SITZUNGSBERICHTE
DER KAISERLICHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE CLASSE.
DREIUNDACHTZIGSTER BAND.
WIEN, 1876.
IN COMMISSION BEI KARL GEKOLD’S SOHN
BUCHHÄNDLEK DER KAIS. AKADEMIE DEK WISSENSCHAFTEN.
SITZUNGSBERICHTE
DER
PHILOSOPHISCH-HISTORISCHEN CLASSE
DEli KAISERLICHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
DREIUNDACHTZIGSTER BAND.
JAHRGANG 18 76. — HEFT I—IV.
j'KAls'.ÄKÄOEMiEl
^WISSENSCHAFTEN J
AVI EN, 1876.
IR COMMISSION BEI KARL GEROLD’S SOHN
BUCHHÄNDLER DER KAIS. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
300122
Druck von Adolf Holzhausen in Wien
k. k. UniversitKts-Buchdruckerei.
INHALT.
X. Sitzung' vom 5. April 1876
XI. Sitzung vom 19. April 1876
Pfizmaier: Aufzeichnungen aus dem Reiche I-se
'—ri
Gr o mp er z: Neue Bruchstücke Epikur’s, insbesondere über die
Willensfrage
XII. Sitzung vom 3. Mai 1876
, Schenkl: Xenopliontisclie Studien. III. Beiträge zur Kritik des
'' Oikonomikos, des Symposion und der Apologie
, Zimmermann: Perioden in Herbart’s philosophischem Geistes
gang
/Müller: Kitäb-al-Fark von Alasma'i
XIII. Sitzung vom 10. Mai 1876
XIV. Sitzung vom 17. Mai 1876
Tomaschek: Die beiden Handfesten König Rudolfs I. für die
Stadt Wien vom 24. Juni 1278 und ihre Bedeutung für die
Geschichte des österreichischen Städtewesens
XV. Sitzun g vom 14. Juni 1876
Bischoff: Erster Bericht über Weisthümer - Forschungen in
Steiermark
-Prusik: Wie sind die possessiven Adjeetiva auf -uj und -ovt.
und die possessiven Pronomina moj, tvoj, svoj im Slavischen
zu deuten ?
XVI. Sitzung vom 21. Juni 1876
XVII. Sitzung vom 5. Juli 1876
I Golowatzkij: Sweipolt. Fiol und seine kyrillische Buch
druckerei in Krakau vom Jahre 1491
XVIII. Sitzung vom 12. Juli 1876
XIX. Sitzung vom 19. Juli 1876
(JPfizmaier: Die Einkehr in der Strasse von Kanzaki . . .
/ Miklosich: Beiträge zur Kenntniss der Zigeunermundarten III.
Gomperz: Beiträge zur Kritik und Erklärung griechischer
> Schriftsteller III
87
101
103
179
235
289
291
293
371
375
407
419
423
425
449
451
453
535
563
SITZUNGSBERICHTE
DER
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE CLASSE.
LXXXIII. BAND. I. HEFT.
JAHRGANG 1876. — APRIL.
Sitzungsber. d. phil.-hiat. CI. LXXXIII. Ba. I. Hft.
1
im i t amn
Ausgegeben am 23. October 1876.
X. SITZUNG VOM 5. APRIL 1876.
Das c. M. Herr Professor Dr. Sacliau zeigt der Classe
seine Uebersiedelung nach Berlin an.
Herr Geffroy, Director der Ecole francaise in Rom
spricht seinen Dank aus für die Betheilung der Anstalt mit
den /lahulae codicum manuscriptorum in hibliotheca palatina
Vindobonensi asservatorum'.
Herr Dr. Constantin Ritter von Wurzbacli legt den
31. Theil seines ,Biographischen Lexikons des Kaiserthums
Oesterreichs' mit dem Ansuchen um die übliche Subven-
tionirung vor.
Das c. M. Herr Regierungsrath Dr. B. Dudik über
mittelt eine Abschrift der ,Correspondenz Kaiser Ferdinands II.
und seiner erlauchten Familie mit P. Martinus Becanus und
P. Wilhelm Lamormaini, kaiserlichen Beichtvätern S. J.' mit
Einleitung zur Veröffentlichung in den Schriften der Akademie.
