Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 8. Band, (Jahrgang 1852)

Zur Charakteristik des heil. Justinus etc. 
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entfernt, wohnten Christen jüdischer Abstammung. Demnach würde 
jener Greis, welcher den nachsinnenden Justinus auf die Bücher 
der Propheten hinwies und ihn dadurch auf den Pfad zum christ 
lichen Glauben leitete, einer dieser Christen gewesen sein — ein 
philosophisch gebildeter und einer derjenigen, welche Justinus im 
Dialoge mit Tryplion *) als christliche Brüder anerkennt, im Gegen 
satz zu den strengen (akatholischen) Judenchristen, welche auch 
von den Heidenchristen die Beobachtung des mosaischen Gesetzes 
verlangten und daher jener Anerkenntniss nicht gewürdigt werden. An 
welchem Orte Justinus durch die Taufe zum Christenthume auf 
genommen worden, lässt sich nicht ermitteln. Er sagt nicht, dass 
ihn jener Greis in die judenchristliche Gemeinschaft eingeführt habe; 
im Gegentheil erzählt er 3 ), dass jener ihm ein weiteres Nach 
denken über den Gegenstand der gepflogenen Unterredung an’s Herz 
gelegt und er selben nie wieder geschaut habe. Wir sind auch 
anderweitig nicht berechtigt, den dem Heidenthume entsprossenen 
Justinus als einen Proselyten des Judenchristenthums, am wenigsten des 
schon damals als ketzerisch geltenden, anzusehen. Wohl mag er in 
männlicher Jugend um Anfang des vierten Jahrzehends zum Christen 
thume übergetreten sein. Denn noch als Platoniker, kurz vor seinem 
Übertritte, sah er wie die Christen gemartert und getödtet wurden, 
aber standhaft blieben bei Allem was von den Menschen als furcht 
bar gehalten wird 3 ). Es ist bekannt, dass gerade seit Beginn jenes 
Jahrzehends, unter Hadrian’s Regierung, die palästinensischen Christen 
blutigen Verfolgungen ausgesetzt waren, nicht nur von Seiten der 
Juden, weil sie verweigerten sich mit diesen zu verbinden und 
unter dem falschen Messias Bar-Cochba gegen die Feinde des 
gemeinsamen Vaterlandes zu streiten, sondern auch von Seiten der 
Römer, weil sie von diesen als Juden angesehen und demgemäss 
behandelt wurden. 
Justinus fand, wie wir bemerkten, im Christenthume die einzig 
wahre Philosophie, und als yvr/mogr/is dlrj^civg ydoffoyt«? spaarf/? 4 ) 
legte er nach seinem Übertritte den Philosophenmantel nicht ab 5 ). 
*) Dial. c. Tr. c. 47. 
2 ) L. c. c. 8. 
3 ) Apol. II. c. 12 sq. 
4 ) Eusebius H. E. IV. c. 8. 
5 ) Dial. c. Tr. c. 1.
	        
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