemplaren halb verwischt war, so vermochten sie ihn
nicht zu entziffern. Sestini schreibt die Münze Constantin II. zu, und
Brosset gesteht, dass der Name auf seiner Münze ganz unlesbar sei,
jedoch auf der Münze Sestini’s sind die letzten zwei Buchstaben des
Namens: IJDT'CS (Sembat), nämlich (at), welche den ersten
Buchstaben des Wortes fcKiyi'l'l'lll* (thagauor) vorangehen,
und auf der Brosset’s der Anfangsbuchstabe |J deutlich zu lesen,
so dass aus der Form des Reverses und aus den Anfangs- und
Ende-Buchstaben dieser beiden Münzen nothwendiger Weise zu
Über 17 unedirte Münzen der rebellischen Dynastie. 287
folgern ist, dass sie König Seinbat, dem einzigen dieses Namens,
angehören.
Nr. S. Av. f IHHM’S f'MVHlf’ 4 (Sembat tliagor H ....) die
selbe Vorstellung.
Rv. f fl‘,,1)1. MMVI UM*' 11 (Scbinal lLaiall. S.) die
selbe Vorstellung, iß.
Cabinet der Mechitharisten-Congregation in Wien.
Ob auch die Hauptvorstellung dieser Münze dieselbe ist, wie
die der vorhergehenden, so hat sie doch einige Unterschiede, nämlich
in der Trennung der Buchstaben |J und |J' Auch ist die Arbeit
roher. Der Name fihl'/HH' (thagor) ist ganz wie der der Silber
münze Sembat’s. Die Form der Buchstaben hat nicht dieselbe Fein
heit, wie auf der Kupfermünze Nr. 4. Das Pferd des Königs gleicht
kaum einem Pferde, das Kreuz der Rückseite ist einfacher, es ist
nämlich nicht mit Punkten verziert. Beide eben beschriebenen Kupfer
münzen sind kleiner und dünner, als die Hethum II. zugeschriebenen.
Die Kupfermünzen Sembat’s sind jetzt ziemlich häufig. Die
obigen Bemerkungen gelten auch von den Kupfermünzen in unserer
Sammlung, wie auch von zwei anderen hei Herrn Timoni in Wien,
wo man aber bald: f ]» 'IMVi fyfk (schinel i kaiak),
bald fj‘(,1-1 ^ jy(k (schinel knialt) findet. In dem
königl. Cabinete zu Berlin befinden sich ebenfalls drei Kupfermünzen
Sembat’s, auf zweien derselben sind die Buchstaben }) und 1J' ver
bunden, und statt des l<HyW',MM‘(<i ingauor) scheint es (‘M'/wir
(tliagor) zu sein, die dritte, deren Avers verdorben ist, lässt sich
nur nach dem Revers bestimmen, in welchem sich die Münzen Sem
bat’s von denen aller übrigen Könige derselben Dynastie unterschei
den, nämlich darin, dass die Strahlen des Kreuzes in Form einer
Lanze gebildet und so lang als die Seiten des Kreuzes sind. Oft
findet man an den Enden und dicht am Centrum des Kreuzes kleine
Punkte. In Bezug auf die Arbeit sind die Berliner Kupfermünzen
Sembat’s mittelmässig zu nennen. Alle Kupfermünzen Sembat’s sind
in der Grösse gleich.
Die Kleinheit und Dünne der Kupfermünzen Semhats werfen
nicht wenig Licht auf die Classification der Kupfermünzen der ruhe-
nischen Dynastie. Auch die Umschrift der Sembat’schen Münzen
trägt wegen ihrer bedeutenden Verschiedenheit von den Münzen der frü
heren Könige sehr viel zur Erleichterung der richtigen Einreihung der
288
1*. Clemens S ih i ljan.
rubenischen Münzen bei. Erstens findet sicli das Wort
(thagauor) auf dem Avers der Münzen S e mbat’s bäutiger
(thagor), auf dem Revers aber siebt man statt des regelmässigen
C Klil.'Ul (scbinjal, d. i. fabricirt) der früheren Münzen, bald
f (schinel) bald J»‘|,U1^ (scbinal), welche beide eine
Abkürzung des CJ'ljl.'lVC ( sc ^i n j a 0 s ' n( D Diese Bemerkung
über die Umschrift der Sembat’schen Münzen wird eine nicht ge
ringe Hülfe leisten, um zu bestimmen, ob eine rubenische Münze vor
oder nach Seinbat geprägt sei, denn vor Sembat auf den Münzen
Leon II., Hetlium I. und Leon III. findet sich immer f
(scbinjal), während von derZeit Sembat’s angefangen, man eine
Abweichung von den früheren sieht, indem bald f (sclii-
nel) bald f K(,U1 (scbinal), bald (nach vulgärischer Form der
vergangenen Zeit, f -(schmal) und sehr seltenTJ^lil.'UU
(scbinjal) sich findet, so dass auf vierzehn Münzen der letzten Ko-
stantine auch nicht ein einziges Mal f l‘(,l?Ul ^(scbinjal) vorkommt.
Leo IV. (1305 — 1307).
Nr. 6. Av. t IJH'in, (<M'/1'UM1I‘ AUdllÖ (Lewon tha-
gauor Hajoz). Der König mit der Krone zu Pferde, nach rechts
reitend; in der rechten Hand ein Kreuz, im Felde drei
Puncte (••.).
Rv. i f KM.'UU 'IMV1 U'l»* I, UM! (scliinjal kalakn
Sis). Ein Löwe ohne Krone nacli rechts schreitend, auf dem
Rücken desselben ein Kreuz, im Felde ein Punkt. /I>.
Cabinet der Mecliitharisten-Congregation in Wien.
Noch keine der bisher veröffentlichten Münzen ist König
Leon IV. zugeschrieben worden. Zur Erforschung des Grundes,
warum wir die vorliegende dem genannten Könige beilegen zu müs
sen glauben, dürfte es nothwendig sein, im Allgemeinen über die
Silbermünzen, die den Namen „Leon” mit dem Könige zu Pferde
tragen, zu sprechen. Es finden sich nämlich drei auffallende Unter
schiede unter denselben.
I. Einige tragen die Umschrift | (Hfli l'U'l'
‘„UCrti -i.l'C}llo (Leon thagauor amenajn Hajoz). Die Arbeit
dieser Münzen ist fein und zart, der Kopf des Löwen auf dem Revers
erscheint mit der Krone herausschauend, und die meisten der Löwen
schreiten nach links. Auf diesen Silbermünzen ist das Kreuz, sowohl
Über 17 unedirte Münzen der rubenischen Dynastie.
289
das in der Hand des Königs, als jenes auf dem Rücken des Löwen
im Revers ein Doppelkreuz. Es finden sich auch manche ähnliche
Silbermünzen, auf denen die Form und Grösse der gekrönten Löwen
und das Doppelkreuz ganz gleich den ersteren sind, die Umschrift
aber lautet: lJ/WH, AlVolK» (Lewon thagauor
Hajoz, d. i. Leon, König der Armenier), es fehlt hier nämlich
das Wort mn/iiiicro (amenajn, alle). Die gekrönten Löwen ge
hören in die ersten Zeiten der rubenischen Dynastie, Avie man aus
den Kupfermünzen Leon’s II. und den im Namen des Königs He-
thum’s I. und der Königinn Zabel geprägten, Löwen tragenden Silber-
miitizen ersieht.
II. Andere, die die Umschrift lJj-Mrii f<MVl'l*WH*
-üivilKJ (Lewön thagauor Hajoz) tragen, und avo der LöAve des
Reverses nicht gekrönt ist, und rechts schaut, sind gleich den Silber
münzen des’Königs Ausehin; die Form der Ruchstaben, der Styl der
Arbeit und der Feingehalt mittelmässig, so dass man sie Avolil für
später, als Leon III., halten muss; sie sind aber in jeder Reziehung
viel schöner und kunstvoller als die Silbermünzen der letzten Leone.
Auf den Silbermünzen dieser zweiten Classe finden sich immer drei
Puncte (.-.) im Felde. Der Kopf des Königs ist immer sehr schmal,
und das Gesicht durch Puncte'deutlich bezeichnet.
III. Die Silbermünzen der dritten Classe aber haben in Hinsicht des
Styles und der Form der Buchstaben und des Pferdes dieselbe Arbeit
mit den Silbermünzen Auschin’s, so dass sie, falls die Umschrift ver
wischt und der Name unleserlich Aväre* höchst schwierig zu be
stimmen sein AVürden, ob sie Ausehin oder Leon zuzuschreiben sind.
Diese letzten Leone haben häufig im Felde unerklärbare Zeichen
n. a. i» . £., wie sie sich auch durchgängig auf den Silber
münzen Auschin’s finden.
Die erste dieser drei Classen wird daher Leon III., die letzte
Leon V., dem Zeitgenossen Auschin’s zuzuschreiben sein, und die
von uns hier mitgetfieilte; welche die Mitte der ersten und der dritten
Reihen, oder vielmehr den Übergang von einer zur andern bildet,
kann daher keinem andern als Leon IV. angehören. Vier Stücke von
dieser Münze befinden sich in dem Cabinete der Mechitharisten-Con-
gregation in Wien, und eines in der Sammlung des Herrn Timoni.
Diese Münzen sind übrigens selten, Avas einen neuen Grund gibt, sie
Leon IV., der nur drei Jahre regierte, zuzuschreiben, Avährend die
290
P. Clemens S i b i 1 j a n.
Münzen, welche Leon V., der zweiundzwanzig Jahre lang regierte,
zugeschrieben werden, häufiger sind. Alle diese fünf Silbermünzen
haben in der Umschrift kleine Unterschiede gegen einander, was die
verschiedene Prägung einer jeden derselben beurkundet.
Auschin (1.108 — 1320).
Nr. 7 a. Av. f UJvf Ki, AliO (Auschin thagauor
Haj.) der König mit der Krone zu Pferde, nach rechts reitend,
unter dem Kopfe des Pferdes das Zeichen 3, im Felde ein Punkt.
Rv. irj'Ol.'K I‘ UM) (Schinel i Malm
Sis) Ein Löwe ohne Krone nach rechts schreitend, auf dem
Rücken ein Kreuz. iR.
Cabinet der Mechitbaristen-Congregation in Wien.
Die gewöhnliche Legende auf dem Revers der Silbermünzen
Auschin’s ist f J‘|,l^\)v(schinads) oderf* (schinads e)
wie alle bisher bekannten Münzen haben, nur auf der gegenwärtigen
sehr wohl erhaltenen liest man (schinel) wie auch auf
einer andern kleinen Kupfermünze Auschin’s (Nr. 7 6.), die sich
in derselben Sammlung befindet. Auf einer in letzterer Zeit von
Langlois veröffentlichten Kupfermünze Auschin’s ist, da die Münze
beschädigt ist, nicht zu erkennen, ob sie (schinel) oder
(schinads) hat.
Die von Langlois in seiner Schrift: „Essais sur les monnaies
Rubeniennes 1850” als unedirt veröffentlichte Silbermünze Auschin’s
(Nr. 34) stellt sich nach genauer Betrachtung als dieselbe heraus,
welche Krafft unter Nr. 53 veröffentlicht hatte. Auch Langlois’ Be
schreibung ist nicht vollkommen treu; da die auf der Tafel abge
bildete Münze mit der erwähnten bei Krafft vollkommen überein
stimmt, Langlois aber die Revers-Umschrift gelesen hat, wie folgt
l'l'f JKl» 1‘MVM'MII* AU(> (Auschin thagauor Haj.), wäh
rend man doch auf der Abbildung deutlich liest : (<M*
il’(}|| (Auschin thagauor Hajo), wie auch bei Krafft
steht, und auf dem Revers hat er gelesen h MMVI11'
'l'Jl (schinadsl i Malta) statt f UTiU'ö' 1» '(MVI1)1'
(schinads e i Mali Si), indem die beiden letzten Buchstaben U
und 1)'verbunden sind, wie auch bei Krafft Tab. I, Nr. 53. Wer die
beiden Abbildungen vergleicht, wird sich leicht von der Identität
derselben überzeugen.
Über 17 unedirte Münzen der rubenischen Dynastie.
291
Unter den von Auschin bekannten Kupfermünzen finden sich,
welche auf der Umschrift des Reverses cyi.v '(>» (schinads) haben,
so in unserer Sammlung. Manchmal haben sie auch f
(schinel) wie oben gesagt. Aus dieser Thatsache folgt natürlicher
weise, dass auf den Münzen Auschin’s die Revers-Umschrift nicht
immer (schinads) ist, sondern manchmal auch f )
(schinel) sowohl auf den Silbermünzen als Kupfermünzen.
Die Kupfermünzen Auschin’s, fünf an der Zahl, sind alle klein
und dünn. Der Typus derselben unterscheidet sich von dem seiner
unmittelbaren Vorgänger dadurch, dass der König hier auf dem
Throne sitzt, die Fiisse bis zur Erde reichend, während seine unmit
telbaren Vorgänger (Leon IV. und Hethum II.) immer mit gekreuzten
Reinen auf dem Boden sitzen.
Leo V. (1320— 1342).
Nr. 8. Av. f IJ.'Hn» {«MVHIWH 1 All (Lewon thagauor Ha.)
Der König mit der Krone sitzt auf dem Throne und schaut
heraus, die Füsse reichen bis auf die Erde, in der rechten
Hand hält er den Reichsapfel mit dem Kreuze; links eine Lilie
mit langem Stiel, oder ein Scepter in Form einer Lilie.
Rv. CKlL'U 1' MMVI jWk DM) (Schinel i Uaiak Sis.)
Lateinisches Kreuz mit kleinen Strahlen, an den Spitzen der
Kreuzesarme vier Punkte.
Cabinet der Bibliothek zu Paris.
Diese seltene Münze, obgleich sie sich im genannten Cabinete
zu Paris befindet, ist dennoch vom Herrn Langlois nicht veröf
fentlicht worden. Eine dieser Münze ähnliche findet sich auch im
k. Cabinete zu Berlin, ln der Umschrift unterscheiden sie sich etwas.
Die Arbeit beider Münzen ist schön und rein, in der Grösse gleich
jener Leou’s IV. Wir schreiben sie Leon V. zu, weil der König
nicht mit gekreuzten Beinen auf dem Boden sitzt, wie man auf den
Münzen Hethum’s II. und den ebenso geformten Leonen sieht, son
dern auf dem Throne, die Füsse bis zur Erde reichend; ein Typus,
der von den oben beschriebenen Münzen Auschin’s hergenommen
zu sein scheint. Man könnte sich vielleicht versucht fühlen, diese
Münze einem der früheren Leone zuzuschreiben; wir halten jedoch
unsere Classification für eine noch wahrscheinlichere, indem der auf
dem Throne sitzende König, und die sprachlich verdorbene Form
292
P. C1 e m e n « S i J» i 1 j an.
C (sehinel) and das regelmässige lateinische Kreuz mit
kleinen Strahlen, auf die letzten Zeiten der Dynastie mehr Hinweisen.
Nr. 9. Av. f I JH'in, FH'/HVMH' illO ( Lewon thagauor
Ilaj) der König am Throne sitzend, im Übrigen wie die vor
hergehende Münze.
Rv. f 1' (Schinjal i Halalin)
Lateinisches Kreuz mit kleinen Strahlen. iE.
Cabinet der Mcchitluiristen-Congregation in Wien.
Diese Münze hat im Ganzen die grösste Ähnlichkeit mit der vor
hergehenden, insbesondere in Bezug auf die Form des Thrones; sie
ist aber kleiner als diese, und kommt somit in ihrer kleinen Form
den in den letzten Zeiten der Dynastie geprägten Kupfermünzen
gleich. Im Felde ist ein Punct. Wir besitzen noch zwei andere
kleine Kupfermünzen, die dieser ähnlich sind, auf deren Avers die
Könige am Throne sitzen, die Fiisse zur Erde reichend. Was aber
die Umschrift dieser beiden kleinen Kupfermünzen anlangt, so haben
sie manche Verschiedenheit ; die Arbeit jedoch ist ziemlich fein und
man kann sie daher mit der gegenwärtigen Münze in dieselbe Classi
fication einreihen.
Nr. 10. Av. f I J/Mn, (Lewon . . . .) Der König mit der
Krone schaut heraus, auf dem Throne sitzend, die Hände in
gleicher Höhe haltend, zur Rechten das Kreuz zur Linken die Lilie.
Rv. t f JKlilrUU 1' 'IMVIJX* >11' (Schinjal i Halali
Si). Lateinisches Kreuz, die zwei Puncte nahe der Mitte des
Kreuzes. fE.
Cabinel der Mechitharisten-Congregation in Wien.
Beim ersten Anblicke zeigt diese Münze eine grosse Ähnlich
keit mit den Kupfermünzen Auschin’s, wo der König ebenfalls auf
dem Throne sitzt und die Hände in die Höhe hält, und in jeder Be
ziehung ist sie den Kupfermünzen Auschin’s so täuschend ähnlich,
dass man hei verwischter Umschrift sie gewiss für eine Münze Au-
schins halten könnte, wir trafen aber einige gut erhaltene Stücke
davon, auf welchen wir den Namen Leon deutlich gelesen, und dar
aus geschlossen haben, dass es Leon V., dem unmittelbaren Nach
folger und Sohne Auschin’s, angehört. Wir kennen vier Exemplare
dieser Münze, die alle in unserem Cabinete sich befinden. Eines von
diesen hat auf der Rückseite vier Puncte nahe der Mitte; ein anderes
Über 17 unedirte Münzen der rubemschen Dynastie.
293
mit vier kurzen Strahlen. Der Grösse nach sind diese Münzen gleich de
nen Auschin’s, was den Beweis liefert, dass die Rubenier so kleine und
dünne Münzen, wie die Kreuzfahrer, geschlagen haben. Diese vier rube-
nisehen Münzen sind wahrscheinlich kleiner als die schlechtweg <]>»y
(Phol oder J^j) und ‘| v " a, a (Dang oder 1 j>) genannten Münzen.
Guido.
Nr. 11. Av. f lj|» • • • • (Gui thag ) Der König mit
der Krone rechts reitend, in der Hand einen Scepter haltend,
im Felde an beiden Seiten des Königs zwei Ringe.
Rv. f . . ] . 1J. . .) (sch ... I .... S.) Ein Löwe
rechts schauend, auf dem Rücken ein Kreuz. M
Cabinet der Mechitharisten-Congregation in Wien.
Quiton oder Guidon oder Guid, Bruder Costantin’s III., wurde
nach dessen Ableben zum Könige der Armenier ausgerufen, aber
nachdem er unter Unruhen zwei Jahre lang regiert hatte, wurde
er getödtet. Seine Münzen waren bis jetzt noch nicht aufgefunden,
und eine Lücke in der Serie der Münzen rubenischer Könige wurde
durch dieses Unicum zum Theil glücklich ausgefüllt. Obwohl diese
Münze nicht gut erhalten ist, so sind doch der Name des Königs und
die drei ersten Buchstaben des Wortes («MIM'UWH* (thagauor)
sehr deutlich, was die Classification, in die wir sie einreihen wollen,
erleichtert. Das fremde Wort Guido wird bei armenischen Ge
schichtsschreibern liKS'in, (Guidon) und öfters als Verkürzung des
ursprünglichen Namens Guido l|KS (Guit) gebraucht. Auf der vor
liegenden Münze fehlt aber der letzte Buchstabe und nur Ill‘ (Gui)
ist zu lesen. Dieser Umstand kann aber nicht im mindesten veran
lassen, dass wir nicht behaupten dürfen, dass diese Münze ohne allen
Zweifel die des Königs Guido sei; denn 1., das Wort Ij]» (Gui) geht
dem Worte (thagauor) (König) unmittelbar vor;
2. die Verkürzung oder Endung Ij]* (Gui) linden wir in keinem
Namen anderer Könige vor, nicht einmal treffen wir irgendwo in
einem anderen Namen diese zwei Buchstaben beisammen; 3. dieser
Name Guido heisst bei den Franzosen auch Gui, daher ist es wahr
scheinlich, dass auch der König, welcher ein Franzose aus dem
Hause Lusignan war, sich desselben bedient habe; 4. die Auslassung
der Buchstaben in der Umschrift der rubenischen und besonders in
den letzten Zeiten geprägten Münzen ist ganz allgemein; 5. was die
SiUb. d. phil.-hist, CI. VIII. Bd. III, Hit,
30
294
P. Clemens Sibiljan.
Arbeit dieser Münze anlangt, so ist sie mit jenen silbernen Münzen
Costantin’s ganz ähnlich, die auf dem Felde drei Puncte haben;
auch die Form des Pferdes ist ganz dieselbe, die wir auf den Mün
zen der Costantine gewahr werden, da, wie bekannt, auch Guido in
die Zeit der letzten Costantine fällt; Die Umschrift der Rückseite
ist unleserlich, aber die in der Umschrift von beiden Seiten des Re
verses liegenden f (sch) und |) (s) Buchstaben zeigen genug, dass
es die gewöhnliche Legende der Rückseite sei, nämlich: f Kiih'l'l
1‘ DM) (schinjal i kaiak Sis).
Alle diese Wahrscheinlichkeitsgründe verleihen unserer Ansicht
und Behauptung einen festen Boden, dessen ungeachtet wünschen
wir, dass noch besser erhaltene Stücke von dieser Münze aufgefunden
werden mögen, damit wir desto klarere und genauere Kenntniss von
den Münzen des Königs Guidon erlangen können.
Diese seltene Silbermünze sammt noch anderen sieben Stücken
Silber- und drei Stücken Kupfermünzen der rubenischen Dynastie
hat uns Herr Khatschik Mekertitschjan (Christophe von Baptiste),
ein edler Armenier, gegenwärtig englischer Vice-Consul in Bagdad
mit seltener Uneigennützigkeit zum Geschenke gesandt, um zur Ver
vollständigung der Classification der armenischen Münzen freiwillig
beizutragen, wofür wir ihm unsern innigen Dank schulden.
Costanfcin *)•
Nr. 12. Av. f llDD$ • * • • (Cost.... tilg). Der König mit der
Krone rechts reitend. Im Felde der Buchstabe ^ und drei Puncte.
Rv. f ')A)V| U,M»v D (Schinal i kalafi S.)
Ein Löwe ohne Krone, rechts gebend, auf dem Rücken ein
viereckiges Kreuz. iB. Durchbohrt.
Cabinet der Mecliitharisten-Congregation in Wien.
Merkwürdig ist diese Münze wegen des im Felde des
Averses sich deutlich befindenden Buchstaben (g), dessen eigent
liche Bedeutung nicht bekannt ist; er lässt zwei Deutungsarten zu.
Er ist entweder als Ordnungszahl zu fassen, dann zeigt er die Zahl III
an, oder als Anfangsbuchstabe des Namens des Stempelschneiders,
*) Die Münzen, welche den Namen Costantin tragen, gehören drei Königen
dieses Namens; wir verschieben die Classification dieser Münzen auf eine
andere Zeit, und darum auch bestimmen wir hier nicht, welchem der Costan
tine die hier veröffentlichten Münzen angehören.
Über 17 unedirte Münzen der rubenischen Dynastie.
295
da es doch unzulässig erscheint, ihn für zufällig und bedeutungslos
zu halten. Das erstere würde wahrscheinlicher sein, wenn es nicht
eine grosse Schwierigkeit in dem Umstande begegnete, dass sich auf
den rubenischen Münzen niemals eine solche Ordnungszahl findet,
wie auch auf keiner der gleichzeitigen Münzen der Kreuzfahrer, und
überhaupt jener Gegenden, welche den rubenischen Münzen als
Modell dienten, und es kaum glaublich erscheinen dürfte, dass die
Rubenier auf ihren Münzen etwas zu ihrer Zeit ganz ungewöhnliches
angebracht hätten. Es bleibt uns daher nur übrig, das ? (g) für den
Anfangsbuchstaben des Namens des Stempelsclineiders zu halten.
Dagegen lässt sich aber ebenfalls anführen, dass auch dies auf den
Münzen jener Zeit etwas ganz ungewöhnliches ist. Wir theilen auch
dieselbe Meinung, wir haben aber diesen unsern Gedanken hier nur
ausgesprochen, um die Aufmerksamkeit der Numismatiker auf diesen
Puncfezu leiten, der vielleicht durch Vergleichung mit anderen der
artigen Münzen eine bessere Erklärung erlangen wird. Die drei
Puncte im Felde des Averses, finden sich auch auf einer andern
Münze unserer Sammlung, welche Krafft Nr. SG veröffentlichte,
deren Umschrift er aber nicht entziffern konnte. Er liest nämlich:
Av. lilHJSIMl ‘bfcG (Costba . . . nth) und Rv. ....
|» 11)1» (nau . . . . i lu) statt l||HKST‘l» < l'*lj (Costent’n th)
Rv. f V 'JMVI V, (schinal i Uala). Da Langlois, Nr. 30,
diese Münze wieder abgedruckt hat, so finden wir uns veranlasst
diesen Irrthum hier zu berichtigen, damit er nicht noch weiter ver
breitet werde, und zu unnöthigen Hypothesen Anlass gebe, oder eine
besondere Varietät bilde.
Nr. 13. Av. f l||hS (8 — 1)8) )<»»<)' 4 (Costentin
thk. H) der König mit der Krone zu Pferde, nach rechts rei
tend, zwischen den Füssen des Pferdes im Felde die Rucli-
staben 1^ (L) und 1» (E).
Rv. f f 1' MVIVIJVI’» UV (Schinjal i Ha
lali Si.) Ein Löwe ohne Krone rechts gehend, auf dem Rücken
desselben ein gleichschenkeligesKreuz, imFeldel v AR. Durch
bohrt.
Cabinet der Mechitharisten-Congregation in Wien.
Sowohl auf dem Avers dieser Münze sind die Ruchstaben ))
(S) und 8 (T) als auch auf dem Revers die Ruchstaben l’ (A) und
30*
296
P. Clemens S i b i 1 j a n.
I ^ (L) vereinigt. Die erwähnte Münze ist wieder wegen der im
Felde befindlichen Buchstaben ] (L) und |,' (E) merkwürdig, von
denen wir vielleicht in einer Beziehung dasselbe behaupten können,
als wir oben (Nr. 12) über den Buchstaben gesagt haben, dass
sie nämlich die ersten zwei Buchstaben des Namens Leon, des Stem
pelschneiders, seien. Zu bemerken ist, dass sich auf den Münzen
dieses und der übrigen Costantine häufig unbekannte Charaktere
und besonders das Arabische j mit oder ohne Punct finden.
Nr. 14. Av. + IHUKS • Kl, frMVHH* Allß (Cost . . .
in thagor Hoz) Der König mit der Krone zu Pferde nach rechts
reitend, dieses Zeichen j zwischen den Füssen des Pferdes.
Rv t f J'‘l,l.'K 1' MMVI, 1‘ UM) (Schinel i Ual...
i Sis). Ein Löwe ohne Krone rechts gehend, auf dem Bücken
ein gleichschenkeliges Kreuz; zwischen den Füssen des Löwen
,/. im Felde ein grosser Punct. AB.
Cabinet der Mechitliaristen-Congregation in Wien.
Die Umschrift (Hoz) auf dieser Münze als Abbreviatur
von (Hajoz) gebraucht, ist ganz neu und findet sich auch
auf den anderen Münzen Costantins in obiger Sammlung. Die
Münze ist aus Billon, obwohl sie als ein gewöhnliches (dram)
geprägt ist. Der schlechte Silbergehalt dieser Münze, verbunden
mit der Dünne derselben, gibt uns einen sicheren Beweis, dass sie
in den letzten Regierungsjahren Costantin’s IV. geprägt ist. Ihr Ge
wicht ist gerade die Hälfte des Gewichtes der Silbermünzen aus den
ersten Zeiten nämlich Leon II., Hethum I. und Leon III. Obwohl die
Münze nicht sehr gut erhalten ist, kann man doch ihre grobe und
barbarische Arbeit deutlich genug erkennen, um zu sagen, dass es
wenig so grob gearbeitete Münzen gibt.
Nr. 15. Av. f liDI) • . • («MVI'fl (Cos . . . thago). Die Figur
des Königs ist eine ungewöhnliche.
Hv. f KMVI 'fMv • l»V,, • • (Schinal lia . . altn . .) Ein
lateinisches Kreuz mit kleinen Strahlen. iE.
Cabinet der Mecliitharisten-Congregation in Wien.
Costantin’s silberne Münzen sind wohl ziemlich bekannt, doch
diese Münze so wie auch die folgenden kupfernen, wurden bisher
nicht edirt, und können als echte von Costantin wirklich herkom-
Über 17 unedirte Münzen der rebellischen Dynastie. 297
mende betrachtet werden, und verdienen demnach die volle Beach
tung der Münzkundigen.
Die Leibesgestalt des Königs hat eine ungewöhnliche Form; es
scheint, dass man ihr die Form eines sitzenden Königs geben wollte,
indem von beiden Seiten zwei den Armen entsprechende aber un
förmliche Gestalten ausgespannt erscheinen, auf einer Hand ein
Kreuz, auf der andern eine Lilie haltend, die Fiisse zur Erde gesenkt.
Da die Münze jedoch eine ganz ungewöhnliche Figur darstellt, so
lässt sie vielleicht noch eine andere Ansicht zu. Die Figur scheint
wie der Länge nach gespalten, so dass es den Anschein hat, als
stünden zwei Personen neben einander. Dieses ist aber nicht wahr
scheinlich , weil sonst für zwei Personen nur Ein Kopf vorhanden
wäre; die Figur ist ziemlich deutlich, aber die Umschrift ist halb
verwischt. Wir besitzen ein zweites Exemplar von derselben Münze,
deren Figur ganz dieselbe ist, die Umschrift aber sehr mangelhaft,
so dass nur die untere Hälfte der Buchstaben darauf geprägt er
scheint, doch kann man darauf deutlich erkennen am Avers: li . . . .
(d'U (C . . . . öntin Tha . .) und am Revers: f JKh
(Sellin . . .)
Das lateinische Kreuz dieser beiden Münzen hat kleine Strahlen
und ist regelmässig geformt. Der Grösse nach sind diese Münzen
den kleinen Kupfermünzen Leon V. gleich, wie auch die Arbeit des
Reverses denselben ganz ähnlich ist.
Nr. 16 a. Av. j- . . . KM' ...(.... entin tha . . .) Der
König auf dem Throne, die Fiisse herabreichend.
Rv. j-. . . I» • • • (• • • Nel i Ua • • •) Lateinisches
Kreuz mit kleinen Strahlen. iE.
Cabinet der Mechitharisten-Congregation in Wien.
Es befinden sich drei solche Münzen in unserem Cabinete, deren
zwei, obwohl sehr verwischt und der Name des Königs unlesbar ist,
jedoch durch manche Buchstaben hie und da und durch die Arbeit
beurkunden, dass sie ein und demselben Könige angehören.
Die Figur desselben ist nicht wie die der vorhergehenden, son
dern regelmässiger. Auf dieser Münze sind die Buchstaben
(Clj'hKl, KM' • • • gut lesbar und es bleibt daher kein Zweifel, dass
sie Costantin angehört, weil KM' (tha) offenbar die Anfangsbuch
staben des Wortes KMlM'l'Mlf* (Thagauor = König) sind, und weil
298
P. Clemens Sibiljan.
unter den rubenischen Königen kein Name als der Costantin’s mit
den Buchstaben (entin) endig’t.
Die obere Avers-Seite ist völlig verwischt, daher weder der
Kopf des Königs noch die Lage der Hände zu ersehen ist; dieses
vervollständigen aber unser zweites und drittes Exemplar, deren Um
schriften wohl verwischt, die Figuren aber deutlich sind, der König,
beide Arme in gleicher Höhe ausspannend, in der einen ein Kreuz
und in der andern anscheinend eine Lilie haltend. (Nr. 16b.) Auf
der Revers-Seite aller drei Münzen befindet sich ein lateinisches
Kreuz, auf zweien davon mit kurzen Strahlen, die sich dicht an den
Mittelpunct des Kreuzes anschliessen; auf dem dritten Stücke, dessen
Prägung noch roher, ist das Kreuz ohne Strahlen. Alle drei Münzen
sind äusserst klein und dünn, wie bisher noch keine gesehen wor
den sind. Sie sind kaum die Hälfte so gross als die Kupfermünzen
Auschin’s und die kleinen Kupfermünzen Leon V., und die vorher
gehende Münze Costantin’s (Nr. IS). Ihre Dünne ist in demselben
Verhältnisse. Es ist unbekannt, wie man damals diese Münze ge
nannt hat, doch so viel scheint gewiss zu sein, dass diese viel kleiner
sind als (Phol) und ‘| (Dang) genannte Münzen.
Bemerkenswerth ist noch auf Costantin’s Kupfermünzen, dass
das lateinische Kreuz der Revers-Seite beinahe immer kleine Strah
len dicht am Mittelpuncte hat, welche zuweilen selbst mit dem Mit-
telpuncte vereinigt sind; auf den Kupfermünzen Leon’s V.ist dasselbe
zu finden. Drei andere kleine und unbekannte Münzen haben gleich
falls dieselbe Revers-Seite. Das lateinische Kreuz auf allen diesen
Kupfermünzen, wie auf denen Auschin’s, ist ganz regelmässig. Aus
dieser allgemeinen Übersicht lässt sich folgern, dass die Kupfer
münzen, welche solche kleine Strahlen und regelmässiges lateinisches
Kreuz tragen, immer den letzten Zeiten der rubenischen Dynastie
angehören, während in früheren Zeiten die Kupfermünzen sowohl
mit Strahlen als auch mit Sternen oder Puncten oder andern Ge
stalten versehen waren, hörten diese letztere Zeichen später ganz
auf und jene erschienen nur noch mit Strahlen.
Wenn wir die Kupfermünzen der Könige der letzten Zeiten mit
den Silbermünzen derselben Könige vergleichen, so ersehen wir, dass
überhaupt die Arbeit sowohl als die Umschrift der ersteren regelmäs
siger sind als die der letzteren, wie auch die Kreuze der ersteren
schöner sind, während die Silbermünzen der ersteren Könige im Ver-
Über 17 unedirte Münzen der rubenisclien Dynastie.
299
gleiche ihrer Kupfermünzen mehr Regelmässigkeit und schönere Ar
beit und die Buchstaben deutlichere Formen haben. Sestini in sei
nem Werke veröffentlicht die Münze Nr. VIII, Tab. II, als eine
Kupfermünze Costantin’s, wir haben aber oben gezeigt, dass jene
Münze eigentlich eine Kupfermünze Sembats ist. Ebenfalls Herr
Langlois in seinem Werke schreibt Costantin eine Kupfermünze
zu, welche Herr Lag oy ihm aus der Stadt Aix schickte und mit einem
Briefe bekannt gab, dass sie eine Kupfermünze Costantin’s sei. Herr
Langlois hat diese Meinung anerkannt, aber wir haben einen
grossen Zweifel darüber, weil es unmöglich ist, die in seiner Be
schreibung gegebene Umschrift im Abhilde der Münze zu lesen, die
Umschrift der Revers-Seite aber ganz willkürlich ist. Die Le
gende, welche Herr Langlois gibt, ist, Avers:
(Cos gauor 11a ) und Revers:
1' U1‘I) (Schin i Sis), während die Buch
staben auf der Abbildung keineswegs auf dieselbe Weise entziffert
werden können. Wir könnten freilich dieses nicht so fest behaupten,
wenn wir nicht in Wien drei Exemplare derselben Münzen hät
ten, deren eines die Umschrift viel deutlicher hat, als jenes des
Herrn Langlois, und dennoch lässt es sich nicht auf dieselbe
Weise erklären. Ebenfalls auf dem Reverse sind deutliche Buch
staben sichtbar, aber in solcher Form und in solcher Reihe, dass sie
ebenfalls nicht so gelesen werden können, wie Herr Langlois
angibt.
Die Kupfermasse dieser drei Münzen ist verschieden von der
andern, nämlich ganz roth. Wir wissen nicht, ob auch die von Herrn
Langlois von derselben Farbe ist, wir müssen daher alle diese vier
Münzen in unentziffertem Zustande lassen, bis deutlichere Umschriften
derselben Münzen oder wenigstens manche entscheidende Buch
staben gefunden und auf unzweifelhafte Weise entziffert werden
können, wodurch unser begründeter Zweifel ganz aufgelöst und die
selben Münzen aus ihrem unbekannten Zustande treten, und in gehö
rige Classification eingereiht werden können.
Leo VI. (1365 — 1393).
Nr. 17. Av. f ] |n, fcH ... U|)f* 4U0I1 (Le..on,
th. . .auor Hajo) Der König mit der Krone zu Pferde, nach
rechts reitend, im Felde j*.
m
300 P. Clemens Sibiljan. Über 17 unediite Münzen der ruben. Dynastie.
Rv. t ■ • • (Schinal i ialln.. -)
Ein Löwe ohne Krone rechts gehend, auf dem Rücken ein
gleichschenkeliges Kreuz; zwischen den küssen des Löwen AR.
Cabinet der Mechitharisten-Congregation in Wien.
In Styl und Arbeit gleicht diese dünne Münze vollkommen der
Costantin’s (Nr. 14), der Silbergehalt sehr schlecht, die Arbeit sehr
grob, daher wir sie mit Recht dem letzten der Leone, Leon VI. näm
lich, zuschreiben können, da sie sich in der That von den Leon
zugeschriebenen wesentlich unterscheidet. Sie hat die Grösse eines
gewöhnlichen rubenisclien Dram’s, ihr Gewicht und ihre Grösse sind
gleich der Nr. 14 Costantin’s; ein Beweis, dass sie der Zeit des
gänzlichen Verfalls des Reiches, der unter Leon VI. unverkennbar
war, angehört.
Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften«
301
VERZEICHNISS
DER
EINGEGANGENEN DRUCKSCHRIFTEN.
(März.)
Academy, R. Irish; Proceedings. Vol. 1—4. Vol. 5. 1. Dublin
1837—1851; 8“.
— Transactions. Vol. I—XXL XXII. p. 1. 2. Dublin, 1787
—1851; 4°.
Akademie, k. bayrische, Abhandlungen der histor. Classe. Bd. VI.
2. München, 1851; 4°.
— ©eierte Qln&etgen. ®b. 32. 33. füllen, 1851; 4“.
— aSuUetttt. 1851. 4°.
Annalen der Chemie und Pharmacie. Herausg. v. Fried. Wühler
und J. Liebig. Bd. 80, 2. 81. 2.
Annales des Mines. Vol. XX. 8°.
Archiv für schweizerische Geschichte. Bd. 7. Ziirch, 1851; 8°.
Sonn, Umüerfttätgfdjrtjten a. b. 3- 1851.
Buch, Leopold von, Über Blattnerven und ihre Vertheilung.
Dejardin, Telegraphe eleetrique. Lille; 8°.
Ehrlich, Geognostische Wanderungen im Gebiete der nordöstlichen
Alpen. Linz, 1852; 8°.
Ferrari, Silvio Barone, Dodici figure riguardante il Dodecagono
regolare inscritto a priori nel circolo ecc. Torino 1851; toi.
Gesellschaft, naturhistorische zu Nürnberg. Abhandlungen.
Bd. 1. Nürnberg, 1852; 8°.
Gesellschaft, Schleswig-holstein-lauenburgische für vaterlän
dische Geschichte, Archiv Bd. 6. 1. Kiel, 1850; 8°.
Hamburger, Stabt» unb @d)utfdjriften a. b. 3- 1851.
•Üungenau, grab- ö., .gmttbbud) ber 5Betgted)t8funbe. 8tef. 2.
1 nstituto di corrispondenzaarcheologica. Bulletino. 1850. n. 1 —12;
Roma; 8°.
— Monumenti inediti. 1850. Fase. 1 e 2; Roma; fol.
— Annali Serie nuova. Vol. VII. Roma, 1850; 8°.
Journal, the astronomical. Vol. II. Cambridge 1851; 4°.
äiet, UmBetjttätgfdjriften a. b. 3. 1851,
Lotos. 1852. n. 2.
Memorial de Ingenieros 1852. 1.
Sitzb. der phil.-hist. CI. VIII. Bd. III. Hft. äl
mmm
302 Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften.
Mohr, Theodor von, die Regesten der Archive in der schweizer.
Eidgenossenschaft. Bd. 3. 4. Chur, 1831; 4°.
Neve, F., Essai sur le mythe des Ribhavas. Paris, 1851; 8°.
[ftoni, Äart £einr., ®runbf% ber ginanjWiffenfcljaft. 3. Auflage,
®ttt$. 2. £eibeI6erg, 1851; 8".
Report of therecent arctic expeditions insearch of Sir John Frank
lin etc. London, 1852; fol.
— Additional Papers. London, 1852. fol.
Ri gier, Lorenz, die Türkei und deren Bewohner in ihren naturhi
storischen , physiologischen und pathologischen Verhältnisse,
vom Standpuncte Konstantinopels. Wien, 1851. 2 Vol. 8°.
So ei et d nationale des Antiquaires de France. Annuairel848—1851,
Paris; 8°.
— Memoires et dissertations sur les antiquites nationales et etran-
geres. Nouv. Serie. T. 7—10. Paris, 1844—1850; 8°.
Societe du Museum d’histoire naturelle de Strasbourg. Memoires
T. 1—3. Strasb. 1833—1846; 4°.
Societe de Pliysique et d’histoire naturelle de Geneve. T. II. 1. 2.
Supplem, 1. 2, Geneve 1849—1851; 4°.
Societe R. des Sciences de Liege. Memoires. Vol. 1—7. Liege,
1844—1851; 8°.
Society, R. Asiatic. Journal. Vol. XIII, XIV. 1. London, 1851; 8°.
Society, R. Astronomical. Monthly notic. Vol. XI.London, 1851; 8°.
— Memoires. Vol. 20. London, 1851; 4°.
Society, Geographica!. Journal. Vol. 20, p. 1.2. London, 1851; 8".
Steiner, Codex inscript. Romanor. Danubii et Rheni. Vol. II. Seli
genstadt, 1851; 8°.
Verein für meklenburgische Geschichte und Alterthumskunde.
Quartalbericht. 17. n. 1—3. Schwerin, 1851; 8”.
— SafytMcfjet. Saljrg. 16. @d)tuera, 1851; 8°.
93 er ein, tyifhmfcfyer, für sttieberbatyern. 93erfyanbtungett. 93b. II, £>. 2.
Sanb^iit, 1851; 8°,
93eretn, |iftortfdjer, »on unb für Oberbeuern. ^aljreS&ericfjt 1851.
59?üncf)en, 1858; 8°.
— 9lrcf)iö. 93b. 12, ß>. 1. «Künden, 1851; 8°.
Verein, siebenbürgischer für Naturwissenschaften, zu Hermann
stadt. Bd. II. 1851 ; 8°.
Veselica, Kr. Jos., Pokusenje u Travoslovje. H. 1. 2. Novom
Sadu, 1852; 8".
SBittmann, bie ©ermanier unb bie tttömer in tfyren Sßedjfetberljäft*
niffen ror bem gatte be§ äöeftreicfyeg. SWündjen, 1851; 4°.
SITZUNGSBERICHTE
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE CLASSE.
VIII. BAND.
IV. HEFT. — APRIL.
JAHRGANG 1852.
SITZUNG VOM 14. APRIL 18S2.
Gelesen s
Über den Affed des geistigen Schmerzes im Mittelalter.
Von dem c. M., Hrn. Zappcrt.
(Im Auszuge.)
Bei Völkern im Naturzustände äussert sich der Affect des
geistigen Schmerzes zwar meist lebhaft, doch stets nur kurz an
dauernd. Die Sitte der Leiehenmale trug mit dazu bei, die Dauer
des Schmerzes zu kürzen. Die Kirchenlehrer, welche die Todtenmale
in allgemeiner Übung vorfanden, traten ihnen nicht feindlich ent
gegen, denn sie lehrten selbst, dass das Beweinen der Todten des
Christen unwürdig sei. Und nicht bloss die Schmerzäusserung über
Hingeschiedene, sie bekämpften gleichmässig jede solche, über welch
immer zeitliches Widerfahrniss. Sie erklärten den Thränenguss
einzig gestattbar im Dienste Gottes, einzig in dem des Seelenheiles.
Mit derselben Entschiedenheit, mit der sie der secularen TKräne ent
gegentraten, mit gleichem Eifer suchten sie den Austritt der religiösen
zu fördern. Ordensregeln erklären das tägliche Beweinen seiner
Sünden als eine Pflicht des Mönches. Asceten kommen dieser Vor
schrift mit Inbrunst nach. Endlich klärt sich ihre Buss- zur Sehn
suchtszähre. Sündengereint verlangen sie fort aus der irdischen
Fremde in das jenseitige Vaterland. Dies war der Weltschmerz des
Mittelalters und wenn sieh in unserem Jahrhundert eine ähnliche
Stimmung waltend zeigte, so sprach sie sich mehr negativ als ein
Unbehagen an irdischen Zuständen aus, während der Weltschmerz des
Mittelalters sich positiver Weise als eine Sehnsucht nach dem Jen-
806
Prof. Zimmermann.
seits, als eine Art Heimweh zu erkennen gab. Es werden nun die Qualität
und Quantität der Buss- und Bittzähren und der sie begleitenden
Geberden besprochen, die psychischen und physischen Mittel aufge
zählt, durch die man den Erguss religiöser Zähren zu wecken oder
zu steigern suchte. Der heutige Vortrag gelangt endlich bis zu jener
Zeit, in der Manche diese Thränen zu heucheln sich beigehen Hessen.
Der Cardinal Nico/aus Cusanus als Vorläufer Leibnitzens.
Vom Hin. Professor Zimmer mann.
In den neueren Lehrbüchern der Geschichte der Philosophie
wurde noch vor kurzem in der merkwürdigen Periode, die das
Wiedererwachen des Alterthums und den Anbruch einer neuen Mor-
genröthe der Wissenschaften verkündigt, neben den gefeierten Namen
eines Cardinais Bessarion, eines Marsilius Ficinus, eines
Pico von Mirandola, Beuchlin, Pomponatius, Giordano
Bruno, Campanella, nur selten und flüchtig der Cardinal Nico
laus von Cusa genannt. Sein Name verschwand in der dichten
Finsterniss, in welcher man in der Epoche der sogenannten Aufklä
rung das gesammte Mittelalter und insbesondere dessen philosophische
Bestrebungen vergraben wähnte, und die um so greller gegen das
Licht abstach, das ein Jahrhundert später plötzlich aufgegangen sein
sollte. Der neuesten Zeit blieb es Vorbehalten, die Vergangenheit
gerechter und unparteiischer zu beurtheilen und in der Geschichte
der Wissenschaft wie in jener der Völker den folgenschweren Satz
anzuerkennen, dass die Natur keinen Sprung in ihrer Entwickelung
duldet. Man fing an einzusehen, dass der Baum der Erkenntniss, der
so plötzlich in Blüthe stand, seine Wurzeln bis tief in die Vorzeit
gestreckt habe, und dass wer die Gegenwart begreifen wolle, die
Vorwelt verstanden haben müsse. So ward es klar, dass die neuere
Philosophie, deren Beginn man übereinstimmend in die Zeit eines
Descartes und Bacon von Verulam setzte, nicht mit einem
Schlage sich gebildet haben könne, und die Keime ihrer Welt
anschauung in ihren Vorgängern längst gefunden werden müssten.
Dieser Einsicht ist es zu verdanken, dass zunächst der Übergangs
periode aus der Scholastik zur neueren Philosophie ein aufmerksames
Studium zugewendet, dass die traditionell gewordenen Schriften eines
Über die Philosophie des Cardinais Cusanus.
307
Agrippa von Nettesheim, Theophrastus Paracelsus,
Bernardinus Tolosius, Cardanus, Bruno’s, u.A. neuerdings
gelesen, studirt, geprüft und den Anfängen nachgespürt wurde,
welche ihre Systeme mit jenen der Nachfolger verbanden. Je weiter
man jedoch zurückging, desto weiter überzeugte man sich noch rück
schreiten zu müssen. Immer weiter deuteten die Bezüge nach rück
wärts, bis sie endlich in dem durch die nach Italien eingewanderten
Griechen neubelebten Studium des Plato und Aristoteles unter den die
Wissenschaft ohne beengende Rücksicht auf ihre Herkunft schützen
den Päpsten des fünfzehnten Jahrhunderts in einem sicheren Puncte
zusammentrafen. D am als war Italien der Sitz der humanen Bildung,
Rom der Hort echter Wissenschaft, und der höchste Würdenträger
der allgemeinen Kirche kannte keinen schöneren Ruhm als auch der
erste Pfleger der Wissenschaft zu sein. Das Licht, das sich von hier
ergoss und an der lang umwölkten Sonne des Alterthums entzündet
wurde, ging den jenseits der Alpen wohnenden Culturvölkern des
Nordens wie ein mildes Roth der Zukunft auf, das, wenn es klüglich
und wie es im Sinne seiner Erwecker lag, genützt worden wäre, das
blutige Nordlicht, das schon verborgen unter dem Horizonte stand,
hätte verdrängen können.
Zu den Ersten, die den Geist des classischen Alterthums der
neueren Zeit im Leben und in der Wissenschaft einhauchen wollten,
gehört unser Cardinal, dessen Name und Persönlichkeit uns um so
näher berühren muss, als er von Geburt ein Deutscher und durch
Amt und Beruf dem engeren österreichischen Vaterlande lange Zeit
hindurch angehörig war. Erst vor kurzem hat ein verehrtes Mitglied
dieser Classe, Herr Prof. Jäger, an diesem Orte auf die noch unbe
nutzten Quellen hingewiesen, welche zur Aufhellung und Berichtigung
der Geschichte des Cardinalbischofs Nicolaus von Br ixen die
nen, nichts destoweniger bisher in den tirolischen Archiven ver
borgen waren und hoffentlich nur eine kundige Hand erwarten. Diese
Quellen werden ohne Zweifel den Biographen in den Stand setzen,
einen merkwürdigen Theil der Lebensgeschichte desselben aufzu
klären, der von seinen Geschichtsschreibern bisher nur nach jenen
Urkunden beurtheilt werden konnte, die er selbst zu dem Zwecke
hinterlegt zu haben scheint, um das Urtheil der Nachwelt über seinen
Conflict mit dem Herzoge Sigmund von Österreich-Tirol festzu
stellen. Über den Charakter des Cardinais wird durch das sich aus
308
Prof. Zimmer mann.
diesen heraus stellende Resultat um so mehr Licht verbreitet wer
den, als gerade jener Conflict geeignet ist, die starre Zähigkeit des
Cardinais im Festhalten der verbrieften Rechte seiner Kirche hervor
treten zu lassen. Der gewaltige Vorfechter des hohen Rerufs der all
gemeinen Kirche auf dem Rasier Concil, für welches er in seiner
concordantia catholica gleichsam das Programm seiner Wirksamkeit
entwarf, fand in jenem Conflicte Gelegenheit, die Macht der von ihm
aufgestellten Grundsätze auch praktisch zu bewähren. Erwartet diese
Seite von Cusa’s Leben und Thätigkeit noch mannigfache Rerich-
tigung, so hat dagegen sein wissenschaftliches Streben in letzter Zeit
sich regerer Aufmerksamkeit und unparteiischen Lobes zu erfreuen
gehabt. Während Düx und Scharpffin ihren Lebensbeschrei
bungen (von jener des Letzteren ist leider nur der erste Rand
erschienen) uns den ganzen Mann in der Fülle und Allseitigkeit
seines grossartigen Wesens zu schildern unternahmen, haben C 1 e-
mensin seiner Abhandlung: „Giordano Bruno und Nicolaus
von Cusa” und erst ganz neuerlich Ritter im 9. Rande seiner
Geschichte der Philosophie ein tieferes Verständniss der Cusa’schen
Philosophie uns zu eröffnen sich bemüht. Man muss ihre gründlichen
Darstellungen mit den Quellen selbst und den Darstellungen, welche
frühere Geschichtsschreiber der Philosophie von Cu s a ’s Lehre gegeben
haben, vergleichen, um recht deutlich die Oberflächlichkeit wahrzu
nehmen, mit welcher selbst so gefeierte Historiker wie Ruhle und
Tennemann in Rezug auf Cusa zu Werke gegangen sind. Cle
mens hat durch Zusammenstellung der beiden letzteren nach
gewiesen, sowohl dass der Erstere Cusa’s Lehre gänzlich missver
standen , als dass der Letztere dem Ersteren getreulich fast bis auf
die Worte nachgeschrieben hat. Von den neuesten Darstellern hat
C a r ri e r e in seiner Geschichte der Weltanschauung im Reformations
zeitalter dem seltenen Tiefsinne des deutschen Cardinais Gerechtig
keit wiederfahren lassen. Er und Clemens weisen daraufhin, dass
namentlich ein Verständniss des genial-dunklen Giordano Bruno
ohne das vorausgegangene der Cusan’sehen Philosophie nicht ge
wonnen werden könne. Rruno, der den Cardinal selbst einen
„göttlichen Mann” nennt, ist vor Allem ein treuer Anhänger und
Schüler des Cu s an er s.
Wenn wir nach so trefflichen und theilweise erschöpfenden Vor
arbeiten es dennoch unternehmen, ein neues Rild der Philosophie
Über die Philosophie des Cardinais Cusanus.
309
Cusa’s zu entwerfen, so bestimmt uns besonders der Umstand hiezu,
dass, wenn wir Clemens abrechnen, noch Niemand die innige
Beziehung hervorgehoben hat, welche zwischen des Cusaners und
eines Mannes Ansichten stattfindet, dessen Bild, von Guhrauer’s
Meisterhand entworfen, eine treffende Parallele zu dem vielseitigen
Charakter des Cardinais darbietet, wie derselbe den Lesern seiner
Werke und der Scharpff’schen und Düx’schen Lebensbeschrei
bung entgegentritt. Grossartiges Umfassen und hohe Klarheit des
Denkens, Erhabenheit über Parteistandpuncte, stetes Streben nach
Einigung, unablässiges Suchen nach dem Wahren und bereite Geneigt
heit, dasselbe in jeder Form und Hülle anzuerkennen, sind Charakter
züge, die uns, hier wie dort, hei Leibnitz wie bei Cusa begegnen.
Wie der „Beformator vor der Reformation,” wie ihn Naumann
nennt, in seinem Dialogus de puce fidei die Bekenntnisse aller
Beligionsparteien auf einen gemeinsamen Inhalt als verschiedenfarbige
Strahlen eines Lichtes zurückzuführen strebt, wie er anfangs als
geistiger Beherrscher des Concils, dann als Legat des Papstes und
Cardinal selbst die Reformbestrebungen der Kirche der von ihm höher
geachteten Einigung der getrennten Kirchen des Abend- und des
Morgenlandes zu opfern kein Bedenken trägt, so sehen wir auch
L e i b n i t z einen grossen Theil seines Lebens hindurch von irenischen
Bestrebungen in Anspruch genommen, die er erst der protestantischen
und katholischen, dann der Versöhnung beider protestantischen Con-
fessionen widmet. Wie Er ist ferner der Cardinal ein Vertheidiger des
ewigen Friedens, auf kirchlichem wie staatlichem Gebiete. „Durch
Vereinigung wenigerWeisen,” sagt er in der obenerwähnten Schrift,
»mit richtiger und hinreichender Kenntniss aller dieser in der Welt
herrschenden Religionsverschiedenheiten ausgerüsteten Männer könnte
gar leicht eine allgemeine Übereinstimmung ausfindig gemacht und
vermöge derselben ein immerwährender Friede oder dauerhafte
Einigkeit in der Religion bewirkt und festgestellt werden.” (Rei
ch ard’s Übersetzung.) In dieser merkwürdigen Schrift lässt der
Cardinal Abgesandte aller Religionsparteien „die auf Erden gewaffnet
gegen einander zu Felde ziehen, und deren Schwächere von den
Mächtigeren gezwungen werden, entweder ihre alte und seit undenk
lichen Zeiten beobachtete Religion zu verläugnen und abzuschwören,
oder sich das Leben nehmen zu lassen,” vor die Versammlung der
Heiligen hintreten und Klage führen, dass Gott, der die Wahrheit
310
Prof. Zimmermann.
**v
allen Völkern ins Herz gepflanzt habe, durch deren Mannigfaltigkeit
den Grund zur Misshelligkeit und zum Streite in dieselben gelegt
habe. „Lass geschehen,” spricht der Älteste der Gesandten, „dass so
wie Du ein Einiger bist, auch nur Eine Religion und ein Gottesdienst
auf Erden Platz greife.” Auf des menschgewordenen Logos Vorbitte
beruft hierauf der König des Himmels eine Versammlung der Wei
sesten aller Völker zu Jerusalem. Juden, Türken und Tataren,
Griechen, Araber und Italiener geben ihre Namen ab, und das Ende
ist, sie Alle bekennen sich zu einer und derselben Wahrheit. „Non
est,” heisst es dort, „nisi una religio in rituurn varietate; licet
appareat diversitas dictionis, est tarnen una in — sententia.”
Ein Wort sehr kühn für seine, ein kühnes für alle Zeiten.
Die Parallele lässt sich noch weiter führen. Wie in dem
deutschen Cardinal sich im seltenen Vereine der Theolog, der Denker
und der Mathematiker begegnen, so bricht in dem Weisen des sieb
zehnten Jahrhunderts das Genie sich auf den gleichen Gebieten
schöpferische Bahnen. Wie es beinahe keine wissenschaftliche
Bestrebung der Neuzeit gibt, mag sie dem philosophischen, theolo
gischen, mathematischen oder naturwissenschaftlichen Felde ange
hören, deren Spur und Ahnung nicht schon in den Werken Leib-
nitzens angetroffen würde, so steht auch der scharfsinnige Cardinal
yon St. Peter de vincidis zu Rom als ein Mann da, in dessen Geist
die glänzendsten Entdeckungen der Nachwelt wie im Keime schlum
merten. Eine der ersten Zierden unserer Zeit, Ehrenberg, hat
Leibnitzen das gewichtige Zeugniss ausgestellt, dass seine Mona
denlehre den Entdeckungen der Welt des kleinsten Lebens wesentlich
den Weg gebahnt habe. Ein nicht weniger ehrenvolles Zeugniss gab
erst vor kurzem (in der 2. Abtheilung des III. Bandes seines Kosmos)
Alexander von Humboldt unserem Nicolaus von Cusa.
Wenn es auch irrig ist, wie man anfänglich glaubte, dass Nicolaus
von Cusa das Cop er ni Iranische Weltsystem zuerst aufgestellt
und dieser es von ihm entlehnt habe, so ist doch so viel gewiss, dass
er zuerst die Bewegung der Erde gelehrt habe. Merkwürdiger noch
ist es, dass der Cardinal, wie Clemens sehr richtig bemerkt,
beinahe „divinatorisch” diejenige Construction des dunklen Sonnen
körpers und jener drei theils feurigen, theils atmosphärischen Um
hüllungen geahnt hat, welche Arago 184S zuerst ausgesprochen
und die neuerlichen Sonnenfinsternissbeobachtungen als die wahr-
Über die Philosophie des Cardinal« Cusanus.
311
scheinlichste bewährt haben. Mit Recht sagt Ritter von unserem
Nico laus, treffend auf dessen Geburt im Jahre 1401 anspielend:
„Gleich im ersten Jahre des IS. Jahrhunderts sei ein Kind geboren
worden, dessen Leben und Wirken, wie es in Wendepuncten der
Geschichte zu geschehen pflegt, als die Vorbedeutung fast alles
dessen angesehen werden kann, was die folgenden Jahrhunderte
bringen sollten. Philologische Erneuerung aller Philosopheine und
Theosophie, Reform der Kirche und Wiederherstellung des Katholicis-
mus, mathematische und physikalische Bestrebungen, alles das finden
wir in ihm vereinigt. Ni c o 1 a u s Cusanus steht noch auf der Scheide
des Mittelalters und der neuen Zeit; aber seine Hoffnungen und
seine Wirksamkeit sind der letzteren zugewendet.” (IX, S. 141.)
Jedoch nicht nur in Charakterzügen und äusserlichen Ähnlich
keiten erinnert Cusanus an Leihnitz; viel auffallender und das
Interesse des denkenden Betrachters der Geschichte der Philosophie
lebhafter anregend ist die Übereinstimmung beider in sehr wesent
lichen Grundlagen ihrer Lehre und diese ist es, auf welche Schreiber
dieses die Aufmerksamkeit der verehrten Classe durch Nachstehendes
sich erlauben will hinzulenken.
Des Cusaners Philosophie ist ein Wissen des Nichtwissens
in echt sokratischer Weise, eine docta ignorantia. Auf der Rück
fahrt von Konstantinopel, erzählt er, wo er nicht vergebens versucht
die Union der morgen- und abendländischen Kirche zu Stande
zu bringen, sei ihm nach langem fruchtlosen Nachdenken das Rätli-
selwort aufgegangen. Es gibt eine Wahrheit, eine volle ganze Wahr
heit, welche die Auflösung aller Gegensätze und die desshalb (in neu
platonischer Weise) weder das Grösste noch das Kleinste, oder viel
mehr beides zugleich, die schlechthin Eins und ewig ist. Dieses Eine
ist Gott, das Unendliche, Schrankenlose, das Grösste, welches ohne
Schranken Alles umfasst, und eben desshalb auch das Kleinste, weil
ihm nichts fehlen darf, die absolute Wahrheit, welche wir suchen.
Er ist die absolute Möglichkeit, aber zugleich auch, da diese sich
nicht selbst zur Wirklichkeit bringen kann, die absolute Wirklichkeit,
er ist das Können, welches ist (posse est), das gossest, wie der
barbarische Titel einer der wichtigsten metaphysischen Schriften
Cusa’s lautet. Keine Kategorie drückt ihn aus; er ist weder das
Sein noch das Nichtsein, weder das Unendliche noch das Endliche,
weder die höchste Intelligenz allein, noch das Intelligible, denn dieses
312
Prof. Zimmer m a n n.
Alles setzt Gegensätze voraus. Wäre Gott das Sein, so wäre er dies
nur im Gegensatz gegen das Nichtsein, wäre er unendlich, so wäre
er dies nur im Gegensatz gegen das Endliche; er ist aber was er ist
ohne allen Gegensatz, denn er ist schrankenlos und die Einheit aller
Gegensätze. Von ihm muss Alles bejaht und Alles verneint werden;
er ist als Princip aller Dinge Alles und zugleich Nichts von Allem,
weil er keine von den Einschränkungen an sich trägt, durch welche
ein Etwas zum besonderen Etwas wird.
Es folgt daraus, dass wir von Gott uns keinen Begriff machen
können, denn jeder Begriff ist Einschränkung seines Wesens; dass
ferner alle Bestimmungen, die wir von demselben kennen, nur negativ
sind, dass Gott nur durch ein „Nichtwissen” erkannt wird.
Diese Ansichten verrathen deutlich Cusa’s Bekanntschaft mit
dem Neuplatonismus, dem er doch wie wir sehen werden alsobald
untreu wird. Als Princip alles Könnens sowohl als alles Seins kann
Gott kein anderes Princip neben sich haben. Die Welt also der
Geschöpfe, die von der Gottheit so weit abstehen wie das Sichtbare
vom Unsichtbaren kann nur aus ihm und durch ihn sein, ln ihm
ist die Möglichkeit und Wirklichkeit der Dinge vereint. Die Möglich
keit aber ist die erste Materie (der Urstoff) der Dinge. Daher ist die
Welt der Materie nach ewig, nam quin mundus potuit crectri,
Semper fuit ipsius essendi possibilitas, Sed essendi possibilitus
in sensibilibus materia dicitur. Fuit igitur sernper muteria; et
quia nunquam creata, igitur increata, quare principium aeter-
num. (Dial. de possest. fol. 178, a. I. vol. Par. Ausgabe.^
Nur die sinnliche Materie, welche in der Welt ist, ist geschaffen;
die höhere, die Möglichkeit aller Dinge, welche in Gott ist, ist ewig.
Daher ändert sich Gott nicht, auch dann nicht, wenn er die Welt
schafft, denn die Möglichkeit der Dinge ist mit ihrer Wirklichkeit
Eins. Erverändert sich auch nicht, indem er sie regirt, denn die
ewige Vorsehung, mit welcher er Alles beherrscht, bleibt immer die
selbe: „sive enhn illiquid fecerimus aliquid, sive eius oppo-
situm uut nihil, tot um in dei providentia implicitum fuit; nihil
igitur nisi secundum dei providentiam eveniet." (De docta
ign. I. I, c. XXII, fol. IX, b.)
Ist die Gottheit das Princip aller Dinge, ist sie ferner das allein
Schrankenlose, Unendliche, die wahre Einheit, welche zugleich
weder grösser noch kleiner werden kann, so folgt, dass alle Dinge
Über die Philosophie des Cardinais Cusanus.
313
ihre letzten Gründe in ihr haben, und dass alle nur durch Grade, die
zwischen den äussersten Gliedern des Gegensatzes liegen, also durch
Einschränkung des Schranken-, Begrenzung des Grenzenlosen, Ver-
endlichung des Unendlichen entstehen können. Gott das schlechthin
? Selhige, das Seiende, Eine, Unendliche, die Form aller Formen steigt
zu dem Nichtselbigen, Nichteinen, zur Vielheit, die nur ist, sofern
sie an der Einheit Theil hat, hernieder, und so entsteht die Mehrheit
der Formen, deren jede auf andere Weise Theil an dem Selhigen
hat. Die Ordnung und Harmonie, die in der Vielheit und Mannigfal
tigkeit dieser Formen herrscht, deutet übereinstimmend daraufhin,
dass deren Jede an dem wahren Sein, an der zu Grunde liegenden
Einheit Theil hat, und diese Übereinstimmung ist die Verähnlichung
des Vielen mit dem Einen. So ist die Welt als xoapog als geordnete
mannigfaltige Darstellung des unerreichbar Selhigen. Jede Form ist
sich selber gleich und von jeder andern verschieden; jede aber stellt
auf besondere Weise das Abbild der höchsten Form dar, und in ihrer
unerreichbaren Mannigfaltigkeit spiegelt sich die Unerreichbarkeit
der absoluten Form. So verhält sich vergleichungsweise Gott als die
unendliche Form zu den Formen der endlichen Dinge, wie sich das
durch keine Farbe erreichbare reine Licht zu den in den Farben
mitgetheilten Lichtern verhält. (De dato patris luminum 1.
fol. 194, a.)
So ist die Welt das Bild Gottes, in welchem wir in einem Buche
geistig die Gedanken der Gottheit lesen sollen. „Wie das Sein der
Hand ihr wahreres Sein hat in der Seele als in der Hand, weil die
Seele das Leben und die todte Hand keine Hand mehr ist, und der
ganze Körper das wahrere Sein seiner Glieder, ebenso verhält sich
das Universum zu Gott, von dem Einzigen abgesehen, dass Gott nicht
die Seele der Welt ist.” (Dial. de passest, fol. 175, b.) Das wahre
Sein der Welt ist daher in Gott, und nur dann haben wir das Sein
eines Dinges vollkommen begriffen, wenn wir es im Zusammenhänge
mit dem höchsten Sein, mit dem Sein der Gottheit begriffen haben,
t» Und wie in der Zahl, welche die Einheit entfaltet, nichts gefunden
wird als die Einheit, so wird in Allem, was ist, nichts gefunden als
das Grösste.
Das All daher dessen, was ist, ist Alles, was Gott ist, denn es
ist das Abbild Gottes, nur auf eingeschränkte, d. i. demWesen
Gottes entgegengesetzte Weise. Was diesem unbedingt, kommt
314
Prof. Zimmer mann.
dem All auch, aber bedingt zu. Gott ist; das All auch; aber Jener
ohne, dieses mit Voraussetzung eines höheren Seins. Die Gottheit
ist die absolute Grösse und Einheit ohne Vielheit; das All als ein
geschränkte (contructaj Einheit, obwohl nur Eines, doch nicht
ohne Vielheit. Die Gottheit schlechthin Eins, schlechthin unendlich,
schlechthin einfach, schlechthin ewig; das All in seiner Einheit be
schränkt durch seine Vielheit, in seiner Unendlichkeit durch die
Endlichkeit, in seiner Einfachheit durch die Zusammensetzung, in
seiner Ewigkeit durch die zeitliche Aufeinanderfolge. Wie Gott als
der Unermessliche weder in der Sonne noch im Monde, wiewohl in
beiden das ist, was sie schlechthin gefasst sind; so ist auch das
All weder in der Sonne noch im Monde, Aviewohl es in beiden das
ist, was sie auf eingeschränkte Weise sind. Ihrem absoluten
Wesen nach ist die Sonne dasselbe, was der Mond ist, nämlich Gott,
das absolute Wesen vor Allem; ihrem eingeschränkten (indivi
duellen) Wesen nach ist sie dagegen etwas Anderes als der Mond.
Denn die Einschränkung (Besonderung) macht jedes Wesen zu Dem,
was es ist. Durch Einschränkung wird das All zum AH und die ein
zelnen Dinge im All zu dem, was sie als Einzelne sind. Das Univer
sum als das Vollkommenste geht der natürlichen Ordnung der Dinge
zufolge allem Übrigen (minder Vollkommenen) vorher, damit Jedes
in Jedem sein und Jegliches Alles in sich aufnehmen kann, damit es
in ihm auf zusammengezogene Weise sei. Weil aber Gott anf ein
geschränkte Weise im All und das All in Allem ist, was heisst sagen,
dass Jegliches in Jeglichem sei, Anderes als dass Gott durch Alles
in Allem sei und Alles durch Alles in Gott. Da nicht jegliches Ding
Avirklich Alles sein konnte, Aveil sonst Jegliches Gott gewesen Aväre,
darum liess Gott Alles in verschiedenen Abstufungen sein. Damit
endlich Alles sei, was es ist, weil es anders und besser nicht sein
kann, liess Gott ferner auch jenes Sein, das ohne Nachtheil nicht
zugleich sein konnte, ohne Schaden in zeitlicher Aufeinanderfolge
sein. So ruht Jegliches in Jeglichem sicher aus, weil eine Seinsstufe
nicht ohne die andere sein kann, wie unter den Gliedern des Körpers
jegliches jeglichem dient, und Alle in Allen mitberührt Averden. Wie
die Hand im Fusse ist, weil der Mensch und seine lebendige Kraft
in diesem sind, obgleich Alles im Fusse als im Fusse, Alles im Auge
als im Auge ist, so ist Gott in Allem und alle Dinge sind in Gott,
obwohl ein Jegliches in seiner besonderen Weise ist und Gott, sich
Über die Philosophie des Cardinais Cusanus.
315
immer gleich bleibend, in jeglichem Dinge auf dessen besondere
Weise sich darstellt. (De doct. ign. I. II, c. V, fol. XVI, b.)
So ist Jegliches in Jeglichem und Gott ist in Allem; stellt jeder
Tlieil das Ganze dar, erscheint Gott in der Welt und die Welt
in jedem ihrer Theile auf eigenthiimliche Weise. Wie zwischen
Gott und der Welt Beziehungen stattfinden, vermöge deren Gott
das uneingeschränkte All und das All die eingeschränkte Gott
heit ist, so finden zwischen jedem Theile der Welt und dem ganzen
Universum ähnliche Statt, vermöge welchen Jegliches im All das
All selbst; dieses Letztere in Jeglichem auf verschiedene Weise
und Jegliches endlich auf verschiedene Weise im All ist. „Was ist
also die Welt als des unsichtbaren Gottes sichtbare Erscheinung?
Was Gott, als des Sichtbaren Unsichtbarkeit?” (Dial. de gossest,
fol. 183, a.)
Wenn dergestalt das All in Allem und in Jeglichem auf ver
schiedene Weise ist, so folgt, dass es so viele Abbilder des Alls,
deren j§des vom andern verschieden ist, geben muss, als es Einzel
dinge (individua) gibt, in deren Jeglichem sich das All nach seiner
Weise offenbart. Es folgt ebenso daraus, dass nicht zwei Individuen
einander vollkommen gleieh sein können, weil in Jedem sich das AU,
dessen eingeschränkte Darstellung, auf eine von jedem Andern sich
unterscheidende Weise sich darstellen muss. Denn, da das All nur in
eingeschränkter endlicher Weise ist, so muss Jegliches in selbem
zwischen den beiden Endpuncten der Einschränkung, dem Grössten
und dem Kleinsten, liegen, welche in der Gottheit in Eins zusammen-
"fallen. Über jeden Grad der Einschränkung hinaus kann es in Ge
danken einen grösseren oder kleineren geben, aber nicht in Wirk
lichkeit. Hier muss es sowohl ein der That nach seiner Klein
heit wegen Untheilbares, Atome geben, als in der Menge eine
bestimmte Zahl, das All. Für jede Gattung, jede Art, jedes Einzel
ding kann es höhere und niedere in Gedanken, in Wirklichkeit aber
muss es unterste Gattungen, unterste Arten und Individuen geben,
unterhalb welchen Andere wohl denkbar aber nicht wirklich sind.
Nichts ist im Weltall, das sich nicht einer besonderen Eigenthüm-
lichkeit, die sonst an keinem Andern wiederzufinden ist, erfreute,
und in keinem Einzelding stimmen die es dazu machenden Gründe
(principia individuantiaj in gleich harmonischen Verhältnissen
wie in irgend einem nderen zusammen, damit Jegliches durch sich
316
Prof. Zimmermann.
selbst Eines sei und vollkommen in seiner Weise. (De dort. ign.
I. III, c. 1, fol. XXIV, b.J
Aus dem Lehrsatz, dass das All in Jeglichem auf seine Weise
sei, folgt endlich noch, dass auch Jegliches das All nur auf seine
Weise verstehen und einsehen kann, dass es nichts zu erkennen ver
mag, was nicht schon in seinem eigenen Wesen vorgebildet liegt,
und dass folglich das Einzelne nichts erkennt, was es nicht in einge
schränkter Weise selbst ist. Denn das All, das sich in Gattungen
und Arten entfaltet, existirt nicht anders als in den Einzeldingen,
denn die Arten sind nicht anders als in den Einzeldingen wirklich,
und es kommt weder ihnen noch den Gattungen ein Sein ausserhalb
der Dinge zu. Sie sind in den Dingen, wie das All in den Individuen.
Jedes Individuum hat die Art und die Gattung auf eingeschränkte
Weise in sich und die Allgemeinheiten, welche der Verstand als
Gedankendinge durch Abstraction von der Ähnlichkeit der Dinge
bildet, bestehen in ihm seihst schon auf eingeschränkte Weise, bevor
er sie durch äussere Zeichen kundgethan hat. Was er auf diese
Weise entfaltet, ist in ihm, ist seine eigene eingeschränkte Natur als
Individuum, und er kann nichts entfalten, was nicht vorher in ihm
präformirt gewesen wäre.
Cusanus zieht aus den angeführten Thesen die Folgerung,
sowohl dass das gesammte Weltsystem ein auf das Vollkommenste
gegliedertes, nach dem Principe der höchsten Harmonie und Zweck
mässigkeit geordnetes Ganzes sei, in welchem Jegliches auf Jegliches
und Jegliches zum höchsten Endzweck zusammenwirkt und kein
Glied ausserhalb seines Zusammenhanges mit dem Ganzen begriffen
werden kann, als auch dass unsere eigene Erkenntniss der Wahrheit
nur eine beschränkte und unvollkommene, weil lediglich particulari-
stische.sein kann. „So hat Gott der Gebenedeite,” sagt er, „Alles
erschaffen, dass, während Jegliches sein Dasein wie eine Art gött
lichen Geschenkes zu erhalten sucht, es dies in Gemeinschaft mit
allen Andern thut; dass, wie der Fuss nicht sich allein, sondern dem
Auge, den Händen, dem Leibe und dem ganzen Menschen dadurch
schon dient, dass er zum Wandeln bestimmt ist, so dasselbe gilt von
dem Auge, von den übrigen Gliedern, und gleichmässig von den
Gliedern der Welt.” (De doct. ign. I. II, c. XII, fol. XXII, a.)
Das ganze All ist ein Organismus, in welchem jederTheil gerade
die Stelle einnimmt, welche er im Interesse des Ganzen einnehmen
Über die Philosophie des Cardinais Ctisanus.
317
muss. Die Erkenntniss aber der Wahrheit kann unsererseits lediglich
eine unvollkommene sein, weil sie nur von einem ausserhalb des
Centrums gelegenen particularen Standpuncte ausgeht, weil zwar die
Wahrheit in Allem ist, in Jedem aber auf eine andere Weise: im Leib
als Leib, im Menschen als Mensch, in der Seele als Seele, in der
Vernunft als Vernunft.” (De conject. I. 1, c. VI, fol. XL1II, a.j
Einiges zwar vermögen wir wohl von der Wahrheit zu erkennen,
aber nicht Alles, und dieses Einige nur getrübt durch den individuellen
Standpunct, den wir der objectiven Wahrheit des Alls gegenüber
einnehmen. Um dieses letzteren willen haben mehre (z.B. Brücker
und Tiedemann) dem Cusaner Skepticismus vorgeworfen.
Bei dem bisher Angeführten, — denn die weitere wesentlich die
Durchführung des Trinitätsgrundsatzes betreffende Ausführung seiner
Lehre, so wie die daraufbasirte an Pythagoras erinnernde Zahlen
mystik lassen wir, als zu unserem nächsten Zwecke nicht gehörig,
bei Seite, — drängt sich jedem Kenner der Leibnitz’schen Welt
anschauung die Betrachtung auf, dass die Hauptgrundzüge derselben
bereits bei Cusa vorgebildet liegen. Wir begegnen den Monaden,
wenn nicht dem Namen doch dem Wesen nach; dem Grundsätze
durchgängiger Harmonie, vernünftiger Zweckmässigkeit und stetiger
Wiederholung des Ganzen im kleinsten Tlieile; dem Grundsätze der
Einerleiheit des Nichtzuunterscheidenden, dem strengen Idealismus
der einzelnen Monas, vermöge dessen diese nichts zu erkennen vermag,
was sie nicht bereits dem Keime nach in sich trägt, mit einem Worte,
wir begegnen den Hauptsätzen der Monadologie in einer Fassung,
welcher zur noch höheren Ähnlichkeit mit der L eibnit z’schen Lehre
nur ein Grad der Klarheit und Präcision zu mangeln scheint, welcher
diese auszeichnet.
Auch Leibnitz geht von dem Grundsätze aus, dass die Reihe
der Wirkungen nur aus einer Grundursache, welche nicht mehr
Wirkung einer anderen ist, begriffen werden könne. „Der letzte
Grund der Dinge,” sagt er (Monadol. §. 38, nach der Übers. desRef.),
«muss sich in einer notliwendigen Substanz vorfinden, in welcher
sämmtliche Veränderungen als in ihrem Urquell formaliter ihren
Grund haben, und diese ist es, welche wir Gott nennen. In dieser
Substanz ist der zureichende Grund des Ganzen, und da dieses in
allen seinen Theilen auf das Engste verbunden ist, so gibt es nur
einen solchen Grund, der einzig, nothwendig, allumfassend, und da
318
Prof. Zimmermann.
er nichts ausser sich hat, das von ihm unabhängig wäre und selbst
nur die Folge der Möglichkeit seines eigenen Wesens ist, auch keiner
Grenzen fähig ist, daher wenn er überhaupt Realität besitzt, auch
alle nur irgend mögliche Realität besitzen muss. Daher ist Gott allein
absolut vollkommen (d'une perfection absolumerit infinie),
schrankenlos; die Geschöpfe dagegen nur relativ vollkommen,
in sofern sie an der Vollkommenheit Gottes Theil haben, und be
schränkt, in sofern sie ihre eigene Natur an sich haben. Darin
besteht ihr Unterschied von der Gottheit.” (Monadol. §. 42.) Gott
ist ferner „die Quelle nicht allein des Seins (existence), sondern
auch des Wesens (essencey d. i. der Wirklichkeit sowohl als der
Möglichkeit, so dass es ohne ihn „nichts Reelles in der Möglichkeit,
nicht nur nichts Existirendes, sondern auch nichts Mögliches gibt.”
(Ebend.)
Diese Ansicht entspricht genau der Grundlehre Cusa ’s. Er, wie
Leibnitz (Monadol. §. 47), nennt die Gottheit die „ursprüngliche
Einheit,” die einfache ursprüngliche Substanz, deren Production nach
Cusa alle einzelnen Dinge (das All), nach Leibnitz alle „abge
leitete oder geschaffene Monaden (kleinste Wirkliche, Atome bei
Cusa) sind, die nach Cusa durch (nicht pantheistisch zu nehmende)
Emanation, nach Leibnitz von Moment zu Moment durch be
ständige Ausstrahlungen (Fulguration) der Gottheit entstehen, deren
Thätigkeit nach Cusa nur durch die „wesentlich eingeschränkte
Natur” der Dinge, nach Leibnitz durch die „wesentlich begrenzte
Empfänglichkeit der Creatur” beschränkt ist.
Die Ansicht Cusa’s, dass die Eigenschaften, welche der Gott
heit unb e dingt, den übrigen Dingen nur bedingt zukommen,
und dass sonach die Einzeldinge Verähnlichungen der Gottheit seien,
spricht Leibnitz in den Worten aus (Monadol. §. 48), dass die
Eigenschaften der höchsten Erkenntniss und des vollkommensten
Willens in Gott demjenigen entsprechen, was in den Geschöpfen das
Subject und die Grundlage ausmacht, dem Vorstellungs- und Begeh
rungsvermögen. In ihm sind sie absolut, unendlich vollkommen,
während sie in der geschaffenen Monas blosse Nachbildungen der
Seinigen nach Massgabe der jedesmaligen Vollkommenheitsstufe der
Monas sind. Keine Monas daher drückt das gesammte Wesen der Gott
heit aus, sonst „wäre sie Gott,” sondern jede nach ihrer eigenen indi
viduellen Natur und nach der Stelle, die sie im Weltganzen einnimmt.
Über die Philosophie des Cardinais Cusanus.
319
Was da allein wahrhaft existirt, sind, nach Cusa, die In di vi-
d uen, Atome, solche Wirkliche, kleiner als welche es keine gibt,
nach Leibnitz, die Monaden, die einfachen Substanzen, die wahren
Atome der Natur, die Elemente der Dinge. (Monadol. §. 3.) Wie nach
Cusa nicht zwei Individuen einander völlig gleichen können, weil in
jedem das All und das Wesen der Gottheit auf eigenthümliche Weise
sich darstellt, so muss nach Leibnitz jede Monas verschieden sein
von jeder anderen, denn „schon in der Natur gibt es nicht zwei
Wesen, welche einander in allen Stücken völlig gleich und wo wir
nicht im Stande wären, eine innere oder auf einer inneren Bestim
mung ruhende Verschiedenheit zu gründen.” Das berühmte prin-
cipia de idenlitate indiscernibiliurri, worauf Leibnitz mit
Recht so grosses Gewicht legte, weil dadurch allein die monadistische
Grundansicht der alleinigen Existenz selbstständiger Individuen ge
rechtfertigt wird, ist daher im Grunde eine mit überraschender
Schärfe ausgesprochene Entdeckung des Cusaners.
Die auffallendste, oft bis in die Worte herabreichende Über
einstimmung aber finden wir in Folgendem. Nach des Cusaners
Lehre ist Gott in Allem und das All in Jeglichem, aber auf verschie
dene, d. i. in Jeglichem auf seine Weise. Jeder Theil des Alls stellt
das Ganze dar und steht mit allen übrigen Theilen desselben im ge
nauesten Zusammenhang, so dass er an sich Beziehungen zu allen
übrigen trägt, die keinem anderen Theile in eben derselben Weise
zukommen. Clemens citirt hierzu als Parallelstelle bei Leibnitz,
dessen Aussprüche in dem Cinquieme ecrit u M. Clarke 87, in
Monadol. §.62 und 65 (? scheint ein Druckfehler zu sein und 56 lau
ten zu sollen) und in Nouv. syst. §. 14f. Er hätte leicht noch andere
Stellen anführen können, denn jene Ansicht Cusa’s enthält Leib-
nitzens allenthalben und in allen möglichen Formen wiederkehren
den Lieblingsgedanken, dass jeder Theil des Universums ein Spiegel
desselben sei. „Zwischen sämmtlichen geschaffenen Dingen, heisst
es, Monadol. §. 56, herrscht eine so innige Verknüpfung (liaison)
und (vollkommene) Übereinstimmung Aller mit jedem Einzelnen und
jedes Einzelnen mit allen Anderen, dass jede einfache Substanz Be
ziehungen (rapports) an sich trägt, die ein Ausdruck aller übrigen
(einfachen Substanzen) sind und folglich jede Einzelne gleichsam
als ein lebendiger immerwährender Spiegel des Universums er
scheint.” Wie derselbe Gegenstand von zahllosen Spiegeln in ver-
Sitzb. d. phil.-hi.st. CI. VIII. Bd. IV. Hit. 33
320
Prof, Zimmer mann.
schiedener Lage zurückgeworfen, in jedem derselben ein anderes
Bild gewähren muss, wie „eine und dieselbe Stadt, yon verschiedenen
Seiten aus angesehen, immer als eine andere und gleichsam verviel
fältigt erscheint, so kann es geschehen, dass es, wegen der unend
lichen Menge einfacher Substanzen, eben so viele verschiedene
Welten zu geben scheint, die, genauer besehen, nichts Anderes sind,
als die mannigfaltigen Ansichten der einzigen von den verschiedenen
Standpuncten der einzelnen Monaden aus angeschauten Welt.”
(Monadol. §. 37.) Referent hat an einem anderen Orte (Leibnitz’
Monadologie deutsch u.s. w. Wien 1847, S. 32) Leibnitzens An
schauung des Weltalls mit einem Mosaikbilde verglichen, darin jedes
Steinchen eine durch seine Verhältnisse zum Ganzen und allem
Übrigen genau festgesetzte Stelle einnimmt und keine andere einneh
men darf, wenn die Harmonie des Ganzen im Totalbilde erreicht
werden soll. Jedes Steinchen hat durch seine Lage bestimmte Be
ziehungen zu jedem anderen, so wie zum ganzen Bilde; eine voll
kommene Intelligenz müsste daher im Stande sein, aus der Lage
eines einzigen Theilchens sich die nothwendig dazu gehörige Lage
aller übrigen und des ganzen Bildes zu erzeugen, ebenso, wie Dide
rot behauptete, aus der erhaltenen Fusszehe einer Venus deren ganze
Statue reproduciren zu können. Jedes Steinchen drückt dergestalt das
Ganze aus, aber jedes aus einem anderen Gesichtspunct, und wie mit
Leibnitz (in der oben citirten Stelle des Briefes an Clarke) zu
reden: Jede einfache Substanz ist vermöge ihrer Natur, so zu sagen,
une concentration et un miroir vivant de tout Vunivers suivant
son point de vue.”
Die Art und Weise, wie jede Monas das Universum von ihrem
Standpuncte aus wiederspiegelt, lässt uns noch tiefer in die Verwandt
schaft zwischen Cusa-s und Leibnitzens Ansichten hineinblicken.
Des C us an er s Weltansicht kennt kein Leeres, die Leibnitz’sche
ebenso wenig. Nach Nico laus sind alle einzelnen Dinge die
stetige Entfaltung des Alls, nach Leibnitz lliessen alle geschaf
fenen Substanzen in Gott, als ihrem Urquell, in Eins zusammen. So
wie nach der Meinung unseres Cardinais jedes Einzelding seinem
wahren Wesen nach, welches Gott ist, mit allen Anderen Eins ist, so
lässt Leibnitz jede Monas durch das ewige Band ihrer von der
Gottheit angeordneten Beziehungen zu jedem Anderen und zum gan
zen Universum mit allen Theilen desselben in Verbindung stehen.
Über die Philosophie des Cardinais Cusanus.
321
Als Anordner des Alls und der darin befindlichen Dinge liat Gott bei
der Stellung jeder einzelnen Monas von yorneherein auf die aller
übrigen Rücksicht genommen. Weil der ganze Raum erfüllt ist, so
wird jeder Theil im Raume „nicht nur von jenem Körper afficirt, der
auf ihn wirkt, und empfindet gewissermassen mit, was diesem zustösst,
sondern nimmt durch dessen Vermittelung auch an den Zuständen
jener Körper Theil, die mit dem ersten, von dem er unmittelbar be
rührt wird, in Verbindung gerathen.” Daraus nun folgt, dass „jeder
Theil des Alls Alles mit empfindet, was im gesammten Universum
sich ereignet, und der Allsehende gleichsam in jeder einzelnen Mo
nas liest, was in allen Übrigen geschieht, geschah und. geschehen
wird.” (Monadol. §. 61.) Jener stellt zunächst jede Monas und ihren
eigenen Körper vor, aber „Aveil dieser Körper durch seinen Zusam
menhang mit der den Raum ausfüllenden Materie auch mit dem gan
zen Universum in Verbindung steht, so stellt die Seele, indem sie
ihren Leib vorstellt, das Universum selbst vor.” (Monadol. §. 62.) Die
Materie ist das Rand aller Theile des Weltalls; jeder Theil derselben
repräsentirt das All und „in den kleinsten Theilen der Materie lebt
noch eine Welt von Geschöpfen.” Jeder Theil „der Materie kann
angesehen Averden als ein Garten voll Pflanzen oder ein Teich voll
Fische. Aber jeder Zweig der Pflanze, jedes Glied des Thieres, jeder
Tropfen seiner Säfte ist noch ein solcher Garten und ein solcher
Teich.” (Monadol. §§• 6S, 66, 67.) So ist Alles Leben, Thätigkeit,
BeAvegung im Universum; das All ein Makro- und jeder einzige Theil
desselben ein Mikrokosmus, der das Abbild des Ganzen darstellt. Das
ganze All ein einziger Organismus, darin jeder Theil des Theiles auch
Theil des Ganzen ist, keiner ohne alle Übrigen und das All nicht
ohne Alle, gleichwie Cusanus sie schildert, der die Platon’sche
Rehauptung gutheisst, die Welt gleiche einem thierischen Wesen,
dessen Theile so Zusammenhängen, dass keiner derselben von den
übrigen abgesondert sein Dasein behaupten könne.
Der Gedanke liegt nahe, dem strengen Sichentfalten des Alls
im Einzelnen und des Einzelnen im All bei Leibnitz Avie bei Cusa
eine pantheistische Grundansicht unterzulegen. Aber abgesehen
davon, dass so Leibnitz Avie Cusa aufs Schärfste den Gegensatz
der Welt als des Alls des beAvirkten zu der Gottheit als letzter Avir-
kender Ursache festhalten, liegt in der beiden gemeinsamen Rehaup
tung des Alls als einer Summe selbstständiger Individuahvesen , die
23
322
Prof. Z iinmermann.
als solche das allein wahrhaft Wirkliche ausmachen, der sicherste
Gegenbeweis gegen jede monistische Zumuthung. Der Pantheismus
als solcher kennt keine wahre Vielheit der Einzelwesen, sondern
nur eine wahre Einheit der Grundursache mit dem Schein der
Vielheit des Bewirkten; der Individualismus dagegen eine wahre
Vielheit in der Wirkung mit einer wahren Einheit in der Ur
sache. Zurückführung des vielfachen Scheines auf ein vi e 1 fa ch e s
Sein und das letztere als eines abhängigen auf ein letztes unab
hängiges unbedingtes Sein, von dem als bedingtes jedes Andere ab
hängt, ist die Parole des Cusanischen Individualismus, wie des
Leibnitz’schen Monadismus. Beiden ist die wahre metaphysische
Grundlage der Welt eine unbestimmte Mehrheit allein wahrhaft exi-
stirender Einzelwesen, deren jedes von jedem anderen verschieden,
und jedes auf jedes Andere bezogen und deren jedes in seiner Weise
wie Abbild jenes Ganzen ist, das in seiner Gesammtheit die entfaltete
Vielheit der unentfalteten Einheit, die in unendlich vielen Grad
abstufungen entwickelte Schöpfung der allumfassenden, Alles in sich
bescliliessenden und aus sich entwickelnden unendlichen Schöpfer
kraft darstellt.
Im Voi’stehenden ist dargethan, dass die Ansichten beider über
das objective Sein der Welt im Wesentlichen mit einander überein
stimmen. Es erübrigt uns noch, die Ähnlichkeit ihrer Lehren in den
Puncten zu berühren, wo die Seele von ihrem subjectiven Standpunct
zur Erkenntniss der Aussenwelt gelangt. Da das All in Jeglichem
nur auf seine Weise, da das Universum in jeder Monas nur von
ihrem individuellen Gesichtspuncte aus sich spiegelt, so kann auch
das Erkennen jedes Einzelnen nothwendig nur ein subjectives, auf
seine eigene individuelle Natur eingeschränktes werden und
bleiben. „Der Verstand, sagt Nicol aus, kann nichts verstehen,
was er nicht in eingeschränkter Weise selbst ist, denn Alles was ist,
ist in ihm, aber, seiner individuellen Natur nach, in eingeschränkter
Weise. So fasst die Seele, indem sie die Welt fasst, eigentlich nur
sich selbst; unser gesammtes Denken und Forschen bleibt in der
Seele und ihrem Gedankenkreise beschlossen; sie ist das Bekannte
(Innere), durch welches wir das Unbekannte (Äussere) messen, um
zu dessen Verständnis zu gelangen. Über uns kommen wir so wenig
hinaus, als wir uns anders machen können, als wir sind; unser Trost
muss darin bestehen, dass wir Alles sind, was ist, wenn auch be-
Über die Philosophie des Cardinais Cusamis.
323
schränkt und innerhalb besonderer, uns allein eigenthümlicher Gren
zen. Nur durch Analogie zu dem, was i n uns ist, erkennen wir die
Welt, welche ausser uns ist. Sinne und Verstand lehren uns das
Äussere, aber nur vermuthungsweise kennen. Nicht einmal den Ge
danken eines Anderen vermögen wir genau in uns wiederzugeben, son
dern nur meinungsweise zu vermuthen. Alle unsere Gedanken sind
„Conjecturen,” wahrscheinliche Voraussetzungen, in denen wir das
Fremde durch das Eigene annäherungsweise zu messen uns bemühen.
Eine Gedanken weit besitzen und schaffen wir, wie Gott die w i r k-
üche Welt; aber nur in dem Grade nähert unser Gedanke sich dem
Gegenstand, in dem unser Sein sich dem Sein der Gottheit verähn
licht. Was der Mensch immer wahrnehmen mag, das stellt sich ihm
menschlich dar, in sein eigenes Wesen, in seine Form gekleidet, die
Erkenntnis« ist lediglich subjectiv und hat in Bezug auf die Aussen-
welt blosse Wahrscheinlichkeit.
Des C u s a n e r s Erkenntnistheorie stellt nach Obigem einen
vollständigen Idealismus dar, der dem Skepticismus die Hand reicht.
Zwar ist Gott, die absolute Wahrheit, in Allem, aber in Jeglichem
durch dessen subjective Besonderheit getrübt. Jeder weiss und er
kennt nur, was in ihm, nicht was an sich ist, oder vielmehr, er er
kennt das An sich der Dinge nur in sich, im subjectiv beschränk
ten Beflex. Die ganze Wahrheit ist dem Einzelnen, der nur ein
Bruehtheil hat, unerreichbar; das eine ewige Licht erscheint in Jeg
lichem nach dessen Individualität in besonderen Farben gebrochen; das
Erkennen eines Jeden ist schlechthin subjectiv, die Gesammtmenge
der erkennenden Einzelwesen ist eine Menge in sich abgeschlossener
Gedankenkreise, deren Kommen dem Anderen nicht anders als mittelst
Vermuthungen zugänglich ist, und deren jeder der absoluten Wahrheit,
welche Gott ist, gegenüber sich nur wie eine Masse persönlicher
Meinungen in mehr oder minder fest begründeter Weise sich verhält.
Auch Leibnitzens Monas ist ein solcher „aparter” Idealismus,
eine in sich beschlossene Gedankenwelt, deren Erkenntniss über den
eigenen Ideenkreis nicht hinausgehen kann und nichts Anderes denkt,
als was in ihr selbst ihrer Eigennatur nach bereits vorgebildet ruht.
Denn von aussen kann nichts in die Monas hineintreten — die Mo
naden haben keine Fenster, durch welche etwas in dieselben ein- oder
aus ihnen herausgehen könnte — was in ihr ist, war von Ewigkeit in
ihr, und was in ihr wird, konnte nur durch sie selbst, durch ihr
324
Prof. Zimmermann,
eigenes immanentes Veränderungsgesetz werden. (Monadol. §. 11.)
Alle Vorstellungen Qperccptiones'), welche die Monas besitzt,
empfängt sie demnach ausschliesslich von innen her, aus ihrer eigenen
Torstellenden und an die Schranken der eigenen Individualität ge
bundenen Natur; sie kann nur diese und keine anderen empfangen,
weil ihre vorstellende Natur gerade diese und keine andere ist; sie
kann daher, Avas sie erkennt, nicht frei, noch durch Äusseres be
stimmt, sondern einzig nur so erkennen, AA r ie ihre eigene einge
schränkte Natur sie dasselbe zu erkennen zwingt, oder besser gesagt:,
sie erkennt Avas ist, nicht Aveil es ist, sondern sie stellt vor, Avas sie
vorstellen muss, ohne Rücksicht, ob es ist, d. h. ob diesem Vorge
stellten etAvas ausserhalb ihrer seihst entspreche oder nicht.
Der ZAveifel, ob dem kraft der inneren Natur der Monas von ihr
Vorgestellten ausserhalb ihrer seihst Realität entspreche, liegt auf der
Hand; treffend hat Rayle dagegen eingeAvandt, dassdieReihe der Vor
stellungen auch dann noch in der Einzelmonas ablaufen müsste, Avenn
nur sie allein und nichts ausser ihr im Weltall vorhanden Aväre. Nicht
einmal vermuthungsAveise, Avie Nicolaus von Cusa zugibt, ver
möchte eine Seele das Dasein, noch weniger die Gedanken der anderen
zu errathen, denn ihr eigen er idealistischer Vorstellungskreis Aväre von
dem Dasein Avie von den Gedanken jeder anderen völlig unabhängig.
Hier nun wendet Leibnitz plötzlich Avie Cusa, auf einem ent
scheidenden Wendepunkte ängelangt, von dem individuellsten Sub-
jectivismus den Rück zurück auf die Einheit des Fundamentes, das
aller Vielheit der Einzelwesen gleichmässig zu Grunde liegt. Obgleich
jedes Einzehvesen der Tliat nach nur dasjenige zu erkennen vermag,
was es seiner Natur nach selbst ist, so vermag es doch Alles zu er
kennen, Aveil es selbst Alles ist. ZAvar erkennt, Avie N i c o 1 a u s meint,
der Verstand nur, Avas in ihm ist; aber die Natur jedes Einzelwesens
ist Alles zu sein, denn in Jeglichem ist das All auf eingeschränkte
Weise. So erkennt der Verstand, indem er sich erkennt, in Wahr
heit das ganze Universum, deren zusammengezogenes Rild er, und die
Gottheit selbst, deren Rild das Universum ist. Je mehr er sich von
den Schranken befreit, die seine Stellung als eingeschränktes Rild
des Ganzen ihm auferlegt, je mehr er vom Individuellen empor zum
Höheren, Allgemeineren sich zu erheben vermag, desto mehr dringt er
in die Erkenntniss des Wesens ein, das sein eigenes ist, und zu
gleich das Wesen jedes anderen im Universum, in das Wesen der
Über die Philosophie des Cardinais Cusanus.
32S
Gottheit. Cusa’s Lehre verlässt hier den sicheren Boden und streift
in das Gebiet theosophischer Mystik über; Leibnitz aber, an dem
strengen Idealismus der einzelnen Monas festhaltend, erweist nichts
desto weniger, dass diesem Idealismus ein Reales, der geträumten
Weltansicht eine wirkliche entsprechen muss, von welcher jene nur
wie die perspectivische Ansicht von der wahren Grösse und Stellung
des Gegenstandes sich unterscheidet. Denn jede Monas in ihrer
Isolirtheit ist ein lebender Spiegel des Universums; jede steht in
Beziehung zu Allen und Alle zu ihr; jede trägt in Folge dessen solche
Beziehungen zu Andern an sich, aus welchen eine vollkommene In
telligenz diese sämmtlich zu ergänzen vermöchte. Diese Beziehungen
(rapports) sind Bestimmungen der Monas und machen jene indivi
duelle Natur aus, die jede Monas als solche und keine andere in der
selben Art besitzt, und aus welchen dieselbe, da sie Bezüge auf das
ganze Universum enthält, sobald sie sich ihrer bewusst wird, des ge
summten Universums wie der Gottheit aus ihren Beziehungen zu diesen
von ihrem besonderen Standpuncte aus sich bewusst zu werden vermag.
Dass sie ihrer und dadurch der Welt und Gottes sich bewusst
wird, ist das Werk des gemeinschaftlichen Urquells aller Monaden,
ihrer inneren Veränderungen und äusseren Verhältnisse, Gottes. Er
hat von Anbeginn an unter allen möglichen Welten die beste erkannt,
gewollt und demgemäss geschaffen. In dieser müssen nothwendig die
inneren Veränderungen aller Monaden, die kraft ihrer immanenten
Veränderungsprincipe in Ewigkeit erfolgen, den Verhältnissen gemäss
bestimmt sein, in welchen jede Monas zu allen übrigen steht, da sie
von dieser selbst im Ablaufe der Zeit wegen der Abwesenheit tran
sienter Wirkungen zwischen Monaden nicht bestimmt werden können.
Die inneren Vorgänge aber, d. i. der Vorstellungskreis der einzelnen
Monas ist das Abbild der äusseren Verhältnisse, in welchen sie steht;
indem die Seele jener sich bewusst wird, wird sie es sich dieser. Auf
diesem Wege gewinnt das Erkenntnissvermögen jeder einzelnen
Monas allmählich die Überzeugung, dass sein individuelles Bild der
Welt auch das Bild der wirklichen Welt, so wie subjective Vorstel
lung des Seins auch das wahre Abbild des objectiven sei, und das
Bindeglied, das Vorstellung und Gegenstand (subjectiven Gedanken
kreis und objectives Universum) von Ewigkeit in Harmonie gebracht
hat und erhält, ist Gott, der Urquell alles Seins und alles Vorstellens,
der uns unmöglich kann täuschen wollen.
326
Prof. Zimmer m a n n.
Wie nach Cusa (las All in Jeglichem ist, und darum Jeder, der
sich erkennt, in sich das All, nur in eingeschränkterWeise und
durch das All Gott gewahrt, so herrscht nach Leibnitzens Worten
prästahilirte Harmonie zwischen den von Gott eingepflanzten Vor-
stellungs- (Perceptions-) Reihen der einzelnen Monaden und ihren
von Gott angeordneten äusseren Verhältnissen. Wie Jene diesen, so
müssen Diese jenen von Ewigkeit her und für alle Zeit entsprechen.
Das Erkennen jeder Monas, wenn es auch zunächst sich nur auf ihren
eigenen Inhalt erstreckt, dehnt sich eben dadurch auf Alles aus, was
überhaupt erkannt werden kann, und zu welchem die Monas in
äusserlichen Beziehungen steht, d. i. auf das gesammte Universum.
Dergestalt finden Cusa und Leibnitz aus dem schroff abge
sperrten Idealismus der einzelnen Wesen durch Vermittelung der
Gottheit den Ausweg zur adäquaten Erkenntniss des Objectiven. Zwar
nimmt ein Jedes nur von seinem individuellen Standpunct die Wahr
heit wahr, aber Jegliches nimmt die ganze Wahrheit wahr. Das
ganze All ist ein Spiegel Gottes und jedes kleinste Ehelichen des
selben das Universum im Kleinen. In jedem einzelnen erkennenden
Subjeet wiederholt sich als dessen Vorstellungsinhalt, was ausserhalb
desselben den realen Gehalt des Weltalls ausmacht. Wie die Gott
heit die Welt real aus sich formt und schafft, so schafft rückwärts
das vorstellende Subjeet dieselbe ideal im Inhalt seines Denkens.
Alles Bilden und Vorstellen des Subjectes ist nur ein Entdecken des
von der Gottheit ins Innere gepflanzten Wissensschatzes. Die Gottheit
aber ist wie der letzte Urgrund alles Seins, so der Urgrund sämmt-
lichen Vorstellens. Die Harmonie zwischen beiden ist ihr Werk,
mag sie nun, wie Cusanus mit mystischem Anflug lehrt, daher
rühren, dass ihr Wesen in Allem und Jegliches in Jeglichem sei, oder
wie Leibnitz in grossartig mechanischer Ausdrucksweise sagt,
daher, weil „Gott von Anbeginn der Dinge her jede von je zwei Sub
stanzen so eingerichtet hat, dass sie zufolge ihrer innewohnenden,
zugleich mit ihrem Dasein empfangenen Gesetze beständig mit der
anderen dergestalt übereinstimmt, als gäbe es eine wechselseitige
wahrhafte Einwirkung zwischen beiden, oder als hätte die Gottheit
unausgesetzt ihre Hand im Spiel.” (21. Eclaircissem. ä M. Fou-
cher. O. b. cd. Erdm. p. 134).
Das Vorstehende wird, glauben wir, genügen, die innere Ver
wandtschaft Cusanischer und Leibnitz’scher Weltanschauung
Über die Philosoph : e des Card : nals Cusanus.