Ferner wird unter dem Ansuchen der Aufnahme in die
Sitzungsberichte vorgelegt ein ,Glossaire des ladinischen Dia-
lectes in Enneberg' etymologisch und sprachgeschichtlich be
arbeitet von Herrn Professor Dr. Alton in Prag.
1*
4
|
Herr Dr. Bachmann, Privatdocent an der Prager Uni
versität, übersendet den ,Rabenstein’schen Dialogus' in neuer
Edition mit dem Ersuchen um seine Aufnahme in die Fontes
rerum Austriacarum.
Herr Dr. David Heinrich Müller in Wien überreicht
die Schrift ,Kitäb-ul-Fark‘ von Alasmäi mit sprachlichen und
sachlichen Noten versehen unter dem Ersuchen um ihre Ver
öffentlichung in den Sitzungsberichten.
An Druckschriften wurden vorgelegt:
AcadÄmie des Inseriptions et Belles-Lettres: Comptes rendns des seances
de l’annee 1875. IV 0 Serie. Tome III. Bulletin d’Oetobre- Novembre-
Decembre. Paris, 1876; 8°.
Aecadeinia Pontificia de’Nuovi Lincei: Atti. Anno XXIX, Sess. 2“. Roma,
( 1876; 4°.
Akademie der Wissenschaften, Kgl. Preuss., zu Berlin: Monatsbericht
December 1875. Berlin, 1876; 8°.
Central-Commission, k. k. statistische: Statistisches Jahrbuch für das
Jahr 1874. XI. Heft, und Anhang zum 1. Heft. Wien, 1875 u. 1876; 4°.
Institut Royal Grand-Ducal de Luxembourg, Seetion historique: Publications.
Annee 1875. XXX (VIII). Luxembourg, 1876; 4°.
Jahresbericht des k. k. Ministeriums für Cultus und Unterricht für 1875.
Wien, 1876; 4°.
,Revue politique et litteraire“ et ,Revue scientifique de la France et de
l’Etranger 1 . V e Annee, 2 C Serie, N°“39—40. Paris, 1876; 4°.
Societh Italiana di antropologia e di etnologia: Archivio. V° Vol., fase.
3° e 4°. Firenze, 1876; 8°.
Society, The Asiatic, of Bengal: Journal. Part I, N° 3. 1875; Part II,
N™2—3. 1875. — Proceedings. N° IX, November 1875. Calcutta; 8°.
Verein, histor., für Oberfranken, in Bamberg: XXXVII. Bericht. Bamberg,
1875; 8».
■
I
XI. SITZUNG VOM 19. APRIL 1876.
Herr Professor Dr. Picliler in Graz drückt den Dank
aus für die dem dritten Bande seines Repertoriums der
steierischen Münzkunde bewilligte Subvention.
Der Ausschuss des militär-wissenschaftlichen Vereines in
Wien dankt unter Widmung eines Exemplares der Vereins
zeitschrift für die Betheilung mit akademischen Publicationen.
Das w. M. Herr Dr. Pfizmaier legt eine für die
Sitzungsberichte bestimmte Abhandlung unter dem Titel:
,Aufzeichnungen aus dem Reiche I-se‘ vor.
Das c. M. Herr Professor Dr. Gomperz in Wien über
mittelt eine für die Sitzungsberichte bestimmte Abhandlung:
,Neue Bruchstücke Epikur’s, insbesondere über die Willensfrageh
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Akademie der Wissenschaften,- kgl. prenss. zu Berlin: Monatsbericht.
Januar 1876. Berlin; 8°.
Crozier, Le Comte de, L’art Khmer. Etüde historique sur les monuments
de l’ancien Cambadge etc. Paris 1875; 8°. — La Perse et les Persans.
Nasr-Eddin-Schah, le nouvel Iran et l’equilibre asiatique. Paris 1873; gr. 8°.
Geologieal and Geographical Survey of the Territories of the United
States: Bulletin. Vol. II, Nr. 1. Washington, 1876; 8°.
