Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 88. Band, (Jahrgang 1877)

Demosthenisclie Studien. II. 
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gingen in Erfüllung, Philipps Aufnahme in den Amphiktyonenbund 
legitimirte die makedonische Intervention für die Zukunft. Für 
den Schrecken, der sich auf diese Nachrichten hin der Athener 
bemächtigte, legt der auf Kallisthenes’ Antrag gefasste Beschluss 
Zeugniss ab, dass vom Lande Weiber und Kinder in die Stadt 
geschafft, die bewegliche Habe in Sicherheit gebracht, die Grenz 
festungen in Stand gesetzt, die Herakleen innerhalb der Mauern 
gefeiert werden sollten. In solcher Sorge vor einem plötzlichen 
Ueberfalle der verbündeten Heere schwebte die Stadt. Man 
begreift es, dass Demosthenes in diesem Augenblick sich zu 
dem Versuche entschloss, seinen Gegner Aeschines, dessen 
Politik all’ das Unheil verschuldet hatte, politisch zu vernichten 
und mit Timarchos bei der Rechenschaftsbehörde eine Klage des 
Inhalts eingab, dass Aeschines als Gesandter seiner Pflicht 
zuwider gehandelt, indem er nicht die Wahrheit gemeldet und 
sie von Demosthenes zu hören das Volk verhindert, indem er 
was gegen das Interesse des Staates war gerathen, seine Voll 
macht übertreten, die Zeit, in der sich die wichtigsten Dinge 
entschieden, verabsäumt habe, und dies alles mit Geld und 
Geschenken bestochen. Es klingt fast wie eine Vertheidigung 
gegen diese Anklage, wenn wir hören, dass Philipp neuerdings 
durch ein Schreiben, welches die Gesandten überbrachten, sein 
Verfahren in der phokischen Angelegenheit aufklärte und die 
Beschwerden der Athener zu widerlegen suchte. Indessen mit 
Sicherheit lässt sich der Zeitpunkt der Einbringung der Klage 
nicht näher ermitteln. Dass Demosthenes sich zu diesem ver 
zweifelten Versuch entschloss, hat man bisher als eine weitere 
Aufklärung nicht verlangende Thatsache, als eine selbstverständ 
liche Erfüllung einer patriotischen Pflicht hingenommen. Schon 
der Umstand konnte Bedenken erregen, dass Demosthenes einem 
Manne wie Timarch sich anschloss, der sofort durch einen Process 
wegen schandbaren Lebenswandels klageunfähig gemacht werden 
konnte; noch mehr dass er dann einen Zeitraum von drei Jahren 
verstreichen liess, bis er Ol. 109, 2 im Sommer 343 den Process 
wieder aufnahm; vollends aber die unglaublich schwache juri 
stische Begründung der Anklage. Warum soll aus der Zahl der 
Gesandten Aeschines allein der Schuldtragende sein, dieser 
Dilettant in allen grossen politischen Fragen, wie ihn seine Ver- 
theidigungsrede uns zeigt? Bloss weil sich der eitle Mann
	        
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