327
in den Grundzügen darzuthun und den Ausspruch zu rechtfertigen,
den der Titel gegenwärtigen Vortrages thut, dass Nicolausvon
Cusa wahrhaft als geistiger Vorläufer Leibnitzens dürfte ange
sehen werden. Schwerer wird es zu sagen, ob die innere Verwandt
schaft der Lehre ohne äussere Belege uns das Recht gebe, auf eine
stattgefundene Entlehnung gewisser Lehrsätze aus des Cusaners
Werken, ja auch nur auf eine Kenntniss der letzteren von Seite
Leib nitzens zu schliessen. Es ist längst bekannt, dass Leibnitz
Vieles seinem Vorgänger verdankte, und H. Ritter, dieser gründ
lichste der jetzt lebenden Kenner der Geschichte der Philosophie,
hat erst vor kurzem in der Anzeige einer Schrift des Referenten
(Gott. Gel. Anz. Nr. 21 u. 22 v. 3. Febr. 1882) mit Recht auf das
Verhältniss hingewiesen, das zwischen Leih nitzens und den Lehren
des Thomas vonAquin herrscht. Von einer directen Beziehung
Leibnitzens auf die Werke des Cardinais von Cusa ist uns je
doch wenigstens nichts bekannt. In seinen philosophischen Schriften
haben wir den Namen des Cardinais nicht angetroffen, wohl aber in
seinen historischen. IndemWerke: Scriptores Brunswicensia illu-
strantes berichtet L eib n i tz von unserem Cusa zwar nicht als Philo
sophen, wohl aber als Reformator der Klöster und päpstlichen Legaten.
Nichts desto weniger ist es ausser Zweifel, dass ihm der wesent
lichste Inhalt der Cusan’schen Lehre, wenn auch vielleicht aus
zweiter Hand, nicht fremd geblieben sein kann. Clemens hat dar-
gethan, dass der Hauptkern der Schriften und Lehre des Giordano
Bruno, aus dem wieder Spätere, wie Vanini und Campanella,
schöpften, aus den Werken des Nicolaus Cusanus genommen
sei. Den Jordanus Brunus hat aber Leibnitz nicht nur ge
kannt, sondern auch häufig im Munde geführt, und Carriere
(a. a. 0. S. 471 u. ff.) hat mit Erfolg auf die innere Ähnlichkeit
hingewiesen, welche Leibnitzens Philosophie mit jener Bruno’s
zeigt. Der Punct aber, den er als entscheidend für die Verwandt
schaft beider hervorhebt, „dass Gott als Einheit sich offenbart in
einem System unendlicher Einheiten, die nicht qualitätslose Atome,
sondern von so unendlicher Lebensfülle sind , dass Alles in Allem
!st,” gehört, wie wir gesehen haben, unserem Cusanus zu. So
haben wir denn, wenn keinen directen, doch einen indirecten Beweis,
dass die grossartige Weltansicht des Cardinais nicht ohne nach
haltigen Einfluss auf seinen um dritthalb Jahrhunderte späteren und
328
Ar n etli.
grösseren Landsmann geblieben sei, in dessen Geist sie sich geläutert
durch das inzwischen zu höherer Stufe erhobene Studium der Mathe
matik und der Naturwissenschaft, für deren Anfänge er selbst so
rüstig Bahn gebrochen, als stolzer architektonischer Prachtbau wie
derholen sollte. Dem Geschichtsschreiber aber, der den Spuren der
Gedanken im Geistesleben nachgeht, wie ein anderer denFussstapfen
der Völker im äusseren Dasein, ist es ein erhebendes Schauspiel, zu
gewahren, dass in dem wirren Gewoge einander drängender und
aufhebender Ansichten die rechte Perle der Wahrheit nicht unter
geht, und wie an dem vom Grunde des Meeres trotz der Brandung
aufschiessendem Corallenstoek sich Ast um Ast, so am Baume der Er-
kenntniss trotz zahllosen Irrthumes sich Blatt um Blatt im stillen con-
tinuirlichen Fortschreiten entwickelt.
Auszüge aus dem vor gelegten Werke: „Der Feldmar
sehall Starhemberg
Von Hrn. Arncth, Hofconcipisten im Ministerium des Äussern.
Herr Arneth liest ein Bruchstück aus dem von ihm verfassten
und der Akademie vorgelegten Werke über das Leben des kaiser
lichen Feldmarschalls Grafen Guido Starhemberg. Nach einigen ein
leitenden Bemerkungen über die Gründe durch die er sich bewogen
gefunden, die Biographie dieses Feldherrn zu schreiben, wirft Herr
Arneth einen Blick auf die frühere militärische Laufbahn des Feld
marschalls Starhemberg, welcher im Jahre 1677, als zwanzigjähriger
Jüngling in kaiserliche Kriegsdienste getreten war, Anfangs unter dem
Herzoge Karl von Lothringen am Bheine gekämpft, dann alle Feldzüge
gegen die Türken von der Belagerung Wiens bis zum Karlowitzer
Frieden mitgefochten hatte. Bei Wiens heldenmüthigem Widerstande
gegen die Ungläubigen, bei der Eroberung von Neuhäusel, Ofen und
Belgrad, in den Schlachten hei Batotschin, Nissa und Szlankament,
bei der Vertheidigung von Nissa und Esseck, vor Allem aber in dem
Entscheidungskampfe von Zenta, wurde Starhemberg unter den be
geistertsten Streitern gegen die Feinde der Christenheit genannt.—
Nach dem Ausbruche des spanischen Successionskrieges diente
Guido Starhemberg Anfangs unter Eugen und dann als Oberfeldherr
in Italien. In seine Hände übergab der in Cremona’s Mauern gefangene
Auszüge aus (lern Werke: Der Feldmarscliall Starhemberg. 329
Marschall Villeroi seinen Degen, ihm war grossentheils der Sieg bei
Luzzara zu danken. Starhemberg war es, der Vendome von Ostiglia
zurückschlug, den französischen General Albergotti besiegte und
endlich jenen kühnen Zug mitten durch das feindliche Heer nach
Piemont vollbrachte, durch welchen die weitaussehenden Plane der
übermächtigen Gegner vollständig durchkreuzt wurden.
Während der Jahre 1706 und 1707 kämpfte Starhemberg mit
Glück gegen die Insurgenten in Ungern, im Jahre 1708 aber sandte
ihn Kaiser Joseph I. nach Barcelona, wo sich König Karl, der nach
malige Kaiser Karl VI. nach der Niederlage, welche seine Streitkräfte
gegen das Heer seines Nebenbuhlers Philipp von Anjou bei Almanza
erlitten hatten, in wahrhaft verzweiflungsvoller Lage befand. Aber
dem Feldmarschall Starhemberg gelang es trotz der geringen Anzahl
und des verwahrlosten Zustandes seiner Truppen sich nicht nur in
Catalonien zu behaupten, sondern auch die Macht seines Herrn und
Königs nach und nach immer weiter auszudehnen. Zwei Jahre nach
seiner Ankunft in Barcelona führte Starhemberg den König Karl nach
zwei gewonnenen Schlachten in den Mittelpunct Spaniens, nach
Madrid, büsste jedoch, von widrigem Geschicke verfolgt, noch in
demselben Feldzuge die Früchte seiner Siege wieder ein.
Die Darstellung dieser Ereignisse bildete das zur Vorlesung
gewählte Bruchstück. Auf die Vorstellungen Starhemberg’s und des
englischen Generals Stanhope, welcher die brittischen Hülfstruppen in
Catalonien befehligte und zugleich als Gesandter der Königinn Anna
an KaiTs Hoflager stand, hatte dieser sich entschlossen, persönlich
ins Feld zu gehen und seinem Gegner Philipp, der sich gleichfalls
zu seinem Heere begeben hatte, die Stirne zu bieten. Da Philipp’s
Heer dem der Verbündeten Anfangs beträchtlich überlegen war, ver
mied Starhemberg ein Treffen mit dem Feinde, bis er nach Ankunft
von Verstärkungen aus Italien seine Streitkräfte für zahlreich genug
hielt, um sich mit denen des Gegners in offenem Kampfe messen zu
können. Nach verschiedenen Bewegungen kam es endlich hei Alme
nara zum Streite, der mit dem Siege Starhemberg’s, mit dem flucht-
ähnlichen Rückzuge König Philipp’s endigte. Unter den Mauern von
Lerida sammelte dieser seine zerstreuten Schaaren und zog sich in
Eilmärschen gegen Saragossa zurück. Der Feldmarschall folgte ihm
auf dem Fusse. Am 20. August wurde bei Saragossa neuerdings
gekämpft. Philipp’s Niederlage, der Triumph des Königs Karl war
330 Arneth. Auszüge aus dem Werke: Der Feldmarschall Starhemberg.
vollständig. Saragossa öffnete dem Sieger die Tliore und ganz Ara-
gonien wandte sich, durch die Wiederherstellung seiner alten Privi
legien vollends gewonnen, der Sache des Hauses Österreich zu.
Zu Saragossa kam es zwischen den Generalen der Verbündeten
zu lebhaftem Streite über die weiteren Kriegsunternehmungen. Star
hemberg war dafür, dass man den Feind nach Navarra verfolge und
ihn so lange unablässig bekämpfe, bis Philipp gezwungen sein werde,
Spanien zu verlassen und nach Frankreich zu flüchten. Stanhope
aber sprach sich mit Heftigkeit für den Zug nach Madrid aus. Obgleich
der König selbst Starhemberg’s Ansicht theilte und vertheidigte,
wusste doch Stanhope durch die Drohung, er werde die englischen
Truppen keine andere Strasse führen, als die nach Madrid, seine
Meinung durchzusetzen. Das siegreiche Heer wandte sich nach der
Hauptstadt Spaniens, in welche es nach langem, mühseligen Marsche
einzog. Der ungünstige Empfang aber, den der König und seine
Truppen zu Madrid fanden, erfüllte sie mit düsteren Ahnungen und
sogar Stanhope und diejenigen, die mit ihm gestimmt hatten, begannen
einzusehen, welchen Fehler sie begangen, als sie sich der Meinung
des Königs und Starhemberg’s widersetzt hatten.
Durch den Einzug des Heeres der Verbündeten in Madrid schien
das Kriegsglück des Königs Karl seinen Höhepunct erreicht zu haben.
Er sollte leider auch sein Wendepunct sein. Die Schilderung der
nachfolgenden Ereignisse wurde auf die nächste Sitzung verspart.
SITZUNG VOM 21. APRIL 1852.
Die Classe empfing mit Dank von dem h. Ministerium des Han
dels die Mittheilung eines Aufsatzes des k. k. Consuls Rössler zu
Rustschuk: „Skizze von Rulgarien.”
Durch das w.M. der andern Classe, Hrn. Director Kreil, wer
den bei Übermittelung eines Exemplares des „Gedenkbuches der
Stadt Fünfkirchen,” von dem dortigen Stadtpfarrer, Hrn. Haas, aus
dessen Einbegleitungsschreiben nachstehende Auszüge mitgetheilt:
„Ich werde trachten dem Wunsche des hochgebornen Herrn
Hofrathes Hammer-Purgstall zu entsprechen, und die orien-
talischen Inschriften, die sich noch vor kurzem in der Moschee
von Szigeth vorfanden, und die der Sohn des dortigen Rabbiners genau
abgeschrieben hat, einzusenden. Auch will ich, sobald es mir meine
Berufsgeschäfte erlauben, Originaldocumente mit deutscher Über-
■ setzung einsenden von den Verhältnissen der Bauern, welche unter
türkischer Botmässigkeit lebten, zu ihren christlichen Grundherren,
die in nicht occupirten Theilen Ungerns wohnten. Dieses besondere
Verhältniss ist noch, so viel ich weiss, von keinem Geschichtsschreiber
beachtet worden und ich hoffe, die von mir einzusendenden Original
briefe sollen einiges Licht über die innere Geschichte Ungerns von
1543 bis 1686 verbreiten.
Auch ist die Geschichte der Deutschen in unserer Gegend von den
frühesten Zeiten an noch gänzlich vernachlässigt; vielleicht kann
ich auch in dieser Hinsicht etwas Interessantes beitragen zur Ge
schichte unseres grossen nun einheitlichen Vaterlandes — Österreich.”
Der Präsident der Classe, Herr v. Karajan, liest als Referent
der historischen Commission folgenden General - Bericht:
Schon wenige Monate nach der Gründung unserer Akademie im
Jahre 1847, als kaum die ersten, nöthigsten Einrichtungen zu Stande
gebracht waren, und mit dem Herbste des Jahres die regelmässige
Thätigkeit der jungen Anstalt begonnen hatte, richtete unsere Classe
ihr Augenmerk vor Allem auf die Förderung der vaterländischen
Geschichte. Denn sie musste nur zu gut fühlen, was vorerst noch
alles an vorbereitenden, grundlegenden Arbeiten zu leisten ist, ehe
an eine streng wissenschaftliche Lösung der riesigen Aufgabe einer
Geschichte des Kaiserreiches nur im Entferntesten gedacht werden
kann. Soll nämlich unsere Geschichte endlich einmal aus dem ewigen
Einerlei herkömmlicher, dadurch nichts weniger als begründeter
Annahmen heraus, soll der neue Bau auf festerem Boden sich erheben,
die Fügung und Stützung der einzelnen Theiie eine sichrere und
gleichmässigere werden, so müssen die Grundlagen breiter gelegt,
eine strengere Prüfung des Stoffes, als bisher geliefert wurde, durch
rüstige dabei zahlreiche Werkgenossen für alle Theiie des weiten
Reiches unternommen werden.
Zur Vorbereitung einer so ernsten und weitaussehenden Aufgabe
ernannte die verehrte Classe am 24. November 1847 aus ihrer Mitte
330 Arneth. Auszüge aus dem Werke: Der Feldmarschall Starhemberg.
vollständig. Saragossa öffnete dem Sieger die Tliore und ganz Ara-
gonien wandte sich, durch die Wiederherstellung seiner alten Privi
legien vollends gewonnen, der Sache des Hauses Österreich zu.
Zu Saragossa kam es zwischen den Generalen der Verbündeten
zu lebhaftem Streite über die weiteren Kriegsunternehmungen. Star
hemberg war dafür, dass man den Feind nach Navarra verfolge und
ihn so lange unablässig bekämpfe, bis Philipp gezwungen sein werde,
Spanien zu verlassen und nach Frankreich zu flüchten. Stanhope
aber sprach sich mit Heftigkeit für den Zug nach Madrid aus. Obgleich
der König selbst Starhemberg’s Ansicht theilte und vertheidigte,
wusste doch Stanhope durch die Drohung, er werde die englischen
Truppen keine andere Strasse führen, als die nach Madrid, seine
Meinung durchzusetzen. Das siegreiche Heer wandte sich nach der
Hauptstadt Spaniens, in welche es nach langem, mühseligen Marsche
einzog. Der ungünstige Empfang aber, den der König und seine
Truppen zu Madrid fanden, erfüllte sie mit düsteren Ahnungen und
sogar Stanhope und diejenigen, die mit ihm gestimmt hatten, begannen
einzusehen, welchen Fehler sie begangen, als sie sich der Meinung
des Königs und Starhemberg’s widersetzt hatten.
Durch den Einzug des Heeres der Verbündeten in Madrid schien
das Kriegsglück des Königs Karl seinen Höhepunct erreicht zu haben.
Er sollte leider auch sein Wendepunct sein. Die Schilderung der
nachfolgenden Ereignisse wurde auf die nächste Sitzung verspart.
SITZUNG VOM 21. APRIL 1852.
Die Classe empfing mit Dank von dem h. Ministerium des Han
dels die Mittheilung eines Aufsatzes des k. k. Consuls Rössler zu
Rustschuk: „Skizze von Rulgarien.”
Durch das w.M. der andern Classe, Hrn. Director Kreil, wer
den bei Übermittelung eines Exemplares des „Gedenkbuches der
Stadt Fünfkirchen,” von dem dortigen Stadtpfarrer, Hrn. Haas, aus
dessen Einbegleitungsschreiben nachstehende Auszüge mitgetheilt:
„Ich werde trachten dem Wunsche des hochgebornen Herrn
Hofrathes Hammer-Purgstall zu entsprechen, und die orien-
talischen Inschriften, die sich noch vor kurzem in der Moschee
von Szigeth vorfanden, und die der Sohn des dortigen Rabbiners genau
abgeschrieben hat, einzusenden. Auch will ich, sobald es mir meine
Berufsgeschäfte erlauben, Originaldocumente mit deutscher Über-
■ setzung einsenden von den Verhältnissen der Bauern, welche unter
türkischer Botmässigkeit lebten, zu ihren christlichen Grundherren,
die in nicht occupirten Theilen Ungerns wohnten. Dieses besondere
Verhältniss ist noch, so viel ich weiss, von keinem Geschichtsschreiber
beachtet worden und ich hoffe, die von mir einzusendenden Original
briefe sollen einiges Licht über die innere Geschichte Ungerns von
1543 bis 1686 verbreiten.
Auch ist die Geschichte der Deutschen in unserer Gegend von den
frühesten Zeiten an noch gänzlich vernachlässigt; vielleicht kann
ich auch in dieser Hinsicht etwas Interessantes beitragen zur Ge
schichte unseres grossen nun einheitlichen Vaterlandes — Österreich.”
Der Präsident der Classe, Herr v. Karajan, liest als Referent
der historischen Commission folgenden General - Bericht:
Schon wenige Monate nach der Gründung unserer Akademie im
Jahre 1847, als kaum die ersten, nöthigsten Einrichtungen zu Stande
gebracht waren, und mit dem Herbste des Jahres die regelmässige
Thätigkeit der jungen Anstalt begonnen hatte, richtete unsere Classe
ihr Augenmerk vor Allem auf die Förderung der vaterländischen
Geschichte. Denn sie musste nur zu gut fühlen, was vorerst noch
alles an vorbereitenden, grundlegenden Arbeiten zu leisten ist, ehe
an eine streng wissenschaftliche Lösung der riesigen Aufgabe einer
Geschichte des Kaiserreiches nur im Entferntesten gedacht werden
kann. Soll nämlich unsere Geschichte endlich einmal aus dem ewigen
Einerlei herkömmlicher, dadurch nichts weniger als begründeter
Annahmen heraus, soll der neue Bau auf festerem Boden sich erheben,
die Fügung und Stützung der einzelnen Theiie eine sichrere und
gleichmässigere werden, so müssen die Grundlagen breiter gelegt,
eine strengere Prüfung des Stoffes, als bisher geliefert wurde, durch
rüstige dabei zahlreiche Werkgenossen für alle Theiie des weiten
Reiches unternommen werden.
Zur Vorbereitung einer so ernsten und weitaussehenden Aufgabe
ernannte die verehrte Classe am 24. November 1847 aus ihrer Mitte
332
v. Karajan.
vorerst einen Ausschuss, bestehend aus den wirklichen Mitgliedern
Climel, Endlicher, Münch und Wolf, welchem sie am 2T. des
selben Monates den bestimmten Auftrag ertheilte, vor Allem einen
Bericht auszuarbeiten über die zweckmässigste Art und Weise der
Veröffentlichung einer reicheren und verlässlicheren Sammlung öster
reichischer Geschichtsquellen.
Der Ausschuss erstattete dem zu Folge am 22. December 1847
einen ausführlichen Bericht in der Gestalt eines „Programmes der
historischen Commission,” welches noch am nämlichen Tage die
Genehmigung derGesannnt-Akademie erhielt. Diese erklärte zugleich,
da die beabsichtigten Arbeiten nur langsam reifen, dabei eine
gleichmässige und ununterbrochene Leitung derselben, so wie ein
beständiger Verkehr mit den Mitarbeitern in den einzelnen Kron-
ländern wünschenswerth scheine, in dieser Sitzung noch die Com
mission für permanent.
Ich unterlasse hier, der Kürze wegen, die Aufzählung aller
Puncte jenes Programmes, welches, wie das so leicht geschieht, in
frischer Lust und vertrauensvoller Zuversicht manche Verheissung
in sich aufgenommen hatte, die später, theils durch die Ungunst der
Zeit, theils durch nicht vorher zu sehende Verhältnisse nicht zur Aus
führung gelangte. Die wichtigsten zwei Punkte aber aus demselben,
jene, welche noch jetzt der Commission als Richtschnur ihrer
Thätigkeit dienen, will ich in Kürze hier aufführen. Das Programm
selbst findet sich seinem ganzen Inhalte nach abgedruckt in unserem
Almanache, Jahrg. 1851, S. 91—97. Schon früher in den Sitzungs
berichten, Jahrg. 1848, Hft. I, S. 72—77.
Der Ausschuss beantragte vor Allem: Erstens: die Herausgabe
österreichischer Geschichtsquellen in zwei Hauptabtheilungen, näm
lich Scriptores und Diplomataria, und zwar in Rücksicht auf die
verschiedenen Bestandtlieile des grossen Kaiserreichs in fünf geson
derten Gruppen, unter folgenden Titeln: a) Fontes rerurn Austria
carum für die Quellen der altösterreichischen Kronländer; b) Fontes
rerum Bohemicarwn für Böhmen, Mähren, Schlesien u. s. w.; c) Hun-
garicarum für Ungern, Siebenbürgen, Croatien, Slavonien u. s. w.;
endlich d) Polonicarum und ej Italicarum; Zweitens: dieser
Quellensammlung zur Seite eine periodische Schrift erscheinen zu
lassen, in welcher Untersuchungen, Nachweisungen und Zusam
menstellungen über einzelne Quellen obiger Gruppen niedergelegt,
Bericht über die Leistungen der historischen Commission. 333
einzelne kleinere derselben, mit den nöthigen Erläuterungen versehen,
gleich in ihr mitgetheilt und durch sie vor Allem der wissenschaftliche
Verkehr der durch den Raum getrennten Forscher in den einzelnen
Kronländern vermittelt werden sollte. Diese Schrift sollte ferner
nach dem Programme den Sitzungsberichten unserer Classe all
monatlich beigelegt werden und den Titel führen „Archiv für öster
reichische Geschichtsquellenkunde;” Drittens: ward als vorläu
fige Abgrenzung der aufzunehmenden Quellen, in Bezug auf die Zeit,
deren Beleuchtung sie dienen sollten, das Todesjahr Kaiser Fer
dinande III., 1657, also beiläufig die Mitte des siebzehnten Jahr
hunderts, angenommen.
Hierauf ward rasch Hand ans Werk gelegt, so dass schon zu
Anfang April 1848 das erste Heft des Archives erschien. Im Laufe
des Jahres folgte aber nur noch Ein Heft, da die k. k. Staatsdruckerei
in jener Zeit durch die ungeheure Vermehrung ihrer Arbeiten für
die Bedürfnisse der Staatsverwaltung zu sehr in Anspruch genommen
war und nur mit Anstrengung die Sitzungsberichte beider Classen
ununterbrochen liefern konnte.
Trotz dem aber, dass durch den Drang der Verhältnisse zu
jener Zeit sämmtliche Behörden des Staates auf ausserordentliche
Weise in Anspruch genommen waren, unterdessen sie doch nicht,
der jungen Anstalt bereitwillig ihre Unterstützung zu gewähren.
Schon am 22. März 1848 gelangte an die Commission die amtliche
Mittheilung, dass der Präsident der damaligen Hofkammer ihr die
Benützung des reichen Archives jener Behörde gestattet habe. Acht
Tage darnach am 29. März erhielt ihr Ausschuss die erfreuliche Nach
richt, dass der oberste Kanzler sämmtliche Landeschefs beauftragt
habe, den Mitgliedern der historischen Commission die Archive der
landesfürstlichen Städte und Gemeinden zu eröflhen. Später gewährte
auch der Minister des Äussern ihrem Ausschüsse die Benützung des
geheimen Haus- und Staatsarchives, was in der Classensitzung vom
7. März 1849 ämtlich mitgetheilt wurde.
Seit dem Erscheinen nun des ersten Heftes unseres Archives
bis jetzt sind vier volle Jahre verflossen, vier Jahre inhaltsschwer
und bewegt wie wenige. Die Grundfesten des grossen Reiches
erbebten in ihnen, Wirrsal und Stürme aller Art und aller Enden
hemmten, ja unterdrückten zum Theile jeden Verkehr, Wissenschaft
und Kunst, die nur im Frieden fröhlich gedeihen und segensreiche
334
v. K a r a j a n.
Früchte bringen, fristeten zurückgedrängt und kaum beachtet ihr
Dasein fort, — aber dennoch fristeten sie es.
Auch ihr Ausschuss war während dieser Zeit nicht unthätig und
wenn er auch bis zur Stunde nicht vor sie hintrat und in ausführ
licherer Darstellung auf die Früchte seiner Thätigkeit hinwies, so
geschah es nicht, weil er nichts zu bieten hatte, sondern weil er ab
wechselnd mit Dringenderem beschäftigt war, auch wohl absichtlich
längere Zeit wollte hingehen lassen, um dann auf reichere Ausbeute
hinweisen, die spärlicheren Ergebnisse der ersten Zeit durch die
reicheren der folgenden ausgleichen zu können.
Die Theilnahme, welche das Unternehmen bei den angedeuteten
ungünstigen Zeitverhältnissen in den einzelnen Kronländern des
Reiches fand, musste begreiflicher Weise weit hinter den ursprüng
lichen Erwartungen der Commission zurück bleiben. Um so erfreu
licher und höher angeschlagen werden muss die Rührigkeit und
unverdrossene Theilnahme jener Wenigen, welche aus dem so
beschränkten Gebiete sich dennoch so thätig erwiesen, dass die
ursprünglich durch die Classe bestimmten Räume und Ausmasse für
die Unterbringung der Mittheiiungen nicht mehr zureichten und
noch zwei neue Sammlungen gegründet werden mussten, nämlich die
Monumenta Habsburgica und das Notizenblatt.
Die ersteren sollten gewissermassen eine dritte Abtheilung der
österreichischen Geschichtsquellen bilden und neben jenen fünf
Gruppen, welche mehr die Landesgeschichten der einzelnen Kron-
länder zum Zielpuncte nehmen, der Geschichte des ihnen gemein
schaftlichen Regentenhauses gewidmet sein.
Das Notizenblatt aber sollte kleinere, vereinzelte Mittheilungen
über Quellen aufnehmen, während im Archive grössere Abhand
lungen und Zusammenstellungen quellenartigen Stoffes neben klei
neren Quellen geliefert würden.
Von diesen vier verschiedenen Sammlungen nun sind bis zur
Stunde im Ganzen zwölf Rände in 8°. erschienen. Vier Rände Fontes,
sieben Rände Archiv und ein Rand Notizenblatt. Der erste Band
der Monumenta Habsburgica aber, wichtige diplomatische Aeten-
stiicke zur Geschichte Karl’s V. enthaltend, aus den Jahren 1515 19>
und hauptsächlich die auswärtigen Verhältnisse desselben, als Herren
der Niederlande betreffend, befindet sich bereits, so wie der fünfte
Bericht über <lie Leistungen der historischen Commission.
338
Band der Fontes, der achte des Arehives und der zweite des
Notizenblattes unter der Presse.
Ausser diesen schon veröffentlichten oder in der Veröffentlichung
begriffenen Quellen und Untersuchungen hat aber die Commission
auch nocli vieles zum Drucke vorbereitet und in bedeutenden Samm
lungen niedergelegt. So vor Allem beiläufig 10,000 Stucke Urkunden
und Regesten zu einem Codex diplomaticus Austriae inferioris;
eine umfangreiche Sammlung von Auszügen aus den Verhandlungen
der nieder-österreichischen Stände, mit Kaiser Maximilian I. beginnend
und vor der Hand bis zum Jahre 1634 reichend, erae ergiebige Quelle
zum Verständnisse der Landesgeschichte, so wie zum Theile durch
die Ausschusslandtage mehrerer Kronländer selbst für die Geschichte
des ganzen Reiches. Die Sammlung wird seiner Zeit fortgesetzt,
und gewährt schon jetzt reiche Ausbeute. Auch für die Monumenta
Habsburgica ist bereits ein höchst bedeutendes Materiale gewonnen.
Die Zahl der abgeschriebenen Urkunden, Regesten und Auszüge
erreicht schon jetzt die Ziffer der Urkunden des obigen Codex
diplomaticus für Österreich unter der Enns, nämlich zehn Tausend.
Nicht unerwähnt darf ich ferner lassen, den durch ihren Aus
schuss als Unterlage und Träger der Ausbeute so vieler geschicht
lichen Forschungen und so reichen Stoffes vorbereiteten historischen
Alias, vor der Hand ,;Altösterreichs,” d. i. der fünf alten Provinzen
desselben, nebst beträchtlichen Theilen der angrenzenden Gebiete.
Die Commission liess nämlich mit bedeutenden Kosten im grossen
Maasstabe eine verlässliche Terrainkarte des erwähnten Gebietes in
sechs grossen Blättern anfertigen. Auf die genaue und klare Dar
stellung des Terrains wurde desshalb die grösste Sorgfalt verwendet,
weil hauptsächlich das Verständniss der Verhältnisse des Terrains
erst jenes geschichtlicher Vorgänge, getroffener Eintheilungen und
mancher Besitzverhältnisse, möglich macht. Die Karte lässt, was ihre
Ausführung betrifft, fast nichts zu wünschen übrig und wurde bereits
an gelehrte Gesellschaften wie einzelne Forscher vertheilt, zur Ein
zeichnung der erforderlichen Bestimmungen nach Jahrhunderten, und ist
auch schon durch einzelne derselben theilweise in Angriff genommen.
Wie man aus dem blossen Umfange des bis jetzt Geleisteten
sieht, bat die Commission mit den von der Akademie ihr bisher in
ausgiebiger Weise gewährten Geldmitteln, redlich und erfolgreich
gebahrt, es soll auch fernerhin geschehen, sind auch die Geldkräfte
Sifab. d. phil.-hist, CI. VIII. Bd. IV. Hft. 24
336
v, Karajan.
der Classe durch manche andere Unternehmungen, welche aber der
Unterstützung der Akademie nicht minder würdig sind, dermal
ungleich mehr in Anspruch genommen als früher. Das Forterscheinen
der begonnenen Sammlungen aber ist gesichert, sollte es auch nicht
möglich sein, mit den jetzt gewährten Geldmitteln neben diesen noch
neue anzulegen.
Auch in der Zusammensetzung ihres Ausschusses hat sich im
Laufe dieser vier Jahre Manches verändert. Ich will es hier gleich
hinzufügen als am Schlüsse des allgemeinen Theiles meines Berichtes,
jenes nämlich, der sich mehr mit dem äusseren Umfange und den
verschiedenen Eintheilungen des bis jetzt Unternommenen und zum
Theile schon Gelieferten zu beschäftigen hatte, während der zweite
besondere Theil die genauere Darstellung und Durchordnung der
Ausbeute sich zur Aufgabe stellen wird.
Von den ursprünglichen Mitgliedern der Commission wurde ihr
gleich in den ersten Monaten ihres Bestehens Stephan Endlicher
durch seinen gänzlichen Austritt aus der Akademie entrissen. An
seine Stelle wurden noch im Februar 1848 zwei wirkliche Mitglieder
Bergmann und 'Karajan von der Commission erwählt und diese
Ergänzung und Verstärkung derselben durch die Classe gutgeheissen.
Bis zum dritten November vorigen Jahres blieb Chmel Bericht
erstatter der Commission. In dieser Eigenschaft las er in den Classen-
sitzungen vom 23. Februar 1848 und 14. März 1849 jedesmal einen
kurzen Bericht über die Erfolge der durch die historische Commission
getroffenen Einleitungen. Dass diese Berichte mehr Hoffnungen und
Erwartungen als wirkliche Erfolge zur Kenntniss der Classe bringen
konnten, war bei den damaligen Zeitverhältnissen und dem kurzen
Bestände der Commission erklärlich und natürlich. An dem oben
bezeichneten 3. November 1851 nun legte Chmel, der sieh bis
dahin überwiegend und mit wahrer Aufopferung den Geschäften der
Commission unterzogen hatte, seine Stelle als Berichterstatter der
selben nieder. Ihr Ausschuss erwählte hierauf einstimmig mich an
dessen Stelle. In dieser Eigenschaft erstatte ich heute der Classe
meinen ersten Bericht.
Von weiteren Veränderungen in der Commission habe ich
schlüsslich nur noch zu erwähnen, dass unterm 12. December 1849
durch Beschluss der Classe die beiden wirklichen Mitglieder Safarik
und Palacky in Prag zu Mitgliedern der Commission ernannt wurden,
Bericht über die Leistungen der historischen Commission.
337
und zwar zur Prüfung und Begutachtung allenfalls einlangender slawi
scher Geschichtsquellen und Abhandlungen; ferner dass nach ihrem
Beschlüsse vom 7. Jänner laufenden Jahres auch das wirkliche Mit
glied Arneth zur Vertretung der Interessen der vaterländischen Alter
thumskunde in die Commission eingetreten ist und seit dem 12. Jän
ner 1852 an den wöchentlichen Sitzungen derselben theilnimmt.
Ich wende mich nun zum zweiten besonderen Theile meiner
Aufgabe, nämlich zur genaueren Darstellung und Durehordnung des
in den bisherigen Verölfentlichungen der Commission niedergelegten
geschichtlichen Stoffes.
Ich werde denselben, wie ich glaube, am ungezwungensten nach
den einzelnen Kronländern durchordnen. Es wird sich auf diesem
Wege am klarsten ein übersichtliches, gegliedertes Bild des Gelie
ferten ergeben. Nach der Betrachtung der Ausbeute für jedes einzelne
Kronland, sollen dann jene Beiträge an die Reihe kommen, welche
sich auf die Geschichte mehrerer Kronländer zugleich, sowie der
Gesammtmonarchie beziehen. Hierauf will ich zur Betrachtung der
Ausbeute für die Geschichte ehemaliger Bestandtheile des Reiches
übergehen und dies wird den natürlichen Übergang zur Geschichte
der Nachbarländer des Kaiserstaates bilden. Zum Schlüsse endlich
wollen wir unseren Blick auf jene Beiträge lenken, welche die Ver
hältnisse Österreichs zum deutschen Reiche und dessen Bestand-
theilen durch neuen Stoff beleuchten.
Ich beginne, wie billig, mit dem kleinen Stammlande der Mon
archie, mit demErzherzogthume Österreich, und will zuerst aufführen,
was zur Geschichte von
Österreich unter der Enns
geliefert wurde. Die Beiträge zur Geschichte dieses Kronlandes
zerfallen in vier Abtheilungen, nämlich 1. zur Landesgeschichte im
Allgemeinen; 2. zur Geschichte des Städtewesens; 3. der geistlichen
Körperschaften und endlich 4. des Adels.
1. Als Beiträge zur Landesgeschichte im Allgemeinen
lassen sich folgende Stücke bezeichnen. Vor Allem eine Untersuchung
unseres verstorbenen correspondirenden Mitgliedes Maxim. Fischer
zu Klosterneuburg unter dem Titel: „Einstige Klöster und Ortschaften
im Lande Österreich unter der Enns.” Archiv 2, 79—136. Die
Nachweisungen zu dieser Arbeit sind zum grössten Theile den
338
v. Kar aj an.
urkundlichen Schätzen des Stiftes Klosterneuburg entnommen. Ganz
ähnlicher Natur sind die „Nachträge und Bemerkungen,” welche
der Chorherr und Archivar Wilhelm Bielsky zu Herzogenburg zu
den Regesten unseres wirklichen Mitgliedes Dr. v. Meiller im
Notizenhlatte 1831, S. 75—79 geliefert hat. Auch sie beziehen sich
auf ehemalige Orte Österreichs unter der Enns und belegen diese
zum Tlieile aus archivalischen Quellen des reichen Herzogenburger
Archives. Zu vergleichen sind übrigens Meiller’s Nachträge eben
da S. 138-—144. Auf gleiche Weise hat auch unser verstorbenes
correspondirendes Mitglied Johann v. Fräst die Schätze des Zwetler
Archives in dieser Richtung benützt, und eine Abhandlung unter dem
Titel „Urkunden und geschichtliche Notizen, die sieh in den Hand
schriften des Stiftes Zwetl finden,” im Archive der Commission
2,361 — 427 mitgetheilt. Als den vierten Beitrag zur Landes
geschichte können wir eine zwar nur kurze Mittheilung Chmel’s
aus einer Urkunde des Haus- und Staatsarchives bezeichnen, die
aber desshalb vbn Werth ist, weil sie eine jetzt völlig verschwundene
Burg des Landes, nämlich Scheurberg bei Scheibbs im Y. 0. W. W.
betrifft. Sie ist aus dem dritten Jahrzehent des vierzehnten Jahr
hunderts und nennt uns noch Glieder dieses längst ausgestorbenen
Geschlechtes. Notizenbl. 1851, S. 30.
Einen ferneren Beitrag zur Landesgeschichte aus dem Archive
seines Stiftes lieferte Maximilian Fischer im Notizenblatte 1851,
S. 181 —192. Er betraf mehr allgemeinere Verhältnisse des Ver
kehres, namentlich Handel und Wandel, unter dem Titel: „Bemer
kungen über den Werth des Geldes, der Häuser, Weingärten, des
Weines und der Feldfrüchte, über Besoldungen, Lohn und Satzungen
in den letzten Jahrhunderten des Mittelalters aus Klosterneuburger
Archivs-Schriften.”
Der Erforschung alterthümlicher Kunstdenkmale im Lande Öster
reich unter der Enns ist endlich die Arbeit zweier Freunde gewidmet,
welche das Ergebniss ihrer gemeinschaftlichen Reise in einer längeren
Abhandlung in unserem Archive 5, 139—178, dann 523—606 nie-
■ derlegten. Sie führt den Titel: „Archäologische Notizen, gesammelt
auf einem Ausfluge nach Herzogenburg, Göttweih, Melk und Seiten
stätten im September 1849 von Dr. J. Heider und J. V. Haeufler.”
2. Richten wir unseren Blick von der allgemeinen Geschichte
des Landes unter der Enns auf die besondere einzelner Städte in
Bericht über die Leistungen der historischen Commission.
339
demselben, so finden wir auch diesen Theil im Archive wie Notizen
blatte reichlich vertreten. Es zeigen sich nicht weniger als neun ver
schiedene Beiträge, welche die Schicksale und rechtlichen Verhält
nisse von fünf verschiedenen städtischen Gemeinden dieses Kron-
landes beleuchten.
Um mit der Hauptstadt zu beginnen, so lieferte unser corre-
spondirendes Mitglied Friedrich Blumberger zu Göttweih für die
älteste Geschichte derselben eine kritische Untersuchung, nämlich
„Bedenken gegen die gewöhnliche Ansicht von Wiens Identität mit
dem alten Faviana.” Archiv 3, 353—366. Die Hauptgründe gegen die
dem Bischöfe Otto von Freisingen, somit dem zwölften Jahrhunderte
zugeschriebene Behauptung, der Identität Favianas und Wiens, wer
den aus der „Vita S. Severini,” dem „Itinerarium Antonini” und der
„Notitia utriusque imperii” geschöpft, und namentlich aus der letz
teren, erst in neuester Zeit kritisch herausgegebenen Quelle gefestigt.
Den Schicksalen späterer Zeit, dem Glanzpuncte der Geschichte
Wiens, nämlich seiner zweiten Belagerung durch die Türken im
Jahre 1683, sind zwei wichtige Beiträge gewidmet, beide um so
willkommener, weil sie uns neue Quellen zuführen. Den ersten lieferte
der Capitular des Benedictiner-Stiftes Raigern in Mähren, P. Beda
Dudik, nämlich „des P. Bernard Brulig, Ord. S. Ben., Bericht über
die Belagerung der Stadt Wien im Jahre 1683.” Archiv 4, 255-—296,
dann 397-—495. Er ist, wie man schon aus dem Umfange sieht, ein
sehr ausführlicher, zudem aber auch ein sehr werthvoller, da er
ein gleichzeitiger ist, und abwechselnd Geschäftsstücke, Briefe, Kund
machungen u. s. w. der Erzählung einflicht. Nicht minder wichtig ist
das vom Archivar des geh. Haus- und Staats-Archives, Friedrich
Firnhaher, im Archive 4, 496—508 veröffentlichte „Diarium, was
sich vom 7. Juni anno 1683 bis zu Ende der Belagerung Wiens bei der
türkischen Armee zugetragen.” Dieses Tagebuch ist von einem Augen
zeugen verfasst und beschreibt den Anzug des türkischen Heeres
durch Ungern mit vielen Einzelheiten. Der Verfasser nennt das
türkische Heer, S. 507, „vnser kriegsheer,” war somit nicht etwa ein
Gefangener aus dem Heere Leopold’s. Das Tagebuch scheint mir
Übersetzung, etwa eines italienischen Originals zu sein. Wenn mich
mein Gedächtniss nicht trügt, so sah ich auch vor Jahren einen
gleichzeitigen sehr seltenen Druck dieser Übertragung, was natür
lich ihrem Werthe keinen Eintrag thut.
340
v. Karajan.
Als letzten Beitrag zur Geschichte der Hauptstadt, und zwar
zum Verständniss der früheren Rechtsverhältnisse ihrer Bürger,
lieferte as correspondirende Mitglied J. E. Schlager, „eine Bulle
Papst Bonifaz’IX. vom 2. Juni 1399.” Diese Urkunde, welche sich in
dem sogenannten „Eisenbuche” des städtischen Arehives erhalten
hat, befreit die Bürger Wiens von der „jurisdictio episcopalis,”
oder dem Chorgerichte des Bischofes. Den Ursprung dieser Gerichts
barkeit aber, so wie deren allmähliche Ausdehnung über die ihr zu
kommenden Grenzen hinaus belegte mit den erforderlichen Gesetzes
stellen unter Einem der damalige Privatdocent der Rechte an der
Wiener Hochschule, Dr. Emil Franz Rössler, in der der Urkunde
selbst folgenden Erläuterung. Archiv 3, 215—224.
Neue Quellen zur Kenntniss des Städtewesens in den übrigen
Theilen des Kronlandes brachten folgende Beiträge. Vor Allem für die
Geschichte der Wien zunächst liegenden Stadt Klosterneuburg
das durch Dr. H. J. Zeibig im Archive 7, 309—346 mitgetheilte
„Urkundenbuch der Stadt Klosterneuburg.” Es enthält von Albrechtl.
an herab bis auf Maximilian II. vom Jahre 1298 —1565 in zweiund
vierzig Urkunden die Rechte, Freiheiten und Ordnungen der Stadt,
so wie eine Reihe landesfürstlicher Befehle an dieselbe, theils voll
ständig, theils in Auszügen.
Auf gleiche Weise lehrreich für die Geschichte der landesfürst
lichen Stadt Krems sind die „Auszüge aus den städtischen Gedenk-
biichern” derselben, welche Karl von Sava im Notizenblatte 1851,
S. 255 — 256, niedergelegt hat, so wie desselben Verfassers „Aus
züge aus dem Stadtarchive zu St. Pölten,” ebenda S. 251—255.
Erstere umfassen den Zeitraum von 1267—-1516, jene über St. Pölten
die Jahre 1487 bis 1615.
Der Beleuchtung einer etwas früheren Periode der Geschichte
dieser Stadt dienen „dreizehn Urkunden über die Verpfändung von
St. Pölte n und Mautern an König Matthias Corvinus 1481—1491,
nebst einigen anderen Beiträgen zur Geschichte der Stadt St. Pölten,”
welche der Bibliothekar des Benedictiner-Stiftes Melk, P. Theodor
Mayer, im Archive 6, 403—426 mitgetheilt hat. Sie sind aus den
Originalen des Stadtarchives zu St. Pölten geschöpft, wichtig für die
Geschichte der Finanzen unter K. Friedrich IV. und lehrreich zur Kennt
niss „einiger unerquicklicher Seiten des Verhältnisses zwischen der
damaligen Kirche und dem Staate,” wie sich der Herausgeber ausdrückt.
—BiWlBBLÜILHL
Bericht über die Leistungen der historischen Commission. 341
Schlüsslich ist noch ein kleiner Beitrag zur Geschichte der Stadt
Retz hier einzureihen, welchen K. v. Sava im Notizenblatte 18S1,
S. 303, aus dem Stadtarchive lieferte, nämlich ein Befehl K. Maximi-
lian’s I. vom 19. August 1516 an die von Retz, wegen mehrerer Ver
fügungen des kaiserlichen Pflegers daselbst, Herrn Michael von
Eytzing, das dortige Spital und mehrere andere Gemeinde-Angele
genheiten betreffend.
3. Reicher noch bedacht als die Geschichte der Städte dieses
Kronlandes erscheint jene seiner geistlichen Körperschaften.
Schon der oben erwähnte Aufsatz P. M. Fischer’s „Einstige Klöster
und Ortschaften Österreichs unter der Enns,” beschäftigte sich mit
ihnen, ungleich mehr aber folgende Mittheilungen, welche mittelbar
auch Beiträge zur Kirchengeschichte des Landes bilden, auf anderer
Seite aber wieder durch die reichen Besitzungen dieser Körper
schaften bedeutend in die allgemeine Landesgeschichte eingreifen.
Am reichsten bedacht zeigt sich vor Allem durch den Eifer
unseres verstorbenen Mitgliedes, P. M. Fischer, und dessen
Ordensbruder, Dr. H. J. Zeibig, das Augustiner Chorherren-Stift
Klosterneuburg. Zur Beleuchtung der Geschichte desselben
lieferte ersterer in den Fontes, Abtheilung 2, Bd. 4, den „Codex
traditionum ecclesiae collegiatae Claustroneoburgensis ab anno
1198 usque circiter 1260.” Über die grosse Wichtigkeit dieser
Mittheilung für die Geschichte der Körperschaft, wie jfür jene des
Landes überhaupt glaube ich mich jeder Bemerkung enthalten zu
dürfen. Schon der Auszug der hier vollständig mitgetheilten Quelle,
welchen Fischer vor 37 Jahren seinem Werke über die Schicksale
Klosterneuburgs beigab, hat allenthalben unsere Landesgeschichte
wesentlich gefördert, um wie viel willkommener muss daher die voll
ständige und verlässlichere Mittheilung einer Quelle sein, die zu den
reichsten und ältesten des Landes überhaupt gezählt werden muss.
Der Ordensbruder Fischer’s, der Chorherr Dr. H. J. Zeibig,
tritt mit noch rüstiger Jugendkraft in die Fussstapfen desselben.
Durch ihn finden sich in unserem Archive drei Beiträge zur Geschichte
seines Ordenshauses. Der erste und bedeutendste ist die zum ersten
Male vollständige Mittheilung des wichtigen „Todtenbuches Kloster
neuburgs,” das in seinen frühesten Anführungen ins zwölfte Jahrhun
dert hinaufreicht. Schon die Auszüge in Pez’s Scriptoren I, 491 ff.
und Fischer’s merkwürdigen Schicksalen II, 101 ff. lehrten die
342
v. Karajan.
Bedeutung dieser Quelle kennen. Wir haben sie nun vollständig im
Archive 7, 269—307 vor uns. Schon der blosse Umfang der 28
eng bedruckten Seiten verglichen mit den 14 halbleeren Fischer’s
zeugt von der noch einmal so reichen Fülle dieser Veröffentlichung.
Welcher Forscher aber kennt nicht die Wichtigkeit ähnlicher Quellen?
Zeibig’s zweiter Beitrag ist „ die kleine Klosterneuburger-
Chronik” in deutscher Sprache, Nachrichten aus den Jahren 1322 bis
1428, dann in einem Anhänge aus den Jahren 1569 bis 1576 ent
haltend. Sie hat einen Bürger der Stadt zum Verfasser, behandelt
zum grössten Theile die Schicksale des Stiftes und war bis zur
Stunde völlig unbekannt. Obwohl klein an Umfang, im 7. Bande des
Archives die Seiten 227—282 füllend, birgt sie doch höchst wichtige
Nachrichten. So z. B. zum Jahre 1367 jene völlig neue über den
eigentlichen Erfinder des Ungelds in Österreich, den Bischof
Johann von Brixen, so wie über manche Äusserungen, Ansichten und
Gewohnheiten des Volkes, die sich sonst nirgends bewahrt finden.
Als dritten Beitrag zur Geschichte seines Ordenshauses lieferte
Zeibig im Archive 5, 261;—316, eine Geschichte und Beschreibung
der Büchersammlung seines Stiftes, deren Beilagen namentlich für
den Literarhistoriker von Werth sein müssen. Es befinden sich näm
lich darunter vier sehr alte Handschriften-Verzeichnisse abgedruckt,
auf welche zwei Namenreihen der Schreiber des Stiftes folgen, die
eine von 1380 —1496, die andere von 1340—1457. Die siebente
Beilage endlich enthält die Aufzählung jener Handschriften, welche
Lehrer der Wiener Hochschule zu Verfassern haben. Wir begegnen
dadurch unter ihnen Namen, wie Thomas von Strassburg, Heinrich
von Langenstein, d. i. Henricus de Hassia, Niklas von Dinkelspül,
Heinrich von Oyta, Johannes de Gamundia, Thomas Ebendorfer von
Haselbach u. s. w. Der Reichthum an Handschriften, gerade der Mei
ster dieser Hochschule, an sich schon erfreulich, da Wien damals
neben Prag die bedeutendste Universität Deutschlands war, legt zu
gleich Zeugniss ab von dem wissenschaftlichen Sinne dieser geist
lichen Körperschaft.
Zur Geschichte des Benedictiner-Stiftes Seit en stetten bringt
das Archiv und Notizenblatt vier Beiträge, zwei von unserem wirk
lichen Mitgliede Chmel und zwei von J. E. Ritter von Koch-Stern
feld zu Tittmaning in Baiern. Chmel theilte vor Allem im Archive
Bd. 1, Heft 8, 3—18 „das älteste Urbarium” des Stiftes mit. Es ge-
Bericht über die Leistungen der historischen Commission.
343
hört in die Zeit des Abtes Konrad IV., also in die Jahre 1290—1308,
und lag bisher ungedruckt im Archive des Klosters. Über mehrere die
Geschichte dieser Körperschaft beleuchtenden Handschriften in dem
selben Archive handelt Chmel’s zweiter kleinerer Beitrag im Notizen
blatte 1851, S. 63. Die beiden Abhandlungen des Ritters von Koch-
Sternfeld stehen im Archive 1848, 4, 83—120, dann 121 —141.
Die erste bringt Forschungen „über den Erzbischof Wichmann von
Magdeburg und die Abtei Seitenstetten”, die zweite handelt über „die
Dynastie von Hagenau, Mitstifter der Abtei Seitenstetten.”
Die Geschichte des Augustiner Chorherren-Stiftes Herzogen-
burg hat durch seinen thätigen Archivar, Willi. Bieskly, zwei
kleine, aber wichtige Beiträge erhalten. Beide stehen in unserem
Notizenblatte 1851, S. 159—160, dann 204 — 208. Der erste der
selben enthält eine förmliche Verfassungs-Urkunde des Stiftes, die
bis dahin völlig unbekannt war. Sie ist durch den Propst Jakob im
Jahre 1378 errichtet und bestimmt genau die Rechte des Propstes
jenen des Capitels gegenüber. Dieselbe wurde im bezeichneten Jahre
in Gegenwart eines öffentlichen Notars vor dem Hochaltäre der Stifts
kirche feierlich gegeben und angenommen, war aber bis jetzt in dem
Archive des Stiftes verschwunden und gänzlich in Vergessenheit ge-
rathen, als sie Bielsky auf den Deckeln eines Urbars zum Einbande
verwendet fand, darauf sorgfältig ablöste und dem Archive wieder
einverleibte. Der zweite Reitrag enthält eine Reihe von urkundlichen
Nachweisungen zur Geschichte des Stiftes unter der Überschrift:
„Notizen zur Geschichte Herzogenburgs.” Höchst anziehend unter
denselben ist eine längere Aufschreibung des Propstes Nicolaus vom
Jahre 1360, in welcher er sich über die Gewaltthätigkeiten und Ein
mischungen Herzog Rudolph’s IV. in kirchliche Dinge beklagt und
namentlich über die wiederholten Einlagerungen von Kriegsvolk und
andere Forderungen des Landesherrn in halb komische-Wuth ge-
räth. Diese Aufzeichnung steht auf Seite 208.
Ausser den bisher erwähnten Beiträgen zur Geschichte der
geistlichen Körperschaften des Landes, sind noch ganz vorzüglich
drei Klöster mit solchen bereichert worden. Vor Allem das Cister-
cienser-Kloster Zwetl im V. 0. M. B., dessen vollständiges Stif
tungsbuch, herausgegeben durch unser nun verstorbenes Mitglied
J. v. Fräst, der dritte Band der zweiten Abtheilung unserer Fontes
zum Gemeingute macht. Um wie viel verlässlicher, reicher und be-
344
v. Karajan.
quemer ist diese wichtige Quelle unserer Landesgeschichte jetzt zu
benützen gegen früher, wo man sich mit Links verdienstlichen aber
unvollständigen Auszügen kümmerlich behelfen musste.
Ein zweites nicht mehr bestehendes Cistercienser-Nonnen-
Kloster dieses Kronlandes, nämlich jenes von St. Bernhard nächst
Alt-Melon im V. 0. M. B., wird nächstens ebenfalls in unseren
Fontes sein Stiftungsbuch vollständig abgedruckt erhalten. Es ist
bereits durch den Chorherrn Dr. Zeibig druckfertig der Commis
sion zur Herausgabe übergeben.
Als dritte bedeutende Bereicherung der Geschichte geistlicher
Körperschaften in Österreich unter der Enns, sind die durch den
Bibliothekar von Melk, P. Theodor Mayer, im Archive 2, 1 bis 52
mitgetheilten Urkunden des Prämonstratenser-Stiftes Geras zu be
trachten. Sie sind um so vollkommener, als gerade über dieses Stift
ausser dem wenigen, was sich in Marian-Fidlers „Österreichischer
Klerisei” findet, nirgends Verlässliches gesammelt begegnet. Dieser
Beitrag ist aber auch für die Landesgeschichte von eben so grosser
Bedeutung, weil sich gerade über diesen Theil Österreichs unter
der Enns auffallend wenig urkundliches erhalten hat.
Zum Schlüsse will ich noch auf vier kleinere Beiträge zur Ge
schichte dreier Ordenshäuser und einer Kirche hinweisen, welche
alle vier im Notizenblatte 1851 niedergelegt wurden. Einmal auf
Seite 28 eine „Urkunde vom 26. April 1310, durch welche Friedrich
der Schöne dem Frauenkloster zu Tuln den Kauf eines Hauses zu
Chrut” bestätigt und demselben seine und seiner Brüder Rechte auf
dieses Haus überlässt. Sie wurde von Chmel aus dem Originale
des geheimen Haus- und Staatsarchives mitgetheilt. Darnach auf
Seite 64 durch den Abt Bernhard Schwindel eine Nachweisung der
historischen Handschriften des Cistercienser-Stiftes N eukloster
zu Wiener-Neustadt. Ferner durch K. v. Sava auf Seite 298 und
299 eine wichtige Urkunde, das Nonnenkloster St. Ni das vor
dem Stubenthor zu Wien betreffend, aus den Jahren 1227 bis 1242;
endlich durch denselben auf Seite 300 bis 302 ein Inventar der
Ottlieimen-Capelle zu Wien aus dem Jahre 1431.
4. Für die Geschichte des Adels im Kronlande Öster
reich unter der Enns sind zwar nur zwei Beiträge aufzuführen, und
beide nur ein und dieselbe Familie betreffend, aber nichts desto we
niger von bedeutendem Interesse, nämlich: „DieFamilien-Chronik der
Bericht über die Leistungen der historischen Commission. 34b
Becken von Leopoldsdorf,” herausgegeben durch Dr. H. J. Zeibig,
und als zweiter Beitrag ein Anhang zu derselben, bestehend aus
„Regesten ungedruckter Urkunden zur Orts-, Familien- und Landes
geschichte Österreichs aus dem Archive zu Leopoldsdorf,” von Dr.
Wolfarth. Die Chronik selbst ist die Original - Aufschreibung der
Familienglieder und reicht vom Jahre 1467 bis 1571. Begonnen
hat sie Conrad Beck, Bürger zu Mengen im Donaukreise des
heutigen Königreiches Würtemberg. Sie hat sich auf einigen Blät
tern einer Miscellan-Handschrift der Stiftsbibliothek zu Kloster
neuburg erhalten und berichtet auf lebendige und anschauliche Weise
das Emporkommen dieses Geschlechtes, das bald am Hofe Ferdi-
nand’sl. und Maximilians II. hohe Würden bekleidete. Leider bricht
sie zu früh ab, sonst würde sie wahrscheinlich auch über die weiten
Reisen des zuletzt eintragenden Hieronymus, der seinen Namen in die
grosse Pyramide zu Ghise meisselte, zu erzählen wissen. Beide Auf
sätze liegen der Commission druckfertig vor und sollen nächstens
unter die Presse.
Wir gehen nunmehr nach unserem Plane zur Aufzählung und
Durchordnung jener Mittheilungen über, welche zur Geschichte
des Landes
Österreich ob der Enns
geliefert wurden.
Als Beiträge zur allgemeinen Landesgeschichte lassen
sich folgende auffassen. Vor Allem die wichtigen „Urkunden, Briefe
und Actenstücke zur Geschichte K. Ladislaus Posthumus, Erzher
zog Albrecht’s VI. und Herzog Sigmund’s von Österreich,” welche
Chmel im zweiten Bande der zweiten Abtheilung der Fontes, zu
meist aus den Schätzen des Haus- und Staats-Archives zum ersten
Male veröffentlicht hat. Sie betreffen die Jahre 1443 bis 1465.
Namentlich sind hier jene Documente zu berücksichtigen, welche
sich auf Herzog Albrecht VI. beziehen, dem das Land ob der Enns
als Erbtheil durch Vertrag vom 15. Mai 1458 zugefallen war.
Ebenso das Land im Allgemeinen betreffend sind zum grossen
Theile die „Nachrichten über archivalische Vorräthe in Aistersheim,
Freistadt und Wartberg,” welche A. M. Böhm im Notizenblatte
1851, Seiten 91 bis 93 geliefert hat, als einen Theil seiner „Wande
rungen durch die Archive des Erzherzogthums Österreich ob und
a
346
v. Karajan.
unter der Enns.” Unter ihnen scheint besonders eineMiscellan-Hand-
schrift mit historischen Gedichten und Liedern aus dem sechzehnten
Jahrhundert zu Aistersheim, ein Tagebuch über die Belagerung Frei-
stadts durch die empörten Bauern unter Hanns Christoph Hayden,
endlich ein altes Gedenkhuch zu Wartberg beachten s werth.
Eine gründliche Untersuchung „über den Ufgau,” dessen Lage
und Umfang seit fast hundert Jahren verschiedenartig aufgefasst
wurde und zu den abweichendsten Annahmen führte, lieferte unser
wirkliches Mitglied J. Stiilz im Notizenblatte 1851, S. 347 bis 352.
Stülz wies schlagend nach, dass derselbe zwischen der Traun und
dem Hausruck zu suchen sei, und südlich an den Attergau grenzte.
Als letzter Beitrag und zwar zur speciellen Landesgeschichte
ist hier das durch Climel im Notizenblatte 1851, S. 37 bis 43,
51 bis 57 und 66 bis 74 gelieferte „Urbar der ehemaligen Staats
herrschaft Falkenstein im Mühlkreise” einzureihen. Es ist im Jahre
1570 errichtet und viel ausführlicher und umständlicher abgefasst,
als gewöhnliche Urbare. Recht schlagend sieht man an diesem her
vorstechenden Beispiele, wie viel aus gewöhnlich so gering geach
teten Quellen zur genauen Kenntniss der Rechtsverhältnisse früherer
Zeiten zu lernen ist.
Zur Geschichte der geis tlieben Körperschaften dieses
Landes wurden zwei bedeutendere Beiträge geliefert. Erstens eine
kritische Prüfung der seit ihrer ersten Veröffentlichung durch
F. Kurz im Jahre 1808 so oft besprochenen und angefochtenen äl
testen Urkunden des Klosters Gleink, durch den Archivar von
St. Florian, unser wirkliches Mitglied Jod. Stülz im Archive 3, 267
bis 280 unter der Überschrift: „Die ältesten Urkunden des Klosters
Gleink,” in welcher sich derselbe dahin ausspricht, dass die Lö
sung des Räthsels, wie der echte Inhalt der Urkunden zu den Feh
lern der Ausfertigung passe, vielleicht darin liege, dass, nachdem
schon zu Anfang des dreizehnten Jahrhunderts die Originale durch
Brand oder Sorglosigkeit untergegangen waren, was eine Urkunde
Herzog Leopold’s VII. geradezu erwähne, bei einer Wiederherstellung
derselben nach alten echten Abschriften in Diplomatarien ein unge
schickter Ausfertiger manches, ja vieles versehen habe.
Den zweiten und letzten Beitrag zur Geschichte einer geist
lichen Körperschaft Österreichs ob der Enns lieferte Prof. F. X.
Pritz zu Linz, im Archive 5, 639 bis 659, und zwar unter der Auf-
Bericht über clie Leistungen der historischen Commission.
347
schritt: „Die Gründung des Collegiatstiftes weltlicher Chorherren zu
Mattigh ofen.” Die Stiftungs-Urkunde ist vom Jahre 1438, das
Stiftungsjahr war bisher streitig. Die vorliegende Untersuchung
weist aber nach, dass der Entschluss zur Gründung des Stiftes durch
die Brüder Conrad und Hanns Kuchler schon im Jahre 1430 ge
hisst war, und erst durch die Witwe Hannsens von Küchel ins
Werk gesetzt wurde.
Reicher bedacht als jene der geistlichen Körperschaften zeigt
sich bis jetzt die Geschichte des Adels in Österreich ob der
Enns. Den bedeutendsten Beitrag hiezu lieferte Jod. Stiilz im No
tizenblatte 1831, Seite 313 bis 320, 329 bis 330, 341 bis 347,
361 bis 368 und 372 bis 382, durch eine mühsame Reihe von 243
„Regesten zur Geschichte der Grafen von Schaunberg.” Sie um
fassen die Zeit vom Jahre 1263 bis 1407, und sind desshalb von
Bedeutung für die Geschichte des Landes, weil dieses Geschlecht
zu den hervorragendsten desselben gehörte und durch seinen reichen
Grundbesitz innig mit dessen Schicksalen verflochten, auch durch
hohe Stellungen an der Leitung derselben betheiligt war.
Zur Geschichte eines zweiten berühmten Adelsgeschlechtes,
nämlich der Lamberge, theilte F. X. Pritz im Archive 7, 183
bis 203 einiges mit, unter dem Titel: „Ein Beitrag zur Geschichte
der Lamberge von Steier, besonders in jüngerer Zeit.”
J. E. Ritter von Koch - Sternfeld endlich lieferte eine Unter
suchung über die uralten, ins eilfte Jahrhundert hinaufreichenden
Geschlechter von Moosbach und Weng im Innviertel. Sie findet
sich im Archive 1, 4, 131 his 139 unter der Überschrift: „Die
dynastischen Zweige zu Moosbach und Weng.”
Hiermit sind die bisherigen Leistungen zur Geschichte Öster
reichs ob der Enns geschlossen und wir gehen nun zur Aufzählung
jener Mittheilungen über, welche sich auf beide Theile des Stamm
landes oder das
Erzherzogthum Österreich
beziehen. Die bis jetzt gelieferten Arbeiten über dieses Kronland
lassen sich wieder nach drei Gesichtspunkten durchordnen.
Erstens in Bezug auf allgemeine Landesgeschichte.
In dieser Hinsicht sind für die ältere Zeit, besonders die „Auszüge aus
Hermann’s von Nieder-Altaich Urkunden und Notizen-Sammlung” zu
348
v. Karajan.
berücksichtigen, welche Chmel im Archive 1, 1, 1 bis 72 in reicher
Fülle mitgetheilt hat. Sie umfassen die Zeit von 1242 bis c. 1300.
Ebenso wichtig sind die „historisch-topographischen Erörte
rungen über Pottenburg, den Gau Gruzwiti, dann Askituna” von Dr.
A. v. Meiller im Notizenblatte 1831, Seite 269 bis 272, 283 bis
288. Besonders die Untersuchung über den Grunzwitengau, der schon
seit fast einem Jahrhunderte zahlreiche in- und ausländische Forscher
wie ein Irrlicht zum Besten hielt. Nicht minder sind jene über As
kituna, welches wie der Grunzwitengau von verschiedenen Forschern
nach den einzelnen Theilen des Erzherzogthums hin- und her
geschoben wurde, von grossem Interesse und zeigen auf erfreuliche
Weise, dass die Forschung unserer Tage, mit ungleich reicherem
Materiale ausgerüstet, sicherer einherschreite, und dann häufiger
zum Ziele gelange.
Auf jüngere Zeiten bezüglich sind folgende zwei Mittheilungen. Der
„Absagebrief Erzherzog Albrecht’s VI. dem Erzherzogthume Öster
reich zugesandt am 19. Juni 1461” in der Absicht, es mit Heeresmacht
gegen König Georg Podiebrad zu besetzen, welchen Karl von Sava
aus dem Originale einer Privat-Sammlung im Notizenblatte 1831,
Seite 302 veröffentlichte, dann die durch Chmel, ebendaselbst
Seite 212 bis 224, 228 bis 240, 241 bis 231 und 263 bis 268
mitgetheilten beiden Verzeichnisse: „die Regimentsräthe des n. ö.
Regiments von 1329 bis 1637” und „die Kammerräthe der n. ö.
Kammer von 1329 bis 1606.”
Zweitens in Bezug auf die Geschichte geistlicher Kör
perschaften. In dieser Hinsicht ist nur ein einziger Beitrag auf
zuführen und dieser nicht strenge genommen, weil er überwiegend
Österreich unter der Enns betrifft, nämlich die durch den Bibliothekar
des Stiftes Melk P. Th. Mayer im Archive 3, 281 bis 331 gelie
ferten und sorgfältig untersuchten „Acta S. Quirini Martyris”. Es
dreht sich nämlich bei dieser Untersuchung hauptsächlich um die
Frage: ob die Gründer des Stiftes Tegernsee in Baiern auch jene
S. Pöltens sind, ob bairische Grosse im siebenten und achten Jahr
hunderte wirklich Besitzungen im Avaren-Lande besassen, und ob
damals überhaupt fromme Stiftungen in Österreich, namentlich unter
der Enns möglich waren oder nicht. Zur Beantwortung dieser Fra
gen sind die erwähnten „Acta” von grosser Bedeutung, sie gewähren
aber auch sonst noch mannigfaches Interesse.
Bericht über die Leistungen der historischen Commission.
349
Drittens in Bezug auf die Geschichte des Adels im Erz-
herzogthume. Zu dieser begegnen wir sechs verschiedenen Beiträ
gen. Zwei davon betreffen das Freiherrengeschlecht der Eitzinger
von Eitzing, welches, aus Baiern nach Österreich gelangt, im
fünfzehnten Jahrhunderte den grössten Einfluss auf die Geschicke
des Landes nahm. So war bekanntlich Ulrich Eitzinger der Führer
der Opposition gegen Kaiser Friedrich IV. Beide bedeutende Mit-
theilungen verdanken wir Chmel. Sie stehen im 1. Bande des
Archives 2, 1 bis 69 und 5, 19 bis 116. Der erstere mit der be
sonderen Überschrift: „Auszüge aus einem Diplomatarium dieses
Geschlechtes, das in dem Archive der Herrschaft Aspern an der
Zaya aufbewahrt wird,” umfasst die Jahre 1438 bis 1450. Der zweite
ohne eine solche nur mit der beiden gemeinschaftlichen: „Zur Ge
schichte des österreichischen Freiherrengeschlechtes der Eitzinger
von Eitzing” umfasst die Jahre 1450 bis 1561. Schon ein Jahr
früher hatte Chmel in Schmidl’s Österreichischen Blättern 1847,
Nr. 53 ff. aus demselben Diplomatar zahlreiche Auszüge geliefert.
Der Sitz dieses Geschlechtes war allerdings Österreich unter der
Enns, da es aber so entschiedenen Einfluss auf die Schicksale des
ganzen Landes nahm, übrigens seine Besitzungen in beiden Theilen
desselben hatte, hielt ich es für zweckmässiger, es hiereinzureihen.
Auf ähnliche Weise verhält sichs auch mit den folgenden Bei
trägen zur Geschichte der grossen Herrengeschlechter. So gleich
mit jenem der Hardecke, zu dessen Geschichte folgender Aufsatz
gehört: „Heinrich Graf von Hardeck, Burggraf von Duino, judex
provincialis von Österreich von F. Firnhaber.” Archiv 2, 173
bis 209- In demselben wird namentlich eine sorgfältige Untersuchung
angestellt über die Frage, nach welchem Theben die Grafen von
Hardeck auch Grafen von Theben genannt werden. Es bleibt kein
Zweifel, dass Duino an der Küste des adriatischen Meeres in Istrien,
ein uraltes Besitzthum der Hardecker, diesen Beinamen veranlasste,
ein Besultat, zu dem auch ich schon im Jahre 1845 gelangt war,
und zwar gegen die gewöhnliche Annahme, welche Theben an der
ungrischen Grenze, Hainburg gegenüber, dafür ansieht. Man sehe
Haupt’s Zeitschrift 5, 243. Hier aber wird die Sache mit reichen
urkundlichen Belegen weiter ausgeführt.
„Die Jugend- und Wanderjahre des Grafen Franz Christoph von
Khevenhüller nach seinen eigenen Aufzeichnungen” hat eine
350
V. Karaj an.
höchst anziehende Arbeit Jod. Stülz’s im Archive 4, 331 bis 393
zum Gegenstände.
Ausser diesen grösseren Arbeiten stehen sehiüsslieh noch zwei
kleinere Beiträge, eine zur Geschich+e der berühmten Meissauer,
der andere zu jener der Rogendorfer, im Notizenblatte 1851,
S. 12 und 106 bis 111, dann 119 bis 123. Der erstere Aufsatz lie
fert aus dem Originale des Haus- und Staats-Archives: „Die Ver
kaufsurkunde Stephan’s von Meissau und Otto’s von Kyau über meh
rere lehenbare Gülten zu Vetzeindorf, Peigarten, Aspern u. s. w.,”
bestätigt durch Herzog Friedrich den Schönen am 6. Mai 1307. Der
zweite aber besteht aus einem Verzeichnisse von 283 Original-Ur
kunden, welche zum grössten Tlieile die Geschichte des Geschlech
tes der Rogendorfer betreffend im Franzens-Museum zu Brünn ver
wahrt werden.
Hiemit sind die Mittheilungen zur Geschichte des kleinen Stamm
landes der Monarchie geschlossen, und wir gehen nun zur Durch
ordnung jener Arbeiten über, welche bis jetzt zur Beleuchtung der
Geschichte der übrigen Kronländer geliefert wurden. Wir wollen
zuerst das
Herzogthum Salzburg
ins Auge fassen. Für die Geschichte dieses Kronlandes ist nur we
niges eingelangt.
Zu dessen Landesgeschichte im Allgemeinen liegt
ein Aufsatz G. Pichler’s vor: „Geschichte der ehemaligen Herr
schaft Radeck im Salzburgischen,” der nächstens im Archive erschei
nen wird.
Für die Kirchengeschichte und jene geistlicher
Körperschaften wurden mehrere Arbeiten geliefert. Vier dersel
ben betreffen einen und denselben Gegenstand, nämlich die alte Streit
frage über das wahre Zeitalter des heil. Ruprecht. Zur Lösung dieser
schwierigen Frage, wurden folgende Aufsätze veröffentlicht. Zuerst
im Archive 5, 385 bis 497 eine Abhandlung J. E. Ritter’s von Koch-
Sternfeld: „Über das wahre Zeitalter des heiligen Ruprecht,” und
ihr unmittelber auf dem Fusse folgend eine zweite von Dr. W. Wat
tenbach: „Über das Zeitalter des heiligen Rupert,” Archiv 5, 499
bis 522. Die erstere der beiden Abhandlungen fusst auf der
Tradition der Salzburger Kirche, die zweite auf den Ergebnissen
Bericht über die Leistungen der historischen Commission.
351
der uns. erhaltenen ältesten Nachrichten, mit Ausschluss schon
jener des zwölften Jahrhunderts, welchen, als nicht unparteiischen,
neben jenen ungleich älteren kein Gewicht beigelegt wurde. Es
konnte nicht fehlet*, dass beide Forscher zu verschiedenen Er
gebnissen gelangen mussten. Die Replik und Duplik liess von beiden
Seiten nicht lange auf sich warten. Erstere erschien im Notizenblatte
1851, S. 129 bis 138, letztere ebenda S. 260 bis 263. Das Ergeb
nis war wie gewöhnlich keine Vereinigung, sondern wie bisher in
Bezug auf Ruprecht’s Tod ein Abstand von mehr als hundert Jahren.
Koch-Sternfeld lieferte ausserdem noch eine Abhandlung für
die Ad eis ge sc hi chte dieses Kronlandes, nämlich in seiner Unter
suchung „die Sarchili” und „Scharsachs” im Hause Playen-Beil-
stein,” welche im Archive 1, 4, 143 bis 150 veröffentlicht wurde.
Beide Namen begegnen nämlich in sehr alten Urkunden, z. B. des
10. und 11. Jahrhunderts als Namen von Gaugrafen im Salzburgischen,
in Kärnten, Österreich ob der Enns u. s. w. Koch-Sternfeld hält
nun diese Grafen mit jenen von Playen-Beilstein für identisch, und
sucht seine Ansicht durch urkundliche Belege zu festigen.
Nicht weniger ergiebig der Zahl wie dem Inhalte nach waren
die gelieferten Arbeiten und urkundlichen Beiträge für die Ge
schichte der
St ei erma rk.
Vor Allem sind für die allgemeine L andes ge schich te
von Bedeutung die schon oben zur Geschichte Österreichs erwähn
ten von Chmel im ersten Bande der zweiten Abtheilung der Fontes
gelieferten „Urkunden zur Geschichte Österreichs, Steiermarks,
Kärntens u. s. w.,” aus den Jahren 1246 bis 1300, so wie ein Paar
kleinere Mittheilungen F. Firnhaber’s im Notizenblatte 1851, S. 74
und 75. Diese betreffen nämlich „Nachweisungen zur Geschichte
Ernst’s des Eisernen, namentlich dessen Titel Erzherzog,” und brin
gen eine bisher unbekannte Urkunde Cimburga’s von Massovien vom
21. März 1428. Bei der grossen Seltenheit von Urkunden dieser
Fürstinn gewinnt die mitgetheilte , welcher die nölhige Erläuterung
beigegeben ist, um so mehr an Bedeutung.
Als eine fernere Bereicherung der Quellenkenntniss zur Lan
desgeschichte Steiermarks ist das von Chmel im Notizenblatte 1851.
S. 111 bis 112 mitgetheilte „Volkslied über den Aufruhr der windi-
Sitzb. d. phil.-hist. Cl. VIII. Bd. IV. Hft.
25
352
v. Karaj an.
sehen Bauern in Steiermark, Kärnten, Krain u. s. w.” vom Jahre
1516 zu betrachten.
Die Ge sc h i eilte des Städte wesens aber hat durch die
im Notizenblatte 1851, S. 11, mitgetheilte Urkunde Herzog Friedrich’s
des Schönen vom 15. März 1307, durch welche derselbe die Frei
heiten der Stadt Voitsberg bestätigt, eine zwar kleine aber
werthvolle Bereicherung erhalten.
Zur Adelsgeschichte des Landes endlich sind zwei Arbei
ten eingelaufen und veröffentlicht. Erstens im Archive 4, 157 bis
230, dann 6, 319 bis 401 eine längere Untersuchung Dr. Karlmann
Tangl’s aus zwei Abtheilungen bestehend und bis zum Jahre 1077
reichend, mit der Überschrift: „Die Grafen, Markgrafen und Her
zoge aus dem Hause Ep penstein,” zu welcher unser wirkliches
Mitglied Jodok Stülz, ebenfalls im Archive 4, 643 bis 654 wichtige
Nachträge lieferte.
Zweitens über denselben Gegenstand eine Arbeit J. E. Ritters
von Koch-Sternfeld im Archive 7, 347 bis 359 mit dem Titel:
„Zur Vorgeschichte der Dynasten von Miirzthal und Eppenstein in
der Steiermark,” und wie die Nachträge Stülz’s durch die Arbeit
Tangl’s veranlasst.
Die Geschichte des Nachbarlandes
Kärnten
hat nicht geringere Bereicherung, sowohl an geschichtlichem Stoffe,
als durch ernste, wissenschaftliche Arbeiten erhalten. Besonders
thätig erwies sich im Lande selbst Gottlieb Freih. v. Ankershofen,
Director des historischen Vereines.
Vor Allem zur Kenntniss des Materiales der allgemeinen
Landesgeschichte förderlich war dessen „Nachweisung über
die Handschriften des historischen Vereines zu Klagenfurt,” im Ar
chive 1, 2, 71 bis 82. Dann aber ganz besonders dessen „Regesten
zur Geschichte Kärntens,” von welchen bereits drei Abtheilungen,
von der ältesten Zeit bis zur Mitte des zwölften Jahrhunderts reichend
in folgenden Bänden des Archives 1, 3,1 bis 39, 2, 309 bis 359, end
lich 5, 179 bis 260 sich abgedruckt finden. Eine vierte Abtheilung,
die Jahre 1151 bis 1170 umfassend, ist bereits eingelangt und wird
nächstens unter die Presse kommen. Durch diese Regesten namentlich
ist für die Geschichte des Kronlandes erst fester Boden gewonnen.
Bericht über die Leistungen der historischen Commission. 353
Als fernere Beiträge zur Landesgeschichte müssen hier einge
reiht werden: die schon oben in der Abtheilung Steiermark erwähn
ten beiden Veröffentlichungen Chmel’s, nämlich die „Urkunden zur
Geschichte Österreichs, Steiermarks, Kärntens u. s. w.” aus den
Jahren 1246 bis 1300, dann das ebenda erwähnte „Volkslied über
den Aufstand der windischen Bauern.”
Auch zur Geschichte der Landesfürsten Kärntens
kann hier auf die oben S. 352 erwähnten Arbeiten Tangl’s, Stülz’s
und Koch - Sternfeld’s über die Grafen, Markgrafen und Herzoge
aus dem Hause Eppenstein verwiesen werden.
Zur Ergänzung dieses Theiles der allgemeinen Landesgeschichte
sind aber noch zwei Arbeiten im Archive zu nennen. Die eine ist im
3. Bande desselben S. 225 bis 265 abgedruckt und handelt „Über
Friaul und die Herzoge von Kärnten nach dessen Trennung von Baiern
im Jahre 995.” Ihr Verfasser ist unser wirkliches Mitglied J. Berg
mann. Es bildet dieselbe einen Theil seiner Arbeit über die Topo
graphie der sieben und dreizehn Gemeinden auf den venezianischen
Alpen.
Die zweite Abhandlung, vor kurzem eingelangt, erscheint in
einem der nächsten Hefte des Archives, nämlich eine Untersuchung
des Freiherrn von Ankershofen „Über den angeblichen Herzog
Gottfried von Kärnten” im 11. Jahrhundert. Auch diese Arbeit
ist durch Tangl’s oben erwähnte Abhandlung über die Eppensteiner
hervorgerufen worden.
Für die Geschichte des Städtewesens in diesemKron-
lande von Bedeutung sind die von Chmel im Notizenblatte 185, 277
bis 283, 294 bis 298, 310 bis 314, 325 bis 328, 337 bis 341, end
lich 354 bis 361 gelieferten fünf und siebenzig Urkunden, theils
vollständig, theils im Auszuge, zur Geschichte der Stadt Friesach.
Sie umfassen den Zeitraum vom Jahre 1162 bis zum Jahre 1596.
Unter ihnen begegnet auch eine längere Urkunde vom 3. Oetober
1346, und zwar auf S. 326 bis 328, welche die Stadt Gmünd in
Kärnten betrifft.
Den Ursprung und die Geschicke geistlicher Körper
schaften im Lande haben nachfolgende Beiträge zum Gegenstände.
Einmal eine Abhandlung Koch-Sternfeld’s: „Genealogische und topo
graphische Forschungen über die Stifter, die Stiftung und Ausstat
tung von Ebern dorf, Gurnitz, Teinach und St. Lorenz
25 *
354
v. Karajan.
zu Burg Stein in Kärnten,” im Archive 4, 231 bis 254, beglei
tet von Bemerkungen unsers wirkl. Mitgliedes Jodok Stiilz auf den
Seiten 643 bis 654 desselben Bandes.
Zweitens eine neu zugewachsene Quelle zur Geschichte des
Klosters Ossiach, nämlich: „Des Abtes Zacharias Gröblacher
Annales Ozziucenses mit der Fortsetzung durch Abt Hermann
Ludinger,” im Archive 7, 205 bis 226, mitgetheilt durch den uner
müdlichen Freih. v. Ankershofen. Die Auffindung dieser Annalen ist
um so erfreulicher, weil wir in ihnen, wie der Herausgeber nach
weist, den „antiquus Codex” vor uns haben, dessen wir bis jetzt
so ungern entbehrten, wenn wir die zahlreichen Auszüge aus dem
selben in Wallner’s „Annus millesimus monasterii Ozziacensis”
lasen, und dann ausser Stande waren, ihre Quelle weiter zu verfolgen.
Die Geschichte des Herzogthums
K r a i n
so wie jene des Nachbarlandes
G ö r z
ist in den bisherigen Veröffentlichungen der Commission durch keine
besondere Abhandlung oder Quellensammlung bedacht. Was für die
Geschichte dieser beiden Kronländer an neuem Stoffe geliefert wurde,
findet sich in den durch Chmel herausgegebenen „Urkunden zur Ge
schichte von Österreich, Steiermark, Kärnten, Krain, Görz u. s. w.,”
im ersten Bande der zweiten Abtheilung der Fontes. Es sind Ur
kunden aus den Jahren 1248 bis 1293, für Krain nur wenige Stücke,
für Görz etliche sechzig.
F r i a u 1,
und zwar zuerst dessen Landesgeschichte, findet in dem schon
erwähnten Aufsatze unseres wirklichen Mitgliedes J. Bergmann:
„Topographie der sieben und dreizehn Gemeinden auf den veneziani
schen Alpen,” im Archive 3, 225—265, namentlich für die Zeit des
ausgehenden zehnten Jahrhunderts, einige Nachweisungen.
Dieselbe Abhandlung enthält auch einen eigenen Abschnitt zur
Geschichte der geistlichen Körperschaften jener Gegenden,
unter der Überschrift: „Das dem heiligen Gallus geweihte Benedic-
tiner-Kloster Mosach, jetzt „Moggio di sopra” in Friaul.”
Bericht über die Leistungen der historischen Commission.
355
Istrien und Triest
sind in der oben zu Krain und Görz erwähnten Urkunden-Sammlung
im ersten Bande der zweiten Abtheilung der Fontes mit vertreten, so
wie sich auch der oben zur Adelsgeschichte des Erzherzogthums
Österreich erwähnte Aufsatz Firnhaber’s über „Heinrich Grafen
von Hardeck, Burggrafen von Duino” im dritten Bande des Archives,
S. 173—209, auf diese Gebiete bezieht.
In viel reicherem Masse als die eben genannten Kronländer zeigt
sich aber
Tirol
vertreten. Ausser der wiederholt erwähnten Urkunden-Samm
lung im ersten Bande der zweiten Abtheilung der Fontes welche
reiche Beiträge zur Geschichte des Landes und seiner Re
genten, namentlich aus den Vierziger- bis Neunziger-Jahren des
dreizehnten Jahrhunderts enthält, findet sich noch reichere Ausbeute
in den ebenfalls durch Chmel im zweiten Bande der zweiten Abthei
lung der Fontes gelieferten „Urkunden, Briefen und Actenstüeken zur
Geschichte K. Ladislaus Posthumus, Erzherzogs Albrecht VI. von
Österreich und namentlich Erzherzogs Sigmund von Österreich,”
dem Landesfürsten Tirols.
Während obige Beiträge die Verhältnisse Tirols im fünfzehnten
Jahrhunderte beleuchten, bringt ein anderes Actenstück, welches
abermals Chmel im zweiten Bande des Archives auf S. 137—172
zum ersten Male aus dem Originale des Haus- und Staats-Archives
vollständig mittheilte, einen sehr wichtigen Beitrag zur späteren
Landesgeschichte Tirols. Unter der Überschrift: „Kaiser Ferdi
nande I. Antwort auf einen Rathschlag, den ihm die oberösterreichische
Regierung zu Innsbruck vorgelegt hatte, vom 29. Jänner 1562,” ent
hält nämlich dieses Actenstück eine ausführliche Auseinandersetzung
über die neu einzurichtende Landesvertheidigung Tirols und bespricht
bei dieser Gelegenheit auf höchst merkwürdige Weise die ganzen
politischen und religiösen Zustände Deutschlands.
Als wichtige Bereicherung zur Kenntniss der kirchlichen
Verhältnisse Tirols und insbesondere des Bisthumes Trient
vom Ausgange des eilften bis zum Ende des dreizehnten Jahr
hunderts muss vor Allem der im fünften Bande der zweiten Ab
theilung der Fontes erscheinende „Codex Wangianus, oder Urkun-
856
v. K a r aj a n.
denbuch des Hoclistiftes Trient” bezeichnet werden. Die Herausgabe
desselben besorgt Ministerial - Concipist Rudolf Kink und ist der
Druck dieser höchst bedeutenden Quelle schon sehr weit vorgeschrit
ten. Die Zahl der Urkunden dieses Codex ist eine sehr reiche zu
nennen, denn sie beläuft sich selbst für diese kurze Periode auf
305 Stücke.
Zur Geschichte der tirolischen Kirche im fünfzehnten Jahrhundert
müssen die von unserem wirklichen Mitgliede Prof. Albrecht Jäger
gesammelten „Regesten und urkundlichen Daten üner das Verhältniss
des Cardinais Nicolaus von Cusa als Bischofs von Br ixen zu Herzog
Sigmund von Österreich und zum Lande Tirol in den Jahren 1450
bis 1464” als ein wichtiger Beitrag angesehen werden. Sie stehen
im Archive Bd. 4, S. 297—329 und Bd. 5, S. 173—186.
Eine zweite Reihe von Regesten über das Verhältnis^ desselben
Kirchenfürsten zum Benedictiner-Nonnen-Kloster Sonnenburg im
Pustertliale, die Jahre 1018 bis 1465 betreffend, und ebenfalls von
Prof. A. Jäger bearbeitet, stehen im Archive Bd. 5, S. 147—172.
Die erstere der beiden Sammlungen umfasst 505, die zweite 243
Stücke. Es begreift sich, dass beide reiche Aufschlüsse über die gan
zen kirchlichen Verhältnisse des Landes gewähren müssen und es
wäre nur zu wünschen, dass auch über andere Verhältnisse und
andere Länder ähnliche und eben so sorgfältige Durchordnungen des
geschichtlichen Stoffes geliefert würden, dann erst könnte an verläss
liche Landesgeschichten gedacht werden.
Wir haben hier schlüsslich noch zwei Arbeiten zur Beleuchtung
der Geschichte dieses Kronlandes einzureihen. Erstens: „Beiträge
zur Geschichte des deutschen Ordens in Tirol von Matthias
Koch,” im Archive Bd. 2, S. 53 — 76. Sie sind aus dem Archive
der Deutschordens-Ballei zu Botzen geschöpft und bis jetzt die ersten
ausführlicheren Nachrichten über diesen Orden im Kronlande Tirol.
Zweitens: einen Beitrag zur Adelsgeschichte des Landes von
Kögl in Brixen, nämlich „fünf genealogische Tafeln von tirolischen
Adelsgeschlechtern.” Sie stehen im Archive 5, 383 ff.
Auch die Geschichte des Kronlandes
Vorarlberg
ist in den Veröffentlichungen der Commission nicht leer ausgegangen.
Vor Allem zu erwähnen sind die durch J. Bergmann im Archive 1,
Bericht über die Leistungen der historischen Commission. 357
3, 40—160, dann 1, 4, 1—82 zum ersten Male herausgegebenen
„Urkunden der vier vorarlbergischen Herrschaften und der Grafen
von Montfort,” als eine wesentliche Bereicherung der allgemeinen
Landesgeschichte, welche zu einer verlässlichen Geschichte
jener Gegenden erst festen Grund legt.
Ausser dieser Arbeit, die eine Fortsetzung früherer Mittheilungen
desselben Verfassers in Chmel’s österreichischem Geschichtsforscher,
Jahrgang 1838 und 1841 bilden, sind liier noch zwei kleinere
Aufsätze F. K. Zimmermann’s im Archive Bd. 3, S. 203—214 und
Bd. 5, S. 607—638 unter den Aufschriften „Beitrag” und „Beiträge
zur Geschichte Vorarlbergs” zu erwähnen. An der ersteren Stelle hat
Zimmermann Untersuchungen „Über das Freigericht zu Müsinen,
die Gerichte Rankweil und Sulz, dann über Landammanns-Wahlen”
geliefert und ein Verzeichniss der Landammänner von 1407 —1807
versucht. Am zweiten Orte, S. 609—618, bespricht er die Örtlichkeit,
wo das alte Feldkirch gestanden hat, ferner S. 619—634 eine Ge
meindeordnung Rankweils vom Jahre 1596 und sehliesst S. 634—636
mit Nachweisungen über das ehemalige Steuerwesen Vorarlbergs.
Wenden wir uns von dem westlichsten Theile der altösterreichi
schen Lande zum nördlichsten Kronlande, nämlich nach
Böhmen,
so begegnen wir nur drei Beiträgen, welche unmittelbar auf die Be
leuchtung der Geschichte dieses Kronlandes Bezug nehmen.
Vor Allem zur Quellenkunde der allgemeinen Landesge
schichte, und insbesondere zur Geschichte der Hussiten von Be
deutung ist eine Briefsammlung des fünfzehnten Jahrhunderts, welche
sich in einer Handschrift zu Lübeck befindet und auf welche Dr.
W. Wattenbach im Notizenblatte 1851, S. 382 — 384, unter der
Überschrift: „Notizen aus Handschriften der Stadtbibliothek zu Lü
beck” aufmerksam macht.
Ebenfalls ein wesentlicher Beitrag zur Geschichte Böhmens im
fünfzehnten Jahrhunderte sind die durch Climel im zweiten Bande
der zweiten Abtheilung der Fontes mitgetheilten „Urkunden zur Ge
schichte K. Ladislaus Posthumus, Erzherzogs Albrecht VI. u. s. w.,”
auf welche wir schon wiederholt hingewiesen haben.
Ein dritter wichtiger Beitrag zur Geschichte dieses Kronlandes
liegt der Commission druckfertig vor und wird bald im Archive
358
v. K a l- aj a n.
unter die Presse kommen, Nr. IV der fränkischen Studien des Prof.
C. Hofier. Dieser enthält nämlich „Urkundliche Beiträge zur Ge
schichte der politischen Beziehungen der Häuser Habshurg und
Brandenburg, der Kronen Ungern und Böhmen aus der Zeit Kaiser
Friedrich’s IV., der K. Matthias Corvinus und Georg von Podiebrad.”
Von Böhmen zum Nachbarlande
Mähren
übergehend, haben wir vor Allem auf zwei willkommene Berichte zur
Quellenkunde der Landesgeschichte im Allgemeinen hinzu
weisen. Erstens: auf den durch P. Gregor Wolny im Archive 1, 5, von
S. 147—165 gelieferten „Bericht über den historischen Vorrath im
Archive des Benedictiner-Stiftes Raigern in Mähren,” und zweitens:
auf das im Notizenblatte 1851, S. 106—111, dann 119—123, durch
die mährisch-schlesische Ackerbaugesellschaft mitgetheilte „Verzeich
niss von 283 Original-Urkunden im Franzens-Museum zu Brünn.”
Einen Beitrag zur Geschichte der Regenten dieses Kron-
landes lieferte Bibliothekar F. Richter zu Olmütz im Notizenblatte
1851, S. 195 — 204, nämlich das „Testament des Markgrafen
Johann von Mähren, ddo. Brünn 26. März 1371.”
Zur Kirchengeschichte Mährens sind endlich drei Beiträge
geliefert worden, deren Bedeutung, da sie grösstentheils auf neuem
Materiale beruhen, von selbst einleuchtet.
Erstens: durch G. Wolny im Archive 5, 67—138 eine län
gere Abhandlung unter der Überschrift: „Die Wiedertäufer in Mäh
ren.” Als Quelle diente hauptsächlich eine ausführliche, bisher unge
druckte Chronik eines Anhängers dieser Secte, Ambros. Resch,
welcher im Jahre 1592 starb und dessen Aufzeichnungen, mit dem
Jahre 1524 beginnend, von drei Fortsetzern bis zum Jahre 1654
weiter geführt wurden.
Zweitens eine Abhandlung des Dr. G. A. Branowitzer zu
Kremsier: „Über das Münzrecht der Fürstbischöfe und Erzbischöfe
von Olmütz,” im Archive 3, 553 — 569, mitgetheilt. Die hier ge
gebenen Nachrichten beruhen auf noch vorhandenen Urkunden und
Münzen, beginnen mit der ursprünglichen Verleihung dieses Rech
tes durch K. Wladislaw von Böhmen im Jahre 1144 und reichen bis
zur Aufhebung desselben in den Dreissiger-Jahren des laufenden
Jahrhunderts.
Bericht über die Leistungen der historischen Commission. 359
Als dritter Beitrag zur Kirchengeschichte dieses Kronlandes ist
hier noch ein grösserer Aufsatz des P. G. Wolny anzureihen, der
erst kürzlich der Commission zur Veröffentlichung mitgetheilt wurde
und in einem der nächsten Bände des Archives erscheinen wird. Er
trägt die Überschrift: „Die Excommunication des Markgrafen von
Mähren, Prokop, und seines Anhanges im Jahre 1399 und was damit
zusammenhängt.” Hiemit ist die Aufzählung der für die Geschichte
Mährens gelieferten Arbeiten geschlossen.
Dalmatien
ist zwar unter den vielen Beiträgen, welche die Bände der Veröffent
lichungen der historischen Commission der Wissenschaft zuführen,
nur durch eine einzige Arbeit vertreten, diese aber ist eben so um
fangreich als belehrend. Sie beruht zudem grösstentheils auf bisher
unbenutzten Quellen, ist somit durch und durch die Wissenschaft er
weiternd und namentlich eine bedeutende Ergänzung zu Beutz’s
verdienstlichem Werke über die dalmatinischen Küstenstädte. Dorpat
1841, 8°- Ich meine die durch drei Bände des Archives, nämlich 3,
1—76, 4, 509 — 581 und 7, 361—422 laufenden „Beiträge zur
Quellenkunde der dalmatinischen Bechtsgeschichte des Mittelalters”
von Prof. Dr. Gustav Wenzel zu Pesth.
Von Dalmatien zum Nachbarlande
Ungern
übergehend, sind wir im Stande, auch zur Beleuchtung der Geschichte
dieses Kronlandes, ungeachtet die Ereignisse der jüngsten Jahre sehr
hemmend in den Weg traten, so dass an Beiträge aus dem Lande
selbst nicht wohl zu denken war, dennoch Einiges und nicht Unerheb
liches als geliefert zu bezeichnen.
Sämmtliche Beiträge betreffen die politische Geschichte
des Landes und seiner Regenten. Wir müssen dabei vor
Allem auf die bereits wiederholt erwähnten „Urkunden zur Geschichte
K. Ladislaus Posthumus u. s. w.’’im zweiten Bande der zweiten
Abtheilung der Fontes so wie auf jene durch Th. Mayer im Archive 6,
403—426 veröffentlichten „dreizehn Urkunden über die Verpfändung
von St. Pölten und Mautern von K. Matthias Corvinus 1481”
hinweisen, deren wir schon S. 340 gedachten.
360
v. Kar aj a n.
An sonstigen Arbeiten sind hier einzureihen die durch Fr. Firn
haber im Archive 3, 375— 552, niedergelegten „Beiträge zur Ge
schichte Ungerns unter der Regierung der Könige Wla dis laus II.
und Ludwig II. aus den Jahren 1490—1526.” Diese sind grössten-
tlieils aus den Schätzen des Haus- und Staats-Archives geschöpft und
von solcher Wichtigkeit, dass sie namentlich, was den Erbvertrag
zwischen Wladislaus II. und Kaiser Maximilian I. vom Jahre 1492, so
wie dessen bisher unbekannte Bestätigung durch die Stände betrifft,
ganz neues überraschendes Licht gewährt. Man lernt nämlich daraus,
dass die Behauptung ungrischer Geschichtsschreiber und Publicisten,
Ferdinand I. habe weder durch diesen Vertrag noch durch seine Ver
mählung mit Anna, der Tochter K. Uladislaus von Ungern, ein Erb
recht auf Ungern besessen, völlig entkräftet wird.
Zur Geschichte K. Matthias Corvinus finden sich ferner
„Eilf Documente aus den Originalen des Mailänder Archives, die
Absicht des Königs betreffend, seinen natürlichen Sohn Johann mit
Bianca Maria, Schwester Herzogs Galeazo von Mailand, zu vermählen,”
im Archive 1,1, 75—100, mitgetheilt durch Chmel.
Gleichfalls die politische Geschichte Ungerns und namentlich
die „Verhältnisse des Königs Matthias Corvinus zu König Georg
von Böhmen, sowie zum deutschen Kaiser betreffend” sind die oben
S. 358 unter Böhmen aufgeführten „Urkundlichen Beiträge C. Höf-
Ier’s” in dessen fränkischen Studien Nr. IV.
Von der grössten Bedeutung sind ferner die von F. Firnhaber
aus Privatsammlungen im achten Bande des Archives folgenden
„Actenstiicke zur Aufhellung der ungrischen Geschichte des sieb
zehnten und achtzehnten Jahrhunderts,” denn wir gelangen durch
sie zur Kenntniss mehrerer bisher völlig unbekannt gebliebener
Staatsverträge und Gesandtschaften.
Schlüsslich will ich noch auf einen kleinen Beitrag hinweisen,
welcher zugleich als der einzige zur Geschichte des ungrischen
Städte Wesens gelieferte erscheint, nämlich auf F. Firnhaber’s
Aufsatz im Notizenblatte 1851, S. 123—128, dann 162—176, mit
der Überschrift: „Urkundliches zur Geschichte der Stadt Güns.”
Er enthält nämlich zur Geschichte dieses merkwürdigen Städtchens
57 Numern Regesten und 14 bisher ungedruckte Urkunden aus
einer Handschrift des städtischen Archives, welche dem sechzehnten
Jahrhundert angehört.
Bericht über die Leistungen der historischen Commission. 361
Für die Geschichte des Grossfürstenthumes
Siebenbürgen,
dem äussersten Grenzlande gegen Osten, das mehr noch als Ungern
in den letzten yerhängnissvollen Jahren gelitten hat, wurde nur Eine
Abhandlung geliefert, welche im Archive Band 5, S. 321—381,
gedruckt erschien. Ich meine die „Beiträge zur Geschichte Sieben
bürgens unter K. Ludwig I., 1342—-1382, von G. D. Teutsch.”
Diese Arbeit, abgesehen von ihrer streng wissenschaftlichen Haltung,
bringt zudem auch neuen geschichtlichen Stoff, nämlich vierzehn
Beilagen, sämmtlich bisher ungedruckt und dem vierzehnten Jahr
hunderte angehörig. Sie erläutern die Gauverfassung und sonstigen
Verhältnisse des Gemeindewesens und sind eine schöne Bereicherung
zur Kenntniss deutschen Wesens, das sich im fernen Osten, mitten
zwischen Völkern fremder Zunge, bis zur Stunde noch lebensfrisch
erhalten hat.
Ausser dieser grösseren Arbeit findet sich im Notizenblatte 1851,
S. 272, nur noch ein ganz kurzer Wink Dr. W. Wattenbacli’s zur
Deutung der im siebenbürgischen Landeswappen bisher unerklärten
sogenannten „Seeblätter.”
Für die beiden Kronländer Oberitaliens ist von Eingebornen bis
zur Stunde kein Beitrag geliefert worden. Nur für das Gebiet von
Venedig
können wir hier die durch unser Mitglied J. Bergmann gelieferte
geschichtliche „Topographie der sieben und dreizehn Gemeinden in
den venezianischen Alpen,” abgedruckt im Archive 3, 225—265,
aufführen, und gehen nun, nachdem die die Geschichte der einzelnen
Kronländer betreffenden Leistungen durchgeordnet sind, zur Betrach
tung jener Arbeiten über, welche mehrere derselben zugleich behan
deln und dadurch theilweise, andere aber, welche dies mit allen tliun,
die Geschichte der gesammten '
österreichischen Monarchie
zum Gegenstände haben. Wir stellen auch hier wieder jene Lei
stungen voran, welche die Geschichte der Monarchie im All
gemeinen, sowie jene des gemeinschaftlichen Regentenhauses
und seiner Glieder betreffen, bringen aber zugleich, da hier die
362
v. Karajan.
Ausbeute eine reichere ist, diese Mittheilungen in eine wenn auch
gerade nicht ängstliche Reihenfolge nach den Zeiten, welchen ihre
Gegenstände angehören.
Zur geschichtlichen Erforschung des Ländergebietes Öster
reichs , hauptsächlich während der Römerzeit, bestimmt, sind
die durch mehrere Bände des Archives geführten „Beiträge zu einer
Chronik der archäologischen Funde in der österreichischen Mon
archie” unseres wirklichen Mitgliedes J. G. Seidl. Sie stehen im
Archive 3, 159—202 und 6, 206—271. Eine dritte Abtheilung
liegt bereits druckfertig vor und wird einem der nächsten Bände des
Archives einverleibt werden.
Für die Zeiten des babenbergis chen Regen ten haus es
sind drei Arbeiten aufzuführen. Zuerst einige bisher ungedruckte
Urkunden in der Abhandlung Theod. Mayer’s „Spicilegium von
Urkunden aus der Zeit der österreichischen Babenberger Fürsten,”
aus dem Archive des Klosters Melk, in unserem Archive 6, 273-—318;
ferner: „Vier Nachträge zu v. Meiller’s Regesten,” vom Archivare
Herzogenburgs, P. W. Bielsky, und zwar aus Urkunden seines
Stiftes, mitgetheilt im Notizenblatte 1851, S. 79 — 80. Endlich
einiges über die Besitzungen der Burggrafen von Nürnberg in
Tirol und Österreich, zerstreut in Höfler’s fränkischen Studien,
Archiv VI, 583—642.
Einzelnes für die Zeit des Interregnums und die An-
fänge habsburgiseher Macht in unseren Ländern bieten
die durch Chmel in der zweiten Abtheilung der Fontes Bd. I, gelie
ferten „Urkunden zur Geschichte Österreichs, Steiermarks, Kärn
tens u. s. w. von 1246—1300.” Ein Landfrieden K. Ottokar’s II.,
wahrscheinlich vom Jahre 1251, lindet sich aber unter den Auf
zeichnungen des Abtes Hermann von Nieder-Altaicb, welche Chmel
im Archive 1, 1, 1—72 zum ersten Male veröffentlicht hat.
Die Zeit Albrecht’s I. findet in dem nach ihm benannten
Formelbuche, herausgegeben durch Chmel im Archive 3, 211—307,
reiche Vertretung, welche noch vermehrt wird durch ein zweites
ähnliches Denkmal aus derselben Zeit, den „Liber formularum
Petri de Hallis” durch F. Firnhaber aus einer Handschrift des
Stiftes Göttweih bearbeitet und bereits zum Abdrucke in einem der
nächsten Bände der Fontes der Commission übergeben. In demselben
finden sich sehr viele geheime Mittheilungen, deren einige ihre Deu-
Bericht über die Leistungen der historischen Commission.
363
tung noch erwarten, während andere durch die Bemühungen des
Herausgebers als schon gelöst zu betrachten sind.
Friedrich’s des Schönen bewegte Regierungszeit ist
durch vier Beiträge nicht unbeträchtlich beleuchtet worden. Erstens
durch einen längeren Aufsatz Chmel’s im Archive II, 311—537,
mit der Aufschrift: „Zur Geschichte Kaiser Friedrich’s des Schönen.”
Derselbe beruht hauptsächlich auf einer bis dahin nur wenig oder
einseitig benützten Handschrift des Haus- undStaats-Archives, welche
gleichzeitig abgefasst, besonders die beengte finanzielle Lage dieses
Regenten erkennen lässt. Sie umfasst nämlich eine Reihe mitunter
höchst wichtiger Pfandbriefe von 1308—1315. Die zweite Mittheilung
enthält eine bisher unbekannte Urkunde desselben Arcbives, und zwar
eine „Vermittelung zwischen Friedrich dem Schönen und einigen An
hängern Ludwig’s von Baiern, geschehen zu Strassburg am 26. März
1315,” Notizenblatt 1851, S. 44 und 45. Die dritte Mittheilung,
ebenfalls im Notizenblatte 1851, S. 95 und 96, abgedruckt, bringt
zum ersten Male aus dem Originale desselben Archives einen „Brief
Erzbischofs Peter von Mainz vom 20. Jänner 1315,” der über den
Stand der Angelegenheiten K. Ludwig’s des Baiern, Friedrich dem
Schönen gegenüber, erwünschten Aufschluss gewährt. Endlich eben
falls im Notizenblatte 1851, S. 45, als vierte Mittheilung eine Über
einkunft K. Friedrich’s des Schönen mit Herzog Eberhard und Ulrich
von Würtemberg, über einige Forderungen der letzteren. Ausge
fertigt vor Esslingen am 13. August 1316, deren Original ebenfalls
im Haus- und Staats-Archive liegt.