6
Gesellschaft, k. k. geographische, in Wien: Mittheilungen. XVIII. Band
(neuer Folge VIH.); Band XIX (neuer Folge IX), Nr. 3. Wien, 1875
und 1876; 8».
Mittheilungen aus J. Perthes’ geographischer Anstalt. 22. Band, 1876,
Heft III. Gotha; 4».
Report, Annual, of the trustees of the Astur Library of the City of New-
York. Albany, 1876; 8°.
,Rc v u e politique et litteraire 1 et ,Revue scientifique de la France et de
l’Etranger, V° Annee, 2 C Sdrie, N OB 41—42. Paris, 1876; 4°.
Society, The Asiatic, of Bengal: Bibliotheca Indica. N. S. Nr. 327 und 329.
Calcutta, 1875; 8°.
Verein, Militär-wissenschaftlich er in Wien: Organ der Militär-wissenschaft
lichen Vereine. Band III—XI, Band XII, 1.—3. Heft, nebst Separat-
bcilage. Wien, 1871—1876; 8°.
— histor., für Niedersachsen: Zeitschrift: Jahrgang 1874/75. Hannover, 1875;
8°. ■— 37. Nachricht. Hannover, 1875; 8°.
— histor., der Pfalz: Mittheilungeu. V. Speier, 1875; 8°.
— für Kunst und Alterthum in Ulm und Oberschwaben: Correspondenzblatt.
I. Jahrgang. 1876. Nr. 3. Ulm; 4°.
*
Pfizmaier. Aufzeichnungen aus dom Reiche I-se.
7
Aufzeichnungen aus dem Reiche I-se.
Von
Dr. August Pfizmaier,
wirklichem Mitgliede der kais. Akademie der Wissenschaften.
Ueber den Ursprung- des unter dem Namen
I-se mono-gatari bekannten Werkes wurden schon in den alten
Zeiten in Japan Forschungen angestellt, die jedoch zu keinem
sicheren Ergebniss führten. Einige sagten, das Werk sei von
den Anführern der Leibwache des Inneren eigenhändig nieder
geschrieben worden. Andere sagten, es seien hier und dort
zu Stande gebrachte, gelegentliche Aufzeichnungen von Schrift
stellern des Reiches I-se. Den Menschen des Alterthums war
somit die Entdeckung des Verfassers nicht gelungen, und sie
mussten sich, wie man in Japan von der Sache sagt, mit den
,Bliithen der Ausdrücke und den Blättern der Worte' begnügen.
Mono-gatari hat eigentlich die Bedeutung: Geschichte,
geschichtliche Erzählung. Seit dom Erscheinen des I-se mono-
gatari wird es, wie es in diesem Werke geschehen, auch in
dem Sinne des jetzt üblichen so-zi ,Schreibebuch'
gebraucht und entspricht dem Worte ,Aufzeichnungen'.
Diese Aufzeichnungen bestehen in kurzen Berichten über
Begebenheiten des gewöhnlichen Lebens, wobei besonders das
Seelenleben und Gefühle hervorgekehrt werden und beziehen
sich, wo eine Zeitangabe sich findet, auf das neunte Jahr
hundert unserer Zeitrechnung. Dieselben mögen ungefähr um
das Ende des zehnten und den Anfang des eilften Jahrhunderts
verfasst worden sein. Die erklärenden Bemerkungen, welche
einige wenige Male Vorkommen, sind wohl nur Interpolationen
von Seite der ersten Herausgeber. Der Text ist mit zahlreichen
Versen durchwebt, von denen mehrere in die verschiedenen
8
Pfizmaier.
seitdem veranstalteten Gedichtsammlungen aufgenommen wurden,
die meisten jedoch dem Werke eigenthümlich bleiben.
