Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 84. Band, (Jahrgang 1876)

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M aassen. 
einheitlichen practischen System zusammenwachsen um als 
integrirender Bestandtheil des geltenden Rechts ihre wissen 
schaftliche Pflege zu finden. Dass aber dies eintrat, das hat 
nicht weniger als drei Jahrhunderte erfordert. 
IV. Historische Relationen. 
Ein Theil der Glossen steht durch seinen Inhalt in un 
verkennbarem Zusammenhang zu der Reaction, welche sich 
unter Ludwig’s des Frommen Regierung im westlichen Franken 
reich gegen den Druck der weltlichen Gewalt auf die Kirche, 
gegen ihre Einmischung in kirchliche Angelegenheiten, gegen 
die Verweltlichung des Clerus geltend machte und welche 
ihren entschiedensten Ausdruck in dem pariser Concil vom 
Juni des Jahrs 829 fand. 1 
Schon Wala von Corbie hatte auf dem im Winter vorher 
gehaltenen Convent von Achen, ein zweiter Jeremias, wie sein 
Biograph ihn nennt, dem Kaiser die Uebel der Zeit und ihre 
Hauptursachen mit unerschrockener Wahrheitsliebe dargelegt. 
Nicht überschreiten solle der Kaiser die Gränzen seiner Ge 
walt; er solle in die kirchlichen Angelegenheiten sich nicht 
weiter einmischen, als ihm zukomme und der Kirche dienlich 
sei. 2 In Uebereinstimmung damit erhebt die pariser Synode 
Beschwerde, dass die kaiserliche Gewalt gegen Gottes Ordnung 
in kirchliche Dinge sich eingemischt habe. 3 
Dieselbe Anschauung macht sich nun auch, und zwar auf 
sehr entschiedene Weise, in der Glosse zum c. 12 des con- 
cilium Chalcedonense geltend (n. 7)-; nur dass hier im Ein 
klang mit dem Text die Spitze zunächst gegen die Geistlichen 
gerichtet ist, welche die Einmischung veranlassen. Die Glosse 
nennt es ein schändliches, häretisches Sacrilegium, ein Ver- 
1 Vgl. Simson Jahrbücher des fränkischen Reichs unter Ludwig dem 
Frommen I. 315 fg. 
2 Mabillon Acta sanctorum o. s. B. saec. IV. P. I. p. 4G8 sq. Ut sit. im- 
perator et rex suo mancipatus officAo nec alieiia gerat; sed ea, quae sui 
juvis competunt propria ; in divinis autem ne ultra te ingeraa quam 
expediat. 
3 L. III. c. 26 (Mansi XIV. 603) quia et principalis potestas diversis 
occasionibus intevvenientibus, secus quam auctoritaa divina se habeat, in 
causas ecclesiasticas prosilierit, rel.
	        
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