Zum Theile derselben Zeit angehörig, zum Theile der folgen
den sind die „Regesten für die Geschichte Innerösterreichs vom
Jahre 1312—1500,” welche unser verstorbenes Mitglied Albert
von Muehar in reicher Fülle, 524 an der Zahl, im Archive Bd. 2,
S. 429—510, mitgetheilt hat.
» Hier ist auch eine durch K. v. Sava im Notizenblatte 1851,
S. 302, veröffentlichte „Urkunde Herzog Albrecht’s V., ddo. Wien
1437,” einzureihen, ein Schuldbrief an einen Bürger Wiens, welcher
ihm 60 Pfund Wiener Pfennige geliehen hatte, zur Einlösung meh
rerer während des Hussitenkrieges verpfändeter Burgen.
Eben so reich wie die Zeit Friedrich’s des Schönen ist jene
K. Friedrich’s IV. bedacht. Ausser den bereits oben wiederholt
erwähnten, von Chmel veröffentlichten „Urkunden, Briefen und
364
v« Karajan.
Actenstücke zur Geschichte K. Ladislaus Posthumus, Erzherzogs
Albrecht VI. und Herzogs Sigmund von Österreich,” im zweiten
Bande der zweiten Ahtheilung der Fontes, sind hier zu erwähnen,
der ebenfalls durch Chmel im Archive Bd. 3, S. 77—157, abge
druckte Beitrag „Urkundliches zur Geschichte K. Friedrich’s IV.,”
abermals aus einer Handschrift des Haus- und Staats-Archives, dann
die „Urkundlichen Beiträge zur Geschichte der Häuser Habsburg
und Brandenburg, der Kronen Ungern und Böhmen aus der Zeit
K. Friedrich’s IV.,” in Nr. IV der fränkischen Studien C. Höfler’s,
welche bald erscheinen wird.
Auch für die Geschichte K. Ferdinand’s I. linden sich neue
urkundliche Belege. Einmal im Archive 1, 2, 83—149 eine höchst
wichtige „Instruction für Karl von Burgund, Herren zu Bredam, vom
Jahre 1524, zu dessen Gesandtschaft an Karl V.,” aus dem Originale
des Haus- und Staats-Archives durch Chmel veröffentlicht. Dieses
Actenstück hat doppeltes Interesse, einmal durch die Aufdeckung
der Pläne Ferdinand’s, um zur römischen Königswürde zu gelangen,
dann auch weil es offen dessen Ansichten über Martin Luther und
die Reformation überhaupt an den Tag legt.
Nicht minder wichtig ist ein von P. J. Stülz eingesandter
Aufsatz: „Der Ausschusstag der fünf nieder-österreichischen Lande
zu Wien 1556,” namentlich in Bezug auf die Bestrebungen der pro
testantischen Partei in der Monarchie. Er soll nächstens im Archive
erscheinen.
Zur Geschichte K. Fer dinan d’s II. finden sich durch A. Böhm
im Notizenblatte 1851, S. 156—158, sechs eigenhändige Briefe des
Kaisers an den Landmarschall Seifried Christoph Grafen v. Breuner
abgedruckt. Sie stammen aus dem reichen Archive zu Aspern an der
Zaya und sämmtlich aus dem Jahre 1621.
Die druckfertig vorliegende Nr. IV von Höfler’s fränkischen
Studien, bringt auch neue Documente über „des Herzogs von
Friedland Plane und Verfahren, März bis November 1633,” und
ebenfalls ungedruckte Stücke: „Über das Verhältniss des Churfürsten
Friedrich Wilhelm von Brandenburg zu Österreich und zur katholi
schen Kirche.”
Zum Schlüsse sind noch vier Mittheilungen hier anzuführen,
welche Unterabtheilungen der allgemeinen Geschichte der Monarchie
zum Gegenstände haben.
Bericht über die Leistungen der historischen Commission. 365
Erstens zur Kirehengeschichte von grossem Interesse
sind die durch Chmel im Archive Bd. 4, S. 1—136, abgedruckten
„Actenstiicke zur Geschichte des österreichischen römisch-katholi
schen Kirchenwesens unter K. Leopold II., 1790”. Sie sind mitge-
theilt aus den Originalen des Archives des Ministeriums für Cultus
und Unterricht.
Zweitens ein äusserst gründlicher und wichtiger Beitrag zur
Finanzgeschichte älterer Zeit, nämlich eine kritische Unter
suchung „Über den Gehalt des österreichischen Pfennigs im vier
zehnten Jahrhunderte,” von unserem correspondirenden Mitgliede
Fr. Blumberger zu Göttweih, für den achten Band des Archives
eben im Drucke begriffen.
Drittens „ Materialien zur österreichischen Kunstgeschichte”
von dem correspondirenden Mitgliede J. E. Schlager im Archive 5,
661—780. Diese sind zum grossen Theile aus den alten Hofstaats-
Rechnungsbüchern gezogen und beginnen schon mit dem sechzehnten
Jahrhunderte.
Endlich viertens ein kleiner Beitrag zur österreichischen Adels
geschichte, nämlich „Zwei Urkunden zur Geschichte der Grafen
von Cilly,” beide vom 2. August 1437, mitgetheilt aus dem Originale
des Haus- und Staats-Archives von Chmel im Notizenblatte 1831,
S. 48.
Unsere bisherige Darstellung hat die Durchordnung des in den
Veröffentlichungen der Commission Gelieferten nach den einzelnen
Bestandtheilen des Kaiserreiches versucht und mit jenen Arbeiten
den Schluss gemacht, welche sich auf die Geschichte der Gesammt-
monarchie beziehen. In den bisher durch die Commission veröffent
lichten Bänden findet sich aber auch manches, was zur Geschichte der
ehemaligen Bestandtheile der Monarchie
gehört. Wir wollen daher auch dieses näher betrachten und führen
zuerst jene Mittheilungen auf, welche sich auf die Geschichte der
österreichischen
Vorlande
beziehen. Auch hier müssen jene „Urkunden, Briefe und Actenstücke”
vor Allem genannt werden, welche Chmel im zweiten Bande der
zweiten Abtheilung der Fontes herausgegeben hat und welche, da
366
v. Karajan.
sie sich so sehr auf die Verhältnisse Albrecht’s VI. und Sigmund’s
von Tirol beziehen, begreiflicherweise auch für die österreichischen
Vorlande von Wichtigkeit sind. Ausserdem sind noch vier kleinere
Beiträge hier anzureihen.
Erstens eine Urkunde des Grafen Theobald von Pfirt und
seiner Söhne, über dreitausend Mark Silber als Schadenersatz an den
römischen König Albrecht und die Herzoge Rudolf, Friedrich und
Leopold von Österreich für die Schäden, welche sie letzteren hei
Tattenriet zugefügt hatten. Die Urkunde ist vom 30. Mai 1301 und
ist mitgetheilt von Climel im Notizenhlatte 1831, Seite 27 und 28.
Zweitens: „Verzicht Margarethens von Lanzberg, Witwe des
Verwalters des Amtes Kiburg, auf Forderungen, die sie an Herzog
Leopold von Österreich zu stellen hatte, vom 4. December 1316.”
Ebenfalls von Chmel mitgetheilt und wie die vorhergehende Ur
kunde aus dem Originale des Haus- und Staats-Archives im Notizen
blatte 1831, S. 29.
Drittens: „Herzogs Leopold von Österreich Vertrag mit der
Stadt Kolmar über hundert Mark Silber, welche sie ihm auf Jahres
frist geliehen hatte, vom 14. Mai 1319.” Aus dem Originale des
Kolmarer Archives mitgetheilt von Prof. J. E. Kopp zu Luzern im No
tizenblatte 1851, S. 58 bis 60. Endlich
Viertens: „Huldigungs-Revers der Stadt Türkheim im Ei
sass für die Herzoge von Österreich, vom 31. Mai 1314.” Aus einer
alten Aufzeichnung des Haus- und Staats-Archives, mitgetheilt von
Chmel im Notizenblatte 1851, Seite 13.
Zur Geschichte der
Schweiz
und ihres alten Verhältnisses zu den Herzogen von Österreich, ist
zwar nur ein einziger Beitrag zu erwähnen, aber ein um so gewich
tigerer, nämlich die zweite Abtheilung der „Urkunden zur Geschichte
der eidgenössischen Bünde von J. E. Kopp, im Archive 6, 1-—103.
Eine nähere Auseinandersetzung dieser Sammlung für Österreich
würde aber viel zu weit führen. Statt dessen will ich lieber noch
jene vier Beiträge aufzählen, welche die Geschichte von
W ürtemberg
als ehemaligen Bestandtheil Alt-Österreichs urkundlich erläutern.
Vor Allem eine durch J. Bergmann im Archive 5, 317 — 320, mit-
£
Bericht über die Leistungen der historischen Commission. 367
getheilte „Bulle Papst Alexander’s IV. vom 25. Juli 1256, für das
Frauenkloster zu Pfullingen;” dann die „Übereinkunft Herzogs
Leopold von Österreich mit den Brüdern Simon, Conrad und Ludwig,
Herzogen zu Teck, in Betreff der Herrschaft und Burg zu Teck
vom 6. December 1308”, aus dem Originale des Haus- und Staats-
Archives, mitgetheilt von Chmel im Notizenblatte 1851, Seite 93
— 95. Ferner die „Urkunde vom 29. September 1313, wodurch
sich die Stadt Ulm bis zur einhelligen Wahl eines neuen römi
schen Königs den österreichischen Herzogen Friedrich und Leo
pold anschliesst.” Mitgetheilt im Notizenblatte 1851, Seite 43, aus
gleicher Quelle. Endlich eben daher die „Übereinkunft der Grafen
Eberhard und Ulrich von Würtemberg mit Friedrich dem Schönen
von Österreich und seinen Brüdern, in Betreff mehrerer Forderungen,
vom 13. August 1316” im Notizenblatte 1851, S. 45.
Unserem ursprünglichen Plane gemäss, schreiten wir nun, nach
dem die über die jetzigen wie ehemaligen Bestandtheile der Mon
archie eingegangenen und durch die Commission der Wissenschaft
zugeführten Arbeiten und Stoflflieferungen in ein übersichtliches, geo
graphisch wie historisch geordnetes Bild gebracht sind, zur Auf
zählung derjenigen Beiträge, welche sich auf die Geschichte der an
Österreich grenzenden Theile Deutschlands beziehen und wollen
darnach mit jenen Arbeiten schliessen, welche auf die Geschichte
von ganz Deutschland Bezug nehmen. Wir beginnen mit
Baiern.
Für die allgemeine Landesgeschichte dieses König
reiches, so wie für die seiner Beg enteil von nicht geringer Be
deutung sind die mehrmals erwähnten „Fränkischen Studien” des
Professors C. Höfler, abgedruckt im Archive Band 4, 583 — 642,
dann 5, 1—66 und 7, 1 —147. Eine Fortsetzung derselben,
wie schon erwähnt, erscheint in einem der folgenden Bände des
Archives.
Die Aufzeichnung des „Landfriedens Herzog Otto’s von Bai
ei'n, Erzbischof Eberhard’s von Salzburg, Bischof Biidiger’s von
Passau u. s. w.” aus den Jahren 1244 bis 1247, sowie des „Land
friedens zu Straubing von Herzog Heinrich und den Bischöfen
Sitzh. <1. phil.-liist. CI. VIII. Bd. IV. Hft. 36
g
368
v. Karajan.
Otto von Passau und Conrad von Freising aufgericlitet,” enthält das
Archiv Band 1, 1, 1—72.
Zur Geschichte der Kirche Baierns und namentlich jener
seiner geistlichen Körperschaften von Bedeutung sind, die
durch Chmel am eben erwähnten Orte gelieferten ausführlichen
„Auszüge aus der Urkunden- und Notizen-Sammlung des Abtes
Hermann von Nieder-Altaich und mehrerer seiner Nachfolger,
aus den Jahren 1242 bis 1300;” zur Geschichte Tegernsees
aber die durch P. Th. Mayer angestellte genauere Untersuchung
der bekannten „Acta S. Quirini Martyris,” Archiv 3, 281 — 381.
Endlieh über die Frage der Bekehrung Baierns durch den he il igen
Ruprecht müssen die zwischen J. E. Ritter von Koch-Stern
feld und Dr. Willi. Wattenbach zu Berlin gewechselten Streit
schriften angereiht werden, welche sich im Archive 8, 388—497,
8, 499 — 822 im Notizenhlatte 1881, Seite 129 — 138 und 260
— 263, befinden.
Die Geschichte des bairischen Städte wese ns hat durch die
Veröffentlichung der „Statuten der Stadt Landshut vom Jahre
1286,” ebenfalls aus den Aufzeichnungen des Abtes Hermann von
Nieder-Altaich, siehe oben Seite 347, eine nicht unwesentliche Berei
cherung erhalten.
Zur bairischen Adels gesell ichte sind zwei Abhandlungen
J. E. Ritters von Koch-Sternfeld zu erwähnen, beide im Archive I,
4, 121—141 und 181 —189 abgedruckt. Die erstere beschäftigt
sich mit der „Dynastie Hagenau als Mitstifter der Beuedictiner-
Abtei Seitenstetten in Österreich,” die zweite belegt und sondert
„die dynastischen Zweige zu Moos hach und Weng,” Adelsge
schlechter, welche für die Zeit vor dem Jahre 1186 begreiflicher
Weise Baiern angehören.
Für die Geschichte des Königreiches
S a ehsen
und seiner ehemaligen wie jetzigen Bestandtheile, enthält der durch
C. Höfler herausgegebene „Codex epistolaris Reinhardsbrunnensis”
in dessen fränkischen Studien Nr. III, abgedruckt im Archive
Band 8, Seite 1 — 66, namentlich was die Thüringischen Herzog-
thürner betrifft, wichtige Beiträge aus dem zwölften und dreizehnten
Jahrhunderte.
Bericht über die Leistungen der historischen Commission. 369
Die eben erwähnten „Fränkischen Studien” bieten auch für die
Geschichte von
Preussen
nicht unerhebliches neues Material, namentlich der eben der Com
mission druckfertig überreichte Theil derselben. In ihm finden sich
z. B. „Urkundliche Beiträge zur Geschichte der politischen Bezie
hungen der Häuser Habsburg und Brandenburg, aus der Zeit
K. Friedrich’s IV. und des Markgrafen Albert Achilles,” ferner „Chur
fürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg und sein Verhältniss zu
Österreich und zur katholischen Kirche” betreffende Documente:
I. „Das churfürstliche Testament vom 20. März 1688” und 2. „Con-
versione della Prussia alla fede catolica.”
Aus dem bereits gedruckten Theile dieser „Studien” ist aber
hier einzureihen: „Die ältesten Urkunden des hambergischen Ar-
chives über das Emporkommen der Burggrafen von Nürnberg, hohen-
zoller’schen Stammes” und die „ältesten Aufzeichnungen über den
allmählichen Erwerb der hohenzoller’schen Territorien in Franken.”
Ersteres im Archive Band 4, Seite S83— 609, letzteres von 610
bis 642.
Zum Schlüsse ist noch ein Beitrag zur Kirchengeschichte
Preussens hier zu nennen, nämlich die bereits erwähnten „For
schungen über den Erzbischof Wichmann von Magdeburg, von J. E.
Ritter von Koch-Sternfeld,” im Archive 1,4, 83 —120.
Wir sind nun beim letzten Abschnitte unserer Durchordnung
angelangt; nämlich bei jenem, welcher über die Leistungen Rechen
schaft abzulegen hat, welche die Geschichte von ganz
Deutschland,
sei es nun durch Stolf oder Forschung irgendwie bereichern. Es
sind hier im Ganzen sechs Beiträge zu nennen. Wir wollen sie, da
sie alle mehr oder minder die allgemeine Geschichte des Landes
wie seiner Regenten betreffen, nach der Zeitfolge ihres Stoffes
auflführen.
Ein kleiner Beitrag zur Geschichte der zweiten Gemahlinn
K. Heinrich’s III., der Tochter Wilhelm’s von Poitou, Agnes, lieferte
Bibliothekar F. Richter zu Olmütz im Archive Band 3, Seite 367
bis 373, nämlich einen für sie geschriebenen „Prologus Johannis
26 *
370
v. Karajan.
pauperis de contemplacione oracionis,” der somit in die Mitte des
eilften Jahrhunderts zu setzen sein wird.
Reiche Ausbeute für die deutsche Geschichte der beiden folgen
den Jahrhunderte ist in den durch Höfler im Archive 6,1—66 gelie
ferten „Codex epistolaris Reinhardsbrunnensis” zu holen, wie nicht
minder in dem ähnlichen „Formelhuche K. Albrecht’s I.,” wel
ches Chmel aus dem Originale des Haus- und Staats-Archives im
zweiten Rande des Archives der Commission auf Seite 211 — 307
veröffentlicht hat. Auf die Wichtigkeit dieser Handschrift ist schon
oft hingewiesen worden, z. R. durch Röhmer in den Regesten. Auch
Palacky hatte schon vor der Herausgabe derselben sechs Stücke
aus ihr veröffentlicht.
Die Geschichte Deutschlands im fünfzehnten Jahrhunderte wird
aus der der Commission bereits druckfertig vorliegenden Fortsetzung
der „Fränkischen Studien” Höfler’s erwünschten Zuwachs erhalten.
Sie bringt nämlich: „Fürstenbriefe aus dem fünfzehnten und sech
zehnten Jahrhunderte,” dann eine Reihe von „Urkunden zur Be-
leuchtung der Entwickelungs-Geschichte des monarchischen, aristo
kratischen und demokratischen Elementes im deutschen Reiche vom
fünfzehnten bis siebzehnten Jahrhunderte.”
Auf das grosse Interesse der durch Kaiser Ferdinand I. am
29. Jänner 1662 der Regierung zu Innsbruck ertheilten Antwort für
die Geschichte der politischen und religiösen Zustände Deutschlands
in jener Zeit ist schon oben Seite 365 hingewiesen worden. Sie steht
im zweiten Rande des Archives auf den Seiten 137 — 172.
Und so wäre denn die bunte Reihe der Mittheilungen, welche
mit den im Drucke befindlichen zusammen fünfzehn starke Bände
füllen, hiemit durchlaufen und in sachlich geordnete Folge gebracht.
Es lässt sich nicht läugnen, dass in ihnen eine überraschende
Menge sowohl neuen geschichtlichen Stoffes, wie auch gründlicher
Untersuchungen niedergelegt ist. Dass diese Leistungen in buntem
Wechsel einliefen und veröffentlicht wurden, dass dabei kein ängst
lich entworfener und darnach gewissenhaft eingehaltener Plan eines
gleichmässigen Eintrittes und Wechsels der Beiträge nach Ländern
oder sonst wie, etwa nach der Leistungsfähigkeit oder Wichtigkeit
der einzelnen Kronländer befolgt werden konnte, liegt zum Theile
Bericht über die Leistungen der historischen Commission.
371
in der Natur der Sache, mehr noch aber in der schon oben erwähnten
Ungunst der Zeitverhältnisse der letzten Jahre.
Freuen wir uns lieber, dass überhaupt geleistet wurde, was vor
liegt. Wir haben uns desselben nicht nur nicht zu schämen, sondern im
Gegentheile, wir können nur wünschen, dass der bisher an den Tag
gelegte Eifer unserer Mitarbeiter nicht erkalte. Schmollt auch hie und
da Einer oder der Andere, der dies oder das anders haben will, so
soll uns das wenig kümmern, denn unsere Mitarbeiter, wie wir, haben
das Bewusstsein, in der ungünstigsten Zeit das Mögliche geleistet zu
haben und kein Gerechter darf mehr von uns verlangen.
Soll durchaus für die Zukunft ein Wunsch ausgesprochen
werden, so wäre es der, dass in den einzelnen Kronländern, nament
lich in den Königreichen Böhmen, Lombardie und Venedig, Ungern
und Galizien u. s. w. die einzig richtige Ansicht immer mehr Boden
gewinne, d.ass unsere Akademie der Vereinigungspunkt aller wissen
schaftlichen Bestrebungen des weiten Kaiserreiches sein solle, dass
durch diese Vereinigung die Wissenschaft an sich nur gewinnen
könne und dass der Akademie nichts ferner liege, als der kleinliche
Gedanke, einzelne Kronländer auf Kosten der übrigen bei ihren Un
ternehmungen zu bevorzugen. Denn dass in den bisherigen Lei
stungen der historischen Commission, welche die oben versuchte
Zusammenstellung zur Übersicht gebracht hat, die alt-österrei
chischen Kronländer überwiegend vertreten sind, fällt nicht der
Commission zur Last, sondern jenen Kronländern selbst, welche
bisher trotz aller Aufforderungen sich an unseren Bestrebungen fast
gar nicht betheiligten.
Doch wir hoffen, dass die Zeit auch hierin das Versäumte
nachholen und dass dann ein folgender Bericht ein noch reicheres
Gemälde von Leistungen aus allen Theilen des Kaiserreiches vor
den Blicken der gelehrten Welt entfalten werde.
372
Prof. Hofier,
Vorgelegt s
Durch Herrn Birk:
Betrachtungen über das deutsche Städtewesen im 15.
und 16. Jahrhundert.
Von dem c. M„ Hrn. Professor Höfler.
1. Die Städte im Zeitalter der politischen Refonitbewegung bis zum Aus
bruche der Revolution.
(Aus grösstentheils ungedruckten Materialien, den Reichs- und Slädtetags-Acten
mit urkundlichen Behelfen.)
Bekanntlich existirte das deutsche Reich, als die Krone der
Ottonen und Heinriche zum zweiten Male an das Haus Habsburg ge
langte, längst nicht mehr in dem Sinne, in welchem sie wohl die
Sachsen und Franken, aber schon kaum mehr die Hohenstaufen
besessen hatten. Albrecht 11., Friedrich IV. und Max I. hatten es
bereits nur mehr mit Ständen und wohlorganisirten Parteien,
aber nicht mehr mit den Vertretern der Nationalherzogthümer, des
siebenfach gegliederten Reichsheerschildes der „Reichsland- und
Provincien zu thun. Das Reich im älteren Sinne des Wortes war
längst entschwunden. Von den Parteien jener Tage nun gerade die
näher zu beleuchten, in deren Händen die eigentliche Geldmacht lag,
ihre 1 endenzen urkundlich zu bestimmen, den Grad ihres National
gefühles anzugeben und ihr Verhältniss zu den habsburgischen
Kaisern (zweiter Folge) zu erörtern, möchte aber um so anziehender
sein, als in der Gegenwart sich ähnliche Tendenzen Wiedergaben,
in jener Partei das demokratische Element seinen Schwerpunet hatte
und nichts destoweniger die Kaiser, von der aufstrebenden Klein
staaterei überall beengt und gehemmt, bei mehr als einer Gelegenheit
die Ireue und Anhänglichkeit der Reichsstädte nicht genug zu rühmen
wussten. Ja man kann seihst sagen, dass bei der Auflösung des
Kaiserreiches, die im IS. Jahrhunderte so nahe gerückt schien, die
Städte noch am meisten die kaiserliche Partei ergriffen, wenn auch
anderseits geltend gemacht werden muss, dass oft in den kostbarsten
Augenblicken eine Spiessbürgerlichkeit der Gesinnung, eine Knauserei
und Engherzigkeit der politischen Ansichten hervortrat, dass Kaiser
und Reich darüber hätten zu Grunde gehen dürfen, wäre nur der
Nürnberger Pfeffersack gerettet worden! Es ist nun in der That ein
Über das deutsche Städtewesen im 15. und 16. Jahrhundert. 373
eigenthümliches Schauspiel, erst die Ähnlichkeit und Verschiedenheit
der Entwickelung des deutschen und italienischen Städtewesens an
sich vorübergehen zu lassen, dann hervorzuheben was im 15. Jahr
hunderte besonders beigetragen, den deutschen Reichsstädten ein
grösseres Ansehen zu verleihen und das politische Gewicht der
republikanischen Partei im Gegensätze zur fürstlichen abwägen zu
sehen. Der Aufsatz, welcher sich wie in Allem, so auch in diesen
Stücken auf bisher unbekannte Documente stützt und Erörterungen
enthält, welche aus Mangel an Quellen bisher nicht angeregt
werden konnten, weist nach, wie nahe eine Vereinigung der Reichs
ritterschaft, die Max I. so sehr begünstigte, mit den Reichs
städten, ihren bisherigen Gegnern, somit, da die zahlreichen
geistlichen Staaten meist den Impulsen des Adels folgten, eine
Vereinigung des gesammten republikanischen Elementes im 15.
und 16. Jahrhunderte lag, von welcher Tragweite sie für die
Zukunft gewesen wäre! Es ist dies aber auch desshalb von
Wichtigkeit, weil man sich erinnern wird, dass, was im 15. Jahr
hunderte noch aufgehalten worden, mit Glück im darautfolgenden
und namentlich im 17. Jahrhunderte durch eine Vereinigung des
Adels mit dem demokratisirenden Theile der Fürstenpartei, insbeson
dere aber des Adels in Böhmen, Österreich, Ungern u. s. w. versucht
wurde, jedoch ohne eine quellenmässige Kenntniss der früheren Ver
suche, auch der spätere, als der richtigen Grundlage entbehrend,
nicht richtig gewürdigt werden kann. Der Aufsatz zeigt nun wie
durch das Eindringen mercantilischer Interessen — es war die Zeit
der grossen Entdeckungen und der Veränderung des bisherigen
Welthandels -— durch die Monopolien (Handelsgesellschaften) und
die Theilnahme der deutschen Reichsstädte am Welthandel die
Spaltung in der republikanischen Partei unversöhnlich, der Bruch
unheilbar wurde. Gerade die Seite der deutschen Entwickelung,
welche dem Reiche einen neuen Aufschwung verhiess, die Förde
rung der materiellen Interessen ward Anlass zu noch grösserer
Spaltung; sie fand bei dem Adel die heftigste Opposition. Als
aber darüber die Verwirrung eine allgemeine wurde, musste die
Schuld auf Seite des Kaisers liegen, der die Berge hätte abtragen
und die Thäler hätte ausfüllen sollen, gegen den sich aber
alles setzte, als er von seinem Kaiserrechte auch Gebrauch zu
machen suchte. Die hierüber entstandenen Verwickelungen werden
374
Ar n et h.
dem Aufsatze bis in die ersten Jahre Karl’s V. fortgeführt und dessen
anfängliche Stellung zu den Reichsstädten erörtert. Es ist da von
nicht bloss historischem Interesse zu sehen, wie die materiellen
Fragen jener Zeit vielfach genau mit denjenigen übereinstimmen,
welche in den letzten Jahren und Monaten den Gegenstand der wich
tigsten Berathungen der mitteleuropäischen Grossmächte bildeten,
somit, ohne eine Parallele ziehen und Zeitfragen mit historischen
Erörterungen vermengen zu wollen, ein Parallelismus sich von selbst
ergibt. Der Verfasser glaubte es daher der Sache schuldig zu sein,
alles dasjenige, worin die Geschichte früherer Tage der Gegen
wart ähnlich ward, diese belehren kann, ruhig und unbefangen her
vorzuheben, es dem Leser überlassend, die Schlussfolgerungen nach
besserem Ermessen herauszunehmen. Es galt auch damals, dass
deutsche Freiheit, Recht und Verfassung als Aushängschild für Ten
denzen gelten mussten, die mit den schönen Ausdrücken im grellen
Widerspruche standen; die Politik aber, welche der Kaiser einschlug,
bezeiclinete den einzig möglichen Weg zu etwas Tüchtigem zu ge
langen und wenn dieses, aller Bemühungen ungeachtet, nicht erreicht
wurde, war wieder nicht der Kaiser anzuklagen, sondern neben
den vielen Sonderinteressen, die im Laufe weniger Jahre den Deut
schen in Fleisch und Blut gedrungene neue Spaltung, welche bis
zum gegenwärtigen Augenblicke Ursache ist, dass in Deutsch
land auch nicht die einfachste politische oder mercantilische Frage
vom politischen oder mercantilischen Standpuncte allein aufgefasst
oder gelöst werden kann, sondern jeder sich das confessionelle
Interesse beigesellt. Der mit dem Jahre 152S eingetretene blutige
Ausbruch des neuen bis zum Sitze der Seele gedrungenen Haders,
vertagte die angeregten Fragen ad calendas graecas, und erst
einem andern Karl V. war es Vorbehalten sie wieder aufzunehmen.
Fortsetzung der Auszüge aus: „Der Feldmarschall
Starhemberg
Von Arncth, Hof-Concipisten im Ministerium des Äussern.
Herr Arneth vollendet die in der letzten Sitzung begonnene
Lesung eines Bruchstückes aus dem Leben des Feldmarschalls Guido
Starhemberg. Er schildert die missliche Lage des Heeres der Ver-
Auszüge aus dem Werke: Der Feldmarschall Starhemberg. 37S
bündeten zu Madrid, den Hass der Castilianer und deren Bestreben,
den fremden Truppen wo nur möglich Schaden zuzufügen, die Wei
gerung endlich des an der spanisch-portugiesischen Grenze stehen
den, aus Engländern und Portugiesen zusammengesetzten Heeres,
nach Madrid zu ziehen und sich mit Starhemberg zu gemeinsamer
Bekämpfung des Feindes zu vereinigen, der inzwischen keine Zeit
verloren und keine Anstrengungen gespart hatte, um die grossen Ver
luste zu ersetzen, welche das Schwert des Feldmarschalls ihm zuge
fügt hatte. Der Mangel an Lebensmitteln und die Unterbrechung
aller Verbindung mit Catalonien zwang endlich den Feldmarschall,
Madrid und dann auch Toledo zu räumen. König Karl eilte auf die
Nachricht, dass der Herzog von Noailles zu Perpignan einen bedeu
tenden Artillerietrain gesammelt und die Absicht habe, in Catalonien
einzudringen, von zweihundert Reitern begleitet nach Barcelona
zurück. Starhemberg beschloss, bis an die Grenze von Aragonien
zurückzugeben und dort eine Aufstellung zu beziehen. General Stan-
liope hatte dem Feldmarschall die Bewilligung abgedrungen, in be
trächtlicher Entfernung von dem Hauptheere den Rückzug bewerk
stelligen zu dürfen. Er wurde von der rasch nachfolgenden spanischen
Armee, welche nun der Herzog von Vendome befehligte, in dem
Städtchen Brihuega umrungen. Nach tapferem, leider aber zu kur
zem Widerstande ergab sich Stanhope mit all seinen Truppen als
kriegsgefangen.
Starhemberg war auf die erste Nachricht von Stanhope’s Ge
fahr zu dessen Rettung herbeigeeilt, konnte jedoch seine Gefangen-
nehmung nicht mehr verhindern. Der Feldmarschall sah sich hingegen
selbst von dem fast zweimal so starken Feinde in der Ebene von
Villaviciosa zur Schlacht gezwungen. Er wusste aber in diesem
hartnäckigen und blutigen Kampfe durch Entwickelung aller glänzen
den Eigenschaften, die den grossen Feldherrn ausmachen, nicht nur
dem übermächtigen Gegner die Spitze zu bieten, sondern denselben
sogar zurückzutreiben und die Wahlstatt zu behaupten. Alle, auch
die der feindlichen Partei angehörigen Stimmen, können das vortreff
liche Benehmen des Feldmarschalls in der bedrängten Lage, in der
er sich befand, nicht genug erheben.
Wenn gleich dem Grafen Starhemberg die Ehre des Sieges bei
Villaviciosa nicht streitig gemacht werden kann, so waren doch die
Folgen dieser Schlacht denen einer Niederlage vergleichbar. War
J i t) Arneth. Auszüge aus dem Werke : Der FeMmarsehall Starhemberg.
Starhemberg’s Verlust auch nicht so bedeutend wie der der Spanier,
so war er doch für ihn weit schwerer zu ertragen. Am empfind
lichsten aber war der vollständige Mangel an Zug- und Lastthieren,
durch welchen der Feldmarschall sich gezwungen sah, nicht nur die
eroberten feindlichen, sondern auch seine eigenen Kanonen auf dem
Schlachtfelde zurück- und dem Feinde zu überlassen. Er liess die
Laffetten verbrennen, die Geschütze vernageln. Die Unmöglichkeit
sich in Castilien länger zu halten vor Augen, trat er am ll.December
seinen Rückzug an. ln bester Ordnung, alle Angritfe der feindlichen
Reiterbanden und des ringsumher aufgestandenen Landvolkes zurück
schlagend, alle Mühseligkeiten eines Marsches durch rauhes, unfrucht
bares Land, in der kältesten Jahreszeit, ohne Lebensmittel für seine
Soldaten, ohne Fourage für die Cavalleriepferde, mit Standhaftigkeit
ertragend, ging Starhemberg in langsamen Märschen bis an die cata-
lonische Grenze zurück, so dass er am Ende dieses wechselvollen
Feldzuges sich wieder dort befand, von wo er im Anfänge desselben
seinen Ausgangspunct genommen hatte.
Dritthalb Jahre noch kämpfte Guido Starhemberg auf dem Roden
Spaniens für die Rechte des Hauses Österreich auf die Krone dieses
Landes. Der Tod des Kaisers Joseph I. und die Erhebung Karl’s
auf Deutschlands Kaiserthrön, die dadurch veranlasste Abreise des
Letzteren aus Catalonien, namentlich aber der jeder völkerrechtlichen
Verpflichtung Hohn sprechende Abfall Englands von dem gemein
samen Ründnisse brachten einen solchen Umschwung der Verhält
nisse hervor, dass Catalonien im Jahre 1713 von den kaiserlichen
Truppen geräumt werden musste und sodann von Philipp von Anjou
völlig unterworfen wurde.
Was den Gang dieser Ereignisse und die späteren Erlebnisse
des Feldmarschalls Starhemberg, seine Stellung am kaiserlichen
Hofe, sein Verhältniss zu seinem grossen Zeitgenossen Eugen von
Savoyen, seine letzten Lebensjahre endlich und seinen Tod betrifft,
weiset Herr Arneth auf den Inhalt des von ihm verfassten Werkes
hin, welches er der Akademie vorgelegt hat.
Pfizmaier. Über einige Eigenschaften der japanischen Volkspoesie. 377
SITZUNG VOM 28. APRIL 1852.
Die Classe empfangt von dem h. Ministerium des Äussern mit
gebührendem Danke die durch dessen gütige Verwendung einge
langten , für Herrn Prof. D u d i k zur Benützung erbetenen zwei
Handschriften aus der k. Bibliothek zu Stockholm: 1. Diplomatarium
monasterii Zarensis inMoravia; — 2. Pulkawa e Historia Bohemiae.
Sie nimmt mit Vergnügen das von Hrn. Fas sei, Ober-Rabbiner
zu Gross-Kanischa, eingesandte Dedications-Exemplar des ersten
Bandes seines der k. Akademie gewidmeten Werkes: „Mosaisch-
rabbinisches Civilrecht,” entgegen.
Gelesen:
Über einiye Eigenschaften der japanischen Volkspoesie.
Von Dr. August Pfizniaier.
Die merkwürdige Erscheinung einer Sprache, welche in ihren
poetischen Erzeugnissen den Reim nicht kennt, und auch keinerlei
Art von Prosodie, weder Sylbenmaass noch Zeitmaass angenommen
hat, ist von dem Verfasser schon in seinem in den Sitzungsberichten
der kais. Akademie erschienenen „Beitrage zurKenntniss der ältesten
japanischen Poesie” etwas näher beleuchtet worden. Da unter den
in Wien vorhandenen japanischen Werken Poesie leider nicht ver
treten ist, so konnte er seine Kenntniss derselben bisher nur aus
den in Werken anderen Inhalts zerstreuten Bruchstücken schöpfen,
von denen ein grosser Tlieil der populären oder, insofern als ihre
Verfasser nicht genannt werden, der Volkspoesie angehörte. Damit
seine auf diesem Gebiete gemachten Beobachtungen nicht völlig ver
loren gehen, glaubt er bis zu der Zeit, wo ihm vielleicht die Be
nützung einiger in Holland aufbewahrten Bücher gestattet sein dürfte,
nicht unrecht zu thun, wenn er dieselben, so wenig erheblich sie
auch sein mögen, durch die gegenwärtige kleine Abhandlung zur
Kenntniss bringt.
378
P f i z m a i e r.
Wie schon in dem oben erwähnten Aufsatze gesagt worden,
bildet das Lied von 31 Zeichen die Grundlage aller japanischen Vers-
gattungen. Pernerist zu bemerken, dass von der höheren oder Kunst
poesie die Wörter chinesischen Ursprungs, keineswegs jedoch die
Zeichen, völlig ausgeschlossen sind. In Übereinstimmung mit diesem
ist anzunehmen, dass Gedichte, welche von dem angegebenen Mu
ster nicht bedeutend oder doch nur in der Anordnung der einzelnen
Abschnitte abweichen, und zugleich aus rein japanischen Wörtern
bestehen, der Kunst- oder besseren Volkspoesie, Gedichte jedoch,
in welchen die einzelnen Abschnitte dieses Musters verändert sind,
oder welche chinesische Wörter enthalten, der Classe der Volkslie
der angehören.
Zu den besseren alten Volksliedern mögen namentlich die in der
Sammlung Man-yeo-ziu (Sammlung der zehntausend Blätter), welche
jedoch dem Verfasser nur aus wenigen Bruchstücken bekannt ist, zu
zählen sein.
Beispiele sehr alter Gedichte' mit unregelmässigen Abschnitten,
übrigens in rein japanischer Sprache, welche als niedrige Volkslie
der zu betrachten sind, sind die in dem Beitrage zur Kenntniss der
ältesten japanischen Poesie angeführten zwei sogenannten „gemei
nen Weisen” (fina-buri), ferner die in der zweiten Abtheilung des
selben Aufsatzes enthaltenen fünf Gedichte von etwas grösserem
Umfange.
Eine regelmässige Abweichung von dem Liede der 31 Zeichen
besteht vorerst darin, dass die letzten sieben Zeichen abgeschnitten
und die somit noch übrigen 24 als wiederkehrende Strophen, deren
Grenze jedoch durch den Schluss der Perioden nicht bezeichnet
wird, an einander gereiht werden. So in folgenden alten Versen
des Man-yeo-ziu:
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I' * * t \
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*
Über einige Eigenschaften der japanischen Volkspoesie.
Ame-furazu
Fi-no kasanare-ba
Take-si-ta-mo
Maki-si-fatake-mo
Asa-koto-ni
Sibomi-kare-yuku
So-wo mire-ba
Kokoro-wo itami
Midori-ko-no
Tsi-ko-bu ru-gotoku
Ama-tsu midzw
Afugi-te-zo matsu
Asi-biki-no
Yama-no tawori-ni
Kono mi yuru
Ama-no sira-kumo
Wata-tsumi-no
Oki-tsu miyu-be-ni
Tatsi-watari.
Als die regenlosen
Tage wiederkelirten,
Das erhöhte Feld,
Der bepflanzte Garten
Mit jedem Morgen
Dorrend schwand dahin.
Als er dies sah,
Da im Herzen voll von Schmerz,
Wie ein junges Kind,
Wie ein Säugling zitternd
Des Himmels Wasser
Aufwärts blickend er erwartet.
Zu Asi-biki’s
Jähem Bergeshang
Indem er wankt,
Des Himmels weisse Wolke
380
Pfizmaier.
Zu des Meergotts
Tempel an der Bucht
Wandelt hinüber.
Eine andere Art fortlaufender Verse wird dadurch gebildet, dass
das erste Mal das Lied von 31 Zeichen vollständig wiedergegeben
wird, bei dessen Wiederholung aber zwei Zeichen des letzten Ab
schnittes wegfallen. So in folgenden neueren schon mit chinesischen
Wörtern gemischten Versen:
V * ?)p '+>
V f
^ f
$ 7
^ I'
f
T/
7
4-
-\
*
t
;n
f
h
5 *
J 7 J*
7
)
Muisu-yoto-no
Ren-ri-to hi-wa
Kata-kurosi
Fi-yoku-zita-te-no
Ne-maki-ni fasamu
Fitoye-wohi
Fon-ni fi-tatsi-nu
Kami-san-wa
Sui-na koto-site
Tsuma-sadame.
\S
h
7
o 1
iy 4
7
Die traute Rede
Innig wenn sie heisst,
Ist ein an das halbschwarze
Gepaartlltig’lig geschnitt’ne
Nachtkleid drückender
Einz’ger Gürtel.
Iin Grunde des Fitatsi
Hohe Götter
Mit dem rohen Stoffe schon
Brachten die Ein’gung.
Ausserdem zeigten sich noch die einzelnen Abschnitte des Mu
sters so geordnet, dass sie zu zweien mit einander abwechselten.
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Über einige Eigenschaften der japanischen Volkspoesie.
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Wakare-ni fa-wori
Ki-se-nagara
Sode-wo sode-to-no
Moro fa-gai
Simere-ba simete
Kasasagi-no
Fosi-ni tatoye-si
Futa-tsu mon.
Gesondert in den Mantel
Wie er sich kleidet,
Den Aermel mit dem Aermel
Als zwei Flügel
Er ansehliesst, und im Scliliessen
Des Aelsterbildes
Sternen vergleichbar
Sind die zwei Streifen.
Hierbei fanden sich auch zwei gleiche Abschnitte, entweder
von sieben oder von fünf Zeichen, vorangesetzt.
Kiku-no ki-se wata
Mada atataka-ni
Fanu-mi ko-sode-no
Kayeri-zaki
Nui-no ko-teü-no
Fira-fira-to
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P f i z m a i e r.
Magaki-wo meguru
Koma-geta-ya
Ta-dzuna-kai-kuri
Fidari-dzuma.
Von Goldblumen die Wolle,
Sie erwärmt nicht,
Der Blumenleib des Aermelkleides
Gestülpter Vorschlag.
Der Schmetterling des Stickwerks
Breiten Flügels
Umflattert die Hecke.
In dem kleinen Söller
Des Zügels Perlen windend
Die Verlobte weilt.
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Sora kumoru
Para-para-to
Futa-tsubu mi-tsubu
Fuyu-no ame
Namida-no koivori
Kiyeie naku
Sugata siyombori
Kawa-yanagi.
Der Himmel wölkt sich:
Herniederrieselnd
Zwei Körner, drei Körner
Der Winterregen
Das Eis der Thränen
Schmilzt und weint.
Das Antlitz schrumpfend steht
Die Stromesweide.
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Mit einander in der äusseren Form übereinstimmend, so dass
das eine das Seitenstück von dem andern bildet, sind folgende zwei
Gedichte, welche jedoch nicht ganz frei von Unregelmässigkeiten sind.
Über einige Eigenschaften der japanischen Volkspoesie.
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Yo-no naka-ni
Koi-to fana
Toga-nai nara-ba
Kaze-mo fuke-fuke
Kagumi-mo iranu
Yami-nara uki-na-ga
Tatsi-ya semai
Yeye ma-a niku-ya
Woboro-tsuki.
In dieser Welt,
Wenn der Neigung Blume
Frei von Schuld,
Wie der Wind auch wehe, wehe,
Er kann sie nimmer beugen.
In Finsterniss ein leichter Name
Voll Drängniss ragt,
Und ach! wie hässlich
Der trübe Mond.
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Kono sato-ni
Ma-buto-tsuki
Toganai nara-ba
Tori-mo nake-nake
Kumora-ba kumore
Sitzb. d. phil.-hist. Ci. VIII. Bd. IV. Hft. 27
■
384 Pfizmaier.
Simete neta
Yo-wo kokoro-naku
Ye-ye ma-a niyaku-ya
Ake-no keine.
In dieser Strasse,
Wenn der volle Mond
Frei von Schuld,
Wie der Hahn auch krähe, krähe,
Er lässt ihn immer grollen.
Um die Welt, die liegt im Schlafe,
Ohne Kummer,
Und ach! wie frühe
Die Morgenglocke.
Einige Gedichte sind durchaus unregelmässig, sowohl hinsicht
lich der einzelnen Verse, als auch der Anordnung derselben. Fol
gende Verse, welche nicht ganz ohne Verdienst sind, mögen hier
als Proben stehen.
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Saru-fodo-ni
Mina-moto-no
Yosi-tsune-iva
Kawa-tsura-fo-gen-no
Moto-wo tanomi
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Über einige Eigenschaften der japanischen Volkspoesie.
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Sibaraku yosi-no-ni
Gü-ki-yo aru-ide
Sono koro-wa
Yayoi naka-ba
Sakura-wo womofu
Sira-kumo-to
Mine-mo fumoto-mo
Itsi-men-ni
Sakari-arasü
Fana-ikusa
Sore-ka aranu-ka
Faru-kaze-ni
Tsurete kikoyuru
Toki-no koye.
Wenn nun endlich
Der Wasserquelle
Jositsune
Den Pogen von der Stromesfläche
Sucht in dem Land,
Sogleich auf dem Josi-No
Ist in Aufruhr die Welt.
Um die Zeit sodann,
In des Füllemonats Mitte,
Mit der kirschbaumliebenden
Weissen Wolke,
Von Gipfel und vom Bergesfuss,
Von allen Seiten
Stürzend zum Streit
Das Heer der Blumen
Sich zeigt es nicht ?
Vom Frühlingswind
Begleitet schallt
Der Siegesruf.
Zum Verständniss des Obigen möge bemerkt werden, dass der
Feldherr Josi-tsune zur Familie Mina-moto (im Jap. |' t f- u
mina-moto, der Ursprung des Wassers, die Quelle) gehörte, und
sein Gegner Fogen zur Familie Kawa-tsura (im Jap. y '7
kcnva-tsura, die Oberfläche des Flusses). Josi-No (im Jap.
) i/ 3 yosi-no, das vortreffliche Feld) heisst ein District in
der Provinz Jaznato.
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Kansari-mase-ba
Taka-ma-ga fara
Wö-zio-sure-ba
Goku-raku-se-kai
Du satotte-mo
Yume-no yo-ni
Asobu-ga toku-to
Yü-ke-ziki
Ni-fon-dzutsumi-no
Futa-basira-
Kami-to massia-wo
Fiki-tsurete
Toko-yami siranu
Wowo-kado-no
Iwa-to-ni ato-wo
Tare-tamu.
Wenn als Gott er scheidet,
Auf des hohen Himmels Feld
Gründet die Königsstadt,
ln der höchsten Freude Land
Erwacht sich findend, -
In der Welt der Träume
Wie er lustwandelt,
In des Abends Fernsicht
Von Japans Ufern
Über einige Eigenschaften der japanischen Volkspoesie. 387
Die beiden Ursprungs-
Götter zum Altar
Er begleitet,
An des der Urnacht fremden
Grossen Fensters
Felsenthor die Kunde
Schickt er hernieder.
Das Obige bezieht sich auf den Tod des Himmelssohnes, der
auf den Feldern des Himmels den Königssitz aufschlägt. Die beiden
Ursprungsgötter heissen der Gott I-za-nagi-no Mikoto und des
sen Gemahlin I-za-nami-no Mikoto, von welchen das Geschlecht der
Himmelssöhne abgeleitet wird.
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To uresi-namida-no
Para-para-to
Noki-ba-ivo meguru
Si-gure-no asi-
Fana-to miye-si-wa
Yuki-moyofu
Sora mono-sugoku
Yü-gure-no
Kane-no fibiki-ni
Sasowarete
Idzutsi yukuran
Fito-bito-no
Kage-mo si-dai-ni
Kiye-usure-ba.
Die Freudenthränen
In Fluten
Den Traufenplatz umrollen.
Im frühen Regen des Schilfs
Blumen vor dem Blick
Wandeln gereiht.
Der Himmel ist voll Ruhe,
388 Zappert. Über den Affcet des geistigen Schmerzes im Mittelalter.
Von der abendlichen
Glocke Wiederhall
Fortgeführt,
Der des Weges ziehenden
Menschenmenge
Schatten nach einander
Schwindend vergeh’n.
Über den Affect des geistigen Schmerzes im Mittelalter.
Von dem e. M., Hrn. Zappert.
(Schluss.)
Mit welchem durchgreifenden Erfolge die Kirchenväter der
ersten drei christlichen Jahrhunderte die Äusserungen des zeitlichen
Schmerzes bekämpften, zeigen die erhebenden Beispiele der Märtyrer
und Bekenner. Die Kirchenlehrer der späteren Jahrhunderte jedoch
vermochten nicht die Gesammtheit der Gläubigen auf dieser Höhe
christlicher Stoa zu erhalten. Sie sahen sich genöthigt, der gebrech
lichen Menschennatur Zugeständnisse zu machen, und der Thräne um
Hingeschiedene den Austritt zu gestatten Diese Concession benützt
bald auch die Abschiedszähre, und fromme christliche Mütter weinen,
wenn eines ihrer Kinder auch nur zeitweilig das elterliche Haus ver
lässt. Ihre Hochfluth erreichte diese Thräne, als der Geist des Glau
bens die kampfrüstige Welt des Mittelalters kriegerisch überflammte,
und keines der christlichen Jahrhunderte sah so viele von Abschieds
zähren rothgeweinte Augen, als die der Kreuzzüge.
Auch die früher als heidnisch streng verpönten Schmerzesge
berden erschienen nun in den Gebilden mittelalterlicher Kunst. — Wie
an Laien, so übt der zeitliche geistige Schmerz seine Macht auch an den
Trägern der christlichen Lehre, an Oberhirten wie Mönchen; und nicht
etwa angehende Jünger klösterlicher Disciplin, sondern seihst in der
Schule der Gefühlsabtödtung ergraute Veteranen der Ascese erliegen
seiner Gewalt, und über altehrwürdige Anachoreten-Bärte perlen in
langen Beihen die Zähren des gefühlten Beileids. Unter dem Einflüsse
dieser Thränengeneigtheit modificiren sich theologische Ansichten,
und man verleiht mit Beginn des zwölften Jahrhunderts evangelischen
Personen ein reiches Mass von Zähren. Während so die religiöse
Poesie dieses Jahrhunderts in den Marienklagen ihre seufzendsten
v. K l* em e r. Description de 1’ Afrique.
389
Blüthen entfaltet, trafen gleichzeitig Kirchenlehrer jene Gefühlvollen,
die sich auch von den Producten weltlicher Dichtkunst Thränen ent
locken zu lassen keine Scheu trugen. Sie verweisen ihnen diese
fabelhaften Thränen, sie eifern wider das Dichtervolk, wider diese
lügenhaften Scribenten, die statt der Elaborate profunder Gelehrt
heit die Schöpfungen ihres dichterischen Genius den Gläubigen zum
Besten geben. Aber vergebens. Die Cultur der religiösen Zähre
hatte auch die der rein menschlichen und mit ihr die Empfänglich
keit für das Rührende fördern helfen. Die Enkel Hermanns, deren
Ahnen den Schmerz um ihre oft blutigen Todten mit einer kurzen
Tliräne abfertigten, die Enkel des Kriegsfürsten Arminius vergiessen
jetzt heisse Zähren über die romantischen Leiden der Paladine
König Arthurs.
Vortrag des Herrn Prof. v. Krem er über sein vorgelegtes
Druckwerk: „Description de VAfrique par un arcibe anonyme
du 6" siecle de l'Hegire.
Das Werk, von dem ich hier die erste arabische Text-Ausgabe
vorzulegen die Ehre habe, enthält unter dem Titel: Kitäb-el-Istibsär-
fi-Adschäib-el-Amsär eine geographische und topographische Schil
derung des den Arabern bekannten Theiles von Afrika, nämlich: des
Gebietes der Paschalike von Tripolis und Tunis, dann der jetzt fran
zösischen Colonie Algier und des marocanischen Reiches bis an die
Gestade des atlantischen Oceans; — es werden die von diesen Län
dern ins Innere von Afrika ausgehenden, durch die Sahara führenden
Handelsstrassen beschrieben und dabei auch die spärlichen Nach
richten arabischer Reisender über die Städte und Völker des inneren
Afrika’s angeführt, worunter sich besonders der den Oasen gewidmete
Artikel durch neue Angaben auszeichnet.
Bei der Mangelhaftigkeit unserer Nachrichten über diesen Theil
Afrika’s dürfte die Herausgabe dieses Textes allein schon hinreichend
gerechtfertiget erscheinen, um so mehr, da diese Gegenden sowohl
durch die Eroberung Algiers von den Franzosen ein erhöhtes Interesse
gewonnen haben, als auch dadurch, dass der Handel Österreichs in
jene Gegenden im stäten Zunehmen begriffen ist.
Ein anderer Grund aber noch war es, der mich zur Herausgabe
dieses Textes bestimmte: es ist bekannt, dass gerade der geographi-
390
v. K r e m e r.
sehe Theil der arabischen Literatur für uns das Wichtigste ist, und
dennoch ist bis jetzt für die Herausgabe von Texten und Übersetzun
gen arabischer geographischer Werke nur sehr wenig, ja fast gar
nichts geschehen, verglichen mit der Masse von Werken historischen
und philologischen Inhaltes, die durch den Druck veröffentlicht
werden.
Ausser Ab uIfeda, dem grössten der arabischen Geographen,
haben wir keinen anderen in einer vollständigen Textausgabe;
Edrisi ist zwar in einer französischen Übersetzung erschienen, es
lässt dieselbe aber viel zu wünschen übrig; — eben so fehlt uns eine
Textausgabe der Reisen des Ibn-Batuta; — Ibn-Dschobair, von dem
Amari im Journal Asiatique die auf Sicilien bezüglichen Stellen
seiner Reisebeschreibnng gegeben hat, soll zwar durch einen ge
lehrten Schotten (Herrn William Wrigt) herausgegeben werden, bis
jetzt ist aber noch nichts erschienen; — 'Obeid-Allah-el-Bekri, von
dem sich Handschriften in Paris, Oxford und, wie ich glaube, im
Escurial befinden, ist nur durch die von Quatremere gegebenen Aus
zügebekannt; — diesem Mangel nun wollte ich durch die Herausgabe
des vorliegenden Werkes abhelfen.
Das von mir im Texte herausgegebene arabische Werk befindet
sich im Besitze der k. k. orientalischen Akademie, in welche es aus
den Händen des Herrn von Dombay überging, der es aus Maroko mit
gebracht hatte.
Der nur zu früh den orientalischen Studien entrissene Kraflft
macht schon in seinem trefflich ausgearbeiteten Kataloge der Hand
schriften der k. k. orientalischen Akademie auf diese Handschrift auf
merksam, die noch dadurch an Werth gewinnt, dass Hadschi Clialfa
sie nicht zu kennen scheint.
Obschon die Herausgabe eines Textes nach einer einzigen
Handschrift ein immerhin sehr schwieriges Unternehmen bleibt, so
liess ich mich dadurch nicht abschrecken und habe versucht, die ver
derbten Stellen durch Conjecturen herzustellen, wobei jedoch immer
die verderbte Leseart des Textes in den Noten gegeben wurde, so
dass der Leser im Stande ist, seihst über die Richtigkeit meiner
Emendationen zu urtheilen.
Auf diese Art war ich im Stande, die arabische geographische
Literatur wenigstens mit dieser kleinen Spende zu bereichern. Was
den Verfasser unseres Werkes betrifft, so ist er unbekannt, da in der
Description del’Afrique.
391
Handschrift derselbe nicht genannt wird und, wie gesagt, Hadschi
Chalfa uns darüber keine Auskunft gibt. Das Zeitalter übrigens, in
dem das Werk geschrieben wurde, sind wir im Stande, genau anzu
geben, da der Verfasser sich darüber selbst äussert, pag. 82, wo er
sagt: „wir sind jetzt im Jahre (5) 87 im Monate Redscheb.” Wir
geben nun zur ausführlichen Inhaltsanzeige des Werkes über:
Das Werk beginnt mit der Schilderung der an der Seeküste
gelegenen Städte, deren erste die Stadt Tripolis ist, welche wir
ebenso wie die der darauf folgenden Stadt Käbes übergeben, ohne
das von unserem Geographen über sie Gesagte hervorzuheben, da die
Schilderung beider in den von Quatremere gegebenen Auszügen
enthalten ist. Umsoweniger aber können wir die Gründung und Be
schreibung der Stadt Kairowan übergehen, über die unser Schrift
steller Folgendes erzählt: Im Jahre 47 der mohammedanischen Zeit
rechnung ernannte der Chalife Muäwije den Tkbat-Ibn-Näfi', den
Koraischiten, zum Statthalter über Afrika; er eroberte das Land mit
10.000 Muslimen, und liess, was er an Christen fand, über die Klinge
springen. Dann sagte er zu seinen Genossen : Mir däucht, wenn ein
Imam (Religions-Oberhaupt, eigentlich Vorbeter) nach Afrika käme,
würden alle Neubekehrten am Islam festhalten, verliesse sie aber
derselbe, so würden sie auch den Glauben Gottes wieder aufgeben,
und zum christlichen Glauben znriickkehren, desshalb rathe ich euch,
o Gemeinschaft der Muslimen, euch eine Stadt auszuerwählen, auf
dass es euch zur Ehre gereiche für alle Zeiten.
Das Volk nahm diesen Vorschlag- an und sie kamen überein,
dass die Bewohner dieser Stadt eine Grenztruppe bilden sollten, und
sie sprachen: Lasst uns die Stadt nahe am Meere gründen, damit der
Glaubenskampf und der Grenzkrieg ununterbrochen stattfinde.
Doch 'Ukba meinte: Wir müssen uns vor dem König von Kon
stantinopel fürchten. Endlich wurden sie in Bezug auf den Ort der
Stadt einig, und es sagte ‘Ukba zu ihnen: Verlegt die Stadt in die
Nähe des Marschlandes, denn der grösste Theil eurer Heerden be
steht in Kameelen, damit diese vor dem Thore der Stadt sicher vor
den Berbern seien. Hierauf rief 'Ukba alles das, was in dem Haine
war von wilden Thieren und Gewürm an und sprach: Zieht fort mit
der Erlaubnis Gottes! — und siebe, da zog alles, was darin war,
fort, so dass kein einziges Thier mehr zurückblieb — und das Volk
(der Muslimen) sab dies (und staunte).
392
v. Krem er.
Ibn-Rakik sagt in seiner Geschichte: Durch vierzig Jahre sah
man in Kairowän kein Ungeziefer und kein Gewürm.
Da entstand ein Streit darüber, in welcher Richtung die Kihle
der Moschee erhaut werden müsse. 'Ukba brachte desshalb die
Nacht mit betrübtem Sinn zu. Da sah er im Traume Einen, der ihm
sagte: Nimm die Fahne in deine Hand, und so lange du den Ruf (des
Volkes): Allah-Akbar! — hören kannst, schreite fort, wo dann dieser
Ruf verstummt, dort pflanze die Fahne auf: das sei der Ort eurer
Kible! — so that auch 'Ukba, und an diesem Ort ist der Mihräb der
Moschee von Kairowän bis zum heutigen Tage.
Hassan Ihn Nümän riss die Moschee von Kairowän nieder, und
baute die Seiten des Mihräb neu, doch licss er ihn selbst (unver
sehrt).
Die Moschee von Kairowän wurde drei Mal niedergerissen und
drei Mal aufgebaut, da jeder Statthalter von KairoAvän wollte, dass
die Moschee von ihm erbaut sei, nur den Mihräb Hessen sie unver
sehrt aus Verehrung für den Rau 'Ukba’s.
Wir übergehen nun ein kleines Stück, in dem ein Gottesgericht
erzählt wird, welches über die erging, welche auf Befehl des Mäadd
Ibn Ismäil Ibn 'Obeid-Allah-esch-Schi’i das Grab 'Ukba’s verwüsten
wollten. Interessanter für uns ist das, was über die Alterthümer von
Kairowän gesagt wird: Gegenüber der grossen Moschee von Kairo
wän sind die zwei rothen gelb gesprenkelten Säulen, die ihres Glei
chen nicht haben. Sie waren in einer der Kirchen der Römer, und
es übertrug sie aus dieser in die Moschee von Kairowän Hassän
Ibn-en-Nümän. Sie stehen gegenüber dem Mihräb, und auf ihnen
ruht die Kuppel, welche den Mihräb überwölbt.
Ausserhalb der Stadt Kairowän sind fünfzehn Wasserleitungen
(l. J. Canäle zum Behufe der Bewohner von Kairowän.
Einige davon wurden in den Tagen des Chalifen Hischäm Ibn 'Abdel-
Melik Ibn Merwän erbaut, andere unter der Herrschaft anderer Cha
lifen; — die grösste und bewunderungswürdigste Wasserleitung ist
die von Ahmed Ibn Aghlab am Stadtthore Bab-Tunis vor Kairowän er
baute, — sie ist kreisförmig und von ausserordentlicher Grösse, in
der Mitte derselben ist ein achteckiger Thurm, der eine offene Kuppel
trägt, unter welcher mehrere Thore sind. Wenn ein Schütze am
Rande der Wasserleitung steht und mit dem stärksten Bogen einen
Description de l 4 Afrique.
393
Pfeil abschiesst, so kann er nicht den Thurm erreichen, der in der
Mitte dieser Wasserleitung steht.
An dieser Wasserleitung stand ein grosses Schloss von be-
wundernswerther Bauart und mit Sälen, welche auf die Wasser
leitung die Aussicht hatten.
In diese Wasserleitung mündet eine andere hübsche Wasser
leitung, die damit in Verbindung steht; in dieselbe ergiesst sich das
Wasser des Flusses, wenn es tliesst, und darin bricht sich der Lauf
der Strömung, erst dann ergiesst es sich in die grosse Wasserleitung.
Dieser Fluss, der in die Wasserleitung mündet, ist ein Winterfluss,
da er nur im Winter strömt. Wenn die (eben besprochene) Wasser
leitung ebenso wie die anderen Wasserleitungen voll ist, so trinken
daraus die Bewohner von Kairowän so wie ihre Heerden, und es wird
das Wasser dieser Leitung bis zum Sommer aufbewahrt, wo es dann
kalt, rein und süss bleibt, wegen der grossen daselbst aufbewahrten
Wassermenge 1 )-
'Abd-Allah-eseh-Schü pflegte zu sagen: Ich sah in Afrika zwei
Dinge, dergleichen ich nie im Oriente gesehen habe, es sind das:
der Graben am Stadtthore Bäh - Tunis von Kairowän (nämlich diese
grosse Wasserleitung) und das Schloss, das in der Stadt Bakkäde
ist und unter dem Namen Kasr-el-Bahr, d. i. Meerschloss, bekannt ist.
Wir übergehen nun die Schilderung der Städte Sabra, Rakkade
die von Quatremere ausführlich beschrieben werden und bemerken
nur, dass unser Autor die Stadt Sefäkes wegen ihres Handels mit dem
trefflichen Öl, was sie erzeugt, anführt, welcher Handelsartikel nach
Sicilien, Italien, in die Lomhardie Calabrien und in die
Länder der Rum (d. i. der Römer) versendet wird. Es würde mich
zu weit führen, das anzugeben, was der Autor über die Städte
Mehdije, Temmädschert, Dschelüla, Suse und Tunis sagt, hingegen
will ich das hervorheben, was über die Stadt Kartadschenne und über
die Ruinen des alten Karthago gesagt wird, so wie die Schilderung
der Städte Benzert, Tarfa, Asilä und Sela (Salle), womit die erste
Abtheilung des Werkes, welche die Städte der Seekiiste behandelt,
abgeschlossen wird.
*) Zur Ergänzung der Beschreibung der Stadt Kairowan lese man das von Barth
in seinen Wanderungen am Mittelmeere darüber von einem ganz anderer)
Standpuncte aus Gesagte.
394
V. Kl'einer.
Von besonderem Interesse ist die Schilderung der Stadt Kar
tadschenne, da sie uns ein ziemlich genaues Bild von dem Zustande
der antiken Ruinen daselbst gibt, die, wie es nach der Beschreibung
unseres Autors scheint, damals noch viel bedeutender waren als jetzt.
Ebenso beweiset uns das in der Einleitung über die Geschichte der
Stadt Gesagte, dass die Araber von den Werken griechischer und
.römischer Literatur nicht bloss die naturhistorischen, mathematischen
und philosophischen kannten, sondern auch die reinhistorischen in
guten Übersetzungen besassen, denn die hier gegebene Stelle unseres
Autors ist offenbar aus einem classisehen Werke übersetzt; — dieses
beweiset allein die Stelle, wo Hannibal redend angeführt wird und
sagt: Ich wollte die Spur der Römer von der Erde vertilgen, doch
jetzt glaube ich, dass der Himmel es anders wollte. Ein Araber, als
Muslim, würde nie seinem Helden, wenn er ihn sprechend anführt,
einen andern Schwur in den Mund legen, als den: bei Gott. Beim
Himmel zu schwören ist ganz ungewöhnlich, und die Anwendung
dieser Redensart lässt sich nur dadurch begründen, dass man an
nimmt, es habe sich der Autor wahrscheinlich strenge an den Text
der arabischen Übersetzung aus dem griechischen oder lateinischen
halten wollen. Wir lassen nun unseren arabischen Geographen
selbst sprechen:
Die Stadt Kartadschenne ist von Tunis zehn Meilen entfernt und
die Hafenstadt ist beiden gemeinsam. Kartadschenne ist eine der
berühmten Städte, und daselbst ist von Ruinen und wunderbaren
Bauresten so viel, wie in keinem Lande des Orients oder Occidents.
Man behauptet, wenn ein Mann diese Stadt beträte und sein Leben
damit zubringen wollte, die Ruinen zu beschauen, so könnte er jeden
Tag ein anderes Wunder sehen, das er noch nicht früher bemerkt.
Man erzählt, dass derjenige, der sie bewohnte, ein mächtiger
gewaltiger König war, der den grössten Theil der Erde beherrschte;
er hiess Anbil (Hannibal); er betrat das Land der Römer, tödtete
ihre Grossen, eroberte ihr Land, und sandte nach Kartadschenne von
den Siegelringen der getödteten Grossen drei Scheffel. Es wird be
richtet, dass er die Stadt Rom (Rümet-el-Kubrä), welche die Haupt
stadt der Römer war, belagerte. Als er sie berannte und ihren König
in die Enge trieb, sandte der König von Rom einen seiner Feldherrn
ab, und dieser versammelte alle Römer, die in seinem Lande waren
und die Heere, und befahl, nach Afrika zu ziehen, Kartadschenne zu
Description de 1’ Ai'rique.
393
belagern und zu verwüsten. Der Name dieses Feldherrn war Schi-
biun (Scipio), — so zogen sie also nach Afrika, belagerten Iiarta-
dschenne, und es war in dieser StadtNiemand, der sie hätte beschützen
können, desshalb sandten die Einwohner an ihren König Hannibal, um
ihm kund zu thun, welches Missgeschick ihr Land hetroll'en habe
von dem Volke von Rom, und sie flehten ihn an, ihnen eiligst zu
Hülfe zu ziehen. Da soll sich der König von Kartadschenne ver
wundert und gesprochen haben: „Ich wollte die Spur der Römer
von der Erde vertilgen, doch jetzt glaube ich, dass der Himmel es
anders wollte.” Hierauf kehrte er eilends zurück, und Scipio, der
Feldherr des Herrschers über Rom, griff ihn an und schlug ihn mehr
mals, bis er ihn tödtete und sein Heer vernichtete. Hierauf zog er
in Kartadschenne ein und verwüstete und verbrannte die Stadt.
Die Muslimen, als sie Afrika eroberten, vernichteten den Rest
der Stadt, wie allen bekannt ist. Jetzt ist in Kardatschenne nur ein
einziges Schloss mehr bewohnt, das Kala genannt wird. Dieser
Bau ist höchst bewundernswerth, von ausserordentlichem Umfange
und bedeutender Höhe, bestehend aus in grossen Stockwerken über
einander gebauten Gewölben er hat die Aussicht auf das Meer
und ist ein mächtiges Schloss.
In Kartadschenne ist ebenfalls ein Amphitheater, das die Be
wohner jener Gegend Tiätri nennen. Es besteht aus Gewölben, die
auf marmornen Säulen ruhen, auf diesen Gewölben ruhen wieder
andere, vier Stockwerke hoch, diese umschliessen das eigentliche
Haus. Das Haus selbst ist rund und von eigenthtimlicher Bauart, es
hat viele Thore und ober jedem Tliore ist die Abbildung eines Thieres
(zu sehen). Auf den Wänden sind die Abbildungen aller Hand
werksleute mit ihren Werkzeugen in den Händen.
In diesem Hause ist so viel Marmor, dass, wenn alle Bewohner
von Afrika sich versammeln würden, sie ihn doch nicht forttragen
könnten, wegen seiner grossen Menge.
Hier sind auch noch zwei Schlösser, die mit dem Namen der:
„beiden Schwestern” — bezeichnet werden; kein Stein von diesen
gleicht dem andern. Hier tindet sich auch eine Marmorplatte von der
Länge von dreissig Spannen und der Breite von fünfzehn Spannen.
Westlich davon soll ein ganzes Haus aus einem einzigen Steine sich
befinden. Die Leute pflegen den Marmor dieser beiden Schlösser
396
v. Kreme r.
schon seit langer Zeit zu verschleppen, und doch hat er noch bis
jetzt kein Ende genommen.
Bei diesen beiden Schlössern ist eine Wasserleitung, die von
der Gegend des Dschöf (d. i. des Meerhusens) herkömmt, obwohl
die Quelle nicht bekannt ist. An dieser Wasserleitung sind Wasser
räder und kleine Canäle, welche die Gärten bewässern. Hier stand
ein grosses Schloss mit der Aussicht auf das Meer das Kümas*) ge
nannt wurde; es ist eine der grössten Merkwürdigkeiten von Karta-
dschenne, denn es ist dieses Schloss auf marmornen Säulen von aus
serordentlicher Grösse erbaut, so dass auf jeder Säule zwölf Männer
gut sitzen könnten und in ihrer Mitte noch ein Tisch mit Speisen und
Trank Platz fände 3 ). Die Säulen sind gestreift und weiss wie Schnee.
Die Peripherie jeder Säule beträgt dreissig Spannen, die Höhe ist
sehr bedeutend; auf diesen Säulen ruhen andere quer darüber, hie
rauf ist das Schloss erbaut, bestehend aus aufeinander ruhenden Ge
wölben, die mit wunderbarer Kunst und auf die solideste Art gebaut
sind.
Es war dieses Schloss eine feste Burg und ward erst neuerlich
zerstört, weil sich Räuber darin aufhielten, welche diese Gegenden
unsicher machten und sich dahin zu flüchten pflegten. Desshalb
zogen die Leute von Tunis gegen sie aus, tödteten sie und riessen
das Schloss nieder. In der Nähe ist ein Ort mit Gewölben und Gängen
unter der Erde, die man zu betreten sich fürchtet. Darin sind die
Körper der Todten unverweset.
Innerhalb der Stadt ist ein Canal, den Schiffe mit Segeln be
fahren können. In der Stadt sind ausserdem viele Wasserleitungen,
von denen einige Mawadschil-esch-Schejätin, d. i. Wasserleitungen
der Teufel, genannt werden; desshalb weil jeder, der sich ihnen
nahet, darin ein Dröhnen hört. Die Leute weigern sich sehr, die
selben zu betreten und wer es wagt, sie in der Nacht zu betreten,
von dem weiss man, dass er sehr muthig ist. Ich habe sie bei Tag
betreten, mit einer Anzahl guter Freunde, und sah etwas höchst
1 ) Quatremere schreibt nach Bekri ^ Notices et Ecctraits de la Biblio-
theque du Hoi, XII me vol.
3 ) So glaube ich diese Stelle verstehen zu müssen, die in Quatremere’s Über
setzung anders lautet und desshalb von Barth für eine Darstellung des
Abendmahles gehalten wird.
Description de l’Afrique.
397
erstaunliches, nämlich, wenn Jemand mit leisester Stimme ein Wort
aussprach, hörte man einen gewaltigen Nachhall. Das Merkwür
digste aber, was ich dort bemerkte, war, dass das Wasser daselbst
noch bis jetzt vorhanden ist, obwohl das Regenwasser nicht hinein
dringen kann, wegen der Festigkeit der Überdachungen.
Es besteht diese Wasserleitung aus achtzehn Wasserbehältern 1 ),
die mit einander in Verbindung stehen und bei zweihundert Ellen
hoch sind, bei grosser Breite. Das Wasser ist darin bei sechs
Mannslängen tief und es ist unbekannt, von wo das Wasser hinein
kömmt.
Ebenso führt auch 'Obeid-Allah-el-Bekri im Buche el-Mesälik-
wel-Memälik an, dass das Merkwürdigste von dem, was er in Kar-
tadschenne sah, die Wasserleitungen seien, die mit dem Namen der
Wasserleitungen des Teufels bezeichnet werden, deren Zweck unbe
kannt wäre.
Eines der wundervollsten Bauwerke aber ist der Canal, in den
das Wasser von der Quelle 'Ain-Dschelfän zur Stadt Kartadschenne
geleitet wird, durch eine Strecke von fünf Tagreisen. Es ist dies
eine grosse Wasserleitung, in der so viel Wasser zuströmt, dass es
fünf oder mehr Mühlen treiben könnte. Die Breite der Wasserleitung
beträgt bei acht Spannen und die Höhe des Wassers ist ein und
eine halbe Manneshöhe.
Manchmal verliert sich diese Wasserleitung unter der Erde an
hochgelegenen Orten, während sie, sobald sie über Niederungen
läuft, auf über einander erbauten Gewölben ruht, die so hoch sind,
dass sie die Wolken erreichen. Es ist dieser Bau einzig in seiner Art.
In der Mitte der Stadt ist ein grosser Wasserbehälter, von dem
noch bis jetzt bei tausend sieben hundert kleine Canäle auslaufen, mit
Ausnahme derer, die zerstört sind. Hierein ergoss sich das Wasser,
welches in jener Wasserleitung herbeigeführt wurde, und von hier
aus verzweigt es sich in die weiteren Wasserleitungen.
Ich sah an einem der Pfeiler dieser Gewölbe eine Stein-Inschrift,
deren Übersetzung besagt, dass dieses ein Werk der Bewohner von
Samarkand sei.
*) Damit stimmt Barth in seinen Wanderungen am Mittelmeere vollkommen
überein. Pag. 104.
398
v» K r e in e r.
Abü-Dschäfer Ibn Ibrahim der Mediciner erzählt in seinem
Werke über die Eroberungen von Afrika, dass Musa Ibn Nosair, als
er Spanien eroberte, befahl: den ältesten Greis des Landes herbeizu
bringen. Da brachte man ihm einen Greis, dessen Augendeckel mit
einer Binde hinaufgebunden waren vor Alter, und Musa frug ihn:
„Von wo bist du gebürtig, o Scheich!” Er entgegnete: „Von Karta-
dschenne,”— Da fuhr Musa fort: Und was hat diese Stadt zu Grunde
gerichtet und wie lautet die Sage von Kartadschenne? — Der Scheich
erwiderte: „Es erbaute sie ein Volk von den Überresten der Aditen
und sie bewohnten die Stadt, so lange es Gott gefiel. Hierauf lag die
Stadt tausend Jalire wüste, bis Ermin, der König, Sohn der Ered,
Sohnes des Nimrüd, sie neu aufbaute und das Wasser auf Bogen über
Tliäler und Berge hinleitete, bis er es in die Stadt Kartadschenne ge
langen machte. Mein Volk bewohnte nun die Stadt so lange es Gott
gefiel, bis eines Tages ein Mann an den Grundfesten dieser Gewölbe
grub. Da fand er auf einem Steine eine Inschrift, welche lautete:
Diese Stadt wird veröden, wenn das Salz in ihr zum Vorschein kommt,
und während wir noch sasseri, erzählte der Scheich, siehe da keimte
das Salz aus einem Steine hervor. Da beschauten wir dieses und
bald ereignete sieb dasselbe in der ganzen Stadt. Da reisete ich fort
und kam hielier. — So weit der Scheich. —
Glaubens würdige Männer erzählen von 'Abd - er - Ralimän - Ibn-
Zijäd-lbn-Enam, er habe folgendes berichtet: „Ich ging mit meinem
Oheim in Kartadschenne herum, um die Ruinen zu beschauen und die
wundervollen Bauten zn betrachten; da fanden wir ein Grab, auf den
in himjaritischer Schrift geschrieben stand: leb bin 'Abd-AIlali, der
Gesandte Gottes, Salih; Gott sandte mich an die Bewohner dieser
Stadt, auf dass ich sie zu Gott zurückführe, und sie tödteten mich
ungerechter Weise und ihr Abrechner ist Gott und er ist der beste
Stellvertreter.
Dies ist ohne Zweifel (fügt unser rechtgläubiger Geograph
hinzu), die Ursache des Unterganges von Kartadschenne, doch Gott
weiss am besten, was richtig ist.
Mit diesen Worten schliesst unser Autor seine Schilderung der
Stadt Kartadschenne und ihrer Alterthümer, die, wie sich jeder durch
Vergleichung überzeugen kann, viel vollständiger ist, als die in
Quatremere’s Auszügen gegebene Beschreibung von 'Obeid-AIIah-
el-Bekri.
Description de I'Afrique.
399
Es folgt nun die Beschreibung der Stadt Benzert, welcher
Name auf unseren Karten von Afrika fälschlich Bizerta geschrieben
wird. Wir können nicht umhin, auch den dieser Stadt gewidmeten
Artikel mitzutheilen, wegen der interessanten Beschreibung des Fan
ges der Fischart, die auf arabisch Buri genannt wird, d. i. auf
deutsch Meeräsche. Es scheint dieser Fischfang zur Zeit des ara
bischen Geographen einen sehr bedeutenden Erwerbszweig der Be
wohner von Benzert ausgemacht zu haben. Dass derselbe noch bis
jetzt fortbesteht, das berichtet uns Barth in seinen Wanderungen am
Mittelmeere, dem zufolge die Regierung das Monopol des Fischfanges
in Benzert alle Jahre für 30.000 Thaler verpachtet.
Die Stadt Benzert liegt am Meere und ist zwei Tagreisen von
lunis entfernt und hat ausser anderen Alterthümern einen alten aus
Steinblöcken erbauten Wall.
Ein Fluss ergiesst sich daselbst ins Meer, der sehr fischreich
ist. In der Nähe der Stadt ist ein grosser See, der mit dem Meere
in Verbindung steht und dessen Wasser (folglich) salzig ist. Dieser
See ist überreich an Fischen und in jedem Monate wird darin eine
andere Art von Fischen gefangen, die man nicht eher wieder fängt,
als bis in demselben Monate des nächsten Jahres.
Die Stadt hat ein reiches Einkommen, denn von ihr werden die
hisclie in alle Länder Afrikas ausgeführt und die meisten, die man in
Tunis verzehrt, kommen aus Benzert.
Die verschiedenen Arten dieser Fische erhalten sich durch meh
rere Jahre vollkommen wohlschmeckend. Der ergiebigste Ort für
die Jagd dieser Fische ist die Stelle zwischen dem Meere und dem
See, denn diese Fische entstehen in dem Meere, verlassen es dann,
wenn sie noch so klein wie eine Mandel sind und wachsen erst
m diesem See heran. Zur Zeit der Begattung kehren sie dann
in das Meer zurück und werden mit Lockfischen gejagt, auf die Art,
wie die Tauben (mit Lockvögeln) gejagt werden. Dieser Lockfisch
ist das Weibchen des Fisches, den man Büri (d. i. Meeräsche) nennt.
Es gehen die Kaufleute zu den Fischern und kommen mit ihnen
über eine gewisse Anzahl zu liefernder Fische überein. Der Fischer
nimmt nun .seinen Lockfiscli und lässt ihn los, nachdem er an dessen
Finne einen verlässlichen Angelhaken mit einem Stricke befestigt
hat. Der Lockfisch schwimmt nun im Meer und der Fischer folgt in
seinem Nachen mit seinem Netze. Die Männchen beginnen nun
Sitzb. ,1. phil.-hist. Cl. VIII. Bd. IV. Hfl.
38
400
v. Kremer.
herumzukreisen und er wirft sein Netz auf sie aus und fängt so viel
er kann und wiederholt dies, bis er soviel hat, als er bedarf.
Nicht weit von diesem See im Innern des Landes sind zwei
andere Seen, deren einer süsses, der andere aber salziges Wasser
hat, ohne dass das Wasser des Meeres sich hinein ergösse. Durch
sechs Monate ergiesst sich wechselseitig einer dieser Seen in den
anderen, ohne dass ihr Wasser sich verändert; es wird das süsse
Wasser nicht salzig und das salzige nicht süss.
So wie wir hier die Haupterwerbsquelle der Bewohner von Ben-
zert kennen lernen, so gibt uns der nächste den Städten Tarfa und
Mersä-el-Chazar gewidmete Artikel beachtenswerthe Aufschlüsse
über die Korallenfischerei.
Die Stadt Tarfa ist eine uralte Stadt mit vielen Kesten des
Alterthums, sie liegt am Ufer eines Stromes in der Nähe des Meeres,
so dass die Schilfe an den Thoren der Stadt anlegen können. Nicht
fern davon ist die Stadt Mersä-el Chazar, es ist dies eine alte Stadt,
die vom Meere von allen Seiten umgeben ist, mit Ausnahme einer
einzigen hübschen Landenge, die aber manchmal im Winter von der
See unter Wasser gesetzt wird. Die Stadt ist von alten Mauern um
geben und daselbst werden Schiffe zur Bekriegung der Länder der
Römer erbaut.
Hier werden die Korallen gewonnen und damit nach allen Welt-
theilen Handel getrieben. Es wohnen daselbst Leute, die Schiffe und
Nachen haben und deren einziger Erwerb der ist, Korallen aus dem
Grunde des Meeres heraufzuholen.
Es sind die Korallen geästete Pflanzen mit Verzweigungen, und
die Weise, wie man sie gewinnt, ist die, dass man Hölzer kreuzweis
über einander nagelt, dann darüber Schlingen aus Hanf, oder Wolle 1 )
wirft, sie mit Seilen belastet und ins Meer versenkt. Wie die Kähne
fortsegeln, so schleifen diese hänfenen Stricke auf dem Grunde des
Meeres nach und es brechen die Korallen ah und bleiben in den
Stricken hängen, die man dann herauszieht um das, was daran hängen
blieb, abzunehmen. Man behauptet, dass die Korallen im Grunde des
Meeres weich und biegsam seien, doch wenn die Luft sie berühre,
würden sie hart.
*) Statt dem Worte das ich im Texte beibehalten habe, möchte ich gern
d* lesen.
Description de 1’Ai'rique.
401
Auf diese Art gewinnt man alljährlich viele Centner, und es sind
diese Korallen von bester Qualität und werden in Indien und China
sehr gesucht.
Korallen gewinnt man auch in der Meerenge von Gibraltar
an der Küste des Städtchens Biliünesch im Gebiete von
Sibte (Ceuta) und die daselbst gewonnenen Korallen sind so gut wie
jene oder noch trefflicher. Eben so werden Korallen auch im sphäri
schen Meere gewonnen und auf einigen Inseln des grünen Meeres
(d. i. des arabischen Meerbusens) und diese Art ist die vorzüglichste.
In der Nähe der Stadt Tarfa, zwischen dieser und der Stadt
Bädsche, ist ein grosser See, der bis vierzig Meilen im Umfange hat
und sich ins Meer ergiesst, eben so wie das Meer zeitweise in den
selben strömt. Das Wasser des Sees ist weder salzig noch süss,
doch ist er reich an Fischen, besonders gedeihen in ihm die Meer-'
fischen, die von vorzüglicher Güte sind. Man soll daselbst Fische
fangen, die bei zehn Pfund schwer sind und darüber. Die Bewohner
jener Gegenden fangen diese Fische und heben sie auf zum Ver
brauche, wenn andere Lebensmittel fehlen.
Auf diese Notizen folgt nun in dem Werke die Beschreibung
der Stadt Bune (Bona), die wir, da sie in Quatremere’s Auszügen
genau gegeben ist, hier übergehen können, ebenso wie die nur in
ein paar Zeilen abgefertigte Beschreibung der Stadt Kil. Der Name
der hierauf folgenden Stadt wird im arabischen Texte mehrmals
Dscheihal geschrieben, wesshalb wir ihn nicht veränderten, obgleich
wii kaum zweifeln. dass der Name Dscheidschel gelesen werden
müsse, wie auch Barth in seinen Wanderungen am Mittelmeere
(pag. 66) schreibt.
Nicht übergehen können wir hingegen den der Stadt Bidschäje
gewidmeten Artikel wegen der ganz neuen geschichtlichen Daten, die
er über die Könige des berberischen Stammes der Sinhadsche gibt.
Die Stadt Bidschäje ist eine grosse Stadt am Ufer des Meeres,
das deren Mauer bespült, sie wurde neu erbaut von den Königen der
Sinhadsche, den Besitzern des Schlosses Kalät-Abi-Tawil, das
jetzt unter dem Namen Kalät-Hammäd bekannt ist. Die Ursache der
Erbauung der Stadt war die, dass der Herr über Kairowän, der aus
dem Stamme Sinhadsche war, als die Araber in Afrika eindrangen,
sich flüchtete und sich in der Stadt Mehdije verschanzte. Sein Vetter
402
v. Kremer.
Mansür Ibn Hammäd, der Besitzer des (früher genannten) Schlosses,
war mächtiger als der Herrscher über Kairowän und hatte ein zahl
reiches Heer. Dieser zog nun aus, den Sohn seines Oheims zu unter
stützen und versammelte ein zahlreiches Heer; er traf die Araber,
denen sich auch die Einwohner der Stadt Sebibe angeschlossen
hatten, in der Nähe von Kairowän und es fiel zwischen ihnen eine
grosse Schlacht vor, in welcher Mansür geschlagen und sein Bruder
getödtet ward, so wie die meisten von Sinhädsche. Dieses ereignete
sich folgendermassen: Es war sein Bruder älter als er und er rieth
ihm ab von der Bekämpfung der Araber und sagte ihm: „Bleibe Du
in Deinem Lande und sende (Boten) an die Araber und schmeichle
ihnen, so werden sie schwach und demüthig zu Dir kommen und den
Tribut 1 ) Dir auszahlen, denn das ist wegen der Zwietracht der
Araber von Alters her ihr Brauch, wenn Du Dich nur nicht ihnen
entgegenstellst.”
Als nun die erwähnte Schlacht vorfiel und er sich flüchten
musste, sagte sein Bruder zu ihm: „Habe ich Dir nicht abgerathen,
Dich persönlich ihnen entgegenzustellen, doch gib mir jetzt Deine
Krone und das Banner, bleibe a ) beim Heere und rette Dieb, und ent
kommst Du, so danke Gott, denn wenn Du nicht für das Volk übrig
bleibst, so ist kein Nachfolger nach Dir vorhanden.” — Dieses ist
in der That die bewunderungswürdigste Aufopferung, die je ein
Bruder seinem Bruder oder ein Freund seinem Freunde erwiesen
hat. Hierauf gab er seinem Bruder wirklich seinen Turban und sein
Banner, das allbekannt war und er zog nun mit dem Heere fort, bis
er eingeholt und getödtet war.
Es pflegten die Könige von Sinhädsche mit Gold geschmückte
Turbane zu tragen, die hoch im Preise waren, so dass ein Turban
fünf- oder sechshundert Dinare und darüber werth war. Sie pflegten
diese Turbane mit grosser Kunst ums Haupt zu winden, so dass sie
*) Das Wort das im Texte vorkommt, und in dem Fr ey tag’schen Wör-
terbuclie fehlt, leite ich, wenn überhaupt die Stelle nicht verdorben ist, von
ab und übersetze es folglich als Tribut gleichbedeutend mit
3 ) Statt pSl wie der Text hat, würde ich lieber lesen und dann über
setzen: und ich will beim Heere bleiben u. s. w.
Description de l’Afrique.
403
aussalien, als bildeten sie zwei Kronen; in ihrem Lande waren Leute,
die eigens sich auf diese Kunst verstanden und es nahm ein Gold-
schmid gewöhnlich für das Aufsetzen eines solchen Turbans zwei
Dinare oder darüber. Sie hatten in ihren Buden Modelle von Holz,
die sie die Häupter nannten und denen sie diese Turbane aufsetzten
(um sich im Binden derselben zu üben).
Als nun Mansür sich in das Schloss geflüchtet batte, lagerten
davor die Heere der Araber und bedrängten seine Länder, doch er
schmeichelte ihnen, bis die Ursachen (welche sie zum Kriege bewegt
batten) abnahmen. Da er aber (dessenungeachtet) nicht im Stande
war nach Belieben über seine Länder zu schalten, so forschte er um
einen Ort, wo er eine Stadt bauen könnte, welche die Araber nicht
erreichen würden; da wies man ihn auf die Stelle bin, auf der jetzt
Bidschaje steht, wo zugleich ein Hafen war. Es sollen daselbst alte Rui
nen gewesen sein und dort in alten Zeiten eine Stadt gestanden haben.
Mansür erbaute nun hier eine Stadt und nannte sie Mansürije
und es ging nun ihre Herrschaft von dem Schlosse auf Bidschaje
über, welches nun die Haupstadt ihres Reiches wurde.
Zwischen dieser Stadt und dem Schlosse des Hammad ist eine
Distanz von vier Tagreisen.
Bidschaje ist eine grosse Stadt zwischen hohen Gebirgen,
welche sie rings umgeben. Ein Weg führt zur Stadt von Westen
her und wird Madik, d. i. Engpass, genannt; er läuft entlang dem Ufer
des Flusses, der Wädi-l-Kebir heisst. Der südliche Weg führt zum
Schlosse Kalat- Hammad über Bergsteige und Steingerölle und eben
so auch der Weg nach Osten, so dass die Stadt nur einen einzigen
guten Zugang hat und zwar von der westlichen Seite. Die Araber
konnten daher bis zu dieser Stadt nicht Vordringen und es betrat sie
Niemand von den Arabern, ausser der, den der König hinschickte
zur Erhaltung der Freundschaft *) für das Gebiet des Schlosses und
die übrigen Länder. Auf diese Art betritt die Stadt manchmal ein
Reiter oder zwei (von den Arabern) aber nie ein Heer. So blieb der
Herrscher über Bidschaje in seinem Reiche fast so mächtig, wie der
Herrscher über Ägypten, denn zu Bidschaje gehört ein grosses Gebiet
und ihr Befehlshaber ist mächtig.
*) Die Übersetzung des Wortes futtUaU in diesem Sinne ist zweifelhaft-
404
v. Kr einer.
Die Stadt Bidsehäje hängt an einem Berge, der in das Meer
hinein sich erstreckt und Amsiül genannt wird. Die Stadt hat mäch
tige Wälle, welche das Meer bespült. Zwei Arsenale sind daselbst
zum Baue der Schiffe. Von hieraus werden Kriegszüge zur See
gegen die Länder der Römer unternommen, denn zwischen dieser
Stadt und Sicilien sind nur drei Tagreisen. Bidsehäje ist eine grosse
Hafenstadt, denn hier legen die Schiffe der Römer an, die aus Syrien
und anderen Gegenden der fernsten Länder der Römer kommen,
ebenso wie die Schiffe der Muslimen von Alexandrien aus Egypten,
Schiffe aus Jemen, Indien und China und anderen Ländern.
Die Stadt Bidsehäje ist reich an Früchten und Obst und allen
Lebensgütern. Die Stadt ist hoch gelegen, ist gesund und hat die
Aussicht auf das Meer und auf ein Gebiet, das rings von Bergen um
schlossen wird. Der Umfang dieses Gebietes ist beiläufig zehn Meilen
und es wird von Flüssen und Quellen bewässert, hier liegen die
meisten Obstgärten der Bewohner. Die Stadt hat einen grossen Fluss,
der beiläufig zwei Meilen oder weniger von ihr entfernt ist, an der
selben liegen die meisten Lustgärten der Einwohner. An seinen
Ufern hat man Wasserräder construirt, die Wasser aus dem Flusse
schöpfen. Dieser Fluss bietet (überhaupt) den Leuten der Stadt
grosse Annehmlichkeiten dar.
In Bidsehäje ist ein Ort, der Lemulüwwe genannt wird, es ist
dies ein in die See vorspringender Theil des Gebirges, der mit der
Stadt im Zusammenhänge steht, daselbst sind Schlösser, erbaut von
den Königen von Sinhädsehe. Man kann keinen schöneren Bau als
diesen und keinen lieblicheren Ort sehen. Es sind daselbst Fenster,
welche die Aussicht auf das Meer haben, mit eisernen Gittern, ebenso
Thore von durchbrochener Arbeit im Bogen gebaut, Säle mit Schnitz
arbeit geziert, deren Mauern von oben bis unten aus weissen Marmor
erbaut sind, der mit herrlichen Sculpturen verziert und mit Gold und
Lazur eingelegt ist. Darauf sind schöne Inschriften angebracht, die
ebenfalls mit Gold geschrieben sind, ausserdem sind (auf den Wänden)
noch andere schöne Bildnereien.
Diese Schlösser sind herrlich in Bezug auf ihre Lage und Aus
schmückung.
Der Berg Amisun (früher Amsiül genannt), auf dem Bidsehäje
ruht, ist ein gewaltiger Berg, der in die Lüfte emporragt und sich
ins Meer hinein erstreckt. Er ist reich an fliessenden Wässern und
Description de l’Afrique.
405
vielen Quellen und Gärten; auf diesem Gebirge halten sich auch
viele Affen auf, so wie auch das stachelige Thier, das Dirh
d. i. Stachelschwein genannt wird.
Die Beschreibung der Stadt Mersä-d-Dudschädsch, die nun
folgt, können wir hier füglich übergehen; nicht aber das, was der
Verfasser über die Stadt Dschezäir-Beni-Mazghanna, d.i. das heutige
Algier sagt, weil die in Quatremere’s Auszügen gegebenen Notizen
etwas davon abweichen, und andererseits, weil die Stadt, als jetziger
Sitz des französischen Colonial - Gouvernements, viel wichtiger ge
worden ist, als sie im Mittelalter war, wo hingegen das jetzt so
tief gesunkene Bidscliäje reich und wohlbevölkert war.
Das, was unser Autor über Algier zu sagen weiss, ist fol
gendes :
Die Stadt Dschezäir-Beni-Mazghanna liegt am Ufer des Meeres,
das die Mauern der Stadt mit seinen Wellen bespült. Die Stadt ist
von altem Baue und enthält bewundernswerthe Ruinen, die darauf
hindeuten, dass sie die Residenzstadt unter früheren Völkern war.
Daselbst ist ein Amphitheater, dessen Hofraum mit Marmor ge
pflastert, der aus kleinen Stücken zusammengesetzt, wie Mosaik aus
sieht. Es sind darauf Abbildungen von Rossen und anderen Thieren
mit grösster Kunstfertigkeit ausgeführt.
Mit dieser Stadt hängt ein Landstrich zusammen, der District
von Metidsche genannt wird. Es ist dies ein grosser Landstrich,
ergiebig an allem und reich an Dörfern und Ansiedlungen, durch
strömt von Flüssen. Der Umfang dieses Districtes beträgt beiläufig
zwei Tagreisen in der Länge und Breite und rings umgeben ihn
Berge wie ein Kranz. Am Ende dieses Districtes ist ein Berg, über
den die Strasse führt, er ist mühsam zu passiren und heisst Halk-
Wädschid. Die Bewohner des Landes aber nennen ihn: „Bäb-el-
Gharb,” d. i. Thor des Westens, denn jeder, der den westlichen Theil
von Afrika betreten will, muss diese Stelle passiren.
In der Stadt Dschezäir-Beni-Mazghanna war eine grosse Kirche,
von wundervollem Baue, von welcher bis auf den heutigen Tag eine
Mauer übrig geblieben ist, welche jetzt die rechtmässige Kible
der grossen Moschee bildet, sie ist reich verziert mit Sculpturen
und Bildern.
406
v. Krem er.
Der Hafen der Stadt ist sicher und enthält eine Quelle süssen
Wassers, die von den Schiffsleuten aufgesucht wird.
Bei der Beschreibung der Stadt Sibte, die nun folgt, erwähnt
der Autor des Meeres, welches unter dem Namen Jeswäl bekannt ist;
ob diese Leseart die richtige sei, ist schwer zu entscheiden, auf
jeden Fall ist aber die in dem Texte der Handschrift unseres Autors,
welche sich im Besitze der k. k. orientalischen Akademie befindet,
angegebene Leseart zu verwerfen, wie ich schon in einer Note
in meiner Ausgabe des Textes angegeben habe. Edrisi, der für
diesen Theil Afrika’s ein viel zuverlässigerer Gewährsmann als
Ab ul fe da ist, schreibt in der französischen Übersetzung von
Jaubert (II, p. o), da aber leider diese Übersetzung nicht
mit gehörig kritischer Genauigkeit gemacht ist, so können wir dieser
Leseart auch nicht unbedingtes Vertrauen schenken.
Nach dieser Abschweifung, die zur Rechtfertigung der in meiner
Ausgabe des Textes gewählten Leseart nothwendig war, kehren wir
nun zur Schilderung der nächstfolgenden Stadt zurück.
Die Stadt Tandscha ist eine bedeutende Stadt, die viele Über
reste des Alterthums, Schlösser und Gewölbe enthält, in denen das
Wasser in einem grossen Ganale herbeigeleitet wurde, ausserdem
enthält die Stadt Cisternen, sie besitzt überdies noch eine Quelle
guten Wassers, die Berkal genannt wird und welche die Eigenschaft
haben soll, dass jeder, der daraus trinkt, blödsinnig wird.
Die Leute von Tandscha wenden diesen Umstand daher im
Gespräche an, wenn Jemand einen Verstoss beging und sagen dann:
Du hast vom Wasser der Quelle Berkal getrunken und desshalb wird
(Dein Vergehen) Dir nicht angerechnet.
Desshalb sagt ein Dichter:
Zu Tandscha ist eine Quelle mitten im Sande,
Lieblich ist ihr Wasser, wie das des Selsebil,
Leicht von Gewicht und süss: jedoch
Fliegt es mit dem, der davon trinkt, tausend Meilen weit.
An ihr war viel Marmorgestein angebracht und herrlich be
hauene Felsenblöcke. Von dieser Quelle aus ging ehemals eine
Brücke über die Meerenge (Bahr-ez-Zoäk) bis an die Küste Spa
niens, die in der Welt ihres Gleichen nicht hatte, über sie zogen die
Description de 1’Afrique. 407
Karawanen und Heere vom Ufer von Tandscha bis an die Küste yon
Andalus 1 ).
Zweihundert Jahre aber beiläufig, bevor die Muslimen Spanien
eroberten, schwoll das Wasser des Meeres an und es brach das
Weltmeer herein auf die See der Meerenge, und bedeckte diese
Brücke und einige der an sie grenzenden Gegenden. Es soll diese
Brücke zwölf Meilen breit gewesen sein, während jetzt die Meer
enge an ihrer Stelle bei dreissig Meilen breit ist. Manchmal zeigt
sich diese Brücke den Schiffern und sie hüten sich vor ihr. Man be
hauptet es würde am Ende der Zeiten der Antichrist 3 ) über diese
Brücke ziehen.
Tandscha 8 ) wird als die äusserste Grenzstadt Afrika’s gegen
Westen angesehen.
Die Entfernung zwischen Tandscha und Kairowän beträgt 1000
Meilen.
Tandscha wird in den Geschichtswerken als Tandschat-el-
Beidä angeführt, und es soll das Gebiet der Stadt ehemals eine
Monatsreise lang und eben so breit gewesen sein.
Die Könige des Westens (Maghrib) von den Griechen und
anderen Völkern hatten ihre Besidenz in Tandscha und dies wegen
der Brücke, damit der Feind nicht eine der beiden Seeküsten über
rumple.
Wer in den Ruinen von Tandscha nachgräbt, findet daselbst
vielerlei Arten von Edelgestein, das den Beweis liefert, dass diese
Stadt die Residenz von Königen früherer Völker war.
Gegenüber Tandscha im grossen Weltmeere sollen die Inseln
liegen, welche man mit dem Namen der Fortunasch (d. i. der Glück
seligen) bezeichnet, welchen Namen sie desshalb erhalten haben, weil
ihr Boden Ernte hervorbringt ohne Saat, ihre Haiden und Haine sind
angefüllt mit allen Arten herrlicher Früchte, dort gedeihen alle Arten
*) Diese Überlieferung ist ein merkwürdiger Beweis der im Gedächtnisse des
Volkes fortwährenden Erinnerung der in der Urzeit bestandenen Verbindung
der beiden Continente von Europa und Afrika.
2 ) So verstehe ich das Wort Naschir.
3 ) Tandscha wird auf berberisch genannt; siehe Dozy Ouvrages arabes
III™ livraison, pag. 73,
408
v. Kr einer.
wohlriechender, duftender Pflanzen ohne Dornen. Es sind diese
Inseln zerstreut im Meere, nicht fern von der westlichen Küste des
Landes der Berbern. So berichten die Bewohner der Küste von
Maghrib, und ich selbst sah Jemanden, der sie aufzusuchen versucht
hatte.
Die Stadt Tandscha hat einen grossen Fluss, der für Seeschiffe
befahrbar ist; er strömt von den Gebirgen Tandscha’s ins Meer und
es münden in denselben Giessbäche, die oftmals von der Stadt Häuser
fortschwemmen.
In der Abtheilung des Werkes, welche die Küstenstädte behan
delt, folgen nun noch die Städte Asila, Teschümes und Sela, womit
die Beihe der Küstenstädte abgeschlossen ist.
Die nächste Abtheilung enthält die Schilderung der Städte, die
im Innern des Landes in der Nähe der Wüste liegen. Bevor wir
aber diese besprechen, wollen wir die interessanten Angaben unseres
Geographen über die Stadt Asila mittheilen, indem hiedurch auch die
mageren Angaben 'Obeid-Allah-el-Bekri’s mit neuen Bemerkungen be
reichert werden.
Asila war eine grosse mächtige Stadt, reich bevölkert und er
giebig an allen Lebensbedürfnissen, ihr Hafen' war sehr besucht. Die
Ursache ihrer Verwüstung waren die Franken Denn wenn
diese ins Meer segelten, so war der erste Ort, auf den sie stiessen,
Asila, sie stiegen in ihren Hafen ab und verwüsteten von ihr so viel
sie konnten. Da versammelten sich die Berbern, um sie zu bekämpfen,
doch jene sagten : Wir kommen nicht des Kampfes wegen, sondern
es sind in euerem Lande verborgene Schätze, ziehet euch also von
uns zurück, dass wir sie ausgraben und euch eueren Antheil geben.
Die Berbern nahmen diesen Vorschlag an und zogen sich von dem
angedeuteten Orte zurück, und die Franken begannen nun an einem
der Orte, die sie genannt hatten, zu graben, und fanden aber an dem
verborgenen Platze Gruben , die mit Hirse ungefüllt waren. Als die
Berbern von Ferne die gelbe Farbe der Hirse sahen, glaubten sie,
es sei Goldstaub, eilten darauf los und brachen so ihr Versprechen;
die Franken aber flohen auf ihre Schilfe. Als nun die Berbern die
Hirse sahen, bereueten sie (ihre Voreiligkeit) und forderten die
Franken auf, nochmals zurückzukehren, um die Schätze auszugraben,
doch jene weigerten sich und sagten: Wir haben von euch einmal
Description de 1’ Afrique.
409
das Versprechen verletzen sehen und wollen nichts weiter mit euch
zu thun haben.
In dem von dem verdienstvollen Orientalisten und Forscher spa
nischer Geschichte herausgegebenen Geschichtswerke: el-Bejän-el-
Mughrib-fi-Aclibär-il-Maghrib finden wir im zweiten Bande S. 240
einen längeren die Geschichte der Stadt Asila behandelnden Artikel,
der im Wesentlichen mit dem eben angeführten übereinstimmt und
nur hinzufügt, dass der Vorfall zwischen den Franken und den Ber
bern, den wir oben erzählten, aus dem Werke: el-Memälik-wel-
Mesalik von Mohammed Ihn Jusuf-el-Kurawi entnommen sei.
Der nächste Abschnitt des Werkes behandelt nun die Städte,
welche im Innern des Landes und in der Nähe der Wüste liegen. Es
enthält dieser Abschnitt folgende Städte: Muna, Barka, Adschdänije
(ist richtiger Adschdäbije zu lesen), Serüs, Ghudames, Zawite. Hie-
mit scliliesst der Abschnitt über die Städte des Innern und der
nächstfolgende höchst beachtenswerthe Abschnitt ist den Oasen der
grossen Sahrä (falsch Sahara) gewidmet. Bevor ich jedoch zur
näheren Anzeige dieses Abschnittes übergehe, muss ich das in dem
Artikel der Stadt Serüs über die in dem Gebirge in der Nähe der
Stadt wohnenden Völkerschaften und/ ihre Beligionssecten Gesagte
hervorheben.
