Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 83. Band, (Jahrgang 1876)

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Zimm ermann. 
S. 152). Fichte’s Sohn hat die Zeugnisse gesammelt, die über 
dessen Bedeutung als akademischer Lehrer vorliegen. Als ei 
serne erste Vorlesung zu Jena hielt, war das grösste Audito 
rium daselbst zu eng; die ganze Hausflur, der Hof war voll, 
auf Tischen und- Bänken standen sie (nach Fichte’s eigenem 
Ausdruck) übereinander. ,Fichte', sagt ein geistvoller Beobachter 
aus jener Zeit, Forberg, ,hört man gehen und graben und suchen 
nach Wahrheit. — In allen seinen Untersuchungen ist ein Regen, 
ein Streben, ein Treiben, die härtesten Probleme der Vernunft 
durchgreifend aufzulösen, Probleme, deren Existenz nicht ein 
mal, geschweige deren Auflösung sein Vorgänger (Reinhold), 
geahnt hat — er dringt in die innersten Tiefen seines Gegen 
standes ein und schaltet im Reiche der Begriffe mit einer Un 
befangenheit umher, welche verräth, dass er in diesem unsicht 
baren Lande nicht nur wohnt, sondern herrscht' (Fichte’s Leben 
und Lehre. 2. Aufl. I. 222.). 
Dass ein solcher Lehrer anregend auf den Schüler wirken 
musste, ist begreiflich. Zum Ueberfluss trachtete Fichte aus 
drücklich nach Annäherung an die Studenten. Er war ,wirklich 
gesonnen, durch seine Philosophie auf die Welt zu wirken'. 
Den Hang zu unruhiger Thätigkeit, der in der Brust jedes 
edeln Jünglings wohnt, suchte er sorgfältig zu nähren und zu 
pflegen, damit er zu seiner Zeit Früchte bringe. Wie er das 
rohe akademische Leben zu verbannen und das Ordenswesen zu 
vernichten bestrebt war, so bemühte er sich, edlere gesellige 
Vereinigungen zu wissenschaftlichen Zwecken unter den Stu- 
direnden zu unterstützen und die besten von ihnen zu seinem 
persönlichen Umgang heranzuziehen. An den Versammlungen 
einer solchen, der ,literarischen Gesellschaft' oder ,Gesellschaft 
der freien Männer', welche im Frühjahr 1794, kurz vor Fichte’s 
Ankunft, von zwölf Studirenden, meist Norddeutschen und 
Russen aus den Ostseeprovinzen, gestiftet worden war, nahm 
er nicht selten persönlich Theil ; an den gemeinschaftlichen 
Mittagstisch, den er, anfänglich ohne seine erst später nach 
kommende Gattin in Jena lebend, mit seinen Collegen Niet 
hammer und Woltmann verabredet hatte, liess Fichte auch 
Studenten zu. Durch letzteren, einen gebornen Oldenburger und 
Landsmann Herbart’s, so wie durch die persönliche Bekannt 
schaft seiner Mutter, die ihn nach Jena begleitet hatte, einer
	        
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