Das Werk, obwohl in beinahe ganz reiner japanischer
Sprache geschrieben, bietet, wie alle in jener Zeit verfassten
Werke dieser Art, für das Verständniss sehr bedeutende Schwie
rigkeiten, weil die Schreibart von derjenigen anderer Schriften
abweicht und den allgemein gütigen Regeln der Grammatik
und Wortfolge häufig keine Rechnung getragen wird, überdies
viele Wörter, Ausdrücke und Bedeutungen in den Wörter
büchern fehlen. Das Wichtigste in Bezug auf diese Abwei
chungen wurde am Schlüsse der einzelnen Abschnitte erläutert,
das Uebrige kann, wenn es sich um ein tieferes Eingehen
handelt, für den Kenner aus einer Vergleichung des Textes
mit der Uebersetzung ersehen werden.
Die von dem Verfasser für diese Abhandlung benützte,
aus Holland bezogene Ausgabe erschien zum ersten Male zu
Mijako, im fünften Jahre des Zeitraumes Kuan-sei (1793 n. Chr.)
und wurde in den Jahren des Zeitraumes Mon-kua (1804 bis
1817 n. Chr.) wieder abgedruckt. Dieselbe enthält den Text
durchgängig in Firakanaschrift mit nur wenigen chinesischen
Zeichen, die eben ihrer geringen Anzahl wegen in dieser Ab
handlung sämmtlich wiedergegeben wurden, indessen nicht ein
einziges erläuterndes Wort. Der Umstand, dass auch die Wörter
chinesischen Ursprungs grösstentheils in Firakana geschrieben
sind, trug zur Erschwerung des Verständnisses wesentlich bei.
Das grosse philologische Werk Wa-kun-siwori war bei aller
Weitläufigkeit nicht immer genügend und bisweilen auch man
gelhaft.
Es gibt nebstdem eine mit wahren Schriftzeichen (chine
sischer Wörterschrift) geschriebene Ausgabe des I-se mono-
gatari, deren Schreibweise das Wa-kun-siwori öfters unbegreiflich
findet. Es ist nicht wahrscheinlich, dass dieser mit wahren
Schriftzeichen geschriebene Text der älteste ist.
In dieser Abhandlung wurde etwas über die Hälfte des
in Firakana geschriebenen Textes des I-se mono-gatari bear
beitet und die bereits oben angedeuteten Erklärungen hinzu
gefügt, womit beide Zwecke, welche dem Verfasser in Bezug
auf das Werk vor Augen schwebten, sowohl der sprachliche
als der culturhistorische, vorläufig erreicht sein dürften.
Aufzeichnungen aus dem Reiche I-se.
9
Mukasi [ fingasi-no {go-deo)-ni \ o-o-kisai-no mija
owasi-masi-keru I ( nisi)-no tai-ni a a {sumu fi to ) 'fä
(ari-)kerL Sore-wo fo-i-ni-wa arade ' (kotöoro) - zasi fuka-kari-
keru A (fito) ßy | (jüki)-toburai-keru-wo \ rau- (tsuki)-no
+ 0 (towo-ka) bakari-no fodo-ni I M- (foka)-ni kakure-ni-
keri. Ari- m (dokoro)-wa ldke-do I A (fito)-no iki-kajö-belci
(tokoro)-ni-mo arazciri-kere-ba 3jj|j naivo usi-to (omoi)-
tsutsu nan ari-keru \x (raata)-no tosi-no mu- (tsuki)-ni |
mume-no ^ (fana)-zakari-ni ko-zo-wo Jcoi-te \ iki-te A
(tatsi)-te M, (mi) ivi-te (mi) \ mire-do \ ko-zo-ni niru-beku-mo
arazu. TJtsi-naki-te abara-naru ita-ziki-ni \ (tsuki)-no kata-
buku made \ fuseri-te \ ko-zo-wo omoi-idete jomeru.
Einst war ein Mensch, der in dem östlichen fünften Viertel,
auf der westlichen Erdstufe, dem Wohnsitze der Kaiserin Mutter,
wohnte. Zu diesem ging, ohne eine Absicht zu haben, ein von
Vorsätzen fester Mensch zu Besuche und war um die Zeit des
zehnten Tages des ersten Monats auswärts verschwunden. Man
erfuhr zwar seinen Aufenthaltsort, doch da es den Menschen
nicht möglich war, dahin zu gelangen, so verfiel Jener auf immer
traurigere Gedanken. Im ersten Monate des nächsten Jahres,
zur Zeit der Blüthenfülle der Pflamnenbäume, bat er um das
vergangene Jahr. Er ging, blickte stehend hin, blickte sitzend
hin. Wie er auch hinblickte, es konnte keine Aelinlichkeit mit
dem vergangenen Jahre sein. Er weinte, lag auf dem wüsten
Bretterboden bis der Mond sich neigte und dachte an das ver
gangene Jahr.