Die Stadt Serüs ‘), heisst es hierin, ist eine grosse, herrliche,
alte Stadt, die einige Alterthümer enthält. Sie ist in der Gewalt von
Charidschiten (Häretikern), desswegen ist keine Moschee in derselben
und nicht in dem umliegenden Gebiete, ln dem Districte der Stadt
sollen mehr als dreihundert Dörfer liegen, deren Bewohner nach ihrer
Secte den Freitag nicht feiern. Überhaupt wohnen in diesem Gebirge
viele Völkerschaften, die verschiedenen Secten folgen; die meisten
sind Charidschiten, sie haben keinen Emir, nach dessen Befehlen sie
sich richten, sondern bloss rechtsgelehrte Scheiche, die ihrer Glau
benslehren kundig sind, denen sie gehorchen. Ihre Secte zeichnet
sich durch eine grosse Nachlässigkeit (in der Beobachtung der Reli-
gionsptlichten) aus. Es erzählte mir ein glaubwürdiger Mann Folgen
des: Ich sah einen Mann, der in ihr Land eine Reise unternommen
hatte; da erblickte er (eines Tages) einen Mann, der sich reinigen
1 ) Jaubert und Quatremere schreiben
410
v. Kreme r.
wollte. Dieser stieg zum Wasser hinab, zog seine Kleider aus und
fing an zu gestikuliren, als ob er wasche und die vom Gebot vorge
schriebenen Waschungen (Wudii) verrichte, als ob er sich auf sein
Haupt und seinen Leib Wasser, giesse. Da sagte zu ihm jener Mann:
Was soll das bedeuten? Doch dieser schwieg, bis er fertig war; da
ergriff ihn der fremde Mann, führte ihn zum Dorfrichter und sagte:
ich sah diesen Mann so und so thun. Da frug ihn der Richter: Von
woher kömmst du? (o Fremdling) er entgegnete: aus dem Maghrib.
Als der Richter dieses vernahm, sprach er: Bei Gott, wärest du nicht
fremd in unserem Lande, so hätte ich dich gezüchtiget, denn woher
weisst du denn, oh jener nicht eine Entschuldigung habe (für das,
was er that)? Weisst du nicht, fuhr der Richter fort, dass Gott euch
das Leben leicht machen will, nicht aber erschweren ‘) ?
Diese ist die vorwiegendste ihrer Seelen und es gibt unter ihnen
manchen, der das Waschen mit Wasser gar nicht beobachtet, und
will sich einer waschen, so wälzt er sich im Staube und wendet die
Tejemmum 3 ) statt der gewöhnlichen Waschung an.
In Afrika gibt es viele von dieser Seele; eben so ist in dieser
Seete auch die Unzucht erlaubt im Gebirge Nefüse; jeder reiche
Mann von ihnen hat viele Mädchen, die er mit herrlichen Kleidern
bekleidet, mit Schmuck verzieret und auf verdächtige Wege führt;
sie haben sogar eigene dazu bereitete Häuser. Dies ist bei ihnen all
bekannt und wird nicht getadelt 3 ).
Vom Rerge Nefüse bis nach Ghudämes sind sieben Tagreisen in
einer Wüste, in der in einem Umkreise von drei Tagreisen und
darüber kein Wasser zu finden ist.
Ghudämes selbst ist eine grosse Stadt mit weitem Gebiete, mit
vielen Palmen und Quellen; die Rewohner sind muslimische Rerbern,
*) Dieses ist ein Ausspruch des Propheten, den die Mohammedaner sehr oft im
Munde führen, wenn sie sich wegen Nichtbeobachtung der strengen Retigions-
Vorschriften entschuldigen.
2 ) rejemmum ist der Name für die Verrichtung der nach dem Koran vor jedem
der iiinf täglichen Gebete vorgeschriebenen Waschungen mit Sand, welches
aber nur in der Wüste bei absolutem Wassermangel erlaubt ist, im Gegensätze
zur Wudü, d. i. der regelmässigen Waschung.
) Dieselbe Sitte herrscht in Oberägypten und in Cbartum, unter den reichen
Mohammedanern.
Description del’Afrique.
411
die sich (ihre Gesichter) verschleiern nach der Sitte der Berbern
der Wüsten vom Stamme Lemtüne und Mesufe und anderen Stämmen.
Der nun folgende, sehr wichtige, wenn auch im Wesentlichen
nur zu kurze Artikel über die Oasen fehlt in Quatremere’s Auszügen,
ebenso wie in Edrisi’s Werk, wo ich ihn vergeblich suchte.
Das Land der Oasen (owyi) ist ein weites Gebiet in der
(grossen) Wüste, die sich zwischen dem eigentlichen Africa (Africa
propria) und Ägypten ausbreitet. Wäre nicht diese Wüste von
Wasser entblösst, so würde der Weg aus Africa 4 ) nach Ägypten über
die Oasen der nächste sein.
Nach den Oasen reiset man durch die Städte Audschela, Sula 2 )
und andere, die in der Wüste liegen, welche sich hinter Tripolis (und
den Ländern der Römer) ausbreitet.
Die Oasen sind reich an Datteln und Palmen und enthalten viele
umwallte und offene Städte, und jede Stadt hat einen Namen, der
mit dem Worte Wäh, d. i. Oase .ausgeht, wie z. B. Ersis-el-Wäh,
Tennis-el-Wäh, Wäh-el-Charidsch und Wäh-Dabr; alle haben solche
Namen und ihre Bewohner sind Muslimen; sie sind die äussersten
Lande des Isläm’s, und von ihnen bis nach Nubien sind sechs Tag
reisen.
In einigen Städten der Oasen wohnen Stämme von Lewäta, die
nicht arabischer Abstammung sind. Am fernsten Ende des Landes
der Oasen soll ein Land sein, das Wäh-Dabr genannt wird; Niemand
gelangt dahin, ausser dann und wann wer sich in der Wüste verirrt.
Es soll dieses ein grosses Land sein, reich an Datteln und Saaten,
allen Früchten und Goldbergwerken, so dass es das gesegnetste Land
der Erde ist.
Wer zu den Bewohnern dieses Landes käme, lebe bei ihnen in
Fülle und Überfluss, und wenn man ihn in sein Land zurücksenden
wolle, sehne er sich nach ihnen und er könnte nicht hei den Seinen
verweilen und reise so schnell zu ihnen zurück, als er im Stande sei.
1 ) Unter Afrikije verstehen die Araber nicht den ganzen Weltlheil, sondern nur
eben wie die Römer den Theil, der die heutigen Regentschaften von Tripolis,
Tunis und ein Stück der französischen Colonie Algier umfasst. Siehe Ln Geo-
grapliie (VEdrisi traduite par Jaubert /, Pag. 5, im Recueil de Voyages et
de Mcmoires, publie par la Societe de Geographie T. V.
2 ) Vergleiche Quatremere, der Pag. 640 J.**j schreibt.
a
412
v. Kremer.
In dieses Land gelangte ein Mann von den Arabern der Beni-
Kurra und verweilte bei ihnen längere Zeit, worauf er in seine Heimat
zurückkehrte und das berichtete, was er von Überfluss bei ihnen ge
sehen hatte und was sie an Reichthümern besässen; dass sie keinen
Widerstand zu leisten im Stande wären und eben so wenig vom
Kriege verstünden und keine Waffen hätten, weil sie nie den Krieg
gekannt. Der Emir der Beni-Kurra, dessen Name Mukrib-Ibn-Mäd,
machte dies kund und fasste den Entschluss, gegen sie auszuziehen;
er bereitete daher viel Proviant vor und fasste viel Wasser, und zog
dann in die Wüste, um die Oase Wäh-Dabr aufzusuchen. Den Weg
weiser machte der Mann, welcher jenes Land betreten hatte. Als sie in
die Stadt der äusseren Oase gelangten, fragen sie um
die Oase Wäh-Dabr. Da erwiderten Alle: Wir kennen nicht den Weg
dahin und es findet ihn Niemand ausser dann und wann, wer in der
Wüste irre geht; der Reichthum des Landes ist aber so gross, wie
dir berichtet wurde, und noch grösser. Hierauf durchstreiften sie
einige Zeit die Wüste und fanden das Land nicht und konnten nicht
hinzu gelängen. Aus Furcht, dass ihr Proviant ausginge, kehrten sie
um. Auf ihrer Rückkehr lagerten sie in einer Nacht auf einem Hügel
in dem Flugsande dieser Wüste, und da fand einer der Leute in der
Umgegend dieses Hügels ein altes Gebäude; sie gruben es auf und
sahen, dass es ganz von Ziegeln von rotliem Kupfer erbaut war; nun
gruben sie noch eifriger nach und fanden die Fundamente einer
Mauer von rothcin Kupfer. Da beluden sie alles, was sie mit sich
batten von Lastthieren, mit diesen Ziegeln und zogen fort, bis sie zur
Stadt der äusseren Oase gelangten, wo sie dieses Kupfer für hohen
Preis verkauften. Sie wollten nun zu diesem Hügel zurückkehren, wo sie
das Kupfer gefunden hatten; doch gelang es ihnen nicht mehr, denn sie
verloren den Weg, und wären sie hingelaugt, so hätten sie dort Güter
gefunden (die ihnen ausgereicht hätten) bis zum Ende der Zeiten.
Es wird nun noch eine ähnliche Erzählung angeführt, die uns
aber zu fabelhaft ist, um hier in der Übersetzung geliefert zu wer
den; nur wollen wir die Schlussbemerkung hier mittheilen, welche
also lautet: Es wird übrigens erzählt, dass zwischen dem Lande der
Oasen und dem Dattellande (fälschlich Bileduldscherid genannt) der
eigentlichen Provinz Afrika breite Sandwüsten liegen, in denen es
Striche gibt, die Dschezäir, d. i. Inseln genannt werden; diese ent-
Description de l’Afrique.
413
halten Palmen und Quellen, doch sind sie öde und unbewohnt. Man
sagt sogar, dass man dort nichts anderes höre als das Pfeifen der
Dschinnen. Ich bezweifle nicht, spricht unser Autor, dass diese Orte
ehemals bewohnt waren. Dort häufen sich die Datteln unter den
Palmen zu Hügeln an, und es geniesst sie Niemand als die Vögel und
die wilden Thiere. Manchmal sammeln die Menschen dieselben auf
flüchtigen Reisen ein, und zur Zeit der Noth. Einer, der dieses ge
sehen hat, sagt: Wir sind überzeugt, dass der Stamm Selim, welcher
in der Wüste von Tripolis vereinzelt (von allen übrigen Menschen)
wohnt, die Datteln dieser Orter sammelt, denn davon leben sie;
nach diesen Örtern flüchten sie sich, wenn ihnen nachgesetzt wird,
und daselbst verbergen sie sich. Dies habe ich gehört, bevor ich
durch die Gnade Gottes, der geloht und gepriesen sei, im Stande
war, euch selbst davon zu überzeugen *).
Hiemit ist die zweite Abtheilung des Werkes, welche die Städte,
das Innere und die Wüste behandelt, abgeschlossen, die nächst
folgende führt den Titel: Beschreibung des Beläd-el-Dscherid, d. i.
Land der Palmreiser, welcher Name in den meisten geographischen
Werken in Bileduldscherid verstümmelt und nicht ganz richtig:
„Dattelland” übersetzt worden ist.
Unser Autor gibt auch die Erklärung dieses Namens auf ähnliche
Weise und sagt: Beläd-el-Dscherfd nannte man dieses Land wegen
der Menge der Palmen, die es besitzt; es enthält dieses Gebiet viele
Städte und weite Landstriche, so wie ununterbrochen an einander
gränzende Ortschaften, die reich an allen Dingen sind, vorzüglich an
Datteln, Oliven und Obst und allen anderen Lebensgütern. Es ist
dieses Land das letzte der eigentlichen (Provinz) Afrika am Rande
des. Sahara (d. i. Salirä) und enthält strömende Wasser und Flüsse,
so wie viele Quellen. Es beginnt dieses Gebiet beim Gestade von
Käbes, welcher Stadt unter den Seestädten Erwähnung gethan wurde.
Diese Abtheilung des Werkes ist die an neuen Daten reichste;
wir schreiten vorerst zur Aufzählung der angeführten Städte und
werden dann mehrere der interessantesten Artikel ausführlicher be
sprechen.
1 ) Wir bemerken hier nur noch, dass im Texte Pag. 32 erste Zeile von oben die
>
beibehaltene Form ejisy vulgär statt cjuo ist.
414
v. Krem er.
Die Reihenfolge der in diesem Abschnitte besprochenen Städte
ist folgende:
1. Hämmet-Matmäta.
2. Kafsa.
Hier folgt die Beschreibung des Districtes Kastilije, dessen
Hauptorte die Stadt.
3. Tüzer.
4. Nafta.
5. Takjüs 0-
6. Hammet-Beni-Behlül.
Hiernach folgt die Beschreibung des Districtes Nefräwa mit
seinen Städten
7. Tarra, welche Stadt Edrisi nicht kennt, eben so wie die
folgenden:
8. Beschri.
9. Itmelimen.
10. Derdschin, welche als Gränzstadt des eigentlichen Beläd-eD
Dscherid bezeichnet wird.
Ohne Unterbrechung reihen sich nun noch folgende Städte an :
11. Bädsche.
12. Tabarka.
13. Sebibe.
14. Medschäne.
15. Mermähina oder, wie Edrisi schreibt, Mermädschine.
16. Tebesä.
17. Bäghäna.
Nun folgt die Beschreibung des Gebirges Asrau und unmittelbar
darauf:
18. Eimus, die Stadt.
19. Schakjanärije.
20. Die Stadt Kasantine, von den Franzosen Constantine genannt.
21. Mile.
22. Ghadir.
23. Kalät-Abi-Tawil.
24. Aschir.
■) Dass dieserName richtig ist, hierüber siehe Dozy Ouvrages arubeslll, pag.äOO
und Edrisi, übersetzt von Jaubert I, 252, 253.
25. Meliäne.
26. Chadrä.
Description de 1’ Afrique.
415
Zum Districte von Zäb werden gerechnet die Städte:
27. Mesile.
28. Nakäwus.
29. Tabne.
30. Beskera.
31. Tehuda.
32. Kadis.
Hier endet dieser Abschnitt, der unstreitig der gehaltvollste des
ganzen Werkes ist.
Wir beginnen nun die wichtigsten Angaben des Geographen
hervorzubeben und fangen mit dem der Stadt Kafsa gewidmeten sehr
ausführlichen Artikel an, der um so erwünschter ist, als Edrisi nur
sehr karge Andeutungen über diese Stadt gegeben hat. Einige ge
schichtliche Bemerkungen, die gleich im Anfänge über verschiedene
Schicksale der Stadt gemacht werden, werden hier übergangen, um
sogleich zu den geographischen Daten zu schreiten.
Die Stadt Kafsa wurde ehemals Medinet-el-Hanije genannt, d. i.
die Stadt des Bogengewölbes, weil daselbst ein alter Bau war, der
wie ein Bogengewölbe aussah, nach diesem erhielt die Stadt ihren
Namen, sie liegt in der Mitte zwischen Kairowän und Käbes und ent
hält viele Quellen, wovon besonders zwei grosse krystallhelle Quellen
in Bezug auf die Trefflichkeit des Wassers, Reinheit und Menge
desselben ihres Gleichen nicht haben. Die eine von diesen Quellen ist
am Ihore der grossen Moschee und wird Wadi-l-Kebir genannt.
Diese Quelle ist sehr gross und mit einem aus festen Steinblöcken
errichteten Gemäuer umgehen, dessen Umfang beiläufig vierzig Ellen
in der Länge und Breite beträgt. Etwas oberhalb dieser Quelle ist
eine kleinere Quelle, die Ras-el-Ain genannt wird; zwischen diesen
beiden Quellen ist eine Brücke von altem Baue; zweifellos haben diese
beiden Quellen einen gemeinschaftlichen Ursprung. Das Wasser der
ersten Quelle ist bläulich und ausserordentlich klar, dergestalt dass
man den Grund der Quelle von oben ausnehmen kann, obgleich das
Wasser darinnen sieben Mannslängen tief ist. Die zweite Quelle ist
unterhalb dem Schlosse von Kafsa und wird Tirmid genannt, auch sie
ist mit einem alten wunderbaren Baue überdeckt. Gegenüber steht
Sitzb. d. phil.-hist. CI. VIII. Bd. IV. Hft.
39
416
v. K r e in ft r.
die Moschee der Apostel. Diese Quelle quillt aus einem massenhaften
Steine hervor, aus einer Öffnung, die einen Mann fassen würde. Das
Wasser strömt mit grosser Heftigkeit heraus. Für diese Quelle ist
ein eigener Wasserbehälter erbaut worden, um welchen herum sich
Buden, die aus Steinen erbaut sind, ausbreiten; der Wasserbehälter
ist überwölbt und darauf hat man eine grosse Moschee erbaut. Wenn
sich das Wasser dieser Quelle mit der grossen Quelle vereiniget, die
bei der grossen Moschee ist, so bildet sich ein bedeutender Fluss
daraus, der viele Mühlen treibt und die Hälfte des Palmenhaines von
Kafsa bewässert, so wie die Hälfte des Gebietes der Stadt und ihrer
Saaten. Die zweite Hälfte des Palmenhaines von Kafsa bewässert eine
grosse Quelle ausser der Stadt, welche 'Ain-el-Monastir, d. i. die
Quelle des Klosters, genannt wird. Es ist diese grosse Quelle voll
hellen und reinen Wassers und aus ihr entspringt ein grosser Fluss;
diese ist eine der schönsten Quellen, die man sehen kann, an der Seite
des grossen Flusses, der Jaisch genannt wird, und der den Hain von
Kafsa durchströmt; obwohl sein Wasser im Sommer abnimmt, so
versiegt er doch nicht ganz. Das Bett dieses Flusses ist harte Erde,
die mit Wasser voll getränkt ist; die Beduinen führen ihre Kameel-
heerden liieher um sie abzuwässern und höhlen Gruben aus, in welche
süsses reines Wasser aufsickert.
Die Bewohner von Kafsa zeigen in der Bewässerung ihrer
Gärten besondere Kunstfertigkeit und grossen Scharfsinn und Be
rechnung. Sie selbst sagen: Wenn du Leute streiten siehst und es zu
heftigen Worten zwischen ihnen kömmt, so kannst du überzeugt sein,
dass die Ursache dieses Streites das Wasser ist.
Ober einem der Stadtthore ist eine in Stein gehauene alte
Inschrift, die übersetzt lautet: „Das ist eine Stadt der Genauigkeit
und des Scharfsinnes.”
In ganz Afrika gibt es keine schöneren Weiher, als die von Kafsa,
die sich zugleich durch gute Sitten und feine Redweise auszeichnen.
Die Quelle, die innerhalb der Stadt entspringt und die Hälfte
ihrer Gärten bewässert, nennt man das innere Wasser, und die ausser
der Stadt entspringende Quelle, nämlich Ain-el-Monastir und Wadi-
Jäisch, wird das äussere Wasser genannt. Ausserdem sind noch
andere Quellen vorhanden, welche das kleine Wasser genannt
werden, es sind dies zahlreiche Quellen in der Nähe der Stadt,
welche einen Theil ihrer Gärten bewässern.
Description de l’Afrique.
417
Die Bewässerung findet nach Stunden Statt, daher kömmt es,
dass die Diener dieser Gärten aufs Genaueste die Stunden des Tages
kennen. Frägst du einen von ihnen, der gar keine Kunde davon hat,
welche Stunde des Tages verflossen ist, so blickt er biossauf die
Sonne und misst durch das Fortschreiten ihres Schattens die Zeit
ab und sagt dir alsogleieh: Es ist so und soviel von einer Sechstel-
Stunde.
Die Leute von Kafsa streiten sieh um diese Wasser und ver
kaufen sielt wechselseitig das Recht zur Bewässerung um hohe
Preise.
Die Stadt Kafsa hat einen grossen Hain, der sie von allen
Seiten wie ein Kranz umgibt, in einem Kreise dessen Durchmesser
zehn Meilen beträgt. In diesem Haine sind Niederlassungen, die
Kuzä (d. i. Dörfer) genannt werden, achtzehn au der Zahl, den Hain,
die Niederlassungen und das Ganze umschliesst eine Mauer, welche
die Mauer des Haines genannt wird. In dieser Mauer sind grosse
Thore, oberhalb welcher bewohnte Thiirme angebracht sind, welche
Thore Durüb (d. i. Wege) genannt werden. Der Hain von Kafsa ist
reich an Palmen, Ölbäumen und allen Obstarten, die hier besser, als
irgendwo anders gedeihen. Hier gibt es herrliche Äpfel von kost
barem Gerüche, die man Sudsi nennt und dergleichen in keinem
anderen Lande zu finden sind, ebenso vortreffliche Granatäpfel,
Oitronen und Bananen. Audi gibt es eine eigene Art von Datteln,
die ausgezeichnet ist und die Mehrzahl ihrer Datteln ist von dieser
Art. Es hat diese Dattelart die Länge von vier Zoll und der Umfang
eines Hühnereies und ist so rein und fein von Haut, dass sie fast
durchsichtig ist. Man pflegt diese Datteln in grossen Getassen aufzu
bewahren; nimmt man sie dann heraus, so bleibt auf dem Boden des
Gefässes eine klebrige Flüssigkeit zurück, die süsser als Honig ist
und die zur Bereitung von Süssigkeiten verwendet wird.
Kafsa bringt auch die meisten Pistazen hervor, so dass mir
däuclit, ganz Afrika werde von ihm mit Pistazen versehen, ebenso
wie das eigentliche Maghrih, Spanien und Ägypten, denn die Pistazen,
welche aus Syrien kommen, sind kleiner und mit denen von Kafsa
nicht zu vergleichen, welche die Grösse einer Mandel erreichen.
Wenn die Früchte noch auf dem Baume sind, so gewährt der Baum
einen sehr schönen Anblick, denn es hängt die Frucht in Büscheln
darauf gerade wie die Weintrauben. Diese Pistazen haben einen so
418
v. K r e in e r.
herrlichen Geruch, dass Niemand davon etwas stehlen kann, denn
der Geruch allein würde ihn verrathen.
In den Gärten von Kafsa gedeihen auch alle Arten von duftenden
Kräutern und Wohlgerüchen, als Myrthen, Jasmin, Orangen, Nar-
eissen, Lilien, Veilchen u. s. w. Die Rosen von Kafsa sind grössten-
theils weiss und das daraus bereitete Rosenwasser ist vortrefflich,
und gleicht dem Dschawi (d. i. dem aus Java gebrachten), das aus
Ägypten bezogen wird.
In Kafsa werden auch mäntelartige Tücher (Tailesän) und
Kopfbinden aus Schafwolle verfertiget, die sich durch Feinheit aus
zeichnen und den Ehrenkleidern (an Feinheit) nahe kommen. Hier
werden auch Wassergefässe aus einer Thonart verfertiget, die Rib-
dschije genannt wird, die sehr weiss und fein sind, so dass man ver
geblich ihresgleichen wo anders suchen würde. Ferner werden in
Kafsa gute Glaswaaren und schöne Gefässe verfertiget, ebenso ver
goldete Vasen.
In allen Dingen zeigt sich Kafsa als eine grosse Stadt und ihre
Einwohner sind wohlhabende Leute, sehr fromm und Almosen spen
dend, den Tag Aschura halten sie hoch und wie einen Festtag; sie
spenden an demselben Almosen und betheilen die Armen mit Klei
dern.
Die Stadt Kafsa ist in Bezug auf das von ihr abhängige Gebiet
eine der grössten Städte von Afrika, denn um sie herum liegen mehr
als zweihundert wohlbevölkerte Dörfer mit Bäumen und Palmgärten,
Ölbäumen, Pistazen und allen anderen Obstbäumen, es sind alle
diese Örter reich an Quellen, Flüssen und Überresten des Alterthumes,
sie werden die Schlösser von Kafsa genannt, d. i. Kusur-Kafsa, zu
diesen wird auch die Stadt Tawärik gerechnet, die auf halbem Wege
zwischen Kafsa und Feddsch.-el-Himär liegt, in der Richtung nach
Kairowän; es war diese Stadt gross und wohlbevölkert mit einer
Freitag-Moschee. Die Karawanen pflegten, wenn sie in diese Ge
gend zogen, die Mäuler ihrer Kameele und Lastthiere zu verbinden,
damit sie nicht von den Blättern der Bäume weideten, welche hier in
solcher Menge am Wege stehen.
Diese Stadt ist aber jetzt öde und verlassen seit der Zeit als die
Araber Afrika betraten und das Gebiet von Kairowän, so wie viele
andere Länder, Dörfer und Ortschaften und die meisten Städte in
Afrika verwüsteten.
Description de l’Afiäque.
419
Es folgt nun die Beschreibung des Districtes Kastilije, dessen
Hauptstadt die Stadt Tiizer ist, deren Schilderung nach einigen ge
schichtlichen Notizen folgendermassen gegeben wird:
Die Stadt Tuzer ist eine grosse alte Stadt mit einem Walle, der
aus Steinen und gebrannten Ziegeln erbaut ist, um sie herum sind
weite Vorstädte. Die eigentliche Stadt hat vier Thore und ist von
einem grossen Walde umgeben; sie ist zugleich die an Datteln
reichste Stadt im ganzen Beläd-el-Dscherid. Von hier aus versieht
sich ganz Afrika mit Datteln, ebenso wie die Länder der Sahara
(Sahrä) wegen ihrer Menge und Billigkeit daselbst, so wie desshalb,
weil diese Stadt am Rande der Wüste liegt, ohne dass man weiss,
was für Länder hinter ihr sich befinden.
Niemand ist im Stande, in das Innere der Sahara einzudringen,
die sich südlich von der genannten Stadt ausdehnt. In dieser Wüste
soll ein Strom von Triebsand sein, der so fliesst, wie das Wasser,
dies ist eine allbekannte Erzählung.
Die Bewohner von Tuzer stammen ab von den Übriggeblichenen
der Römer, welche Afrika vor der Eroberung durch die Muslimen
bewohnten, so wie gleichfalls die Mehrzahl der Leute von Kastilije
und Beläd-el-Dscherid von ähnlicher Abstammung sind, denn als die
Muslimen in Afrika einbrachen, bekehrten sich die meisten Ein
wohner, um ihr Ilab und Gut zu retten, zum Islam; — doch gibt es
unter ihnen auch Araber, welche schon daselbst angesiedelt waren,
zur Zeit der Eroberung durch die Muslimen, eben so wie Berbern,
die nach Afrika in alten Zeiten einwanderten, als sie ihr ursprüng
liches Heimatland verliessen und daraus sich flüchteten. Denn die
Berbern hatten ursprünglich Palästina in Syrien inne, und es war
ihr König Dschäliit (d. i. Saul) der Übermächtige, der Halstarrige,
(der Name Dschälüt ist eine Benennung aller Könige der Berbern)
bis ihn Dawid tödfete, wie Gott auch in seinem Buche Erwähnung
macht, worauf ihre Länder von den Israeliten unterworfen wurden,
da zerstreuten sie sich in allen Ländern und die meisten von ihnen
zogen nach Westen, einige von ihnen Hessen sich in der Nähe des
Landes Ägypten nieder. Auf diese Art zerstreuten sich die Berbern
nach Afrika und die Länder des Westens, als sie an die äusserste
Grenze des Maghrib vordrangen, ferner als zweitausend Meilen
von Kairowän; in diesen Ländern wohnten sie bis zum heutigen Tage.
Anfangs hatten die Franken diese Länder inne, allein die Berbern
420
« v. Kremer.
verjagten sie auf die Inseln, wie z. B. Sicilien u. s. w. In der Folge
kehrten die Franken mittelst eines Vertrages und Friedens wieder in
ihre Städte und Ansiedlungen zurück und die Berbern erwählten sich
als Wohnstätte die Berge, Sandstrecken, Wüsten und Grenzländer,
während die Römer die Städte und Niederlassungen bewohnten , bis
die Muslimen Afrika eroberten und die Römer sich ein zweites Mal
flüchten mussten vor den Arabern auf die Insel des Meeres und in
andere Länder, mit Ausnahme derer, die sich zum Islam bekehrten
und im Lande und im Besitze ihrer Güter blieben, wie die Bewohner
des Districtes Kastilije.
Einige Bemerkungen des Autors über die Art und Weise, wie
die Bewohner von Tüzer ihre Felder düngen, können hier füglich
übergangen werden.
Eine andere Stadt im Gebiete von Kastilije ist Nafta, zwischen
welcher und Tüzer zwanzig Meilen liegen; es ist dies eine alte
Stadt mit einem Walle von antikem Baue; — um die Stadt liegt ein
Palmwald und Gärten, die reich an allen Obstarten. Ein Fluss durcli-
strömt ihre Gärten. Die Einwohner sind wohlhabende Leute und
römischer Abstammung.
Eine andere Stadt dieses Gebietes ist Takjüs , welche eigentlich
aus vier Städten besteht, deren Mauern so nahe an einander sind, dass
ihre Bewohner sich sprechen können; — auch diese Stadt ist reich
an Palmen und Obstbäumen, so wie an allen anderen Obstgattungen.
Diese Stadt ist besonders an Oliven reicher als jeder andere Platz
in Kastilije, hat das grösste Einkommen und die reinste Luft mit vie
len fliessenden Quellen süssen Wassers.
Zu dem Districte Kastilije gehört auch noch die Stadt Hamme,
welche gewöhnlich Hämmet-Beni-Behlül genannt wird (um sie von
der Stadt Hämmet-Matmäta zu. unterscheiden). Es sind diese Beni-
Behlül eines der edlen Geschlechter von Kastilije, ja sogar das ange
sehenste unter allen, sie sind ebenfalls Abkömmlinge der Römer, die
sich, um ihre Habe zu retten, zum Islam bekehrten. Sie sind berühmt
wegen ihrer Grossmuth und Gastlichkeit, und dies ist es, was ihren
Ruf in diesen Ländern weit verbreitet hat.
Diese Stadt hat ein grosses Schloss, das Kala genannt wird
und das von den Beni-Behlül und ihrem Gefolge bewohnt wird, be
völkerte Stadttheile umgeben es. Die Stadt hat Überfluss an Datteln,
Description de 1’ Afrique.
421
Oliven und allen anderen Obstgattungen. Nur im Districte Nefräwa
gibt es Städte, die ihr verglichen werden können.
Alle Quellen dieser Stadt geben lieisses Wasser; auch ist im
ganzen Lande Belad - el - Dscherid kein Ort reicher an Weintrauben,
aus welchen herrlicher Wein bereitet wird; ausserdem bringt diese
Stadt eine eigene Art von Datteln hervor, die Chinfis (d. i. Käfer)
genannt werden, diese Dattelart ist von schwarzer Farbe, ausser
ordentlich süss und sehr gross.
Im Gebiete von Kastilije gibt es viele Schlösser und an einander
grenzende Ortschaften, die ausführlicher hier zu schildern der
Raum fehlt.
Zum Gebiete Belad-el-Dscherid gehört auch der Landstrich
Nefräwa J ), der an Umfang Kastilije gleichkommt und Städte, Schlös
ser und viele bevölkerte Ortschaften umfasst, wie die feste Stadt
Tarra, ferner Bischri, beide reich an Palmen und Olivenpflanzungen.
Auch die Stadt Itmelunen liegt in diesem Districte und ist eine
feste Stadt mit Vorstädten, Palmen und Ölbaumpflanzungen, reich
an allen Früchten.
Der Landstrich Nefräwa enthält gerade so wie Kastilije reiche
Städte, Schlösser und Ortschaften. In der Stadt Nefräwa selbst ist
eine grosse Quelle, die auf berberisch Tawurghi 2 ) genannt wird, sie
ist von altem Bau und im ganzen Lande Beläd-el-Dscherid gibt es
keine grössere Quelle als diese, sie ist so tief, dass man den Grund
nicht erreichen kann.
In der Nähe von Nefräwa ist eine alte verödete Stadt, in der
viele antike Baureste übrig sind, es wird dieser Ort jetzt schlecht
weg „Medine” genannt. Zwischen Nefräwa und Kastilije ist eine
Tagreise Weges und es führt die Strasse durch eine Strecke voll
Sümpfe, Moor und salziger Gründe, wo man den Weg nur durch auf
gerichtete Hölzer erkennt, die man in den sumpfigen Boden gesteckt
hat, der an Weichheit der Seife gleicht. Verfehlt Jemand den Weg
dieser an der Strasse aufgerichteten Hölzer, so verirrt er sich in die-
1 ) Quatremere und Edrisi schreiben beide Nifzawa, da aber unsere vorliegende
Handschrift immer Nefrawa geschrieben hat, so glaubten wir diese Leseart
im Texte beibehalten zu müssen.
2 ) Quatremere schreibt Pag. 503,
422
v. K r e m e r.
sen Sümpfen, in welchen schon in alten Zeiten ganze Heere umge-
kommen sind. Die Grenze dieser Sümpfe kennt man nicht, sondern
es erstrecken sich dieselben in die Wüste hinein, und es wird durch
solche der nach Tüzer und nach Kastilije führende Weg in der Nähe
des festen Landes nur mittelst dieser Hölzer betreten. Man behauptet,
dass sich diese Sümpfe bis gegen Ghudämes hin ausdehnen, sie sind
alle voll Salz; — ein Ort zwischen Nafta und Hamme ist unter dem
Namen der sieben Sümpfe bekannt. Auf der Hälfte des Weges, der
von Tüzer nach Nefräwa führt, ist eine kleine Insel, in der eine
Quelle süssen Wassers, aus welcher alle trinken, die des Weges
ziehen. Wenn die Reisenden im Sommer diesen Weg passiren, gehen
sie vor der Hitze des Salzes fast zu Grunde, und das Wasser, wel
ches sie in ihren Schläuchen führen, wird salzig, so dass es nicht
trinkbar ist, ausserdem wenn man cs mit Zucker oder Honig ver
mischt; dieses alles habe ich gesehen und seihst erfahren (spricht
unser Geograph).
Die äusserste Stadt des Beläd-el-Dscherid ist Derdschiri, eine
grosse Stadt in der Nähe von Nafta gelegen; in dieser Stadt werden
die derdschinischeu Kleider verfertiget, die den in Sedschetmäsa
verfertigten ähnlich, jedoch untergeordneter Qualität sind.
ln der Nähe dieser Stadt liegt das Land Süf, alles hinter diesem
Lande liegende Gebiet ist unbekannt, dort gibt es keine Wohnungen
und lebende Wesen ausser Berge von Sand, in denen man das Thier
jagt, welches „funk genannt wird, das Fell dieses Thieres ist
ausserordentlich fein.
Die Bewohner dieser Gegenden erzählen, dass einst einige Leute
die Gegenden, die hinter Kastilije liegen, erforschen wollten, wie z. B.
Tüzer und andere, sie rüsteten sich mit Proviant und Wasservorrath
aus und zogen in diesen Wüsten mehrere Tage herum, ohne dass sie
eine Spur von Wohnungen angetroffen hätten, (hierauf kehrten sie
heim) aber die meisten von ihnen kamen in diesen Sandwüsten um.
Die Bewohner des Landes Beläd-el-Dscherid essen die Hunde
und erklären sie für sehr schmackhaft, desshalb mästen sie diesel
ben und füttern sie mit Datteln, ja sie sagen, ihr Fleisch sei schmack
hafter; als alle anderen Fleiscligattungen.
Sonderbar ist es, dass im ganzen Lande Beläd-el-Dscherid nie
mand am Aussatze leidet, und betritt ein Aussätziger dieses Land,
so hört seine Krankheit auf zuzunehmen.
Description de 1 Afrique.
423
Die Bewohner dieses Landes sagen, dass die Datteln, wenn sie
grün gegessen werden, vorzüglich aber die Dattelart, welche „Buhr”
Or ) K enannt wird, dieses verursachen; denn sobald derjenige, an
dem sich Aussatz zeigt, viel von den Datteln isst, die „Buhr” heissen,
sie kocht und ihren Absud trinkt, so gesundet er.
Hier folgt nun die Beschreibung mehrerer Städte der Provinz
Africa, deren erste die Stadt Bädsche ist, die durch ihren Reichthum
an Getreide so bekannt ist, dass sie die Kornkammer von Afrika ge
nannt wird. In der Nähe dieser Stadt liegt der wegen seiner Frucht
barkeit berühmte Landstrich Kil.
Bedeutende Städte sind ebenfalls die nun folgenden: Tabarka,
Sebibe, Medschäne und Mermähine 1 )-
Nicht ohne Werth ist das über die Stadt Tebesä Gesagte: „sie
enthält viele Ruinen und Alterthümer, so dass nach Kartadschenne
in ganz Afrika keine Stadt in dieser Beziehung bedeutender ist. In
dieser Stadt ist ein Amphitheater von wunderbarer. Bauart; es steht
darin ein Tempel, der so aussieht, dass man glauben möchte, als sei
gerade der letzte Stein daran gelegt worden. Der Bau ist so fest,
dass man den Zwischenraum zwischen den Steinen nicht erkennen
kann und wollte man eine Nadel zwischen zwei Steine hineinstecken,
so fände sie keinen Raum; im Innern sind Gewölbe in mehreren
Stockwerken übereinander gewölbt, eben so auch unter der Erde
Gemächer und viele Gewölbe, die einen grossartigen Anblick ge
währen.
Man behauptet, dieser Tempel habe zur Beschwörung der Gei
ster gedient, denn man sieht darin noch bis jetzt die Spuren des
Rauches. Darin sieht man die Abbildungen aller Thiere und ver
schiedene Figuren, deren Bedeutung unbekannt ist.
In der Mitte der Stadt ist ein grosser Tempel auf mächtigen
Marmorsäulen ruhend, auf dessen äusseren Mauern ebenfalls die Ge
stalten aller Thiere mit bewunderswerther Kunst ausgeführt sind.
Man behauptet, es seien dies Talismane, von welchen man auch
viele in den Ruinen findet. Als ich die Stadt betrat (erzählt unser
Autor) gab mir einer der Bewohner des Ortes einen Talisman in der
Gestalt von zwei Löwen aus rothem Kupfer, die mit ihren Hinter-
*) Edrisi schreibt JMermädschine.
n
424 v. Krem er.
tlieilen sich aneinander stemmten und mit grosser Kunst gearbeitet
waren.
Der einzig bewohnte Theil von Tebesa ist jetzt das Schloss, das
mit Mauern aus festem Gestein und von solider Bauart umgeben ist,
und so wohl erhalten, dass es scheint, als wäre es erst gestern vol
lendet worden. In der Stadt Tebesa sind auch Gewölbe, in welchen
die Reisenden mit ihren Thieren im Winter Unterkunft suchen, ein
einziges solches Gewölbe fasst zweitausend Pferde und darüber.
In der Nähe der Stadt Tebesa ist ein Wadi, welches Wädi-
Melän genannt wird, dessen Wasser im Sommer abnimmt, es ist
schwer zu passiren, wegen der Menge des Schlammes. Oberhalb
diesem Wadi erhebt sich ein Berg, der Kalb-Melan genannt wird
und so hoch ist, dass er schon in der Entfernung mehrerer Tagreisen
sichtbar ist. In der Nähe von Tebesa ist noch ein anderer Berg, der
Kitf genannt wird.
Die Stadt Bäghäna ist eine grosse angesehene Stadt, die manche
Alterthümer enthält; sie hat reiche Quellen, Saaten und Wiesen und
liegt am Fusse des Berges Auräs (mons Audus). Dieses Gebirge
durchzieht die Länder des Westens (Maghrib) und Afrikije; eines
der von ihm auslaufenden Vorgebirge ist das Vorgebirge Aighiritük
im Weltmeere, dort wo der Bergsteig Akabat-el-Mostedschäb auf
hört; sein z.weites Vorgebirge ist das Vorgebirge Autän im mittel
ländischen Meere in der Nähe von Alexandrien, nach dessen Um-
segelung die Schilfe ihre Fahrt für sicher halten. Es beginnt dieses
Gebirge im Maghrib und ist eins mit dem Gebirge Dschebel-el-Mu-
sämide, das auch Dschebel Deren genannt wird oder Dschebel
Dschezüle oder endlich Ankist 1 ).
Dieses Gebirge wird von Stämmen von Lewäte bewohnt und
heisst auch Dschebel-Nefüse, es erstreckt sich ein Vorsprung des
selben bei zweihundert Meilen ins Meer und bildet einen grossen
Golf; wenn nun der Wind ein Schilf in diesen Golf hineintreibt, so
fehlt ihm der Wind, um wieder heraussegeln zu können, auch findet
es dort keinen Ankerplatz, da der Berg von harten Gestein und so
glatt wie eine Mauer ist.
>) Siehe Quatremere’s Extraits Pag. 564, wo dieser Name in der Handschrift
'Obeid-Aliah-el-Bekri’s ganz verstümmelt ist.
Description de 1’ Afrique.
423
In der Nähe von Baghäna ist das Grab des Mädäras, das so
gross wie ein Berg ist, ganz aus kleinen mit Blei eingegossenen
Ziegeln erbautQ. An den Seiten desselben sind kleine Nischen an
gebracht, in denen Menschen- und Thier-Abbildungen zu sehen sind.
Es hat auf allen Seiten Stufen.
Viele Völker haben es zu zerstören gesucht, waren es aber
nicht im Stande, man weiss übrigens nicht, oh es ein Grab oder
Tempel sei, nur das ist gewiss, dass es ein sehr alter Bau ist
und es versammeln sich darauf alle Vögel, die dort einen Talisman
haben sollen.
Unter die bedeutenden Gebirge von Afrika gehört auch das
Gebirge Asrau; ein reiches Gebirge voll von Städten mit vielen
Alterthümern und verödeten Orten wie z. B. die Stadt Tanka, eine
alte Stadt mit wunderbaren Bauresten.
Ich selbst (spricht unser Geograph) sah darin ein Haus, dessen
zwei Thorschwellen aus zwei Steinen von ausserordentlicher Grösse
bestanden, auf welchen ein Querbalken ruhte, der ebenfalls aus
einem einzigen Steine war auf eine Art cisilirt und gemeiselt, wie
man bei uns das Holz zu bearbeiten pflegt.
Der folgenden Stadt Elmüs sind nur einige Worte gewidmet.
Hingegen zeichnet sich die Stadt Schakjanarije, am Fusse des
Bei-ges Asrau gelegen, durch Ruinen aus. Es sind noch jetzt dort
die Reste einer grossen Wasserleitung zu sehen, ebenso wie ein
Gang, der unter dem Berge durchführt und der so geräumig ist,
dass ein Reiter mit der längsten Lanze die Decke des Ganges nicht
erreichen kann.
Am Berge Asrau liegt ferner die Stadt Kasantine (Constantine),
eine alte, wohlbevölkerte Stadt, deren Wasser in einer Wasserleitung
herbeigeführt wurde, welche der von Kärtadschenne wenig nachgibt.
Die Stadt Kasantine ist ausserordentlich fest gelegen, so dass es in
ganz Afrikije keine Stadt gibt, die eine festere Lage hätte als Kasan
tine ; in dieser Beziehung kann mit ihr nur die Stadt Ronda in Spa
nien verglichen werden, die ihr in Bezug auf die Lage und den sie
umgebenden Graben gleicht, doch ist die Stadt Kasantine grösser
und höher, denn sie liegt auf einem grossen Berge von hartem Stein;
i ) Von diesem Grabe hat lins kein neuerer Ueisender Kunde gegeben; der Name
allein deutet auf einen nicht arabischen Ursprung hin.
426
v. Kr einer.
— dieser Berg ist zerklüftet, so dass gleichsam ein grosser Graben
die Stadt von drei Seiten umgibt, ein grosser Fluss ergiesst sieb in
diesen Graben und umströmt die Stadt und man hört von seiner
Strömung ein gewaltiges Brausen aus dem Stadtgraben herauf.
Uber diesen Graben führt eine von den Alten erbaute grosse
Brücke, eigentlich aus drei über einander gespannten Bogen beste
hend; über diese Brücke gelangt man zum Thore der Stadt. Am
Ende dieser Brücke nabe am Thore ist ein Haus auf Gewölben erbaut,
das von den Eingebornen Abür. d. i. Syrius, genannt wurde (mit
Anspielung auf den Stern Schirä), weil dieses Haus ebenso wie der
Stern in der Luft schwebt. Steht man auf der Mitte dieser Brücke
und will auf die andere Seite hinübergehen, so meint man in der
Luft zu schweben und es erscheint der grosse Fluss in der Tiefe
der Schlucht wie ein kleines Bächlein.
Die Stadt hat ein weites, reiches, wohlbevölkertes Gebiet mit
Gärten, welche verschiedene Obstgattungen hervorbringen, allein
wegen der hohen Lage ist die Temperatur sehr streng und Schnee
und Winde sind sehr häufig. Der nächste Hafen ist Kil, welcher von
Kasantine zwei Tagreisen entfernt ist.
Auch die Stadt Milo ist nicht unbedeutend wegen des grossen
dazu gehörigen Gebietes. In der Stadt ist eine Quelle süssen Was
sers , das von dem in der Nähe der Stadt gelegenen Berge Tämrut
kommen soll; diese Quelle wird Ain-Abis-Sibä’ genannt. Nicht ferne
von der Stadt Mile ist der Berg Unsul, der jetzt Dschebel-Beni-
Zeldui genannt wird.
Es bestehen diese Beni-Zeldui aus vielen berberischen Stämmen,
welche diesen Berg bewohnen. Sie sind sehr widerspenstig gegen
die Statthalter und dies wegen der Unzugänglichkeit ihres Gebirges,
in welchem viele Städte, Ortschaften und Dörfer sind. Dieses Gebirge
ist das reichste in ganz Afrikije, erzeugt alle Obstgattungen, vor
züglich aber Äpfel und ausgezeichnete Pfirsiche, auch viele Trauben.
Auf dem Wege von der Stadt Mile zum Schlosse Kalät-Abi-
Tawil liegt die Stadt Setif, in der Entfernung einer Tagreise
von Mile.
Die Stadt Medinet-el-Ghadir liegt mitten zwischen Bergen, ihr
Fluss, der Schür genannt wird, sammelt sich an einem morastigen Orte
aus mehreren Quellen und strömt zur Stadt Mesile, die im Districte
des Zab liegt und deren wir in der Folge erwähnen werden,
Description de 1’ Afrique.
427
ln der Nähe der Stadt Ghädir ist die Ebene ‘Adscluse, auch
Medir genannt, reich an Heerden und Saaten, und sie hat nur den
Übelstand, dass ihre Temperatur sehr rauh ist.
Die nun folgende Schilderung des Schlosses Kalat-Abi-Tawil,
des Sitzes der Sinhädscha, deren Paläste daselbst zu sehen sind,
gibt längere historische Daten über die Eroberung und die Schick
sale des Schlosses sowie einige Anekdoten über Hammäd-Ibn-Monäd.
Es beginnt hiernach der dem Districte Belad-ez-Zäb gewidmete
Abschnitt, welcher folgende Städte umfasst:
Mesde, die am Flusse Schür liegt, in der sehr ergiebigen und
fruchtreichen Gegend, wohnen berberische Stämme von Adscluse,
Ilawwära und Beni-Berzäl.
Nicht minder reich ist die Stadt Nakäwas, ebenso die mit einer
Mauer aus Ziegeln umwallte Tabna.
Die bedeutendste Stadt dieses Gebietes ist Beskera, die, reich
an allen Früchten, besonders eine Dattelart hervorbringt, die Lijäri
und eine andere die Kesbä genannt wird, welche vorzüglich ist!).
Die Stadt bewässert ein Strom, der vom Gebirge Auräs herabströmt.
Nicht minder wichtig ist die Stadt Teliüda, reich an Gärten
und Saatfeldern, aber vorzüglich desshalb historisch merkwürdig,
weil vor ihren Mauern 'Ukbat-Ibn-Näft, der arabische Eroberer
Afrika’s fiel, besiegt von dem überlegenen Heere der Römer unter
Anführung des Kesilet-Ibn-Akdam a ).
Die letzte Stadt dieses Abschnittes ist die Stadt Kadis, welche
zwei Schlösser enthält mit grossen Vorstädten und weitläufigen
Saatfeldern, dieses ist zugleich die letzte Stadt des Districtes
von Zäb.
Es folgt nun der vierte Abschnitt des Werkes, nämlich jener,
welcher das mittlere Maghrib (Maghrib-el-Ausat) beschreibt, nach
dem vorher über die Städte der Seeküste, des Innern und der Wüste
und das Gebiet Beläd-el-Dscherid gehandelt worden ist. Es werden
hierin folgende Städte aufgezählt:
1. Telemsän,
2. Wadschde,
1 j Diese Dattelart kennt man auch in Ägypten unter dem Namen Kusbc.
“) Nach Ibn-Adäri herausgegeben von Do7,y, I. livrais. pag. 16, ist der Name
dieses Feldherrn: Kesilet-Ibn-Lemzem-el-Birinsi.—
42K
v. Krem er. Pescription de P Afrique.
3. Adschersif,
4. Tahirt,
5. Kalät-Hawwära.
Die über die Städte Telemsäu und Kalät-Hawwära gegebenen
Notizen sind besonders voll beachtenswerther Angaben.
Der nächstfolgende letzte Abschnitt des Werkes enthält die
Beschreibung des äussersten Maghrib, d. i. des jetzigen marocca-
nischen Reiches und beginnt gleich mit der Beschreibung der Stadt
Fas (Fez).
An die Beschreibung der Stadt Fas schliesst sich die der in
der Umgegend liegenden bedeutendsten Örter und Gebirge an; be
sonders anzuführen ist hier die Stadt Medinet-el-Ribät, die auch
Miknäset-Tazä heisst, weil sie im Lande Tazä liegt; — den Namen
Miknäse erhielt sie von einem grossen dort wohnenden berberischen
Stamme, der so heisst.
Die nächste Stadt ist: Miknäset-ez-Zeitün.
Hierauf folgt Dschenjäre, dann Kirmet, auch Basrat-el-Elbän
genannt, dann Kasr-Sinhädsche und der letzte angeführte Ort ist das
Schloss des lbn-Dschundäb, wo die Handschrift, aus welcher der
Text herausgegeben wurde, plötzlich abbricht.
Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften.
429
VERZEICHNISS
DER
EINGEGANGENEN DRUCKSCHRIFTEN.
(April.)
Academie des Sciences, arts et belles-lettres de Dijon:
— Seance publique. 1810. 19, 21, 23, 25, 27, 29, 36, 43; 8°-
— Memoires. 1782, I sem. 1783, I sein. 1784, 1823, 1830,
1850; 8°-
Academie nationale de Medecine. Memoires. T. 16. Paris 1852; 4 0 •
Accademia pontificia de’nuovi Lincei. Atti. Anno IV, sess. 7,
Roma 1851; 4°-
Analyse de l’Academie (de Dijon) pendant le cours de l’an 12.
Dijon 1805; 8°-
Annalen der Chemie und Pharmacie. Herausgegeben von Friedr.
Wohl er und Just. Liebig. Bd. 80, Heft 3. Heidelberg
1851; 8°-
Annales Aeademici 1840—49. Lugduni Batavorum 1851; 4°-
Chatellier, A. du, L’Inde antique, extrait d’un ouvrage inedit
sur les grandes nationalites des temps aneiens. Paris 1852; 8°'
Description de l’Afrique. Par un geographe arabe anonyme du
6 siede de l’Hegire. Texte arabe publie pour la premiere fois
par M. Alfred de Krem er. Vienne 1852; 8 0<
Ehrlich, Karl, Geognost. Wanderungen im Gebiete der nordöst
lichen Alpen. Linz 1852; 8° -
Ettingshausen, Const. v. Über Palaeobromela, ein neues fossiles
Pflanzengeschlecht. Wien 1852; 4 0-
■— Beiträge zur Flora der Vorwelt. Wien 1851; 4°-
Expedition, arctic. Further correspondence and proceedings con
nected with the arctic expedition. London 1852; fol.
430 Verzeichniss
gaffet, jpitfd) M., £5a§ mofaifd)=rabfnnifd)e ©oitredjt. £t). I, 1, 2.
Sßten 1852; 8.
gtora. 1852, 9tr. 5—12. 9tegen36urg; 8°*
Fritsch, K., Resultate mehrjähriger Beobachtungen über jene
Pflanzen, deren Blumenkronen sich täglich periodisch öffnen
und schliessen. Prag 1851; 4°-
Girault, C. X., Archeologie de la cote d’or. Dijon 1823; 8 0 '
— Serie par ordre chronol. de faits etc. sur l’histoire des deux
Bourgognes. Dijon 1821; 8°-
— Dissertation sur l’epoque et les causes de l’erection de la
colonne de Cussi. Dijon 1821; 8 0-
®raf, Eft, ®te (äntfte^ung ber öfterreidjifdjen SJIonatcfjie. Äiagenfutt
1852; 4°-
£aa§, Sölidjael, ©ebenf&ud) ber f. freien Stabt günftirdjen. günf=
firdjen 1852; 8°.
$ ante, 6§r. gr., ®ie Utfadjen ber inneren Srbwärme ic. 8at;r 1851; 8 0>
Ha*o, Reflexions sur 1’ichthyogenie ou eclosion. artificielle des
eeufs de poissons. Epinal 1851; 12 0 ’
.^ungenau, Otto greif). o., Ue&erfid)t ber geotogifd)en SßertxÜtniffe
von ®tät)ren in ßefterrad)ifd)=@d)teften. Sßien 1852; 8° -
gatirbnd), Serg= unb §üttenmännifd)eg, ber f. t 592ontan=8et;ranftatt
jit Seoben. 33b. 2, SBten 1852; 8“ -
Jahresbericht, zweiter, über die wissenschaftlichen Leistungen
des Doetoren-Collegiums der medicinischen Facultät zu Wien,
unter dem Decanate des Dr. J. Schneller, im Jahre 1850—51.
Wien 1852; 8 0, (5 Exemplare.)
Ihn’ Jemins Bruchstücke. Aus dem Persischen übertragen von
Ottokar Maria Freih. v. Schlechta-Wssehrd. Wien 1852; 8°-
Institut des provinces de France. Bulletin bibliographique des
societes savantes des departements. No. 6. Paris 1852; 8°-
Journal, the astronomical. Yol. II. 12. Cambridge 1849; 4°-
Istituto I. R. Lombardo di scienze ecc. Giornale fase. 13, 14.
Milano 1852; 4°.
Karadscliitsch, Wuk. Stephan. Lexicon serbico-germanico-lati-
num. Vindob. 1851; 8 0-
Lamont, Beschreibung der an der Münchner Sternwarte zu den
Beobachtungen verwendeten neuen Instrumente etc. München
1851; 4°-
der eingegaugenen Druckschriften.
43t
Seemann, 3. ®iplomatifd)e ©efcptipte be? Stifte? be? t).
ju Seit in bei- spfatj. ©peier 1852: 4" 1
Lotos, Nr. 3. Prag 1832; 8°-
Memorial de Ingenieros. Nr. 2. Madrid 1832; 8“'
Notice de la seance publique, tenue le 10 germ. an 7 par la
societe libre etc. de Dijon. Dijon an 7; 8°-
Parrat, H., Traduction clialdäique, latine et francjaise de Pinserip-
tion liieroglypbique du grand cercle du Zodiaque de Denderah.
Porrentruy. 5 Blätter Fol.
Perrey, Alexis, Documents relatifs aux tremblements de terre
dans le Nord de l 1 Europe et de l’Asie. St. Petersbourg
1849; 4°-
Plan d’une histoire litteraire de Bourgogue, projetee par PAcademie
des Sciences de Dijon. Dijon 1832; 8 0-
Rapport ä PAcademie de Dijon etc. contenant une notice historique
sur Petablissement des fontaines publ. Dijon 1833.
— lu ä PAcademie etc. de Dijon dans ses seances partic. des 3
Juil. 1811 et 19 Mai 1813. Dijon 1813; 8”'
— sur les annales du moyen äge. p. Nault. Dijon 1826; 8"‘
— verbal sur une excursion archeologique en Lorraine etc. fait ä
la societe fran§aise pour la Conservation des monuments par Mr.
de Caumont. Paris 1851; 8“‘
Dl a u, ®eorg, ®te 9tegiment3=äktfaffung ber freien Dteicpäftabt ©peier,
in iprer gefcf)id)tttct)en ©ntmideiung urfitnbltd) gefdjitbert. ©peter
1844—45; 4*-
— Ä. •£>., Ueber beit fletnften Umfang eine? ©auetngute?. fieibelberg
1852; 8"-
Report by the government commissiori on the chemical quality of
the supply of water to the inetropolis. London 1851; 8 0-
Ronalds,Francis, Epitome of the electro-meteorological andmagne-
tic observations experiments. Chiswick 1848; 8°'
— Report concerning the observatory of the british association at
Kew. London 1850; 2 Hefte, 8° -
— On photograpliic-self-registering meteorological and magneti-
cal instruments. London 1847; 4°‘
Saadi, Der Fruchtgarten. Aus dem Persischen auszugsweise über
tragen von Ottokar Maria, Freih. v. Schlechta-Wssehrd. Wien
1852; 8°-
Sitz*, d. phil.-hist. CI. VIII. Bd. IV. Hft.
30
432
Verzeiehniss der eingegangenen Druckschriften.
Scolari, Filippo, Del piü vero studio dell’ arte poetica di Qu.
Orazio Flacco a profitto della civil societä. Yenezia 1852; 8“.
Societe frangaise pour la Conservation des monuments. Bulletin
monumental. T. 7. Paris 1852; 8°-
Teleki, Graf Joseph, Hunyadiak kora Magyarorszagön (ba§ 3^1*
alterber .gmnpabter in Ungern) Pesten 1852. Vol. l]\ 8°-
Tübingen, Untoerfftatgfc^rtften a. b. 3- 1851.
iBerein, ^if7ortfc^et% ber *ßfalj. 3a|reSberic^t 1, 2. @peter 1852. 8°’
3enp, bte freie SteidjSftabt @peter »or t^rer ßerjtdrung, nad) urfnnb*
ticken CtueKen örtlich gefdjtlbert. @peter 1843; 4°.
— Traditiones possessionesque Wirenburgenses Codices duo cum
supplementis. Spirae 1852; 4°-
SITZUNGSBERICHTE
DER
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE CLASSE.
VIII. BAND.
V. HEFT. — MAI.
JAHRGANG 1852.
I
438
SITZUNG VOM 12. MAI 1882.
Es wird der Classe eine handschriftliche Abhandlung des
Herrn Skr ein ka, Senior und Katecheten an der Real-Schule zu
Arad: „ Exegetisch - chronologische Ausmittelungs- Versuche über
einige Dunkelheiten in Beziehung zur Zeit des zweiten Tempels in
Jerusalem,” mit dem Ersuchen um deren Aufnahme in die Druck
schriften der Akademie vorgelegt und zur Prüfung einer Commission
zugewiesen.
Auf Ansuchen der historisch - statistischen Section der k. k.
mährisch-schlesischen Gesellschaft zur Beförderung des Ackerbaues,
der Natur- und Landeskunde zu Brünn, und des königl. baierischen
Reichs-Archivs zu München wird mit diesen beiden gelehrten Körper
schaften der Schriftentausch eingegangen.
Gelesen:
Versuch einer Begründung meiner „Hypothese' über den
Ursprung des „Privilegium majus ,, von 1156.
Vom Hrn. Regierungsrnth Chrnel.
Ich habe vor einiger Zeit (im December 18S0) die Frage über
die Echtheit des sogenannten „majus” des Fridericianum von 11S6
zur Sprache gebracht, bei dieser Gelegenheit einer Abhandlung eines
jungen Gelehrten gedacht, die vorbereitet werde und die Unecht-
beit dieser vielbesprochenen Urkunde zu erweisen suche. Ich hatte
31 *
436
Joseph Chmel.
in demselben kleinen Aufsatze, der bestimmt war, die kritische
Untersuchung einer der vorzüglichsten bisherigen Quellen der
österreichischen Staats - Geschichte gleichsam vorzubereiten, meine
eigene Ansicht aufgestellt, und dasselbe Document für unterschoben
erklärt; zugleich auch ausgesprochen, dass ich es für ein Werk der
Kanzlei König Ottokar’s II. (beiläufig um 1274 von dem königlichen
Notar Henricus de Isernia angefertigt) halte. Seitdem ist nun diese
Abhandlung des Privat -Docenten an der k. Universität zu Berlin,
Herrn Dir. Wilhelm Wattenbacb, der historischen Commission
eingeschickt, und von ihr auch zum Abdruck in unserm „Archiv für
Kunde österreichischer Geschichtsquellen’ bestimmt worden. Sie
erscheint sogleich. Herr Wattenbach hält (mit Dr. Böhmer) den
von 1358 bis 1365 regierenden Herzog Rudolf IV. für den Urheber
dieser und mehrerer anderer Fälschungen 4 ). — Er nennt meine
Hypothese „ganz unwahrscheinlich” und glaubt, König Otto
kar II. habe daran nicht gedacht, nicht zu denken gebraucht!
Aufforderung genug, meine Ansicht zu begründen und zu recht-
fertigen! Man könnte über diese Frage ein ganzes Buch schrei
ben, sie ist ja eine der wichtigsten in unserer Geschichte. Da ich
aber mit Herbeischaffung neuen Stoffes und dessen Zurechtlegung
aus einem längeren Zeiträume vollauf beschäftigt bin, zudem zwar
Kritik der Quellen, durchaus aber nicht Polemik der G es chichts-
i) Bereits im Jahre 1839, also fünf Jahre vor Böhmer, und dreizehn Jahre
vor Wattenbach hat der Geschichtsschreiber des Hauses Habsburg, Fürst
Llchnowsky, in seiner Geschichte durch sehr freimüthige Andeutungen
dem „titelsüchtigen” und „eitlen” Herzoge Rudolf IV. die Urheberschaft
dieser Urkunde zugedacht.
Ich habe allen Respect vor Liclinowsky’s Freimuth und seiner (sub-
jectiven) Un p ar t eil ich kei t, die ansehr vielen Stellen seines umfang
reichen Geschichtswerkes hervorleuchtet, übrigens mit dem Vorworte des
ersten Bandes nicht selten in Widerspruch geräth; aber grüudl iche
Kenntniss der so verwickelten Verhältnisse im dreizehnten,
vierzehnten und fünfzehnten Jahrhunderte wird nur durch die umfassend
sten und mühsamsten Studien erworben, die man im Texte dieses durch
seinen reichen Apparat von Beilagen (Regesten u. s. w.) jedenfalls höchst
schiitzenswerthen Werkes nur zu häufig vermisst. Lichnowsky macht
sehr oft Äusserungen , die durch seine eigenen Regesten widerlegt werden
können. —
£29
» m&s'
Hypothese über den Ursprung des Privilegium majcs von J156. 4<> (
fors eher liehe, so werde ich mich möglichst kurz fassen ; ich stelle
es dann Jedem frei, selbst zu prüfen und sich für oder gegen meine
Ansicht zu erklären ')•
Dr. Böhm er, den Waltenbach als eompctentestei Richte; und
„ersten Kenner unserer Zeit" erklärt, hat, wie ich hei e ts in meii <m
früheren Aufsatze angeführt habe, das Majus des Fridericianum von
lloti in der zweiten Bearbeitung seiner Regesten von 1 198—.234,
S. 199, Nr. 1086, für unecht erklärt und seine Entstehung dem
Herzog Rudolf IV. zugeschoben. — Er nennt diese Urkunde „in
der äu ss er n form täuschend, in der spräche auffal
lend, im in halt 1 ä p p i s ch.” — Zugleich erklärt er das soge
nannte minus für echt.
Wir müssen also vor Allem in den Inhalt beider Documente
näher eingehen, ihre Ähnlichkeit so wie ihre Unterschiede scharf
auffassen.
Doctor Böhmer nennt den Inhalt des majus „läppisch.”
— Wir wollen sehen, ob es diese Signatur verdiene.
Das sogenannte Privilegium minus. 2 ), das jetzt nur in Hand
schriften des 13. bis 13. Jahrhunderts existirt, enthält vier Artikel
oder Hauptpuncte.
Diese vier Puncte hat der Verfasser des Privilegium majus
(man kann füglich sagen) zu sechzehn Artikeln erweitert. — Zu
erst nun den Inhalt des minus.
Kaiser Friedrich I., welcher die bisherige Markgrafschaft Öster
reich zu einem Herzogthum erhoben, mit einem Tlieile von Baiern
vergrössert und dem Heinrich, bisherigen Herzog von Baiern und
Markgrafen von Österreich, und seiner Gemahlinn Theodora als Lehen
t) Ohnehin will ich später in meinen „habsburgischen Excursen” die Zeit
Rudolfs I. und seiner Söhne und Enkel gründlich erörtern, da soll alles ur
kundlich belegt werden.
2 ) Ich verweise der bequemeren Benützung wegen aut’ den dem XXVIII. Bande
der Monumenta boica (Band I der „Collectio nova) beigegebenen: Commen-
tarius dipiomatico-criticus super duplex privilegium 1 ’ etc. etc. des P.
Moria, der unter A. und B. den Abdruck des Minus und Majus so ziemlich
correct liefert.— Bekanntlich hat Hormayr gegen diesen Commentarius eine
umständliche Abhandlung geschrieben, aber weder er noch Moriz gehen in
den Inhalt beider Urkunden tief genug ein. —
438
Joseph Climeil
verliehen hatte, gewährt demselben für die bereitwillige Resignirung
auf Baiern, das der Kaiser dem Herzog Heinrich von Sachsen (dem
Löwen) zurückgab, folgende wichtige Concessionen:
„Erstens sollen sie, und ihre Kinder nach ihnen, ohne
„Unterschied, Söhne wie Töchter, dasselbe Herzogthum Öster
reich erbrechtlich vom (römisch-deutschen) Reiche inne haben
„und besitzen*).
„Wenn aber” (heisst es weiter) „der vorbesagte Herzog von
„Österreich, unser Oheim, und seine Gemahlinn kinderlos abgehen
„sollten, sollen sie die Freiheit haben, dieses Herzogthum wem sie
„immer wollen zugetheilt zu wünschen 2 ).
Diese für die damalige Zeit allerdings wichtige Concession der
Nachfolge einer Tochter war für Herzog Heinrich Jasomirgott, der
zur Zeit der Ertheilung dieses Freiheitsbriefes noch keine männ
lichen Leibeserben, wohl aber eine Tochter Agnes hatte, ohne
Zweifel der Preis seiner Nachgiebigkeit und Resignirung auf das
mit vollem Rechte ihm zustehende Herzogthum Baiern.
Die Bewilligung, vor kinderlosem Abgänge einen Erben
seines Reichslehens Vorschlägen zu dürfen, ist daneben nur höchst
untergeordnet.
Im Grunde war diese ganze Concession eine rein persönliche,
diese Gnade erstreckte sich nur auf den Herzog, seinen patruus
(nicht aber auf dessen jeweilige Nachfolger im Herzogthume), auf
dessen Gemahlinn Theodora und ihre Kinder; an eine Disposition
*) Der Wortlaut ist: „perpetuali iure sanccientes, ut ipsi et liberi eorum post
eos indifferenter filii et filie eundem Ducatum Austrie hereditario jure a regno
teneant et possideant.’’
2 ) Es ist schwierig im Deutschen ohne Umschreibung die Worte des Textes ge
nau zu geben, der wahrhaft diplomatische Ausdruck der lateinischen
Urkunde ist: „Si autem predictus Dux Austrie, patruus noster, et uxor eius
absque liberis decesserint, libertatem habeant, eundem Ducatum affectandi
cuicümque voluerint.’’ — Das Wort a ff e ct an di heisst hier den Wunsch
auszusprechen, dass diesem oder jenem das Herzogthum Österreich ver
liehen werde. Das Verhältniss des Landes als Reichslehen wird dadurch
nicht verändert, der Oheim und seine Gemahlinn haben nur die Freiheit ihren
Nachfolger im Besitze dieses Reichslehens namhaft zu machen. — Das
Reichsoberhaupt behält das Recht, diesen Wunsch zu bestätigen — oder
auch zu beseitigen!
Hypothese über den Ursprung des Privilegium majus von 1156. 439
für alle Zeiten war nach dem Wortlaute dieses Privilegiums nicht
zu denken!
Die zweite Concession betrifft wie die zwei folgenden die künf
tige Stellung des Herzogs von Österreich.
2. Der Herzog von Österreich soll allein im Namen des Kai
sers (das brachte ja der Begriff eines Reichslehens mit sich) in
seinem Gebiete (Herzogthume) das Recht verwalten, Niemand
soll ohne seine Einwilligung undErlaubniss darin Rechtsprüche
ergehen lassen *).
3. Der Herzog von Österreich schuldet von seinem Herzog
thume keinen andern Dienst dem Reiche, als dass er sich bei den
Hoftagen, welche der Kaiser in Baiern ausschreiben lässt, ein
finde, wenn er dazu aufgefordert wird.
4. Er schuldet auch keinen andern Heeres zug, als den
der Kaiser etwa in solche Reiche oder Provinzen anordnet, welche
Österreich benachbart sind').
Bemerkenswerth ist noch, dass in dem Ausdrucke der Schluss
formel dieses „Minus”: Presentem inde paginam conscribi et Sigilli
„nostri inpressione insigniri iussimus” angedeutet ist, dass diese
Urkunde ein aufgedrücktes Wachssiegel gehabt haben müsse.
Von diesem „Minus” existirt, wie gesagt, kein Original mehr, es
ist uns nur durch einige diplomatische Sammlungen in Handschriften
des dreizehnten Jahrhunderts erhalten.
Dieses der Inhalt des sogenannten „Privilegium minus”.
Wie wir gesehen haben, ist es aus zwei Theilen bestehend, der
erste Tlieil (Artikel 1) spricht aus, dass Herzog Heinrich und seine
1) Es heisst: „Statuimus quoque, ut nulla magna vel p arua persona in eiusdem
Ducatus r e g i m i n e sine Ducis (so steht in den Handschriften, nicht aber
Ducum, das Moriz in seinem Abdrucke S. 2 hat) consensu. vel permissione
aliquam iusticiam presumat exercere.” — Es ist dieses auch wieder
ein sehr unbestimmter Ausdruck. In seinem Gebiete hatte nur der Herzog
die Rechtsverwaltung, es steht aber nicht, dass sein Gebiet das ganze Land
umfassen sollte; ausser dem herzoglichen Gebiete konnte es daneben noch
selbstständige Gebiete anderer Reichsfürsten geben und es gab sie!
2 ) „Dux vero Austrie de ducatu suo aliud seruicium non debet Impeno nisi
„quod ad curias quas Imperator prefixeritin Bauaria evocatus veniat, nuilam
„quoque expedicionem debeat, nisi forte quam Imperator in regna vel
„prouincias Außtrie vicinas ordinaverit.” —
440
Joseph Ctunel,
Gemahlin« Theodora und ihre,Kinder, Söhne wie Töchter, das zu
einem Herzogthum erhobene mit einem Theile yon Baiern vergrös-
serte bisherige Markgrafthum Österreich als Reichslehen
besitzen sollen.
Der zweite Theil (Artikel 2, 3 und 4) besagt, dass der Herzog
von Österreich in seinem Gebiete allein im Namen des Reiches
das Recht handhaben und nur zu beschränkten Leistungen
gegen das Reich verpflichtet sein soll.
Sollte auch der zweite Theil für alle Zeiten giltig sein,
was streng genommen nur gefolgert werden kann aus den Worten:
„ut hec nostra Imperialis constitucio omni euo rata et inconvulsa
„permaneat presentem inde paginam conscribi et Sigilli nostri
„inpressione insigniri iussimus,” welche Worte aber nicht hindern,
dass der Kaiser wieder eine andere Constitution geben konnte, so ist
doch ganz gewiss der erste Theil nur auf fünf Personen (den Her
zog, seine Gemahlinn, seine zwei Söhne und seine Tochter) be
schränkt. —-
So wenigstens meinte es der Kaiser, die Geschichte bestätigt
diese Auslegung.
Kaiser Friedrich II. bestellte nach dem Tode des letzten Baben
bergers, Friedrich des Streitbaren (f 15. Juni 1246), sogleich
Reichs-Yic are und Statthalter, zuerst Otto von Eberstein,
(den Ottokar in seiner Reimchronik einen hohen Herrn von Ach
nennt), dann Herzog Otto von Baiern, später den Grafen Meinhard
von Görz, der aber nach des Kaisers Friedrich II. Tode sich
zurückzog.
Er bestimmte in seinem Testamente (s. Böhmer’s Regesten von
1198—1254, Stuttgart 1849, Seite 210) seinem Enkel Friedrich
(Margarethens Sohn) die Herzogthiimer Österreich und Steier nebst
10000 Goldunzen.
(„Item statuimus, quod Fridericus nepos noster habeat Ducatus
„Austriae et Stiriae, quos a praedicto Conrado teneat et recognoscat
„cui Friderico iudicamus pro expensis suis decem millia unciarum
„auri”.)—
Doch dieser Enkel starb eines gewaltsamen Todes bald nach
seinem Grossvater.
Noch bei Kaiser Friedricb’s II. Lebzeiten hatte sein bitterster
Gegner Papst Innocenz IV. alles Mögliche in Bewegung gesetzt, dem
Hypothese über den Ursprung des Privilegium majus von 1156. 441
verhassten Hohenstanfen-Geschlechte den Besitz dieser heimgefal
lenen Reichslehen zu entreissen.
Auf seinen Antrieb wurden die noch lebenden weiblichen Nach
kommen des babenbergischen Geschlechtes, Margarethe und Gertrud,
als Erben von der kirchlichen Partei erklärt.
In den Regesten P. Innocenz IV. (Ep. 249) findet sich der Aus
zug eines Schreibens vom 3. September 1247 an den Bischof von
Passau „praeeipit Episcopo Pataviensi, ut a Fratribüs Domus Theuto-
„nicorum, castra de Starkemberg et de Pottenstein tenentibus, resti-
..tui faciat M. (Margarethae) relictae quondam H. (Henrici), nati
,.F. (Friderici) dudum Imperatoris, et G. (Gertrudi) relictae quon-
..dam W. (Wladislai) Filii Regis Bohemiae, quaedam privilegia, per
„quae ipsae in Ducatu Austriae hereditario jure suc-
„cedere debent.” — Hätten wir diese, so wäre alles klar! —
(Königsberg ? Abschriften ?)
Wäre die römische Curie mit dem Hohenstaufen-Geschlechte
nicht in Zerwürfniss gewesen , würden die Herzogtümer Österreich
und Steiermark ohne Zweifel als erledigte Reichslehen heimgefallen
sein.
So aber ward in der furchtbaren Zerrüttung des römisch-deut
schen Reiches, welche auf K. Friedrich’s II. Tod durch den erbitterten
Kampf der römischen Curie mit dem Geschleehte der Hohenstaufen
erfolgte, das Recht des Reiches hindangesetzt.
Bei der Spärlichkeit von gleichzeitigen Quellen in diesem
Zeiträume müssen wir unsere Schlüsse und Urtheile mir mit grösster
Vorsicht und kritischer Behutsamkeit Schritt für Schritt zu begrün
den suchen.
Eine der vorzüglichsten Quellen, um die uns alle übrigen deutschen
Lande beneiden dürfen, weil kein einziges aus diesem Zeiträume ein
ähnliches Denkmal der geschichtlichen Tra di ti onen und,zeitge
nössischen Ansichten besitzt, ist Ottokar’s Reimehronik. Von
ihr sagt Böhmer in seiner so schätzenswerthen Einleitung zu den
RudolfinischenRegesten (Ausgabe von 1844, Seite 37): Ottokar’s
Reimchronik von 1250—• 1309, welche den ganzen dritten Band von
Pez Script, füllt. „Er (Ottokar) ist gleich Gottfried fehlerhaft in der
„zeitfolge der einzelnen begebenheiten und ohne ein chronologisches
„repertorium, wie ich mir eins zu demselben gemacht habe, fast nicht
„zu brauchen. Der Verfasser, dienstmann des in Steiermark sehr an-
442
Joseph Chmel.
„gesehenen und bis an seinen tod im jahre 1311 in alle landesan-
„gelegenheiten verflochtenen Otto von Lichtenstein, hat zu kloster
„Lilienfeld aufbewahrte Schriften gelesen, und die salzhurger annalen
„benutzt, aber mehr noch yon augenzeugen gehört,
„viele der handelnden personen gekannt und manchen
„Vorgängen, besonders feierlichkeiten und hochzeiten, wo singet -
„und sager an ihrem platze waren, selbst beigewohnt. Gerade
„durch die Umständlichkeit und das farbige colorit wird sein werk
„neben den uns allzukurzen angaben der annalen ein wahrer schätz.
„Was die Nibelungen für die heldensage sind, das
„ist Ottokar für die wirkliche geschieht e. Der
„Österreicher, welcher dieses werk in bequemem format in der art
„neu herausgibt, dass er die handschriften benutzt, die eingerückten
„reden bemerklich macht, die Zeitbestimmungen dem einzelnen und
„ein chronologisches repertorium dem ganzen beigibt, der hat
„(auch wenn er vorerst vieles weglässt wobei Ottokar nicht eigent
liche quelle ist, und was Deutschland zunächst nicht angeht), wie
„ich meine, für sein Vaterland genug gethan. Wer
„wird diesen Kranz erringen?” Also Böhmer.
Ich setze hinzu, dass bei einer solchen neuen Ausgabe, die wah
res Bediirfniss ist, jedenfalls ein historisch-kritischer Commentar mit
urkundlichen Belegen fast unentbehrlich sein dürfte 1 ).
Diese Ottokarische Beimchronik nun, welche Herr Böhmer mit
Becht so hoch schätzt, ist uns für die Geschichte König Ottokar’s II.
eine Hauptquelle. Er erzählt uns, wie (nachK. Friedrich’s II. Tod und
dem Abgänge des k. Statthalters des Grafen Meinhard von Görz) die
österreichischen Landherren sich einen babenbergischen Sprössling,
einen Sohn der Constantia, Markgräfinn von Meissen (bereits 1243
gestorben), als Herrn erbitten wollten, wie aber die Abgesandten,
durch den König von Böhmen bearbeitet, sich für seinen Sohn Ottokar
i) Möchte doch der Herausgeber des Seifried Helbling, einer ähnlichen
Quelle aus dem Schlüsse des dreizehnten und dem Beginne des vierzehnten
Jahrhunderts, welche für die Cultur- und Sittengeschichte unsers Vaterlandes
unschätzbare Daten liefert, für Ottokar’s Reimchronik der Commcntator
werden, er wäre dazu durch Kenntnisse wie durch kritischen Geist der
berufenste. Nur ein gründlicher Kenner unserer Geschichte kann diese
herrliche Quelle würdig herausgeben helfen und z u g ii n g li c h machen,
Hypothese über den Ursprung des Privilegium majus von 1156. 443
gewinnen Hessen, der durch reichlich gespendetes Gold sich auch bald
einen bedeutenden Anhang im Lande zu verschaffen wusste. —Ottokar
ward als Herr anerkannt, und um sich gegenüber der hohenstaufischen
(kaiserlichen) Partei einen Rechtstitel zu verschaffen, vermählte er
sich aus Politik mit der alternden (46 jährigen) Margarethe.
Die Reimchronik sagt nun:
Pez SS. 3, 33.
cap. XXII.
10
15
20
25
30
Welt ir hoeren waz nu tuo 1 )
diu kiiniginne Margret,
dö fie gemehelt het
den herzoge von Oßerrich ?
Sie gab im eigenlich
vor den wsegßen und den betten
mit gold ein hantveften,
die fie het von dem riclie
über Stire und Oßerriche:
ob ir bruoder verdürbe,
daz er erben niht erwürbe,
lie folt der lande erbe wefen.
Do man die hantveß het gelefen,
fie nam fie felb in die hant
und gap hantveft unde lant
von Oßerrich dem herzogen.
Daz fie von im unbetrogen
beliben folt des beten wän
vil witziger man.
den wart daz fit vil leide,
dö fie die vrouwen beide
von den fachen verlurn.
dar an fie grdzen fchaden kurn.
A die Admonier Hs. V die ältere Wiener. P die jüngere.
10. Wolt ir. P. 16. Mitgult eyn lianntfeften. V. Mit guidein. AP. 30. emvurb.
A. 21. So folt er lannt erb wefen. V. Sy fchold der iaud erib. P. Sy folt
der Lannde Erib. A. 23. fy felben. V. 27. de/, het auch Wan. A. daz het auch.
P. 28. Vil maniger wicziger. V. Maniger wicziger. A. 29. feint vil laid. A.
laid. VP.
Diese Vermählung und Übergabe geschah am 8. April 12S2.—Am
6. Mai desselben Jahres bestätigte Papst Innocenz IV., um ja diese
Herzogthümer nicht in die Hände des Hohenstaufen Konrad gelangen
*) Ich verdanke die Textberichtigung unserm verehrten Herrn Präsidenten,
dem Herausgeber des „Seifried Helbling.”
444
Joseph Chmel.
zu lassen, dieser Margaret!), (und implicite ihrem jungen Gatten Otto
kar) ihr Erbrecht. Er beauftragt die Bischöfe von Freising und
Seekau, alle Beeinträchtiger desselben durch die geistlichen Strafen
abzuschrecken (im Anhänge bei Rauch, 111. Band, Nro. X).
Wir sehen also, dass Ottokar, der neue Herr des Landes, sich
allerdings um einen Rechtstitel beworben habe, dass er sich das Land
nach allen Seiten sichern wollte.
Was lässt sich nun aus dieser so eben angeführten Stelle der
Ottokarischen Reimchronik schliessen?
1. Die Königinn Margarethe übergab ihrem Gemahl Ottokar von
Böhmen eine Handfeste in Gegenwart der angesehensten Zeugen.
2. Diese Handfeste hatte eine goldene Bulle.
3. In dieser Handfeste mit Gold, die sie vom Reich batte, stand
ausdrücklich, dass sie Erbe von Österreich und Steier sein sollte,
wenn ihr Bruder ohne Erben abgehen (verderben) sollte.
4. Margarethe übergab nach Vorlesung des Inhalts ihrem Gemahl
eigenhändig Handfeste und Land.
5. Die dabei gegenwärtigen und die darum wissenden Leute
„vil witzig” Männer hotften, ihrGemahlwerdediesesGesclienk„Hand
und Land” in Ehren halten und Margarethe werde gute Tage haben
bei ihrem Gemahl.
6. Sie wurden aber enttäuscht, denn nach zehn Jahren wurde
Margarethe von ihrem ihrer überdrüssig gewordenen Gemahl ver-
s t o s s e n, aber das Land gab er nicht mehr zurück.
7. Und nicht bloss Margarethe sondern auch die andere Baben-
bergerinn Frau Gertrud wurden den Wobldenkenden (das heisst den
Altösterreichern, babenbergisch Gesinnten) entrissen.
Man sieht, dass der Chronist nicht klar und seiner Sache sicher
gewesen, er hat eine c o n f u s e Ansicht. —
Was ist das für eine Handfeste, in der Margarethe (als älteste
Tochter eines Babenberger Herzogs) das Erbrecht hat, wenn ihr
Bruder ohne Erben abgeht ? Vermög welcher sie mit ihrer
Hand auch die beiden Herzogthümer ihrem Gemahl übergeben
kann.
Ist es das „Minus,” dessen Inhalt wir bereits erörtert haben?
Sollte dieses „Minus” auch eine goldene Bulle gehabt haben,
was nicht wahrscheinlich, so stimmt doch nicht der Inhalt mit diesen
Folgerungen. —
Hypothese über den Ursprung des Privilegium majus von 1150. 44b
Nach dem Minus müssen die Erben „indifferenter filii et filiae”
das Herzogthum als Lehen vom Reiche empfangen, nach dem Minus
könnte Margareth nicht verfügen über das Land, es einem andern
übertragen.
Wohl aber nach dem Inhalte des „Majus,” wie wir gleich sehen
werden.
Ich schliesse mithin ganz consequent:
9. Der Reimchronist hat eine obwohl confuse Idee von einer
Urkunde mit goldener Rulle, welche nur das „Majus” sein kann.
Der Chronist Ottokar ist mir zwar kein positiver Gewährs
mann für Facten aus der M itte des dreizehnten Jahrhunderts, wöhl
aber kann ich aus ihm lernen, was zu seiner Zeit bereits existirt
haben müsse ‘). — Wir werden bald sehen, dass das „Majus” noch
bessere Dienste leisten musste.
König Ottokar II. verstiess die kinderlose Margareth und wählte
eine andere Gattinn; von Rechtswegen hätte er nun das Erbe der Mar
gareth , die Herzogthümer Österreich und Steiermark, herausgeben
sollen, wenn sie ein schlagendes unbestrittenes Recht darauf gehabt
hätte, das hätte sie aber, wenn das sogenannte Majus echt wäre.—
Nun aber lässt er sich von dem römisch-deutschen Könige
Richard das Jahr nach Margarethens Verstossung zu seiner
Sicherheit die beiden Herzogthümer Österreich und Steiermark
als Reichs leb en verleihen; es heisst in der bei Schrotte r
(1. Abhandlung: „Über die österreichischen Freiheitsbriefe”)
Seite 96, Beilage 11, abgedruckten Urkunde König Richard’s nach
Erwähnung der Belehnung mit Böhmen: „Nos te pro tuae devo-
„tionis meritis plenius et insignius honorare volentes, tibi et fürs
„legitimis haeredibus, qui tibi in bonis feudalibus secundum jus et
„constitutionem sacri Imperii de jure poterunt et habebunt succedere
„pro nobis et successoribus nostris Itnperatoribus et Regibus Roma
nnorum illos tuos nobiles Prineipatus Ducatum videlicet Austriae et
„Marchionätum Styriae ad man um Imperii et nosträm de
„jure liliere devolutos cum oinnibus feudis ad dictös düos
„Prineipatus pertinentibus ab Imperio debitis et consuetum tetiefi,
„integraliter et simpliciter in feudum concedimus et d'onamus,
*) Oder ist etwa der Reimchronist Ottokar auch von Herzog Rudolf IV. unter
schoben 1
446 J o s e p h C h in e 1.
„tibique et legitimis tuis heredibus, quemadmodum est praescrip-
„tum jure et titulo feudali perpetuo possidendos” — Aachen am
9. August 1262.
König Richard hält also auch, wie Kaiser Friedrich II., die Her-
zogthümer für erledigt und heimgefallene Reichslehen; er aner
kennt kein Erbrecht der weiblichen Glieder des Hauses Babenberg,
die von der Königinn Margareth damals übergebene Urkunde wird
nicht beachtet. — K. Ottokar 11. hat jetzt einen andern Rechtstitel.
König Ottokar II., der als echter Politiker nach allen Seiten hin sich
sein usurpirtes Besitzthum sichern wollte, hatte jedoch sein Augen
merk stets auf die Glieder des Hauses Babenberg gerichtet, er verlor
sie nicht aus den Augen. Gefährlich konnte ihm jedenfalls ein
männlicher Sprosse einer Babenbergerinn werden.
Ein solcher war der Sohn seiner Schwägerinn, der Herzoginn
Gertrud aus ihrer zweiten Ehe mit dem Markgrafen Hermann vonBaden,
jener unglückliche Freund und Schicksalsgenosse des letzten Hohen
staufen Konradin — Friedrich von Österreich. —
Sein Interesse verband sich mit dem des Papstes, gleichwie
dieser den letzten Sprössling eines verhassten Geschlechtes bis zum
Untergang verfolgte, so ruhte König Ottokar nicht, bis auch der
Babenberger Abkömmling beseitigt war.
Diese Ansicht von König Ottokar’s Handlungsweise spricht
Ottokar Horneck im XXXI. Capitel seiner Reimchronik (H. Pez. SS.
Rer. Austr. III, pag. 41) deutlich aus:
„Wie KunigKarlot Kunig Chunrat und MarkgraffFridreich ent-
hawpt hat.”— (König Karl war unschlüssig, wie er die beiden ge
fangenen Prinzen behandeln sollte.)
Pez 3, 41. 26 Er gedähte und er folde
cap. XXXI. biten unz an rehter wal
ze Rome die Cardinal
einen babeft gewannen.
30 Wes lie danne begunnen,
daz müeße nach lim rate fin.
Die jungen lierren liten pin
mit vanenülTe unz uf den tac,
daz der kriftenheite plilac
Hypothese überden Ursprung des,Privilegium majus von 1156. 447
35 ein bäbeft, der was gar ung'tiot.
Ouch gap dar unibe yrdzez gupt
künic Ottacker der here,
daz diu heraenfere
an der edlen vruht gefchach.
40 Der frumt e% durch den gemach
daz er defter ficherlich
wielte Stire unde Oßernch.
Dar umb frumt er den grözen mein.
Durch boten wart er enein
45 mit dem bäbeft unguot,
daz die herren in ir bluot
der Karlot fuld ertrenken.
Daz lieh der bäbeft liez lenken
ze follien untriuwen
50 mit guol, daz muoz mich riuwen
an unferm geiftlicben vater,
daz er als ein vipper nater
die kriften hecket alfö.
Ich hörte fin wmr felbe unfrö
55 der Karlot, daz ez gefcliach.
Doch fö muofte im wefen gacli,
da er ervollet mit getät
des bäbeft willen unde rät,
ob er fin hulde haben wolt.
60 Da von künic Kuonrät dolt
den tot und markgräf Friderich.
35. gar fehlt A. 37. herre. V. 38. Daz den lierczen Sere. P. 44. Mit Poten.
VAP. vberein. P. 45. Vnd mit dem. AP. 50. Mit guot fehlt. A. mich ymmer
rewen. A. 51. An difen geiftlicben. P. 53. eriften echtet. P. 54. hört er wer
fein felbs. V. er wer fein felben. P. 57. dervult. V. dervolt. P. getet: ret. VAP.
59. wolde : folde. V.
Wir sehen aus dieser Stelle, dass die Meinung von dem Ein
flüsse König Ottokar’sII. auf das Schicksal des unglücklichen Mark
grafen Friedrich zu seiner Zeit eine allgemein herrschende gewesen,
sie hat auch ihren guten Grund; der innigste Anschluss an die rö
mische Curie und die wechselseitige Unterstützung und Förderung ist
ja aus so vielen Schreiben beider Parteien klar naclizuweisen.
Seit König Ricbard’s Tod war König Ottokar’s Benehmen wie
seine Stellung immer unstäter und zweideutiger geworden. — Eine
neue Zeit bereitete sich vor. In Deutschland ward die Sehnsucht
448
Joseph Chrnel.
nach einer besseren und gerechteren Ordnung der Dinge, nach einem
Regiment der Kraft und des Rechtes, immer lebendiger.
König Ottokar, dessen Regiment in seinen Landen besonders
aber in den neu erworbenen immer willkürlicher und drückender
geworden, der im Adel und den geistlichen Reichsfürsten insbe
sondere, die er nach und nach in seinen Gebieten zum unbedingten
Gehorsam und zur Unterwerfung unter seine Herrschaft zwingen
wollte, natürlich lebhafte Opposition fand, ward immer misstraui
scher und argwöhnischer; er liess sich durch seine Leidenschaft
zu den eigenmächtigsten, ja zu grausamen Massregeln hinreissen. —
Dadurch ward seine Herrschaft untergraben, sein Ruf anrüchiger,
seine Macht statt lockender abstossender, ja furchtbarer.
Wir wissen, dass anfänglich die Krone des römisch-deutschen
Reiches dem Könige Ottokar II. angetragen wurde, er verschmähte
sie. Später, als er aus so vielen Anzeigen besonders aber aus der
Haltung der Kirche und des neuen Papstes (Gregor X.) die höhere
Bedeutung erkannte, welche das neue weltliche Oberhaupt der deut
schen Nation erhalten sollte, da der Papst einen kräftigen Kaiser
wünschte, bewarb er sich um die Wahlstimmen der Reichsfürsten.—
Er fand keine Geneigtheit mehr.
Graf Rudolf von Habsburg ward gewählt, trotz K. Ottokar’s Wider
spruch. — Als Papst Gregor X. die Wahl, ungeachtet der dringendsten
Gegenvorstellungen der nachdrücklichsten und mannigfachsten Ge
genminen bestätigte, ward Ottokar’s Stellung immer bedenklicher.
Anfänglich Mitbewerber, ward er nach der erfolgten Anerken
nung (26. September 1274) durch seinen Widerstand gegen den
nunmehr rechtmässigen deutschen König Untreuer — Rebell. —
Der nun anerkannte König Rudolf trat jetzt kräftig auf, seine
Haltung gegen König Ottokar ward eine entschiedene, er zog den
widerstrebenden Inhaber so vieler und so bedeutender Reichs
lehen zur Rechenschaft.
Wenige Wochen nach der päpstlichen Anerkennung hielt König
Rudolf seinen ersten Hoftag zu Nürnberg (Martini- 1274,
11. November). Er legte den dort versammelten Reichsfürsten sein
Verhältniss dar, er drang auf ihre Entscheidung; sie sollten bestim
men, was sein Recht sei, was der widerstrebende Böhmenkönig'
ihm gegenüber zu erfüllen, was im Falle des Ungehorsams zu —
gewärtigen habe.
Hypothese über den Ursprung des Privilegium majus von 1156. 449
Die vier ersten Puncte des Nürnberger Reichsabschiedes („in
sollempni curia” beschlossen) beziehen sich auf König Ottokar II., wir
wollen sie mit den Worten Bö hm er’s (Regesten K. Rudolfs, zweite
Umarbeitung, Nr. 132, Seite 66) hier anführen: Es ward nämlich
beschlossen:
1. Dass der Pfalzgraf Richter (iudex, natürlich im dama
ligen Sinne des Wortes) ist, wenn der König Klagen gegen einen
Fürsten anbringen will.
2. Dass der König von allen Gütern, welche Kaiser Friedrich
schon vor seiner Excommunication besessen und von sonstigen
heimgefallenen aber (oder) gewaltsam occupirten
Reichsgütern Besitz ergreifen möge.
3. Dass jeder Vasall, der binnen Jahr und Tag seine Lehen
nicht muthet, derselben verlustig sei.
4. Dass der Pfalz graf den in diesem Falle befindlichen
König von Böhmen auf den 23. Januar (vom 20. November —
der Reichsabsehied ist vom 19. November datirt — 6 Wochen,
3 Tage und noch 18 Tage) des folgenden Jahres 1275 nach
Wirzburg vor sich laden solle.
So viel aus der Geschichte und nun zum Inhalte des so
genannten „Majus” vom Jahre 1156.
Es existirt nämlich eine Pergament-Urkunde mit angehängter
goldener Bulle von demselben Tage (17. September 1156), welche
im Eingänge, in der Erzählung der Veranlassung, Beilegung des
Streites zwischen beiden Heinrichen (H. Jasomirgott u. H. d. Löwen),
und im Schlüsse (his auf sechs Zeugen) mit der früher angeführten
Urkunde dem sogenannten „Minus” übereinstimmt, aber in Betreff des
Inhaltes eine ganz andere ist, ja in den meisten Dingen das Gegentheil
beurkundet, so dass die Behauptung einiger Diplomatiker, das Minus
sei gewissermassen ein Entwurf des „Majus” gewesen, durchaus
absurd ist.
Wir haben beim „Minus” gesehen, dass es eine persönliche
Gnade für den nachgiebigen Jasomirgott gewesen.
ln dem sogenannten „Majus” hingegen werden die auffallendsten
Gnaden und Bevorzugungen nicht bloss dem besagten Heinrich,
seiner Gemaldinn Theodora und ihren Kindern, sondern auch den
Nachfolgern, ja dem ganzen Lande ertheilt, angeblich nach
dem Rathe und mit Einwilligung der Fürsten des Reiches, als „jura
Sitzb. (1. phil.-hist. CI. VIII. Bd. V. Hft.
33
450
Joseph Ohme 1.
plena et perpetua.”— Das Land wird genannt „clippens et cor sacri
Romani imperii.”
Der Herzog von Österreich ist nicht etwa wie im „Minus zu
beschränkten Leistungen gegen das Reich verpflichtet, sondern
beinahe zu gar nichts. „Primo (jnidem heisst es, „quod dux
Austriae quibussuis subsidiis seu serviciis tenetur, nec esse
debet obnoxius sacro Romano imperio, nec cuiquam al-
teri, nisi ea de sui arhitrii fecerit libertate von
seinem freien Willen hängt es ab, was er für das Reich leisten wolle,
ein einziger Fall ist vorgesehen, der beinahe einer Ironie gleich
sieht und einem spöttischen Seitenblicke auf ein Land, das eben
keiner grossen Anstrengung bedürfe, um unterworfen zu werden,
„eo excepto dumtaxat” heisst es nämlich, „quod imperio servire tene-
„bitur in Ungariam duodecim viris armatis per mensem unum sub
„expensis propriis, in eius rei euidenciam, ut princeps imperii dinos-
„catur” *).
Zum Empfang der Lehen braucht sich der Herzog gar nicht zu be
mühen, nicht er muss dem deutschen Reichs-Oberhaupte nachziehen,
sondern dasselbe ihm. — „Nec pro eonducendis feodis requirere
„seu aceedere debet imperium extra metas Austrie,
„verum in terra Austrie sibi debent sua feoda conferri per imperium
„etlocari.” — Also von einer Ritte, von einer Gnade ist keine Rede, die
Lehen müssen ihm ertheilt werden. — Man kann sie ihm nicht
verweigern, „quod si sibi denegaretur, ab imperio requirat et exigat
(er fordere sie) „litteratorie trina vice, quo facto iuste sua possidebit
„feoda sine otfensa imperii, ac si ea corporaliter condu-
„xisset.” — Von dem gewöhnlichen Termin, binnen Jahr und
Tag, wie in dem Nürnberger Reichsabschiede Artikel 3 ebenfalls er
klärt ist, widrigenfalls das Lehen verfallen sein soll, also keine Rede.
Im „Minus” wird der „Dux Austrie” verpflichtet, sich an den
Hoftagen einzufinden, welche in Raiern gehalten werden.
t) Bekanntlich war unter Ottokar zwischen Böhmen und Ungern fast immer
Hader und Zwist, wo nicht offener Krieg; nicht bloss Rivalität, sondern Hass
und Verachtung erfüllte die Herzen. Zum Sturze Ottokar’s halfen die Ungern
getreulich und mit grösstem Eifer. — An Seitenhieben auf den ungrisclien
Charakter fehlt es namentlich in den Briefen Ottokar’s nicht, deren Concipist
der Notar Henricus de Isernia gewesen, s. Do llin er’s Cod. epistolaris.
Hypothese über den Ursprung des Privilegium majus von 1156. 4S I
Im „Majus ’ heisst es aber: „Dux eciam Austrie non tenetur
„aliquant curiam aecedere edictamper Imperium seu quem-
„vis alium, nisi ultro et de sua fecerit voluntate.” — Er kann
also gar nicht citirt werden! — Das Nichterscheinen ist kein
Ungehorsam! —
Nach dem „Majus 1 ' hat das Reich mit dem Herzog von Öster
reich gar nichts zu schaffen. — Er ist der Herr! jedenfalls der
Oberherr in seinem Lande.—
„Imperium quoque,” heisst es, „nullum feodum habere
„debet Austrie in ducatu; si vero princeps aliquis vel alterius status
„persona nobilis vel ignobilis cuiuscumque condicionis existathaberet
„in dicto ducatu possessiones ab ipso (nämlich dem Reiche) jurefeo-
„dali dependentes, has nulli Iocetseu conferat, nisi eas prius eondu-
„xerit a duce Austrie memorato; — cuius contrarium si fecerit,
„eadem feoda ad ducem Austriae devoluta libere sibi ex tune jure
„proprietatis et directi dominii pertinebunt, principibus
„ecclesiasticis et monasteriis exceptis dumtaxat in hoc easu.” Der
Herzog soll also Reichslehen in seinem Herzogthume, wenn sie nicht
von ihm empfangen werden, eonfisciren können, das Reich ist
unter ihm, das klingt wie Hohn! —
„Preterea,” heisst es weiter unten, „quidquid dux Austrie in
»terris suis seu districtibus suis fecerit vel statuerit, hoc im-
„perator neque alia potencia modis seu viis quibus-
„cumque non debet in aliud quoquomodo in posterum
„commutare.” — Der Herzog ist also an die Gesetze des Reiches
nicht gebunden, das Reich hat über ihn nichts zu verfügen. —
»Dicti ducis institutionibus in ducatu suo Austriae
»est parendum.”
„Si quis in dicto ducatu residens, vel in eo possessiones habens,
„fecerit contra ducem Austriae occulte vel publice, est dicto Duci in
„rebus et corpore sine gracia condempnatus.” —In diesem Falle sind,
wie es scheint, nicht einmal die geistlichen Personen ausgenommen,
da der Satz ganz allgemein gehalten ist. —
„Cuncta etiam secularia iudicia, bannum silvestrium et feri-
„narum, piscine et nemora in ducatu Austriae debent iure feodalia
»duce Austriae dependere.” —
Auch die kaiserlichen Kammerknechte, welche dem Kaiser Vor
behalten sind, die Juden, sind dem Herzoge von Österreich anheim-
32 *
452
.1 oseph Chme 1.
gestellt, „et potest in terris suis omnibus teuere Judeos et usurarios
„publicos quos vulgus yocat gawertscliin, sine imperii molestia et
offensa.” — Das heisst, das Reich soll ihn desshalh nicht beunruhigen.
Das Reich ist verpflichtet, dem Herzog von Österreich gegen alle
Widersacher beizustehen und ihn gegen alle Rechtsverletzungen zu
schützen.— „Imperium dicto duci Austriae contra omnes iniuriatores
„debet auxiliari et succurrere quod iusticiam assequatur.”— Obgleich
er selbst zu gar nichts verpflichtet ist! —
Es folgt nun ein Artikel, der zu den auffallendsten gehört, und dem
bisherigen deutschen Staatsreeht schnurgerade entgegengesetzt ist.
5. „Eciam debet dux Austriae de nullis oppositionibus vel ob-
„jectis quibuscunque nee coram Imperio nec aliis quibuslibet, cui-
„quam respondere nisi id sua propria et spontanea facere voluerit
„voluntate, sed si voluerit, unum locare poterit de suis vasallis seu
„homolegiis et coram illo secundum terminos prefixos parere potest
„et debet iusticie complemento.” — Das ist der Gegensatz der
Artikel 1 und 4 des Nürnberger Abschieds, zwischen König und
Fürsten ist der Pfalzgraf Richter. — Selbst der mögliche Fall einer
Herausforderung zum Zweikampfe ist vorgesehen *)•
„Insuper potest idem dux Austrie quando inpugnatus fuerit ab
„aliquo de duello per unum ydoneum non in enormitatis macula re-
„tentum vices suas prorsus supplere, et illum (den Stellvertreter)
„ipsa eadem die seu princeps vel alius quisquam pro alicuius nota in-
„famie non potest impetere nec debet inpugnare.” — Sehr vor
sichtig 2 ).
*) Der allerdings bei einem so ritterlichen Gegner, wie Rudolf von Habsburg
war, nicht ganz unwahrscheinlich gewesen. — So wie noch mehrere hundert
Jahre später Karl V. und Franz I. ihre Sache persönlich auskämpfen wollten.
*) Nicht als ob es König Ottokar II. an persönlichem Mutli gefehlt hätte,
o nein, den zeigte er ja im letzten Kampfe gegen seinen Gegner, aber da
mals erfüllte ihn noch ganz und gar der Hochmuth. — Er, der geborne
Königssohn, sollte mit einem Grafen kämpfen ! — Er verachtete diesen arm
seligen Grafen zu sehr, um ihn als ebenbürtig anzuerkennen. „Nec eum
dignaretur vocare regem (heisst es in der Fortsetzung des Magnus
Reichersbergensis, in der Handschrift der Universitätsbibliothek zu Gratz.
Böhmer’s briefl. Mittheilung), sed fratrem Rudolfum cum c a p u t i o
(Pfaffenkönig nannten ihn Andere) vel com item simplicem Ru
dolf um.’’ —
Hypothese über den Ursprung des Privilegium majus von 1156. 453
In Betreff der Erbfolge lind des Nachlasses enthält das Majus
folgende vom Minus ganz abweichende Artikel.
„Et si (juod deus auertat, Dux Austriae sine herede filio decederet
„idem ducatus ad seniorem filiam quam reliquerit devoluatur.”
Wozu der Ausdruck „ad seniorem filiam” — warum nicht die
weibliche Erbfolge überhaupt aussprechen? —
Deutet diese Beschränkung nicht offenbar an, dass ein gewisses
Verhältniss diesen Artikel dictirt habe? es sollten dadurch die Söhne
der jüngeren Schwester Constantia, Markgräfinn von Meissen, jeden
falls von der Erbfolge ausgeschlossen werden. — Margaretha war
also nach diesem die alleinige Erbinn! — Nach ihrem Tode hätten
die Abkömmlinge der Constantia, ihrer Schwester, Erbgerechtigkeit
gehabt, wollte man dem Minus eine gezwungene Auslegung geben.
Dieser Artikel stellt eine Fabrication dieses Majus durch Her
zog Budolf IV. vollends als unmöglich heraus.
Der zunächst darauffolgende Artikel *) spricht die Einheit und
Untheilbarkeit des Herzogthums Österreich aus, das nicht unter meh
rere Söhne des Herzogs vertheilt werden soll, sondern immer nur dem
älteren erblich zufällt; es ist dieser Artikel ein Seitenstück des
vorhergehenden und sollte denselben wahrscheinlicher machen. Das
„indifferenter filii et filiae” des „Minus” wird dadurch ganz be
seitiget.”
Es folgt nun ein Artikel 3 ), der ganz auffallend die Willkür
seines Ursprunges beurkundet und die Unechtheit an der Stirn trägt,
aber er ist nur einem solchen Individuum zuzuschreiben, das gegen
das römisch-deutsche Reichsoberhaupt auch nicht die geringste Rück
sicht zu nehmen gewillt war.
’) Er heisst: „Inter duces Austriae qui senior fuerit dominium habeant dictae
„terrae ad cuius eciam seniorem filium dominium jure hereditario deducatur
„ita tarnen quod ab eiusdem sanguinis stipite non recedat, nec Ducatus Austrie
„ullo unquam tempore diuisionis alicuius recipiat sectionem’’ — Centralisation,
Bildung eines grossen Staates war K. Oltokar’s II. Lieblingsidee! —
2 ) Wir betrachten den Inhalt des „Majus’’ in einem logischen Zusammenhänge,
die Artikel des Documentes selbst sind merkwürdig unter einander ge
worfen, man sieht, dass nicht die Verhältnisse es dictirten, welche zur
Zeit des Datums obwalteten (1156), sondern je nachdem ein Artikel wün-
schenswerth schien, ward er eingeschoben. In einem wirklich gleich
zeitigen Documente wäre die Ordnung eine ganz andere.
454
Joseph Chme 1.
Im „Minus”, haben wir gesehen, war dem Herzog gestattet wor
den, im Falle der gänzlichen Kinderlosigkeit, seinen Nachfolger
vorzusclilagen („affectandi”). Mit einer solchen Auszeichnung
sich nicht begnügend, musste der Artikel lauten: (14) „Dux Austriae
„donandi et deputandi terras suas cuicumque voluerit habere
„debet potestatem liberam, si quod absit sine heredibus liberis de-
„cederetnec in hoc per imperium debet aliqualiter im-
„pediri.”-—Nicht einmal ab weisen dürfte der Kaiser-—allenfalls
einen ungeeigneten Erben.
Das ist ein Übermut!), der nur dem gleich sieht, welcher in
der nächsten Zeit bereits auf den Krieg gefasst ist.
Bisher ist der von uns näher untersuchte Inhalt des „Majus”
gewiss nicht „läppisch” wie ihn Böhmer ganz ungeeignet bezeichnet,
das sind keine Kleinigkeiten, Erbärmlichkeiten—Lappalien, es
handelt sich um das möglichst grösste — um eine Art von gänz
licher Unabhängigkeit, man kann den Inhalt viel eher „anmassend”
nennen.
Es folgen nun ein paar Artikel, welche Herrn Böhmer auf seinen
eben nicht treffenden Ausdruck gebracht haben dürften.
Sie betreßen die Feierlichkeit der Belehnung des Herzogs
und den Platz, welchen er bei feierlichen Gelegenheiten zur Seite
des Reichs-Oberhauptes einnehmen soll.
II. „Dux Austriae principali amictus veste superposito ducali
„pileo eircumdato serto pinnito baculum habens in manibus equo as-
„sidens et Insuper more aliorum prineipum imperii conducere ab im-
„perio feoda sua debet.”
Dass im Mittelalter Feierlichkeiten so wie späterhin bis in
unsere Tage das Ceremoniell eine grosse Rolle spielten, ist zu
bekannt, um hier näher besprochen zu werden, — Dass dabei viel
Übertreibung, ja auch mitunter kleinlicher und „läppischer” Sinn sich
kund gab, besonders in späterer Zeit (im 17. und 18. Jahrhunderte
wohl noch mehr als im 12. und 13.), wollen wir gerne zugeben.
Aber wir protestiren in diesem Falle gegen die Bezeichnung
„läppisch.”
Bedeutung haben Cerernonien und gewisse Auszeichnungen in
Kleid und Platz jedenfalls. Was ist denn darin „Läppisches,” wenn
der Herzog seine Lehen auf eine Weise empfängt, die ihn vor vielen
Andern auszeichnet? — Ich finde in diesem Artikel vielmehr das
Hypothese über den Ursprung des Privilegium majus von 1156. 455
Bestreben, seine Würde geltend zu machen, und es ist mir ein Beweis
mehr, dass die Urkunde einen König im Äuge hatte, der bei dem Em
pfange seiner herzoglichen Lehen, die jedenfalls nicht in Gemein
schaft mit den königlichen empfangen werden konnten, einer beson
deren Auszeichnung gemessen sollte. —
Zudem war ja bekanntlich Kaiser Friedrich II. Willens, die Her-
zogthümer Österreich und Steier zu einem Königreich, die Herrschaft
Krain zu einem Herzogtlium zu erheben, der Entwurf zur diesfäl-
ligen Urkunde findet sich in Petri de Vineis Concepten- und Brief-
Sammlung und kann nicht als unterschoben angefochten werden 1 ),
wollte man auch das Privilegium des römischen Königs Heinrich vom
Jahre 1228' J ), das allerdings nicht unanfechtbar ist, beseitigen, mit
seinen Auszeichnungen, worunter der Lehenempfang zu Pferde. Der
Pileus circumdatus serto pinnito hat vermuthlich in der böh
mischen Kopfzierde seine Veranlassung.
Auch der dreizehnte Artikel: „Si quibus suis curiis publicis im-
„perii dux Austriae presens fuerit vnus de palatinis archidu-
„cibus est censendus et nichilominus in consessn etincessuad latus
„dextrum imperii post electores principes obtineat primum locum”
sollte die Bedeutung des österreichischen Fürsten hervorheben. —
Die Einwendung, eine solche Auszeichnung brauchte Ottokar nicht,
der ohnehin als König von Böhmen einer der Wähler, sie deute
also auf den rangsüchtigen Hei^og Budolf, ist wohl unstatthaft. —
Der Zweck des Privilegiums war, die Vorzüge des österrei
chischen Fürsten hervorzuheben und -zu vergrössern; zu Ottokar’s
Zeit waren die Wähler und ihr Rang bereits gesetzlich, der
österreichische Fürst war nicht unter ihnen.
Man hat diese Stelle als die Echtheit des „Majus” schlagend
vernichtend erklärt und zugleich auch daraus schliessen wollen,
das Majus sei erst nach der goldenen Bulle Karl’s IV. (von 1356)
fabricirt worden, um sich für die Ausschliessung von der Zahl der
Wähler gleichsam schadlos zu machen.
Ich halte dies für unmöglich. — Nicht Karl IV. hat die Chur
fürsten creirt, nicht er hat Österreich ausgeschlossen. Mag man
*) Siehe Schrott er’s Abhandlungen I, Beilage Nr. XXI, S. 155.
z ) Abgedruckt ebenfalls bei Schrötter I, Beilage Nr. XIX, S. 147. Das Origi
nal (7) dieser Urkunde wird im k. k. Haus- und Staatsarchive aufbewahrt.
Joseph Ohmei.
45«
auch den Ursprung der Churfürsten nicht genau nachweisen können,
so viel ist gewiss, dass bereits im dreizehnten Jahrhunderte die
Wählerberechtigung eine beschränkte war, welche als altes Recht
galt. Österreich war nicht unter diesen Berechtigten.—
Auch dem König von Böhmen ward gerade bei der Wahl Rudolfs
die Wählerberechtigung streitig gemacht,. — Mir ist diese Stelle also
ein Beweis mehr, dass der Fabricator des „Majus” bei Anführung dieser
Auszeichnung, Anweisung nämlich des ersten Platzes
nach den Chur fürsten, dem österreichischen Herzoge den
Vorzug vor allen übrigen deutschen Reichsfürsten (die nicht Chur-
fiirsten seien), sichern wollte. — Wäre die Churfürstenwürde Böh
mens nicht streitig gewesen, hätte der Fabricator vielleichtauf
diesen Artikel nicht gedacht! —
Ich halte mithin den Inhalt des „Majus” auch in dieser Bezie
hung nicht für „läppisch,” wohl aber für durch und durch „be
rechnet; jeder Artikel, jedes Wort hat seine Veranlassung, seinen
guten Grund und ich finde diese Gründe inOttokar’s Verhältnissen,
in seiner Geschichte!
Am Schlüsse setzt der vorsichtige und berechnende Fabricator
noch zwei Artikel hinzu, die durch ihre Allgemeinheit und Ausdeh
nung der ganzen Privilegien-Angelegenheit die Krone aufsetzen.
15. „Prefatus quoque ducatus Austriae” heisst es „habere debet
„omnia et singula jura privilegia et indulta que obtinere reliqui
„principatus imperii dinoscuntur.” —
Also eventuelle Berechtigungen! — Er soll keinem andern nach
stehen , was immer für Fragen auftauchen, was immer für Gerecht
same dem Reichs-Oberhaupte abgerungen werden könnten, er soll
und will seinen Theil daran haben.
Und 16. „Volumus etiam ut si districtus et diciones dicti du-
„catus ampliati fuerint ex hereditatibus donacionibus emp-
„cionibus deputacionibus vel quibussuis aliis deuolueionum suc-
„cessionibus (man beachte diesen Ausdruck wohl) prefata jura
„privilegia et indulta ad augmentum dicti dominii Austriae plenarie
„referantur.”
Die ganze Summe aller hier aufgeführten ganz absonderlichen
der Geschichte wie dem bisherigen deutschen Staatsrechte wider
sprechenden Gerechtsame des neuen Herzogs von Österreich
geht auf alle Erwerbungen und jeglichen Zuwachs über, — Der Com-
Hypothese über den Ursprung des Privilegium majus von 1156, 45 I
p lex jener Lande, welche der Herzog von Österreich durch was immer
für Veranlassungen in sich vereinigt, geniesst alle hier aufgeführten
Gerechtsame.
Wenn also der Sohn des Königs von Böhmen (sein Erbe), durch
das Glück begünstigt, die ältere Erbtochter des vorletzten Baben
bergers, welche (diesem „Majus” zu Folge) das ausscliliessende Beeilt
auf die beiden Herzogtümer Österreich und Steiermark hatte, hei
ratet; diese bei der Hochzeit ihm nebst ihrer Hand auch ihr Erbe
schenkt, das er als geschenkt nicht mehr zurückzugeben braucht,
selbst wenn er diese ältere Erbtochter nicht mehr um sich haben
will sondern sie verstösst, wenn dieser (undankbare) Gatte, der seit
dem Tode seines Vaters König von Böhmen, Markgraf von Mähren,
später Herzog von Kärnten (auch durch Schenkung und Devolu
tionen) Herr vonKrain u. s. vv. geworden war, ein sehr bedeutendes
umfangreiches Länder gebiet zusammengebracht hat, so geniesst
sein Bei ch aller der Vorth eile und Vorzüge, welche laut
einer aufgetauchten Urkunde vom 17. September 1156 von Kaiser
Friedrich I. dem grossen Hohenstaufen einem deutschen Reichs-
fürsten als Lohn für seine Nachgiebigkeit eingeräumt wurden! —
Das war die A n t w o r t auf den Nürnberger Reichsabschied vom
19. November 1274.
Wäre diese Urkunde mit goldener Bulle echt, so wäre
allerdings König Ottokar II. in seinem vollen Beeilte gewesen. —
Die deutschen Reichsfürsten und ihr Oberhaupt, der eben so gerechte
als kluge und vorsichtige Rudolf von Habsburg, hätten die grösste
Ungerechtigkeit begangen, auf Herausgabe der heimgefallenen Lande
Österreich und Steiermark zu dringen, ja sie durften nicht einmal den
Besitzer citiren, er wäre nicht bemüssigt gewesen, seine Lehen
vom Reiche ausserhalb seines Gebietes zu empfangen! —
Wenn man also das Verfahren gegen Ottokar von Seite des Rei
ches und seines würdigen Oberhauptes, des gerechten Rudolf von
Habsburg, nicht als ungerecht brandmarken soll, kann man die
Echtheit des „Majus” nicht zugeben, das ja ohnehin durch innere
wie äussere Kennzeichen verurtheilt ist. — Diplomatische Samm
lungen (Codices) des dreizehnten Jahrhunderts kennen es nicht, sie
haben alle das „Minus.”
Sein Inhalt widerspricht der Geschichte und allen bisher be
kannten deutschen staatsrechtlichen Verhältnissen im zwölften
458
Joseph Chmel.
Jahrhunderte. — Seine äussere Form ist zwar täuschend, es ist
mit grossem Geschick diese Urkunde gemacht, man sieht jedoch bei
näherer Untersuchung das Mühsame und Gesuchte in den Schriftzügen,
viele Buchstaben sind nicht mit Unbefangenheit so hingeschrieben,
wie gewöhnliche unbefangene Notare sie mit Sicherheit durchführen;
man bemerkt auch Schreibfehler, wie zum Beispiele mehrere Male
statt quibusuis, quibus suis (in zwei getrennten Worten); einen noch
bedeutenderen sehr wichtigen werden wir weiter unten anführen.
Wir fragen aber nun, dieses „Majus,”das seinem ganzen Inhalte
nach und der augenfälligen Veranlassung zu Folge nur auf König
Ottokar II. und seine Verhältnisse im Jahre 1274 bis 1276 passt,
kann das in der zweiten Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts
gemacht sein und auf Veranlassung Herzog Rudolfs IV. von
Österreich ?
Es ist mir wirklich ein Räthsel, wie eine solche Ansicht ernstlich
Wurzel fassen konnte. —
Man sieht ja, dass es sich hier wahrlich nicht um Lappalien, um
Nebendinge, etwa um Titel und Helmzierde, um Rang und Ehrenplatz
handle.
Eine solche Urkunde, mit d iesen Ansprüchen konnte nur
jemanden in Sinn kommen, der allenfalls auch gewillt war, sie mit
gewaffneter Hand geltend zu machen. —
Für K. Ottokar war diese Urkunde jedenfalls ein (nicht un-
g lücklicher) Versuch, seiner Stellung eine rechtliche Basis
zu geben.
Ich sage geflissentlich, ein„nicht unglücklicher Versuch,”
denn gelang es ihm auch nicht, seine Zeitgenossen, seinen Herrn
und König und die deutschen Reichsfürsten, seine Richter, zu täu
schen — die Nachkommen, darunter ganze Generationen von Ge
lehrten und Diplomatikern, wurden irre geführt. Die Frucht
dieser Unterschiebung haben Ottokar’s Nachfolger in den Herzog-
tlnimern geerndtet.
Ehe wir aber diese unbegreifliche Meinung, Herzog Rudolf IV.
habe dieses „Majus” erfunden und zur Behauptung seiner eitlen
Ansprüche geltend machen wollen, näher prüfen und nicht bloss ihre
Unwahrscheinlichkeit sondern ihre Unmöglichkeit nach
zuweisen suchen, müssen wir wieder, wie zuvor, die Geschichte zu
Rathe ziehen.
Hypothese über den Ursprung des Privilegium majus von 1156. 459
Durch den Nürnberger Reichsabschied vom 19. November 1274
war König Ottokar II. vor den Pfalzgrafen, seinen Richter, citirt
worden. Rekanntlich erschien er nicht seihst, sein Gewaltbote Bi-
schof Bernhard von Seckau benalnn sich so, dass es sich heraus
stellte, er wolle nicht so viel seinen Herrn vertheidigen, als viel
mehr das neu gewählte römisch-deutsche Reichs-Oberhauptundseine
Wähler, die Churfürsten selbst, anklagen und ihre Wahl ver
werfen. — Er musste sich zurückziehen.
Der langmüthige und vorsichtige König Rudolf schickte nach
so vielen vergebliche:'. Aulforderungen und Versuchen den eben so
hochmüthigen als über seine wahre Stellung verblendeten Bölimen-
könig zur Nachgiebigkeit zu bewegen, seinen Freund den Burggrafen
von Nürnberg zu ihm, den er persönlich kannte und wie es scheint
in früherer Zeit gut leiden konnte, um demselben das Ultimatum vor
zulegen, ehe zu den Waffen gegriffen werden sollte.
Höchst anziehend ist die von dem Reimchronisten Ottokar uns
gelieferte Schilderung ihrer Unterredung, die den H a u p t z ii g e n
nach den Charakter innerer Wahrheit trägt; der Chronist schöpfte
offenbar aus guten Quellen, die nachzuweisen freilich von höchstem
Interesse wäre.
Jedenfalls lässt sich die Ansicht der Mitwelt über den Her
gang des grossen Dramas (Ottokar’s Sturz und Ausgang) aus dieser
köstlichen Quelle entnehmen.
Der Burggraf fand den Böhmenkönig nicht in Prag, sondern —
in Wien 1 ).
Der Burggraf von Nürnberg stellt dem widerstrebenden Reichs
fürsten und Böhmenkönig vor:
Pez SS. 3 , 124. 9 'Herre, ich bin in diz lant
cap. CXIV. 10 von dem künige gefant
um anders niht wan umbe diu,
daz ich vordem fülle an iu
waz ir dem riebe habet vor.
Daz hörte in fin ör
11. ander niht dann. V. 12. vodern. AP. 14. hoert er in. VA.
') S. H. Pez, SS. Rer. Austr. III, S. 124 — 125. Cap. CXIV—CXVI.
460
Joseph C h m e 1.
15 iwer Lote bifchof Bernliart,
daz dem künie ge Tag et wart
von den vürften gemein,
daz Kernden unde Krein,
dar zno Stire und Oßerrlche
20 und ander guot, dem riche
nach rehtes leben orden
fint ledie worden.
Daz bit man iuch wider geben,
wan die wil man bl dem leben
25 den keiljgr Friderlchen fach,
dd liet der graf von Ach
von des riches wegen
diu lant in finen phiegen,
fö daz lie iuwer niht enfint.
30 Nu fult ir äne underbint
diu lant e verkiefen,
dan des riches huld verliefen.
Ouch hiez man mich iu fagen,
daz die fürften fere von iu klagen,
35 daz ir daz riche verfmähet,
fö daz ir niht enphähet
iwer lant und iwer kröne’.
15. pot der pifcholf V. 22. hetig find. AV. 23. man Ew wider ze. AV.
30. underwint. AVP. 31. e verliefen. A. 32. e dez, P. verchiefen. A. 33. mich
fehlt. P. 35. verfmecht: einpheclit. AVP.
Der Burggraf spricht nur aus, was die deutschen Fürsten zu
Nürnberg erklärt hatten; die Antwort des Königs Ottokar auf diese
Forderungen ist ganz entsprechend seinen Ansichten:
Der künic fprach 'heizet fchöne
die fürften und den künic varn!
40 Ich bin wol komen zuo den jarn,
daz ich mich verfinne
üf vluft und üf gewinne.
Der vorderung ift ein teil ze vil.
Wenne ich fol, fo wil
45 ich iu gerne wizzen län
waz rehtes ich han
üf alliu difiu lant,
diu ir mir vor habt genant.
40. pin nu wol. A. 42. und gewyn. V. 46. Rechtens. A. Welche recht. V.
47. alle. A.
Hypothese über den Ursprung des Privilegium inajus von 1156.
461
Ez iß wizzenlivh,
50 duz mir uf Ofterrich
min fron, diu künitjin Margret,
diu reht diu ße dar uf het
vor phaffen und vor leien gap.
Also das sein Rechtstitel auf Österreich, Steiermark, Krain
u. s. w., die Schenkung der Margaretha, der filia senior des
vorletzten, der Schwester des letzten Babenbergers!
Von Belehnung durch König Richard keine Rede, sonst müsste
er sich ja auch durch König Rudolf belehnen lassen und das wollte
er nicht — um keinen Preis. — König Ottokar’s II. Recht ist begrün
det nur im „Majus,” in den Artikeln 7 und 14. — Dieses Document
ist sein Hort, sein Schild, aber auch — sein Werk! Er fährt fort:
So fag ich iu daz urhap,
55 wie mir wart Stire under tan.
Mit miner liant ich daz hän
den Ungern abe erßriten,
und han dar umbe erliten
manec angeft unde nöt.
60 Uml) Kernden, als er mir enböt,
daz ift wizzenlich,
daz min oeheim Herzoge Uolrich
und fin vater herzoge Bernhart
mit mir des über ein wart,
65 daz wir mit hantveßen,
nach rät der allerbeßen
die dar zuo künden,
mit ein ander uns verbunden,
welher under uns beiden
70 ab der weit müeße t'cheiden
unde niht erben liez,
fö folt der ander den geniez
haben finer lande,
und fwaz man erkande
75 daz lin wsere gewefen.
Die hantvefte laz ich lefen,
her burkgraf ob ir wellet’.
55. Wie mir daz wart vndertan. P. 64. des fehlt. P. 65. Daz Mir mit. A.
69. Swelher. P. 74. waz. AVP. 77. weit: geveit. AP.
Köstlich ist die Bemerkung des freimüthigen Burggrafen auf
diesen Antrag, er sagt ganz ruhig:
462
Joseph C'hmel.
'Nein, herre, was; mir gevellet,
das; gevellet lilit dem künige niht,
80 du von das, lefen ivcere emvilit,
das; man täte Me %e Wiene’.
81. Wienn: Dienn. V.
Als wollte er sagen: Du hast gut lesen, deine Documente haben
keinen Werth; nicht, Aras Du vorbringst, sondern Avas das Reich
und sein Oberhaupt, der König, genehmigt, ist rechtsgültig. — Be
kanntlich wurde ja das von König Ottokar producirte Testament UI-
1 ich s von Kärnten von K. Rudolf und den Reichsfürsten cassirt, in
Kärnten vorläufig Ulrich’s Brüder Philipp, Patriarch von Aquileja
(bekanntlich früher Nutzniesser von Salzburg), als Reichsvicar be
stellt 1 ).
*) Ich will hier zwei vor kurzem mir bekannt gewordene Documente mittheilen,
deren Originale im Archive des so verdienstvollen historischen Vereines für
Kärnten zu Klagenfurt liegen, welche von Philipp in dieser Eigenschaft (als
Capitaneus perpet'uus in der zweiten, vom 1. Juni 1274) theils ausgestellt,
Iheils bestätigt wurden. — AVie wünschenswert wäre gerade aus diesen
Jahren der Ottokarischcn Regierung (1272—1276) möglichst vollständige
Sammlung aller urkundlichen Spuren und Beweise der Verhältnisse.
1. Ego Lieb ungut de Osterwice tenore prefencium notum facio vniuerfif,
quoil cum inter dominam | meam Gerdrudem venerabilem abbatilTain ecclefie
Sancti Georii et conuentum fuum ex parte una et me ex parte | altera fuper
manli aduocacia in AVilboltfdorf clTet materia quertionir, ego recepto ab ipsa |
talento uno denariorum renunciaui cum confenfu uxorif mee et puerorum
meorum omni iuri, ii quod in dicti | manii aduocacia et in homine qui colit
eum et pueiil fuif michi compettere uidebatur, | ut autem renunciacio mea
robur optineat perpetue firmitatif, prefentem dedi litteram figillo domini |
mei PIulippi ilucatus Karintliie perpetui uicarii eonlignatam. Acta funt liec
apud fanetum Georium Anno, | domini M°. ce°. lxx m prefentibus domino Cha-
lodio P leban0 fancte AValpurge. domino Rudollo ple | bano fancti Georii. do
mino Jacobo de Pircli. Albrico Hertwieo enzone. Perenherdo.
Siegel von weissem Wachs, oval. Stehende Figur mit einem Ölzweig. Um
schrift: (S.) (P)fiILIPPl DEI GUA FER.DIS KARINTHIE ET C . . .
S. Philippi Dei gratia Heredis Karinthie et Capitanei.
Orig. Perg. 1 hängendes Siegel. Historischer Verein (Archiv) in Klagen-
furt.
2. Noi 1 h. dei gratia perpetuut Capitaneuf Karinthie tenore prefentium notum
facimuf vniueilif | , quod cum inter dominam Gerd(rudem) venerabilem abba-
tifTam Monafterii fancti Georii et conuentum fuum | ex una parte et Dietmarum
de Hafnerburch ex parte altera fuper uno manfo in Miefendort | et fuper manfo
Hypothese über den Ursprung des Privilegium majus von 1156. 463
König Ottokar fahrt, fort, indem er die Bemerkung des Burg
grafen fallen lässt:
'So fprecht ir von dem diene,
daz ich dem riche tuon folt.
Ob ich nach folher rede wolt
85 dem künige nach riten,
da* er in fö kurzen %'iten
miner lande an mich gert,
zware fu ivcere ich wol wert,
fwaz mir von im fmcehe
90 daz Swäben gefchcehe
oder bi dem Hin!
88. ich vil wol. AV. 89. Waz. AV. fmech: gefcliech. AVP.
Ottokar will sagen: Ihr sprecht von dem Dienst, den ich dem
Reiche beweisen soll (Lehenempfang), ich sollte dem König nach
reiten dafür, dass er in so kurzer Frist meine Lande von mir ver
langt! Wahrhaftig dann wäre ich ja der Schmach werth, die mir
in Schwaben oder am Rheine von ihm erwiesen würde.
Ich wil hie keime (in,
und der mcer hie ze Wiene biten,
Wil ab ich gen Präge riten,
95 daz tuon ich dne forge\
93. der Mer Ich zu. A. 94. hincz Prag. AV.
altero in Gvmlach queftio uerteretur, ipfo afferente quod in uno Manfo iuf |
proprietatif et in utroque iuf advocacie libi deberet compettere ex antiquo,
illa queftio taliter | extitit terminata, quod ipfe receptif tribus Marcis dena-
riorum a predicta abbatiffa cum confcenfu co | beredum fnorum et puerorum
fuorum renunciavit predictif iuribus tarn in manfif quam eorum incul | tori-
bus ficuf fe habere afferebat, eadem iura ad altare fancti Georii tradendo in
perpetuum poffi | denda. Ut autem premiffa tarn renunciacio quam donacio
robur obtineat perpetue firmitatif, j ad petticionem partium prefentem literam
roboratam noftro figillo dedimus fuper eif. Acta funt | hec aput fanctum vitum
Anno domini M°. cc°. lxx° im 0 . Kalendis Junii, prefentibuf domino Rudolfo |
plebano de fancto Georio. domino Cbaloho plebano de fancta Walpurga.
Albrico de fancto Georio | enzone. Hertwico. Perenherdo et Alberto.
Siegel wie früher.
Orig. Perg. 1 hängendes Siegel. Archiv des historischen Vereines in
Iv 1 a g e n f u r t.
464
.Joseph Chmel.
Der hochmüthige König spielt deutlich genug darauf an, dass
er nach seinen Gerechtsamen (Artikel 2 im „Majus”) zu Hause blei
ben und warten will, bis der König komme, dann will er seben, was
sich thun lässt.
Wien oder Prag ist gleichviel. — Ich bin in meinem Reiche. —
Sieht man nicht ganz klar Ottokar’s Ansicht von seiner Stellung
herausleuchten aus dieser Rede, eine Ansicht, die im „Majus” allein
ihre Rechtfertigung sucht und — findet.
Auch der fernere Verlauf der Unterredung des Rurggrafen ver
dient Rerücksichtigung.
Manec rede karge
hört man von in beiden.
Der künic den erneft fcheiden
begunde mit fchimpfen.
100 Des künde im mit gelimpfen
der burkgräfe antwürten wol *)•
Der künic fprach 'zwar uns fol
niht riuwen unter lange twäl,
die wir beten mit der wal,
105 fit uns die kurherren
an gewalt und an eren,
mich und von Engellant den künic,
mit difein helde frtimic
hänt verbezzert bi dem rieh !'
99. Begunden. V. 102. zwar ich fol. V. 109. verpefsert an dem. A.
Der König Ottokar spottet über die Wahl des „frommen Helden”
Rudolf, auf den die Churherren verfielen, als illustren Nachfolger des
Königs aus England (Richard) und seiner eigenen (in Vorschlag ge
brachten) Person; wahrlich, wollte er sagen, das ist dem Reiche
eine grosse Ehre, nach solchen Notabilitäten einen solchen Mann zu
wählen.
*) Das heisst, der König fing an, den bisherigen Ernst der Rede durch mehr
scherzhaft gemeinte Worte zu mildern, der Burggraf ging darauf ein und
sagte bei dieser Gelegenheit die bittersten Wahrheiten so halb im Scherze,
die aber K. Ottokar, weil er sich nur zu sehr getroffen fühlte, in Zorn ver
setzten.
Hypothese über den Ursprung des Privilegium inajus von 1156. 465
Pcz SS. 3, 125,
cap. CXVI.
1 Von Nuremberc her Heinrich
fprach herre, ich was des bot,
daz iu funder fpot
daz rieh wart angefuocliet
5 und daz ir fin niht geruoehet
zuo der felben zit’.
Der liünic fprach c fö hiet ich fit
daz riche genoinen gern’.
'Nein, ir miiezet fin enhern’
10 der von Nuremberc fprach
'viirbaz und iu gefcliaeh
diu übele und diu unzulit,
daz ir mit grimmes ungenulit
den von Maernberc hiezet toeten
15 und fö maneger inarter noeten.
Und wseret irz her Nero gewesen,
er folte dannoch fin genefen.
3. Daz Euch. AP. 9. Nain er mueft. A. ir muft. P. ich muft. V. 16 und
17 fehlen. V. ir der nero fein gewelen. P.
Man beachte diese Rede Der Burggraf wollte dem König be-
merklich machen, dass in den damaligen Verhältnissen, zur Zeit der
Wahl, welche Ottokar, wie er so eben selbst gestand, auf sich lenken
wollte, das Verfahren gegen den ihm verdächtig gewordenen Mäh
renberger ein grosser politischer Fehler gewesen sei, selbst ein
Nero hätte sich in diesem Falle beherrschen müssen.— Dieser Name
darf nicht überraschen, in der im Mittelalter so viel gelesenen Kaiser
chronik spielt Nero, von dem sie sagt: „der was der aller wirste
(ärgste) man,” eine grosse Rolle; ich zweifle keinen Augenblick, dass
Ottokar, der seit 1273 furchtbar misstrauisch und in diesem Miss
trauen grausam und wüthend geworden war, von seinen Zeitgenossen
wenigstens in den höheren Ständen diesen Schmähnamen erhielt.
König Rudolf sagt in seinem Antwortschreiben an den Erzbischof
Friedrich von Salzburg (bei Lainbacher Urk. S. 88, Nr. LV):
„Turbatur non inmerito nostrne serenitatis animus, et ad iram
„concitamur vehementius, ac tanto justius, quanto te et caeteros sacri
„ImperiiPrincipes et tideles proptertidei puritatem, quam adRomanum
„geris Imperium, gravius per illustris Regis Bohemiae
„rabiosam Tyrannidem perpendimus tribulari.” Er
hatte bereits am 23. November 1274 zu Nürnberg dem Erzbischof
Sitzb. (1. phil.-hist. CI. VIII. Bd. V. Hft.
33
466
Joseph Chmel.
von Salzburg und seinen Suflfraganen volles Recht und die Gewalt
ertheilt zur Abwehr und Gegenwehr gegen ihre Bedränger. Er sagt
in der Zuschrift (Mon. boica XXIXL p. 514. Koch-Sternfeld in s.
„Rückblicken” p. 99, Nr. 8,): „Laborum et persecutionum pressuras
„et angustias, quihus vestra sinceritas propter suae tidei puritatem et
„devotionis constantiam, quibus nos et sacrum Romanum Imperium in-
„cessanter prosequitur, a Bohemica tyrannide injuriose con-
„citatur, amarissimo miserantes affectu vias et modos non desinimus
„exquirere, quihus ipsa vestra sinceritas a tribulationum procellis
„et calamitatum miseriis liberari valeat” . . . Wie nabe ist der
„böhmischeTyrann” dem „Nero.” — Wir bringen vorläufig
in Erinnerung, dass von diesem Nero so wie von dem grössten der
römischen Kaiser Julius Cäsar der „ain vermezen heit aber auch
„ain gut knecht” war, zwei famose Privilegien für das Land Öster
reich existiren, welche Kaiser Heinrich IV. dem grössten Baben
berger Helden, dem Markgrafen Ernst, auf seiner Rückkehr vom
Feldzuge nach Ungern bestätigte, wir werden später auf diese be
rüchtigte Urkunde zurückkommen. — Es galt, den Kaiser „Nero
(Ottokar’s Bezeichnung) zu Ehren zu bringen.
Und nun wieder zu unserem Chronisten:
Ouch wart den vürften kunt getan,
ir hietet zwen hohe man
20 in eim turne heizen hrennen.
Der hörte ich einen nennen,
ich waen den Miffowsere.
Daz wart den fiirften fwsere,
fle jähen, die lierren müezen (in
25 in Swäben und hi dem Rin
ficher folher forgen bürde.
Ob ieman bei'eit würde
in iwer kamer bi der naht
und mit lügen würde bräht
30 in iuwer ungenäd
daz waire ein grözer feliad,
daz man den dar umbe veht
und an alliu reht
liez follier marter töt ligen,
35 als wilent e die heiligen
19. het zwen hoch. A. 20. In ainen Turn. A. 22. Ich wen der. A. 24. muß
ten. A. 26. purd: wurd. AP. 27. gefait. P. 33. alle. A. alle gnad vnd recht.
P. 35. e fehlt AV.
Hypothese über den Ursprung des Privilegium majus von 1156. 4 6 7
umb daz himelriche erliten.
Die vttrften wären in den fiten
und jelient noch entriuwen,
ez hah fie nie geriuwen,
40 und molit mit iu daz riche
al tac tegeliche
ein laut hän erworben,
ez müefte iuwer darben
und ir fin liinwider’,
39. Ez hab euch fere gerawn. P.
Das war eine bittere Lection, wenn auch halb scherzweise vor
gebracht.
45 der kiinic fach nider,
daz houbet im ze täte feie
lange faz er unde fweic.
In duhte ein unfuoc,
daz der burkgräfe gewuoc
50 finer miffetät fö vil.
Er fprach 'her künic, ich wil
mit urloup hinnen keren.
Waz enbiet ir mtnem herren?’
Pez SS. 3, 125. 1 Der künic zorneclichen fprach
cap. CXVI. 'Ich gicli des noch des ich ö jach,
als ichz noch hän gehoeret,
fö belibe ich ungeftoeret
5 von iwerm herren, dunket mich.
Min gewalt hät fö vviten ftricli
beflozzen und bevangen,
daz er wirt enpfangen
als Herman hinz Brandiez,
10 fwenne er durch genicz
vür Wiene kumt ode hinz Präg.
Ich wsere ein verdorben zag,
fwenne ich im zwei follie lande
durch vorlit hinz Swäben lande.
15 als Öfterricli und Stire!
Ez fol e manec gire
ezzennes werden gevröut.
c er mirs abe erdröut
oder halt an betwinge.
48. dewclit daz ein. AV. 52. liaim ehern. A. 53. erpiet. AV. 2. Ich gich
noch daz daz ich. P. 6. to weiten lieh. P. 10. Wenn er. AV. 11. und hincz.
AP. 17. Ezzen. P.
33 *
i
408
Joseph Chmel.
20 Er wsenet im gelinge
als an dem von Bafel.
Icli liän gedaht ze vafel
diliu lant behalten.
Swer der für mich wil walten
25 und werden min nächgebür,
zwäre dem wirt daz für!’
Manegen eit er des fwuor.
Der burkgräf von dannen vuor.
22. ze Nafel. AV. 23. hannd ze behalten. AP. 24. Wer. AVP. 28. danne. A.
Der Ausgang ist bekannt. — Ottokar wurde anfangs genöthigt,
auf die usurpirten Lande zu verzichten und seine Erblande (wie na
türlich) als Reichslehen zu empfangen. Bei Erneuerung des Krieges
verlor er den Sieg und das Leben.
Die Geschichte hat uns also gezeigt:
1. Dass von Seite des Reiches durch Kaiser Friedrich II. nach
dem Tode des letzten Babenbergers mit Aufstellung von Reichs-
vicaren in den erledigten Herzogtümern Österreich und Steiermark
durch König Richard, hei Gelegenheit der Belehnung Ottokars —
endlich durch König Rudolf und die deutschen Reichsfürsten im
Nürnberger Reichsahschiede vom 19. November 1274— aui die un
zweideutigste Weise erklärt wurde, dass man kein Erbrecht dei ba-
benbergischen Familie anerkenne, mithin das sogenannte „Majus
keine echte Urkunde sein könne. —
2. Dass aber in der ganzen Haltung so wie in den Äusse
rungen König Ottokar’s, des Besitzergreifers der heimgefallenen
Reichslande, das augenfällige Bestreben sich kund gebe, seine An
sprüche als Gerechtsame geltend zu machen.
Und nun frage ich, ist das Entstehen des „Majus” durch
König Ottokar und seine Kanzlei wirklich so unwahr
scheinlich? Sollte er wirklich nicht daran gedacht, es auch
gar nicht gebraucht haben?
Es entsteht die Frage, wessen Hülfe bediente sich König
Ottokar bei dieser Production einer tauglichen Urkunde für seine
Zwecke, ja wer brachte ihn vielleicht selbst auf die Idee ?
Ich behaupte, das Werkzeug, ja höchstwahrscheinlich selbst
der Schöpfer des „Majus” ist der bekannte Italiener Ilenricus
de Isernia , königlicher Notar in der Kanzlei König Ottokar s und in
den letzten Jahren ganz besonders mit ihm vertraut.
Hypothese über den Ursprung des Privilegium majus von 1156. 4()9
Ich habe in früherer Zeit zum Behufe meiner geschichtlichen
Forschungen den ganzen von dem verdienstvollen Doll in er heraus
gegebenen „Codex epistolaris Ottocari R. II.” genau studirt und
excerpirt, nicht eine einzige Stelle dieser wichtigen Quelle entgingmir.
Dieser talentvolle Notar Heinrich von Isernia im Neapolitanischen,
der mit widrigen Schicksalen und vielen Schwierigkeiten einen gros
sen Zeitraum seines Lebens hindurch zu kämpfen hatte, der alles
Mögliche in Bewegung setzte, seine Zwecke zu erreichen, und zu
diesem Behufe nicht bloss einflussreiche Empfehlungen suchte, son
dern auch sattsam schmeichelte und intriguirte, wie man aus so man
chen Stellen seiner Briefe und Stylproben nachweisen könnte, war
ein sehr eifriger und gewandter Geschäftsmann, der vor seinen plum
peren und ungebildeten Amtsgenossen sichtbar hervorragte. — Er
wusste die Leute für sich einzunehmen, er schwang sich empor 1 ).
Dieser schlaue und, wie aus allen seinen Concepten hervorgeht,
vielseitig gebildete Italiener war ganz der Mann, in der immer
schwieriger werdenden Stellung seines Herrn Rath zu schaffen, er
hatte die Verhältnisse desselben ganz inne und wusste was Noth
that. —
Seit dem Jahre 1273 war insbesondere die Stellung Ottokar’s
gegen die geistlichen Reichsfürsten, die Bischöfe von Passau, Re
gensburg, Freising, Bamberg, vorzüglich aber gegen den Erzbischof
von Salzburg, die schrofleste geworden; Ottokar wollte Herr werden
in seinem Gebiete, ausser ihm sollte keiner daselbst unabhängig sein.
Er suchte ihre Güter im Lande zu mediatisiren, diese geistlichen
Reichsfürsten waren es ja auch, die König Rudolf um Schutz und
Schirm anriefen, die ihm die kräftigste Hülfe zu Ottokar’s Sturz ge
währten. —
Es galt nun eben, dem Verfahren und den Verhältnissen König
Ottokar’s durch irgend ein Document einen Nimbus von begründetem
*) Es wäre eine interessante, in so mancher Beziehung auch wichtige Aufgabe,
die Concepte und Lucubrationen dieses Italieners, aus denen, wie ich mich
überzeugte, jedenfalls die C ultu r-undSittengeschichte nicht wenigen
Gewinn schöpfen könnte, möglichst vollständig zu sammeln und herauszu
geben ; D ol 1 i n er hat, wie er seihst in seiner Einleitung bemerkt, nur die aui
König Ottokar bezüglichen Briefe mitgetheilt. Das wäre Aufgabe eines jün
geren Forschers!
470
Joseph Chmel.
Recht zu geben und es entstand das erste jener unterschobenen so
auffallenden Privilegien, welche ich diesem Italiener zuschreibe, das
ist nämlich der Freiheitsbrief Kaiser Heinrich’s IV. für den Mark
grafen Ernst von Österreich vom 4. October 1058, in welchem eben
die berüchtigten zwei Privilegienbriefe von Julius Cäsar und Kaiser
Nero inserirt sind, die hier zum erstenmale auftauchten und deren
Falschheit bereits von Petrarca (siehe Lambecii Commentarii de bibl.
palat. Yindobon. L. II, c. 884 — 892 ed. II. Kollar) und Cuspinian
evident nachgewiesen wurde. — Aber nicht bloss diese beiden
offenbar falschen Curiosa, sondern auch der Privilegienbrief
Kaiser Heinrich’s IV. ist unterschoben und zwar von diesem ottoka-
rischen Notar, dem Italiener Henricus de Isernia. —
Meine Gründe zu dieser Behauptung sind folgende:
Was das Äusserliche betrifft, so ist die Schrift offenbar eine
sehr gekünstelte und nachgeahmte, der Schreiber hat oft mitten in
einem Worte Züge, welche ganz dem Charakter der übrigen Buch
staben widersprechen; das der Urkunde angefügte Siegel (Sigillum
impressum) scheint einer ungezweifelt echten Kaiser Heinrich’s vom
1. October, welche ebenfalls im Hausarchive aufbewahrt und von
Dr. von Meill er in seinen Regesten der Babenberger, Seite 8, Nr. 3,
angeführt wird, entnommen zu sein, denn bei dieser fehlt es, das
heisst, es ist offenbar herausgezwickt und litt bei der Übertragung
beträchtlichen Schaden. —
Am überzeugendsten aber sind die inneren Gründe, der
Inhalt. —
Die Urkunde ist abgedruckt bei Schrötter (Abhandlung I,
Seite 135 — 138).
Sie besteht aus zwei Theilen, der erste Theil enthält die Be
stätigung zwei vollständig inserirter Privilegienbriefe, von denen
später soll gesprochen werden; der zweite wichtigste Theil bezieht
sich auf die Stellung des Markgrafen zu den Bisthümern Salzburg
und Passau (hier als Lorcher aufgeführt, welches bekanntlich spä
ter nach Passau verlegt wurde).
Heinrich IV. sagt nämlich in diesem zweiten Theile: „Insuper
„intuiti sumus cum puro desiderio mentis nostre, quod prenominatus
„illustris princeps Ernestus Margrafius (in dem echten drei Tage
„früher ausgestellten Documente setzt der Notar stets : Marchio)
„Austriae adeo bene meritus et dignus est, quod ei dem ipsum
Hypothese über den Ursprung des Privilegium majus von 1156. 4 ( 1
„sanctum Romanum Imperium adjutoriosum esse debet
„quia ipse situatus est in uno fine Christianitatis et omni tempore in-
„citat (im Schrötter’schen Abdrucke: incidat) et exercet opera Domini
„nostri Jesu Christi 1 ), Damus et concedimus Nos eidem in adjuto-
„rium et subsidium illos Episcopatus cum omnibus bonis
„ipsorum, que hactenus a longevis temporibus cognominate sunt et
„sunt Juyayia etLaureacensis, ita tarnen, quod ille prenomi-
„natus Ernestus Margrafius et sui successores ac terra (Schrötter hat
unrichtig terre) „Austrie Adyocati et Domini super illis
„esse debeant.” — Das ist das Hauptziel! — Salzburg und Passau
sind dem Inhaber der terra austrie unterworfen sammt ihren Gütern,
diese sind bestimmt, zu dienen in adjutorium et subsidium
des Nachfolgers! — Freilich sehr bequem. — Schade, dass die Ge
schichte aller Zeiten — bis auf Ottokar herab — diesem Satze wi
derspricht, er erst versuchte es, und scheiterte daran, —
Es ist übrigens unbegreiflich, wie Böhmer in seinen Regesten
(freilich Ausgabe von 1831, jetzt wird er wohl anders urtheilen)
von dieser Urkunde sagen konnte (S. 86, Nr. 1721): „Schon Petrarca
hat in einem Briefe an Kaiser Karl IV. die Unechtheit der hier be
stätigten Privilegien (von Julius Cäsar und Nero) nachgewiesen,
deswegen ist jedoch die Bestätigungsurkunde noch
keineswegs für falsch zu halten.” — Sie ist von vorne
herein für falsch zu halten, weil die Geschichte von Salzburg und
Passau ihr durchaus widerspricht. Nicht nur war Salzburg seit
mehr als dritthalbhundert Jahren bereits ein Erzbisthum (Arno der
sechste Bischof von Salzburg ward Erzbischof im Jahre 800), son
dern was die Hauptsache ist, seit mehr als dreihundert Jahren gab es
kein Bisthum oder Erzbisthum Lorch; Yivilo wanderte bei dem Ein
falle der Hunnen im Jahre 737 von Lorch nach Passau, und seitdem
blieb der Bischofsitz in P assau, und zwar nicht bloss der Sache
*) Man bemerke, wie in dieser Urkunde die Phrase: „eidem (nämlich margrafio
Äustriae) ipsum sanctum Romanum Imperium adjutoriosum esse debet” ganz
genau dem Artikel 10 im „Majus” entspricht: „Imperium dicto duci Äustriae
„contra omnes suos iniuriatores debet auxiliari et succurrere.” Us ist
eben der ganze Cyklus von Ansprüchen und Gerechtsamen in einem und dem
selben Kopfe entstanden, die Verbindung und den Zusammenhang unterein
ander und mit den Ideen und Verhältnissen der damaligen Zeit nachzuweisen
ist eben so nöthig als erspriesslich. —
472
Joseph Chm ei.
sondern auch dem Namen nach. Einen solchen Schnitzer hätte
übrigens ein deutscher Notar nicht gemacht, der wäre von den
Verhältnissen besser unterrichtet gewesen.
Hansi z im ersten Bande der Germania sacra (Seite 252—253)
spricht von dieser Urkunde, er sagt am Ende: Prope erat, ut inep-
„tias istas (die Urkunden von Julius Cäsar und Nero) perosus men-
„tione abstinerem omni: scd tanti sit interpolare seria etiam nugis,
„quas Video in vulgatis Diplomatum Codicibus passim venditari. Du-
„dum Franciscus Petrarcha ä Carolo IV. Imperatore de his consultus,
„sententiam suam his verhis complectitur: claudum usquequaque
„mendacium est. Cuspinianus itidem: merae, inquit, nugae sunt et ä
„quodam impudente fatuo conficta; ad emerendum hujus terrae
„principum favorem. Sed ignoravit ille nehulo mendacium
„nullum posse senescere: haec ille: quo jam quis credat, insipientem
„adeö fuisse Henricum Regem utreitam stolidae (si tarnen, quod
„haud putem, ejus tempore figmentum ist hoc jam ex-
„titerit) saerosanctum sigillum apponere sustineret.” —Wirsehen
also auch hier, wie hei Ortilo, dass man schon vor mehr als hun
dert Jahren einen feinen Sinn hatte für Echtheit oder Unechtheit alter
Documente.
Was sonst noch in dieser angeblich Heinrich’schen Urkunde
steht, ist nur berechnet auf Hervorhebung der grossen Vorzüge,
welche der Herr des Landes seit uralten Zeiten gemessen soll. —
So wird der Markgraf genannt Sacri Romanii Imperii prior et fi de-
lissimus Princeps. — Demselben und seinen Nachfolgern wie dem
ganzen Lande (ipsi terre Austrie) wird die Gnade erthcilt, „quod
„ipsi gladium judicii ipsorum et Banderiam sive vexillum terre ipso-
„rum publice ante imperium, et ante totum mundum et
„populum deferre debeant, atque possint.” — Eine arge Schmei
chelei, die übrigens noch überboten wird durch die inserirten angeb
lichen Privilegienbriefe des Julius Cäsar und Kaiser Nero.— Warum
der Verfasser dieser Urkunde gerade diese Persönlichkeiten gewählt
haben dürfte für seine Lucubrationen, haben wir bereits angedeutet.
Nero, der aus höhnischer Ironie oder aus wohldienerischer
Schmeichelei 1 ) um den Namen Nero zu adeln, hier „amicus Deorum
*) Nero fand übrigens auch in späterer Zeit seine Apologeten, nannte ja der be-
rühmteste Mann unserer Zeit, Napoleon, den sonst als Repräsentanten unbe-
Hypothese über den Ursprung des Privilegium majus von 1156. 473
„et fidei eorum propalator, praeceptor potestatis Romanae” u. s. w.
heisst (oder vielmehr sich seihst also nennt) befreit das Land („terra
Orientalis”) auf ewige Zeiten von allen Steuern und Tributen
an das römische Reich 1 ) „quia ipsa et ejus liabitatores ante omnes
„illos, qui Romani Imperii subditi sunt, laudabiliter elucescit. — Nos
„volumus etiam, quod eadem terra in perpetuum liberaperseveret.”
„Etiam praecipimus nos ex romana potestate, quod cum nulla adver-
„sitate illa terra supranominata ab aliquo (etwa von König Rudolf)
„in aliquo molestetur, si quis autem contra boc faceret, quam cito
„boc perpetrasset, ille esse debet in hanno Romani Imperii et nun-
„quam inde tempore aliquo exire.” — Also frei ist die „terra orien
talis.” Niemand soll ihr etwas anhaben. — Siebt man nicht offenbar,
auf was es abgesehen? —
Das Privilegium des Julius Cäsar ist das Non plus ultra von un
verschämter Schmeichelei, die übrigens, wie wir sehen werden, ihr
gleichzeitiges (das heisst aus Ottokar’s Zeit) Seitenstück bat.
„Nos Julius Imperator. Nos Caesar et Cultor Deorum. Nos su-
„premus terrae Imperialis Augustus. Nos sustentator orbis universi
„plagae orientalis terrae suisque incolis romanam veniam et
„nostram pacem. Vobis mandamus per nostrum triumphum, quod vos
„illi praecelso senatori nostro avunculo p areatis, quoniam
„nos eidein et suis beredibus suaeque domus descendentibus dona-
„vimus vos in feudatariam possessionem perpetuo tenendam sibi et
„suis posteris in perpetuum relinquentes, quod nullam pote-
„statem super eos statuere debemus.” Also auch hier
Unabhängigkeit. Der Senator, das ist der Fürst des Landes,
welchen Julius Cäsar aus Courtoisie seinen avuneulus nennt, ist voll
kommener Herr. „Nos eis et dictis eis successoribus largimur omnes
„utilitates terrae orientalis memoratae.” •— Er hat alle Nutzungen
(gerade wie im „Majus”) — „Insuper Nos eundem Avunculum no-
„strum et omnes eius successores assumimus consiliarium in
stechlicher Wahrheitsliebe geltenden Tacitus „den Verleumder des
Nero!” — Der Mann gefiel ihm !
*) „Dicimus nos illam eandem terram in perpetuum quietam et absolutam omnis
„pensionis et census, qu i j am impositus estvel erit in futurum ab
„imperiali potestate aut a nobis vel successoribus nostris vel quibusvis
„aliis.” — Das ist der Vorläufer des „Majus,” die Gerechtsame hängen innigst
zusammen. —-
474
Joseph Chm ei.
„secretissimum consilium romanum totaliter, quod deineeps nul-
„lum perpetuum negotium sive causa fieridebeat suo
„sine s citu!” —Das ist doch arg. — Eine solche Schmeichelei kann
doch nur da möglich sein, wo doch wenigstens eine imposante Macht
sie scheinbar rechtfertigt. — Was für einen Herzog Rudolf IV.
von Österreich geradezu lächerliche Übertreibung gewesen wäre,
ist für einen allerdings mächtigen Ottokar nur eine Schmeichelei,
auf die übrigens wie auf die ganze Sache nur ein feiner Italiener, nicht
aber ein treuherziger plumper Deutscher verfallen konnte.
Doch wir haben ja ein Seitenstück zu dieser Schmeichelei; ich
habe bereits früher in meinem zweiten habsburgischen Excurse eine
Stelle aus dem höhmischen Chronisten angeführt, welcher als
anonymus continuator Cosmae in P e 1 z e l’s und D o b r o w s k y’s erstem
Bande der Scriptores Rerum Bohemicarum (1783) abgedruckt ist.
Dort (I, pag. 417) sagt der Camerarius Regni, Andreas, in demRathe,
welchen König Ottokar II, mit den Grossen seines Reiches hielt,
als man ihm die römisch-deutsche Krone angetragen hatte nach
Richard’s Tod, folgende Worte um ihn abzuhalten, den Antrag anzu
nehmen: „0 Rex inuictissiine et excellentissime, quis Mortalium
„tuae potest in terris aequiparari potentiae! Deus in coelis regnat,
„tu in terris ex permissione eius, et Ducibus et terrarum prin-
„cipibus dominaris, et non est, qui resistat tuae volun-
„tati. Incognitae enim tibi sunt, ad quas invitaris diuersarum gen-
„tium nationes, et rerum dubius eventus; sede in solio Patrum tuo-
„rum; tuum Regnum et potestas per climata mundi famosius dilatatur,
„et ad mare nomen tuum insonuit, iam et nutibus tuis cuncti
„terrarum Principes famulantur. Ipse etiam, si necesse
„fuerit, Imperator tuis parebit mandatis, scuto et clypeo in
„auxilium tuae necessitatis.” — Ist das nicht der avunculus des
Julius Cäsar? der „praecelsus Senator,” der „consiliarius secretis-
simus,” ohne dessen Willen kein „negotium” „keine „causa” im
ganzen römischen Reiche ausgeführt werden darf?
Dass übrigens diese inserirten Privilegienbriefe nicht im
classischen Latein geschrieben seien, fühlte der gewandte Ita
liener nur zu wohl; um die Sache doch nicht gar zu verdächtig zu
machen, liess er König Heinrich sagen, dass diese Briefe über
setzt seien:— „praescriptas literas (fecimus innovari) , que in
„lingua paganorum conscripta fuerant, et quas in latinum
Hypothese über den Ursprung des Privilegium majus von 1156. 475
„sermonem convertimus et transtiilimus.” Man sieht, dass der itali
enische Schlaukopf die Leute so recht mit Lust am Narrenseile
führte. — Doch wer weiss, vielleicht entdeckt ein gelehrter Kelto-
mane, denn keltisch wird wohl diese lingua paganorum gewesen
sein, noch einmal die Originale dieser Briefe, die ja Kaiser Heinrich IV.
vorliegen mussten, weil er sie übersetzen liess ?! —
Dass Henricus de Isernia, welcher in seinen Concepten das Ver-
hältniss seines Herrn gegen die „perfiden Ungern” und seine Siege
über sie recht mit Nachdruck hervorhebt und ausführlich schildert,
diesen Freiheitsbrief Heinrich IV. auf dem Rückwege von seinem
Zuge nach Ungern geben lässt, lag um so näher, da ja, wie gesagt,
im österreichischen Archive ein echter Schenkungsbrief K. Hein-
ricli’s IV. aus diesen Tagen aufbewahrt wurde und noch wird, und
das Siegel, wie bemerkt, verwendet werden konnte! —
Dass die Ansichten und Ideen dieses Freiheitsbriefes mit
denen des „Majus” ganz identisch sind, dass beide von einem ufid
demselben Manne gemacht wurden, ist augenfällig.
Bei dem Privilegienbriefe von K. Heinrich IV. vom Jahre 1058
lag dem Fabricator eine echte Urkunde vor, deren Datum und Siegel
benützt werden konnte.
Was lag denn etwa bei dem „Majus” von K. Friedrich I. vom
Jahre 1156 vor? Was wurde benutzt?
Ohne Zweifel für das Datum und die Ve r anl assung eine
echte Urkunde, wahrscheinlich das „Minus,” ob dasselbe eine gol
dene Bulle gehabt, ist zweifelhaft ja unwahrscheinlich; jedenfalls ist
die an dem „Majus” hängende goldene Bulle unbezweifelbar und
wahrscheinlich von einer echten Urkunde herstammend.
Hinsichtlich der Zeugen des „Majus” muss ich eine wichtige
Thatsache aufführen, die ein schlagendes Moment für meine Behaup
tung sein dürfte.
Bekanntlich sind in dem „Majus” diese Iben Zeugen aufge
führt, welche in dem durch Handschriften erhaltenen „Minus” Vor
kommen, bis zu Ende, wo es im „Minus” heisst: „et alii quam
plures,” im „Majus” hingegen vor diesen Worten noch sechs
Zeugen namentlich aufgeführt werden, worunter besonders einer sehr
auffallend ist und in früherer Zeit viel Anlass zum Streite, zum Zwei
fel, ja selbst zur Verurtheilung gab, es ist dies der vielberufene
„Swineshud”.
47(5
Joseph Chmel.
Diese sechs Zeugen sind: „Gebehardus comes de Sulzbach.
„Rod u 1 fus comes de s winesh u d. Engelbertus comes hallensis.
„Gebahardus comes de burchuse. Comes de buthena. Comes de Pil-
„stein. et alii quam plures.”—
Fünf dieser Zeugen sind nicht auffallend, man kennt ihr Ge
schlecht, man kennt sie selbst aus anderen Urkunden. Aber wer ist
denn dieser Rudolfus comes de swineshud? — Es kommt
nirgends ein comes de swineshud vor, und die Grafengeschlechter
aus dieser Zeit sind denn doch alle nachweisbar, man kann unzählige
Zeugenschaften aufführen. Dieser Swineshud, der in der ebenfalls
unterschobenen Bestätigungs-Urkunde K. Friedrich’s II, (angeblich
von 1245) Sweinsheutt heisst, ist ein Räthsel. — Das Rätlisel
scheint gelöst. — Die sechs Zeugen sind nachweisbar, man weiss
woher sie genommen sein können, man sieht offenbar, dass dieses
„Swineshud” ein Schreibfehler ist, der von dem Schreiber des
„Majus” durch einen Lesefehler des ihm vorgelegenen Zeugen-Ver-
zeichnisses entstanden ist. Wäre die Urkunde des „Majus” echt, so
wäre ein solcher Schreibfehler, respective Lesefehler, ganz unmög
lich gewesen, der gl ei chzeitige Schreiber (Notar) musste ja die
so bekannten und angesehenen Zeugen kennen, persönlich kennen.
Im fünften Rande des verdienstvollen „Codex diplomaticus et
epistolaris Moraviae” von dem leider viel zu früh gestorbenen mäh
risch-ständischen Archivar Anton Roczek (im Jahre 1850 als opus
posthumum von Josef Chytil herausgegeben), findet sich unter den
Supplementen Seite 219, Nr. IV eine Urkunde von Kaiser Friedrich
dem Ersten abgedruekt, zufälliger Weise aus demselben Jahre,
von demselben Tage (XV. Kalendas Octobris, d. i. 17. Sep
tember 1156), wie die beiden Urkunden, das Minus und Majus.—
Diese Urkunde, welche Roczek mittheilt, ist für den Johanniter-
Orden gegeben und zwar auf Bitte des neuen Herzogs von Österreich,
dessen erste öffentliche Handlung diese Intercession gewesen zu
sein scheint.
Kaiser' Friedrich I. bestätigt nämlich dem Johanniter-Orden
seine Besitzungen, darunter namentlich ein Dorf „Zokelestorp” (Zo-
gelsdorf am Mannhart) und den Wald von „Mourberg” (Mauerberg,
Mailberg).
Unter den dort aufgeführten Zeugen, welche übrigens zahl
reicher sind als im „Majus,” befinden sich alle dort angeführten,
Hypothese über den Ursprung des Privilegium majus von 1156. 477
nur heisst der anstössige Swireeshud bei Boczek: „Comes Rodol-
plius de Suiuesford,” die Buchstaben for wurden für hu ge
lesen! —
Ein Comes deSuuinesford (Schweinfurt) ist kein Bäthsel
mehr 1 ), derselbe Rodolphus Comes de Suinesford erscheint später
als Graf von Pfullendorf, vielleicht auch als Graf von Bregenz; be
kanntlich wechselten viele dieser Grafen je nach dem Platze ihrer
amtlichen Wirksamkeit ihre Namen! —
Boczek theilt diese Urkunde aus dem MalthesEr-(Johanniter-)
Ordens-Archive in Prag mit 2 ). —
Ohne Zweifel benützte der umsichtige Notar, welcher das
„Majus” machte, zu seiner Arbeit gleichzeitige Urkunden, die ihm,
da er durch mehrere Jahre eine diplomatische Schule zur Bildung
für Notare in Prag hielt, von vielen Seiten her bekannt geworden
sein mochten, jedenfalls als königlichem Notar zugänglich gewesen
sind. —
Wir halten also diesen Henricus de Isernia, den vertrauten und
gewandten Diener seines hochstrebenden Herrn, für den Verfasser
dieser sämmtlichen so auffallenden und für ihre Zeit ganz unmög
lichen Privilegien, welche in den drei Urkunden von 10S8, 11S6
(Majus) und 124b (Bestätigung des Majus durch K. Friedrich II. 3 )
enthalten sind.
*) Vergleiche Chronik der Stadt Schweinl’urt von H. Chr, Beck. (Schweinfurt
1836, 4.) S. 22. Nach dem Tode des Bischofs Eberhard von Eichstätt
(f 6. Jänner 1112), des letzten Sprösslings der Markgrafen von Schwein
furt, fiel Schweinfurt (Suinesford) dem Reiche heim, das nun durch Grafen
dasselbe verwalten liess.
2 ) Nachträglich versicherte man mich, in der Urkunde stünde Suuinesliud,
Boczek habe willkürlich Suuinesford gesetzt (I?). Die Benützung durch
den Notar bleibt auch in diesem Falle.
3 ) Auch diese Urkunde ist natürlich bei derselben Gelegenheit durch dieselben
Personen gemacht worden; ausser der Bestätigung des vollständig inserirten
Majus werden dem Herzoge Friedrich (dem Streitbaren) noch einige andere
Gnaden gewährt, wie sie den ottokarischen Verhältnissen eben passen. Beson
ders beaclitenswerth ist die Stelle: „Quapropter concedimus enim et damus
„eidem Illustri principi Duci Austriae haec subscripta ad habendum pro jure
„plenarie, ut nullus suorum feudalium, aut suarum terrarum inhabitantium
„s i v e possidentium (das träfe also alle auswärtigen Besitzer, besonders
die Bischöfe, welche sich eben gegen Ottokar’s Druck flehend an den König
478
Joseph Ohme 1.
Der oder die Schreiber waren untergeordnete aber jedenfalls
geübte Personen, denen übrigens dam als die Nachahmung der pas
senden Schriftzüge weit weniger Schwierigkeit bot, als es in so viel
späterer Zeit der Fall gewesen wäre.
Und nun noch Einiges über die angebliche Schöpfung dieser
Privilegienbriefe und Documente durch Herzog Rudolf IV. — Also
früher wäre keine Spur? Erst durch ihn seien alle diese Ansprüche
und Behauptungen erdacht und formulirt worden!
Ich muss gestehen, ich bin von einer so unhistorischen
Behauptung überrascht. — Ich finde nicht die geringste Ähnlichkeit
der Geschichte Rudolfs IV. mit Ottokarischen Verhältnissen, und nur
diese passen auf das „Majus,” wie wir gesehen haben.
Herr Böhmer sagt in der angeführten Stelle seiner Regesten
(Seite 199) weiter: „Es war dies (die Verunechtung des „Minus” näm
lich) allerdings eine sehr ungehörige weise um jene Vorzüge zu er
setzen, um welche Österreich thatsächlich seit dem aussterben
der Babenberger, und nun auch gesetzlich durch Karl’s IV. goldene
bulle gekommen war. Näheren aufschluss gibt herzog Rudolfs
geschichte durch noch andere hiemit verwandte versuche.” —
Da ich in meinen habsburgischen Excursen die Verhältnisse des
Hauses Habsburg sowohl nach aussen als nach innen fortwährend
einer kritischen Beleuchtung zu unterziehen denke, so bemerke ich
hier nur, dass ich gerade den entgegengesetzten Schluss
mache. —
und das Reich wandten) „n u 11 i alteri aliquid Juris o b e di an t, excepto
„enim sibimet ipso nostro praedilecto Friderico Principi Duci Austriae, aut
„suas Vices supplentibus, sive potestatem.’’ — Auch die zwei andern Punkte
„concedimus enim nostro illustri Principi Duci Austriae, Crucem cum
„dyademate, suo principali Pilleo su ff er endo. Volumus etiam, ut
„dilectus noster Dux Austriae, omnia sua feudalia sive Jura 1 ib er ali t er sus-
„cipiat, datione sine omni’’ — zeigen auf die Herrlichkeit Ottokar’s
hin, der königliche Ehren auch in seinen Nebenländern verlangte und gänz
liche Unabhängigkeit selbst — in den Taxen. Ich halte dafür, dass diese Ur
kunde nicht ganz zugleich mit den zwei andern, sondern etwas später, viel
leicht im Jahre 1275 (gegen das Ende) nachträglich gemacht wurde, um dien
lich zu sein, wenn es etwa zu einer Ausgleichung mit König Rudolf käme und
die österreichischen Lehen doch empfangen werden müssten. — Die ansehn
liche Pön von 1000 Pfund Goldes sollte jegliche Verletzung dieser Privilegien
sehr bedenklich machen.
Hypothese über den Ursprung des Privilegium majus von 1156. 479
Seit dem Aussterben der Babenberger, besonders durch König
Ottokar’s Macht und Streben nach möglichster Unabhängigkeit und
Selbstständigkeit, welche durch diese Privilegienbriefe
eine diplomatische Basis wenigstens scheinbar ge
wonnen hatte, denn die Urkunden fanden sich vor und man
machte allerdings von ihnen Gebrauch, vermuthlich bona fide'),
war die Stellung der österreichischen Herzoge eine solche geworden,
dass sie jedenfalls von der der übrigen vorzüglichsten Beichsfürsten
ganz abwicli, daher der gesetzliche Ausschluss.
König fiudolf I. bestätigte am 11. Juni 1283 seinen Söhnen
diese Documente, welche zwar nicht inserirt, aber doch unver
kennbar bezeichnet sind („von alten Haydnischen und Christen Kay-
sern und Kunigen”); man will diese (mir durchaus nicht verdächtige)
Urkunde zwar ebenfalls für falsch und unterschoben erklären, was
hilft es aber ? -— Die ganze Geschichte Herzog Albrecht’s (K. Bu-
dolf’s Sohn, Herzog Rudolfs IV. Grossvater) beweist, dass die
neuen Herzoge von Österreich in die Fussstapfen König Ottokar’s tra
ten und die Gerechtsame geltend machen wollten, welche in die
sen Documenten angeführt sind. — Das Benehmen Herzog Albreehfs
gegen den Bischof von Passau noch bei Lebzeiten seines Vaters,
gegen den Erzbischof von Salzburg, mit dem es zu blutigem Kriege
kam, die vielen Kämpfe mit den Vasallen und widerspenstigen Unter-
thanen sind unwiderlegbare Beweise, dass die Söhne und Enkel Ru
dolfs I., die ihnen in diesen Documenten zugesprochenen Gerecht
same geltend machen wollten. — Dieses Benehmen war ohne Zwei
fel die Ursache, wesshalb- die geistlichen Wahlfürsten,
Mainz an der Spitze, das Haus Habsburg nicht zum erblichen
Besitze der deutschen Reichskrone gelangen Hessen. -—
Eben so ist das Benehmen Friedrich’s des Schönen und
seiner Brüder nach ihres Vaters gewaltsamem Tode (1308 u. s. f.)
gegen den neuen König aus dem Hause Luxemburg, ihre gewiss
selbstständige Haltung, die ihre Gegner als Trotz auslegten,
nur erklärbar durch das Fussen auf diesen ausgezeichneten Pri
vilegien. —
*) So lange die Habsburger die deutsche Reichskrone trugen oder hoffen konnten
sie zu tragen, war wohl keine Veranlassung zu dem besonderen Hervorziehen
dieser Privilegien.
480
Joseph Climel.
Und wie will man erklären, dass selbst die Gegner des
Hauses Habs bürg diese Gerechtsame anerkannten, und theil-
weise wenigstens bestätigten?
Dass K. Ludwig der Baier im Jahre 1330 die Gerechtsame der
österreichischen Herzoge rücksichtlich ihrer Gerichtsbarkeit und hin
sichtlich der Juden namentlich bestätigte.
Dass selbst Kaiser Karl IV. diese österreichischen Vorrechte
und Freiheiten anerkannte und seinem Schwiegersöhne Rudolf IV.
einen Revers gab, dass die Unterlassung gewisser Feierlichkeiten
bei seiner Belehnung, die er aus Rücksicht auf ihn (den Schwieger
vater) nicht geltend gemacht, seinen Gerechtsamen keinen Nachtlieil
bringen soll, dass er ihm und seinen Brüdern alle diese Vorrechte
bestätigte!
Dass eben dieses die Luxemburger Kaiser Wenzel und Sig
mund, Karl’s IV. Söhne, thaten!
Dass die Grafen von Schau nberg, die mächtigsten Vasallen
in Österreich , hei ihrer endlichen Unterwerfung urkundlich aner
kannten, man habe ihnen durch ganz unverdächtige Documente
bewiesen, dass die österreichischen Herzoge die einzigen Herren im
Lande seien.
Sollte alles dieses möglich gewesen sein, wenn Herzog Ru
dolf IV. der Urheber dieser abnormen Vorzüge gewesen wäre,
wenn e r zum ersten Male diese Documente vorgebracht hätte ? —
Man hätte ihn ausgelacht! —
Ein paar Generationen mussten vergangen sein, ihnen Ansehen
zu verschaffen. Diese Documente, welche freilich der Geschichte
des eilften, zwölften und der ersten Hälfte des dreizehnten Jahrhun-
dertes widersprechen, folglich in dieser Zeit nicht entstanden sein
können, gewiss nicht echt sind, haben ihren Ursprung in der Zeit
des Interregnum in dieser Zeit der Anmassung und der Gewalt er
halten; nur König Ottokar, der mächtige, der gewaltige, konnte sie
schöpfen, aber seit ihm existiren sie, die Geschichte, welche
ihren Ursprung in der angegebenen Zeit (1058—1245) als unmög
lich verurtheilt, bestätigt ihre Existenz seit König
Ottokar. Den unwiderleglichen Reweis sollen meine
habsburgischen Excurse liefern.
Herzog Rudolf IV. hat diese Urkunden vor gefunden, sie durch
Vidimusse vervielfältigt, sie geltend gemacht, aber nicht erfunden.
Über den Ursprung des Privilegium majus von 1156. 481
Man mag Rudolf IV. anmassend nennen, eitel; ihn aber
zum Fälsch er machen, ist eben so unpsychologisch als un
historisch. —
Die Fälscher und Betrüger sind nicht hochfahrend, nicht anmas
send und keck, sie sind vielmehr vorsichtig und heimlich. Und wie
will man die Geschichte der hundert Jahre vor Herzog Rudolf er
klären?— Und wie wäre es möglich gewesen, dass eine solche
„Fälschung” durch Rudolf IV. einen glücklichen Erfolg gehabt
hätte? — Kaiser Karl IV. wird denn doch am Ende so klug ge
wesen sein, sich nicht hinter’s Licht führen zu lassen ! —
Die Geschichte zeigt, wie sich die Sonderstellung Österreichs
allmählich herausgebildet hat, sie war eine Folge der Verhält
nisse; dass die österreichischen Landesfürsten durch dieselben
frühzeitig zur Landeshoheit und Selbstständigkeit gelangten, ist
nach unserer Ansicht dem von der Vorsehung ihnen zugewiesenen
Berufe gemäss, nicht bloss über Deutsche zu herrschen, sondern
über viele und verschiedene Völker. — Ich halte diesen Beruf, wie
ich schon in einem Aufsatze vor vielen Jahren aussprach, für
einen Segen.
Im Interesse der Humanität, der Vermittlung und des
geistigen wie materiellen Verkehrs haben Österreichs Für
sten zu wirken, — das ist eine herrliche Aufgabe. —
Ich glaube, diese scbliesst auch die Wahrheit und Gerech
tigkeit in sich und desshalb nahm ich keinen Anstand, diese Frage
offen zu verhandeln, — da Jahrhunderte hindurch die Echtheit dieser
Privilegien bona fide angenommen wurde, jetzt aber die bessere
Erkenntniss allseitig durchgedrungen ist.
Sitzb. d. phil.-hist. CI. VIII. Bd. V. Hft.
34
482 v. Karajan. Über eine neue Handschrift von Ottackers Reimchronik.
SITZUNG VOM 19. MAI 1852.
Herr Professor Dudik in Brünn sendet Bruchstücke einer in
einer Stockholmer Handschrift gefundenen Reim-Chronik, mit dem
Ersuchen um Auskunft, oh sie der Chronik Ottackers von
Horneck angehören? — Worauf der Präsident der Classe, Heil
y. Karajan, folgende Auskunft ertheilt:
Die Handschrift zu Stockholm, von der man leider aus
Dr. Dudik’s Brief nicht erfährt, ob sie auf Papier oder Pergament,
oder in welchem Jahrhundert sie geschrieben ist, enthält allerdings
einen Theil der Reimchronik Ottacker’s, bisher von Horneck genannt.
Dieser Fund ist um so willkommener, weil er gerade jenem
Theile des Ottacker’sclien Textes eine neue Grundlage gewährt,
welcher uns bisher nur in einer einzigen Handschrift, nämlich dei
Wiener Nr. 3047, olim. ldst. pro/'. XXV, früher noch Nr. 76,
erhalten war.
Die Admonter, wie die zweite Wiener Handschrift, Nr. 3040,
olim. hist. prof. XXVI, früher noch Nr. 75, welche sich durch
Vollständigkeit der Überlieferung auszeichnet und gute Lesearten
bietet, enthalten nämlich diesen Theil der Chronik nicht, denn sie
brechen beide mit Capitel 651 des Pezischen Druckes ab. Über
alles Folgende war man daher bis zur Stunde hei zweifelhaften
Stellen lediglich auf die Willkür einer einzigen Handschrift ange
wiesen, und gerade dieser Theil unserer herrlichen Quelle, welcher
kein zweites Land des deutschen Bundes eine ähnliche an die Seite
zu setzen hat, enthällt die wichtigsten Nachrichten und zwar iibei
Ereignisse, die der Dichter selbst erlebt hat, und in seiner anschau
lichen und sorgfältigen Weise, dabei mit erwünschter Ausführlich
keit schildert. Hatte man überhaupt Grund, die Auffindung irgend
einer neuen Handschrift zur Berichtigung unseres bisher arg ver
nachlässigten Textes zu wünschen, so war es ganz vorzüglich der
zweite Theil unserer Quelle, der einen solchen Wunsch immer und
immer wieder hervorrufen und steigern musste. Um so freudiger
müssen wir die Entdeckung Dudik’s begrüssen.
Die Stockholmer Handschrift enthält, so viel ich aus der kurzen
Mittheilung sehen kann, vorausgesetzt, dass aus der Mitte der
l<reih. Hammer-P«rgstall. Länder-, Sprachen- u. Völkerk. N.-Al'rika's. 483
Handschi ift nicht ebenso Blätter fehlen wie an deren Anfang und
Ende, folgende Seiten des Pezischen Druckes. Sie beginnt mit
der 26. Zeile v. u. der ersten Spalte auf S. S97 und reicht bis ein-
schlüsslich der Zeile 16 der ersten Spalte auf S. 843, umfasst
somit beiläufig 246 Folio-Seiten desselben.
Ich habe versuchsweise die beiden eingesandten Stellen der
Stockholmer Handschrift mit dem Drucke verglichen und gefunden,
dass selbst diese kurzen Stücke schon zu drei Stellen ganz gute Lese
arten bieten, und bie und da ältere Formen zeigen als die Wiener
Handschrift.
Man müsste aber längere Theile vor sieb haben, als die einge
sandten, welche zusammen nur 72 Zeilen umfassen, wollte man sich
in dieser Richtung ein begründetes Urtheil bilden. Aber selbst wenn
die Handschrift, was ihre Formen betrifft, um kein Haar besser wäre
als die bisher bekannte einzige Wiener, so wird sie wenigstens, wie
icb hoffe, die häufigen Lücken dieser letzteren füllen helfen, und
gewiss dem kritischen Herausgeber des Textes durch Abweichungen
von dei Wiener Handschrift Anhaltspuncte zu Berichtigungen
gewähren.
Gelesen s
Neuestes zur Förderung der Länder-, Sprachen- und
Völkerkunde Nord-Afrika's.
Vom Freiherrn Hammer-Purgstall.
Mit Übergehung aller seit der französischen Eroberung Algiers
darüber und über den Anbau des eroberten Landes in Frankreich
eischienenen Werke, deren zahlreiche Literatur in französischen
Zeitschriften besprochen wird, gibt das neueste von Herrn Professor
v. Krem er der kaiserlichen Akademie dargebrachte kleine geogra
phische Werk: Description de TAfrique pur un Geographe
arabe anonyme du sixieme siecle de l’Uegire ‘) den nächsten
) Description de l'Afrique. Par un Geographe arabc unonyme du sixieme
siecle de l'Hegire. Texte arabe publie pour la premiere fois pur M.
Alfred de Kremer, Professeur ord. de langue arabe vulyuire de l' I. H.
ecole polytechnique a Vienne, membre ord, de la societe orientale d'Alle-
34 ö
484 Freiherr Hammer-Purgslall.
Anlass eines für die Geschichte Nord-Afrikä’s höchst wichtigen
grossen, nämlich des vom Baron Mac. Guckin Slane auf Kosten
der französischen Regierung in zwei grossen Quartbänden heraus
gegebenen arabischen Textes der zweiten Hälfte der berühmten
Geschichte Ihn Chaldun’s, deren Titelblatt und Vorrede schon vom
1. August d. J. 1847 datirt ist, welches aber erst seit Kurzem er
scheint, und von dem französischen Kriegsminister an öffentliche In
stitute und Orientalisten vertheilt wird 1 ).
Noch um drei Jahre älter als das Druckjahr des letzten Wer
kes ist die kleine Schrift Hodgson’s, des vormaligen amerikanischen
Consuls zu Tunis, welche von kleinem Umfang den bescheidenen
Titel: Notes on Northern Africa, the Sahara and Soudarr)
führt, im Jahre 1844 zu New-York erschienen, daher in Europa
wenig bekannt, aber nichts desto weniger für Philologen eine sehr
gehaltreiche Schrift ist. Von diesen drei Werken ist das erste geo
graphischen, das zweite philologischen, das dritte historischen In
halts; wir werden uns mit den ersten beiden kleinen nur kurz be
schäftigen; um so kürzer mit dem ersten, als Herr v. Krem er
magne. Vienne 1852. Es ist um so mehr zu bedauern, dass der Heraus
geber des arabischen Textes die nur dritthalb Seiten füllende Vorrede nicht
in seiner Muttersprache geschrieben, als es derselben an Druckfehlern, wie
llegire statt Hegire, detailee statt detaillee, und selbst an Sprachfehlern, wie
ouvrage qui merite d'autant plus de voir le jour, p ui s q u'il nons donne
statt qu'il nous donne, und an falschem Gebrauche der Zeiten nicht fehlt.
1 ) Ilistoire des Herberes et des Dgnasties Musulmanes de VAfrique septen-
trionale pur Abou-Zeid Abd-er-Rahman Ibn-Mohammed Ihn - Khaldoun.
Texte Ambe: Tome premier, publie par ordre de M. le Ministre de la
guerre. CoXlationne sur plusieurs manuscrits. Par M. le Baron de Slane,
Interprete principal de VArmee d" Afrique. Alger 1847. Wir bedauern
auch hier, dass der Name des Volkes Berber auf dem Titel nicht richtig:
Derberes statt Berbers, geschrieben ist, indem Berber es ein Fluss und
ein Dorf in Bourgogne (le yrand Dictionnaire yeographique et critique. Par
M. Bruzen la Martiniere II, p. 240) und nicht der Name des Volkes,
dessen erste Sylbe wie die zweite im Arabischen J Ber lautet. Man sagt
les Bretons, les Normans, warum also nicht auch les Berbers wie les
chers, les fiers u. s. w.
2 ) Notes on Northern Africa, the Sahara and Soudan, in relation to the
ethnography, languayes, history, political and social condition, 0/ the
nations of those countries. By William B. Hodgson, late Consul of the
united States near the regency of Tunis. New-York 1844.
Zur Förderung der Länder-, Sprachen- u. Völkerkunde Nord-Afrika’s. 485
selbst darüber in der letzten Sitzung der Classe eine ausführliche
Kunde gegeben, aber so umständlicher mit dem dritten, nicht nur
wegen seiner grossen historischen Wichtigkeit, sondern auch, weil
die französische Übersetzung, welche schon im Jahre 1847 als eine
unmittelbar nach dem arabischen Texte nächstens erscheinende ange-
kündiget worden, noch immer auf sich warten lässt, so da t ss nicht
nur Nichtorientalisten, sondern auch Orientalisten, welche das Werk
nicht besitzen, die erste Kunde des wichtigen Inhalts desselben durch
die Sitzungsberichte der kaiserl. Akademie erhalten dürften.
Herr Prof. v. Krem er hat in seinem über das kleine geogra
phische Werk , welches von zwei und siebzig 4 ) Städten und den
Oasen Kunde gibt, nur vierzehn Städte erwähnt, die wir also hier
mit Stillschweigen übergehen , dafür aber andere nennen und ein
paar berichtigende Anmerkungen beifügen wollen.
Wir bemerken zuerst, dass der vom ungenannten Verfasser
(S. 4) genannte Geschichtschreiber Kairewans Ibn Rakik ver
mutbete derselbe ist, welchen Leo der Afrikaner Ibn Racliis nennt,
und dass derselbe in Hadschi Chalfa unter den Geschichtschreibern
Kairewans nicht vorkömmt, welcher den vorzüglichsten Geschicht
schreiber Kairewans Ibn Reschik nennt, was vielleicht ein
Schreibfehler für Ibn Rakik; durch einen solchen Schreib
fehler der von Herrn v. Krem er herausgegebenen Handschrift ist
i) 1) Tripolis, 2) Kairewan, 3) Ssabret, 4) Rakkadel, 5) Sefakes, 6) Meh-
dijet (nicht Mahatlia auszusprechen), 7) Temadschert, S) Dschelula, 9) Su-
set, 10) Tunis, 11) Carthago, 12) Benfert, 13) Tharfet, 14) Bunet, 15) el-
Kol, 16) Öschefäschel (nicht Gigei), 17) Bidschaijet (nicht Bugia), 18) Mersi-
ed-Dodschadsch, 19) Dschefair Beni Mergannet, d. i. Algier, 20) Ceuta,
21) Tanger, 22) Assila, 23) Teschumesch, 24) Sela, 25) lVluna, 26) Barka,
27) Edsclulanijet, 28) Serus, 29) Godames, 30) Sewilet, die Oasen, 31)
Hammet Mathmatliat, 32) Kafssa, 33) Kastliiliet, 34) Neftlia. 35) Takjus,
36) el-Hammet, 37) die Städte der Neffawet, 38) Tharret, ebenfalls, 39)
Beschri, ebenfalls, 40) Itmelimen, 41) Derdschin, 42) Badschet, 43) Med-
scharet, 44) Mermadschinet, 45) Tebesa, 46) Baganet, 47) das Gebiig
Esref, 48) die Stadt Eimuss, 49) Schakinerijet, 50) Milet, 51) Gadir,
52) Kalat Ebi Thabil, 53) Ascliir, 54) Meljanet, 55) Medinetol-Chadhra,
56) fab, 57) el-Mesilet, 58) Thabnet, 59) Nakawes, 60) Beskeret, 61) Te-
hudet, 62) Kadis, 63) Dilimesen, 64) Wedschdet, 65) Erdschersif, 66) Ta-
hirt, 67) das Schloss der Hewaret, 68) Fes, 69) Mekneset, 70) Dschen-
jaret, 71) Kafsr Ssiphadschet, 72) Galat Ibu Dsclioudub,
486
Freiherr Hammer-Purgstall.
(S. 44) der Name des bekannten berberischen Stammes Neffawet
in Nefrawet verwandelt worden; derselbe kömmt in den Aus
zügen vor, welche Herr Qu a tremere im XII. Bande der Nolices
et extraits gibt, und wird dort irrig Nifzawa geschrieben, die
wahre Aussprache findet sich aber schon in der von Schulz im
II. Bande des nouveau Journal asiatique (II, 123) gegebenen Ge
nealogie richtiger als Nafzawah (Neffawet), und diese Anssprache
wird durch den ungenannten Geographen bestätigt, indem auf das
Nun ein Feth aufgesetzt ist, das in keinem Fall als «ausgesprochen
werden kann 1 ).
Das Wichtigste für den Archäologen im arabischen Texte des un
genannten Verfassers ist, dass derselbe bei den alten (römischen)
Städten überall bemerkt, wo Ruinen zu sehen sind, oder wenigstens
zn seiner Zeit noch zu sehen waren: solche Städte sind: Temad-
scherd (S. 8), Kartatfch enat, d. i Carthago (S. 11), Benfert
(S. IS), Algier (S. 22),Sibte, d. i. Ceuta (S. 23), T handfchet,
d. i. Tanger (S. 24), Tofchumes (S. 26), Sela (ebentla),Kaff-
sat(S. 37),Ka s tiliet (S.43),B adfch et (S. 47),Tebesa (S. 49),
Baganet (S. 48), Eimus (ebenda), Schakjenarijet (S. 51),
Milet (S. 52) und in den Oasen; von diesen werden nur die von
Audfchilet, Sola, Ersis, Tenis, Dhabi' und die äussere ge
nannt, ob unter einer von diesen die Oasis Mofab, von welcher
Hodgson (S. 29) acht Städte nennt, versteckt sei, wissen wir
nicht; so kommen auch die berberischen Stämme Tuaryck, Ere-
geiah, Mozabecah und Sergoo, welche Mundarten der Berber
sprache sprechen, so wie die Bewohner des alten Getuliens, die er
(Seite 26) Mozabies, Biscaries, Wadreagans und Wür
ge lans nennt, in der von Ihn Chaldun gegebenen Genealogie der
berberischen Stämme nicht vor, es müssten denn die Namen von
einigen derselben bis zur Unkenntlichkeit entstellt worden sein. Ausser
) Schulz erwähnt der von Ihn Chaldun gemachten Bemerkung, dass das
fe des Wortes Neffawet in dem Munde der Berber als ein linderer
Schelaut (wie das französische j und das persische j gehöret werde. Wenn
Schulz hier die richtige Aussprache gibt, so spricht er doch den Namen
des einen Stammvaters der Berber ganz unrichtig Boutar statt Beter
aus; in dem uns gedruckt vorliegenden Texte Ihn Chaldun’s hat dieser Name
ebenfalls ein Feth und dabei ist bemerkt, dass derselbe nur eine Ab
kürzung des arabischen Ebter.
Zur Förderung der Länder-, Sprachen- u. Völkerkunde Nord-Afrika’s. 487
den Ruinen alter Gebäude und den zu seiner Zeit bestehenden neuen,
bemerkt der unbekannte Geograph bei einigen Städten die besonderen
Merkwürdigkeiten derselben, w ie bei Suset (S. 9) die berühmten
weissen Kleider von Sus, die kostbaren Kopfbünde, deren einer zu
hundert Dueaten verkauft wird, das Fleisch, welches das beste des
ganzen nördlichen Afrika; bei der Stadt Tharfet (Seite 16) die
Korallenfischerei; beiMersi ed-Dodfchadsdi(S. 22) dieWach-
teln; hei Kas tili et (S. 44) die Datteln; bei D erdfchin (S. 46)
die Derdfchinischen Gewänder, welche an Zuschnitt und Farbe denen
von Sedfchelmesa gleichen; bei Kafsa die zahlreichen Quellen.
Wir gehen nun vom Geographischen zum Philologischen und
hernach zum Genealogischen und Historischen Nord-Afrika’s über.
Herr William B.Hodgson gibt in seiner schon vor acht Jahren zu
New-York erschienenen, aber in Europa wenig bekannt gewordenen
kleinen Schrift Auskunft über fünf Mundarten der Berber und über
fünf der Neger, die letzten, nämlich die der F e 11 a t a, F i b b o,
Bornu, Haufsa und von Timbektu, werden hier, als nicht zu
Nord-Afrika gehörig, bei Seite gelassen, indem wir uns ausschliess
lich mit den Sprachen der Barbarei, d. i. der von den Berber be
wohnten Ländern Nord-Afrika’s beschäftigen. Die fünf Mundarten
der Wörterbücher der Berbersprache sind erstens die der Kabilen,
d. i. der in Algerien ansässigen Berberstämme, diese Mundart heisst
Schobije (Showiah); zweitens die Mundart der Tewarik,
d. i. der in der Ssahara herumziehenden Stämme, diese Mundart
heisst T e r d f c h i j e (T e r g e c a h); drittens die MundartM o f a b i j e,
von den Beni Mo fab an dem Nordrand der Wüste gesprochen;
viertens die Mundart Eredfchije (Eregeiah), d. i. die Mundart
von Wadrig(Wadreag); fünftens Sergu (Sergoo), von den
in der Nähe Timbektu’s wandernden Tewarik gesprochen. Von den
Kabilen, d. i. von den Stämmen (kabile heisst im Arabischen
Stamm),sammeltenS ha w, Venture,Shaler und Delaporte ihre
Listen der Berbersprache und in dieser Mundart ward die von der
englischen Bibelgesellschaft herausgegebene Übersetzung der Evan
gelien unter Herrn Ho dgson’s Aufsicht vonSidiHamid (Harnet),
einem Thalib (Taleb), d. i. Studenten der Kabilen, verfasst ').
*) Diese herberische Bibelübersetzung liegt den Arbeiten von Francis W.
Newman, Dr. Pritchard in seinen physischen Untersuchungen, Dr.
488
Freiherr Hammer-Pnrgstall.
Herr IIoflgson entkräftet durch Beispiele die von Venture
in seinem berberischen Wörterbuche, welches auf Kosten der geo
graphischen Gesellschaft von Paris in den Verhandlungen derselben
erschienen, aufgestellte Behauptung, dass die Berbersprache keine
Wörter für abstracte Begriffe habe; viele Wörter der Berbersprache
sind koptisch, drei Wörter derselben sind noch heute die des Han
dels in allen europäischen Sprachen, Elef der Elephant, woher der
Name der Insel Elephantine, Tefdait der Dattelbaum und Au-
rog (Aurum) Gold. Die Tewarik bewohnen die S sahara,
welche östlich von Fesan und Tibbo, südlich von den Negern, von
Bornm, II a u f s a, G uh e r und T i mb e k tu, nördlich von den Oasen
Tedikel s (Tede ekels) und Tewat begrenzt ist; die Tewa
rik sind ein weisser Stamm berberischen Abkunft, Moslimen, welche
dem Bitus Majik’s folgen, sie halten viel auf Amulete (hirs), welche
von ihren Marahuten *), d. i. andächtigen Männern, verfertiget werden.
Der Name Tewarik heisst in der Berbersprache dasselbe, was im
Arabischen Kahile, d. i. herumziehender Stamm, Tewarik ist
also eigentlich keine Stammbenennung, wesshalb das Wort in der
Stammtafel der berberischen Stämme bei IbnChaldun auch gar
nicht vorkömmt; die arabischen Reisenden heissen sie Molesemun
(molaththemun), d. i. die Verhüllten, von ihrer Gewohnheit, sich den
Mund mit einem Vortuche (lisam) zu verhüllen; den durch die
Reisen des Capitän Lyon verbreiteten Irrthum, dass die Sprache der
Tewarik Ertana heisse, hat schon Gräberg deHemsö berichtigt,
indem er gezeigt, dass Ertana keineswegs der Name einer beson
deren Sprache, sondern keine andere Bedeutung habe als das fran
zösische Jargon. „Es ist etwas seltsam, aber begreiflich”, sagt Hr.
Hodgson, „dass Dr. Lepsius in denselben Irrthum verfallen, indem er
in seinem aus Korosko in Nubien geschriebenen Briefe von der von
ihm neu entdeckten Sprache Ertana spricht.” Die in Marokko ge
sprochene Mundart Schilha oder Schelu (Shilha und Sche-
Io uh) wird dort von den Berberen Tamafirght, d. i. die freie oder
Lepsius in seinen ägyptischen Berichten, I)r. Wiseman in seinen Vor
lesungen, Dr. Morton in seinen,Crania Aegyptincn und htr. Gliddon in
seinen Capiteln über das alte Ägypten zu Grunde.
) Verstümmelung des Wortes morabithun, welches der Plural von mora-
bitli; die Wurzel rabatba ist dieselbe des Deutschen Roboth und des
Slawischen Robota.
Zur Förderung derTuinder-, Sprachen-u. Völkerkunde Xord-Afrika’s. 489
edle, genannt; hier ist ein Irrthum, in welchen G r ä b e r g von Hemsö
sowohl in seinem Werke über Marokko *), als in seinem Aufsatze
über die Berber in der Zeitschrift der asiatischen Gesellschaft von
London 2 ) verfallen und hartnäckig dabei verharrt, zu berichtigen.
Amafirg ist nur der Name der Sprache und keineswegs des Volkes,
welches in Ihn Chaldun’s so ausführlichen Genealogie und Geschichte
nie anders als Berb e r genannt wird ; wenn die Griechen und Börner
dieselben Mazyes, Mazisci, Maziks und Massyli nannten, so
bedeutet dies nichts Anderes als die Söhne Mafig’s 8 ) des Sohnes
von Kanaan, auf welchen die Berber ihren Ursprung zurückführen,
und auf welchen wir wieder hei der Stammtafel derselben zurück
kommen werden. Herr Ho d gs o n meint, dass Tarn äfirt (Am a fi rg)
als ein Volksname dem Volksnamen der Franken als dem der
Freien, oder dem der Slawen als der Sprechenden oder Rühm
lichen entspreche, allein als Volksname bedeutet der Name derBeni
Mafig nichts anderes als die Nachkommen Mafig’s. Es ist sogar
möglich, dass der Name der libyschen Amazonen, welche bei Diodor
vonSicilien die älteren heissen 4 ), von den Weibern der Amafigen
hergenommen sei; was dieser Vermuthung einige Wahrscheinlichkeit
gibt, ist erstens, dass die bekannte griechische Etymologie, welche
den Namen derselben von dem Mangel einer Brust herleitet, überall
durch die bildende Kunst der Griechen zu Lügen gestraft wird, zwei
tens dass, wie aus mehreren Reiseheschreibern bekannt ist, Fürsten
des westlichen Afrika’s ganze Regimenter von bewaffneten und krieg-
führenden Weihern haben.
Nach den herberischen Mundarten der Kabilen und der T e-
wari'k führt Herr FI odg s on die drei Mundarten Erd'fchije, Mo fa-
bije und Sergu auf; die letzten, auch Surga genannt, sind die
herumziehenden Tewarik in der Nachbarschaft von Sudan. Die
Mundart Erdfchije wird von den Einwohnern Wadrig’s und
1 ) SpeccJiio geograßco e statistico dell' impero tli Marocco. Genova 1834.
2 ) Remarks on ihe Langnage of tlie Amazirghs, commonly called Berebbcrs.
Journal of the Royal asialic Society of Great Britain and Ireland III,
106.
°) £_JjL im nouveau Journal asiatir/ue, Tom. II, p. 120.
*) Creuzer’s Symbolik und Mythologie II, 172,
490
Freiherr H a m m e r - P u r g s t a 11.
Werdfe hile’s (Wurgelah), die Mundart Mofa bi je von den
BeniMofab gesprochen; diese, dieBiskari, Wadrig und Werd-
fchile, sind die Bewohner des alten Getuliens, die Beni Mofab
bewohnen eine Oase von Ssahara drei hundert englische Meilen süd
lich von Algier; die Biskari gegen Südwesten bewohnen einen an die
Ssahara stossenden Landstrich. Teggert (Tuggurt), die Haupt
stadt der Wadrig, ist hundert englische Meilen östlich von den
Biskari’s entfernt; Wer d fchile liegt dreissig Lieues von Teggert,
die Beni Mofab sind von den Bewohnern Wadrig’s und Werdfchile’s
durch eine weglose Wüste von acht Tagreisen getrennt, jene sind
weiss, diese schwarz; dieKabilen der Hochländer Nord-Afrika’s nennen
einen Mann Ergaf, die Bewohner der Niederung in der Ssahara
sprechen dasselbe Wort Erdfchaf aus; der Name der Oase heisst
auf Arabisch (und liiess gewiss schon so zur Zeit Herodot’s) W ah,
woraus die Griechen Oasis gemacht, auf Berberisch Egfer;
Wadrig ist ein zusammengesetztes Wort, dessen erste Hälfte das
Wah der Oase, die zweite Hälfte der Name des Volkes Erig, also
die Oase von Erig. Wadrig hing vormals vom Beg von Konstan
tine ab ').
Das Werkchen Herrn Ilodgson’s enthält auch einen doppelten
sehr schätzbaren Beitrag zur Literaturgeschichte der Berber, nämlich
die Titel von drei und dreissig hierüber in Europa gedruckten Werken
und die von drei in Europa bisher ganz unbekannten Handschriften
der Berber. Da diese drei Handschriften von höchster Wichtigkeit für
die nähere Kenntniss der Sprache der Berber, so wollen wir der
selben hier näher erwähnen, jedoch in umgekehrter Ordnung als der
von Herrn Hodgson gewählten, welcher das jüngste vorausschickt
und mit dem ältesten endet; wir werden dann diese Kenntniss ber-
berischer Literatur und Geschichte noch mit den Daten, die Ihn Chal-
dun’s Geschichte liefert, ergänzen.
Das älteste bekannte Werk in der Berbersprache ist der Koran
der Bergawate, welchen der Scheich derselben Ssalih B. Tliarif,
der im Jahre 177 d. H. (798) sich zum Propheten und Herrscher
aufvvarf, in achtzig Suren verfasste; ob dieser ganze Koran in der
Berbersprache verfasst, ist bisher noch ungewiss, aber die Anrufungs-
*) Als Örter der Oasen nennt H. II o d gso n Tuggurt, Nezla, Tebesbest, Moghair,
Ttnnmarhal. Kamara, Sidi Raschid, Sidi Yahiya, VVakelana, Sidi Hali),
Zur Förderung der Länder-, Sprachen- u. Völkerkunde Nord-Afrika’s. 49t
formein der Suren und der yom Geographen el-Bekri angeführte
Beginn der SureEjub sind berberisch.
Dritthalb hundert Jahre später, im Jahre 323 (937), gab Ebu
Moliammed Hemin B. Ebi ChalefMenal, der sieh als Prophet
und Herrscher der Gomeriten von Nokur und Tetuan aufwarf, einen
anderen berberischen Koran, dessen der Geographe Ebu Obeid
el-Bekri erwähnt und wovon Ibn Abdol-Halim im Karthas
nähere Auskunft gibt. Berühmter als diese beiden heute verschol
lenen Korane der Berber ist das Buch des Tewhid, d. i. der Eins-
werdung mit Gott, welches die Lehre der zweiten grossen Dynastie
der Berber, nämlich der Mu wahhidin oder Einheitsbekenner, deren
Namen europäische Geschichtschreiber in den der Alm oh ade n, so
wie den der ersten berberischen Dynastie der M o r a b i t h i n in M a r a-
buthen verstümmelt haben. Ebu Abdallah Mohammed B.
Tum ert el-Heragi, der sich selbst e 1 -Mehdi nannte, gab dieses
Buch im Jahre der H. 316 (1122) seinen Jüngern. Ibn Abdol-
Halim, der Verfasser des Karthas, sagt ausdrücklich, dass dieses Buch
in der Sprache der Berber geschrieben war, dass der Mehdi seinen
Jüngern es auswendig zu lernen befahl und dass es alle die, welche
ihm nicht gehorchten, für Ketzer erklärte. M e h d i gründete die
nach seinem Namen genannte Stadt Mehdi j et, deren Name bisher
von Geographen und selbst Orientalisten Maliadia ausgesprochen
worden. Mehdi ist, wie bekannt, der zwölfte verschwundene Imam
aus der Familie Mohammeds, der bis zum Ende der Welt in einer
Höhle verborgen, nach der Lehre derMoslimen erst am jüngsten Tage
als Vorbote desselben zugleich mit dem Herrn Jesus auf Erden er
scheinen wird; Mehdi J ) heisst der Geleitete und ist wohl zu
unterscheiden von Molidi, der Leitende, unter welchem Namen
der Verfasser der von Herrn Marcel herausgegebenen ägyptischen
Erzählungen bekannt. Ibn Chaldun beruft sich mehr als einmal
auf die Genealogen der Berberen, ohne jedoch bestimmt zu sagen, ob
ihre Werke arabisch oder berberisch geschrieben seien. Da wir nun
zum grossen historischen Werke Ibn Chaldun’s übergehen, so werden
diese Genealogien am besten unter den Quellen desselben, die wir hier
*) Mouradjead d’Ohsson ist sehr ausführlich über den Imam Mehdi,
und sogar in der kleinen Ausgabe I. 2(56 befindet sich die Abbildung des
selben, als eines in der Grotte sitzenden Jünglings.
492
Freiherr 1I a m m er-P u rg-s ta 11.
aufzählen wollen, ihren Platz finden. Diese Genealogien sind die des
grossen Genealogen Ihn K el bi, welche bestimmt arabisch, sowie
die Ihn Hafm’s, aus der von Herrn Pascual de Gayangos ins
Englische übersetzten Geschichte der mohammedanischen Dynastien
in Spanien bereits in Europa bekannt; ganz unbekannt hingegen und
selbst im bibliographischen Wörterbuche H a dfchi Chalfa’s nicht
zu finden ist die Auseinandersetzung der Genealogien 1 )
von Ebu Omer B. Abdol-Birr. Als der berühmteste berberiseher
Genealogen wird von Ihn Chaldun (I, 160) genannt: Hani B. Mafs-
dur B. Meris B. Nefuth Sabik B. Suleiman und Kehlan
Sohn Ebu Lewa’s 2 ), dass der erste berberisch geschrieben habe,
wird wahrscheinlich durch den Beisatz Ihn Chaldun’s: er ist be
kannt in i hren Büchern a ), wodurch zugleich die Mehrheit bcr-
berischer Bücher erhärtet ist. Die anderen von Ihn Chaldun in seiner
Geschichte mehrmal genannten Qnellen derselben sind die Väter der
arabischen Geschichte Mesudi, Thaberi, der Geograph e Ebu
Obeid el-Bekri, Ibn Rakik, der Verfasser der Geschichte von
Kairewan, Abdol-Hakem’s Geschichte der Eroberung Ägyptens
(II, 7), Ibn Esir, Ibn Said, Ibn Koteibe, Ofsüli, es-Soheili.
Der Name des Verfassers des oben zuerst genannten genealogischen
Werkes, Ebu Omer Abdol-Birr, beut die schicklichste Gelegenheit
zu einer Bemerkung über die Art und Weise, wie der arabische Text
der vorliegenden Geschichte Ihn Chaldun’s gedruckt worden, nämlich
nicht nur ohne Vocale, sondern auch ohne alle anderen diakritischen
Zeichen arabischer Wörter, nämlich ohne das Homfe, welches den
Laut des Elif als E, ohne Medd, welches die Aussprache des Elif
als A entscheidet, ohne das Verbindungszeichen Wafsl. welches in
der Aussprache ein Wort mit dem anderen verbindet, und sogar ohne
das Verdoppelungszeichcn (Tefchdid), welches nicht nur die ge
wöhnliche Verdoppelung der Buchstaben, sondern auch das Aufgehen
1 ) I. 114.
2 ) Voici ce que disent a ce sujct Snbek, fi's de Soliman, de la tribu de
Methmdtha, Hani, fils de Masdour, de la. tribu de Koumä, et Kahlän,
fils d* Abou-Lewa, tons ycnealogistes herberes. Nouveau Journal asia-
tif/ue II, 120.
3 ) p
Zur Förderung der Länder-, Sprachen-u. Völkerkunde Nord-Afrika’s. 493
des L des arabischen Artikels bezeichnet, wenn der Anfangsbuch
stabe des Wortes unter die Buchstaben gehört, welche von den
arabischen Grammatikern Sonnenbuchstaben genannt werden 1 ). Es
ist wahr, dass diese Zeichen in vielen Handschriften und auch in den
Druckwerken von Konstantinopel und Kairo vernachlässiget werden,
allein diese Bequemlichkeit orientalischer Abschreiber und Drucker
dürfte vor europäischen Orientalisten schwerlich Gnade finden, da der
Mangel dieser Zeichen oft Zweideutigkeiten herbeiführt; so weiss
z. B. der Leser im obgenannten eigenen Namen nicht, oh er Abdol-
Birr oder Ahdol-Ber zu lesen habe, Birr ist zwar ein Namen
Gottes, mit welchem in möslimischen eigenen Namen das Wort Ahd
als DienerGottes verbunden ist, aber hier ist um so mehr zweifel
haft, oh nicht Abdol-Ber, d. i. der Diener des Ber, gelesen werden
muss, als Ber häufig in den Geschichten der Berber vorkömmt, weil
es der Name der beiden Stammväter derselben.
Ausser den nötliigen Unterscheidungszeichen des Druckes ver
misst der Leser noch in den beiden Vorreden, sowohl in der arabischen
als in der französiclien den nötliigen Bericht über das historische Werk
1 bn Chaldun’s selbst, von dem liier nicht (wie man zu erwarten be
rechtiget wäre) das ganze Werk sammt der so berühmten Vorrede
(Mokaddeme), sondern ohne dieselbe nur mit dem Ende des zweiten
Buches, welches von der Geschichte der Araber handelt, das dritte
Buch, welches die Geschichte der Berber enthält, zu Tage gefördert
worden. Die Geschichte Ihn Chaldun’s, deren das bibliographische
Wörterbuch Hadschi Chalfa’s an zwei Stellen erwähnt ~), Tührt
den Titel: Die Beispiele und der Diwan d e s B e g i n n e s und
der Kunde in der Geschichte der Araber, Perser und
Berber; sie besteht aus drei Theilen, deren erster Tlieil allgemeine
philosophische Betrachtungen über die Gründung, den Flor und den
Verfall der ßeiche, über Staatsverfassung und Staatsverwaltung, über
Einrichtungen des Chalifates und afrikanischer Beiclie, und endlich
eine encyklopädische Übersicht der Wissenschaften des Orients ent
hält. Es sind nun gerade dreissig Jahre, dass in dem im Jahre 1822
') Wiez. B. II, 102 v. V. 1. Z. ivas bir-rijaset ausgesprochen Werden
muss und ohne die nötliigen diakritischen Zeichen bloss gedruckt ist.
a ) Bei Flügel unter Nr. 2085 und 8043.