ß\ Tsuki-ja aranu (f aru )~j a mukasi-no (faru)
naranu xoaga J|p ('mi) fito-tsu-wci moto-no J|p (mi)-ni site.
Der Mond wohl nicht ist, | der Frühling ist der einstige |
Frühling nicht, | mein Leib allein, | indess der frühere Leib
er ist. 1
to jomi-te \ % (jo)-no fono-bono-to akuru-ni \ naku-naku
kajeri-mi-keri.
Er dichtete diese Verse, und als der Morgen dämmerte
kehrte er weinend zurück.
1 In dem Ko-kon-siü enthalten.
10
Pfizmaier
Mukasi \ (otoko) ari-keri | j|f (fingasi)-no J
(j/o-deo) icatari-ni \ ito (sino) bi-te iki-keri. MisoJca-naru
pjy (tohoro) nare-ba | (kado)-j ori-mo je-irade \ warawabe-no
fumi-ake-taru \ tsmci-dzi-no kudzure-jori \ kajoi-keri. A (Fito)
sigeku-mo arane-do | tabi kascmari-kere-ba \ aruzi kiki-tsukete\
sono kajoi-dzi-ni \ Ä (jo)~goto-ni A (_jito)-ivo sujete | mamorase-
kere-ba \ ike-domo je-awade Icajeri-keri. Säte Ijomeru.
Einst war ein Mann, der zu der Durchfahrt des östlichen
fünften Viertels auf sehr heimliche Weise ging-. Da es ein
verschlossener Ort war, konnte er bei dem Thore nicht herein
und er nahm seinen Weg durch eine verfallene Mauer, in
welche die Knaben eine Oeffnung getreten hatten. Es waren
daselbst zwar nicht viele Menschen, doch als er es mehrmals
wiederholte, erfuhr es der Besitzer, stellte vor diesen Durchweg
jede Nacht Leute und liess ihn bewachen. Jener kam, doch
er konnte nicht hinzu gelangen und kehrte zurück. Er sagte
jetzt die Verse:
(Fito) sirenu loaga kajoi-dzi-no seki-mori-wa joi-joi-
goto-ni utsi-mo ne-narcm.
Meines den Menschen nicht | bekannten Durchweges j
Gränzpasswäehter, | jede Nacht, jede Nacht | wird er fest
schlafen. 1
to | jomeri-kere-ba | ito ita-u | (kokoro)-jami-keri. Aruzi
jurusi-te-geri. Fl jj^ (Ni-deo)-no (kisaki)-ni \ sinobi-te
ma-iri-keru-wo \ [tt (jo)-no ^ (Jcikoje) ari-kere-ba j se-udo
(tatsi)-no mamorase- (tamai)-keru-to-zo.
Er war sehr schmerzlich im Herzen betrübt. Der Besitzer
erlaubte es ihm. Jener besuchte heimlich die Kaiserin Ni-deo.
Als dieses in der Welt ruchtbar ward, hielten die Brüder (der
Kaiserin) Wache.
(Mukasi) | (otoko) ari-keri ^ (ivomina)-no je-u-
mazi - kari - lceru - wo | (tosi)-ioo fete \ jowai loatari - keru - wo
kara-u-zite nusumi- JJj (ide) te ito kuraki-ni kikeri. Aku-ta- J [|
(gmoa)-to iii jpf (kawa)-ioo ici-te iki-kere-ba j^V (ltusa)-no uje-ni
woki-tari-keru (tsuju)-iuo \ kare-wa nani-zo-to nan \
1 Tn dem Ko-kon-siü enthalten.
Aufzeichnungen aus dem Reiche I-se.