494
Freiherr Hammer-Purgstall.
erschienenen ersten Bande des Journal asiatique der Leser dieses
Vortrages einen ausführlichen Bericht über den Inhalt der ersten
fünf Bücher der Prolegomenen (das sechste enthält die encyklopä-
dische Übersicht der Wissenschaften) erstattet *), und es sind vier
und vierzig Jahre, seit dass er in seiner für die im Jahre 1808 durch
die französische Akademie der Geschichte und schönen Wissen
schaften ausgesetzte Preisfrage über den Einfluss des Islams
in den ersten drei Jahrhunderten desselben eingesandten
Beantwortung den grossen politischen Geist Ihn Chaldun’s als den
des arabischen Montesquieu bezeichnet hat, von welchem, wie ihm
sein Freund Silvestre de Sacy schrieb, die Beisitzer der Preis-Com
mission mit Erstaunen zum erstenmal gehört.
Der erste Theil der Geschichte lbn Chaldun’s ist die so be
rühmte Mukaddeme oder Mokaddime, d. i. die Prolegomenen,
welche in Europa dem Verfasser den Ehrennamen des arabischen
Montesquieu verschafft a ) und deren vom türkischen Gelehrten Mufti
Pirifade verfertigte türkische Übersetzung seitdem das Handbuch
aller Staatsmänner des osmanischen Reiches. Die Herausgabe des
Textes und die Übersetzung dieser Prolegomene würde europäischen
Orientalisten ganz gewiss ein erwünschteres Geschenk und von all
gemeinerem Interesse gewesen sein, als die der vorliegenden zwei
Bände, welche nur das Ende der Geschichte der Araber und dann das
dritte Buch, nämlich die Geschichte der Berber enthält, die sich nur
auf die Bewohner Nord-Afrika’s beschränkt. Ein vollständiges Exemplar
der Geschichte lbn Chaldun’s befindet sich, laut des darüber vom
deutschen Reisenden Schulz im Journal asiatique 8 ) erstatteten Be
richtes, auf der Bibliothek Ibrahim Paschas zu Konstantinopel, wo
dasselbe Baron M. G. Slane, welcher, um die Bibliotheken Konstan
tinopels zu besuchen, einige Monate dort verweilte, gewiss eingesehen;
diese Bibliothek war zu Anfang dieses Jahrhunderts Europäern noch
nicht zugänglich, und da das Werk Ihn Chal d u n’s in keinem Kataloge
1 ) Nutice sur l'inlroductiöh a lu connuissunce de l'histoire, celibre Ouvraye
arabe (Vlbn Khaldoun; par M. de Hammer. Journal asiatique, Tome
premier, pag. 267.
2 ) Geschichte des osmanischen Reiches VIII, S. 120 und 235, und III, S. 765.
3 ) Note sur le grand ouvrage historique d'lbn Khaldoun, conserve dans la
bibliotheque d'Ibrahim pacha, a Constantinople; par M. Schulz. Nouveau
Journal asiatique 1, 136.
Zur Förderung der Länder-, Sprachen- u. Völkerkunde Nord-Afrika’s. 495
der anderen Bibliotheken ersichtlich, so entstand die irrige von
Schulz widerlegte Angabe, dass sich dasselbe auf keiner der Biblio
theken Konstantinopels befinde 1 ).
In der kurzen französischen Vorrede, die nicht länger als dritthalb
Seiten (die arabische ist noch kürzer), ist wohl von den sechs zur
Herausgabe des vorliegenden Werkes benützten Handschriften, aber
keineswegs von der durch Schulz zu Konstantinopel aufgefundenen
vollständigen Handschrift der Geschichte Ihn Chaldun’s die Rede;
da Baron M. G. S. seine Anwesenheit zu Konstantinopel benützte, um
der königlichen Bibliothek zu Paris eine Abschrift der Geschichte
Ihn Esir’s zu verschaffen, so hätte er derselben wohl eben so leicht
eine Abschrift des der Pariser Bibliothek fehlenden zweiten Buches
Ibn Chaldun’s, welches die Geschichte der Araber enthält, ver
schaffen können; es scheint ihm aber aus politischen Gründen, wegen
des dermaligen unmittelbaren Verkehrs der Franzosen mit den Berbern,
die Herausgabe ihrer in Europa grösstentheils unbekannten Geschichte
näher gelegen zu sein, als die Herausgabe der Mukaddeme oder
Mokaddime und des zweiten Buches der Geschichte Ibn Chal
dun’s, welches die der Araber enthält. Man sollte meinen, das vor
liegende Werk beginne mit der Geschichte der Berber, aber das
dritte Buch der Geschichte Ibn Chaldun’s, d. i. die der Berber,
beginnt erst auf der hundert fünften Seite des ersten der beiden vor
liegenden Bände. Welcher Grund zu dieser Unförmlichkeit den
Herausgeber bestimmt haben möge, ist schwer zu entscheiden,
entweder begannen die ihm zu Gebote stehenden Handschriften
nicht früher, oder er wollte das Ende des zweiten Buches Ibn
Chaldun’s an der Spitze des dritten mit abdrucken lassen, weil
es die Geschichte bisher wenig bekannter oder ganz unbekannter
Dynastien enthält, während die Geschichte der Araber vor dem Islam
und die des Clialifates doch grösstentheils bekannt. Die auf den
ersten hundert Seiten des ersten Bandes besprochenen Dynastien
sind: 1) Die der Beni Mohenna in der Wüste, in Syrien und in
Irak (S. 1 bis 16), 2) die der Beni Hilal und Soleim in Magrib
(S. 16 bis 30), 3) die der Esidfch, welche ein Zweig der Hilal
1 ) Le yrund ouvraye d'lbn Khaldoun, que M. de Hummer avait annoncii
comme n'existant dans aucune des bibliotheques de Constantinople. Eben
da S. ?l).
496
Freiherr H ammer-Purgstall.
(S. 30 bis 36), 4) die der Dfobfchm, welche Bewohner der
Ebenen Magribs (S, 36 bis 43), 5) die der Rijah und ihrer Zweige
(S. 43 bis 53), 6) die der Sogbet und ihrer Zweige (S. 33 bis 72),
7) die der Makil und ihrer Zweige (S. 72 bis 185). Hier wird also
ein halbes Dutzend von unbekannten Dynastien (denn die erste der
Beni M oben na ist mehr oder weniger aus der Geschichte desCliali-
fates bekannt, befindet sich aber eben so wenig als die sechs anderen
in dem Verzeichnisse der Dynastien hei Deguignes) aufgeführt,
was jedenfalls eine dem Geschichtsforscher angenehme Zugabe zur
Geschichte der Berber, womit sich das dritte Buch Ihn Chaldun’s
ausschliesslich beschäftigt und wozu wir nun hiermit übergehen.
Zuerst gibt uns Ibn Chaldun’s Werk Mittel an die Hand über
den Ursprung des Namens Berber, über welchen bisher so ver
schiedene Meinungen obwalteten, eine neue aufzustellen, welche uns
die allein richtige zu sein scheint. Von den bisher darüber gäng und
geben ist wohl die verkehrteste, dass ihr Namen von dem Bdpßccpog
der Griechen oder Barb arus der Römer herstammen sollte, während
umgekehrt diese beiden Wörter ganz gewiss von den rohen und wilden
Völkern der B e rb e r abstammen; Griechen und Römer verstümmelten
den ursprünglichen Namen der Berber, dem sie nur die Sylbe ihres
Nominativs anhingen, minder als die neueren Reisebeschreiber und Ge
schichtschreiber, welche aus demselben Berebber und Barabbra
gemacht; selbst in der sonst so schätzbaren Abhandlung Gräberg’s
von H ein s ö in der Zeitschrift der asiatischenGesellschaftvonL o nd o n
heissen sie Berebbers oder Amasirgen, wiewohl dieser Name
unter ihnen selbst ganz unbekannt, in Ibn Chaldun auch nicht ein
einzigesmal vorkömmt. Weil die Wurzel Berbere im Arabischen
er hat zornig gemurmelt heisst, so ist es Philologen eingefallen,
den Namen der Berber von derselben herzuleiten, was um nichts
besser ist, als wenn man den Namen der Berber von dem onomato-
pöischen Brr herleiten wollte. Die beliebteste und durch eine ent
fernte Ähnlichkeit der Aussprache die Gelehrten anlachende Ableitung,
an welcher selbst Johannes von Müller nicht zweifelte, war die,
dass man den Namen Berber als Sohn der Wüste erklärte, als ob es
ursprünglich Barberr geheissen hätte, indem Bar auf syrisch Sohn
und Berr auf arabisch Land oder Wüste bedeutet; es fiel den Ver-
theidigern dieser Abstammung nicht auf, dass wenn dieselbe wahr
sein sollte, die erste Hälfte des Wortes Berber, dessen beide Sylben
Zur Förderung der Länder-, Sprachen- u. Völkerkunde Nord-Afrika’s. 497
vollkommen gleichlautend sind, mit einem Elif gedehnt und die zweite
durch die \ erdoppelung des Endbuchstabens geschärft werden müsste.
Nach der verwerfenden Heerschau dieser irrigen Ableitungen bringen
wir nun die auf Ibn Chaldun’s genealogische Angaben gestützte
neue Meinung in Vorschein, zu deren Aufstellung es aber keineswegs
der Erscheinung des vorliegenden Werkes bedurfte, indem die aus
demselben übersetzte Genealogie der Berber schon seit vier und
zwanzig Jahren im zweiten Bande des nouveau Jornal asiatique der
Welt vorliegt.
Die Berber zerfallen nach ihren eigenen Genealogen in zwei
Stämme, die Beranis und die Beter, die ersten sind die reinen
Berber, die zweiten sind mit arabischem Blute gemischt, aber sowohl
der Vater der Beranis als derVater der Beter heisstBerund diese beiden
Ber sind von ganz verschiedener Abkunft, der erste Ber Sohn Ma-
fig’s des Sohnes Kanaans 1 ), der zweite Ber Sohn von Kais des
Sobnes G a i 1 a n ’ s 3 ); die Zusammensetzung des Namens dieser beiden
in ihrer Abstammung so verschiedenen B er gibt die ungezwungenste
Ableitung des Namens des aus beiden Stämmen Be r zusammegesetzten
Volkes der Berber.
Von den zahlreichen Stämmen der Berber kommen im Deguignes
nur die drei herrschenden der L emtunen oder Ssinhadsche, der
Mafsämide und der Senate vor, welche die Dynastien der Mora-
bitliin, Muwa hhi din und Be ni Merin gründeten; in dem von
Hrn. G. C. Renouard über die Arbeit Hrn.Gräberg’s von Hemsö
erstattetem Berichte 3 ) wird ein Dutzend dieser Stämme nach europäi
schen Geschichts- und Reisebeschreibern aufgefiihrt. Die Namen
von anderthalb hundert berberischen Stämmen sind in dem Schlüsse
des Aufsatzes über die Geographie Arabiens 4 ) den Stammtafeln der
arabischen Stämme (nach Makrii'i) angehängt worden. Es ist kein
Zweifel, dass die Angaben Ihn Chaldun’s, welcher sich an die
D Les Ber Anis sont enfnns de Ber, descendanf de Mäeigh, fils de Ca-
na an. Nouv. Journ. asiat. II, 120.
2 ) Les Boutar (Beter) sont enfans de Ber, fils de Kcis fils d' A'il an.
Nouv. Journ. asiat. fl, 121.
3 ) Report ofi the Rev. G. C. Renouard, B. D. on the preceding Remarks
of M. Gr ab er g de Ilemsö. Asiatic Journal, London 1836, III, 131.
4 ) * ,n XCV. Bande der Jahrbücher der Literatur.
Sitzb, d. phil.-hist. CI. VIII. Bd. V. Hft.
35
498
Freiherr H a in mer-Puigstal 1.
Genealogen der Berber hielt, eine richtigere als die Makrifi’s,
welcher zwar vierzig Jahre später als Ihn Chaldun starb aber nur
aus arabischen Quellen schöpfte und von den beiden Urstämmen der
Berber gar keine Kenntniss hat. Schulz gibt in seiner nur aus Einem
Hauptstücke Ibn Chaldun’s gezogenen Genealogie beiläufig nur
hundert dreissig Stämme, während die Geschichte Ibn Chaldun’s
in den vorliegenden zwei Bänden deren gegen vierhundert nennt; es
ist unmöglich, sich in dieser Verzweigung von Stämmen und der Ab
leitung derselben von ihren Urstämmen ohne Stammtafel zurecht zu
finden, und wiewohl vorauszusetzen, dass eine solche der französi
schen Übersetzung des Werkes beigegeben werde, so wird die auf
die beiden beigeschlossenen Stammtafeln 1 ) der beiden Urstämme und
ihrer Zweige verwandte Mühe um so minder eine verlorene sein, als
die schon vor fünf Jahren als nächst erscheinend angekündigte fran
zösische Übersetzung noch immer auf sich warten lässt, und als eine
solche Stammtafel nothwendig, selbst um sich in der Übersicht der in
diesem Werke aufgeführten berberischen Dynastien zurecht zu fin
den. Die Zahl der mit arabischen Einwanderern vermischten Stämme
beträgt beiläufig nur ein Drittel der rein berberischen Stämme, und
die beiden Urstämme mit ihren Zweigen erscheinen hier nach der
Angabe der berberischen Genealogen getrennt. Ibn Chaldun gibt
zu Ende seiner Genealogie (S. 113) drei arabische Gedichte
(Temadhar’s, Obeidet B. Kais el-Okaili’s und Jefid B.
Chalid’s) zum Lobe der Berber, wovon das letzte nur aus neun
Distichen bestehende zum Lobe der Berber aus dem Stamme von Ber
B. Kais B. Gail an liier in Übersetzung folgt:
0 Prager! wenn du dieli um uns’ren Stamm erkundigst,
Wir sind von Kais Gailan die Söhn’ der ersten Ehre,
Wir sind es, die wir sind die edlen Söhne B e r’s,
Des Adels Blut, der Ruhm ist oft nur Schlamm (vom Meere),
Von Vater edelstem wir schlagen unser Feuer,
Von welchem Holze man dasselbe auch begehre 3 ).
Die Väter bringen sich den Ruhm des Adels zu,
Der Kais gibt dem Ber, und Ber dem Kais die Ehre;
*) Siehe die Beilagen.
2 ) Dieses Distichon bezieht sich auf die arabische Art, aus zwei Hölzern Feuer
zu machen; die beiden Hölzer sind das Bild der beiden Urstämme Ber,
welche, gegen einander gerieben, im Volke Berber Feuer geben.
Zur Förderung der Länder-, Sprachen- u. Völkerkunde Nord-Afrika’s. 499
Wir halten uns an Kais, den grössten uns’rer Ahnen,
Er lös'te Fesseln auf und and’re Dinge schwere.
Die Kais von Kais Gailan sie sind fürwahr die Minen
Der Wahrheit und des Rechts, des Guten und der Lehre,
Die Tugend ist genug als Gut dem Volke Ber’s,
Besieget haben sie die Welt mit ihrem Heere,
Durch Weisse schlagen sie die Kinder Ham’s, die schwarzen,
Verirrt ist wer abweicht vom Pfad des Recht’s, der Ehre.
Begrüsset mit dem Loh von mir die Berber alle,
Dass keiner je des He i k’s *) vom bessten Haar entbehre.
Die Geschichte der Berber Ihn Chaldun’s beginnt zuerst mit der
Geschichte verschiedener Zweige, deren Namen wir übergehen, aus
den beiden Hauptstämmen der Bernes oder Bornus B. Ber und
der Beter oder Buter B. Ber; die erste Dynastie der Berber
(Seite 167) ist die der B e n i W a s u 1, der Könige von Sedfchelmese
und Miknese (Seite 167); in der Vorrede werden dieselben unter
den Dynastien aufgeführt dont Vliistoire et quelquefois meine les
noms nous etaient presqu’ inconnus; dies ist jedoch mit der
zweiten, den Beni Medrar, nicht der Fall, indem dieselben in den
chronologischen Tafeln Hadfehi Chalfa’s und aus denselben schon
mehrmal, und noch jüngst in der Einleitung der Geschichte ara
bischer Literatur (S. LIII) aufgeführt worden sind; 3) die Dynastie
der Beni Ebil Aafijet, der Könige von Tesül (S. 171),
dann die Geschichten einzelner Stämme, deren Namen wir hier
übergehen und deren letzter und mächtigster die S si n h a dfch e, aus
welchen 4) die Dynastie der Seiri B. Monad, welchen Moif,
der Eroberer Ägyptens, nach seinem Zuge dahin als Statthalter
Nord - Afrika’s zurückliess; die Geschichte derselben findet sich bei
Deguignes (I, 369) und die Lebensbeschreibungen ihrer berühm
testen Fürsten, wie B e I k i n, B a d i s, T e m i m auch in Ihn Challik,an;
ganz unbekannt hingegen war bisher S) die Dynastie der Beni
Chorasan aus dem Stamme der Ssinhadfche, welche zu Tunis
(1,210), so wie die 6) der Benir-Rend, welche zu Kaffsa
*) Heik ist, wie bekannt, das Unterkleid, wie Burnus der Mantel oder das
Oberkleid, dessen Namen vermuthlich vom Stammvater Bernes oder Burnus
sich herschreibt. Der Dichter Abdallah Ihn Ejub ct-Teimi sagte:
Sie sind nur Vieh, dem das nur frommen muss,
Was den Barbaren, die bekleidet mit Burnus 11 ),
a) Geschichte der arabischen Literatur III, 624.
35 *
Freiherr Hammer- P u rgstall.
800
herrschten (I, 213), 7) die Dynastie der Beni Hammad (I, 221)
findet sich ebenfalls schon bei Deguignes, sie waren ein Zweig der
Seiri, so wie die 8) der Beni Habbus, der Könige von Granada
(II, 32); nach diesen acht kleinen Dynastien folgt 9) die grosse und
mächtige der Molesimun oder Morabithun (1,235), deren
Geschichte aus dem Spanischen und schon durch die Schlacht von
Zalaca bekannt genug; ein Zweig derselben ist 10) die Dynastie
der Beni Ganij et zu Tunis, Kabis und Tripolis (Seite 248); in
diesem Abschnitte ist auch von der Gründung des Reiches der B e n i
Ejub durch Ssalahedin und seinem Feldherrn Karakufch (die
verderbte arabische Aussprache von Karagöf, d. i. Schwarzauge)
die Rede; dieser war bisher als Erbauer des Schlosses und der
Mauern von Kairo bekannt und für einen Griechen gehalten, wir
lernen hier (I, 251), dass er ein Armenier, auch den Namen Mofaf-
feri und Nafsiri führte, weil er einMameluke Mofaflers, vonNafsir
Ssalahedin mit grossem Vertrauen verwendet ward. Wichtiger als
diese neuen Kunden sind die in dem folgenden Abschnitte (I, 261)
über die Neger (Sendfchen, Nubier und Abyssinier) enthaltenen
genealogischen und historischen Nachrichten; die Neger sind alle
Abkömmlinge von Ham, als die Söhne desselben werden in der
Genesis (X, 6) Chus, Mizraim, Put undCanaan genannt; Chus
heisst im arabischen K,ufch und Mizraim Kuth oder Koft, d. 1.
der Vater der Koften, welche die Bewohner M i f s r’s, d. i. Ägyptens.
Kufch hatte drei Söhne: Sendfeh, Nubet und Habefch,
welche die Stammväter der Sendfchen, Nubier und Abyssinier, Koft
war auch der Stammvater von neunzehn anderen Negerstämmen; die
Hauptstadt der Sendfchen, welche die westlichen Länder Afrika’s am
indischen Meere (Zanguebar) bewohnten, heisst Menbeset,sie
sind Magier, was hier nicht sowohl als Feueranbeter, sondern als
Götzendiener zu verstehen ist, denn auch die Normannen werden in
den arabischen Geschichten Spaniens Magier genannt; die Sendfchen
spielen eine grosse Rolle in der Geschichte des Chalifats, indem sie
i. J. 255 (869) zu Bafsra als Empörer (die Sendfchifchen Sclaven
hatten sich ihrer Herren bemächtiget) auftraten und zugleich mit den
Karmaten durch mehrere Jahre das Chalifat mit Untergang bedrohten,
neu ist die Angabe, dass derselben schon der grosse vorisla
mische Dichter Imriolkais, dessen Namen bisher von europäi
schen Orientalisten irrig als Ainrolkais ausgesprochen wor-
Zur Förderung der Länder-, Sprachen-u. VölkerkundeNord-Afrika's. 501
den 1 ), in einem seiner Gedichte erwähnt. Makdefchn ist ein Hafen
der Sendfchen am indischen Meere, wohin Moslimen Handel treiben,
die an die Sendfelien grenzen; die Habefche, d. i. die Abyssinier,
sind das mächtigste der Negervölker, sie waren vor dem Islam
Christen und sind in der Geschichte bekannt genug sowohl durch
die erste Auswanderung der Moslimen, welche sich nach Abyssinien
flüchteten als durch die Schreiben Mohammeds an den Nedfchafchi,
das erste um ihn zur Vermählung der Tochter Sofjan’s, die sich
unter den Ausgewanderten befand, zu bevollmächtigen, das zweite um
ihn zur Bekehrung zum Islam einzuladen. Die bisher in den orien
talischen Geschichten gäng und gäbe Meinung, dass Nedfchafchi
der Name aller Herrscher Abyssiniens sei (wie die Cäsaren in Rom,
die C h o s r o e n in Persien und die P li a r a o n e n in Ägypten) 3 ) wird
von IhnChaldun widerlegt; das arahischeNedfchafchi ist bloss eine
Verstümmlung des eigenen Namens Engafch, dessen G im Abyssi-
nischen fast wie Df che lautet. Der eigene Namen des abyssinischen
Königs zur Zeit als Ihn Chaldun schrieb, d. i. zu Ende des vierzehnten
Jahrhunderts der christlichen Zeitrechnung, war Hathi oder Hatlia,
er residirte in der Stadt Damut, nördlich aber von demselben ein
moslimischer König Hakkeddin B. Mohammed B. Ali B. Wel
fs am a, dessen Grossvater ein Unterthan König Hatha’s gewesen in
der Stadt Wefat; nach dem Tode Hakkeddin’s folgte sein Bruder
S a d e d d i n, der sich wieder dem H a t a unterwarf. Nun führt Ihn Chal
dun eine Stelle aus dem arabischen Geschichtschreiber Spaniens Ihn
Said an, die hier wörtlich übersetzt folgt: „Auf sie (die Habefch)
„folgen die Eli ha, welche theils Christen, theils Moslimen, ihrer
„ist die Insel Sewakin im Meere von Sues; ihre Stadt ist Don-
„kolaaufder Westseite des Niles, die meisten sind Christen, sie
„stossen sowohl an die ägyptischen Länder, wohin sie als Sclaven
„abgeführt werden, als an die Sagawet, die Moslimen und Kauf-
„leute, an diese stossen die el-K,anim, ein grosses moslimisches
„Volk, deren Stadt Haimi und die ihre Herrschaft über die Wüste
„(Ssahara) bis nach Fesan ausdehnen; sie leben im gutenEinver-
*) Die ausführlichen aus den arabischen Wörterbüchern genommenen Beweise
im I. Bde. der Geschichte der arabischen Literatur, S. 284.
2 ) Schon Medaini, gest. 215 (830), schrieb ein Werk der Nedfchafchi, d. i,
der Könige Abyssiniens. Geschichte der arabischen Literatur III, 392. Das
159, der 225 Werke Medaini’s,
502
FmiuviT 11 a m m e r - I* u r g s l a 11.
„ständnisse mit der Dynastie der Beni Haffs zu Tunis. Westlich
„stossen an sie die K,ewk,ew und nach diesen die Nakaret,
„Tekrur, Lema, Nemnem, Dfchabi, K,uri und Inkirar,
„sie stossen an den Ocean bis nach Ga net im Westen.”
Nach der Eroberung Ägyptens durch die Moslimen fanden
muslimische Kaufleute keinen grösseren König als den von Ganet,
der in zwei sehr grossen Städten residirt, deren im Buche Boger’s,
d. i. in der Geographie Idrisi’s, Erwähnung geschieht. Östlich an die
selben stosst das Volk der Ssufsu, dann das der Malyund das der
Kewgu, welche auch K,agu heissen, nach ihnen sind die Tekrur;
der rechtsgelehrte Scheich von Gaue, welcher i. J. 796 (1393) nach
Kairo kam, erzählte dem Ihn Chaldun, dass zu den Tekrur auch die
Sagai, Malij und Enkarijet gehören; das Beicli von Ga ne
erlag der Übermacht der benachbarten Molesimin und sie wurden
von der Gewalt ihrer Nachbarn der Ssufsu bezwungen, wie diese
später der Übermacht der Malij erlagen.
Der erste König von G a n e, welcher den Islam annahm und nach
Mekka wallfahrtete, hiess B ermen da net, er entriss die Herrschaft
der Ssufsu ihrem Könige Mari Dfchatha (Mari heisst in ihrer
Sprache ein Fürst aus königlichem Geblüte, und Dfchatha einLöwe).
Nach fünf und zwanzig jähriger Herrschaft folgte ihm sein Sohn
Mensa Weli. Mensa heisst Sultan und Weli heisst in ihrer
Sprache so viel als Ali. Er verrichtete die Wallfahrt unter der
Begierung Sultans B e ib er ’s (der von 658 bis 676 d. H. regierte); ihm
folgte dessen BruderWati, und nach ihm dessen Bruder Chalifet,
der, weil er die Leute muthwillig mit Pfeilen tödtete, erschlagen
ward; ihm folgte ein mütterlicher Enkel Ali Dfchata’s, Namens
Ebubekr, dann einer ihrer Freigelassenen Namens Sakuret, der
zur Zeit Melik en-Nafsir’s i. J. 694 (1294) die Wallfahrt nach
Mekka verrichtete und bei seiner Rückkehr zu T a df ch u r a erschlagen
ward. Er eroberte das Land der K, e w k,e w, unterwarf sich die Malij
und Gan e bis an das Land der T ekrurim Osten; er war ein mäch
tiger Sultan, unter dem der Handel in Magrib und im nördlichen
Afrika blühte, dies erzählt Ihn Chaldun aus dem Munde des Scheich
Osman des Rechtsgelehrten von Gane, das Folgende aber aus dem
Munde des Hadfchi Junis, des Dolmetsches von Tekrur.
Der Dolmetsch der Tekrur sagte, dass der Eroberer der K,ew-
k,ew Sagmen dsche, einer der Kaide Mensa’s, gewesen, dass
Zur Förderung der Länder-, Sprachen- u. Völkerkunde Nord-Afrika’s. 503
nach Sakure Ku, der Sohn Maridschata’s, und nach Ku sein
Sohn Mohammed regiert, nach welchem die Herrschaft auf seinen
Neffen Ebubekr übergegangen, der i. J. 724 (1323) die Wallfahrt
verrichtete, welchen der Dolmetsch in diesem Jahre beim andalu-
sischen Dichter Ebu Ishak Ibrahim es-Ssahili, bekannt als
Thuweidschin, traf und in sein Land zurück begleitete u. s. w.
Dies genügt um zu zeigen, wie viel Neues und Unbekanntes das
vorliegende Werk nicht nur über die Geschichte der Berber, sondern
auch der Neger enthalte; es folget nun die Geschichte der Dynastien
aus dem Stamme der Mafsmud (im Plural Mafsamide), und
zwar erstens 11) die der Bergawat ha, welche zwar zum Theile
schon aus D ombay’s Geschichte der mauritanischen Könige (I, 199)
bekannt und von deren Gründer Ssalih, als dem Verfasser eines
Korans der Berber, bereits oben die Bede gewesen, über welchen
aber Ihn Chaldun (I, 273) mehrere neue Aufschlüsse gibt, so z. B.
die Titel der Suren dieses Korans, nämlich: die Sure des Hahnes,
des Kam e e 1 e s, der E1 ep ha n t e n, A d a m s, N o e ’s, H a r u t’s und
Marut’s, des Iblis, die der Seltenheiten der Weit; er liiess
Ssalih el-Mum in in, d. i. der Bedliclie der Rechtgläubigen; Ihn
Chaldun beruft sich hier auf den Geographen Bekri, der Mehreres
über diesen Religionsstifter aus dem Munde Semur’s, des Gesandten,
der im Jahre 332 (963) an den Chalifen el-Hakem nach Cordova
kam, gehört hatte. Hr. Quatremere hat in dem aus Bekri in dem
XII. Bde. der Notices et extraits des manuscrits de la bibliotlieque
du Roi Mehreres von diesem Religionsstifter und unter andern die von
Said B. Hischam el-Mafsmudi auf die Schlacht von B ehet
verfassten, auch von Ibn-Chaldun (S. 276) aufgenommenen Distichen
wiedergegeben. Da die Handschrift Bekri’s, aus welcher Hr. Quatre
mere den Text und die Übersetzung gegeben, nach den darausgege
benen Proben des Textes augenscheinlich eine schlechte, indem sie
nicht nur meistentheils der Puncte entbehrt, sondern auch hie und da
die Wörter verstümmelt, so folgt hier die Übersetzung dieser Disti
chen aus Ihn Chaldun, wodurch der Text und folglich auch die
Übersetzung Hrn. Quatremere’s *) berichtiget wird.
*) Das Reimwort des dritten Distichons heisst im Ihn Chaldun 0 mol-Ka
di na, was Herr Quatremere als Omol-Kafibina gelesen und la mere
des menteurs übersetzt hat,
304
Freiherr Hammer- Pu rgstall.
Verweil’ eh du dich trennst und gib mir Nachricht,
Die wahrste und die sicherste der Kunden,
0 möchten nie sie klares Wasser trinken!
Sie sind verderbt, verirrt von Gott geschwunden.
Sie sagen Ebu Gafir ist Prophet,
Verderbe Gott Ominol-Kadina’s Kunden,
Hast du gesehen und gehört die Schlacht von Bebet,
Wo Wehklag’ an die Pferde war gebunden,
Gestöhn der Weinenden und der Verwaisten.
Geheul der Mütter, die zu früh entbunden 1 );
Es werden es Tamesna’s Leute wissen,
Wann sie am jüngsten Tag sich einst gefunden.
Hier ist der Junis und des Vaters Söhne 2 ),
Die Leiter der Berber in bösen Stunden,
Werj awer i, die Höll’ soll ihn ergreifen!
Er ist der K aid von jenen stolzen Hunden.
Es ist der lieut’ge Tag nicht euer Tag,
Die Nacht hat Meis er e euch eingebunden.
Hierauf (S. 281) 12) die Dynastie der Beni Ofsam aus den
Go mar et, welche zu Sebte (Ceuta) herrschten; 13) die
Dynastie der Könige von Nokur, aus dem Stamme der Gomaret
(S. 282). Ihn Chaldun gibt die beiden Distichen, womit das Auf
forderungsschreiben Mehdi’s, des Gründers der Dynastie der Mu-
wafsidin, an den König von Nokur endete:
Seid ihr gerad, so seid ihr’s euch zum Heil,
Weicht ihr von mir, wird Todtschlag euch zu Theil;
Es hebet sich mein Schwert, besiegend euer Schwert,
Ergebet euch, weil sonst der Tod euch widerfährt.
Hierauf antwortete auf Befehl Jusuf B. Ssalih’s sein Dichter
e 1 - A hm e s von Toledo :
Bei Gott! Du lügst, und ungerecht ist Deine Fehde,
Nichts weiss der Herr von Deiner übermülh’gen Rede,
Du bist Unwissender, ein Gleissner nur Du bist,
Unwissende vergleicht die Sunna wie ihr wisst;
Der Glaube Mohammeds beschwinget uns’ren Geist,
Indessen Deiner nur auf nied’rer Erde kreis’t.
') d aut res laissoient echapper letir fruit avant le terme.
~) Benu Ebihi, die Söhne seines Vaters, d. i. seine Brüder; bei Herrn
Quatremere nach dem verderbten Text les fils de ses fils.
Zur Förderung der Länder-, Sprachen- u, Völkerkunde Nord-Afrika’s. SOS
i 4) Die Dynastie der B e n i H a m u tl zu Seite und T h a n ri
sche (Ceuta und Tanger). In dem Abschnitte der Thronan-
massung Mehdi’s (S. 298) werden als Quellen Ibnol-Katlian
und Ihn Reschik genannt, so dass der letzte ein anderer als Ihn
Rakik zu sein scheint. Hierauf folgt die Geschichte der Dynastie
IS) des Muwafsidin, ihres grossen Fürsten Abdol-Mumin und
der vier Chalifen seiner Nachfolger (Abu Jakub, el-Manfsur,
Nafsirlidinillah und Mofstanfsirbillah). Die Eroberung von
Andalus und des nördlichen Afrika wird umständlich erzählt, der
Aufstand des Ibn Merdenisch im Osten von Andalus, so wie der
von Ibn Ganije in Afrika. In dem Abschnitte, welcher die Ankunft
des Ibn Monkis zu Mehdijet aus Ägypten meldet (S. 330),
geschieht im Vorbeigehen der Eroberung Jerusalems durch die
Franken und der Wiedereroberung' durch Ssalaheddin Erwähnung
(S. 337); unmittelbar vor der Regierung Mofstanfsirbiilah’s ist
(S. 337) ein Abschnitt der bisher ganz unbekannten Herrschaft
einesandalusisclien Gelehrten Sewret Ibnol-Feres gewidmet; da
dieser Abschnitt nicht mehr als zehn Zeilen und übrigens geschicht
liches Interesse hat, folgt derselbe als der kürzeste des ganzen
Werkes hier übersetzt:
„Abderrahim B. Abderrahman Ibnol-Feres, ein Ge
kehrter aus Andalus, bekannt unter dem Namen el-Melier, befand
„sich eines Tages in der Gesellschaft el-Manfsur’s (des
„Herrschers der Muwafsidin) und sprach dort so frei, dass er für
„sein Leben fürchtete und desshalb, nachdem er von der Versamm-
„Iung fortgegangen war, sich verborgen hielt; nach dem Tode
„Manfsur’s trat er im Lande Gefulet mit der Anmassung der
„Imamschaft auf, er behauptete, dass er der Mann aus den Söhnen
„Kahthän’s sei, von dem die Überlieferung des Propheten meldet:
„die letzte Stunde wird nicht kommen, bis nicht ein
„Mann aus den Söhnen Kahthän’s aufsteht, der die
„Menschen mit einem Stocke leiten wird und sie zur
„Gerechtigkeit antreiben wird, wie sie sonst zur
„Ungerechtigkeit angetrieben werden;” ihm werden die
folgenden Verse zugeschrieben:
„Sag’ den Söhnen A b d o 1 - Mumin’s B. Ali,
„Fürchtet ihr denn die Begebenheiten nie,
„Seht! gekommen ist der Herrscher von Kahtliän,
„Der die Herrschaft endet und sie fangt an,
m
506 fVeihevr Ha mm er-P u i gs taII.
„Mit dem Stocke treibt die Völker seine Kraft,
„Mit Gebot, Verbot, mit Thun und Wissenschaft,
„Unterwerft euch ihm, dem Siegenden durch Gott,
„Gott gibt den Zurückeweichenden den Tod.”
„Der Chalife en-Nafsir (der Nachfolger Manfsur’s) sandte
„Truppen wider ihn, die ihn schlugen und tödteten, sein Kopf wurde
„abgeschnitten und zu Marokko aufgesteckt.”
In den folgenden Abschnitten wird die Regierung a) el-Mofs-
tanfsir’s des Sohnes Nafsir’s, b) die el-Machlun’s des Bruders
Manfsur’s, e) el-Aädil’s des Sohnes Manfsur’s, d) Mamun’s
des Sohnes M an fs ur’s, e) R e s c h i d’s des Sohnes Mamun’s, f) S a i d’s
des Sohnes Mamun’s, g) Mortedha’s des Neffen Manfsur’s und
das Ende der Herrschaft der Muwafsidin erzählt, deren letzte
16) die Beni Jedder, die Emire von Sus. Die sieben obgenannten
Herrscher erscheinen auch in der Herrscherliste der Muwa fsidin
bei Deguignes (I, 383). Nach der Geschichte derselben folgt in Ihn
Chaldun (I, 373) die Geschichte der grossen und mächtigen Dynastie
17) der Abu Haffs der Beherrscher des nördlichen Afrika, welche
in Tunis residirten und von der wir nur den vierten, Ebu Abdallah
mit dem Beinamen Mofstanfsirbillah, hervorheben wollen , weil
unter demselben i. J. 1270 der Feldzug des heiligen Ludwig wider
Tunis stattfand.
Da die Ebi Haffs nicht nur in Afrika, sondern auch in Spanien
herrschten, so ist die Geschichte der Dynastie von Tunis stets mit
der von Andalus untermischt, so zum Beispiel (Seite 391) über die
dem B. Merdenifch als König von Valencia geleistete Huldigung.
IbnMerdenifch und die Bewohner des östlichen Spaniens schickten
einen Gesandten an Ebu Sekeria, der Gesandte war der Secretär
des Merd enifch, der Rechtsgelehrte Abdallah Ibn Ahar, dieser
sagte.am Tage der Huldigung eine berühmte Kafsidet von sieben und
vierzig Distichen her, welche Ihn Chaldun (Seite 392 — 394) in
voller Länge mittheilt. Es huldigten in Spanien den Beni Haffs
die Bewohner Sevilla’s (Seite 399), in Afrika die Einwohner von
Ceuta, Tanger, Kafsr Ihn Abdo 1 -Kerim, Sedfchelmesa
und Mekines, in Spanien wieder die von Almeria und der Fürst
Ibnol-Ahmer sammt dem Westen von Andalus (Seite 403). Merk
würdig und bisher aus keiner anderen Geschichte bekannt ist der
B
I
Zur Förderung der Länder-, Sprachen-u. Völkerkunde Nord-Afrika’s. 507
Bericht über die Bauten *) des Sultans Abdallah c I - Mofs t a n fsir
(S. 412). Ihn Clialdu n gibt über dieselben ausführlichen Bericht,
erstens der Park im Districte von B e n fe r t, wo die zur Jagd nötbigen
Raubvögel: die Falken, Sakrfalken, selukiscben Hunde, Luchse u.s. w.
gehalten wurden, er war mit grossen zehn Ellen hohen Mauern um
fangen ; zweitens ein hohes Jagdschloss (efs-fsarh el-ali),
welches Kuhhetol-Esarik liiess, Esarik heisst in der Sprache
derMafsmudi eine weite Haide (el-kura a ) el - fesihat). Dieses
Jagdschloss hatte auf drei Seiten Thore, deren Flügel künstlich aus
Holz geschnitzt waren; das Hauptthor war gegen Westen, wo der
Sultan an festlichen Tagen auf seinem Throne sass. Die dritte Anlage
des Sultans war der Vogelgarten, bekannt unter dem Namen des
Gartens Ebi fehr’s, derselbe umfasste alle Arten von fruchtbaren
Bäumen, als Feigen, Oliven, Granaten, Dattelpalmen und Weinreben,
welche alle in besonderen Abtbeilungen gepflanzt waren; andere Ab
tbeilungen waren für seltene Bäume, wie Sidr (der Lotosbaum) und
Thalh (Bananen ?) 3 ) und wilde Bäume, dieser Wald von
Bäumen liiess Schara, in der Mitte desselben waren Gärten und
Lusthäuser, schöne Bäume und Blumen, der Lichtbaum (?) (sche-
dschron-nur), der Baum der Annehmlichkeit (?) (schedschron nefeh),
Orangen, Cedern, Basilicon, Jasminen , Levkoien, Lotosblumen
u. dgl., der Garten war mit Canälen durchschnitten, deren Wasser
von einer alten Wasserleitung kam, die zwischen den Quellen Sag-
wan’s und Karthatfchenet (Karthago); diese Wasserleitung
ruhte auf massiven Pfeilern und lief in der Nähe dieser Gärten vorbei,
das Wasser derselben wurde in die Canäle des Gartens, und dies
war der vierte Bau, in zwei Cisternen geleitet, deren eine die grosse,
die andere die kleine, deren Wände mit Marmor bekleidet, das künst
liche fest aus Holz gezimmerte Dach von marmornen Säulen getragen
ward, die Köschke, Lusthäuser und Paläste dieser Gärten, unter
l)as arabische Wort Masfäni entspricht der Wurzelbedeutung nach ganz
dem italienischen fab rieh e.
2 ) Von diesem kura heissen die türkischen Waldübergeher noch heute ku-
rudsclii. Siehe des osmanischen Reichs Staatsverfassung und Staatsver
waltung I, S. 159, 421, 495. Die Waldsteuer (I, 325) heisst kurud-
s c h i 1 i k.
s ) Nach dem Kamus I, S. 492 ist Thalh der Baum, dessen Frucht M ii f,
d. i. die Banane (musa puradisiacn).
508
Freiherr Hammer-Purgstall.
denen das Wasser lief, verwirklichte den Koransvers der Gärten,
unter welchen Wasser rinnen.
Ihn Chaldun vernachlässigt eben so wenig die Erwähnung
grosser Gelehrten als die grosser Bauten; in dem Abschnitte der
Huldigung Mekkas (Seite 416) erwähnt er Ebu Mohammed
B. Sebini, des zu Mekka angesiedelten Ssofi, der sich von Murcia
nach Tunis begab, aller Gesetz- und Vernunft-Wissenschaften
mächtig, einen grossen Ruf als Ssofi hinterliess. Im moslimischen
Afrika waren von jeher kabalistische Werke und Prophezeihungen
von Staatsumwälzungen gäng und gäbe '); diese Prophezeihungen
vom Untergange von Dynastien hiessen M e 1 a h i m (in der einfachen
Zahl Melhamet), eines solchen Melhamet Beliaeddin Tebri-
fi’s in Verbindung mit einer Überlieferungsstelle des Propheten er
wähnt Ibn Chaldun (Seite 420), und erzählt (Seite 429) die Hin
richtung des obenerwähnten grossen Gelehrten Valencia’s Ibnol-
Abar. Der Feldzug des heiligen Ludwig wird (Seite 438) als der
fränkischer oder französischer Empörer (thagijetol - Ifrendschet)
erzählt und (Seite 440) die auch in Makrifi enthaltenen an den
heiligen Ludwig als den Stellvertreter aller Franzosen gerichteten
Verse des Dichters Ihn Mathruf mitgetheilt; wiewohl die prosaische
Übersetzung dieser Anrede schon aus Herrn Reinaud’s vortrefflichen
Auszügen der arabischen Geschichtschreiber, welche der Kreuzzüge
erwähnen a ), bekannt, so theilen wir dieselben doch hier in einer
metrischen umsomehr mit, als bei Ibn Chaldun ein Distichon
mehr als in der Übersetzung Herrn Reinaud’s:
Sag dem Franzosen, wann er dir erscheint,
Aufricht’ges Wort vom Freunde wohlgemeint:
Es wolle dich dafür belohnen Gott,
Dass du gebracht so vielen Christen Tod,
Du meintest, dass ägyptische Herrschaft sei
Leicht wie Windtrommel oder wie Schalmei 3 ),
Es brachte dich die Zeit in das Gedränge,
Die Eb’ne ward vor deinem Blick zu enge 4 ),
*) Siehe Einleitung zur Geschichte der arabischen Literatur, S. CIX.
a ) Extraits des historietis arabes, relatifs aux guerres des croisades, p. 474.
von Herrn Reinaud zu frei übersetzt mit:
tu croyais, que ses forces.
4 ) Dieses Distichon ist das in der Übersetzung Hrn. Reinaud’s fehlende.
Zur Förderung der Lander-, Sprachen- u. Völkerkunde Nord-Afrika's. 509
Durch deinen schlechten Plan sind die Genossen
Als Unterpfand vom Bauch des Grabs umschlossen;
Nicht einer von den siebzigtausend 1 ) Mann
Den Fesseln oder seinem Tod entrann.
Gott geh" dir mehr noch solcher Pläne ein,
Vielleicht will Jesus Eurer ledig sein,
Vielleicht wird dies dem Papst zur Freude sein,
Treulosem Rathe folget Noth und Pein;
Wenn so, lass dir wahrsagen nur von Ihm,
Als den Sathili und S ch ikk 3 ) den Papst dir nimm,
Sag’ ihnen, wenn sie wiederkehren möchten
Und wenn sie schändlich sich zu rächen dächten:
Das Haus Lo km an’s 3 ) es harret der Versuche,
Die Fesseln sind bereit und der Eunuche.
Wir übergehen die noch folgenden zur Geschichte der Beni
Haffs bis zu Ende ihrer Dynastie gehörigen Hauptstüeke und wenden
uns zum zweiten Bande, welcher einzig von den Dynastien des ber-
berisclien Stammes der Senate handelt.
Die erste Dynastie derselben sind 18) die B e n i J e f r i n, welche
im mittleren und äussersten Magrib herrschten und unter denen sich
zuerst Ssaliibol-himar, d. i. der Besitzer des Esels, einen Namen
machte; die zweite Dynastie der Beni Je fr in 19) herrschte zu
Sela im äussersten Magrib. Hier kommen mehrere Stämme der Se
nate vor, wovon in den Genealogien des ersten Bandes gar keine
Rede gewesen, wie z. B. die Merdfchenifsat und Magrawat,
welche (S. 39) 20) eine Dynastie im äussersten Magrib stifteten,
eine zweite und dritte derselben waren 21) die Beni Chafrun zu
Sedfchelmesa und 22) die Emire von Agmat; 23) die Beni
Warkela herrschten in der Wüste (S sahara) Afrika’s (S. 72) und
24) die Be ni D emm er in An da lus; ein Zweig der letzten 25) die
Beni Berfal zu Karmona in Andalus; 26)die Dynastie der Beni
*) Bei Hrn. Reinaud cinquante mille lwnimes!
ä ) Sathih und Schikk, die Namen zwei arabischer Wahrsager, wovon jener ein
unförmlicher Klumpen Fleisch ohne Hände und Füsse, dieser ein gespaltener
Mensch mit halber Stirn, halber Nase, halben Mund, halber Brust, halben
Bauch, einem Aug, einem Arm, einem Schenkel, einem Fuss.
8 ) Das Haus Lokman's hiess das Haus, in welchem der heilige Ludwig zu
ltosette eingesperrt war.
510
Freiherr H a m in e r - P u r g s t a 11.
Abdol Wad zu Telmesa (S. 100). Nach dem Ende der Dynastie
der Mu wall hi dun die Geschichte der verschiedenen Thronwerber
des Emir Ebu Selter ia zu Tel m es an, des Jagmerasenzu
Sedfchelmesa, des Saim ß. Meken zu Mosteganem; nach
dem Tode Jagmerasen’s die Geschichte seines Sohnes und Nach
folgers Os ma n und dann des Sohnes des letzten Ebu S i j a n (S. 136).
Die Dynastie 27) von Ebu Hamu el-Ewsath (S. 141). Der ge
waltsame Tod Ebu Hamu’s und die Nachfolge seines Sohnes Ebu
Tafchfin(S. 151), welcher mit dem grossen Herrscher der Mu-
wahbidun J u s u f B. Ta f c hf in nicht zu vermengen, gewaltsamer Tod
desselben (S. 158). In dem folgenden Abschnitte (S. 162), welcher
von den einflussreichen Männern dieser Dynastie handelt, wird ein
bisher ganz unbekanntes Werk des grossen Geschichtschreibers Ibn
Mesudi erwähnt, nämlich das Buch der Schahdfchan Bersan
und Keikan *)> welches sich unter den 132 Hauptstücken der gol
denen Wiesen nicht befindet 2 ); welchem Volke diese drei bisher
ganz unbekannten Namen angehören, ist schwer zu bestimmen, ver-
muthlieh sind es persische oder kurdische Stämme, da Mu sa B. Ali
der Oberstkämmerer, bei dessen Abstammung hievon die Bede ist,
ein Kurde war. Mesudisagt, dass ihre Heimat Af erbeidfchan,
Syrien und Mofsul, dass einige derselben Christen, Jakobiten, an
dere Moslimen, Chawaridfch, und Ihn Chaldun setzt hinzu, dass
Stämme derselben das Gebirge von Schehrfurbewohnen (also au
genscheinlich Kurden), dass nach der Eroberung Bagdad’s durch die
Tataren und die Hinrichtung des letzten Chalifen durch Hulagu
viele der Kurden vor den Tataren fliehend den Euphrat passirten
und sich in das Land der Türken flüchteten, dass zwei dieser kurdi
schen Stämme, die Beni Lewin und Beni Tabir, bis nach dem
äussersten Magrib kamen und sich zu Marokko niederliessen, wo
sie von Ali B. Mortedha gnädig aufgenommen wurden, dass nach
dem Untergänge der Herrschaft der Muwahhidun sie den Beni
Mer in gehorchten und dass sich Einige derselben dem J a gm e ra
sen anschlossen. Ibn Chaldun (S. 163) verfolgt die Geschichte
dieser beiden kurdischen Stämme, deren Dasein zu Marokko bisher
2 ) In Sprenger’s englischer Übersetzung, S. 29—41.
Zur Förderung der Länder-, Sprachen- u. Völkerkunde Nord-Al'rika’s. b 1 1
iu Europa ganz unbekannt war und die sich im Jahre 674 (1275) zu
Fes empörten. 28) Die Dynastie Ehi Said’s und Ebi Sabit’s aus
der Familie Jagmerasen (S. 168), Ende der Dynastie B. Abdol-
wad (S. 176),die Geschichte Ebi Sijar’s, des Enkels mütterlicher
Seite Sultans Ebi T afchfins (S. 186). ln den folgenden Abschnitten
wird die Geschichte Ebi Taschfins parallel mit der Ebi Hamu’s
erzählt, der Sohn des Letzten, E b u S i j a n, bemächtigt sich T e 1 m e-
san’s und des mittleren Magrib (S. 220). 29. und30)Nachrichten
von den B e n i Kemi und den BeniRaf-chid, die sich wider die
Beni Merin erhoben und im Gebiete von Marokko undSus
herrschten (S. 221 und 224); 31) die Herrschaft der Beni Tud-
fchin, eines Zweiges der Beni Badin, im mittleren Magrib;
32) Nachrichten von den Beni Sei am et und den Beni Jedel-
letten, eines Zweiges der T u dfchin (S. 236); 33) von den Beni
Jernaten, einem anderen Zweige der Tudfchin (S. 238);
34) die Dynastie der Beni Merin und ihre Abstammung (S. 240),
diese Dynastie ist aus Deguignes bekannt. Ihn Chaldun gibt die
Geschichte der Regierungen, der Herrscher derselben v. J. 642
(1244) angefangen in der Ordnung, wie dieselben bei Deguignes
aufgeführt sind, mit ihren Eroberungen und Bauten, deren beträcht
lichste die Gründung von Fes. Bereits oben ist einer Aufforderung
Meluli’s, des Gründers der Muwahhidun erwähnt worden; aber
weit merkwürdiger noch ist die Kafsidet, welche der Herrscher von
Granada, Ibno 1-Ahmer, durch seinen Seeretär Ebu Omer
Ibnol-Morab ith an den Herrscher der Beni Merin im Jahre
674 (1275) schreiben liess, denselben mit einem Zuge nach Magrib
bedrohend um den Verfall des Islams herzustellen, denn auf den
Minaretten sehe man christliche Priester und Glocken, und in den
Moscheen Wein und Schweinefleisch (S. 288). Ihn Chaldun gibt
die ganze Kafsidet mit den zwei Lücken, welche er schon im Origi
nale vorfand, in Allem sieben und vierzig Distichen; hierauf antworte
ten zwei Dichter des Hofes Sultans Ja kub B. Abd ol-Hakk, näm
lich der Dichter Ib dol Afif und der Dichter Malik B. el Mo
ra hhal, denen Ebu Omer Ibnol-Morab ith, der Seeretär Ibn
ol-Ahmer’s, wieder mit einem Kafsidet entgegnete; von diesen
drei poetischen Actenstücken diplomatischen Briefwechsels gibt Ibn
Chaldun nur den Anfang eines jeden (S. 290). Der folgende Ab
schnitt hat besonderes Interesse für die spanische Geschichte, indem
512
Freiherr Hummer - Pu rgstall.
darin von der Gesandtschaft die Rede, welche Ebu Jusuf im Jahre
681 (1282) von Alp ho ns dem wider seinen Vater Sa neho (Sc han
dle he t) empörten Sohn erhielt um diesem wider seinen Vater
beizustehen (S. 297); hierauf der vierte Übergang Eb u Jusuf’s nach
Spanien (S. 300) und seine abermalige Gesandtschaft von Sancho
(S. 303), die Gesandtschaft lbno 1 -Ahmer’s (S. 316), der Brief
wechsel mit den afrikanischen Königen von T u ni s und B ed f ch ai j e t
(Bugia) (S. 327) und mit den Herrschern des östlichen Asiens
(S. 330). In dem Abschnitte, worin erzählt wird, wie der Reis Ebu
Said sicliCeuta’s bemächtigt hat (S. 334), erscheint abermal eine
Gesandtschaft an den Sohn von Adfonfch Heran det B. Schan-
dfchet, d. i. an Alphons Ferdinand Sohn von Sancho.
Einer der grössten Herrscher der B e n i M e r i n zu Marokko war
Ebul Hasan Ali, welcher zwanzig Jahre lang, von 731 (1331) bis
752 (1351), auf dem Throne sass und sein Reich in Afrika durch
die Eroberung von Bugia, Constantine und Tunis vergrösserte; in ei
nem der seineRegierungsthaten besprechenden Hauptstücke (Seite392)
wird das Geschenk zweier von seiner Hand geschriebener Korane
besprochen, die er als Geschenk für die Moscheen von Mekka und
Jerusalem an seinen Zeitgenossen, den grossen Herrscher der Mame
luken Bahariten sandte, welcher, als er das drittemal den Thron
bestieg, denselben zwei und dreissig Jahre, von 709 (1310) bis
742 (1341), behauptete. Damit diese beiden Korane auf eine sowohl
der beiden Heiligtluimer von Mekka und Jerusalem, als der eigenen
Hand des Sultans würdige Weise ausgestattet würden, wurden alle
Buchhändler und Vergolder versammelt, um den Einband gehörig
auszuschmücken; der Einband bestand aus Eben- und Sandelholz,
mit Elfenbein eingelegt, mit Goldplatten überzogen, welche mit Perlen
und Rubinen geschmückt waren; die Säcke, worin diese Kleinodien
aufbewahrt wurden, waren aus Seide und Goldstoll'. Eine ansehnliche
Summe des Schatzes wurde zum Ankauf von Dörfern bestimmt, deren
Einkünfte zum Unterhalte der Leser dieser Korane verwendet wurden;
die Gesandten waren mehrere Grosse des Reiches, darunter der
Secretär des Sultans Ebul Fadhl B. Mohammed Ibu Medin,
hebst anderen Geschenken, deren Liste (B er namidfch) Ihn
Chaldun eingesehen; diese bestanden aus fünf hundert edlen arabi
schen Pferden mit goldenen und silbernen Sätteln und Schabracken,
fünfhundert Kameele, belastet mit denköstlichsten Waaren Magrib’s,
Zur Förderung der Länder-, Sprachen- u. Völkerkunde Nord-Afrikas, {>13
mit feinen Wollstoffen Ssuf, mit Kleidern und Mänteln (Burnus)
mit gestickten und ungestickten Kopfbünden, mit ledernen Schilden,
die aus der Wüste (Biladi Ssahra) kamen und eine Arbeit der
Lern tunen u. s. w.; die Ankunft dieser Gesandtschaft zu Kairo war
ein grosses Fest, die Geschenke des Sultans wurden unter kostbaren
Zelten zur Schau ausgestellt i. J. 741 (dem letzten seiner Regierung),
in welchem er seinen Sohn Eh ul Fida Ismail zum Nachfolger
ernannte, der ihm aber in der Regierung nicht gefolgt. Der folgende
Abschnitt (Seite 394) erzählt die diplomatischen Verhältnisse des
Sultans Ebul Hasan Ali mit den Königen der benachbarten Ne
gerstämme, deren grösster der König der Mali, hundert Tagreisen
südlich, dieser war damals Mensa-Musa, dessen schon oben
Ei w ähnung geschehen; der Sultan der B e n i M e r i n erwiederte die
zum Glückwünsche seines Regierungsantrittes geschickte Botschaft
mit einer anderen, an deren Spitze wieder der Staatssecretär M o h a m-
med L. Ebi Medin stand; nicht nur wissenschaftliche, sondern
auch poetische Bildung, wovon wir sogleich den Beweis sehen
werden, war damals ein Haupterforderniss von Gesandten und Bot
schaften, der Sultan Ebul Has a n Ali war selbst ein Schönschreiber,
wie dies die Abschrift seiner beiden nach Mekka und Jerusalem
gesandten Korane bewies. Der erste Dichter seines Hofes war Ebul-
Kasim er-Rahawi. Ibn Chaldun gibt (Seite 401 bis 404)
die acht und sechzig Distichen starke Kafsidet, womit er die Eroberung
von Tunis besang. Die Geschichte der Sultane der Beni Merin
in Westafrika ist enge mit der Geschichte der Sultane der Beni
Ahm er von Granada verflochten; schon gegen Ende des Werkes
(Seite 491 und 303) enthält dasselbe einen höchst wichtigen Beitrag
zur Lebensgeschichte des grossen und gelehrten Wesirs Ibnoi-
Chathib Lisaneddin, aus dessen Geschichte von Granada Casiri
so zahlreiche Auszüge gegeben; Ibn Chaldun erzählt seine
Abkunft aus Duschet (Loja), das eine Tagreise von Granada
entlegen, von wo sein Vater Abdallah in den Dienst der Benil
Ahm er nach Granada kam, der Sohn studirte die Philosophie
unter dem grossen Philosophen Jahja B. Hodeil, Arzneikunde und
Philologie, zeichnete sich bald durch Werke in Prosa und Versen
aus und ward vom Sultan Ebul Hadfchadfch i. J. 749 (1348)
zum Wefire ernannt, als dieser i. J. 733 (1334) unter dem Dolche
eines Meuchlers in der Moschee gefallen, bestätigte sein Sohn und
Sitzb. <1, phil.-hist. CI. VIII. Bö. V. Hfl.
36
814 Freih. Hamm er-P ur gstall, Länder-, Sprachen- u.Völkerk. N.-Afrika’s.
Nachfolger Mohammed den gelehrten Wesir in seiner Würde und
schickte ihn als Gesandten an Ebu Anan, welcheri. J. 752 (1351)
seinem Vater Ehul Hasan Ali auf dem Throne gefolgt war, um von
demselben Hülfe wider seine Feinde zu begehren. Ibnol Chathib
hielt seine diplomatische Werbung um Hülfe öffentlich in den folgen
den Versen:
Chalife von der Gunst des Herrn, von Gott erleuchtet,
Erhöht seiest du, so lang der Mond im Finstern leuchtet,
Es halte ab von dir des Allermächt’gsten Hand
Unglücke, die der Mensch zu hindern nicht im Stand,
Dein Angesicht ist uns der Vollmond in der Nacht,
Der Regen deiner Hand hat Ländern Heil gebracht,
Die Menschen wandern zu dir nach Andalus,
Denn ohne dich war’ dort nicht Leben und Genuss,
Und jegliches Geschäft ist nur bei dir zu Haus’,
Kein Anderer als du dasselbe richtet aus,
Die so ein fester Strick soll retten aus Gefahr,
Sie weigern Woliltliat nicht, und sind nicht undankbar,
Den Seelen flössest du den Mutli, den neuen ein
Sie sandten mich zu Dir in der Erwartung dein.
Ihn Chalclu n beschreibt die feierliche Audienz und die Reise
Ibnol Chathib’s, welcher zu Schalet, wo die Gräber der Könige
der Beni Me rin, an dem des letzten Sultans Ebul Hasan eine
Kafsidet sang, deren beide erste Distichen Ihn Chaldun (Seite 494)
mittheilt; ein folgender Abschnitt (Seite 505)’, welcher den Titel:
Nachricht von der Hinrichtung Ibnol Chathib’s führt,
erzählt die Verungnadung desselben i. J. 776 (1374), seine Einker
kerung, seine Erwürgung im Kerker und die letzten folgenden Verse
desselben, womit er sein Schicksal beweinte:
Wir sind entfernet, doch die Häuser nah’,
Wir kommen stumm zu dem verheiss’nen Ja,
Nach vielem Leiden meine Seele ruht,
Wie Betender, nachdem er sprach Konut 1 ),
Wir waren gross und sind nun blosses Bein,
Wir waren Mark und sind nun blosser Schein,
Wir waren Sonnen von dem höchsten Muth,
Doch untergangen ist der Azimuth 8 ).
*) Konut ein ausserordentliches zuletzt gesagtes Gebet.
2 ) Semut ist alsAzimuthin dieSprache europäischer Astronomen übergegangen.
H. .T. Zeibig. Zur Geschichte der Wirksamkeit des Basler Concils etc. 515
Wie viele der Gasellen traf das Sehwert,
Wie viele Glückliche sind ohne Werth,
Wie Mancher ging verarmt zum Grabe schon,
Der als ein Held geschmükt war mit dem Thron:
Den Feinden sag: der Sohn Chathib’s ging fort,
Wo ist der Mann, behauptend seinen Ort?
Du sag, wenn Einer sich von ihnen freut,
Nur wer nicht stirbt, der freue sich noch heut.
Das Todesjahr Ibnol Chathib’s (1374) gibt zugleich die
äusserste Zeitgrenze des besprochenen Werkes. Wiewohl aus dem
erstatteten Berichte der grosse Werth desselben für die Geschichte
der berberischenDynastien in Nord-Afrika zur Genüge erhellet, so hätte
die Herausgabe der unter dem Namen Mukaddeme oder Mokad-
dime berühmten historisch-politischen Einleitung gewiss durch ihren
Inhalt von allgemeinerem Interesse die Orientalisten und Nichtorienta
listen noch zu grösserem Danke verpflichtet und es ist zu hoffen, dass
sowohl der Herausgeber der vorliegenden Geschichte als die franzö
sische Regierung Mühe und Kosten nicht scheuen werden, um durch
die Herausgabe der historisch-philosophischen Einleitung, welche die
Krone aller Werke Ihn Chaldun’s ihrem Bemühen und Verdienste
um die arabische Literatur die Krone aufzusetzen.
Beiträge zur Geschichte der Wirksamkeit des Basler
Concils in Österreich.
Von »r. II. J. Zeibig,
regul. Chorherrn des Stiftes Kloster-Neuburg und Cooperator zu Nussdorf-
In Folge der Beschlüsse der Synoden von Costnitz und Siena,
hatte Papst Martin V. eine neue Kirchenversammlung für das Jahr
1431 nach Basel ausgeschrieben, und den Cardinal Julian Cae-
sarini zu seinem Stellvertreter bei derselben ernannt. Der nach
Martin V. Tode gewählte Eugen IV. (Gabriel Condolmieri, Bischof
von Siena) bestätigte Martin’s V. Anordnung und Wahl, und forderte
theils selbst, theils durch Julian die Landesfürsten, Bischöfe, Äbte
und Universitäten auf, zu Basel sich einzufinden und an dem Gott
wohlgefälligen Werke, Herstellung eines allgemeinen kirchlichen
Friedens, thätig mitzuarbeiten. Indessen zeigte sich die Theilnahme
Anfangs geringer, als man hätte erwarten sollen, nur wenige von den
36
H. J. Zeibi g.
S16
Vorgeforderten hatten sich zu Basel eingefunden; darum erschien
Julian, ohnehin mit Böhmen viel beschäftigt, nicht persönlich zu
Basel, sondern liess durch Johann von Polemar, Archidiacon von
Barcelona und Auditor der päpstlichen Kammer, einen Zögling dei
Wiener Hochschule 1 ), und Johann von Ragusa, einen gebornen Dal
matiner, General-Procurator des Predigerordens, das Concil eröffnen.
Allmählich mehrte sich die Anfangs kleine Zahl der Erscheinenden,
in Folge der in alle Lande abgeschickten Aufforderungen, Herzog
Albrecht V. von Österreich hatte den Bischof von Freising ISico—
demus della Scala (1421—1443) und den Prof, der Theologie an der
Wiener Hochschule, Johannes Himmel, latinisirt Joannes Coeli
(1425, 1437, 1441, Rector der Hochschule) als Sprecher nach Basel
bestimmt. Auch an die Wiener Hochschule als geistliche und ein
flussreiche Corporation waren zu gleichem Zwecke wiederholte Auf
forderungen ergangen, den 17. September 1431 von dem Cardinal-
Legaten Julian 3 ), woran sich zunächst ein Schreiben der zu Basel
bereits erschienenen Abgesandten der Pariser Hochschule (Johann
Beaupere [PulcripalrisMag. Dionysius, Licenciat Wilhelm, der
Pariser biscliöfl. Official und Egid Coneti Doctor Medicinae), welche
auch später mit dem Abgesandten der Wiener Hochschule im besten
Einvernehmen standen 8 ), anschloss. Auch der Passauer Bischof Le
onhard als Diöcesan der Stadt Wien forderte die Hochschule dazu
auf (9. Novembei’) mit dem Anstichen, die auf dem Concil besondeis
hervorzuhebenden Puncte zusammenzustellen. Mit diesem Geschäfte
beauftragte die Hochschule einen in voller Sitzung aus ihren Gliedern
gewählten Ausschuss von neun Personen. Dieser bestand aus Nico-
laus von Dünkelspühel und Johann Himmel für die theologische, dem
Dekan Mag. Paulus de Vienna, Dr. Decret. (1433 Rector) für die
juridische, Mag. Johann Paumgartner (1428 Rector) und Mag. Peter
für die medicinische und Narciss Herz von Perchingen, zugleich
Rector, Mag. Urban von Melk, Licenz. der Theologie (1426, 1434
Rector) Mag. Georg Apfentaller und Andreas von Weytra, Baccal.
der Theologie (1432,1439 Rector) für die Artisten-Facultät, welche
letztere gewöhnlich eine selbstständige Stellung behauptete. Dieser
t) Mitterndorfer etTilmetz Consp. Hist. Univ. Vien. P. I, p. 144.
z ) Beilage A.
3 ) Mitterndorfer loc. cit. p. 139.
Zur Geschichte der Wirksamkeit des Basler Concils in Österreich. 517
Ausschuss sollte über die aufzustellenden Reformafionspuncte, die zu
sendenden Personen und die Kostenfrage beratlien.
Die religiösen Corporationen Österreichs zogen es vor, statt dem
persönlichen Erscheinen ihrer Äbte und Pröpste einen oder mehrere
Procuratoren für alle Häuser desselben Ordens auf gemeinsame
Kosten ‘) nach Basel zu senden. Ebenso die Diöcesanbischöfe. Im
Namen des Passauer Bischofes, Leonhard, erschien zu Basel dessen
Official, der Domherr Peter Fried. Johann, Abt der Schotten in
Wien vertrat die 13 Bened. Klöster der Passauer Diöcese, Wernher
von Seon, die der Salzburger, Fr. Peter von Rosenheim den exemten
Abt von Melk, Nicolaus de Corona, Probst zu St. Dorothea in Wien,
und Dr. Martin von Waldhausen, die Chorherren stifte der Passauer
Diöcese. Ebenso traten in Folge erneuerter Aufforderung, innerhalb
des Termines von zwanzig Tagen zu erscheinen, oder ihre Vertreter
zu senden, die Pröpste der Chorherrenstifte in der Erzdiöcese Salz
burg, Sigismund von Wolkerstorf, Propst zu Salzburg (später 1452
Erzbischof), Johann von Berchtesgaden, Johann I. (Kolb. 1432
1465) von St. Zeno in Reichenhall, Christian (von Wildeneck, früher
Chorherr von Salzburg, 1417—1433), von Högelwerth, Conrad
(Dözliammer 1420—1435) zu Gars, Peter I., (1422—1445) zu Au,
Ulrich III. (Semann 1424—1436) zu Baumgartenberg und Nicolaus
(Zinkh) von Voran zusammen, und wählten einstimmig den Chorherrn
Dr. des geistlichen Rechtes, Custos, Sacrista und Pfarrer des Stiftes
Klosterneuburg, Colomann Knapp von Hippleins zu ihrem Vertreter,
dem sie diese Wahl zugleich mit der Bitte, sich dieser Last zu un
terziehen, den 16. December 1431") bekannt gaben, und zugleich
*) Über die Aufbringung der Kosten gibt die Beilage III. Aufschluss. Leonhard
von Passau hatte zur Beratliung dieser Frage die Prälaten der Chorherrn-
Stifte seiner Diöcese auf dein Schlosse Ebelsberg (Ebersberg) versammelt,
diese wählten die Pröpste Georg I. von Klosterneuburg, Caspar von St. Flo
rian und Johann von St. Nicola bei Passau als sogenannte Taxatores
diese sollten die einzelnen Stifte von 4 zu 4 Monaten nach bestem Wissen
und Gewissen schätzen, und die betreffenden Gelder einheben, damit die
Procuratoren nicht genöthigt würden, zum grössten Schaden der Stifte Gelder
aufzunehmen. Bischof Leonhard übertrug ihnen zu diesem Ende seine Gewalt
als Ordinarius, und bedrohte die Widerstrebenden und Säumigen mit Kirchen
strafen. Welch undankbares Geschäft (in Folge des schlechten finanziellen Zu
standes der einzelnen Häuser) diese Prälaten übernommen, zeigt die Beilage XIX.
3 ) Beilage I.
518
H. J. Zeibig.
an den Propst Georg I. Müstinger von Klosterneuburg das Gesuch
um dessen Entlassung stellten. Die nothwendigen Instructionen sollte
Colomann auf der Reise nach Basel bei dem Propste Sigismund in
Salzburg selbst einholen.
In der Zwischenzeit (18. December 1431) hatte Papst Eugen IV.
unbekannt mit der ersten bereits abgehaltenen Sitzung (14. De-
cember) das Concil auf IV2 Jahre suspendirt, zugleich aber dem
Kaiser Sigismund und den übrigen Herrschern bekannt gegeben, wie
er gesonnen sei, nach Ablauf dieser Zeit zu Bologna ein neues zu
eröffnen, dann aber nach zehn Jahren eines nach Avignon zu berufen.
Davon setzte Propst Sigismund von Salzburg den Chorherrn Colo
mann mit dem Aufträge in Kenntniss, desshalb seine Abreise bis auf
weitere Nachrichten aufzuschieben 1 ).
Die zu Basel Versammelten unterwarfen sich nicht dem Auflö-
sungsdecrete, sondern setzten im Einverständnisse mit dem Cardinal-
Legaten Julian ihre Sitzungen fort, und erliessen neue Aufforderungen
Behufs der Betheiligung an ihren Verhandlungen; dass sie insbe
sondere auf die Theilnahme der Wiener Hochschule ein grosses Ge
wicht legten, beweiset die wiederholte Aufforderung, welche den
26. Jänner und 18. Februar 1432 an sie erging 3 ), nachdem ein
Gleiches von Seite des Kaisers Sigismund und des Cardinal-Legaten
geschehen 3 ), diesen wiederholten und dringenden Aufforderungen
folgte die Hochschule um so eher, als in der Zwischenzeit die durch
Sigismunds und Julians Bemühungen zwischen Papst und Concil ein
getretene Verständigung jeden Anstand behoben, und wählte eine
ihrer Zierden, Thomas von Haselbach zum Abgesandten, welcher
dann auch, nachdem er getreues Festhalten und genaue Durchführung
seiner Aufträge eidlich angelobt hatte, mit den Gesandten des Lan
desherrn , Nicodemus', Bischof von Freisingen und Professor Johann
Himmel gegen die Osterfeiertage nach Basel abging.
Auch die Chorherrnstifte der Salzburger Diöcese drangen neu
erdings (13. November) in Colomann, die vor einem Jahre angetra
gene Stelle zu übernehmen 4 ), wozu sich dieser endlich entschloss,
1 j Beilage II.
2 ) Beilage B und C.
3 ) Mitternd. 1. c. p. 137.
4 ) Beilage IV.
Zur Geschichte der Wirksamkeit des Basler Concils in Österreich. *) 1 «)
nachdem ihm sein Propst Georg im Einverständnisse mit dem Capitel
die nothwendige Erlaubniss ertheilt hatte (5. December) und die
Hindernisse, welche die Reise verzögerten, theilweise gehoben wa
ren 1 ). Auf der Reise nach Rasel holte er in Salzburg zugleich mit
der Vollmacht auch das Verzeichniss all der Wünsche ein, welche er
im Namen seiner Committenten auf der Synode vertreten sollte 3 ):
Die Bestätigungen der Wahlen an den Cathedral- und Collegiat-
kirchen sollen fortan dem päpstlichen Stuhle zustehen, jedoch von
dort aus nicht übermässige Taxen verlangt werden. Die Einmi
schungen der Laien in die geistlichen Wahlen, so wie die Bedrü
ckungen der Kirchen und Klöster durch ihre Schirmherren (advocati)
sollen gehoben werden. Colomann solle ferner darauf aufmerksam
machen, dass die Klöster und Kirchen von Seite ihrer Schirmherren
durchaus keinen Schutz gegen Räuber, Diebe und andere Böse-
wichter gemessen, dass die Einkünfte von Salzburg und den andern
Stiften die von einigen vermeinte Höhe bei weitem nicht erreichen,
indem manche kaum sich und die Ihrigen erhalten können und hei
Gerstenbrod und Wasser zu leben gezwungen sind 3 ), wozu noch die
Unbilden von Seite der Burgvögte geistlicher und weltlicher Grossen
kommen, gegen welche kein Schutz zu finden ist. Erhebe sich ein
Prälat dagegen, so werde den Bestimmungen des gemeinen Rechtes
entgegen sofort eine Visitation und bei derselben die Absetzung des
selben ungerechter Weise durchgesetzt, und zu diesem Zwecke An
klagen der Untergebenen, welche aus Hass und Neid entspringen,
hervorgerufen und unterstützt. Weiters sollte er die Väter zu Basel
darauf hinweisen, wie einerseits die Ansiedler auf den geistlichen
') Beilage VI. Wir ersehen zugleich aus diesem Notariats-Instrumente die im
Stifte herrschende Rangordnung: praepositus, decanus, cellerarius, cantor.
2 ) Beilage V.
3 ) Wenn man bedenkt, dass die geistlichen Corporationen Österreichs an den
Landesherrn die Hussitensteuer neben andern Steuern, an den Bischof das
subsidium cliaritativum (Beilage XLIII) an das Concil die Ablassgelder und
den halben Zehend zahlen, bei dem Concil mit nicht unbedeutenden Kosten
(Beilagen VII, VIII, XXII) ihre Procuratoren erhalten mussten, und das alles
zu einer Zeit, wo die Einkommensquellen durch die Verwüstungen der Hus
sitenkriege und die immer zunehmende Verarmung ihrer Grundholden von
Jahr zu Jahr spärlicher flössen, wird man ihre damalige Lage schwerlich be-
neidenswerth finden.
520
H. J. Z ei big.
Besitzungen von Seite der Landesherrn durch die sogenannte Hussi-
tensteuer geplündert und zum Auswandern genöthigt, andererseits
die Stifte durch die angestellten Visitationen und Reformationen, wozu
man Karthäuser, Mönche und Weltpriester, tvelche Doctoren sind,
verwende, übermässig belastet und ungebührlich gedrückt werden.
Was das Stift Salzburg selbst betrifft, solle die Visitation und
Reformation in geistlichen und weltlichen Angelegenheiten einzig und
allein dem Erzbischöfe (damals Johann von Reichensberg, 1429—
1441) übertragen, auch wegen des adeligen Charakters der Capi-
tularen nicht mit derselben Strenge, wie anderswo vorgegangen wer
den. Insbesondere soll ihnen der durch eine Verjährung von mehr
als 300 Jahren eingeführte Gehrauch, dass der Einzelne den Frucht
genuss seiner Präbenden für sich seihst beziehe und verwende (ob
gleich mit der eanonischen Lebensweise unverträglich) belassen, dem
Umherschweifen der Karthäuser und anderer Mönche an den fürst
lichen Höfen aber gesteuert werden.
Mit diesen Aufträgen kam Colomann zu der Zeit in Basel an, als
die böhmischen Gesandten, an ihrer Spitze Procop und Rokicana, da
selbst cinritten, und die Berathungen über die Beilegung der hussi-
tischen Ketzereien begannen. Die grösste Schwierigkeit machte die
von den Böhmen beanspruchte Communion sub utraquc, dann das
noch nicht ganz hergestellte freundschaftliche Verhältniss zwischen
Papst und Concil. Thomas von Haselbach fragte desshalb in treuem
Festhalten an dem eidlich geleisteten Versprechen bei der Wiener
Universität an, wie er sich zu verhalten habe, wenn die Frage über
die Communion sub utraquc, oder allenfalls die Absetzung des Pap
stes Eugen IV. und eine Neuwahl zur Entscheidung käme, unter
gleichzeitigem Ansuchen, die Hochschule möge in dieser Beziehung
vorerst die Ansicht des Landesherrn erforschen und zugleich mit der
eigenen Willensmeinung ihm bekannt geben. Die Hochschule an der
Katholicität streng festhaltend, beschloss in voller Sitzung (16. März
1433), Haselbach habe der Communion unter beiden Gestalten bis zum
Äussersten entgegenzuwirken, im Falle aber die Forderung der Böh
men durchginge, sofort sein Mandat niederzulegen, und zurück
zukehren. Die Berathung der zweiten Anfrage wurde einem beson
deren Ausschüsse überlassen 1 ).
1 ) Mitterndorf, 1. c. p. läS.
Zur Geschichte der Wirksamkeit des Basler Concils in Österreich. 521
Nach vielfältigen Erörterungen kam jedoch die Verhandlung in
einer der Ansicht der Wiener Hochschule entgegenstehenden Art zu
Stande. Die zweigestaltige Communion wurde den Böhmen, jedoch
mit der Beschränkung bewilligt, dass der Gebrauch des Kelches
bloss den Erwachsenen zustehe, und auch hei diesen der Priester
mahnen solle: „firmiter credendum esse, quod non sub specie
panis tantum caro, nee sub specie vini sanrjuis tantum, sed sub N
qualibet specie est integer totus Christus.’''
Inzwischen hatten die Väter zu Basel nicht bloss die Einigung
mit den bisher getrennten Böhmen, sondern auch die Beformation
zur Hand genommen und mit besonderer Rücksichtnahme auf die For
derungen Herzog Alhrecht’s V. die Neugestaltung oder eigentlich Zu-
rüekfiihrung der geistlichen Häuser des Benedictiner- und Chorherrn-
Ordens in den österreichischen und salzburgischen Landen zum Ge
genstände ihrer Verhandlungen gemacht. Wie schon früher bei
seiner Absendung, so trugen auch nun die Stifte der Salzburger Erz-
diöcese ihrem Procurator auf, gegen eine Particular-Reformation zu
wirken, das Salzburger Capitel aber insbesondere dafür zu sorgen,
dass die eigene Verwaltung der Oblay und anderer Einkünfte, welche
es bis nun auf dem Wege der Dispensation ansgeübt, ihm auch fortan
bis zum Widerrufe belassen werde, und berief sich dabei auf Privi
legien des apostolischen Stuhles. Colomann macht in seiner Antwort
(7. Juni 1433'), auf die Grösse und Wichtigkeit dieser Frage auf
merksam, und wie er vor Allem einer genauen Abschrift dieser ange
zogenen päpstlichen Begünstigungen bedürfe, um mit Aussicht auf
Erfolg auftreten zu können. Zugleich gibt er Probst Sigismund von
Salzburg bekannt, das Concil habe über Aufforderung des Legaten
einige seiner Mitglieder zu einem Ausschüsse vereinigt, um die Grund
züge der anzustellenden Particular-Reformation zu entwerfen, deren
Durchführung Cardinal Julian, allenfalls bloss in seiner Eigenschaft
als apostolischer Legat, beabsichtige. Er selbst wisse nichts Näheres
darüber, als dass unter Andern von einer Beschränkung des Ordens
auf die weisse und schwarze Farbe die Rede sei, aber auch manches
als bevorstehend besprochen werde, was zum grossen Schaden des
Ordens gereichen würde. Propst Sigismund antwortete ihm im
Namen der übrigen Prälaten, er könne ihm diesfalls nicht genau be-
*) Beilage IX.
Ö22
H. J. Z e i I) i g.
messene Aufträge geben, Colomann solle aber vor Allem an der Auf
rechthaltung der bisher bestandenen Rechte und Privilegien seiner
Committenten unermüdet arbeiten, rücksichtlieh der Einzelheiten
aber mit dem, desshalb eigends nach Basel abgescbickten Pfarrer
Johann Luzeltrater verhandeln 1 ).
Beliufs dieser anzustellenden Reformation waren inzwischen, wie
Colomann in seinem Briefe angedeutet, die Prälaten Österreichs
neuerdings aufgefordert worden, zu Basel zu erscheinen: auch er
schienen der Propst von Klosterneuburg, Georg I. und der Abt von
Heiligenkreuz daselbst mit einem Empfehlungsschreiben Herzog
Albreeht’s V. a ), in welchem derselbe das Concil ersuchte, dieselben
bald rückkehren zu lassen, da eine längere Entfernung ihren Klöstern
zum grössten Nachtheile gereichen müsste. Die Stifte der Salzburger
Diöcese aber gaben ihrem Procurator den Auftrag, darauf hinzu
weisen, wie der eigentliche Zweck des Concils eine: „Reformatio
in capite et in membris sei, und in Folge dieser Hinweisung gegen
eine beabsichtigte Particular-Reformation zu protestiren 3 ); auch auf
die üble Finanzlage der Stifte, wo Schauer und Misswachs die Ge
treide und Weinfechsung auf den geringsten Ertrag reducirt, und die
Hörigen aus Armuth lieber entlaufen als das Land bebauen, auf
merksam zu machen. Bald darauf (10. April 1434) schreibt Sigis
mund: wenn die Entscheidung des Concils nicht im Sinne des Salz
burger Capitels ausfallen sollte, habe Colomann sogleich, bei Tag
und Nacht, einen Eilboten zur Einholung eines neuen beschrän
kenden Mandates an Stelle der bisher innegehabten unbeschränkten
Vollmacht abzusenden 4 ).
Indessen waren die Rücksichten auf Herzog Albrecht’s V. Wün
sche zu gewichtig, und schon am 28. Mai 1434 wurde in öffentli
cher Sitzung des Concils dem Legaten Julian die Vollmacht er-
theilt, in bestimmte deutsche Klöster (ohne dieselben oder auch nur
die Diöcese näher zu bezeichnen) Visitatoren im Namen und mit der
ganzen Gewalt der Synode abzusenden, früher jedoch im Vereine
mit dem Patriarchen von Antiochien und dem Abte von St. Justinadie
Beilage X,
a ) Beilage XII.
3 ) Beilage XIII.
*) Beilage XIV.
Zur (jeschiclite cler Wirksamkeit des Basier Concils in Österreich. 523
zu treffenden Massregeln zu entwerfen und vorzulegen. Colomann
machte darauf (13. Juni) den Legaten aufmerksam, wenn seine Ab
sicht dahin ginge, auch das Salzburger Capitel zu reformiren, möge
er dieses Geschäft dem Erzbischöfe daselbst übertragen, weil die
dortigen Capitularen eher den Mahnungen ihres Oberhirten, als denen
eines Auswärtigen sich fügen würden; erhielt aber die Antwort, dass
er (der Legat) allerdings eine Reformation des Salzburger Capitels
seiner Zeit beabsichtige, dabei aber weder auf ihn (Colomann) noch
auf eine andere Person Rücksicht zu nehmen gedenke ').
Und in der That verfolgte Cardinal Julian diese Angelegenheit
nach dem Wunsche Herzog Albrecht's Y. mit regem Eifer. Nach der
vom Concil festgestellten Geschäftsordnung kam die ganze Angele
genheit zuerst in die einzelnen Ausschüsse (Congregaliones) und
zwar den 9. August 1434 in die „deputatio pro conimunibuft'' 2 ),
wo Cardinal Julian den Entwurf der vorzunehmenden Visitation mit
dem Ansuchen vorlegte, zu näherer Erwägung desselben die Cardi-
näle S. Crucis, von Rologna und Piacenza, dann den Patriarchen von
Antiochien zu bevollmächtigen, was von dieser Deputation, so wie
am gleichen Tage von der „deputatio pacis” mit dem Redeuten an
genommen wurde, dass die von den Revollmächtigten entworfenen
Grundzüge früher den Deputationen vorzulegen und die abzuschicken
den Visitatoren kund zu geben seien. Der dritte Ausschuss (depu-
tatio fidei) beschloss: vorerst sei die allgemeine Reformation in die
Hand zu nehmen, und die betreffenden Decrete festzustellen, einige
protestirten selbst für den Fall, dass die Angelegenheit in einem an
dern Sinne durchgeführt werden sollte.
Anders lautete die Entscheidung des vierten Ausschusses (de-
putatio rcformationis'). Eilf Stimmen erklärten, der Cardinal-
Legat solle selbst die Visitatoren bestimmen und absenden, doch nur
fussend auf dem ihm als Legaten zukommenden Rechte. Eilf andere
Stimmen, man solle zuerst die allgemeine Reformation vornehmen,
und von einer particulären absehen. Die Majorität aber entschied
sich mit 26 Stimmen dafür, es seien über Antrag der Cardinäle S.
Crucis und S. Angeli und des Patriarchen von Antiochien rechtliche
') Beilage XV.
a ) Beilage XVII.
524
H. J. Z e i 1) i g.
und verlässliche Männer versehen mit der Vollmacht des Concils als
Visitatoren abzusenden.
Da auf diese Art in den vier Ausschüssen der geforderte über
einstimmende Beschluss nicht war erzielt worden, kam die Frage
vor den Ausschuss der Zwölf*), (welcher die Aufgabe hatte, die
nicht übereinstimmenden Beschlüsse der Ausschüsse wo möglich zu
vereinbaren, und zugleich zu entscheiden, ob der vorgelegte Ge
genstand von einer solchen Wichtigkeit sei, dass er der General-
Congregation vorzulegen komme) durch den Chorherrn Peter von
Meissen im Namen des Legaten; ihm gegenüber stand Martin von
Waldhausen mit dem Anträge auf Verwerfung der nicht übereinstim
menden Beschlüsse. Die Zwölf erkannten, dass die Übereinstim
mung fehle, auch nicht herzustellen sei, und übermittelten (19. Aug.
1434) die ganze Angelegenheit der General-Congregation, wo die
Sache den 21. August zur Verhandlung kam. Da stellte Colomann
für sich und Martin von Waldhausen in Vertretung der Cathedral-
capitel von Salzburg und Sekkau, dann der 20 Chorherrnstifte in
den Diöcesen Salzburg, Passau und Sekkau das Ansuchen, die be
züglich der Visitation derselben zu verfassenden oder schon verfass
ten Grundzüge möchten allen bei dem Concil Anwesenden desselben
Ordens mitgetheilt werden , damit die Einzelnen in den Ausschüssen
desto reiflicher und sicherer alles zu erwägen vermöchten; für den
entgegengesetzten Fall legte er im Namen seiner Committenten eine
feierliche Protestation ein. Der Legat erklärte darauf seine Bereit
willigkeit, ihn und die andern bei dieser Angelegenheit Betheiligten
zu hören, ehe weiter vorgeschritten würde, und schickte zugleich
Colomann’s schriftlich eingereichtes Ansuchen nochmals an den Zwöl
fer-Ausschuss 3 ), welcher der allgemeinen Sitzung am 24. Septem-
4 ) Er hielt seine Sitzungen in dem Augustinerkloster.
2 ) Als Gründe seines Ansuchens führt Colomann (Beilagen XVII, V.) an: „ut sa-
luti animarum dictae religionis professorum exclusis omnibus dubietatibus et
perplexitatibus salubriter, consulatur et scandalis ac divisionibus, qui ex particu-
. lari reformatione dicti ordinis exoriri poterunt, sicut in certis religioni-
lius subor ta sunt, via nonaperiatur, atque ne quisquam professorum dictae
religionis ultraprofessionem suam seu votum per iudicium sacri Con-
cilii quomodolibet conqueri valeat, se fore gravatum, et ut effectus sit de-
claratorum cum charitate et sine murmure recipiatur, observetur et custo-
diatur, illorumque observancia in ipsa religione adhuc imbecillibus facilius
Zur Geschichte der Wirksamkeit des Basler Concils in Österreich. i) -.)
ber 1834 seinen am 23. September formulirten Antrag bezüglich
dieses Bittgesuches mit Folgendem vorlegte *) : Es so ^ e aus den
vier Ausschüssen für diese Angelegenheit ein eigener Berathungs-
ausschuss gebildet werden, welcher die Regel und die Glossatoren
derselben einzusehen , zu prüfen und darüber zu besehliessen habe,
und der auch sofort zusammentrat 3 ).
Colomann und Martin batten nur gethan, was ihr übernomme
nes Amt mit sich brachte, und nebenbei ausdrücklich erklärt, sie
thäten es keineswegs in der Absicht, die einzuleitende Visitation
aufzuhalten; dessen ungeachtet wurde die ganze Angelegenheit dem
Herzoge Albreelit V. im gehässigen Liebte dargestellt, wesshalb er
darauf drang und es bei den Prälaten von Klosterneuburg und Wald
hausen durchsetzte, dass beide (Mai 1433) abberufen wurden 3 );
indessen brachten sie ein glänzendes, ihre guten Absichten rechtfer
tigendes, freilich aber erfolgloses Zeugniss des Basler Concils in die
Heimat zurück II ).
Neben diesen kirchlichen Angelegenheiten hatte die Synode
auch eine finanzielle in Angriff genommen; die Ausschreibung des
zwanzigsten Pfenniges oder des halben Zehendes von allen geist
lichen Häusern und Stiftungen, welchen Namen und welche Form sie
immer haben mochten. Für die Passauer Diöcese wurde Heinrich
Baruther, Dr. des geistlichen Rechtes, und Domherr zu Passau als
et efficacius valeat persuaderi ad laudem Dei omnipotentis. Gewiss gewich
tige Gründe!
*) Beilage XVII. V.
3 ) Cardin alis Firmanus et Generalis Eremitarum S. Augustini pro deputatione
pacis, abbas Bonaeyallis et Mag. Johannes Celi (Himmel) pro deputatione
fidei, Episcopus Albingavensis et Generalis Carmelitarum pro deputatione
reformationis, et abbates sancti Honorati et de Chereto pro deputatione pro
communibus.
3 ) Colomann selbst meint (Beilage XXII) seine Abberufung sei geschehen: propter
quorundam, qui non solum, ut aestimo, personam meam, sed et religionem
nostram temptant praeter debitum aggravare, sinistras suggestiones. Bevor
er Basel verliess, legte er noch dem Propste Sigismund von Salzburg „claram,
ut puto et sufficientern rationem” sämmtlicher seit Übernahme der Procuratur
aufgelaufenen Unkosten.
4 ) Beilage XXI. Aus dieser Urkunde haben Einige fälschlich geschlossen, Colo
mann und Martin seien Visitatoren in Österreich gewesen, hätten dieses Amt
mit geringem Eifer durchgeführt und desslialb die Ungnade des Herzogs sich
zugezogen.
II. J. Z ei big.
S26
Executor und Cornmissär bestimmt *). Innerhalb 50 Tagen sollten
die entfallenden Geldsummen von jedem, wie immer gearteten Ein
kommen zu Wien in der Wohnung des Commissärs entrichtet wer
den. Den Widerstrebenden oder Säumigen traf die Exeommunication
ipso facto (4. Aug. 1434). Doch erhielten die Basler nur die Hälfte
der eingelaufenen Gelder, da sie (12. Sept.) die andere Hälfte und
zwar nicht bloss aus der Passauer, sondern auch aus der Trienter,
Brixner und Chiemseer Diöcese dem Herzog Albrecht Y. (welchem
sie die Einhebung 19. April empfohlen hatten) zur Bestreitung der
Kriegskosten überlassen hatten.
Auch ein Gesuch der Wiener Hochschule war indess zu Basel
bewilligt worden. Sie hatte sich (16. April) an das Concil mit der
Bitte gewendet, nach dem Vorgänge Johann XXIII., welcher (17.
Aug. 1411) die Bischöfe von Begensburg und Olmütz, und den
Schottenabt zu Wien zu Conservatoren der Hochschule ernannt hatte,
zum Schutze ihrer Hechte und Besitzungen Conservatoren zu ernen
nen, welchem Ansuchen das Concil sofort willfahrte. (26. Mai 1834.)
Es ernannte dazu den Bischof von Regensburg, den Propst von St.
Stephan in Wien, Wilhelm Thurs, Freiherrn von Aspern, und den
Passauer Official mit dem Aufträge, dafür zu sorgen, dass die der
Hochschule (gleichviel ob von weltlichen oder geistlichen Personen)
entzogenen Güter zurückgestellt und in Zukunft gegen jeden Eingriff
gesichert würden.
Während dieser Verhandlungen hatte die Anzahl der zu Basel
Erschienenen sich wohl gemehrt, doch nicht in dem gewünschten
Masse, daher erging von Seite K. Sigismund’s an sämmtliche geist
liche Häupter des heil. röm. deutschen Reiches der Befehl, zu Basel
zu erscheinen. Auch Leonhard, Bischof von Passau, erhielt eine der
artige , theilweise zurechtweisende und drohende Zuschrift (17.
Nov. 1434), welche er jedem Prälaten seiner Diöcese zuzusenden
beauftragt wurde. 2 ).
Inzwischen war die von Herzog Albrecht betriebene Visitation
zur Durchführung gekommen, und das Basler Concil stellte (30.
Mai 1435) nach einem von Cardinal Julian ausgehenden Entwurf 3 )
*) Beilage XVI.
a ) Beilage XVIII.
3 ) Beilage XXIII.
Zur Geschichte der Wirksamkeit des Basler Concils hi Österreich. b/i7
den inzwischen ernannten Visitatoren ihre Vollmacht aus 1 ). Diese
waren Philibert, Bischof von Coutances (einer der eifrigsten Theil-
nehmer des Concils), Joh. von Polemar, Martin, der Dechant von
Tours, Egid. Charlier, der Dechant von Cambray, und der Propst
von St. Florin in Coblenz , Tillmann. Sie sollten, entweder selbst,
oder durch Andere (welche zu bestimmen ihnen das Recht verliehen
wird) alle Personen ohne Unterschied des Ranges und Standes,
auch die bischöfliche und herzogliche Würde nicht
ausgenommen, alle Cathedralkirchen, alle Klöster beiderlei Ge
schlechtes im Gebiete des Herzogs und in der Stadt und Diöcese
Passau, ohne Rücksichtnahme auf ihre etwaige Exemtion, wie nicht
minder die Wiener Hochschule visitiren und reformiren. In den
ßenedictinerklöstern sollen sie insbesondere die alte Observanz
(in specu solita), in den Chorherrnstiften Einheit der Kleidung
und Gebräuche hersteilen. Sie erhalten das Recht zu strafen, ein
zukerkern, abzusetzen, Strafen zu mildern, unter Aufhebung jeder
Appellation. Eintretende Wahlen von Klostervorstehern haben sie
nach dem, schon früher erlassenen Decrete des Concils „de elec-
tionibus” zu behandeln. Falls die Wahl eine nach ihrer Ansicht
unwürdige Person trifft, haben sie selbst das Wahlrecht. Der Diö-
cesanbischof hat das Recht der Theilnahme an der Visitation solcher
Institute, die ihm unterworfen sind, vorausgesetzt, dass er selbst
der Reformation sich unterzog. Die Visitatoren haben auch die Voll
macht, von jeglicher Kirchenstrafe loszusprechen und von jeder Irre
gularität, mit Ausnahme des Mordes und der Bigamie, zu dispen-
siren, auch alle nicht probehältigen Einrichtungen und Gebräuche
aufzuheben, und für null und nichtig zu erklären. Insbesondere
wird ihnen die Wiederherstellung und Aufrechthaltung der kirch
lichen Freiheit aufgetragen. Die ihnen Entgegenhandelnden, sei es
auf direete oder indirecte Weise, trifft der Kirchenbann, und hätten
sie auch die bischöfliche Würde.
Die Väter zu Basel mussten wahrlich eine sehr hohe Meinung
von ihrer Gewalt und ihrem. Einflüsse haben, um auch nur entfernt
glauben zu können, zwei so energische, auf ihre Rechte eifersüch
tige Männer, wie Herzog Albrecht V. und Bischof Leonhard von
Layming würden sich derartige Übergriffe in ihre Rechte still—
*) Beilage XXIV.
528
H. J. Zeibig.
schweigend gefallen, und die Visitatoren ein derartiges Mandat
durchführen lassen. Auch erstreckte sich die Wirksamkeit derselben
bloss auf die Visitation der Wiener Hochschule, welche Philibert,
Bischof von Coutances, Johann von Polemar, der Propst Nicolaus
(de Corona 1428—1458) von St. Dorothea in Wien, und Narciss
Herz von Perichingen Vornahmen, und die theilweise verbesserten,
theilweise bestätigten Statuten (20. März 1436) in der grossen
Aula der Hochschule verkündigten.
Denn an eben demselben Tage traten Herzog Albrecht V. und
Bischof Leonhard zu Wien mit einander in Verhandlung und kamen
über folgende Modification der in Österreich anzustellenden Visitation
überein, mit deren Bekanntmachung die Fortsetzung der in Folge
der Vollmacht des Basler Concils eingeleiteten Visitation einzustellen
käme; doch können in der Zwischenzeit die exemten Institute
Wiens visitirt werden 1 ).
Herzog und Bischof wählen die Visitatoren, diesen überträgt
der Bischof in der nächst abzuhaltenden Provincialsynode die Defor
mation der in dem österreichischen Antheile seiner Diöcese gele
genen Kirchen, Pfarren und Klöster. Das Verzeichniss der Ge
wählten wird an das Basler Concil geschickt mit dem von beiden
Seiten gestellten Ansuchen, diesen Personen die Reformation der
benannten kirchlichen Institute, bezüglich der exemten in Folge der
dem Concil innewohnenden Gewalt, bezüglich der nicht exemten
in Folge derselben Gewalt und der Ordinariatsmacht nach Vorschrift
des bisher üblichen gemeinen Rechtes mittelst einer legalen, auf
Grundlage dieser Vorschläge ausgestellten Vollmacht in der Art zu
übertragen, dass der Bischof, auf die gleiche Gewalt gestützt, irn
Vereine mit diesen. Personen, wenn es ihm genehm ist, die Refor
mation vornehme. Die Stellen der durch Tod oder anderswie Abge
henden besetzt der Bischof im Einverständnisse mit den Über
lebenden. Zwei der gewählten Personen sollen zu einer gewöhn
lichen Visitation hinreichen; dagegen, wo es sich um eine Absetzung
handelt, vier oder wenigstens drei erfordert werden.
Ob an der angesonnenen Reform der Benedictiner rücksichtlich
der Wiedereinführung der alten Observanz und der Chorherrn bezüg
lich der gleichen Kleidung festzuhalten sein wird, oder ob selbe zu
>) Beilage XXVI.
Zur Geschichte der Wirksamkeit des Basler Concils in Österreich. 529
unterlassen, oder zu beschränken sei, bleibt dem Gutachten des
Concils überlassen, nachdem dasselbe die hierüber einzuschickenden
Bemerkungen in Betracht gezogen haben wird.
Bezüglich des Devolutionsrechtes bei erfolgter Wahl eines
Unwürdigen solle dieses nicht auf die Visitatoren fallen, sondern nach
dem gemeinen Rechte weiters vorgegangen, auch hinzugefügt
werden, den Visitatoren sei das Recht übertragen, freiwillig erfol
gende Resignationen aufzunehmen und zuzulassen. Die ganze Voll
macht seihst soll auf vier Jahre Geltung haben.
Der Herzog verpflichtet sich zu jeder Förderung, insbesondere
zur Aufrechthaltung der kirchlichen Freiheit und zur Bestrafung und
Unterdrückung von Raub, Wucher, Ehebruch und andern dergleichen
groben und öffentlichen Verbrechen.
Die Abgesandten des Rasier Concils, Philibert .Bischof von
Coutances und Johann von Polemar übernahmen die Übermittlung
dieser Beschlüsse an das Concil.
Die Wahl des Herzoges und Bischofes fiel auf folgende Per
sonen: Johann III. von Ochsenhausen, Abt zu den Schotten in Wien,
die Äbte von Lambach und Heiligenkreuz, Georg I. Müstiuger und
Nicolaus de Corona, Pröpste zu Klosterneuburg und St. Dorothea in
Wien, Leonhard Prior zu Mauerbach, Johann Nyder aus dem Pre
diger-Orden, Professor und Dekan der tlieol. Fakultät aus dem
Stande der Regularen; — Sylvester, Dechant des Passauer Capitels,
Heinrich fiaruther, Domherr von Passau, Georg Jegenreuter, Com-
missarius, die Doctoren des canonischen Rechtes Thomas von Hasel
bach, Peter von Pirichenwarth, Domherr bei St. Stephan, Narciss
von Pirichingen, Johann Gwerlich, Conrad von Hallstadt, Urban von
Melk, Peter von Laa und Andreas von Weitra aus dem Weltpriester-
Stande (in ihnen die Hochschule würdig vertreten).
Am 26. März sandte Bischof Leonhard diese mit dem Herzoge
unter Zuziehung der Basler Abgesandten getroffene Übereinkunft
durch einen seiner Familiären, Johann, auf einem von dem Kloster
neuburger Propste zu dessen Ende entlehnten Saumthiere nach
Basel *).
Die Väter des Concils konnten so gerechten und durch die
Vereinigung zweier Gewalten gewichtigen Bitten und Forderungen
*) Beilage XXVII u. XXVIII.
Sitzb. d. phil.-hist. CI. VIII. Bd. V. Hft.
37
530
H. J. Zeibig.
ihre Einwilligung nicht leicht versagen, und so stellten sie denn
(31. Juli 1436) den vom Herzoge AlbrechtV. und Bischof Leonhard
vorgeschlagenen Personen eine, genau die Puncte des Concordates
beider enthaltende, somit gegen die frühere wesentlich veränderte
Vollmacht aus 4 ). Sie anerkennen in derselben das Recht des Ordi
narius, welcher ungeachtet der eingesetzten Commission, die ihm
Unterstehenden visitiren könne wann und wie oft er wolle, und
diese ordentliche Gewalt jenen Männern bereits übertragen hat; ver
leihen ihnen aber zur Erhöhung ihres Ansehens und Steigerung ihrer
Wirksamkeit, dann bezüglich der exemten (Korporationen die Gewalt
des Concils auf dem Wege der Uebertragung. Diese Gewalt er
streckt sich nicht mehr auf alle Personen, „eliam si episcopali vel
ducali praefulgcant dignitatesondern auf Äbte und weitere
Würdenträger. Die Reformation soll nach den Vorschriften des jus
commune geschehen, die Rückführung der Chorherrn zu gleicher
Kleidung und der Benedictiner zur alten Observanz nach Anleitung
der ersten Vollmacht durchgeführt werden, wenn es die Visitatoren
nach gewissenhafter Erwägung der Ehre dieser Orden, der Beför
derung des religiösen Lebens und dem Nutzen der genannten Klöster
und Personen zuträglich finden. Strafen und Absetzungen sind nach
den canonischen Vorschriften mitBedachtnahme auf die Ordens- und
Hausstatuten zu verhängen, die Strafen nach Gutdünken auch zu
mildern, ohne dass irgend welche Appellation eintreten darf. Bei
neuen Wahlen, die auf entschieden Unwürdige fallen sollten, fällt das
Recht der Gassirung und neuen Wahl nicht mehr, wie bei der ersten
Vollmacht, den Visitatoren, sondern bei den exemten dem Concil
selbst, bei den übrigen aber denen zu, welche die Wahl nach den
bisherigen canonischen Gesetzen vorzunehmen haben. Bei Abände
rung der Klosterstatuten ist, besonders hei den Frauenklöstern, auf
die Gebrechlichkeit des weiblichen Geschlecl ts Rücksicht zu neh
men und übermässige Strenge zu mildern. In Bezug der aufrecht
zu erhaltenden Kirchenfreiheit sollen die Visitatoren des Herzogs
Hülfe besonders dazu in Anspruch nehmen, damit fortan nicht mehr
wie bisher geschehen, Laien unter dem Vorwände des Patronats
rechtes die Habe der Geistlichen nach ihrem Tode, oder sogar noch
während ihres Todeskampfes widerrechtlicher Weise in Besitz zu
') Beilage XXIX.
7iur Geschichte der Wirksamkeit des Basler Concils in Österreich. 331
nehmen sich erfrechen. Die übrigen Puncte sind mit denen der
ersten Vollmacht gleichlautend.
Die den Visitatoren zugleich mit ihrer Vollmacht übergebenen
Fragepuncte der anzustellenden Visitation *)> welche die gesammte
weltliche und geistliche Verwaltung betreffen, zeugen für die beab
sichtigte Genauigkeit der zu treffenden Erhebungen.
Indess hatte sich über den Vorstehern der geistlichen Corpora-
tionen in Österreich ein Ungewitter entladen. Das Basler Concil
hatte ihnen im Anfänge des Jahres 1436 Kraft des heil. Gehorsams
und geleisteten Eides unter Androhung schwerer Strafen befohlen,
entweder persönlich zu erscheinen oder das Concil durch einen Pro-
curator für jeden einzelnen zu beschicken. Wie sehr sie aber auch
geneigt waren, diesem Gebote nachzukommen (Beweis dafür die Briefe
des Pröpsten Caspar von St. Florian, worin er Propst Georg von
Klosterneuburg um seine diesfällige Ansicht befragt 2 ), so waren
doch der Schwierigkeiten zu viele, und desshalb Hessen sie im Ein
verständnisse mit dem Diöcesanbischofe Leonhard durch dessen Pro-
curator, den Passauer Domherrn und Official Peter Fried ihre Ent
schuldigung an das Concil gelangen. Ohne jedoch darauf Rücksicht
zu nehmen, verhängten die Basler Väter über die Prälaten Öster
reichs die Excommunication, und Hessen das diesfällige Decret an dem
Thore der Hauptkirche Basels anschlagen. Desshalb ertheilte Bischof
Leonhard seinem erwähnten Official den Auftrag (4. Sept. 1436),
bei dem Cardinal - Legaten und den übrigen Vätern dringend einzu
schreiten, damit die verhängte Excommunication aufgehoben oder
doch ihre Wirksamkeit auf 2 Monate suspendirt werde, innerhalb
welcher Zeit er die Prälaten zusammenberufen und dahin wirken
wolle, dass sie schleunigst geeignete und der Reformation geneigte
Männer nach Basel absenden sollten s ).
Und schon den 7. September erliess Bischof Leonhard vom
Schlosse Ebelsberg aus das Berufungsschreiben an die Prälaten der
Orden des heil. Augustin und Benedict, und gab ihnen die über sie
trotz der Bemühungen seines Officials verhängte und publicirte Ex
communication bekannt. Um diese aufheben zu machen und grösseren
*) Beilage XXX. und Archiv VII. 260 seqq.
a ) Beilage XXX.
3 ) Beilage XXXI.
37*
532
H. J. Z ei big.
Gefahren zu entgehen, haben sie am nächsten Feste des heil. Mat
thäus (21. Sept.) persönlich, oder bei eintretenden Hindernissen
durch eines ihrer älteren mit unbeschränkter Vollmacht versehenen
Stiftglieder vertreten, zu Krems zu erscheinen und in Verbindung
mit den von ihm zu sendenden Stellvertretern die Wahl der Procu-
ratoren zum Basler Concil, welche zugleich ihr Zögern entschuldigen
und die Aufhebung der Excommunication betreiben sollen, vorzu
nehmen, auch über alles dazu dienliche zu berathen. Die Nicht
erscheinenden sind nichts desto weniger durch die Beschlüsse der
Anwesenden gebunden '). Als seine Stellvertreter beglaubigte er
(Ebelsberg 10. Sept.) seinen Secretär Conrad von Tingelfingen,
Pfarrer zu Freystadt, und seinen Official, den Pfarrer Leonhard von
Mauttern a ).
Am bestimmten Tage (21. Sept.) versammelten sich die Prä
laten in Folge dieser Berufung zu Krems, wie es scheint unter dem
Vorsitze des Propstes Georg von Klosterneuburg 3 ). Nicolaus Propst
von St. Dorothea liess sich durch seinen Stiftsprofessen Leo vertreten,
der Schottenabt Johann III. von Ochsenhausen (1428—1446) ent
schuldigte sich, da ihm das Berufungsschreiben erst den 20. Sept.
zugekommen und beglaubigte als Stellvertreter seinen Prior Martin
(der ihm 1466 als Abt nachfolgte).
Zuerst kam die Excommunicationsfrage zur Verhandlung. Die
Prälaten bemerkten sehr richtig, das Basler Concil habe mit Unrecht
über Alle die Excommunication verhängt, da einige das Berufungs-
defcret gar nicht erhalten, andere nach Empfang desselben sofort
ihre Procuratoren nach Basel abgesendet haben. Die Excommunica
tion könne daher nur diejenigen aus ihnen treffen, welche die Beru
fung erhalten und doch weder persönlich, noch durch einen Procu-
rator in Basel erschienen sind. Diese haben sich allerdings als
exeommunicirt zu betrachten und jeder kirchlichen und sacramen-
talen Handlung zu enthalten.
») Beilage XXXIT.
3 ) Beilage XXXIII.
3 ) Ich vermuthe dies aus den vor hergegangenen Anfragen und Berathungen der
übrigen Prälaten, so wie aus dem Umstande, dass die Beschlüsse der Con-
l'erenz, so wie die zwei Entschuldigungsschreiben (Beilage XXXIV, XXXV)
sich in dem Stifts- Archive befinden.
Zur Geschichte der Wirksamkeit des Basler Concils in Österreich. J}33
Zunächst kam die Kostenfrage an die Reihe. Zur Erhaltung der
Procuratoren, welche die Befreiung der Prälaten von den kirchlichen
Strafen und zugleich von dem persönlichen Erscheinen zu bewirken
und ihre Stelle daselbst zu vertreten haben, sollen alle Prälaten ohne
Unterschied ihre Beiträge leisten. Ausgaben jedoch, welche die
Aufhebung der kirchlichen Strafen erfordert, treffen nur die persön
lich dabei Betheiligten. Trete der Fall ein, dass einige Prälaten
unter dem Vorwände, sie hätten ohnehin ihren eigenen Procurator
zu dem Concil gesendet , sich weigern würden, zu den umgelegten
Beträgen beizutragen, so solle dieser Zwiespalt von den Stellvertre-'
tern des Passauer Ordinarius nach Laut des ihnen diesfalls ertheil-
ten Auftrages beigelegt werden.
Was die Zahl der Procuratoren betrifft, so solle jeder Orden
wenigstens einen absenden, Die zu leistenden Beiträge bestimmt ein
Ausschuss von 12 Prälaten (wovon 6 dem Chorherren-, 6 dem Bene-
dictinerorden, 8 dem Lande Österreich, 4 dem Herzogthume Baiern
angehören), nach den Einkünften und der gewöhnlichen Schätzung.
Sie wählen aus ihrer Mitte einen engern Ausschuss (3 Chorherrn,
3 Benedietiner-Prälaten, 4 Österreicher und 2 Baiern), zur Eintrei
bung der ausgeschriebenen Beträge mit unbeschränkter Vollmacht
und dem Rechte, die Beihülfe des Passauer Bischofes in Anspruch
zu nehmen.
Die Procuratoren selbst haben bei dem Concil dringend darauf
zu bestehen, dass sie wieder in die Heimat kehren dürfen ohne ge
zwungen zu sein, dem Concil bis zu seinem Ende beizuwohnen. Zur
Begründung dieses Ansuchens weisen die Prälaten darauf bin, dass
die Väter zu Basel durch die Berufung der Prälaten eigentlich ein
neues Recht geschaffen, da diese nach dem bisher üblichen Rechte
nicht verhalten werden können, einem allgemeinen Concil (wohl
Diöcesan- und Provincialsynoden) beizuwohnen. Zudem haben sie
beinahe seit dem Beginn des Concils durch länger als 3 Jahre ihre
Procuratoren mit grossen Unkosten auf dem Concil gehabt, und aus
dieser Rücksicht wohl erwarten dürfen, nicht in so überstürzender
Art und Weise mit kirchlichen Strafen belegt zu werden, und das
um so mehr, nachdem der Wortlaut der früher erlassenen Berufung
sich nur auf diejenigen, welche bisher Niemanden gesendet, beziehen
Hess. Auch sei so eben im Aufträge des Concils in den österreichi
schen Landen die Visitation und Reformation der Klöster eingeleitet
H. J. Z e ib ig.
834
worden, und so sei es denn doch gewiss nicht mehr nöthig, behufs
dieser Reformation auf dem Concil selbst vertreten zu sein, denn
dies würde keinen andern Vortheil, als verdoppelte Auslagen, Ver
pflegung der Procuratoren zu Basel und der Visitatoren in den eige
nen Häusern bringen; Auslagen, welche die geistlichen Häuser um
so schwerer treffen, als sie durch die Nähe der Böhmen, welche
durch einen Zeitraum von mehreren Jahren ihre Besitzungen zu
wiederholtenmalen mit Rauh und Rrand verwüstet haben, in ihren
Einkünften bedeutend geschmälert worden sind, was um so fühlbarer
sei, da für die Vertheidigung des Glaubens und des Vaterlandes
gegen die Rohmen die grössten Anforderungen in Steuern und Con-
tributionen von Seite des Landesherrn an die Prälaten gestellt, so
dieselben von zwei Seiten her in Anspruch genommen werden, und
desshalb um so weniger im Stande sind, Auslagen zu bestreiten,
mit welchen sie nach dem bisher üblichen Rechte nicht sollten be
lastet werden.
Um jedoch in der ganzen Angelegenheit noch sicherer zu gehen
beschlossen sie, die Herrscher in Österreich und Baiern bittweise
zu ersuchen, vermittelnd bei - dem Concil aufzutreten und in ihre
vermittelnden Schreiben alle diese oder wenigstens die gewichti
geren und eindringlicheren Gründe aufzunehmen. Das gleiche An
suchen kommt durch die ohnehin gegenwärtigen Stellvertreter an
den Passauer Bischof zu stellen, und durch die gewählten Procura
toren bei ihrer Durchreise durch Passau zu wiederholen.
Endlich, da der Bischof Leonhard durch seine Stellvertreter
angezeigt habe, er wolle die nach der zweiten Vollmacht vorzuneh
mende Visitation nun wirklich einleiten, erscheine es zweckdienlich,
ihn bittlich zu ersuchender möge früher in einer mit den bestimmten
Visitatoren anzusteilenden Conferenz berathen, wie weit die Zurück
führung der Chorherrn zu einerlei Kleidung und der Benedictiner zu
der alten Observanz einzuleiten und durchzuführen sei *).
Von diesen Beschlüssen setzten die Prälaten nach dem Schlüsse
der Conferenz den Landesherrn Herzog Albrecht V. durch seinen
Kanzler Hans von Mayrs, Pfarrer zu Gars, welchem sie schriftlich,
und durch den Prior von Göttweih auch mündlich alles betreffende
mitgetheilt hatten, in Kenntniss a ). Albrecht scheint gegen die zu
>) Beilage XXXVI.
2 ) Beilage XXXVII.
Zur Geschichte der Wirksamkeit des Basler Concils in Österreich. 53 n
Krems gewählten Procuratoren, den Prior von Garsten und Martin
von Waldhausen, vorzüglich gegen den letztem seine Abneigung
fortdauernd kund gegeben zu haben, darauf weiset eine Stelle in dem
Briefe Bischof Leonhards hin, den er an seinen Rentmeister zu Maut-
tern, Brandbacher, mit dem Aufträge richtet, den Inhalt desselben dem
Abte von Göttweih mitzutheilen '), der sich sofort beeilte, Propst
Georg von Klosterneuburg von dieser Ansicht des Biscliofes in
Kenntniss zu setzen a ). Doch scheint sich alles zu beiderseitiger
Zufriedenheit ausgeglichen zu haben, denn die beiden Procuratoren
erschienen demnächst zu Basel, und überreichten die Zuschrift der
Prälatenconferenz, so wie die Briefe der Landesherrn von Öster
reich und Baiern und des Passauer Bischofs dem Concil, welches
die ganze Angelegenheit dem dazu bestimmten Ausschüsse überwies.
Der Vorstand desselben, Ludwig Herzog von Teck, Patriarch von
Aquileja wies aber in einem an sämmtliche Prälaten des Chorherren
und Benedictinerordens der Passauer Diöcese gerichteten Schrei
ben 3 ) die von ihnen vorgebrachten, durch die Briefe der Landes
herrn und des Ordinarius unterstützten Gründe mit Hinweisung auf
die gleiche Lage der Kirchen und Klöster in Italien und Frankreich
zurück, doch mit der Begünstigung, dass sie erst bei der Ankunft
der Griechen zu erscheinen haben sollten.
Die Väter hatten auch schon in der 24. Sitzung (24. April 1436)
Über die Vereinigung mit der griechischen Kirche verhandelt, die
selbe aber bis auf das nächste Jahr verschoben, nachdem sie den
griechischen Gesandten versprochen hatten, die ihnen vorgeschos
senen Gelder auch für den Fall, dass die ganze Angelegenheit sich
zerschlagen sollte, nicht zurückzuverlangen. Zur Herbeischafl'ung
der dadurch nothwendig gewordenen Geldsummen schrieben sie
einen Ablass aus, ungeachtet schon vor 2 Jahren ein ähnlicher An
trag gefallen war, und die nun darüber beschliessende Versammlung
nur 10 Bischöfe und 13 Äbte umfasste, auch die Abgesandten des
Papstes gegen diese Anmassung eines rein päpstlichen Rechtes Pro
test eingelegt hatten. Die Einsammlung für Österreich hatte, wie
aus einem Briefe Herzog Albrecht V. an den Propst Georg I. von
*) Beilage XXXVIII.
2 ) Beilage XXXIX.
3 ) Beilage XU.
53(5
H. J. Z e ib i g.
Klosterneuburg erhellt *), der Kirchenmeister von St. Stephan in
Wien.
Dieselbe Angelegenheit der Vereinigung beider Kirchen war es
aber auch, welche den Riss, der zwischen Papst und Concil schon
bei der Eröffnung sich gezeigt hatte, erweiterte, und durch den
Starrsinn der Väter zu Basel unheilbar machte; bis endlich, nach
dem Deutschland und mit ihm Österreich das System der Neutralität
zwischen beiden Elementen durch 12 Jahre festgehalten, der dem
Papste Eugen IV. als Felix V. gegen übergestellte Amadeus von Savoyen
sich dem rechtmässigen Papste Nicolaus V. (Thomas Sarzano der
schon früher als Bischof von Bologna das Werk der Vereinigung in
Deutschland betrieben) unterwarf, und so durch Herstellung der
kirchlichen Autorität die der katholischen Kirche wesentliche Einheit
und mit ihr der kirchliche Friede wieder gegeben wurden.
Beilagen-
I.
Sigmund von.Wölkersdorf, Propst und Archidiacon von Salzburg macht dem Chorherm
von Klosterneuburg Colomann die auf ihn gefallene Wahl der Stifte in der Salz
burger Diöcese als ihr Procurator bei dem Basler Concil bekannt, mit der Bitte, sie an
zunehmen.
Dat. Salzburg 16. Dec. 1431.
Premissa fraterna salute. Egregie vir, Amice carissime Cum
nuper nos venerabile Capitulum nostrum ceterique nostri ordinis
Salzburg, dioc. prelati matura prehabita deliberacione de persona
Saerasanctum generale Basiliense Concilium, ad quod veniendum vel
mittendum infra viginti dies novissime citati fuimus pro nobis
ecclesiisque nostris utili et ydonea transmittendi tractassemus, una-
nimiter nullo discrepante in vestram personam convenimus, quam
propter multifaria virtutum scienciarumqüe ac sagacitatis, quibus deo
propiciante decoralur, merita pro utriusque status tarn ecclesiastici
quam secularis reformacione pacisque in Xno populo reparacione ac
toti nostro ordini ecclesiarumque nostrarum necessitati sua industria
perutilem cognovimus atque sufticientem, vosque propterea pro nobis
ac dietis nostris ecclesiis ad memoratum concilium hac vice trans-
mittendum fore conclusimus. Qua de re vestram amiciciam affec-
) Beilage XBII.
Zur Geschichte der Wirksamkeit des Basler Concils in Österreich. 337
tuose in dno rogamus et hortamur, quatenus ad id nostri contempla-
cione consensum prebere ac pro tanto orthodoxe fldei nostreque
religionis uniyersali bono hujusmodo Ambasiate onus, super quo
eciam vestri prelati, cui in presenciarum desuper scribimus, con-
sensum nos obtinere speramus, in vos assumere et cum presencium
latore aptatis sarcinulis ad nos Salzburge dilacione morosa, plerum-
que nociva, semota iter veniendi accipere velitis cum informationibus
debitis ac singulis pro via vobis necessariis, abinde ad dictum Con-
cilium ulterius progressurus. In quo tantum utique nobis dictisque
prelatis omnibus et singulis conplacenciam exhibebitis, quod ad ipsam
debita gratitudine recognoscendam perpetue nos obligatos nostre
sencietis amicicie, quam altissimus eonservet feliciter et votive nunc
et in evum. Scriptum Salzburge die sexta decima rnensis decembris
Anno XXXI-mo.
Sigismundus dei gracia pptus et
Archid. Eccl. Salzburg.
»
Egregio decretorum doctori Amico nostro carissimo dno Col-
manno professo Mon. in Newnburga claustrali Can. Reg. ordinis.
St, Augustin.
Original. Papier.
n.
Propst Sigismund von Salzburg ersucht den Chorherrn Colomann, seine Reise zu dem
Basler Concil bis auf weitere Weisung aufzuschieben.
Datum Salzburg 4. Februar 1432.
Amicabili salutacione premissa. Venerabilis dne Doctor. Nove-
ritis ad aures nostras relacionem veridicam peruenisse, quo Con-
cilium in Basilea celebrandum per dnm. n ostrum summ um
pontificem dnm. Eugenium papam modernum die decima
octava rnensis Decembris proximeelapso in publico Consistorio
seu Audieneia publica ad annum cum dimidio sit suspensum.
Ea propter non erit necessarium, vos de presenti dictum Concilium
nostro nomine et quorundam aliorum prelatorum adire tamdiu, quous-
que nostra scripta vobis duxerimus destinanda. Insuper regraciamur
vobis multum de bona voluntate vestra, recepturi semper a nobis
in vobis placabilibus recompensam similem et maiorem. Dat. Salcz-
burge fer. secunda post puriticacionem anno tricesimo secundo.
Sigismundus dei gracia pptus et
Archid. ecclesie salzburgens.
538
H. J. Z e ib i g.
Venerabili viro dno Colomanno decretorum doctori Can 00 Monast.
in Newnburgaclaustrali.
Original Papier.
in.
Leonhard, Bischof von Passau, legt die Erhaltungskosten der zwei von den Chorherrn
stiften seiner Diöcese zu dem Basler Concil gesandten Procuratoren um.
Datum Ebelsberg 29. März 1432.
Leonardus Dei et Apostolice Sedis gracia Epus. Pata-
viensis. Venerabilibus et in Xsto nobis sincere dilectis Georgio
in Newnburga claustrali, Casparo saneti floriani et Jo
hanni sancti Nicolai extra muros patavie monasteriorum
saneti Augustini Canonicorum regularium nostre diöcesis prepositis
Salutem in domino sempiternam. Cum in Civitate Basileensi iuxta
Constaneiensis et Senensis conciliorum ordinaciones et sta
tuta Sacrosanetum sit generale Concilium in spiritu sancto laudabi-
liter inchoatum, ces saveritque omnis, que occasione revoca-
cionis orta erat ambiguitatis materia, per quasdam ipsius ordi
naciones noviter auctore domino promulgatas, Cumque venerabiles
et in Xsto devoti Nicolaus. Mon. sancte Dorothee Wienne
prepositus et frater Martinus professus Mon. in walt
hausen, decretorum doctor. Monasteriorum omnium ordinis sancti
Augustini Canonicorum regularium dicte nostre dioc. orntores eidem
concilio nunc incorporati existant, Nos volentes, ut ordinacio, que de
expensis eorundem in Castro nostro Ebelsberg de quatuor men-
sibus in quatuor menses per ipsius sacri concilii duracionem facta
est, in qua vos prepositi supradicti omnium Monasteriorum predicto-
rum pro comuni contribucione secundum ipsorum facultates Taxa
tores, seu huiusmodi contribucionis lmpositores de prelatoruin, seu
ipsorum procuratorum voluntate et consensu estis deputati, debitum
sorciatur effectum, cupientesque Monasteriorum huiusmodi Indemp-
nitates, quas incurrent, si oratores ipsi pecunias mutuo cogerentur
recipere, fideliter prevenire, tibi preposito in Newburga claustrali
infra Anasum, tibi preposito in sancto floriano supra Anasum, et
tibi preposito sancti Nicolai extra muros Patavie Taxatoribus supra-
dictis, ut summas pecuniarum tune monasteriis ipsis impositas nondum
in parte vel in toto solutas, ab ipsorum Monasteriorum prepositis
requirere, ipsaque Monasteria pro secundis et succedentibus sibi semper
Zur Geschichte der Wirksamkeit des Basler Concils in Österreich. 539
quatuor mensibus durante huiusmodi Concilio de novo taxare aut
contribucioriem, prout visum fuit iuxta Monasteriorum facultates, fide-
liter et siue preiudiciis aut favore, super quo uestras consciencias
oneramus, imponere et ipsas taxas requirere et exigere, pro eis quit-
tare, et ipsis prefatis oratoribus mittere possitis et valeatis, auctoritate
ordinaria tenore presencium plenam et liberam in domino concedimus
facultatem, Ratum habentes atque gratum, quidquid in premissis
duxeritis faciendum, taxandum seu imponenduin, Confidentes quod
omnes et singuli prepositi huiusmodi taxe vestre et imposieioni spon-
tanea parebunt voluntate. Certificantes eosdem quod si, quod absit,
non paruerint, vel alter eorum non paruerit realiter et cum effectu,
quod nos contra talem aut tales rebelles censura ecelesiastica utique
procedemus, ipsorum aut alterius eorundem contumacia et rebellione
non obstante. Datum in Castro nostro Ebelsperg Sabbato
aute Dominicam Letare. Anno domini etc. etc. Trigesimo
secundo.
Original. Papier.
IV.
Wiederholte Aufforderung der Salzburgischen Prälaien an den Chorherrn Colomann von
Klosterneuburg behufs Uebernahme der Procuratur bei dem Basler Concil.
Datum Salzburg 13. November 1433.
' Honorabilis circumspecte frater in Xsto dilecte. In fervore Spiritus
et caritatis considentes, per sacram basiliensem synodum quatenus
oratores nomine Ord. s. Aug. Can. Reg. per dioc. Salczburg. de sin-
gulis sufficienter instructos, sciencia et moribus eruditos denuo ut
mitteremus pulsati et moniti fuimus, et prehabita diseussione diligenti
personam vestram tamquam sufficientem honorantes ac onerantes
eandem pro huiusmodi tarn ipsius concilii, quam ordinis nostri eli-
gentes incremento decrevimus mittendam ae amico nostro in Xsto pre-
posito vestro, ut vobis licenciam concedat, et ad nos Salzburgarh
infra hinc et festum s. Nycolai transmittat, ubi de singulis curabimus
tarn equis. quam expensis, honorifice vobis providere, supplicavimus,
Quare studio diligenti rogamus, quatenus hoc opus meritorium
aggredi, consensum prebere et personam vestram ipsi oneri et
honori, quem vobis eupimus impendi nostri contemplacione subii-
cere velit, peticionem nostram exaudiendo. huiusmodi labores
licet merito eterno conpensandas non minus per nos et singulos
S40
H. J. Z e i b i g.
grato recognoscendas affectu. Datum Salczburg, ipsa die scti Briccy
Anno XXXII 0 .
Sigismundus prepositus et Archid. ecee. Salczburg.
Johannes prepositus in Berclitersgaden, Johannes pre
positus Sei Zenonis, Kristannus prepositus in Hegelberd,
Conradus prep. et Arcliid. in Gars, petrus prepos. in A\v,
V. (lrieus.) prepositus in Paniburg, Nicolaus prepos. in
Voraw.
Honorabili et circnmspecto fratri in Xsto dilecto dno. Kolo-
manno professo Mon in Newnburga claustrali nec non Decret. doctor.
Original. Papier.
v.
Verzeichniss der von Seile Colomanns bei dem Basler Cone.il zu beachtenden Wünsche
seiner Coimnittenten.
Notantur bic certa Avisamenta Ecclesiam Salczburgensem eiusque
capitulum aliaque monasteria eiusdem ordinis concernencia atque dioc.
Primo. Vt electio cuiuslibet ecclesie tarn cathedralis quam col-
legiate, sive eius confirmacio ad sedem apostolicam pertineat, in suis
iuribus et privilegiis conservetur et per taxam camere apostolice,
sed ultra consuetum modum non graventur.
Item providendum est, ne layci se eleccionibus immisceant et
quod Canonici tempore eleccionis ab omni conversacione laycorum
se abstineant.
Item. Ecclesie et Monasteria in suis redditibus et colonis in
tantum per dominos temporales et spirituales, videlicet advocatos
gravantur, quod suis naturalibus dominis, quibus de iure servire
tenentur, vix vel raro censum reddere possunt.
Item. Eadem ecclesie et monasteria nullam proteccionem habent
contra predones, raptores et alios maleficos ab illis advocatis, a quibus
tarnen merito protegi deberent.
Item. Quod prepositura ecclesie Salzburgensis vna cum aliis
monasteriis eiusdem ordinis et dyoc. cum oneribus suis non sunt
tante habundancie rerum temporalium et reddituum, sicut quidam
opinantur, sed quod vix se et suos sustentare possunt, vt ex-
periencia docet, quod quidam in suis monasteriis sine vino utuntur
panibus ordeaceis etc.
Zur Geschichte der Wirksamkeit des Basler Concils in Österreich. 541
Item. Eadem prelatura cum predictis Monasteriis maxima gra-
vamina et iuiurias paciuntur a Castellanis dominorum principum tem-
poralium et spiritualium et nullam habent proteccionem ab aliquo.
Item principes temporales et Epi ad Induccionem Kartusiensium
et aliorum monachorum procurant fieri visitaciones non ob salutem
animarum, sed inplicacionem rerum temporalium, patet ex eo, quia
finita visitacione adiurant prelatos dictorum monasteriorum, ut de
singulis redditibus et superfluis illius anni plenam yelint dicere veri-
tatem, et illud, quod sciunt superfluum, deducunt ad aures principis,
secundum illa exaccionantur et aggrayantur monasteria predicta.
Item prelati supradicti suas necessitates et gravamina ac liber-
tates suas contra principibus temporalibus et spiritualibus propo-
nentes, si non proponunt ad libitum et yoluntatem ipsorum, statim
procurant visitaciones contra ordinacionem iuris, vt isti prelati minus
iuste deponantur et male.
It. inquisicionem subditorum ex odio et invidia contra suos su-
periores proponunt, ut cicius deponantur.
It. quod Coloni prelatorum et ecclesiarum per dominos tem
porales et spirituales agravantur per steuras hussitarum et adhuc
coguntur ibi ire propriis in personis.
Item relatum est domino preposito ecclesie Salzburgensis, quod
ipse cum suo capitulo coram patribus concilii ab ipsorum emulis et
detractoribus sint dilTamati.
It. predicta monasteria Salzburgensis provincie maxime gra-
vantur per visitaciones et reformaciones Cartusiensium et monachorum
ac doctorum secularium, Ideo provideat sacrum eoncilium de remedio
operativo.
Nota solum de Capitulo Salczburgensi.
It. quod ordinacio et reformacio Ecclesie eiusdem inmediate
pertineat ad archiepiscopum tarn in temporalibus, quam in spiri
tualibus. Et in predicta Ecclesia non est servandus talis rigor, sicut
alibi, propter statum, dignitatem, et personarum nobilitatem.
It. in predicta Ecclesia Salzburgensi a treeentis annis et ultra
ex laudabili consuetudine introductum est propter personas eiusdem
ecclesie, quod quevis de licencia sui superioris babuit certam am—
ministrationem ad vsum fructuum, non ad proprietatem vsque ad revo-
cacionem eiusdem superioris.
542
H. J. Zeibig.
Item Cartusienses et alii monaclii tantum exhorbitant ab ordine,
quod discurrunt per curias principum.
Gleichzeitige Abschrift. Pap.
VL
Propst Georg I. und das Kapitel von Klosterneuburg bewilligen dem Chorherrn Colomann
die Uebernahme des Procuratoriums der salzburgischen Prälaten.
Datum Klosterneuburg 5. December 1432.
In nomine domini. Amen. Anno a nativitate eusdem millesimo
quadringentesimo trigesimo secundo Indicc X. die vero 5‘" mensis
decembris hora vesperarum vel quasi pontifieatus sanctissimi in Xsto
patris ac dni. nostri, domini Eugenii divina providencia pape quarti
anno eius secundo in refectorio monasteriiNeunburgensis
beatissime virginis Marie Can. Reg. ord. s. Aug. patav. dioc. in mei
publici notarii testiumque infra scriptorum presencia personaliter
constitutus Egregius ac Venerabilis yir dnus Chollomannus pro-
fessus dicti monasterii decretorum doctor, custos et
saerista et plebaniam regens, ibidem tanquam obediencie
filius in presencia patris aednisui Georgiiprepositi, Johannis
decani, symonis cellerarii, Steffani cantoris ac alio-
rum dnorum canonicorum capitulariter congregatorum ab eodem dno
preposito suo humiliter licenciam et consensum postulavit eundi ad
sacrosanctum generale basiliense Concilium nomine et
ordinacione yenerabilium patrum et dominorum sigismundi prepositi
ac sui yenerabilis capituli ceterorumque prelatorum ecclesie et dioc.
salzburgensis ord. s. Aug. Can. Reg. iuxta eorundem petita in causis
sibi conmittendis, ubi tune dictus dnus prepositus newburgensis aliis
dominis presentibus, videlicet decano, cellerario, cantore et aliis
capitulum representantibus habita condigna deliberacione cum eisdem
prefato dno Chollomanno licenciam plenam tribuens et consensum
prebuit ad hoc, ut iter acciperet eundi et huiusmodi onus in se reci-
piendi in causis prescripti dni prepositi ac uenerabilis sui capituli et
aliorum prelatorum antedictorum, protestabantur eciam ibidem ambe
partes coram me notario, quod propter distemperanciam
aeris, nimiam magnitudinem ac discrimina viarum at-
que peryersissimorum hereticorum, alias bussitarum,
atrocitatem ac gravem occupacionem terre austrie, et
eciam propter dicti dni. doctoris officium, videlicet cum racionibus
Zur Geschichte der Wirksamkeit des Basler Concils in Österreich. 1)43
faciendis, expedicionis cicius sine periculo et metu iter accipere
nequiverit. Super quibus omnibus et singulis prefati dni. videlicet
prepositus cum aliis supra tactis dominis et fratribus ipsum capitulum
representantibus ac ipse prefatus doctor petiyerunt sibi vnum vel plura
instrumentum seu instrumenta super eisdem tociens, quociens fuerit
opportunum, edi ac per me notarium confici ac ipsis tradi, Acta sunt
hec Neuburge anno, indiccione, die, mense, hora, pontificatu ac
loco quibus supra, presentibus ibidem providis et discretis viris
petro müstinger, armigero, nycolao teckel laycis ac
famulis dicti dni. prepos. neumburg. testibus fide digrtis ad premissa
vocatis pariter et rogatis.
Et ego Jodocus Rott de uberlinga, clericus Constanc. dioc. etc.
Original. Pergament.
VII.
Chorherr Colomann Knapp berichtet dem Salzburger Propste Sigismund über die bisher
aufgelaufenen Unkosten.
Datum Basel, 1. Mai 1433.
Obedieneiam filialem liumili cum subieccione R 1 ’ 0 pater ac mibi
graciose! visa et lecta litera dominacionis vestre mibi per nunccium
quemdam, Chunradum nomine, XXVII. aprilis exbibita percepi, Vestram
dominacionem votiva sanitate gaudere atque de meis prosperitatibus
vestram dominacionem mihi siniiliter corigratulari, pro qua paternali
afFeccione vestre dominacioni tantas, quantas possum, refero graci-
arum acciones. Deinde V. D. subiungit, quod per eundem nunccium
mihi transmiserit 70 florenos Renenses, quos et recepi et tenore pre-
sencium me profiteor ab eodem recepisse. Sed ut dominacio vestra
plene informata sit, quantum ab inieio recessus mei de Newnburga
vestri nomine et aliorum, qui me miserunt, prelatorum exposuerim,
et quantum ab eisdem usque bodie perceperim, vniversa exposita
primo, deinde recepta in cedula presentibus adiuncta descripsi et bene
calculando, si in peeuniis per me perceptis XXXV flor. Ren. quibus
estis mihi unacurn aliis patribus oliligatus et pro quibus a V. P. recog-
nicionem habeo, deducantur, usque in hodiernum diem in omnibus
I debitis michi est satisfactum, exceptis sex flor. ren. in quibus mihi
remanetis unacurn aliis obligatus. Et quia in peeuniis michi per
dominum meum Newnburgensem deputatis, videlicet 70 flor. quibus
dum Salczburgam veni, michi eratis una cum aliis pro equis et para-
544
H. J. Zeibig.
mentis obligatus, aliquoslibros, sicutde mandatoprefati
domini mei debui facere, comparavi atque amplius
comparareintendo in futurum, ideo dignetur D. Y. una cum
aliis prelatis cogitare, ut mihi de expensis ulterioribus infra hinc et
festum penthecostes, aut alias quanto cicius fieri poterit, provideatur,
si yotis vestris et aliorum patrum et tocius religionis utilitatibus,
sicut cepi, debeo amplius operam dare efficacem. Noyitates V. D. no-
vissime, yidelicet XVI. die aprilis cum quodam nunceio per magistrum
curie gneser initimayi et quia ex post alie, exceptis quibusdam de-
cretis in XI. sessione concilii basileensis heri publicatis et quorum
copiam presentibus coniunxi, non occurrerunt, ideo de aliis nescivi
scribere pro presenti. Insuper, R. Pater! non debet moyeri v. D.
si prima facie videatur me magnas hucusque fecisse expensas, interim
si bene ponderetur, ego pro paramentis meis ab inicio et expensis vie
a Newburga usque ad Basileum et pro yestibus condecentibus exposui
summam centum et Septuaginta renens. flor. et quia principium
cuiuslibet rei est preciosior et difficilior eius pars, spero in futurum,
nullatenus V. D. et alios patres continget pro me talibus expensis
aggrayari, sed singulis mensibus pro expensis ordinariis et extraor-
dinariis in tredecim flor. regn. pro futuro tempore me credo posse
stare contentum, et hoc pro nunc, sicuti alias feci, vestre dominacioni
scribo, ut secundum hoc in contribucionibus futuris v. D. elarius
informare possit animi sui, — quam altissimus conservare dignetur
in utriusque hominis optata sanitate. Datum Basilie penultima die
Aprilis (prima die may.) Anno domini XXXIII.
Domino Preposito Sigismundo Salzburgensis ecclesie.
Concept. Papier.
VIII.
Colomann Knapp legt seinen Committenten Rechnung.
Datum 27. Mai 1433.
Percepta.
Anno domini XXXIII. Ego Chollomannus decretorum doctor Mona-
sterii Newnburgensis professus, procurator venerabilium patrum et
dominorum prelatorum ordinis sancti Augustini Canonicorum Regu-
larium Salzburgensis diöcesis fateor me a predictis patribus ab inicio
mei recessus ad sacrum concilium nomine eorundem itinerando pro
Zur Geschichte der Wirksamkeit des Basler Concils in Österreich. 54S
expensis recepisse a Reverendo patre dno Sigismundo Salczburgensi
preposito et archidiacono XXXYI flor.
Item de yendicione equorum in Basilea 50 flor. cum dimidio.
Item 27 mensis aprilis 70 florenos et non plures.
Item XXXYI flor. reyn. in vigilia penthecostes mihi dederunt.
Sum. 192 1 / a flor. reyn.
Exposita.
Primo a Salczburga usque ad Basileam et ibidem in eommuni hos-
picio certis diebus stando ante adepcionem proprii hospicii exposui
XXXYI flor.
Item famulo Simoni ad patres redeunti quatuor flor.
Item pro vcstibus michi et famulo condecentibus, videlicet duobus
palliis, et tot eapuciis et birretis, et una tunica et una tunica famulo
49 flor.
Item a festo sancti Policarpi usque in festum saneti Marei ordi-
narie et extra per illos tres menses exposui XXXVIIII flor. singulis
mensibus XIII flor.
Item in perceptis a yestris paternitatibus perdidi in pondere
monete in quolibet floreno sex d. facit quinque flor. III ss. VI d.
Insuper Reverende pater scitis quod adhuc obligamini michi
XXXVI flor. de quibus a Y. Patern, recognicionem habeo, quam cum
proximo nunccio paternitati vestre transmittam et de pecunia mihi
proxime missa predictos XXXVI flor. recipiam, et ad nutum et yolun-
tatem domini mei prepositi Neuburgensis pro libris et aliis neces-
sitatibus exponam, sicut in litera presenti satis yestre paternitati
declaravi. Et sic de Omnibus reddo V. P. quittatam et liberam usque
in hodiernum diem.
Summa expositorum et solutorum centum sexaginta quatuor cum
dimidio flor. reyn.
Et ita ex summis perceptorum et expositorum simul calculatis
paternitates yestre usque in hodiernum diem remanebunt michi in
octo flor. reyn. obligati.
Scriptum XXVII mens, may in pallacio domini
officialis Basilee.
Concept. Papier.
38
Sitzh. (1. phil.-hist. CI. VIII. Bd. V. Hft.
546
H. J. Z e i b i g.
ix.
Chorherr Colomann erstattet dem Salzburger Propst Bericht über den Stand seiner Ange
legenheiten auf dem Basler Concil.
Datum Basel. Trinit. 7. Juni 1433.
Post sui recotnmendacionem humilem devotam in omnibus subiec-
cionem. Rev. P. et domine generöse litere nuper per Y. D. micbi
directe et per nunccium Rmi. P. de Salczburg exhibite continebant,
quod attemptare et inquirendo videre debeam, si administracio oblay-
arum et aliorum emolumentorum, que domini mei de capitulo Salcz-
burgensi eo modo, quo a longissimis temporibus ibidem consuetum
est, perceperunt per dispensacionem vel alium modum, a sacro basi-
liensi concilio saltem usque ad revocacionem prelati, qui pro tune foret,
in ipsa ecclesia possit obtineri. Et quia, R de pater, hec res, ut V. D.
melius me novit, non parve est importancie, super eaque alias in
romana curia et alibi, ut audio, inter nobiles viros aliquoeies est dispu-
tatum, igitur quid et quantum in bac ipsa re agere valeam, pro nunc
certitudinaliter explicare non possum, sed iuxta V. D. exhortacionem
et mandatum faciam diligenciam exactam, ut d. V. una cum dominis
meis in privilegiorum sedis apostolice, de quibus Y. D. in scriptis
suis mencionem fecit, munimine conservetur, quantum cum deo et
honore omnium facere possum. Verum quia literarum apostolicarum,
super quibus V. D. se fundare videtur, penitus nullam habeo noticiam,
nec illarum tenorem unquam vidi, sed neque legi vel audivi, ideo utile
arbitror, si earundem literarum copia per V. D. quandocicius scilicet
posset, transmitteretur, quatenus ipsis visis fundamentis V. D. plenius
caperem in predictis et clariorem in inquirendo super eisdem a iuris
peritis habere possim manuduccionem. Deinde V. D. me per
cuiusdam cedule scripta certificat et securum reddere vult, quod si
quid in premissis eidem insinuem, nunquam ad noticiam deduci debeat.
quorumeunque, qui in hac re obesse possent, et non prodesse. Hac
autem pollicitacione D. V., ut verum fateor, non oportuit occupari,
quia revera scio, D. V. in hoc bene informatain, quod in talibus, que
occultam requirunt indaginem, V. D. tamquam sagacissima, presertim
in sui ipsius preiudicium nullatenus aliquid manifestet. Deinde R. P.
noveritis, quod ad requisicionem domini legati quidam nostri ordinis
convenerunt repetitis vicibus, et quedam statuta pro observancia
religionis nostre, ut fertur, accomoda, comportaverunt atque ex post
tractatum est, ut plures prelati per totam almaniam ad concilium
Zur Geschichte der Wirksamkeit des Basler Concils in Österreich. 347
vocarentur, ad quam vocacionem d. v. iterum gravata fuisset, quem-
admodum in copia eiusdem citationis presentibus adiuncta clarius
liquet, et nisi diligenciam meam in hac parte cum quibusdam mihi
faventibus fecissem. Ex eo autem dicta plurium prelatorum yocaeio
concepta fuit, ut, quia predicta statuta totum nostrum ordinem pre-
sertim in germania, ubi dnus legatus iure legacionis in hac re fungi
proposuit, respicere videbantur, per plures tamquam eos, quos tan-
gerent, approbarentur. In eisdem eciam statutis, ut audivi, dnus
legatus ad duos duntaxat colores, album videlieet et nigrum, nititur
restringere nostrum ordinem et alia quam plura, que nimis tediosum
esset scriptis exponere, que in gravamen ordinis nostri cedere possunt,
eisdem statutis referuntur fore inserta. Unde, quia non dubito,
quantum post adventum prelatorum, sicut premittitur, ad concilium
Yocatorum et voeandorum, me, qui personam Y. D. in sacro represento
concilio, evocari, predictornm statutorum emologacionem continget,
ideo necessarium erit, ut a Y. D. qualiter in premissis me exhibere
debeam, claras habeam informaciones, quas eciam, quanto cicius fieri
poterit, michi per eundem V. D. cupio destinari. Anno 1433.
Cholomannus decr. doctor prof. Neuburg.
Domino preposito Salczburgensi.
Concept. Papier.
X.
Propst Sigismund von Salzburg trägt dem Chorherrn Colomann auf, die Rechte des Salz
burger Capitels ungeschmälert aufrecht zu erhalten.
Dat. Salzburg, 11. August 1433.
Favorabili premissa salutacione. Venerabilis domine doctor!
scriptis vestris nobis alias transmissis diligencia debita recensitis inter
alia sui desiderabatis serie yobis super statutis certis, que nostre re-
ligioni accommoda fore credebantur tune conceptis, nondum vero ap-
probatis, sed posterius approbandis, intenderet quorundam indagacio
deputatorum , qualiter vos nostri deberetis gerere ex parte, rescribi
Consilium, nostramque significare intencionem, verum quia generalis
incircumstancionatave nobis extitit facta insinuacio, informacionis certe
consilium aut nostre intencionis cautelis debitis fulcitum modum ad
presens describere nequimus. Istud tarnen cordi nobis est attentaque
instancia hoc a vobis desideramus, obnixiusque deprecamur, quatenus
38
H. J. Zeibig.
548
nostri contemplacione yigilem ac operosam effectu diligenciam, ut nos
et capitulum nostrum in privilegiis, muninentis juribusque nostris
conservemur interponatis, pro aliorum eciam, quorum honorabilis nobis
dilectus Johannes Luczeltrater plebanus in vging, presentis
lator, plenam a nobis recepit informacionem, cui in dicendis, credencie
vice hoc geratis fidem, votiva expedicioni eidern eooperando solicitudine
debita assistatis, in quo gratam nobis complacenciam ostendetis, quam
eciam rememorari affeccione debita pollicemur. Dat. Salzburge die
XI. mens. Augusti Anno XXXIII 0 .
Sigismundus dei gracia ppsitus et archid. Chrafto
Decanus totumque Capitulum ecce. Salzburgensis.
Ven. nob. dilecto Cholomanno decretorum doctori Can. prof. in
Newnburga claustrali.
Orig. Papier.
XI.
Heinrich, Abt von St. Lambrecht, benachrichtigt Propst Georg I. von Klosterneuburg über
den Stand des Concils von Basel.
r
Datum Afflenz 3. oder 9. October 1433.
Reverende pater. Sineere caritatis vinculis preoblatis. Vestre
notificamus amicicie, quod proxime infra octavam virginis gloriose
venimus de Basilea et ad Wiennam in arduissimis negociis
expediendis erga dominos nostros Ducem Albertum etDucem
Fridricum Iuniorem, ethabitis responsis citissime oportebat mit-
tere nunccium ad Insprugg, quibus de causis non poteramus tar-
dare, et venire ad vos, quod tarnen libentissime fecissemus, et sciat
Y. P. quod sacrum eoncilium firmissime stat, papa-
libus et imperialibus literis et bullis firmatum, licet sit
aliqua controversia inter papam et eoncilium, et nos
fuirnus in duodecima sessione, que fuit contra papam, ut forte
vobis orator vester de eadem bene notilicavit. Ceterum sciatis, quod
idem orator nobis valde familiaris exstitit, diligentissimus in omnibus
et in brevi revertemur ad Basileam, forte in octo diebus, et quiccum-
que poterimus pro vobis et vestris ordine et monasterio facere, otfe-
rimus nos paratissimum, sicut fecimus, et speramus melius ordinari
circa vestras visitaciones et gravamina, et si qua habetis scribenda vel
expedienda in Concilio, nobis significetis, que pro posse fideliter ex-
Zur Geschichte der Wirksamkeit des Basler Concils in Österreich. !) 49
pediemus. Librum nobis mutuatum super „Salve 1 )” remittimus cum
magna graciarum accione, et petimus si aliquo modo tercium librum
concedere potestis, per presencium ostensorem nobis transmittatis ad
rescribendum, hoc erga vestrum amorem promereri volumus nunc et
semper. Datum in Afflencz in die Dyonisii Anno domini MCCC Tri-
cesimotercio.
Hainricus dei et Apostolice sedis gracia Abbas Mona-
sterii sancti Lamberti.
Reverendo in xsto patri domino preposito Newnburgensi eon-
sanguineo nostro carissimo.
Original. Papier.
XII.
Herzog Albrecht empfiehlt den Abt von Ileiligenkrenz und den Propst von Klosterneuburg
bei dem Basler Conoil.
Dat. Wien, 15. März 1434.
Reverendissimi patres, domini et amici carissimi. Post debitam
sui recommendacionem. Venerabiles in xsto michi sineere dilectos
Abbatem sancte Crueis et prepositum Newnburgen. Mo-
nasteriorum prelatos presencium ostensores v. p. devoto duxi recom-
mendandos aflectu. Petens instancia qua valeomeliori, quatenus eosdem
patres benigne ac favorose tractare ipsosque votiva expedicione pre-
via sine longa procrastinacione ad propria remittere libeat, foret nempe
ipsorum a Monasteriis prefatis, quibus presunt elongacio diutiva sibi,
nec minus eisdem Monasteriis in personis et rebus non mediocriter
onerosa. In eo denique p. Reverendissimi michi singularis favoris in-
dicium ipsisque graciam baut dubium exbibebitis affectatam. Datum
Wien ne feria secunda post festum sancti Gregorii. Anno domini
Millesimo Quadringentesimo Tricesimoquarto.
Albertus dei gracia Dux Austrie Marchiuque Moravie etc.
Reverendissimis in xsto patribus et dominis universis in Sacro-
sancto generali Basileensi Concilio congregatis, dominis et amicis
carissimis.
Orig. Papier.
*) Vermuthlich des Franciscus de Retza Werk über das Salve Regina,
s. die Bibi, des Stiftes Klosterneuburg im V. Bande des Archives,
550
H. J. Z e i b i g.
XIII.
Der Propst von Salzburg trägt dem Chorherrn Colomann auf gegen die angesonnene
Particular-Reformation zu protestiren.
Dat. Salzburg, 37. März 1434.
Favorabili salutacione premissa Venerabiles ae egregii in xsto
nobis sincere dilecti. Vns ist angelanget, wie man machen wolde
particularem reformacionem alain per alemoniam sive certas ecelesias
seu monasteria, wör dem also vnd das Ir solich reformacionem ver-
stunt, Bitten wir ew sunder mit allem vleis vnd emphelhen ew ernst
lichen von vnsern vnd ander prelat in vnsers genadigen herrn von
Salczburg Bistumb wegen , Ir lasset solichs nicht gen, vnd darauf ad
generale concilium appeliret etc. vnd besecht, das wir darinn nicht
verkurtzt werden, wann solde nicht generalis refermacio gen, sunder
nur particular, so sprächt: Ir liiet sein von vns nicht in mandat, vnd
nämpt ew auch nicht uerner gewalts darinn an, wann wir darinn nicht
eonsentiren wurden, vnd tut darinn, als wir des sunder wolgetrawen
zu ew haben, vnd ob eines andern mandat, darinn man ew limitiern
solde, not wär, das lasset vns bey dem gegenburtigen boten verschriebn
widerumb wissen. Sunder mügt ir dem legaten wol fürlegen vnd zu
erkennen geben, wie vns aller traide hewer, den man vns diennen
solde, auch der wein gantz verdorben sein vnd der Schawer erslagen
habe, darczu die Arm läwt vor Armut anf vnsern gutem nicht peleiben
vnd der mer gepawen mugen vnd darab entrinnen müssen. Datum
Salczburg ipsa die sancti Ruperti Anno MCCCCXXXIV.
Sigismundus dei gracia prepositus et Archidiaconus,
Chrafto decanus Totumque Capitulum ecclesie Salcz-
burgensis.
Nachschrift. Sunder herr Kolman seuden wir ew bey dem
gegenwürtigen boten ycz vier vnd zwainczig Reiniseh gülden, darumb
schikchet vns ain recognicionem widerumb bey dem boten, vnd lassen
ew wissen, das vns der brobst von pämburg vnd ainer mit im die
contribucion aufgesagt habend, vnd nymer mit vns contribuiren
wellen. Auch als ir vns geschriben habet, wie wir selb zu dem con-
cili hinauf komen solden, das vnser nucz vnd frum wäre. Nu wärn
wir des also willig, vnd wär an vns darinn nicht abgang, seind die
sache also gestalt worden, darczu ist es auch iu Bayrn vnfridlich, das
wir sein zu disen zeitten bekomen vnd nicht zewegen pringen mügen.
Zur Geschichte der Wirksamkeit des Basier Concils in Österreich. 551
Aufschrift. Venerabilibus ac egregiis in xsto nobis sincere
dilectis dominis Cholomanno, nec non Martino, in Newnburga Clau-
strali et in Walthausen professis decretorum doctoribus.
Orig. Papier.
XIV.
Der Propst von Salzburg Sigismund trägt dem Chorherrn Colomann auf, jede Beeinträch
tigung seines Capitels zu verhindern.
Datum Salzburg, 10. April 1434.
Graciosa salutacione premissa. Wir werden ewycz oder furbazz
ettlich Artikel verschriben sennden, daraus wir ettwivil mit vnserm
sundern herrn vnd frewnnt dem von Newnburg ewren prelaten geredt
ynd an ew ze bringen empholclien haben, vnd ob man icht in Concilio
pro capitulo nostro coneludiern wolde, das ir dann das, als verr vnd
so ir pess mugt, vnder kompt vnd nicht coneludiern lasset, vncz das
wir von ew geavisirt werden vnd darumb ainen boten bey tag ind
nacht zu vns senndet, su wellen wir ew ain ander Mandat, als wir ver
lassen haben, hinauf schikchen. Vnd lasset vns verschrieben wissen,
was in Concilio yez tractirt werde vnd was novitates da sein. Datum
Salzburge die 10 mensis Aprilis Anno XXXIV 0 .
Sigismundusdeigraciapptus etArchid. ecclie Salczburgen.
Venerab. viro D Cholomanno pfess. Monaster. in Newnburga
claustrali nec non deeret. doctor.
Orig. Papier.
XV.
Colomann berichtet dem Propst Sigismund von Salzburg über die beschlossene Kloster-
Reformation.
Datum Basel, 23. Juni 1434.
Cum sui humillima recommendaeione devotum et sincerum in
omnibus obsequendi famulatum. — — — —
Insuper, generöse pater! noveritis quod dno legato nuper XXWII
May per sacrum concilium in generali concregacione fuit concessum,
ut ad certa monasteria in germanie partibus visitatores plena concilii
potestate suffultos possit destinare, et in commissione predicta nullius
monasterii vel diocesis nomen proprium et certitudinaliter exprimebatui.
Unde quadam vice constitutus, videlicet XIII mensis presentis coram
eodem dno legato ipsum exhortabar, ut si Salzburgensem ecclesiam
552
H. J. Z e i b i g.
visitari vellet, huiusmodo yisitacionem et ordinacionem dno arcliiepo
pre ceteris pocius conmittere dignaretur, quoniam pro certo scirem,
dominos meos de capitulo eius monitis pocius, quam extranei cuius-
cumque obtemperaturos, ipse vero respondendo dixit, quod utique
tempore suo intendere vellet reformacionem dominorum meorum de
Salzburga, eciam in hoc non habendo respectum ad personam meam
nec alterius cuiuscumque. Unde ista V. P. significare volui, que et
alliis patribus meis a V. D. comunicanda exposco. Datum in vigilia
Joh. Baptiste anno 34.
Chollomannus decr. dctr. prof. Neub.
Dno preposito Salzburg.
Concept. Papier.
XVI.
Heinrich Baruthcr, Official von Passau, fordert für das Basler Concil und in seinem
Namen den halben Zehent ein.
Datum. Wien, 4. August 1434.
Venerabilibus in xsto patribus, dnis Abbatibus, prioribus, prepo-
sitis, decanis, archidiaconis, archipresbiteris, Scolasticis, cantoribus,
Custodibus, Sacristis, thesaurariis tarn collegiatarum quam reg.
Canonicorum parocbialiumque eccarum rectoribus ac loca tenentibus
eorundem monasteriorum et aliarum ecclesiarum prelatis maioribus
sive minoribus, Ofliciariis ac beneficiatis quibuscumque eciam
racione mensarum suarum nec non et quibusvis aliis eciam non bene
ficiatis ecclesiasticis sive in maioribus ordinibus constitutis, religiosis-
que quibuslibet et ecclesiarum eciam et monasteriorum quorumcunque
capitulis, collegiis et communitatibus exemptis et non exemptis Cister-
ciensis, Premonstratensis, Carthusiensis, Cruciferorum, sanctorum
Augustini, benedicti, marie theutonicorum et aliorum quorumcunque
ordinum, predicatorum, minorum, beremitaram scti Augustini et carme-
litarum mendicancium seu non mendicancium, hospitalium et domorum
magistris prioribus et preceptoribus aliisque presentibus personis
ecclesiasticis et secularibus per decanatum Wiennensem patav. dioc.
quibuscumque nominibus censeantur, aut quacunque prefulgeant
dignitate ubilibet constitutis Heinr icus Barutber de cretorum
doctor, canonicus ecce patav. executor et Commi-
sarius unicus ad infrascripta a sacrosancta generali
Basiliensi sinodo specialiter deputatus salutem in
Zur Geschichte der Wirksamkeit des Basler Concils in Österreich. 553
domino et nostris huiusmodi, imo yerius eiusdam saerosancte sinodi
firmiter obedire mandatis.
Literas sacri generalis Basiliensis concilii cum cordula canapina
eius yera bulla plumbea et ipsius more bullata sanas et integras nou
yiciatas, non caneellatas nec in aliqua sui parte suspectas, sed omni
prorsus vicio et suspicione carentes nobis ab eodem sacro Basiliensi
Concilio presentatas nos cum ea, qua decuit, reverencia noyeritis rece-
pisse, quarum copiam cum originali bulla debite auseultatam vobis una-
cum presentibus transmittimus. Post quarum quidem literarum pre-
sentacionem et recepcionem nobis et per nos, sicut premittitur, factam
nos Heinricus prefatus yolentes ad eorundem literarum ac in eisdem
contentorum execucionern ut et ipse tamquam obediens filius rite et
legitima procedere mandatum huiusmodi juxta et secundum nobis
traditam seu directam formam reverenter exequi, ut tenemur. Idcirco
auctoritate dicti saeri Basiliensis concilii et universalis ecclesie, qua
fungimur in liae parte, vos omnes et singulos supradictos et vestrum
quemlibet in solidum tenore presencium requirimus et monemus,
vobisque nichilominus et yestrum cuilibet ja virtute sancte obediencie
et sub penis infrascriptis districte precipiendo mandamus, quatenus
infra quinquaginta dierum spaeium ab insinuacione presen
cium yobis, seu alteri facta, inmediate sequencium, quos dies yobis
omnibus et singulis supradictis, et yestrum cuilibet, pro termino perem-
ptorio ac monicione canonica assignamus, yicesimum denarium
sive Semidecimam de uniyersis et singulis fructibus,
redditibus, proyentibus et obyentibus ecclesiasticis etper-
sonalibus, precariis, cottidianis, distribucionibus paternis sive lieredi-
tariis quovismodo ad vos aut alterum yestrum deventis secundum
prefatarum literarum vim, formam et tenorem solvatis aut solvat
vestrum alter ae per alium seu alios solvere faciatis realiter et cum
elfectu Wienne in domo habitacionis nostre ubi tune nos vel
alios interim forsan loco nostri succollectores deputandi seu deputati
ad levandum et percipiendum ac finem et quittacionem de alterius non
petendo dandum et faciendum sederimus vel sedere contigerit. Quod
si forte premissa omnia et singula non adimpleveritis, aut alter yestrum
non adimpleverit, seu distuleritis ant alter vestrum distulerit, conter-
minaciter adimplere, aut aliquid in contrarium feceritis vel fieri
mandaveritis, feceritque vel fieri mandaverit, ac mandatis etmonicio-
nibus nostris huiusmodi, imo verius sacrosancti generalis Basiliensis
concilii non parneritis et quilibet vestrum non paruerit cum effectu,
sentenciam excommunicaeionis ab eadem sacro sancta sinodo contra
quoslibet contradictores et in hac parte rebelles latam vos omnes et
singuli noyeritis ipso facto incurisse, certifieantes nichilominus nos
huiusmodi rebelles, si contumacia et rebellio vestra exegerit, contra
vos ad ulteriora nos aut nostros suceollectores auctoritate, qua supra,
processuros, absolucionem vero omnium et singulorum, qui prefate
excommunicaeionis sentenciam incurrerint sive incurrerit quoquomodo,
nobis vel superiori nostro reservamus. Insuper vobis dno Decano pre-
fato auctoritate et sub penis, quibus supra, mandamus dictum nostrum
mandatum, ymo pocius universalis ecclesie cunctis ecclesiasticis in
decanatu vestro constitutis vestro cum Cursore consueto insinuare, de
execucione vero presencium stabimus Iatori. Datum Wien ne die
quarta mensisAugusti nostro sub sigillo Anno dni Millesimo
quadringentesimo tricesimoquarto.
Original. Papier mit einem sehr beschädigten Sigill.
xvn.
Verhandlungen des Basler Concils über die Reformation der Chorherrnstifter.
I. Datum 9. August 1434.
In nomine domini Amen. Tenore presentis publici instrumenti
cunctis pateat evidenter et sitnotum, quod anno aNativitate ejusdem
domini Millesimo quadringentesimo tricesimo. quarto Indiccione XII.
die vero lune nona mensis Augusti, pontificatus sanctissimi in xsto
patris ac domini nostri, domini Eugenii divina providencia pape quati
anno quarto Basilee provincie bisuntine sacro generali in ibiresidente
Concilio in majori stupha dicte Civitatis Basileensis, Revmis Revdisque
in xsto patribus ,dnis Ludovico Patriarcha Aquilegiensi.
Amedeo Archiepo lugdunensi, Guillerino Bellicensi,
Ludovico L ausanens i, Johanne seti Cornelii de Corn-
pendio Suession. dioc. mon. Abbate nec non venerabilibus et
circumspectis viris dominis et magistris Jolianno pulcripatris in
sacra pagina,Henr i c o F1 eckeI, curie cameresacri concilii auditore,
et Henrico Nythardi Canonic. Constan. provincie moguntine
decretorum doctoribus una cum pluribus aliis in magno numero liora
sacre deputacioni pro congregacionibus consueta et pro ea tenenda et
celebranda de mane more solito congregatis, Reverendo patro domino
epo Wessionensi ambassiatore serenissimi principio domini regis
Zur Geschichte der Wirksamkeit des Basler Concils in Österreich. 555
dacie in eadem presidente in nostrum notariorum publicorum et testium
infrascriptorum ad hec notatorum specialiter et rogatorum preseneia
lecto avisamento per Reverendissimum in xsto patrem ac dominum
dom, Cardinalem sancti Angeli, sancti sedis apostolice in ger-
mania legatum eidem saere deputacioni transmisso et exhibito, cuius
tenor sequitur et est talis : Pridem sacrum Concilium commisit Revmo
domino patriarche Antiocheno, Abbatist. Justine et mihi cum quibus-
dam aliis, ut mitteremus visitatores ad reformandum per alamanniam
monasteria ordinum canonicorum regularium et sancti Renedieti, nunc
concepta sunt quedam capitula, secundum que ipsi visitatores debeant
se habere circa reformacionem Canonicorum Regularium. Dignentur
saere deputaciones committere Revmis dominis Cardinalibus sancte
Crucis, Rononiens,placentino et dno patriarche Antiocheno, ut assumptis
cum eis aliquibus notabilibus magistris et doctoribus examinent pre-
dicta capitula quoad Can. Reg. et si sunt racionabilia, possunt aucto-
ritate huius sacri concilii tradere dictis visitatoribus ut mandent
execucioni quoad reformacionem ipsorum Can. Reg. in Germania.
Scrutatisque singulariter votis dominorum de dicta sacra depu-
tacione pro congregacionibus super dicto avisamento placuit eidem
saere deputacioni quod committatur huiusmodi negocium Revmis
patribus dnis Card, sete Crucis, Bonon., placentino et dno patriarche
Antioceno, qui assumptis aliquibus doctoribus et magistris videant
capitula concerneneia huiusmodi ordinem Can. Reg., et si sunt racio
nabilia, valeant auctoritate sacri Concilii tradere visitatoribus, ut ea
mandent execucioni, ut habetur in avisamento suprascripto. De quibus
omnibus et singulis per promotores sacri Concilii petitum est a nobis
notariis publicis et dicte saere deputacionis scribis infrascriptis fieri
unum et plura instrumentuni et instrumenta. Acta fuerunt hec sub
anno, indiccione, die mense, pontificatu et loco, quibus supra presen-
tibus ibidem venerabilibus et discretis viris, dominis et magistris
Symone freron in sacra pagina baccalario, Guidone de Versellis,
magistro in artibus et Johanne de vado, literarum apostolicarum
scriptore, testibus ad premissa vocatis et rogatis.
Ita est Petrus Bruneti.
Die lune nona mensis Augusti anno Dni MCCCCXXXIY in sacra
deputacione pacis super avisamento Rmi dni legati in superscripto
instrumento de verbo ad verbum inserto ac in dicta deputacione oblato
H. J. Z e ib i g.
556
et lecto votis singulorum in ipsa deputacionis scrutacione placnerunt
domini in ipso avisamento nominati ita tarnen, quod huiusmodi capi-
tula per deputatos coneepta vel eoncipienda per deputacionem vide-
autur et visitatores mittendi nominarentur.
Ita est Georgius Frey.
II. Datum 14. August 1434.
Die sabbati XIV Augusti MCCCCXXXIV. in sacra deputaeione
reformacionis super avisamento Rmi dni legati superius de verbo ad
verbum descripto scrutatis votis singulorumfuerunt undecim vota,
quod ipse Rmis dnus legatus mittat ad visitandum,
sed solum utatur jure suolegacionis, quod primo fieret
visitacio generalis et regula, fuerunt similiter undecim Vota, quod
autem huiusmodi capitula visitentur per Rmos dnos Cardinales scte
Crucis et seti Angeli ac patriarcha Antioch. et mittantur probi et
timorati viri ad reformandum cum auctoritate sacri Concilii sub bulla
eius, fuerunt XXVI. vota. Ita iuxta pluralitatem votorum fuit con-
clusum.r
Ita est Ludovicus Stac. notar.
Die Iune nona mensis Augusti anno a nativitate Dni
MCCCCXXXIV in sacra deputaeione fidei super primo advisamento
Rmi dni legati videlicet de mittendis visitatoribus ex parte sacri
Concilii per Alamanniam pro reformaeione ordinis Canonic. Regul
Visum fuit dominis de ipsa sacra deputaeione, quod primo fiant decreta
et procedatur ad generalem reformacionem, et casu, quo aliter fieret,
aliqui fuerunt protestati.
Ita est Jo. Dieulefist.
Gleichzeitige Aufschreibungen des Mag, Martin von Waldhausen. Pap.
III. Datum 19. August 1434.
In nomine dni Amen. Per hoc presens publicum instrumentum
cunctis pateat evidenter et sit notum, quod anno ejusdem domini Mil-
lesimo quadringentesimo tricesimo quarto Indicc. XII. die jovis decima
nona mensis Augusti hora tercia post meridiem vel circiter, pontificatus
sanctissimi in xsto patris et dni nri dni Eugenii divina providencia pape
quarti anno quarto, Coram Rev. patr. dnis XII cim iuxta ordinaciones
sacri concilii Rasileensis in loco solito ad concordandum deliberaciones
sacrarum deputacionum in simul congregatis constitutus et compareus
Zur Geschichte der Wirksamkeit des Basler Concils in Österreich. 357
quidam frater Petrus de Missia ord. Can. Reg. ut afferebat aRev ,n °
Cardinali legato missus petebat, ut deliberaciones sacrarum deputa-
cionum super avisamento prefati Rev mi dni legati de examinando eerta
capitula iam per nonnulos concepta tradenda yisitatoribus mittendis
pro reformacione certorum monasteriorum dieti ord. Can. Reg. in Ger
mania etc. factas et habitas vellent concordare. Ex adverso yero quidam
magister Martinus professus Monas. Johannis Evang.
inWalthausen predicti ordinis petebat, quod ex quo nulla inter
sacras deputaciones saltem quoad suprascriptum avisamentum videre-
tur esse concordia, domini de XII illas deliberaciones non vellent
concordare neque reputare concordes, unde quia lectis super dato ayi
samento quatuor deputacionum deliberacionibus per notarios earundem
ibidem presentes non apparebat concordia inter eas, idcirco huiusmodi
deliberaciones non concordarunt, sed eas ad congregacionem generalem
et ibidem legendas remiserunt, super quibus omnibus et singulis pre-
fatus Mag. Martinus sibi per me notarium publicum subscriptum in-
strumentum publicum confici instanter postulabat. Acta fuerunt bec Ra-
silee in stupa inferiori fratrum Augustinensium loco quidem, quo
domini de XII convenire regulariter consueverunt, anno
indiccione, mense, die, hora et pontificatu quibus supra, presentibus
ibidem honorabilibus yiris magistris Petro Rruneti et GeorgioFrey no-
tariis publicis testibus ad premissa yocatis specialiter et rogatis.
Ita est Ludovicus Stac. Tcler. ornac.
IV. Datum 31. August 1434.
In nomine domini Amen. Huius presentis publici instrumenti
tenore presencium cunctis fiat manifestum, quod Anno a nativitate
ejusdem domini Millesimo quadringentesimo quarto. Ind. XII. die vero
sabbati vicesima prima mensis Augusti pontificatus sanctissimi in xsto
patris et domini nostri, domini Eugenii divina providencia pape quarti
anno quarto Rev“*» Rev>m que in xsto patribus ac doininis Juliano
sancti Angelidyaconoapostolice sedis in Germania legato, Johanne ttst.
Laurencii in Lucina Rothomagensi, Ludoyico tit. sce cecilie Arelatensi
Johanne tit. scti Petri ad vincula presbiteris, et dominico sancte Marie
in vialata eccl. dyacono sacre Rom. ecce Cardinalibus, Johanne Ar-
cliiepo Tarentino et Petro epo paduano, Johanne Antiocheno, Ludoyico
Aquileg. patriarehis, Amedeo lugdunensi, Philippo turonensi, archie-
pis, Johanne Aurelianensi et Francisco pergamensi epis^ceterisque do-
S58
H. J. Z ei big.
minis archiepis, Epis, abbatibus, magistris et doctoribus ac aliis in
multitudinecopiosa in ecclesia Basileensi pro congregacio-
nibus generalibus sacri basil. concilii deputata more et hora so-
litis eongregatis presidentibus in ipsa generali congregacione vice et
nomine prefati sanctissimi domini nostri pape dominis Cardinali s. An-
geli, Arcbiepiscopo tarentino et epo paduano, in mei notarii publici et
testium infra scriptorum ad hoc vocatorum specialiter et rogatorum
presencia personaliter constitutus venerabilis et religiosus vir dnus
Chollomannus decretorum do ctor, Mon. Neuburg. ord.
Can. Reg. professus pro se et dno Martino de Walthusen
eiusdem ordinis professo nomine procuratorio Capitulorum Salczbur-
gensis et Seecowiensis ecclesiarum ac aliorum viginti monasteriorum
per dioceses Salczburgensem, patav. et Seccomensem constitutarum
proposuit atque Rmos dnos Cardinales ac alios dnos presidentes ibidem
presentes instanter et instantissime requisivit atque supplicavit, qua-
tenus attentis diversitatibus deliberacionum sacrarum deputacionum
iuxta ordinaciones sacri Concilii non concordancium super quodam avi-
samento nuper per singulas deputaciones super Reformacione Canon.
Reg. in Germanie partibus constitutis per dictum Revmum dnum. Car-
dinalemlegatum misso et exliibito, et quia domini de XII propter huius-
modi varias sacrarum deputacionum deliberaciones minime concorda-
verant, in ipso negocio minime concludere deberent. Sed cum huius-
modi negocium reformacionis sit magnum et arduum et tale, quod ab
omnibus, quorum interest, videri, examinari et approbari debet, capi-
tula super hoc edita vel edenda seu eorum copie dentur omnibus de
eodem ordine in hoc sacro concilio existentibus et habere volentibus
ut in sacris deputacionibus quilibet maturius et liberius deliberare pos-
sitetvaleat. Alioquinprotestatusestprefatusdominus Chollomannus
nominibus quibus supra, quod nullatemus consentire vellet nec eciam
intendere in aliqua capitula super ipsa reformacione per quotvis edita
et edenda nisi ipsis prius per singulos quorum interest ut premittitur
visis et in sacris deputacionibus diligenter examinatis. Quibusquidem
requisicione atque protestacione factis prefatus Revmus dnus Cardi-
nalis legatus presidens in hec verba aut in effectu similia respondit:
Ex quo iste doctor et alii, de quibus fecit mencionem, habet interesse
sine illis nihil facere, sed eos ad dictum reformacionis
negocium vocare volebat antequam ad ulteriora procederetur.
et tandem requisitus per promotores sacri concilii in concordatis per
Zur Geschichte der Wirksamkeit des Basler Concils in Österreich. 559
dictos dnos de duodecim, et in illis in quibus, tres deputaciones con-
corditer deliberaverint nomine sacri Concilii concludendum duxit pa-
riter et conclusit de et super quibus Omnibus et singulis supradictis
dietusdnusCholomannusprocuratornominibus quibus supra, peciit sibi
per me notarium infrascriptum fieri atque tradi unum vel plura instru-
mentum seu publica instrumenta. Acta fuerunt hec ubi supra presen-
tibus ibidem venerabilibus et egregiis viris Magistro Johanne pul-
chri patris sacre theol. professore Egidio Coneti doctore in medi-
cinis ambassiatoribus alme universitatis parisiensis, et petro fride,
officiali pataviensi testibus ad premissa vocatis pariter et rogatis.
Et ego Georgius Frey de vilshofen, Clericus pataviensis etc.
V. Datum 2 4. September 1434.
In nomine domini Amen. Huius presentis puhlici instrumenti tenore
cunctis fiat manifestam, quod a nativitate euisdem domini Millesimo
quadringentesimo trigesimo quarto, Ind. XII. die vero veneris vigesima
quarta mensis Septembris pontificatus sanctissimi in Xsto patris et
dni. nostri dni. Eugenii divina providencia pape quarti anno quarto
Reverendissimis Reydisque in Xsto patribus et dominis dominis Juliano
sancti Angeli dyacono apostolice sedis in Germania legato. Johanno
tit. s. Laurencii in Lucina Rothomagensi, Ludovico tit. s. Cecilie
Arelatensis presbiteris et dominico sancte Marie in via lata dyacono
sancto Rom. eccl. Cardinalibus, Johanno Arcbiepiscopo Tarentino et
Petro epo paduano, Johanno Antioceno Ludovico Aquilegiensi patri-
archis, Amedeo lugdunensi et Francisco pergamensi epis ceterisque
dnis arcliiepis, epis, abbatibus, magistris et doctoribus ac aliis in mul-
titudine copiosa in ecclesia Basileensi pro congregacionibus gene-
ralibus sacri basileensis Concilii deputata more et hora solitis congre-
gatis presidentibus in ipsa generali congregacione vice et nomine
prefati sanctissimi dni nostri pape dictis dominis Cardinali sancti
Angeli, Arcbiepo Tarentino et epo paduano, in mei notarii publici
testiumque infrascriptorum et ad hoc vocatorum specialiter et roga-
torum presencia lectis concordatis per dominos de deputacione
duodecim, qui iuxta morem et ordinaciones sacri Basileensis Concilii
deliberaciones sacrarum quatuor deputacionum antequam in congre
gacione generali sacri Concilii super huiusmodi deliberacionibus
captetur conclusio, concordare habent, inter alia concordata per
eosdem dominos de duodecim super quadam supplicaeione pro parte
560
H. J. Z e i h i g.
prelatorum et monasteriorum ord. s. Augustini Canonicorum Reg. per
Salczburgens. patav. et secowiens. dioeeses constitutorum per vene-
rabiles et religiosos viros Cliollmannum Beate Marie New-
burgensis et Martinum s. Johannis Evang. in Walt
bausen monasteriorum professos atcpie in decretis doctores in ipsis
sacris deputacionibus exhibita cuiuus tenor inferius de verbo ad
verbum describitur, lecta et pronunciata fuit concordia deliberaeionum
dictarumquatuor sacrarumdeputacionum inhunc modum. Quoadreque-
sitam aliquorum Canon. Reg. peticionem, certos deputari de singulis
deputacionibus, qui eorum regularum doctores et glossas desuper
videant, examinent, et declarent Concordant omnes deputaciones.
Q.Reymus Reydique ac venerabila patres et dominii Cardinalis firmanus
et generalisheremitarum ord. scti August, pro deputacione pacis, Abbas
bonevallis et Mag. Joh. Celi pro deputacione fidei, epus Albingayensis
et Generalis Carmelitarum pro deputacione reformacionis, et abbates
s. honorati et de Chereto pro deputacione pro comunibus, qui huius-
modi regulam doctores et glossas videant, examinent et declarent et
in deputacionibus, ut petitur, postea referant. Ita concordarunt domini
de duodecim die Jovis XX1I1 Septembris Anno dni MCCCCXXXIV 10 ,
quibus concordatis, sicut premittitur lectis et pronunciatis prefatus
Rmus dnus Cardinalis legatus presidens requisitus per promotores
sacri Concilii ut in concordatis per dictos dnos de duodecim, et in
quibus tres deputaciones concorditer deliberarunt nomine sacri concilii
concludendum duxit pariter et conclusit. Tenor vero supplicacionis,
de qua supra fit mencio, sequitur et est talis.
Revdsimi Revdique patres et domini metuendissimi. Quanquam
hec sacra Generalis synodus Basileensis pro reformacione generali
in capite et in membris in decretis suis atque aliis pluribus scriptis se
fore congregatam professa sit, quia tarnen alias per sacras deputaciones
super reformacione particulari ord. Can. Reg. sti Aug. et per nationem
Germanicam duntaxat, quamvis non concorditer fuit deliberatum:
ideo pro parte quorundam eiusdom religionis professorum procura-
torum monasteriorum ordinis predicti numero viginti per Salczbur-
gensem, pat. et seccow. dioeeses constitutorum, vestrisRvmis Paterni-
tatibus devota cum instancia supplicatur, quatenus de vestra sacra
deputacione viros in iure et divino et humanos et eruditos, expertos et
practicos iusticieque zelatores deputare dignenimi, qui una cum
deputandis vel deputatis super hoc aliarum deputacionum vocatis de
Zur Geschichte der Wirksamkeit des Basler Concils in Österreich. 561
singulis nacionibus certis prefate religionis professoribus hic in sacro
Concilio existentibus regulam sancti Augustini quam dicti Canonici
professi sunt per oinnia et singula sua puncta cum exposicionibus
eiusdem et Benedictinis constitucionibus, quas eciam patres aliarum
religionum in sua reformacione prosecuntur, omnibusque aliis divini et
humani iuris scriptis de dicta religione quovismodo tractantibus videant
et declarent atque sic yisa et declarata in sacris deputacionibus aut
deputatis ab eisdem de novo pro efficaci veritatis dilucidacione referre
habeant, ut constare possit non solum Canonicis Reg. sed toti mundo
ad que racione professionis nude regule s. Augustini sint obligati, et
religiösem eandem per diversas suas interpretaciones et asserciones
preter debitum onerare pretendentibus silencium efficaciter imponatur.
Dignentur autem. V. R. P. taliter amplecti presentis supplica-
cionis effectum, ac si coram deo in bona fide et in conscieneia non
ficta neque animo impediendi aut differendi quomodo-
cunque sanctum reformacionis aut visitacionis opus, confecta sit,
sed ut saluti animarum dicte religionis professorum exclusis omnibus
dubietatibus et perplexitatibus salubriter eonsulatur, et s c a n d a 1 i s
acdivisionibus.quiexparticulari reformacioni dicti
ordinis exoriri poterunt, sicutin certisreligionibussuborta sunt,
via non aperiatur, atque ne quisquam professorum dicte religionis
ultra professiorem suam seu votum per iudicium sacri Concilii quomo-
dolibet conqueri yaleat se fore grayatum et ut elfectus sit declara-
torum cum caritate et sine murmure recipiatur, observetur et custo- 1
diatur, illorumque observancia in ipsa religione adhuc imbecillibus
facilius et efficacius valeat persuaderi, ad laudem dei omnipotentis.
De et super quibus et singulis supradictis dicti domini Chollo-
ntannus et Maf tinus procuratoriis nominibus quibus supra, pecie-
runt sibi per me notarium infrascriptum fieri atque tradi vnum vel
plura instrumentum seu publica instrumenta. Acta sunt hec ubi supra
presentibus ibidem venerabilibus et egregiis viris dnis mag. Henr i c o
Flekl s. concilii Basil. auditore camere. Johanno Grinnwalder,
vicario ecclesie frisingensis decretorum doctoribus nec non yenerabili
et religioso yiro dno Theodorico ecclesie metropolitane
Rigensis Canonico professo testibus ad premissa vocatis pariter
et rogatis.
Et ego Georgius Frey de vilshofen, Clericus pata. etc.
Gleichzeitige Aufzeichnung des Chorhen'n Martin von Waldhausen. Pap.
Sitzb. d. pliil.-hist. CI. VIII. Bd. V. HCt.
39
H. J. Zeibi g.
K. Sigismund befiehlt, dem Bischof von Passau, Leonhard, auf dem Basler Concil zu
erscheinen.
Datum Basel 17. November 1434.
Wir Sigmund von gotes gnaden Römischer Kayser zu allen
zeiten merer des Reichs Ynd ze vngern, zu Beliem etc. Kunig,
Emheiten dem Erwirdigen Leonarten Biscliollff ze Passaw
vnserm fürsten Ynd liehen Andechtigen vnnser gnad vnd alles gut
Envirdiger furst Ynd lieber andächtiger, als das heilig Conci-
lium alhie ze Basel von den gnaden gotzs der ganczen heiligen cri-
stenliait ze nucz vnd ze trost durch dreyer grosser nottdurfftiger
liauptsach vnd stukch willen, als du das dann wol vernomen hast,
lobleich gesamet ist, also sind wir von gotes genaden vonn weli-
schen lannden, als dir dann wol ze wissen ist, her in das selbig
heilig Concilium cliomen, darinne wir grosse menge von
Prelaten aus andernn konigreichen vnd landen ge-
komen Ynd doch wenig prelaten von deusehen landen
f i n d e n, wie wol doch dasselbige Concilium den prelaten in deuschen
landen gelegen ist, vnd in deuschen landen gehalten wirt vnd pil-
leich ist, das du vnd andre prelaten darinne komen vnd sein sullet,
seindmallen nu wol nottdurfftig ist durch nucz willen der cristenheit
vnd auch durch ere der deuschen 1 ande, das mer prelaten
alhie wären, dann noch sind, vnd also haben wir davon allen Bi
schoven, Abhten, Brobsten vnd andern prelaten in dem heiligen
Reiche darauf? geschriben her gen Basell in das heilig Concilium vnd
zu vns zekomen, darumb begeren wir von dir mit fleissigem ernste
vnd ermanen dich vnd gebieten dir auch bey vnserm vnd des Reichs
hui Iden vnd bey'behaltnusse dein vnd deines gotshaus Regalia , frey-
heit vnd gnaden, die du vnd dein gotzliaus von vns vnd dem Reiche
liabst, das du zu stunden nach angesicht dicz brieffs dich aufmachest,
vnd her gen Basel in das heilig Concilium vnd zu vns chomest an
sawmnusse durch vor berürrten nottleichen Sachen willen der cri-
stenliait, als wir dir zu thun auch vormals geschriben vnd dich ge-
Yodert haben, und dacz du zu voran nach angesicht dicz brieffs allen
vnd ingleichen Abhten, Brobsten vnd andern prelaten in deinen
stifte gesessen wanhafftig vnd darinn gehorunde bey dem swern bann
vnd auch von vnserm vorgen bey verliesung ihrer Regalia gnaden
vnd freyheit ernstlich gebietest, als wir inn auch dann ze thun
Zur Geschichte der Wirksamkeit des Basler Concils in Österreich. 563
yeczund in anderen vnsern brieffen die wir dir liiebey senden, in
gemain geschriben gebietunde, das sy ber gen Basell in das
heilig Concilium vnd zu vns komen an alles verziehen, soliche abge-
schrift vnsers brieffs du einem igleichen prelaten in deinem Bistumb
gesessen auch verkündigen sollt, vnd was auch dein andacht vnd
gotzhaus vnd auch die ander prelaten deines stifts gebrechen
habt in geistlichen vnd weltlichen Sachen, dysolt du
vnd auch sy alhie für bringen, darinne wir euch als dann
billeichen ist, liielfT und rat genedikleichen beweisen wellen, damit
solich gebrechen nach dem besten gewent vnd ausgetragen werden,
vnd tue hierinne nicht anders als wir dir des sunderleich wol ge-
trawen vnd auch ein nottdurlft ist, daran tust du der heiligen cristen-
liait vnd vns solich gevallen, die wir genedikleich gen dir erkennen
wellen. Geben zu Basel am Nagsten Mitichen vor sant
Elisabethen tag vnserer reiche des vngarischen Im XLVII, des
ßomischen im XXLV. des Behemischen im XLV. vnd des kaysers-
tumhs im ersten Jaren.
Ad mandatum dni. Imperatoris
Caspar Slikg, Cancellarius.
Gleichzeitige Copie. Papier.
XIX.
Caspar, Propst von St. Florian, schreibt an Propst Georg 1. von Klosterneuburg bezüglich
der einzunelunenden Beiträge zur Erhaltung ihres Procurators.
Datum Florian 10. December 1434.
Beverendo in xsto Pater ac domine. Cum oracionum devocione
quitquit reverencie ac honoris poterit adoptari. In negocio per Yene-
rahiles dominos doetores incepto, prout in scriptis V. B. P. et copiis
cum eisdem transmissis satis informatus sum, feci diligenciam meam
cum domino preposito ad s. Nicolaum iuxta scripta eadem V. B. P.
Cuius responsionem super hoc factam dicte R. V. P. transmitto pre-
sentibus inclusam, que tarnen solum de se sonat, licet sibi scrip-
serim secundum intencionem sancte paternitatis, a superioribus pre-
latis aliis taxam eis impositam ut exigeret, saltem exhortando et
persuadendo quantum potui. Dignetur ergo Y. R. P. cooperari pro
sua possibilitate, ut hoc negocium sanctum sic legaliter et salubriter
inceptum non relingnatur imperfectum sed salubrius consumatur. Ad
quod, pro mea parte adiuvandum me reddo voluntarium et paratum.
Ü64 H. J. fceibig.
Occurrit mihi eciam, utrum expediret, si aliqua puneta kartarum,
maxime ea, que magis viderentur obligacionem regule nostre aut
yotorum onerosa, neque dicte regule nostre aut votis nostris conser-
vandis aut custodiendis multum necessaria extralierentur de dictis
kartis, et in scriptis redacta dictis dominis doctoribus destinarentur,
in quo tarnen subiicio intencionem meam sepe dicte V. R. P. quam
omnipotens dominus dirigat et custodiat nunc et semper. Dat. ad
s.Florianum feria YI. post Concepcionem beateVirginis anno dni 1A3X.
Caspar Pptus Mon“ s. flor.
Cedula inclusa. Item potest P. Y. scribere domino Newnbur-
gensi, quod quando nuncius adseendat reperiet contribucionem meam
in Monasterio in florenis Reinens. vel si placet, quod procurator meus
in Mawttern eandem sibi exsolvat sicut prius est factum in moneta
Winensi. Flor, ungaricales non habeo, nec valent ad basileam, sicut
ipse dominus Newnburgensis novit.
Reverendo in xsto pri ac dno dno Georgio ppto Mon 11 Newnbur-
gen. pceptori suo singulari.
Original. Papier.
XX.
Lucas, Abt von Göttweih, fragt sich bei Propst Georg I. von Klosterneuburg über die aus
geschriebene Prov. Synode an.
Datum Göttweih 12. April 1435.
Sinceram in dno caritatem cum oracionibus devotis semper pre-
missis. Yenerabilis pater et domine singularis. Sicuti V. constatP.
de convocacione omnium prelatorum aliorunique beneficiatorum etc.
facta ex parte Sinodj in patavia per dominum Ordina-
rium Dominica Misericördias Dni (Mai) c eie b ran di,
ad quam per patentes literas et mandaturn predicti Dni Pataviensis
subito ad comparendum sumus vocati. Sed ex quo brevis est terminus
et circa V. P. satis sit super hüiusmodi discrecio, igitur petimus
liumiliter vestram piain informacionem sub singulari confidencia quam
in Vos semper gerimus, quatenus nobis per presencium latorem dig-
nemini in scriptis significare, quod in premissis V. intendet P. facere,
et quis sit modus apud ceteros prelatos, et utrum cum licencia
et voluntäte domini principis nobis sit ibidem transire et
comparere vel non. In eo nobis V faciet P. complacenciam semper
Zur Geschichte der Wirksamkeit des Basler Concils in Österreich. 565
reverendam, cum non dubitamus, quod Y. D. in liiis sufficienter
sit informata. Datum nostro in Monasterio feria tercia
post palmar um Anno MCCCCXXXV 10 .
Fr. Lucas Abbas Monasterii beate Marie
virginis in Gott (wico.)
Yenerabili in xsto patri et dno dno Georgio ppto Monasterii in
Newnburg Dno et patri singulariter peramando.
Original. Papier.
XXI.
Das Basler Concil stellt den Procuratoren Colomann von Klosterneuburg und Martin
von Waldhausen ein ehrenvolles Zeugniss ihres Wirkens > ui Händen Herzogs
Albrccht aus.
Datum Basel 14. Mai 1435.
Sacrosancta generalis Synodus Basiliensis in spiritu sancto legi
time congregata yniversalem ecclesiam representans. Dilecto ecclesie
tilio Nobili viro Alberto Duci Austrie salutem et omnipotentis Dei
benediccionem. Inter alia laudabilia opera precipuum existimamus
ut ecclesiasticas personas infra tue potestatis limites constitutas sini-
stris abiectis suggestionibus benigne suscipias commendatas easque
de tue liberalitatis promptitudine fayorabiliter prosequaris. Sane sicut
accepimus postquam dileeti Ecclesie filii Cho 11 omannus Neu-
burgensis et Martinus in Waltbusen Monasteriorum s.
Augustini pataviensis diocesis Canonici in Jure Canonico Doctores
ad reformacionem quorundam monasteriorum dicti ordinis conse-
quendum per nonnullos prelatos illarum parcium ad nos ad hoc
puram et exactam diligenciam exhibuerint, tarnen bucusque diyersis
in negocio fidei et aliis interyenientibus occupacionibus prout spera-
batur, ipsa reformatio sortita non est effectum gracia dei cieius sor-
ciendum, nonnulli tarnen aliter moti seu de yeritate minus informati
dictos Canonicos apud Nobilitatem tuam et coram illa, quod apud nos
contra reformacionem monasteriorum eorumdem, quam tu dudum
fieri postulasti laborayerint, redarguere curayerunt, et adeo quod
tu prefatos Canonicos ad sua monasteria per superiores eorum
dem petivisti revocari. Nos itaque in liiis ne veritas sepulta tibi
erga dictos Canonicos animum pariat duriorem certitudinem rei pro-
palare yolentes, nobilitati tue quam ergo fruorem religionis multi-
pliciter commendamus, eosdem Canonicos tanquam religionis et
566
H. J. Z eib i g.
Monasteriorum dicti ordinis fervidos et solicitos zelatores ac vita,
moribus et conversacione exemplares in domino commendamus,
verum de ipsis contra delatores huiusmodi testimonium perhibentes,
ut tu ipsos de suggestis habeas penitus excusatos. Datum Basilee
secundo Idus Maii Anno a nativitate domini Millesimo quadringente-
simo tricesimo quinto.
Ad dilectum Ecclesie filium nobilem virum Albertum, Ducem.
Austrie.
Gleichzeitige Copie. Papier.
XXII.
Colomann Knapp an Sigismund, Propst von Salzburg über seine (auf Betrieb Herzog
Albrecht’s geschehene) Abberufung.
Dat. Basel 34. Mai 1435.
Post sui humillimam recommendacionem obsequentissimam in
omnibus beneplacitis voluntatem. Graciose pater at domine! Audita
pridie, videlicet XV. mayi per me translacione dni Caspari de pawm-
burg, quam nomine vestre dominaeionis vigore eiusdem littere creden-
cialis michi fecit literaque domini et patris mei domini Newnbur-
gensis eidem V. dominacioni destinata lecta intellexi quidem, quod
amodo pro vestra dominacione villicare et officium procuratoris, quod
iam pluribus annis gessi, amplius in Basilea gerere non valeo propter
quorundam, qui non solum, ut estimo, personam meam sed et religio-
nem nostram temptant preter debitum aggravare, sinistras sugge-
stiones contra me et dnum Martinum confratrem meum doctorem de-
cretorum de Walthusen (quorum consilia a sua prelato huc scripta)
domino nostro principi suggestas quam quidem revocacionem meam,.
ut non dubito, de vestre dominaeionis beneplacito non procedentem
tanto facilius sustineo, quanto ipsam superioribus diebus per prefatum
dominum meum prepositum extitit personaliter intimata. Verum pro
reddenda racione villicacionis mee in regressu meo ad patriam domi-
nacionis vestre preseneiam personaliter plus quam libenti animo re-
vera accessissem, sed prefatus dominus Casparus absque exhibicione
peccuniarum pro expensis ad patriam et solucionem debitorum nomine
vestre dominaeionis contractorum necessariarum nudas literas cum
predicte credencie explicacione exhibuit. Ideo ad dominaeionis vestre
preseneiam nec personaliter possum accedere nec racionem de gestis
per me, prout lionori meo congrueret et vive vocis oraculo possem,
Zur Geschichte der Wirksamkeit des Basler Concils in Österreich. i) (57
yaleo sufficienter scriptis explicare. Vntlc pro presenti super paueis
dominacioni vestre scribere potui et primo quidem transmitio D. Y.
cedulam presentibus coniunctam, ex qua perceptorum et distribu-
torum pro me in servicio D. V. claram et sufficientem, ut spero, repe
riet racionem. Seeundo, quia ut premittitur expensas ad repatriandum
et persolucionem debitorum contractorum necessarias miehi exbibiti
non fuerint, ideo ad relevandum me in necessitatibus liuiusmodi non
sine displicencia maxima et invitus dominacionem vestram et alios pre-
latos vigore mandati milii ad hoc prestiti flor. LX. a quodam mer-
catore mutuando sub penis camere gravissimis quidam infra duos men-
ses a prima Junii inchoando solyendis obligavi, prout eciam de hoc,
ut credo, dominacionem vestram dictus dominus Caspar, de cuius
consensu hoc factum est, per sua scripta faciet cerciorem. Postremo
yero, quia dominacio yestra in commissi miclii ab eodem oneris cura
huiusque, benigne sustinuit et humaniter pertractayit eidem vestre
dominacioni aliisque prelatis de lionore et beneticiis micbi in hoc et
alias undecunque exhibitis cas, quas possum, grates refero, sincero
affectu, offerens in omnibus me mihi possibilibus vestre dominacioni
ceterisque prelatis ac dominis meis predictis, quorum vices uti procu-
rator gessi, iugiter familiaritati. Et si quandoque post regressum
meum ad patriam ad hoc opportunitatem habere potero, D. V. ad con-
ferendum cum eadem super premissis personaliter adire curabo.
Dat. Basilee XXIV. mensis Maii MCCCC. 3b.
Dno preposito Salczburgensi.
Concept. Papier.
Percepta a domino meo Salisburgensi preposito de
anno d o m i n i XXXIII.
Item in primo meo recessu de Salczburga versus Basileam recepi
LXXXVI. flor. Ren.
Item in Basilea de vendicione equorum L. flor. cum dimidio.
Item vieesima septima mensis Aprilis recepi LXX. flor.
Item in vigilia penth. XXX. flor. 1 tall. gross, facit V flor. cum
dimidio.
Item vieesima sexta Augusti XXX flor.
Item eodem anno quartadecima decembris recepi XXX flor,
Summa istius III c flor. et vnus flor.
568
H. J. Z e i I» i g.
De anno XXXIIII 0 .
Itein presentati fuerunt nichi a dno meo preposito Neuburgensi
nomine prefati dni mei prepositi SalczburgensisXXIII. AprilisXLfl. Ren.
Item a domino Jobanne Luczeltrater XV. Julii LXXX flor.
Item XII. Angusti a Cand. Cbonrado XX flor.
Item ab eodem VII. Octobris XXIIII flor.
Item ab eodem IX. Noyemb. XXIIII flor.
Summa CLXXXV1II flor.
De anno XXXV.
Item XX mens Januarii recepi XXXII flor.
Item XX. mens may. a dno Caspar Ebenhauser XX flor.
Item de uno antiquissimo equo XII flor. quem cum consilio et
assensu dni Caspar Ebenhauser cum maxima dift'icultate yendidi.
Item a quodam mercatore florentino recepi mutuo super instru-
mento quod habeo a dominacionibus vestris, cuius copiam presentibus
coniunxi XL flor. Ren. sub penis camere solyendos, et mercator
scribit in Registro suo XLIII etisti tres yeniunt pro
usura seu reyerencia eidem mercatori.
Summa CIIII flor.
Summa Summarum Quingenti Nonaginta tres flor Ren.
Exposita.
Primo steti in sacro concilio nomine y. p. XXVIII. mensibus di-
recte et quolibet mense XIII flor. iuxta prius inter nos scripta com-
pactata, facit III C LXIIII flor.
Item a Salczburga usque Basileam et ibidem in comuni ho-
spicio stando ante yendicionem equorum exposui XXXI flor.
Item Symoni redeunti ad pataviam IIII flor et ynum paryum
equum, quem emi pro VII flor. Ren. facit vndecim flor.
Item pro yestibus michi et famulo condecentibus. XLYIIII flor.
Item pro vna tunica harraz VI flor.
Item obligamini michi per expensis et equis et aliis paranentis
meis aNeuburga usque Salczburgam LXX ducat. qui faciunt LXXXVIII
flor. Ren.
Item in causa de laber X floren.
Item exposui nomine omnium yestrum I flor. pro contribucione
civitatis pilsnensis.
Zur Geschichte der Wirksamkeit des Basler Conciis in Österreich. S69
Item officiali patav. pro Symone in primo meo adyentu pro ex-
pensis II flor.
Item Symoni advocato de Teramo IIII. flor. ut scriberet
super allegacionibus in facto administracionis siye
o b 1 a g i a r u m.
Item in facto Reformacionis ord. pro instrumentis et aliis
IIII flor.
Item pro expensis ad repatriandum XYII flor. Item notario
1 ducat. pro instrumento mutui. Item equo pro expensis XII diebus
1 flor.
Est verum R^P., interim quod fui in servicio Y. P. dominus
meus prepositus Newnburgensis exposuit pro subsidio expensarum
persone mee ultra centum et XL ducatos, quia alias nullo modo suf-
fecissent michi expense Y. P. videlicet in mense XIII flor ren. quos
tarnen Y. D. micbi satis legaliter obtulerunt et presentarunt.
XXIII.
Grundzüge der beschlossenen Klosterforraation.
Effectus minute per dnum legatum concepte.
Primo quod visitatores deputati sint Ambasiatores Concilii
sacri ad visitandum omnia loca et omnes personas dominiorum pre-
dicti domini ducis, eciam si pontificali yel ducali prefulgant dignitate.
Seeundo quod possint visitare ecclesias katbedrales in toto
vel in parte sub eins dominio existentes.
Tercium quantum ad religiones sanctiRenedicti etsancti Äugu-
stini de priori minuta in elfectu nil videtur mutatum licet aliqualiter
quantum ad verba.
Quarto quod poterunt punire omnes, quos repererint culpa-
biles.
Quinto quod poterunt removere tales a suis administracio-
nibus, si boc eorum excessus exegerunt et hoc extenditur ad reli-
giosos.
Sexto quod super premissorum excomunicacione invocare
poterunt auxilium brachii secularis.
Septimo. Si remoto aliquo a sua administracione eligentes
alium indignum scienter elegerint, tune potestas eligendi ad ipsos
visitatores devolvetur.
S70
H. J. Z ei b i g.
Oetavo. De hoc an quis electus sit indignus iterum ipsimet
visitatores habebunt iudicare.
Nono. Ipsi visitatores omnium, quos visitant, Confessiones audire
poterunt et ab omnibus casibus absolvere et super oronibus irregula-
ritatibus dispensares excepto bomicidio voluntario et bigamia.
Decimo poterunt relaxare omnia iuraraenta et omnia statuta,
que irracionabilia, iniqua aut saluti animarum obviancia videbuntur
et ea declarandi talia fore pariformiter conceditur facultas.
Gleichzeitige Copie. Papier.
XXIV.
Vollmacht des Basler Concils für die das erstemal nach Oesterreich bestimmten
Visitatoren.
Datum Basel 30. Mai 1435.
Sacrosancta Generalis Synodus Basileerfsis in spiritu sancto
legitime eongregata universalem ecclesiam representans. Venerabili
Pliiliberto Epo ConstanciensiprovincieRoth omagens is
et dilectis ecclesie liliis Johanni de pole mar Archidiacono
Barchinonensi, apostolici palacii auditori, decre-
torum doctori, Martino decano Turonensi, Egidio Car
le r io deeano Cameracensi et Tilmanno preposito
sancti Florini de Confluencia decretorum doctoribus et
magistris, oratoribus nostris Salutem et omnipotentis Dei benedie-
cionem. Quia inter alia sanctitatis opera, propter que hoc sacrum
congregatum est Basileense Concilium, illud potissime cordi nostro
inest, ut in quolibet xni populi statu sancto vigeat morum disciplina
divinorumque observancia preceptorum merito omnem diligenciam ad
sanctum reformacionis opus inpendere, debitores nos profitemur.
Sane pro parte dilecti ecclesie filii nobilis viri Alberti ducis
Aus tri e ac Mar chionis Mora vie nobis nuper exhibita peticio
continebat, quod pro lionore dei et ecclesie katholice proque bono
publico tarn status ecclesiastici quam secularium personarum in suis
dominiis existencium quam plurimum expediret, ut ab hoc sancto
Concilio viri timorati opereque et sermone potentes ad reformandum
et corrigendum ea, que reformacionem et coreccionem in ipsis suis
dominiis exigere videntur, sine mora deputarentur, Nos igitur ex
officio nostro quod circa morum reformacionem precipuum esse
debet, ac ipsius ducis piis desideriis satisfacere cupientes, et de
Zur Geschichte der Wirksamkeit des Basler Concils in Österreich. 571
vestra probitate, circumspeccione et industria in domino confisi, vobis
seu maiori parti vestrura tenore presencium coinmittimus et man-
damus, ut tarn per yos, quam per alios et a vobis substituendos, de
quibus yisum fuerit omnes et singulas personas cuius-
cunque status dignitatis aut condicionis, eciam sipon-
tificali a ut ducali prefulgeant dignitate, nec non eccle-
sias kathedrales, Monasteria cuiuscunque religionis, ordinis ac sexus,
aliasque ecclesias et loca pia exempta et non exemptain terris dominii
prefati ducis, ac eciam in civitate et dioc. patav, existentes in
capitibus et membris, nec non universitätem studii Wyenne
in via morum et celestium observacionem mandatorum et in quibus-
cunque ad honorem dei et salutem animarum pertinentibus refor-
mare per omnia iuris remedia juxta canonicas sancciones possitis et
debeatis, inutilia, deformia et dampnosa evellendo penitus, ac dissipando,
utilia vero, necessaria et fructuosa, edificando, plantando et irrigando.
Sic tarnen, quod in Monasteriis ordinis sancti Benedicti regu
lärem observanciam in specu s o 1 itam observari, dudum eciam
apostolica auctoritate inplerisque monasteriis dominii prefati ducis salu-
briter introductam, ethucusque fructuose continuatam, nec non in Mo
nasteriis sancti Augustini Canonicorum Regularium
prefatorum dominiorum et civitatum et diocesium uniformitatem
in h a b i t u, ceremoniis aliisque pro regulari observacioneraciona-
bilibus et accomodis sollerterinstituere curetis. Nos enim vobis
aut aliis a vobis substituendis vice nostra summarie, simpliciter et de
plano, sine strepitu et figura iudicii sola facti veritate inspecta procedere,
et quemadmodum qualitas delictorum etmensura culpepenam exegerit,
prefatas personas ecclesiasticas abbaciali aut alia inferiori dignitate
iuxta sacros canones, ipsorumque Monasteriorum et ordinum instituta
punire, et si ipsarum personarum demerita exegerint, incarcerare,
dignitatibus, administracionibus et olficiis quibuslibet, quibus presunt,
amovere et destituere, penasque iuxta vestrum vel substituendorum
arbitrium moderandi, appellacionis cuiuscunque obstaculo penitus
sublato, cum potestate predictas personas, si opus fuerit, per edictum
publicum citandi processusque vestros, quociens expedierit, aggvandi
et reaggvandi, invocato si expedierit, auxilio bracbii secularis. Quodsi
ad electionem alicuius futuri abbatis aut inferioris, cuius predecessoris
ci’imina et excessus punicionem et amocionem a sua dignitate expos-
cebant, procedere contingat, Decretum nostrum super eleccionibus
572
H. J. Z e i b i g.
dudum editum yolumus et precipimus observari Si tarnen ad abbacialem
seu aliquam religiosam dignitatem persona evidenter indigna electa
fuerit, quod vestro iudicio relinguimus, eo casu eleecio huiusmodi ad
vos vel substituendos devolvatur. Volumus autem quod cum in aliqua
diocesi officium visitacionis ac reformacidnis per yos, vel substituendos
exerceri continget, loci illios Ordinarius vel ab eo substituendus
una vobiscum vel substituendis a vobis in eodem officio et facultate
quoad sibi ordinaria facultate subiectos interesse valeat, dummodo
ipse vel substituendus ab eo reformacioni faciende se submiserint
cum effectu. Per hanc autem facultatem vobis, ut premittitur, traditam,
iuri et iurisdiccioni ordinariorum in aliis non intendimus derogare.
Preterea ut ad personarum per vos aut deputandos a vobis reforma-
tarum Saluti et conscienciarum quieti consulcius provideatur, huius
modi personas, que reformacioni se submiserunt, a quibusvis excomu-
nicacionis et suspensionis sentenciis a iure aut per provinciales seu
synodales constituciones, aut per ordinum, monasteriorum, seulocorum
statuta, seu occasione apostasie latis et ab huiusmodi apostasie et
aliis criminibus in forma ecclesie absolvendi, et cum illis super irre-
gularitate siquam huiusmodi ligati sentenciis seu in locis ecclesiasticis
interdicto suppositis celehrando seu alias divinis se inmiscendo aut
sacramentalia exercendo contraxerint, hiis ad tempus, de quo vobis
videbitur, a suorum ordinum execucione suspensi, et super quacumque
alia irregularitate, preterquam homicidii voluntarii aut bigamie dispen-
sandi. Conswetudines, quoque, iuramentaque et statuta irracionabilia
seu reformacioni aut saluti animarum obviancia abolendi et relaxandi
seu prout de iure faciendum fuerit, nulla aut iniqua nec observanda
fore declarandi et alia salubria statuendi vobis et predictis substi-
tuendi nec non quitquit ad vestram reformacionem necessarium vel
aceomodum fuerit, faciendi, personarum, locorum, et temporum quali-
tate ae condicione pensatis, concedimus facultatem. Circa vero spiri
tuales et seculares personas precipue observari mandamus, ut in nullo
ecclesiasticam violent libertatem ac in mutuis personis ecclesiasti
cis seu secularibus factis sorte presenciali penitus sint contenti, in qua
juxta sacros canones fructus ex pigvioribus percepti obligatis omnino
computentur, presentibus usque ad tempus, de quo vobis Visum fuerit,
duraturis. Non obstantibus constitucionibus, ordinacionibus aposlolicis,
nec non statutis et conswetudinibus, exempcionibus ecclesiarum, mo
nasteriorum, ordinum, eommunitatum statuum et personarum quorum-
Zur Geschichte der Wirksamkeit des Basler Coneils in Österreich. 573
cunque iuramento, confirmaeione apostolica, vel quacumque alia lirmi-
tate roboratis. Seu si aliquibus comuniter vel divisim a sede aposto
lica esset indultum, quod interdici, suspendi, nel excommunicari non
possint per literas non facientes plenam et expressam ac de verbo ad
verbum de indulto lniiusmodi mencionem et quelibet alia dicte sedis
indulgecia generali vel speciali cuius cunque tenoris existat per quam
presentibus non expressam vel totaliter non insertam vestre iurisdie-
cioni execucio valeat impediri, quam quo ad hoc temporis volumus
abiquatenus suffragari, et ut hoc sanctum opus magis expeditum et
felieem hahent progressum, in virtute sancte obediencie et sub excom-
municacionis pena districte precipiendo inandamus, omnibus et sin-
gulis tarn ecclesiasticis quam secularibus personis cuiuscunque status,
dignitatis aut condicionis existant, eciam si pontificali prefulgeant
dignitate, utnullumin predictis impedimentum per se vel alium, directe
val indirecte quacunque occasione faciant vel procurent, nec per alios
fieri permittant quovismodo, quinymo vobis et a vobis substituendis
in omnibus prefatum negocium concernentibus consiliis et auxiliis
opportunis faveaut, obediant et assistant. Datum Basilee tercia
Kale ndas J u nii Anno a Nativitate domini M 9 CCCC 9 XXXV 9 .
Sic erat scriptum in plicatura in superiori parte:
Ex deliberacione deputatorum ad hoc.
Julianus legatus.
Gleiehz. Cop. Pap.
XXV.
Caspar, Propst von St. Florian, trägt sich bei Propst Georg I. von Klosterneuburg wegen
der neuerlichen Vorladung von Seite des tiasler-Concils an.
Dat. Florian 1. April 1436.
Reverende in xsto pater et domine. Cum oracionum devocione
prioris vinculi amicicie continuum incrementum. Quemadmodum
vestra Rer l l" paternitas melius me novit, quantum artet unum-
quemque prelatum vo c acio Conci 1 i i B asi 1 eensis, ut
videlicet in virtute sancte obediencie ac prestiti iuramenti sub pena
cum cominaeione nichilominus amplioris pene unusquisque vel suus
procurator aut nunccius infra mensis spacium post insinuacionem
iter arripere debet, et iam terminus in propinguo incipit labi, peto
dictam V. R. P. michi in hac re intimare eiusdem V. R. P, intencio-
nem, cum non post, sed magis presens credam huiusmodi literas ad
574
H. J. Z e i b i g.
sepedictam V. R. P. pervenisse. Anget enim me timor peccati inobe-
diencie seu periurii, Yel eciam exspeetacio periculorum graviorum.
Nec mei solummodo tarn sollicitus sum in hoc negocio, ymo et
alios prelatos supernos idem timor coangustat, qui me
eciam multum sollicitarunt ad Y. R. P. consilium requirendum. Dig-
netur ergo eodem V. R. P. nobis facere consolacionem ac direccionis
beneficium impertiri. Si quid de aliis currentibus negociis michi sig-
nificare possit, optarem bec fieri presentis per latorem. Commendans
me dicte V. R. P. intimis ex precordiis nunc et semper. Dat. a d s.
Florianum do mini ca palmar um Anno Dni. 1436.
Caspar prepositus Monii sancti fllor.
Reverendo in xsto. patri ac dno dno Georgio prep. Mon“ Nevvn-
burgn. pceptissimo pcipuo.
Original, Papier.
XXVI.
Vertrag zwischen Herzog Albrecht und Leonhard von Passau einer- und den Abgesandten
des Basler Concils anderseits über die Modification der anzustellenden Klosterreformation.
Dat. Wien 20. März 1436 1 ).
XXVII.
Leonhard B. von Passau ersucht Propst Georg-1. um Darleihung eines Pferdes für seinen
in Angelegenheiten des Prälaten nach Basel gehenden Boten.
Dat. Wien 26. März 1436.
Leonardus dei gracia Epus Pataviensis. Fayorabili
salutacione premissa. Venerabilis in xsto sincere dilecte. Veniet ad
te Johannes familiaris noster, quem adRasileam trans-
mittimüs pro te aliisque prelatis sanctorum Renedicti et Augustini or-
dinum. Quia Yero ad presens non habuimus equum pro buiusmodi suo
itinere dispositum, ideo ipsum ad te remittimus, quatenus sibi aliquem
equulum non magni precii ad hoc iter validum velis assignare
quem in sua reversione tibi reportabit. Dat. Wienne vigesima
sexta die mensis Marcii Anno MCCCC Trigesimo Sexto.
Venerabili in xsto sincere dilecto Georgio Prep. Mon. Neun-
burgens. ord. scti Augustini can. Regular, nre dioe.
Original. Papier.
*) Abgedruckt in „Zeibig die kleine Klosterneuburger Chronik.” Anmerkung 32,
Archiv VII. Ed. 4. lieft.
Zur Geschichte der Wirksamkeit des Basler Conciis in Österreich. 37!)
XXVIII.
Leonhard, Bischof von Passau sendet dem Propste Georg von Klosterneuburg das
geliehene Pferd zurück.
Dat. Passau 26. Mai 1436.
Leonardus dei gracia Ep usP ataviensis. Fayorabili saluta-
cione premissa. Venerabilis et in Xsto sincere dilecte Remittimus tibi
cum presentibus equum tuum, quem alias pro nunccio nostro ad
Basileam comodasti; Rogantes ignosci eum tarn diu tenuisse quia
officialium nostrorum desidia remissio ipsa tamn di est retardata.
Datum Patavie vicesima sexta die Maii Anno Trigesimo sexto.
Aufschrift. Venerabili et in Xsto sincere dilectoGeorio prepo-
sito Monasterii Newenburgensis ord. sc. Aug. can. Regular nre dice.
Original. Papier.
XXIX.
Vollmacht des Basler Conciis für die das zweitemal nach Oesterreich bestimmten Visitatoren.
Datum Basel 31. Juli 1436.
Sacrosancta generalis siiuodus Basileensis in spiritu sancto
legitime congregata vniversalem ecclesiam representans dilectis ec-
clesie filiis, beate Marie Virgin is Scotorum in Wien na,
Lambaeensis sancti Benedicti ac sancteCrucisCister-
ciensis abbatibus, Newnburgensis et sancte Dorothee
inWiennaprepositis Wolfgango decano sanctiFlori-
ani, s ancti Augustini Canonieorum Regularium, priori
Maurhacensi Carthusiensis ordinum Monasteriorum,
Silyestro decano, Heinrico Baruther canonico eccle-
sie acGeorgio Jergenr etyter in spiritu alihuscommis-
sario Epi pataviensis, Johanni Gwerlich, Conrado de
Halstat, decretorum doctoribus, petro de laa in de-
cretis liceneiato, Petro de Pirchenwart, Thome Hasel-
pach, Narcisso de Perchingen, Vrbano deMellico, secu-
laribus, fratri Johanni Nyder ordinis prcdicatorum
magistris ac Andree de Weytra Baccalario in Theo
login patay. dioc. salutem et omnipotentis dei benediccionem.
Quia inter alia sanctitatis opera, propter que hoc sacrum est congre-
gatum Basileense concilium illud potissime cordi nostro inest, ut in
quolibet xni populi statu sancta vigeat morum disciplina ac divinorum
observancia preceptorum merito omnem diligenciam ad sanctum refor-
macionis opus impendere debitores nos profitemur.
576
H. J. Zeibig.
Dudum siquidem ad humiles et pios dilecti ecclesie filii n o b i 1 i s
viriAlbertiDueisAustrie et March io nis Mor avie illustris
instancias venerabili Pliilib erto Epo Constanciensi provincie
Rothomagensis et dilectis ecclesie filiis Johanni de Pole mar,
Archidiacono Bar clii non ensi ac ceteris eorum in hoc parte
collegis oratorihus nostris ad regnum Bohemie aliasque partes circum-
yicinas in orthodoxe xne fidei negociis destinatis per nostras certi
tenoris literas dedimus in mandatis, vt omnes et singulas personas
cniuseimique status et condicionis aut dignitatis, eciam si pontificali
aut ducali prefulgerent dignitate, nec non Ecclesias Kathedrales,
Monasteria cuiuscunque ordinis, religionis aut sexus, aliasque eccle
sias et loca pia exempta et non exempta in terris et dominiis prefati
ducis ac eciam in civitate et dioc. patav. existencia in capitibus et in
membris, nec non vniversitatem studii Wiennensis in via morum et
celestium observacione mandatorum, visitare, reformare, corrigere,
punire et alia facere possent et deberent, prout in eisdem nostris
literis, quarum tenorem presentibus habere volumus pro expresso et
insertis plenius continetur. Cum itaque, sicut accepimus, Venera
bili s Leonardus Epus Pataviensis de premissis habita
noticia visitacionem et reformacionein et alia plura in ipsis literis
contenta et peragenda quoad sibi subiectos ad suum asserat
eciam officium spectare, seque iuxta sibi concessam a domino
facultatem offerat illa paratum adimplere, et super hiis cum duce
prefato concors etfectus existat, tandem sicut ipsorum, epi et ducis
nobis exhibita peticio continebat, quod cum idem epus nuper in
sua sinodo episcopali pro lionore omnipotentis dei et ecclesie
katholice, proque bono publico tarn status ecclesiastici quam secularis
personaruni et lo'corum sue iurisdiccionis et diocesis in dicti ducis
dominio existencium, de ducis nec non oratorum nostrorum prefa-
torum unamini consensu vobis huiusmodi yisitacionis et reformacionis
opus tarn salubre auctoritate sua commisisset et quam
plurimum expediret, ut ab hoc sacro concilio in huius
modi ordinarie iurisdiccionis adiutorium vobis i d visi-
tacionis etreformacionis officium cum ampliori eciam
ad exemptos extensione conmittatur, potestatem 11t tanto
efRcacius opus tarn sanctum perficere possetis, quanfo maiori fueritis
auctoritate premuniti, nos igitur officio vestro quia circa morum re-
formacionem precipium esse debet ac piis Epi ac ducis predietorum
Zur Geschichte der Wirksamkeit des Basler Concils in Österreich. I>77
desideriis satisfacere cupientes, nee non sanctam et concordem utrius-
que intencionem in domino commendantes, dictas priores nostras
literas et eorum effectum eciam ad visitatores in eisdem deputatos
iuxta seriem, continenciara atque tenorem presencium literarum no-
strarum limitamus et reducimus, ita quod ad loea in temporali dominio
dicti dueis in dioc. patav. consistencia nec non ad formam presencium
duntaxat se extendant et ex nunc sic esse limitatas et reductas
yolumus et decerminus per presentes. In aliis vero locis in
temporali dominio dicti ducis consistentibus extra
civitatem et diocesim predictas,prefatas nostras p rio-
res literas earum volumus effectum sortiri. Et nichilo-
minus vobis, de quorum probitate, circumspeccione et industria in
domino confidimus tenore presencium conmittimus et mandamus,
quatenus omnes et singulas personas cuiuscumque status, gradus,
dignitatis, condicionis aut sexus existant, nec non quasumque ecclesias
collegiatas, monasteria cuiuscunque religionis seu ordinis, plebanias,
parrochias et earum ecclesias, cappellas et pia loca exempta et non
exempta in terris dominii prefati ducis in dicta diocesi existencia
in capitibus et membris nec non Universität,Bm Wiennensem in yia
morum et celestium observacione inandatorum ac in quibuscunque ad
honorem Dei et salutem animarum pertinencia secundum iuris
comunis disposicionem exemptos vi de licet nostra
non exemptos vero tarn nostra quam prefati epi ordi
när i a a u c t o r i t a t i b u s per omnia iuris remedia visitare et refor-
mare possitis et debeatis, invtilia, deformia et dampnosa evellendo
penitus et dissipando, vtilia autem, necessaria, fructuosa edificando,
plantando et irrigando, sic tarnen quod in Canonicorum Regu-
larium in babitu uniformitatem, ae in sancti Benedicti ordinum mona-
steriis regulärem observanciam in specu servari solitam, dummodo
vestris conscienciis secundum deum pro honestate ip-
sarum religionum ac pr ofectu regularis observancie uti-
1 itateque dictorum monasteriorum etpersonarum visum
fuerit expedire sollcrter instituere curetis. Nos enim vobis vice
nostra summarie simpliciter et de plano sine strepitu et figura iudicii
sola facti veritate inspecta procedere et quemadmodum qualitas et
mensura culpe penam exigerit, prefatas personas ecclesiasticas abba-
ciali aut alia inferiori dignitäte iuxta saerosCanones ipsorum-
que ordinum et monasteriorum instituta puniendi, et si ipsarum per-
Sitzb. <1. phil.-hist. CI. VIII. Bd. V. Hft.
40
578
H. J. Zeibig.
sonarum demerita exegerint, incarcerandi, dignitatibus, administra-
cionibus et ofFiciis quibus presunt, amovendi et destituendi, voluntarias
eciam cessiones seu resignaciones eorundem dignitatum, administra-
cionum et officiorum admittendi et in manus vestras recipiendi, penas
quoque iuxta vestrum arbitrium moderandi apellacionis cuiuscunque
obstaculo penitus sublato cum potestate predictas personas, si opus
fuerit, per edictum publicum citandi, processus quoque yestros, quo-
ciens expedierit, aggravandi et reaggravandi, invocato, si expedierit,
auxilio brachii secularis; quod si ad eleccionem ali cuius futuri Abbatis
aut inferioris, cuius predecessoris crimina et excessus privacionem
et amocionem a sua dignitate merito exposcunt, proeedere contingat,
decretum nostrum super eleccionibus dudum editum volumus et pre-
cipimus observari. Si tarnen ad abbaeialem seu aliquam religiosam
dignitatem persona evidenter indigna electa fuerit, quod vestro iudicio
relinquimus eo casu in exemptis ad nos, in non exemptis vero
secundum iuris communis disposicionem ad illos, per
quos fieri debet, eleccio liuiusmodi devolvatur. Preterea
ut personarum per vos reformandarum saluti et conscienciarum quieti
consultius provideatur, liuiusmodi personas, que refonnacioni se
submiserint, a quibusvis excommunicacionum et suspensionum sen-
tenciis a iure aut per provinciales seu Sinodales constituciones vel
per ordinum monasteriorum seu locorum statuta seu occasione apo-
stasie latis, ac ab liuiusmodi apostasie et aliis criminibus in forma
ecclesie absolvendi, nec non cum illis super Irregularitate, si quam
liuiusmodi ligati sentenciis seu in loco ecclesiastico interdicto suppo-
sitis celebrando, seu alias se divinis inimiscendo aut sacramentalia
exercendo contraxerint, ipsis ad tempus, de quo vobis videbitur, a
suorum ordinum execucione suspensis, ac super quacunque alia irregu
laritate preterquam liomicidii voluntarii ac bigamie dispensandi, con-
suetudines quoque, uramenta et statuta quevis irracionabilia seu refor-
macioni et animarum saluti obviancia, seu eciam presertim in
monasteriis monialium propter sexus fragilitatem nimis
rigorosa abolendi et relaxandi, aut prout de iure faciendum
fuerit, nulla aut iniqua nec observanda fore declarandi et alia salu-
bria, nec non quidquid ad veram reformacionem necessarium seu
accomodum fuerit faciendi et statuendi, personarum locorum et tem-
porum qualitate et condicioni pensatis, plenam vobis concedimus
faeultatem. Circa vero spirituales et seculares personas precipue
Zur Geschichte der Wirksamkeit des Basler Concils in Österreich. 8 79
observari mandamus, u t in null o ec clesiasticam violent liber-
tatem et ut ab usuris et cjuibuscunque usurarum speciebus, nec non
a rapinis et invasionibus, diflidacionibus, blaspliemiis et ad secu-
laria tribunalia traecionibus aliisque molestis infestacionibus et ininriis
clericorum penitus se abstineaiit et per tos abstinere compellantur,
nec non in niutuis et inpignoracionibus seu eontractibus simulatis
qui mutuum finaliter sapiunt aut in fraudem usurarum tarn inter
ecclesiasticos quam seculares personas initis forte principali penitus
summe contente, in qua iuxta sacros canones fruetus ex rebus mutuo
vel liuiusmodi contractu simulato translatis vel obligatis, datis seu
inpignoratis, percepti omnino computentur. Quodque eciam que-
dam sacrorum inimica canonum corruptela que, ut per-
cepimus, in illis hactenus inolevit partibus, qua nonnulle Iaicales seu
seculares persone pretextu iuris palronatus seu advocacie Rectoribus
ecclesiarum parocbialium ac aliis clericis curatis et non curatis de-
functis, eorum bona illico post eorum obitum et plerumque antequam
laborantes in extremis decesserint, aut ipsorum defunctorum funera
ecclesiastice tradita fuerint sepulture in omnipotentis dei et ecclesia-
stice libertatis otfensam propria temeritate invadere sibique vsurpare
non formidant, penitus aboleatur, et ne de cetero talia vel similia
fiant, censuris et penis quibuscunque eciam in Constitucione, que
Carolina nuncupatur, contentis, quam in hiis et similibus casibus
per vos publicari et execucioni debite demandari volumus et man
damus, providere studeatis quacunque consuetudine in contrarium
allegata non obstante, cum tanto sint graviora peccata, quanto diu-
cius infelices animas detinent alligatas, invocato ad premissa ipsius
ducis, qui tamquam katliolicus princeps ad dandum in
premissis a uxilium et favorem propicius esse dinos-
citur et aliorum potentum auxilio, quos per vos volumus et decer-
nimus in easu necessitatis et execucioni premissorum esse requi-
rendos. Ceterum ne quis prefati epi patav. iürisdiccioni subiectus pre-
tendat eidem propter baue nostram commissionem in corrigendis
excessibus et in reformacione morum preclusam fore potestatem,
volumus, quod idem Epus, dum ei expedire videbitur, visitacioni et
reformacioni liuiusmodi vna vobiscum tum circa extemptos quam non
exemptos dioc. patav. interesse, nostraque ac sua auctoritatibus pre-
fatis in premissis fungi possit, cuius iuri et iürisdiccioni per
presentes non intendimus derogare, quum et ipse salva nostra com-
40 *
S80
H. J. Z e i b i g.
missione presenti auctoritate sua visitare et reformare ac corrigere
suamque ordinariam iurisdiccionem libere exercere possit in sibi
subiectos quociens videbitur sibi expedire, presenti commissione non
obstante, quodque, si vnum yel plures ex vobis ab liac luce migrare
contigerit, idem epus alium seu alios de consilioetas-
sensu superstitum s urrogandi si vel quociens oppor-
t unum fu er it; liabeat f ac ultatem. Et quia, si vos omnes aut
yestrum maior pars in singulis locis visitandis adesse debeatis, grave
dispendium ac magna incomoditas tarn vobis quam ipsis locis irn-
mineret volumus, ut illi, ad minus duo vel tres aut plures ex vobis
iuxta personarum et locorum exigenciam aliasque circumstancias
necessarias, quia vobis vel maiori parte vestrum ad lo
corum visitacionem fuerint distributi et deputati, ac si
omnes interessent, plenari am inpredictis habeantpo-
testatem, presentibus usque adquadriennium duraturis,
non obstantibus constitucionibus et ordinacionibus apostolicis nee
non statutis et consuetudinibus seu exempcionibus et privilegiis
ecclesiarum, monasteriorum, ordinum, comunitatum, statuum et per
sonarum quorumcunque iuramento, confirmacione apostolica vel qua-
cumque firmitate roboratis, seu si aliquibus comuniter vel divisim a
sede apostolica sit indultum, quod interdici, suspendi vel excomuni-
eari non possint per literas non facientes plenam et expressam ac de
verbo ad verbum de indultu huiusmodi mencionem, et qualibet alia
dicte sedis indulgencia generali vel speciali cuiuscunque tenoris
existat, per quam presentibus non expressam vel totaliter non inser-
tam, vestre iurisdiccionis execucio valeat impediri, que quoad hoc
ipsis volumus aliquatenus suffragari. Et ut hoc sanctum opus magis
expeditum ac felicem liabeat progressum in virtute sancte obediencie
et sub excomunicaeionis pena districte precipiendo mandamus omnibus
et singulis tarn ecclesiasticis quam secularibus personis, cuiuscumque
status, dignitatis aut condicionis existant, ut nullum in predictis impe-
dimentum per se vel alium, directe vel indirecte quacunque occasione
faciant vel procurent, nec per alios fieri permittant quovismodo, quin
ymo vobis in omnibus, prefatum negocium eoncernentibus consiliis et
auxiliis opportunis, faveant, obediant et assisfant.
Datum Basilee II. Kal. Augusti anno a Nativitate domini Millesiino
quadringentesimo XXXVI 0 -
Gleichzeitige Abschrift. Papier.
Zur Geschichte der Wirksamkeit des Basler Concils in Österreich. 581
XXX.
Fragepunete der .Visitatoren.
Sequuntur Capitula, de quibus Visitator debet inquirere in
Monasterio Monachorum tarn in capite quanr in membris ex mero suo
officio.
Inprimis inquisitor seu yisitator faciet fieri capitulum in dicto
Monasterio, in quo debet convenire abbas et ornnes monachi et fa-
cient iuramentum simul de respondendo et dicendo veritatem super
interrogatis.
Secundo sigillatinr debet interrogare abbatenr et monachos nulla
deliberacione precedente nec aliquo termino dato ad deliberandum,
super omnibus infra scriptis.
1. Et primo de spiritualibus, videlicet utrum monachi
ipsius monasterii sint professi regulam et ordinem s. Benedicti.
2. Item an servent veram obedienciam abbati et suis prepositis,
sicut religiosi obedire tenentur.
3. Item an aliqui monachi proprietarii sint in monasterio.
4. Item an continenter vivant.
5. Item an ibi observetur debito modo silencium in claustro, in
mensa et aliis debitis horis et locis.
6. Item an omnes semper et simul in refeetorio comedant et an
ad rnensam legatur.
7. Item an in refeetorio carnes comedantur.
8. Item an omnes simul in dormitorio dormiant.
9. Item an diuturnum officium pariter et noeturnum Ordinate in
ecclesia horis conpetentibus celebretur, et utrum omnes continue ad
horas veniant.
10. Item an bene et continue portent habitum nronachalem.
11. Item an utantur vestibus et lintheaminibus lineis.
12. Item an iaceant induti vel nudi.
13. Item an iaceant in sacconibus vel culcitris.
14. Item an ibi bene observentur ieiunia per ecclesiam et
regulam instituta.
15. Item an ibi aliquis vagabundus vel secularibus immiscens
negociis ibi sit.
16. Item an fiant ibi aliqua indebite contra regulam beati
Benedicti.
17. Item utrum fiant capitula frequenter, et quid in eis agatur.
582
H. J. Zeibig.
18. Item an abbas bene peragat officium suum et utrum aliqua
faciat vel cencedat per simoniacam pravitätem.
19. Item utrum seit vel credat aliquid emendandum vel corri-
gendum in persona sacriste vel circa eius administracionem.
20. Item circa personam Camerarii vel prioris claustralis, et sic
de aliis officiis.
21. Item an officiales monasterii, racionem reddant de suis am-
ministracionibus et cui et quando et qualiter.
22. Item an bona et res dictorum officiorum bene custodiantur
et administrentur.
23. Item quot monachi sint in monasterio, quot officiales et qui
sint illi.
24. Item si sciat vel credat aliquid eorrigendum et emendan
dum in A, item in B, item in C. Et sic de omnibus aliis monachis
sigillatim.
25. Item quot et qui sint Monasterii conversi.
26. Item an aliquid sit eorrigendum in A in B in C et sic de
aliis eonversis.
27. Item an sciat vel credat ad reformandum et eorrigendum
de se ipso. Et sic quilibet de abbate et omnibus aliis et de se ipso
interrogetur iuxta premissa.
Secuntur capitula interroganda de temporalibus.
28. Et primo an monasterium sit debitis obligatum et quantis
et quibus.
29. Item an aliqua sint eciam alienata vel distracta.
30. Item an abbas teneat ad manus snas omnes possessiones
monasterii.
31. Item an abbas bene procuret et diligenter faciat exeoli
illas.
32. Item an bona mobilia monasterii sint pignore obligata et
que et quibus et qualiter.
33. Item an abbas bene defendat et diligenter bona monasterii.
34. Item in quantum ascendant comuniter proventus monasterii
seu eciam redditus.
35. Item quot monachi possint inde vivere si bene et legaliter
administrentur.
36. Item quot sint ibi monachi.
Zur Geschichte der Wirksamkeit des Basler Concils in Österreich. 583
37. Item an ille sit solitus numerus monacliorum.
38. Item an procurentur, ut deceat, in victu et yestitu.
39. Item an proventus convertantur in ysus et utilitatem dicti
monasterii.
40. Item si ibi obseryetur hospitalitas et qualis.
41. Item an sit ibi infirmaria et qualiter infirmi ibi procurentur.
42. Item an monasterium habundet in Blado, yino, lignis et
aliis necessariis.
43. Item an sint ibi libri, vestes, et cruces, calices et alia yasa
et ornamenta ecelesiastica yel non.
44. Item an persone alique suspecte contra lionestatem reli-
gionis ingrediantur infra septa monasterii.
45. Item an sciat vel credat, si abbas recipiat monachos alibi
quam in Monasterio.
46. Item an abbas contulerit beneficia aliis, quam expresse
professis.
47. Item an regula in capitulo legatur et exponatur.
48. Item quot sint prioratus extra monasterium et quot monachi
sint in quolibet prioratu, et quot debent interesse, et si sint aliqui
priores soli sine sociis.
49. It qualiter priores et dicti monachi conversantur in dictis
prioratibus et si abbates aliquid recipiant pro sociis ad dictos priora
tus non mittendis.
50. Item si capitulum quolibet anno teneatur.
51. Item si abbas reddat computum quolibet anno et priores in
dicto capitulo et officiales ter in anno presente abbate.
52. Item si abbas celebret yel audiat missam singulis diebus.
53. Item si monachi presbiteri celebrent bis yel ter ad minus in
septimana.
54. Item si alii monachi non presbiteri singulis septimanis con-
titeantur et recipiant corpus xsti in prima dominica mensis ad minus.
55. Item si in grammaticalibus et seryicio iuyenes instruantur
et per quos.
56. Item si seculares admittantur cum ipsis.
57. Item si aliqui sint missi ad generalia studia et si pensio
eis solvatur terminis ordinatis.
58. Item si benificia conferantur aliquibus non existentibus in
etate legitima, videlicet prioratus, conventuales et alii curati, et
584
H. J. Z e i ]) i g.
officia claustralia existentibus in XXV° anno, prioratus yero non curati
existentibus in XX" anno.
59. Item si in capite XL me ‘) Codices dentur cuilibet monacho.
60. Item cum quanto equitatu ambulat abbas et cum quantis
monachis.
61. Item si servitores sui seculares vtantur preciosis yestibus
virgatis et copiosis.
62. Item si frequenter detur licencia monachis exeundi mona-
sterium.
63. Item si seculares ad yictum ministrandum monachis depu-
tentur.
64. Item si monachi habeant porcionem panis et vini et qualem.
65. Item que elemosina sit in dicto monasterio.
66. Item quid monacbi faciunt horis, quibus seryicium diyinum
non dicitur.
67. Item si frequenter lecti monachorum per abbatem yisitentur
propter opus peculiare.
68. Item si alique feile sint in monasterio.
69. Item si habeant singuli lectos et iaceant.
70. Item ubi thesaurus monasterii, literarum, librorum et alio-
rum ornamentorum teneatur; et sub quorurn custodia, et quot cla-
yibus clauditur.
71. Item qualiter sigillum conventus custoditur et per quos.
72. Item si petentes se admitti ad professionem post annum
probacionis admittantur, et de modo recipiendi.
73. Item si aliquis monacbus illius monasterii habeat admini-
stracionem in alio monasterio.
74. Item si aliqui eontractus sunt facti ad perpetuum tempus
vel ad magnum.
75. Item qualiter abbates recipiunt spolia priorum et officiario-
rum mortuorum.
76. Item si habeant canes venaticos infra septa monasterii vel
venacioni presenciam exhibeant corporalem.
77. Item si monachi claustrales nutriant aliam.
78. Item si sint aliqui seculares accipientes prebendas in mo-
nasteriis.
79. Item si sint aliqui pensionarii pro consilio monasterii.
J ) Quadragesiraae,
Zur Geschichte der Wirksamkeit des Basier Concils in Österreich. S8S
80. Item si statuta per Benedictum XII. publicentur in capitulis
monachorum bis in anno.
81. Item qualiter cura adhibeatur per abbatem et alios officia-
rios circa infirmos, debiles et senes.
82. Item si aliqui monaehi recipiant literas, enologias vel mit-
tant sine licencia abbatis vel superioris.
83. Item si victualia et vestimenta in pecunia administrentur.
84. Item si monaehi arma teneant in monasterio sine licencia
abbatis.
85. Item si vestimenta tempore debito monachis tradantur.
86. Item si monaehi faciant eonpatres vel conmatres.
87. Item an sciat vel credat aliqua alia in ipso monasterio in
spiritualibus vel temperalibus reformacione seu correccione indigere.
Gleichzeitige Abschrift. Papier.
XXXI.
Leonhard, Bischof von Passau, beauftragt seinen Official und Procurator am Basler Concil,
Peter Friede, gegen die ergangene Excommunication seiner Prälaten einzuschreiten.
Datum Ebelsberg 4. Sept. 1436.
Leonardus etc.
Favorabili salutacione premissa. Venerabilis in xsto frater sin-
cere dilecte. Pervenit ad nos, qualiter prelati nostre diocesis eo,
quod vocati non venerunt ad sacrum generale Concilium ibidem in
valvis maioris ecclesie denuncientur excommunicati, quia vero ipsi
prelati super excusaeione nostra, quam per te ipsis permisimus tieri,
se remittentes nülla contumacia seu temeritate suos oratores mittere
obmiserunt, et nunc ipsos eonvocare intendimus et operari, quo me-
diante adhuc sine mora dispendio mittant viros ydoneos et pro refor
macione inclinatos, Rogamus devocionem tuam, quatenus omni dili-
gencia apud Reverendissimum in xsto patrem dnum nostrum dominum
Julianum legatum aliosque patres Concilii velis instare, quatenus
huiusmodi tollantur sentencie seu efiectus earum saltem ad duos
menses, in quibus vix huiusmodi disponi facere poterimus, suspen-
datur, facies enim in eo nobis coinplacenciam vtique singulärem.
Dat. inEbelsperg feria tertia in festum nativitatis Marie, Anno
MCCCCXXXYI.
Magistro Petro Fride,
Canco Ecclie Patavien.
Original. Papier,
586
H. J. Zeibig.
XXXII.
Leonhard, Bischof von Passau, beruft die Prälaten seiner Diöcese zu einer Conferenz
nach Krems.
Datum Ebelsberg, 7. September I486.
Leonardus dei et Apostoliee Sedis gracia Epus Patavien-
sis. Universis et singulis abbatibus, prepositis, aliisque prelatis
Monasteriorum omnium sanctorum Benedicti et Augustini ordinum per
nostras civitatem et diocesim ubilibet constitutis nostre ordinarie
iurisdiccioni subiectis Salutem in domino. Pervenit ad nos, qualiter vos
omnes et singuli prelati nostre diocesis eo, quod vocati ad sacrum
generale Concilium non venistis nee mittere curavistis non obstanti-
bus excusaeionibus venerabilis in xsto fratris nobis dilecti Magistri
petri fride Offieialis nostri, in valvis ecclesie maioris Basilee
denuneiemini excommunicati, quod egro fereus animo, et in personis
vestris graviora pericula prevenire volens, vobis et cuilibet vestrum
committimus in virtute sancte obediencie districte precipiendo man-
dantes, quatenus in festo sancti Matbei Apostoli et Evangeliste pro-
xime venturo in Krembs et in dote Ecclesie parochialis ibidem vos
omnes conveniatis et quilibet vestrum cessante canonico impedimento
personaliter, alioquin per iinum de senioribus fratribus suis cum pleno
mandato veniat ad deliberandum unacum Oratoribus nostris, quos ad
hoc destinare intendimus de mitten dis ad prelibatum Con
cilium oratoribus et procuratoribus tarn pro excusa-
cione vestra, quam absolucionis impetracione et aliis
opportunis nec non ad concludendum et mittendum et omnia alia
facienda, prout visum fuerit expedire. Certificantes vos et quemlibet
vestrum, quod sive veneritis, sive non, nostri pretacti Oratores una
cum presentibus 1 nicbilominus concludent et facient, prout melius
noverint faciendum. Datum in Castro nostro Ebelsperg sep-
tima die mensis Septembris Anno MCCCC. trigesimo seto.
Original. Papier.
XXXIII.
Leonhard, Bischof von Passau, beglaubiget seine Abgesandten bei der Prälaten-
Conferenz in Krems.
Datum Ebelsberg, 10. September 1436.
Leonardus dei gracia Epus Pataviensis. Venerabiles et in
xsto sincere dilecti. Mittimus ad vos et dietam, quam vobis preßximus,
Honorabiles in xsto nobis dilectos Conradum de Tingelfingen
Zur Geschichte der Wirksamkeit des Basler Concils in Österreich. 587
plebanum in Freinstat, Secretarium nostrum, nec non
Leonhardum Decanum et Officialem nostrum in Maut
tarn de intencione nostra et quibusdam aliis vobis refferendis
distinccius informatos, quibus adhibere velitis hac vice credencie
plenam fidem. Datum in Castro nostro Ebelsperg decima die
mensis SeptembrisAnnoMCCCCTrigesimo sexto.Yenerabilibus et
in xsto nobis sincere dilectis Abbatibus et prepositis Sanctorum
Benedicti et Angustini ord. nre dioc.
Original. Papier.
.XXXIV.
Nicolaus, Probst von St. Dorothea in Wien, sendet seinen Professen Leo an seiner Statt
zu der ausgeschriebenen Prälatcn-Confcrenz in Krems.
Datum Wien 21. Sept. 1436.
Sincere caritatis affectum. Dilecte frater! quia propter temporis
brevitatem bodie non potui comparere personaliter in Kremsa in
congregacione prelatorum iuxta continenciam mandati dni nostri Epi
Pataviensis, ideo vobis iuxta eiusdem mandati tenorem tamquam uni
de fratribus senioribus nostri monasterii vigore presentis confero ple-
num posse vice et nomine meis, si adbuc prelati presentes sunt, com-
pendi ad deliberandum cum aliis prelatis et oratoribus dni. nri. pata-
viensis in negocio mittendorum ad sacrum Concilium, nec non sin-
gula alia gerendi et faciendi que ego ipse facere possem et deberem,
si personaliter presens essem. Scriptum manu propria in ipsa die
sancti Mathei apostoli et evangeliste anno MCCCC XXXVI.
Ffr. Nicolaus pptus monasterii scte Dorothee in Wyenna.
Religioso devotoque fratri dno Leoni professo monasterii sancte
Dorothee in Wyenna.
Original. Papier.
XXXV.
Johann, Abt zu den Schotten in Wien, schickt den Prior Martin an seiner Statt zu
der Prälaten-Conferenz in Krems.
Datum Wien, 21. September 1436.
Reyerendissimo in xsto patri ac dno dno Leonhardo epo patav.
preceptori suo semper metuendo; aut ejus vices in presenti congre
gacione in Krembs tenenti vel tenentibus singulisque prelatis ibi
existentibus. Johannes abbas Scotorum alias monasterii beate
virginis marie Wienne capellanus vester. Reverendissime pater!
588
H. J. Z e i b i g.
Yestram volo non latere paternitatem, quod mandatum super compa-
rencia in Krembs tarde post completorium in vigilia Matliei venerit
ad me. Cui, ut volui, non potui in propria persona parere propter
legitima impedimenta, nee ad diem statutam potui mittere propter
prolixitatem itineris et tarditate pervencionis mandati. Nieholominus
curavi ut potui per nuncium eomparere, mittens loco mei Fratrem
Martinum priorem meum cum plena potestate ad adherendum
nee non ad concludendum, et ad omnia facienda, prout visum fuerit
expedire, ac si in propria persona Yobiscum forem constitutus, rogans
humillime ut absenciam meam et tarditatem comparencie non velitis
egre ferre, sed dei ob intuitum et propter impedimenta me excusatum
velitis habere. In cuius rei testimonium et credulitatem literam pre-
santem sub impressione sigilli abbatialis duxi communire. Datum i n
die sancti Math ei Anno MCCCCXXXVI.
Original. Papier.
xxxvi.
Beschlüsse der Prälaten-Conferenz in Krems,
21. September 1436.
Avisamenta pro D. prelatis. In oppido Krems congregatis. In festo
S. Matliei Apli Anno 36.
Super puncto an dni prelati, ad quos per famam devenit, quod
excommunicati denunciati sint in valvis ecelesie basileensis, debeant
abstinere a divinis et se gerere pro excommunicatis vel non, videtur
dominis deputatis taliter, quod, quia diversitas est inter prelatos,
quibusdam profitentibus, se per mandatum seu bullam Sacri Concilii
ad comparendum in eodem citatos, quibusdam vero dicentibus, quod
vigore citacionis hinusmodi requisiti nunquam fuerint aut citati, aliis
autem asserentibus quod quia post requisicionem aut citacionem pre-
dictam in Sacro Concilio suos habuerint procuratores, et sic se per
dictas sentencias non ligari: ideo quilibet prelatorum secundum
diversitatem predictam sue consciencie prout melius sibi videbitur
provideat secundum consilium bonorum virorurn, quos in hoc negocio
putaverit consulendos. Hoc tarnen certum reputant, quod bii, qui
citatos se fatentur, nec ad citacionem vel requisicionem hiuiusmodi
per se vel alios basilee comparuerant, postquam certa fama denun-
ciationis buiusmodi eis innotuit, ex quo factum suum proprium in
quantum ad non comparicionem ignorare non debent, quod omnino
Zur Geschichte der Wirksamkeit des Basler Concils in Österreich. 589
se pro excommunieatis gerere debeant, et ab ingressu ecclesie,
celebracione divinorum, sacramentorum percepcione et collacione
penitus abstinere.
Super punctis vero illis, que loquuntur de mittendis ad Con-
eilium ad obtinendam absolucionem a censuris et excusandum prelatos
a personali eomparicione, et incorporandum se vice omnium prelatorum
et permanendum ibidem etc. videtur dominis deputatis, quod pro
expensis eorundem mittendorum ad interessendum Concilio omnes
prelati simul concorditer contribuere debeant. Et si pro aliquibus
prelatis, quos mittendi predictis sentenciis ligatos repererint, expensas
forte fleri contingat, expense huiusmodi non per omnes, sed eos tan-
tum, qui absolucionis indigent beneficio, debeant persolvi. Si vero
contribucioni expensarum predictarum aliqui ex prelatis, quod absit,
se opponerent, asserentes forte, quod alias in Sacro Concilio suos
procuratores ad interessendum in eo habeant, discordia huiusmodi ad
oratorum domini pataviensis noticiam deducatur, ut ipsi discordiam
huiusmodi inxta tenorem mandati domini nostri pataviensis super hoc
eisdem traditi ad concordiam reducant et concludant.
Super articulo de mittendis personis ad sacrum Concilium, vide
tur dominis deputatis, quod prelati utriusque religionis conveniant et
inter se deliberent de mittendis hac vice, ita tarnen quod quelibet
religio ad minus mittat vnum, pro taxa autem ad expensas dictorum
procuratorum necessaria imponenda, de qualibet religione deputentur
sex prelati, quatuor de Austria et duo de Bavaria, qui bona fide et non
ad extremum videant facultates cuiuslibet monasterii et deinde quod-
libet ipsorum iuxta facultates suas et secundum estimacionem comunem
per dictos sex prelatos faeiendam ad huiusmodi expensas contribuat,
prout neccessarium videbitur.
Iterum predicti sex prelati eligere debebunt tres de qualibet
religione, duos in Austria et vnum in Bavaria qui colligant peccunias
ab omnibus aliis prelatis pro expensis predictis et a nolentibus seu
plus debito differentibus solvere taxain eis impositam predicti tres
habeant auctoritatem a dno epo eandem taxam a nolentibus exigendi,
aut duus noster pataviensis per se taxam huiusmodi exigat cum effectu.
Et quia procuratores mittendi instare debebunt apud sacrum
Concilium, quod remittantur ad patriam et non teneantur remanere in
Basilea usque ad finem Concilii ideo sequuntur raciones, super quibus
fundantur predicte peticiones:
590
H. J. Zeibig.
Primo: quia prelati predicti de iure eommuni non tenentur,
Conciliis generalibus interesse et iure eommuni censentur et ita in
mittendo ad sacrum concilium procuratores preter vel contra ius
gravari non debent.
Secundo: quia prelati predicti in sacro Concilio tribus annis et
amplius et quasi ab inicio eiusdem suos notabiles cum gravibus
expensis et sumptibus continue habuerunt procuratores, et quia man-
datum sacri Concilii generale prout ex verbis eiusdem elici poterat,
solum videbatur attinere eos, qui prius ibidem suos non habuissent
procuratores, ideo merito excusati reputari debebant de mittendo, vel
sältem non tarn inhumaniter et precipitanter censuris illaqueari.
Tercio: quia auctoritate sacri Concilii in partibus illis instituta
est visitacio et reformacio monasteriorum et religionum earundem, et
sic pro negocio reformacionis non est neccessarium amplius, quod
intersint sacro Concilio per suos procuratores, alias enim duplices
cogerentur facere impensas et pro procuracione visitatoris et impen-
sis procuratoris.
Quarto: quia bona et possessiones prelatorum et monasteriorum
predictorum vicina multum sunt bobemis, a quibus pluribus annis et
repetitis vicibus gravissimos pertulerunt in rebus et possessionibus
suis iacturas per rapinas et incendia et aliquorum monasteriorum
totalem desolacionem et adeo in facultatibus et redditibus sunt
diminuta , quod racione diminuicionis huiusmodi predicti prelati minus
potentes sunt ad faciendas graves et multas, ut prefertur, expensas.
Quinto: quia invalescentc, ut premittitur, et durante hostilitate
bohemorum contra fideles ipsi prelati pro defensione fidei et patrie
sue ac terrarum, in quibus ipsa monasteria constituta sunt, maximas
sepenumero fecerunt expensas et contribuciones dederunt et sic
dupplici contricione afflicti minus potentes sunt ad subeundum expen
sas, quibus de iure comuni onerari non debent.
Insuper videtur dominis deputatis, quod rogandi sint principes
Austrie et Bavarie, in quorum territorio dicta monasteria sita sunt, ut
in favorem monasteriorum ipsorum literas promotoriales ad sacrum
Concilium transmittant ad petendum ab eodem, 11t propter raciones
predictas prefatorum prelatorum procuratores ad patriam regredi per-
mittantur, et quod raciones predicte vel saltem alique ex illis, que
magis videntur urgentes et pregnantes, literis eorundem principum
inserantur.
Zur Geschichte der Wirksamkeit des Basler Concils in Österreich. 59 (
Ad id rogetur dnus noster Pataviensis per suos oratores, qui sui
nomine in congregacione predicta prelatorum sunt. Id facient procu-
ratores prelatorum Basileam destinandi qui et presenciam dni nostri
Pataviensis in ascensu suo personaliter accedent.
Postremo, quia dnus noster Pataviensis intimavit prelatis per
suos oratores, quod velit prosequi efFectum nove bulle visitacionis et
visum est dominis deputatis, quod dnus noster Pataviensis rogandus
sit, ut antequam proceditur ad visitacionem, commissarios in dicta
bulla nominatos in simul congreget et ipse cum eisdem deliberet, quid
expediencius videatur in prosequendo clausulas in dicta bulla pro pre-
fatis duabus religionibus specialiter insertas, videlicet de reduccione
Canon. Regularium ad vniformitatem habitus et de reducendo religiosos
ordinis S. Benedicti ad modurn vivendi in specu solitum observari.
Original. Papier.
XXXVII.
Die Prälaten der Passauer Diöcese theilcn dem Herzoge Albrecht die Beschlüsse der
Kremser Confcrenz mit.
Datum Krems, 21. September 1436.
Durchleuchtig hocbgeborner Fürst vnd genedig lieber herr 1
Vnser andechtigs gepett hincz gott zu allen Zeiten vor. Wir tun
ewren furstleichen gnaden ze wissen, das wir nach geschefft vnsers
geistlichen vatter vnd herrn herrn Leonharts pischoff ze passaw
all gemeinleich zu Sand Matliei des heiligen zwelifpoten tag ze
Krems mit andern prelaten ze pairn des egenant pistum ze passaw
durch ettleicli vodrung willen des heiligen Concili ze Basel gesament
seyn. Als wir Maister hansen Mewr s ewrer gnaden Chanz-
ler durch vnser schreiben vnd auch durch den prior von dem
Cliotweich aigenleich vnderweist haben. Pitten wir ewr furstleichen
gnad, das in dem vorbenannten Maister bansen Mewrs Chanzler
in dem furpringen, als er ewrn furstleichen gnaden yeczund vm vnsern
wegen tun wirdt, gcnczleich gelauben vnd vns darinn genedildeich
versargen und fürsehen wellet als wir des ain gancz getrawen zur
ewren furstleichen gnaden alczeit haben. Geben ze Krems etc.
All prelat der Orden sand Benedict vnd Augustin des
landes zu Österreich inderthalb vnd ob der Enns, ewr
gnaden kapplan vnd enczig pitter ze gott.
Dem durchleuchtigen hochgeborn Fürsten herezog Albrechten ze
Österreich vnd Margkraff zu Merhern, vnserm genedigen liehen herrn.
Concept. Papier.
592
H. J. Zeibig.
XXXVIII.
Leonhard, Bischof von Passau, beauftragt seinen Einnehmer zu Mautern durch den Abt
von Götteweih die Prälaten über seine Ansicht und Willensmeinung zu benachrichtigen.
Datum 14. October 1436.
Leonardus dei gracia Epus Pataviensis.
Graciosa salutacione premissa, Dilecte in xsto fidelis. Als du
vns von vnsern prälaten wegen gescliriben vnd vnsers herrnli er c z o g
Alb rechts von Österreich brieff zugesandt hast etc. Das haben
wir wol vernumen vnd bedunkcbt vns ettbas vngenedig an vnserm
benanten herrn von Österreich sein, das er der vordem bull mainet
naclizugeen. Doch hoffen wir, sein genad werd sich darum noch
genedichleich vinden lassen. Dann von der person wegen so erhellt
seyn gen Basell zu reyten, daran als wir an deinem schreiben ver
nemen, seyn genad villeicht ein missefallen hat, künnen wir das an
des benanten vnsers lierren von Österreich brieff nicht versten. So
hat auch wol an vns gelangt, wie sich der, den du vns dann nennest,
der sacli durch des ganzen Concilium bullen entschuldigt hab, darumb
wir dann nicht wissen, dye egenant vnser prelaten als von erbellung
anderer person zusammen vadern auf solli maynung in des egenanten
vnsers lierren von Österreich brieff begriffen, nach dem vnd dye sach
nicht alain dye prälaten in Österreich vnd im land ob der Ens, sunder
auch in Bayren antrifft, die in der zerung mitleiden müessen, der
will villeicht nicht wer, das sich solli person vnsers egenanten
herrn von Österreich botschaft vnd sach vnderbinden scliolden vnd
wir möchten darin gemerkchet werden. Vns gefiel aber wol Sy ver-
tigeten also die erhellten person vnd schikchten dye oder ir aynen
zu vnsern egenanten herrn von Österreich von der brieff wegen,
wann sy dann an irem herauffziclien zu vns körnen, so wolden wir in
auch vnser brieff geben. Das magst du also an den von Gottweig
wollbringen. Geben zu passaw an suntag wor sannd gallen tag anno
MCCCC trigesimo sexto.
Ceduia inclusa. Wir hoffen auch dye absolucion, ob ir anders
nottdürlft wirdet, wol zu wegen bringen, wern wir aber bey den
prelaten gebesen, wir hieten in nicht geraten, die sach als weit zu
bringen, wann das sicher cliain nucz ist noch kunftikleich werden
mag.
Dilecto in xsto fideli Johanni Brantpacher Reddituario nostro.
Gleichzeitige Abschrift. Papier.
Zur Geschichte der Wirksamkeit des Basler Concils in Österreich. 593
XXXIX.
Lucas, Abt von Gottweih, theilt dem Propst Georg I. einen Brief des Bischofes Leonhard
von Passau mit.
Datum Mautern 23. October 1436.
Sincere caritatis affectum cum omni promptitudine famulatus.
Yenerabilis pater et dne singulariter peramande. Sicut nuper inter
cetera famulum nostrum pawngartner ad vestrammisimus paternitatem
estnobis interim directaet presentata copia responsionis domini nostri
pataviensis super litera domini ducis dno Johanni Reddituario transmissa,
quam copiampresentibus inclusam vestre eciam destinamur paternitati.
In quaprefati domini nostri pataviensis intencionemplenepotestis consi-
derare, et quidquid super hoc vestri fuerit consilii, quod pro meliori
videtur expedire, de hoc nobis per presentem nuncium quantocyus
poteritis, dignemini per vestra scripta informare. Dat. in Mauttarn
feria tercia in Symonis et Jude apostolorum Anno Trigesimo sexto.
Fr. Lucas Abbas Monasterii bte Marie virginis inGottwico.
Cedula inclusa. Eciam venerabilis pater, notifficamus v. p.
quod dnus Abbas de Gersten herihora vesperarum nostrum venit
ad monasterium solum ex causa nostra, cum quo nihil expedire
volemus, nisi prius habita vestra informacione. Quare petimus, ut eo
cicius festinare curetis ppter quod. de ulteriori fatiga ad suum
monasterium de prefata nostra causa essemus supportati. Et dictus
dnus Abhas nobiscum exspectabit, quo usque vestra informacio reveniet.
Reveren. in Xsto pri et dno dno Georgio ppto Monasterii in
Newnburga Dno et pri singulariter coniidentissimo.
Orig. Papier.
XL.
Jakob, Abt von Kremsmimstcr, fragt sich bei Propst Georg I. von Klosterneuburg wegen
der neuerlichen Vorladung von Seite des Basler Concils an.
Dat. Kremsmünster 22. Nov. 1436.
Orationibus devotis premissis cum promptitudine complacandi.
Erwirdig sunder Lieber her. Als wir all vnsern procuratoren ge-
schikcht haben gein Rasilea, ist vns an freitag nacht komen ain brief
für die prelatt Ob der Ens vnd für den von Lambach mit dem
selben brief wir all in aigner person in das Concilium gevordert
sein zekomen. Versehen wir vns, Ir vnd di andern daniden sein auch
des gleichs gevordert, Pitten wir Ew anstat aller prelatt, wes Ir vnd
Sitzb. d. phil.-hist. CI. VIII. Bd. V. Hft.
41
S94
H. .1. Zeibig.
di undern darinn Ew. halten wellet, vnd sunder Ob wir di sacli durch
yns. genädig herrn he r c zog Alb r ec h te n etc. vnd Bischoffen
zu passaw nustragen vnd mit irem willen handeln sulln, vns des
mit Ewrem schreiben vnderweisen.
Gehen zu Krembsmünster anphincztag Cecilie Anno
etc. etc. tricesimo sexto.
Jacob von gotes genaden Abbt zu Krembsmünster.
Reverendo inXstopri et dnoGeorgio ppto in Newnburga dno sibi
pli m amando.
Original. Papier.
XLI.
Ludwig, Herzog von Tek, Patriarch von Aquileya weiset im Aufträge des Basler Concils
das Gesuch der östr. Prälaten zurück.
Datum Basel 1. März 1437.
Ludovicus dei gracia sancte sedis Aquilegiensis Pa tri-
archa ac dux de Degk.
Venerabiles amici nobis plurimum sincere dilecti. Quia postquam
sacrum Basileense Concilium aliis de anno preterito per suas bullas
omnes prelatos de singulis dyoc. maxime nacionis Germanice ad
laborandum et cooperandum super liiis, pro quibus ipsum noscitur
congregatum et vos per suas literas citavit atque vocavit, duos pro-
curatores vestros dominum videlicet Martinum Canonicorum
regularium sancti Augustini et fratr em E. p rio r em i n
GerstnsanctiBenedictiordinis ad excusandam principalem
comparicionem vestram occasione certarum neeessitatum vestrarum
inter alia pro parte vestra proponendarum in eodem, mittere curastis.
Qui quidem nunccii et procuratores vestri alias de mense Januarii
coram nobis ab eodem sacro Basileensi Concilio Commissario et Judice
in dicto vocacionis prelatorum negocio per prefatam nacionem Germam-
cam specialiter deputato comparentes. Nonnullas literas dominorum
EpiPataviensisetAlbertiAustrieac Henrici Bavarie
etc. Du cum coram nobis exhibuerunt et earundem literarum atque in
eisdem contentarum racionum vigore d. v. non solum a comparicione
personali excusabant, sed et pro recessu suo apud nos, et ut pensatis,
que in literis predictis exprimuntur gravaminibus et necessitatibus ad
patriam regredi permitterentur magna cuminstancia, nedum tune, sed
ex post sepius postularunt. Verum domini et amici dilecti! si raciones
Zur Geschichte der Wirksamkeit des Basler Concils in Österreich. 595
huiusmodi, que in literis ipsis continentur, usquequaque militare,
deberent. Omnibus quidem fere qui Basilea pro bono uniyersalis
ecclesie congregati sunt, possent eciam ad id obtinendum propositum
non medioeriter deservire. Nam desolacio et depauperacio Monaste-
riorum et ecclesiarum in Italia omnibus notissima est miseriam eciam
et desolaciones ecclesiarum et ecclesiasticarum personarum in partibus
Gallie manifesta insinuacio omnibus notam facit. Itaque nunciis vestre
dileccionis predictis importunam instanciam apud nos super recessu
suo ex Basilea facientibus permoti fuimus, eisdem D. V. huiusmodi
nostras literas destinare ut et recepcionem de personis eorundem
nomine vestri usque ad novam vocacionem prelatorum pro adventu
grecorum faciendo et excusacioni a personali vestra comparicione per
nos tune reeeptam gratam et acceptam habentes aliquid saltem per
eosdam nuncios vestros in Gazopbilacium domini inferatis atque labo-
rancium pro utilitate reipublice xne iugum pariter et consorcium non
usque quaque a cervicibus vestris excuciatis. Datum Basilee prima
die mensis Marcii Anno etc, XXXVII mo .
Venerabilibus dominis et amicis nobis sincere dilectis Abbatibus
sancti Benedicti etPrepositis sancti Augustini CanonicorumRegularium
ord. per dyoc. Pataviens. constitutis.
Original. Papier.
XLII.
Herzog Albrecht gebietet dem Propst von Klosterneuburg die Ablieferung der eingegan
genen Ablassgelder.
Datum Wien 22. November 1437.
Albrecht yon Gotes Gnaden Herzog ze Österreich vnd Marggraf
ze Merliern.
Ersamer geistleicher vnd lieber andechtiger. Wir haben ver-
nomen, wie dir empholhen sey den Antlos, so das heilig Concilj ze
Basel durch widerbringung der Kriehen zu gehorsam der heiligen
Römischen kirchen hat lassen verkünden bei deinem gotzhaus vnd
den kirchen, die darczu gehörnt, ze offnen. Nu hat das heilig Concili
solch gelt, so von den leuten, die sich des Antlos tailhaftig gemacht
habent, gevallen ist, ervordert. Davon emphelhen wir dir vnd wellen
ernstleich, daz du bestellest, daz dasselb gelt von yeder kirchen
sunderlich vnd verpetschadt an vercziehen dem k i r c li m a i s t e r hi e
ze Wienn dacz sand Stephan werd hergeantwurt, daz er
41 *
598
H. J. Z e ib i g.
damit handel, als mit andern solh'em gelt, das im auch ist empholhen
'vnd tu darin kain sawmnuss noch yerziehen, oder es wer swerleich
wider yns. Geben ze Wienn an sand Cecilientag Anno etc. tricesi-
mo septimo.
Dem ersamen geistleichen vnserm lieben andechtigen dem probst
ze Klosternewnburg.
Original. Papier.
XLIII.
Das Basler Concil trägt den Abtenvon Engelszell und Schotten, und dem Propste von
St. Florian die Einsammlung des subsidium charitativum für den Passauer Bischof
Leonhard auf.
Datum Basel 2. Jänner 1439.
Sacrosancta generalis sinodus basileensis in spiritu sancto legitime
congregata universalem ecclesiam representans dilectis ecclesie filiis
Celle angelorum et scotorum Wienne abbatibus et preposito
sancti floriani ad s. florianum per propositum soliti gubernari
monasteriorum pat. dioc. salutem et omnipotentis (lei ben. Congruum
quin pocius debitum arbitramür, ut ecelesiarum potissime kathedralium
prelati, quos in partem solicitudunis pastoralis eyocavit altissimus,
ab inferioribus ecclesiis et personis, cum opus est, in suis per-
cipiant opportunitatibus relevamen, quo vieissim et ecelesiarum re-
gimini subditorumque tuicioni valeant efficacius impendere. Unde
iam q. propterea racionabiliterprocessisse comperimus nos decet tanto
ampliori benivolencia suscipere quo et prelatos ipsos nobis et univer-
sali ecclesie magis devotos comprobamus, gratum per huiusmodi ingru-
entibus relevandis incommodis eciam ulteriora illis imperciendo suffra-
gia dando sublevamen. Sane venerabilis Leonlrardus patav. epus
per carissimum ecclesie filium Albertum Romanum et vngarie,
bohemie, dalmacie, croacie regem nec non Austrie ducem pro univer-
salis ecclesie negociis ad nos in presenciarum ambasiator destinatus
exponere curavit, quod cum predecessores sui Epi patav. qui fuerunt
pro tempore, in sue assumpcionis primordiis ad ecclesiam pataviensem
quam primum eius bonorum, regiminis, et administracionis posses-
sionem assecuti fuerunt consvebissent iuxta suarum et ecclesie ipsius
necessariam exigenciam a personis ecclesiasticis civitatis et dioc.
patav. caritativum subsidium recipere. Et ipse epus occasione
promocionis sue dudum ad dictam ecclesiam auctoritate apostolica
facte nullum adhuc huiusmodi subsidium propter gberrarum tune in
Zur Geschichte der Wirksamkeit des Basler Concils in Österreich. 597
ipsis partibus ingruencium discrimina recepisset, respiceret que ec-
clesiam ipsam, cujus castrum, terre possessiones et bona variis sinistris
eventibus pro magna parte impignorata sunt, diversis debitorum seque
gravibus expensarum oneribus subiacere, ad quas non sufficerent facul-
tates, idem epus consuetudini innitendo prefate subsidium huiusmodi
sibi racione primordialis ingressus debitum personis predictis auctoritate
sua ordinariaimposuit, illudque per eos solvendum sub certis modis et
formisconstituitacexigifecitetmandayit. Cum autem, sicut eadempeti-
cio subiungebat licet ipsius imposicione subsidii maior pars cleri huius
modi consenserit illudque a plerisque liactenus solutum fuerit, tarnen
nonnulli alii ex clero predicto in imperciendo eidem epo pro premissis
oneribus et expensis sibi prestandis in subsidio memorato difficultatum
caligines ingerere nituntur, quare pro parte ipsius epi nobis fuit
humiliter supplicatum, ut eius statui et opportunitatibus super hoc
benigne providere dignaremur. Nos igitur ad — ipsius epi, quem fide
et devocione preclarum erga nos et ecclesiam universalem comprobari
cognoscimus, ut eciam premissis deductis oneribus status illi succedat
optatus, pios acsinceros pro merito virtutum suarum non immerito diri-
gentes affectus, quodque inter personas prefatas premisso equo libramine
perferantur onera, non immerito recensentes, quod tanto erunt leviora,
quanto fuerint in plures equa divisione, — ipsius epi in hac parte sup-
plicibus inclinati, huiusmodi per eum factam imposicionem ac desuper
rite habitos processus harum serie literarum ratificantes et approbantes
discrecioni vestre per hec scripta mandamus, quatenus yos vel duo aut
unus vestrum per yos vel alium seu alios faciatis auctoritate eidem epo
vel ipsius procuratori seu procuratoribus eius nomine a predictis secu-
laribus et regularibus personis cuiuscumque dignitatis eciam abbacialis
status, gradus, ordinis vel condicionis existant, qui in hoc impendendo
subsidio ut premittitur concurrere non curarunt infra competentem eis
per vos ad id preögendum terminum prefatum subsidium, prout prede-
cessores ipsius ab eis de iure vel consuetudine petere et exigere
consueverunt, integraliter exbiberi, non obstantibus quibuscunque
statutis et consuetudinibus contrariis, nec non privilegiis, indulgenciis
et literis apostolicis generalibus vel specialibus quorumcumquetenorum
existant eis vel eorum aliquibus comuniter vel devisim sub quacumque
forma vel expressione verborum concessis, per que presentibus non
expressa vel totaliter non inserta effectus earum non impediri valeat
vel differri, et de quibus quorumque totis tenoribus de verbo ad
598
H. J. Z ei big.
verbum habenda sit in presentibus mencio specialis, seu si eisdem
personis vel quibusvis aliis comuniter vel divisim a dicta sit sede
indultum, quod suspendi vel excomunicari velipsorum loca interdici non
possint per literas non faeientas plenam et expressam ac de verbo
ad verbum de indulto huiusmodi mencionem, contradictus processus
ecclesiastica appellacione posthabita compescendus.
Dat. Wasilee quarto Nonas Januarii Anno 1439.
Gleichzeitige Abschrift, Papier.
XLIV.
Verzeichniss der auf dem Basler Goncil Anwesenden.
Nomina patrum in Goncilio existencinm i).
Cardinales.
Dominus Julianus sancti Angeli dyaconus Cardinalis legatus doctor.
Dominus Dominicus de Campuanica s. Marie in via lata firmanus doctor.
A r c h i e p u s.
Dominus Bartholomeus Mediolanensis per se presens.
Procuratores Archieporum in concilio presentes.
Pro Salzburgensi Mag. henricus fleckel, auditor.
Pro Strigoniensi Mag. Nicolaus archidiaconus Strigoniensis.
Pro Jannensi Mag. Jeronimus doctor tlieol. ord. carmel.
Pro Maguntinensi Mag. Johannes kalteysen, doctor in theologia.
Pro Colomensi per quemdam Canonicum suum.
Pro Atrabatensi M. Egidius doctor theol.
Pro Maidburgensi M. Hertwicus, M. in theologia.
Epi pres entes.
Philibertus Constanciensis de provincia Rhotomagensi doctor.
Berngarius Petragoricensis doctor.
Franciscus Cumanus doctor.
Erbensis doctor.
Laudensis doctor.
Ratisponensis Mag. in theol.
Cabilonensis doctor in utraque.
Papiensis doctor.
Basileensis doctor.
1 ) Genau nach Colomans Aufzeichnung.
Zur Geschichte der Wirksamkeit des Basler Concils in Österreich. 599
Ludovicus lausonensis doctor.
Parmensis doctor.
Abigalensis doctor.
Cremonensis.
Nollensis.
Suffraganeus Posensis.
Epi presentes per pro cur a to res.
Pataviensis per suum officialem.
Chyemensis per mag. henricus fleckel.
Constanciensis per prepositum Curiensem.
Wormaciensis (?)
Linconiensis per mag. Johannem de monte.
Rangoriensis (?)
Bigoriensis (?)
Saonensis per Gregorium arcliidiaconum suum.
Agriensis (?)
Jauriensis per M. Nicolaum.
Yesprimensis per archidiaconum Strigoniensem.
Niterensis (?)
Batrislomensis per mag. Nicolaum Wenke lieenc. decret.
Augustinensis in Sabaudia per quemdam Canonicum suum.
Argentinensis per officialem suum.
Traiectensis per Decanum suum doclorem.
Egnensis per officialem suum licen. decret.
Tullensis per officialem suum lic. decret.
Virdunensis per officialem suum lic. decret.
Ambianensis per officialem suum lic. in decretis.
Lausanensis electus per officialem suum licenc.
Pabenburgensis per quemdam Canonicum suum lic. decret.
Spirensis per officialem Basilieensem lic. decret.
Yivariensis per Amatinum lic. decret.
Parisiensis per M. Johannem pulchri patris M. theol.
per Mag. Wilh. Swan lie. in theolog. parisiens.
Bellensis )
Cathalaniensis per Mag. Tbomam doctorum.
Noviomensis per Mag. Johannem pulchri patris.
600
II. J. Z e i b i g.
Wigozonensis
Lincolinensis
per Mag. Wilh. Swan.
Azorzensis per abbatem s. Marie extra muros treverens.
Merseburgensis per d. petrum loser, prepos. in chlödn.
ßrandeburgensis per Mag. Johannem Canonicum suum lieenc.
Havelburgensis per duos Canonicus suos.
ISuenburgensis per d. petrum loser, prepositum in chlodn.
Halberstadensis per Gotvridum doctorem.
Belnacensis per Mag. Job. pulchri patris.
Constituti procuratores per capitula cum potestate
substituendi presentes.
Capitulum Noviomense per abbatem Virgiliacensem.
Capitulum Tornaeense per M. Michaelem Bernardi.
Capitulum Rbotomagense per Joh. basseti Canonicum ibidem.
Capitulum Tullense per d. Jobannem Termie vicarium ibid.
Capitulum Virdunense per d. Matheum de Terboillia can. ibid.
Capitulum Batislayiense per M. Nicolaum licenc. decret.
Capitulum Placentinum per d. Johannem custodem ibid.
Capitulum Maguntinense per d. Theodoricum canonicum ibidem.
Capitulum Constanciense per d. Henrieum Neythart doctorem.
Capitulum Turicense per Mag. Matheum Neithart doctorem.
Capitulum Halberstadense per Gerardum konekker celerarium ibid.
Capitulum Caminaczense per d. Petrum de ponte.
Collegium sancti Andomari per fratres suos de monasteri s. Bertini
ord. s. Benedieti.
Prepositus et collegium s. Georgii de Novario Tullensis disc. per d.
Johannem termie, vicarium tullens.
Prepositus Monast. montis Seni Maidburgensis dioc. per m. petrum
loser prepos. in chlodn.
Prepositus s. Pauli extra muros item Dec. s. Andree Decanus s. Mar
tini, decanus capituli maioris ecclesie ac alii prelati Wormaciensis
civitatis per d. Johannem de monte martis doctor. decret.
Capitulum ecce colleg. in Standl Halberstad, diocesis per Gerardum
konekke celerarium.
Prepositus collegii b. Marie de fontibus, Albiganensis dioc. per prepos.
ecclesie collegiate s. Laurencii dicte dioc.
Archidiaconus Linconiensis pro eccl. virdun.
Zar Geschichte der Wirksamkeit des Basler Concils in Österreich. 601
Mag. Conradus Seglawer pro cap. Eystetensi.
Cap. Tornacense per Johannem de scto Genesio.
Abbatesord. s. Benedicti presentes personaliter.
Allexander virziliacensis Monasterii doctor.
Johannes Mon. s. Matliie de treveris doctor.
Job. Monasterii Seotorum Wyenne.
Nicolaus Mon. Novillarensis Argentin. dioc.
Johannes Mon. scti Cornelii de Compendio.
Monast. scti Ambrosii de Mediolano utriusque iuris doctor.
Hugo de Alberspach.
Mon. s. Petri de luxonio Bisuntin. dioc.
Mon. lutrens. Basil. dioc.
Nicolaus mon. s. Blasii Constanc. diocesis.
Mon s. Siri Jannensis dioc.
Abbates ord. Cisterc. presentes.
Generalis Cistercie M. in theol. pro multis aliis.
Hermannus ebracensis.
Johannes de Maulbrun.
Nicolaus mon. in lankaym.
Ambrosius monast. cirreti laudens. dioc. doctor.
Conradus de lucela, Basil. dioc.
Hugo bonacurbe Rutinens. dioc. doctor.
Abbas mon. de loco crescenti Bas. dioc.
Andreas de Columba de lombardia.
Abbas bone vallis de comitatu armeniaci.
Abbas beate Marie de thilieti constit. d. epum Abigalass.
Presentes abbates ord. s. Benedicti per suos
procuratores.
Abbas seotorum Wienn. pro omnibus abbatibus patay. dioc. numero XIII.
Fr. Ulricus, professus in Tegernsee pro omnibus abbatibus diocesis
frising. numeros VII.
Fr. Bereriherus de Seon pro omnibus abbatibus Salzburgens. dioc.
Fr. petrus pro abbate Medlicensi exempto.
Joh. Swager pro abbate morbacens.
Stephanus de Nociaria pro abbatibus scti lanfranki et s. marini pa-
piens. dioc.
602
H. J. Z e ib i g.
Stephanus procurator abbatis de lutra Bisuntinensis fratres amandus
paulini et Johannes nerbel pro abbate mon. scti. Bertini Morinens.
dioc.
Procurator dni. arcbiepi atrebatensis pro multis abbatibus eius-
dem dioc.
Petrus Tutet procurator mon. Aquilicensis.
Prior, mon. s. Albani Basiliens. pro abbate monasterii s. Petri de
luxonio.
Abbas virziliacensis pro abbate Gluniacensi.
Abbas beate marie de corneliis per Mag. Johannem pulchri patris.
Fr. Petrus Tutet pro abbate s. Salvatoris.
Fr. Johannes de liberdino prior beate marie de noxo Castro pro abbate
s. Mansweti extra muros Tullens.
Wilhelmus canaci pro abbate s. Michaelis.
Abbas yirziliacensis pro abbate s. martini epi extra muros Eduenses.
Mag. petrus loser, prepositus in chlodn. pro abbate in pigama exempto
mersburgens. dioc.
Idem Mag. petrus pro abbate s. petri extra muros mersburg.
Ludovicus Reinhold pro abbate in Seligenstat Magnut. dioc.
Mag. Johannes pulchri patris pro abbate de lira eboracens. dioc.
D. epus Albiganensis pro abbate s. marie et marie insule gallinarie.
Idem pro abbate monasterii s. Jaudoci dioc. fructuariens.
Abbas s. Siri pro abbate s. Stephani Januensis dioc.
Egidius, decanus Cameracensis pro abbate monasterii sancte Rictrudis
de marthenis.
Idem pro abbate mon. s. petri hasuoniensis.
Idem pro abbate monast. sanctorum Amandi et veralie de maiorolo
attrebat dioc.
Petrus de ponte pro abbate mon. scti sepulchri cameracensis dioc.
Idem pro omnibus abbatibus et prepositis atque prioribus ord. s.
Benedicti et s. Augustini dicte Atrebatens. dioc.
AbbatesordinisCan. Reg. sti Augustini presentes.
Filiacensis mon. procurator ducis Sabaudie, doctor.
Presentes abbates eiusdem ordinis per procurator es.
Abbas s. Bartholomei extra muros novianiens.
Abbas monasterii haimens, beate marie novianens.
Zur Geschichte der Wirksamkeit des Basler Concils in Österreich. 603
Abbas s. leonis Tullens. dioc.
Mon. scti Martini Munnens. dioc.
Mon. beate Marie atrebatens. dioc. per deeanum Cameracens.
Abbas monasterii beate marie Aynleirten.
Abbas mon. scti Nicolai in Arronasia.
Abbates premonstratenses presentes.
Mon. belalagie Basil. dioc.
Generalis premonstr. M. in theol.
Pr o cur a t ores p r ep ositorum or d. s. Aug. Can. Reg.
Prepositus et capitulum Salzburgens, per mag. Martinum decretorum
doctorem de monasterio Walthausen eiusdem ord. patav. dioc.
eum mandato substituendi.
Prepositus et capitulum chiemense per fratrem petrum de undersdorf
eiusdem ordinis.
Prepositus et conventus in perchtolsgaden Salzburg, dioc. per Mag.
Jacobum frisliaimer lic. in decret.
Item omnes prepositi ordinis scti Augustini patav. dioc. numero IX.
constituunt duum Nicolaum prepositum monasterii s. Dorothee
Wienne et martinum professum mon. in waltliausen eiusdem or
dinis doctor decret.
Item prepositus de understorf fris. dioc. constituit fr. petrum profes
sum ibid.
It. prepositus s. Thome merseburg. dioc. per mag. petrum loser
prepos. in chlodn.
Pro ducibusMasovie dnus Johannes Gothardicustosecceplacent.
Produce ludovico palatino Reni.
Mag. Nicol. Jawr. in theol. 1
Mag. Gewardus prant. j studii Heidelberg.
Dnus Otto de lapide, decr. doctor. )
Universitas studii Pa risiensis per:
Johannem pulchri patris ) . , }
Dionisnim j ma e B,, ' OS i„ theol.
Wilhelmum Licenciatum )
Officialem parisiensem decretorum doctorem.
Egidium coneti doctorem medicine.
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m
604
H. J. Zeibig.
!>
■■I
Prepositi presentes personaliter.
Nicolaus s. Dorothee Wiennens.
Turicensis collegii lic. decret.
mag.
in theol.
r e s e n t e s.
decretorum.
Zar Geschichte der Wirksamkeit des Basler Concils in Österreich. 605
decretorum.
Officiales presentes.
Dominicus eduensis doctor
Petrus Fried pataviens.
Hugo Tullens. licenc.
Johannes Basil. licenc.
Wilhelmus Virdunensis lic.
Nicolaus Argentinensis doctor
Johannes de fonte Ambionens. lic.
Nicolaus lausonensis doctor
Officialis parisiensis doctor
Nicolaus Abriacensis doctor
Job. de Ragusio ord. pred. mag. in theol.
Joh. biflet carmelita
Heinricus canonicus maidburgens.
Heinricus de Reinveld ord. pred.
Georgius provincialis bavarie ord. scti Aug. hereditarum > ^eol.
Wildericus ord. Cisterc. de dioc. Leodiens.
Georgius de puteo Jannens. dioc. provineial. arrin.
Egidius Carlensis decanus Cameracensis.
Henricus halteisen ord. pred. pro archiepo Magunt.
Bartholomeus generalis ord. carmel.
Bartholomeus ord. cisterc. lic. et alii multi supra noininati.
Mag.
in
Doctores decretorum.
Johannes de plumbano auditor dni legati hispanus.
Johannes Seid.
Johannes Scolasticus Basil.
Philibertus de rupe pro duce Sabaudie.
Stephanus de Novaria legum doctor.
Ulricus de ratisbona licenc.
Et alii multi superius pro procuria expressi.
Licenciati in decretis superius in inulto nninero sunt expressi.
Procuratores alii et presentes.
Benignus Sculteti de hamelburg provincie maidburg ord. premonst.
pro ord. suo.
Johannes de Brauburg ord. prem. pro ord. et mon. suo frat. Egidius
de molbrunn cisterc.
606
H. J. 7; ei big.
ord. Cisterc.
pro ord. suo.
Frat. Ulricus de Neresheim ord. s. bened.
Fr. Otto de Ebraco
Fr. Joh. de lankaym
Joh. Sapaneti lauson. dyoc. bacal. decret.
Fr. Johannes de molbrun.
Fr. Gwilhelmus goshelmi pictay. dioc.
Fr. philippus maleacensis dioc. ) Minoreg de observancia
Fr. ludovicus moniensis dioc.
Fr. petrus dioc. Andegay.
Mag. hildemarus de Russilione.
Mag. petrus ballini canon. paris.
Mag. dionisius kathalonus.
Mag. Michael de Causis procurator fidei.
Gregorius Archidiaconus ecce Saonens.
Procurator abbatis s. Laurencii cremonens. dioc.
Laurencius Racella notarius camere apostolice.
Rartholomeus de Senis cappellanus domini firmani Cardinalis. .
Simon de venetiis auditor domini Eononiensis.'
Dom. de Racellis preceptor ord. s. Johannis Jerosol. miles pro parte
ducis Mediolan.
Gleichzeitige Aufzeichnung (Pap.) des Colomann Knapp.
Beilage I.
Cardinal Julian fordert die Wiener Universität auf, das Basler Concil zu beschicken.
Dat. Basel 17. Sept. 1431.'
Julianus miseracione diyina Sacrosancte Rom. Ecce Sti Angeli
Diaconus Cardinalis, in Germania, nee non ad presidendum in gene
rali Concilio, quod apud Rasileam in Spiritu sancto celebratur, apos
tolice Sedis Legatus. Venerabilibus in Xsto nobis dilectis N. Rectori,
Doctoribus, Magistris et Seholaribus universis Vienne in Austria
commorantibus Salutem in Domino. Quando quidem necessarium sit
instanti tempore generale celebrari concilium in multitudine prelato-
rum yirorumque religiosorum, literatorum et Deum timencium, cunctis,
qui xni populi statum attente considerant, est procul dubio manifes
tum, quantis pestis heretici erroris lanietur aculeis, quantis gwer-
rarum turbinibus agitetur, quantis denique morum deformitate res-
persus sit maculis, est cunctis proh dolor! palam Vnde tot malis
prestancius potest sperari subsidium quam a S. generali Concilio in
Sp. S. congregato? Inde similibus morbis prodisse legimus priscis
temporibus medicinam. Hinc occurrere debent veri ecclesie lilii, qui
honorem Dei et salutem zelantur populi xni, qui a divine bonitatis
fonte graciora munera susceperunt, unde possint consilio et auxilio
opem ferre. Propterea cum ad presidendum buic sacro generali
Concilio in hac civitate ex priorum conciliorum constitucionibus ordi-
nato simus auctoritate apostolica destinati quo id fieri possit effica-
eius, quod huius temporis procellis possit prestare remedium, tota
sollicitudine intendentes viros literarum sciencia morumque yenustate
pollentes ad lxoc sanctum opus nitimur aggregare. Proinde ad uni-
versitatem yestram oculos nostre consideracionis direximus, eandem
rogantes et exhortantes in Dno, quatenus ambassiatores yiros, qui-
bus tanto negocio opus est, studeatis eligere et eosdem ad dictum
concilium absque more dispendio destinare.
Datum Basilea XVII. mensis Septembris Anno Dni M.CCCC.XXXI
ind. IX. Pontif. San 11 “’ Dni nostre Pape Eugenii IV. anno l m ".
Beilage fi.
Das Basler Concil fordert von der Wiener Hochschule die Absendung von Deputaten zum
Concil.
Dat. Basel 26. Jänner 1432.
Venerabili Rectori, Doctoribus et magistris uniyersitatis studii
Viennensis.
Sacros. generalis Basileensis Synodus in Sp. S. legitime con-
gregata yniversalem ecclesiam representans Egregiis ac circumspectis
Rectori et Doctoribus ceterisque Magistris yniyersitatis Viennensis
salutem et onmipotentis Dei benediccionem. Honorabiles Magistri!
ex talento sapiencie a diyina providencia yestris perspicacibus intelli-
genciis credito, yos ad hereticam pravitatem impugnandam crediinus
obnoxios esse, presertim Hussitarum, que nunc nimium pullubare in
perniciem fidei permittitur, et in iis operam pervigilem debere effi-
caciter apponere, ut fides recta luceat in cordibus iidelium. Cui
sancto et Deo placentissimo una cum morum reformacione et cladium
bellicarum sedacione diu noctuque operam nostram peryigilem pro
Dei honore et sue ecclesie exaltacione exhibemus et in baue sacram
congregationem de variis mundi regionibus in Sp. S. conyenimus.
Quod et vos facere per viscera misericordie Xsti exhortamur, quate
nus aliquot solemnes Doctores ad tarn necessarium et omni xnitati
608
H. J. Z ei big.
opus accomodum celerrime destinare — principes catholicos et pre-
sertim illustrem principem Albertum Ducem Austrie etc. ad concur-
rendum nobiscum in liac re tarn salutifera, suosque illuc Ambassia-
tores destinando adhortari et efficaciter indueere velitis. Ad que
vestras sollercius dirigat Sp. S. scienciarura Dominus.
Datum Basilee die XXVI. mensis Jan. anno a nativitate Dni
M.°CCCC 0 XXXII°.
Beilage C.
Die Väter des Basler Concils wiederholen die frühere Aufforderung.
Dat. Basel 18. Febr. 1432.
Egregiis et Circumspectis viris Rectori, Doctoribus, Magistris
ceterisque subditis et membris Vniyersitatis Studii Viennensis. Sacro-
sancta generalis Synodus Basileensis in Sp. S. legittime congregata
vniversalem eccam representans Egregiis et circumspectis viris Rec
tori doctoribus magistris ceterisque subditis et membris Uniyersitatis
studii Viennensis salutem et omnipotentis Dei benediccionem. Satis
diuque divulgatum esse apud vos et omnem xnorum religionem exis-
timamus sacram lianc synodum in hac civitate Basileensi authoritate
superui numinis congregatam existere pro rebus ecclesie et omnium
orthodoxorum promoyendis et bene gerendis, pro yeprium hereticorum
maxime boliemicorum eradicacione de finibus fidelium, morum defor-
mium in cunctis statibus emendatione, proque bellicarum cladium, a
quibus omnimoda calamitas originem ducit, sedacione, quibus nihil
dignius et fidelibus salubrius afferri yalet, pro quibus ex talento
sapiencie yestris perspicacibus intelligenciis de superuis credito yos
credimus pro viribus benivolos et obnoxios esse, hec quippe arduis-
sima causa cunctos xnorum status concerneus nos hie ex ordinacione
in yinculo charitatis congregavit, que et cum aliis incumbentibus rite
per generalia concilia a Sp. S. directa optime perfici possunt. Quam
ob rem si quis zelum Dei in corde gerat, si quis salutem animarum
atque communem omnium profectum et utilitatem querat, mox sacrum
hoc concilium dignificare, favorisare et promovere tenetur eius sacris
determinacionibus inherendo, et quidquid videlicet contrarium, repug-
nans aut preiudiciale cognoverit, possetenus impedire et tollere et ab
aliis ut auferatur viribus totis debet procurare. Vos itaque pügilesXsti
ac fidei catbolice zelatores pro dei bonore et vestre rectissime fidei
illibacione ac pro omnium fidelium salute obsecramus et exhortamur
Zur Geschichte der Wirksamkeit des Basler Concils in Österreich. 609
per viscera misericordie Dei nostri, quatenus ad porlandum in pre-
missis nobiscum onus superlaudabile et suave iugum domini liuius-
modi, quantocius poteritis aliquos solennes doctores et peritos viros
in divina pariter et humana doctrinis et legibus eruditos ad tarn neces-
sarium omni xnitati opus ac commodum destinare velitis. Et si quid
inpeditum celebracionis et felieis successus huius sacri Concilii per-
ceperitis, viis omnibus repellere curetis, et a tarn sanctissimo pro-
posito nullus vos deterreat per epistolam, vocem vel alium modum
qualitercumque, quoniam in hac stabilitate firmiter intendimus perma-
nere. Ad que perficienda et exequenda vestras solercias et devocio-
nes dirigat autlior omnium scienciarum, sub umbra cuius in liac
sacratissima causa militamus, Spiritus sanctus.
Datum Basilee die XVIII. Febr. anno etc. XXXII. Sub Sigillo
Reverendi in xsto Patris dni Philiberti episcopi Constanciensis provin-
cie Rhotomagensis, quo de presenti utimur.
Beilage SS.
Johann Card. s. Petri fordert die Wiener Hochschule auf, den durch Lehren von irrigen
Sätzen gestörten Frieden wieder herzustellen.
Dat. Basel 34. Aug.
Venerabilibus et Egregiis viris, dnis N. Rectori et Vniversitati
studii Viennensis amicis nostris dilectissimis.
\ enerabiles et egregii viri, amici nostri cliarissimi, post animum
ad grata paratissimum. Relatu quorundam displicenter audivimus,
nonnullos vestre alme Vniversitatis doctores quasdam proposiciones,
quas hic tanquam vobis notas silencio pertransimus, palam et publice
apud vos dixisse, que et hic in saera deputacione fidei in medium
producte et lecte fuerunt, quas quidem proposiciones si tacuissent,
forte melius fuisset. Verum quia vestra alma Universitas scientifl-
corum virorum habet copiam, adstricta est, sicut cetere universitates,
discordantes concordare, eandem cui singulariter afficimur quo pos-
sumus affectuosius — et quantum ex officio nostro valemus, in domino
ebaritative hortamur, quatenus omni concepta dissensione, si qua est,
sublata, inter vos cbaritatem, sine qua nullum Deo acceptum obse-
quium babeatis et ne occasione inter vos et eciam in Ecclesia Dei
scandalum oriatur, vobis et futuris scandalis omnibus viis providere
velitis, ne ista et similia, ex quibus gloriosum nomen universitatis
vestre notatur, amplius eontingant, quoniam Universitas vestra sicut et
Sitaih. (1. phil.-hist. Ci. VIII. Bd. V. Hft.
42
610
H. .1. Zeibig.
cetere sine pace augeri et diu persistere non poterit. Sic facientes
vos ecclesie Dei gratos alumnos et devotos filios fore demonstrabitis,
nosque ad Uniyersitatis vestre grata semper habebitis prompeiores.
Valete feliciter nobis cum fiducia rescribentibus vobis grata. Ex Ba-
silea sub nro signeto secreto XXYIIII. mensis Augusti.
Johannes Card. S. Petri.
Beilage Mä.
Regesten der Wiener Hochschule aus der Zeit der grossen Kirchenversammlungen des
XV. Jahrhunderts.
I. 1406, 10. Decemb. Gregorius XII., alias Angelus Coria-
rius Card. s. Marci dictus Universitati significat se ad Papatum ante
undecim dies eleetum esse, ideoque rogat Universitatem, ut eins elec-
tioni contra Petrum de Luna Benedictum XIII. Antipapam subscribat.
Dat. Romae.
II. 1408, 17. Febr. S. R. E. Cardinales in Castro Liburnii
prope Pisas congregati Universitatem Viennensem pro auxilio et con-
silio exorant et exbortantur, simulque ut ad institutum per ipsos uni
versale Concilium Pisis celebrandum aliquos de suo gremio valen-
tiores Doctores et Magistros Tlieol. et Juristas transmittat, monent ad
schisma quod tune temporis inter Petrum de Luna Renedictum XIII.
et antea dictum Angelum de Coriario Venetum Cardinalem S. Marci
Gregorium XII. appellatos versabatur, tollendum.
Dat. in Castro Liburnii prope Pisas XIII. Cal. Martii.
III. 1410, 17. Mai. S. R. E. Cardinales commonefaciunt Rec-
torem et Universitatem loco Alexandri V. Pape defuncti eleetum esse
Joannem XXIII. Universitatem igitur hortantur, Deum oret ut favorem
coelestis gratiae ad salutare regimen novo Pontifici adspiret, se pa-
ratos esse, Universitatem tamquam basim fortitudinis apud sedem
apostolicam promovere.
Dat. Bononiae, 17. Maii electionis vero prima anno 1410.
IV. 1410, 25. Mai. Joannes XXIII. Papa significat Univer
sitati se eleetum esse Papam. Et quoniam Universitatem tamquam
intimam et praeeordialem filiam sue sollicitudini specialiter nosset
commendatam, eandemque deinceps paterne cogitaret promovere, ideo
rogat ut ipsius nuntiis duobus ad universitatem destinatis plenam
adhibeant fidem.
Dat. Bononiae, 8 Cal. Jun. Pontif. anno 1-mo.
V. 1411, 17. August. Joannes XXIII. Papa mandat Ratispo-
nensi et Olomucensi epis item abbati Scotorum Viennae tamquam
eonstitutis Universitatis conservatoribus, ut ab eadem requisiti pro-
ventus et bona inunobilia ad Rectorem, Universitatem et eiusdem
doctores communiter yel divisim spectantia per ecclesiastieos quos-
cunqüe vel etiam seculares principes ablata nomine sedis apostolicae
restituant Universitati, nec in talibus a quovis ullam molestiam vel
damnum inferri permittant.
Dat. Romae, XYI. Cal. Sept. Pont, anno 2-do.
VI. 1411, 2. Decemb. Joannes XXIII. Papa mandat Univer
sitati, ut nuntio suo Magistro Wenceslao Decano Passaviensi contra
Ladislaum Hierosolymorum et Siciliae Regem Gregorii XII. antipapae
damnati defensorem crucem praedicanti consilio, auxilio et pecunia
succurrat.
Dat. Rom. IV. Non. Dei. Pont, anno 2-do.
VII. 1412, 3. März. Joannes XXIII. Papa vocat Universitatis
nuntios ad Concilium Romanum.
Dat. Romae V. Non. Mart.
VIII. 1412, 7. April. Wenceslaus Decanus Patav. et de Fan-
tuciis de Bononia licenc. in jure canonico Commissarii Joannis XXIII.
Papae ad colligendum subsidium contra Ladislaum Hieros. et Siciliae
Regem tamquam Angeli Coriarii sive Gregorii XII. in concilio Pisano
depositi defensorem Rectorem et professores Universitatis consti-
tuunt per Austriam subdelegatos ad pecuniae collectam.
Dat. Pragae, 7. April.
IX. 1413, 7. Jul. Albertus Epus Ratisbonensis a Joanne
XXIII. Papa cum Olomucensi Epo et Abbate Scotensi designatus
conservator et judex Universitatis insinuat et publicat omnibus Pon-
tificis mandatum monetque omnes sub poena excommunicationis infli-
genda, doctoribus magistris et scholaribus Universitatis Viennensis
extra beneficiorum residentiam in studio Viennae commorantibus,
debitos beneficiorum fructus libere relinguant vel ablatos restituant.
Dat. Viennae.
X. 1417, 13. April. Compactata sedis apostolicae et Concilii
Constanciensis a Joanne Epo Ostiensi S. R. E. Cardinali et Vicecan-
cellario ex libro Cancellariae S. Rom. Eccae in quo Romanorum Pon-
43 14
I
612
H. J. Zeitig.
tificum constitutiones et ordinationes solent inscribi, Universitati
Viennensi transmissa et communicata sub ipsuis Sigillo.
Datum Constantiae Martini V. Ppe. Anno 1°.
XI. 1420, 27. Mai. Martinus V. Papa Rectori Univers. et
Consistorio concedit iurisdictionem in civilibus et criminalibus mem-
brorum causis cognoscendis decidendi carceres faciendi, puniendi,
morte plectendi et excommunicandi absolvendique plenam facultatem.
Datum Florentiae 6. Cal. Jun. Pont. ao. 3°.
XII. 1424, 1. September. Martinus V. Papa confirmat Joannis
XXIII. Ppae prohibitionem librorum Joannis Wicleffi haeretici, et ut
huius erroris sequaces doctoratus gradu priventur et omnibus modis
puniantur.
Datum Rom. Cal. Sept.
XIII. 1425, 17. Mai. Martinus Y. Papa Rectori et Universitati
commendat Leonardum Episcopum Pataviensem quem Albertus Archi-
dux respuebat, hortaturque, eundem Archiduci velint commendare.
Dat. Rom. XVI. Cal. Jun. Pont. ao. 8-vo.
XIV. 1425, 29. Juni. Martinus V. Papa denuo requirit et hortatur
Universitäten!, ut Alberto Archiduci Episcopum Passaviensem Leonar
dum conciliare atque nuntio suo MartinoEpiscopoRavennatensi plenam
velint adhibere fidem.
Dat. Romae III. Cal. Jul. Pontif. ao. 8-vo.
XV. 1432, 16. Februar. Eugenius IV. Papa evocatRectoris et
Universitatis Oratores ad Concilium Basileense.
Datum. Romae XIV. Cal. Mart. Pont. ao. 2-do.
XVI. 1433,,19. September. Concilium Basileense mittit ad
rectorem et Universitäten! suum Oratorem Joannem Cili Tlieol. pro-
fessorem, cui in negotiis Boliemos concernentibus plenam velint ad
hibere fidem.
Dat. Basil. XIII. Cal. Oct.
XVII. 1434, 16. April. Rector et Universitas supplicant Conc.
Basil. ut vestigiis Joannis XXIII. Pape insistens assignet aliquos privi-
legiorum iudices et defensores perspetuos. Quod vigore copiae ab
Eugenii IV. Ppae legatu, praesidenti toti concilio, est concessum.
Dat. Basil. 16. April. Pont. Eug. Ppae ao. 4°.
XVIII. 1434, 21. Mai. Concilium Basil. Episcopo Ratisponensi,
Praeposito ad s. Stephanum Viennae et Offieiali Passaviensi ibidem
Zur Geschichte der Wirksamkeit des Basler Concils in Österreich. 613
praecipit, ut veluti conseryatores Universitatis et privilegiorum requi-
siti proventus et bona imraobilia per ecclesiasticos vel seculares
quoscunque ablata Universitati authoritate sacri Concilii restituant,
nec a quovis in talibus ullam molestiam inferri permittant.
Dat. Basil. XII. Cal. Jun.
XIX. 1436, 28. Mai. Concilium Basileense Rectori et Univer
sitati significat, se Joannem Coeli S. Tbeol. professorem et canonicum
Viennensem illuc misisse oratorem, petitque ut ei in negotiis catlioli-
cani religionem et Graecorum cum eeclesia Latina unionem concernen-
tibus plenam habeant fidem.
Dat. Basil. IV. Cal. Jun.
XX. Pbilibertus Episcopus Constantiensis, Joannes de Palomar
Decret. Dr. Arcliidiaconus et apostolici palatii causarum auditor,
Nicolaus Prepositus ad s. Dorotlieam Viennae et Narcissus de Per-
chingen s. Theol. Professor ex authoritate sacri Conc. Basil. Univer
sitäten! visitarunt, et reformarunt, visitacione peracta salutaria statuta
confirmarunt, et quae alia in posterum docentibus atque discentibus
observanda forent, coram tota universitate in eiusdem Aula maiori
20 Martii ao. 1436 publicarunt.
XXI. 1438, 9. April. Eugenius IV. Papa significat Rectori et
Universitati Joannem Paleologum Graecorum Imperatorem et Josepbum
Patriarcham Constantinopolitanum ad se Ferrariam venisse, Graecam
ecclesiam cum Romana in articulis fidei consensisse, ideoque hortatur
Rectorem et Universitatem, ut secum gratias Deo referant et ad con
cilium Oecumenicum Oratores universitatis quantocius transmittant.
Dat. Ferrariae, V. Id. April. Pont. ao. 8-vo.
XXII. 1439, 7. Juli. Eugenius IV. Papa eommunicat Rectori et
Universitati gaudium, quod ex unione orientalis ecclesiae cum romana
concepit, monetque Deo gratias agant et pro classe contra infideles
emittenda sibi Stipendium aliquod elargiri.
Dat. Florent. Nonis Jul. Pont. ao. 9°.
XXIII. 1439, 23. November. Eugenius IV. Papa significat Uni
versitati Joannem Paleologum Imperatorem Constantinopolitanum cum
primatibus orientalis ecclesie in unitatem fidei conclusisse, ideoque monet
ut secum Deo gracias agant, processiones instituant omnibus acade-
micis concedens 7 annorum et totidem quadragenarum indulgentias,
Dat. Florentiae IX. Cal. Dec. Pont. ao. 9°.
614
H. J. Zeibig.
XXIV. 1440, 10. November. Felix V. Papa (Sabaudiae prin-
ceps dictus Amadeus postea depositus et in ordinem redactus) mittit
ad regnum Bohemiae Episcopum Pragensem et Praepositum s. Petri
Brunensem petens ipsis auxilium et plenam adhibere fidem.
Dat. Basil. VIII. Id. Novemb.
XXV. 1440. 13. November. Concilium Basileense pro iisdem
cum dictis ad regnum Bohemiae destinatis legatis duobus scribit
Bectori et Universitati, ut eosdem audiant, et in defendendo communis
ecclesiae statu, maxime vero Felicis V. Papae honore iuvent.
Dat. Basil. Idib. Nov.
XXVI. 1440, Felix V. Papa monet Bectorem et Universitatis
doctores, ut ad beneficiorum vacantiam juxta decretum Cone. Basil.
pro literatis factam veluti lumina doctrinae ordinariis se praesentent.
Quodsi Epi decreti formam non servarent, se ipsorum negligentiam
suppleturum et beneficia ad se devoluta literatis collatuium.
Dat. Thononii Gebennetis dioces. Pontif. ao. 1°.
XXVII. 1440,22. November. Concil. Basil. gratulaturRectori
et Universitati ppter summam doctorum Viennensium in puritate bdei
adversus haereses constantiam eosque ut viros fortes et bellorum
religionis doctissimos, monetque ut, quam ab ipsis universalis ecclesiae
consolationem exspectat et epistola synodalis ad ipsos directa flagitat,
auctoritatem universalis ecclesiae contra unius hominis voluntatem,
Papam videlicet Eugenium IV. exauctoratum propugnet.
Dat. Basil. VI. Cal. Decbris.
XXVIII. 1440, 13. Juni. Eugenius IV. Papa scribit Rectori et
Universitati, ut Henricum Diess s. Theologiae Professorem in arduis
apostolicae sedis negotiis nuntium audire eidemque indubitatam fidem
adhibere consilioque iuvare velint.
Dat. Florent. Id. Junii Pontif. ao. 10».
XXIX. 1440, 30. December. Felix V. commendat Universitati
suos et s. Concilii ad Fridericus IV. Imperatorem Legatos petens ut
iisdem plenam velint adhibere fidem dictorum.
Dat. Basil. 3 Cal. Jan. Pont. ao. 1».
XXX. 1441, 1. Jänner. Concilium Basil. contra Eugenium IV.
Papam quem anno 1439 Pontificatu privaverat, commendat relicem
Papam V. a se electum rogatque Universitatem ut Guilielmo de Grune-
berg, Rudolpho de Rudesheim decretorum Doctori et Michaeli Baldo
Zur Geschichte der Wirksamkeit des Basler Concils in Österreich. 6 1 f)
Legum Doctori suis ad Fridericum IV. Imp. legatis auxilium et plenam
velint adhibere fidem.
Dat. Bas. Cal. Jan.
XXXI. 1441,2. März. Universitas Magistrum Johannem Lapici-
damob excessus crebro commissos excluserat, exclusus ad Cone.Basil.
appellaverat, quod Praeposito s. Dorotheae et Officiali Passaviensi
mandavit, ut hanc litem deciderent et appellatione postposita finirent.
Dat. Basil. VI. Non. Mart.
XXXII. 1441, 22. Juli. Frid. IV. Imperator evocatUniversitatis
deputatos ad Conventum Francofordiensem.
Dat. in nova civitate ipsa die beate Magdalenae.
XXXIII. 1441, 9. September. jConcilium Basileense laudat
Felicis V. Papae a se electi et Viennensium Doctorum in defendenda
ecclesia et concilii authoritate labores, hortaturque ut ad Imp.
Frid. IV. et principum institutum Francofurti conventum suos oratores
ad ecclesie necessitates ableget.
Dat. Basil. V. Id. Sept.
XXXIV. 1441, 16. Februar. Concilium Basileense authoritate
universalis ecclesiae confirmat Martini Papae V. privilegium iuris-
dietionis Rectori in sua membra tarn in civilibus quam criminalibus
carcerum etiam publicorum et excommunicationis exercendae indul-
tum, atque insuper addit, ut causas praedictas summarie, simpliciter
et de plano sine strepitu et figura iudicii de iure requisiti vel obser-
vatione termini, sed sola facti veritate plenarie cognita cum Con-
sistorio cognoscat atque decidat.
Dat. Basil. XIV. Cal. Mart.
XXXV. 1442, 3. Mai. Concilium Basileense hortatur oratores
Universitatis ad conventum Imperatoris Fried. IV. et omnium prin
cipum Francofurti institutum ablegatos, ut conciliorum authoritatem
defendere atque duobus Concilii nuntiis Cardinalibus plenam velint
adhibere fidem.
Dat. Basil. V. Non. Maii.
XXXVI. 1442, 9. Mai. Felix V. Papa in Conc. Basil. electus
scribit universitatis oratoribus ad conventum Francofurtensem able-
gatis tres Cardinales illuc etiam venientes velut suos et concilii
legatos audire eisdemque credere velint.
Dat. Basil. 9. Maii. Pont. ao. 2-do.
616 H. J.Zeibig. Z. Geschichte d. Wirksamkeit d. Basler Concils in Österreich.
XXXVII. 1442, 18. October. Conc. Basil. transmittit Rectori
et universitati responsum, quod Friderico IV. Imperatori etprincipum
legatis dederat, rogatque ut Universitas Concilii et Felicis V. Papae
authoritatem propugnare pergat.
Dat. Basil. XV. Cal. Nov.
XXXVIII. 1442, 30. September. Instrumentum procuratorium
quo Concilio Basil. durante Magister Johannes de Königshofen, Tho-
mam de Haselbaeh, Professorem et Canonicum Viennensem una cum
Johanne de Wachenstein decretorum doctore, Procuratorem suum
eonstituit in lite contra N. Jodocum Kaufmann, Universitatis leetorem.
Dat. Basil. ultima Sept.
XXXIX. 1443, 11. April. Conc. Basil. requirit Rectoram et
Universitatem ut Alexandro s. Laurentii in Damaso Cardinali Pa-
triarchae Aquilegiensi et episeopatus Tridentini administratori ad Imp.
Frid. IV. s. Concilii legato auxilium et fidem praestare velint.
Dat. Basil. II. Id. April. 1°.
XL. 1447, 21. März. Nicolaus V. Papa notum facit Rectori et
Universitati, se in Papam Romanum 18. Mart, legitime esse electum,
rogatque ut Universitas instituta proeessione Deum pro novo pontifice
exoret, promittens universitatem et singula ipsias membra se omni
favore prosequi veile.
Dat. Romae XII. Cal. April. Pont, nri ao. 1°.
Ver/.eichniss der eingegangenen Druckschriften.
617
VERZEICHNISS
DER
EINGEGANGENEN DRUCKSCHRIFTEN.
Ra Hot, Buys C. M. D., Uitkomsten der meteorolog. Waarnemingen
gedaan in 1849 en 1850 te Utrecht etc. Utrecht 1851; 4°-
2 Exemplare.
— Windwaarnemingen in Nederland 1849 — 50. Ihid. 4°- 2 Exem
plare.
Serltn, UntüerjttdtSTriften a. b. 1851.
Boue, Ami, Sur l’Etablissement de bonnes routes et surtout de
chemins de fer dans Ia Turquie d’Europe. Vienne 1852; 8°-
20 Exemplare.
©antot, $föoti§, lieber ein weniger gebtäudjrtdjeä 6oorbmaten*©9ftem.
^ranffurt 1851 ; 8«-
Ettingshausen, Dr. Constantin v„ Notiz über die fossile Flora
von Wien. Wien 1851; 4°-
— Bericht über die Untersuchung von Fundorten tertiärer Pilan-
zenreste im Kaiserthume Österreich. Wien 1851; 4 0-
— Beitrag zur Flora der Wealdenperiode. Wien 1852; 4°-
Gesellschaft, deutsche morgenländische, Zeitschrift. Bd. VI. 2
Gesellschaft, k. k. mähr.-schles., des Ackerbaues: Schriften
der historisch-statist. Section. Heft 1 u. 2. Brünn 1851; 8 0,
Gesellschaft, k., der Wissenschaften zu Göttingen. Erste Säcu-
larfeier am 29. Nov. 1851. Göttingen 1852; 4°-
©öttingen, Umberfttätgfcfyrtftett 1851.
©retfgtoalb, Um»erjtfät§fcfjttften 1851.
•Spetbelbetg, Unt»etjttät$fdjnften 1851.
Beider, Mor., Worte der Erinnerung an weil. I)r. Ernst Freih.
v. Feuchtersieben. Wien 1851; 4"- 5 Exemplare.
Sil/.h. d. phil.-hist. CI. VIII. Bd. V. Ilft.
43
618
Vcrzeiehniss der eingegangenen Druckschriften.
He nne ssy, Henry, Researches in terrestrialphysics. London 1851 ; 8°-
Jahresbericht (erster) über die wissenschaftlichen Leistungen
des Doctoren-Collegiums der medicin. Facultät. Wien 1852; 8°-
Lancet, Nederlandsch. Heft 4 — 8. Gravenhage 1852; 8°-
Lotos, 1852; Nr. 4.
Marquardsen, Heinr., Über Haft und Bürgschaft bei den Angel
sachsen. Erlangen 1851; 8° -
Mignard, Monographie du coffret du Mr. le duc de Blacas. Paris
1852; 4°-
—. Notice sur un memoire relatif aux pratiques occultes des tem-
pliers. Dijon; 8 0-
$Ko^r, Xljeob. 2lrd)iti für bie ©efd)id)te ber Eftepublif ©raubiin*
ben. $eft 7. (5^ur 1848; 8°-
sßlai, £erm. ®ottt., ©ie ©tyranniss in i£)reu betbett ißetioben bei ben
alten ®rted)en. 2 33be. SBremen 1852; 8 0,
Schleicher, Aug., Die Formenlehre der kirchen-slawischen
Sprache. Bonn 1852; 8 0-
33 er ein, füftorifdjet, für ba§ ®rogf)erjogtb,um Reffen; 3trd)iü für £effü
fd)e ®efd)id)te. 58b. 7, £ft. 1. ©armftabt 1852; 8°-
SBerner* SSerein, Sa^re§berid)t 1851—52. Söten 1852; 8 0>
Zanon, Bartol, Analisi dell’ aqua minerale idrosolforosa di Loren-
zsao. Belluno 1852; 8°-
Zimmer mann, Rob., Das Rechtsprincip bei Leihnitz. Wien 1852; 8 ° -
Beschreibung von li noch unedirten Münzen
der Armenisch-Rubenisdien Dynastie in. Kylilaen
VON PATER CLEMENS SIBILYAN.
TAFT.
Beschreibung von 1? noeli unedirten Münzen
der Armenisch-BubenisclienDynastie in Kvlikien
VON PATER CLEMENS SIBILYAN. TAFfT
Beschreibung von 17 ilocIl unedirteil Münzen
ilt'f Armenisch-Unbemscheii Dynastie in Kvlikien
VON PATER CLEMENS SIBILYAN.
T.WIIL
.Zith.-a.gidr.-in i.Z.iJTgf-a Staats-Dmäern-
BIBL OAW
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