11
(otoko)-ni toi-ke.ru. Juku. saki o-oku \ jo-mo fuke-ni-kere-ba |
oni aru (tokoro)-to-mo sirade | )]j|jl (kamt) saje ito-imizi-ü
nari. j^j Ame-mo ita-ü furi-kere-ba \ abara-naru kura-ni I*
(womma)-ioo-ba oku-ni osi-irete | otoko (_jumi) janagui-wo
oi-te to-gutsi-ni wori \ faja jo-mo ake-nan-to M (pviOl)-
tsutsu | wi-tari-kerü-ni oni faja fito-gutsi-ni \ kui-te-geri. Ana-
ja-to i-i-keve-do \ ]|j|Jj (kami)-naru sawagi-ni je-kikazari-keri.
Jo-mo ake-juku-ni mire-ba \ ivite ko-si k (womind)-mo nasi.
Asi-zuri-wo site nake-domo ka-i-nasi.
Einst war ein Mann, der ein Weib nicht erlangen konnte
nnd den es kränkte, das& er die Jahre verbrachte und dem
Alter entgegenschritt. Er entführte sie und man hörte von
ihm sehr dunkel. Er ging mit ihr zu einem Flusse Namens
Aku-ta-gawa. Hinsichtlich des Thaues, der über die Gräser
gelegt war, fragte sie den Mann, was dieses sei. 1 Die Orte,
zu denen sie gingen, waren viele, und als es tief in der Nacht
wurde, waren sie von Geist, ohne zu wissen, dass es ein von
Dämonen bewohnter Ort sei, nur sein- lebhaft. Als es heftig
regnete, schob der Mann das Weib in das Innere einer wüsten
Scheune und weilte, auf dem Rücken Bogen und Köcher tra
gend, vor dem Eingang. Während er in dem Gedanken war,
dass es bald tagen werde, hatte sie schon ein Dämon in einem
einzigen Schlucke verzehrt. Sie rief zwar Ach, doch bei der
Verwirrung des Geistes konnte er es nicht hören. Als es zu
dämmern begann und er hinblickte, war das Weib, mit welchem
er gekommen war, nicht da. Er rieb die Füsse aneinander
und weinte, doch es half nichts.
aSzVu-^ (tama)-ga mmi-zo-to A (Jito)-no toi-si (Jiijp (toki)
tsuju-to kotajete kije-namasi- (monofwo.
Der weisse Edelstein, | was ist er? | Als dies die Men
schen fragten, | war die Antwort: Es ist Thau. ] 0 dass er
vergehen möchte! 2
Kore-wa Zl. (;ii-deo)-no | Jgf {Icisaki)-no \ itolco-no
k (nio-go)-no (onfmoto-ni tsukhmatsuru jo-nite toi- -p-
(tama) jeri-keru-wo katatsi-no ito me-de-taku owasi-keve-ba \
nusumi-te oi-te jjj (ide)-tari-keru-ivo i» (on)-se-udo fori-
1 Ist aus den unten folgenden Versen zu erklären.
2 In dem Sin-ko-kon-siu enthalten.
12
Pfizmaier.
gawa-no otodo \ ta-ra-u kuni tsune-no dcti-na-gon \
viada ""J\ (ge)-ra-u-nite j^J (utsi)-je ma-iri- jjs (tama) fu-ni \
imizi-ü naku A (fito) aru-ioo kiki-tsukete | todomete tori-kajesi-
^ {tama) fute-lceri. Sore-wo kaltu oni-to-wa iü nari-keri. Mada
ito waka-ute Jpj (kisaki)-no tada-ni oioasi-keru (toki)-to-ja.
Dieses Weib diente gewissennassen bei der Gemalin des
Vetters der Kaiserin Ni-deo. Da sie von Gestalt sehr ausge
zeichnet war, verfolgte man den Entführer und war hinaus
getreten. Der ältere Bruder, der grosse Diener von Fori-gawa,
grosser Leibwächter und beständiger Rath des Reiches, war
noch ein niederer Leibwächter. Als 1 er in das Innere zum Be
suche kam, hörte er, dass ein heftig weinender Mensch da sei.
Er hatte sie angehalten und zurückgenommen. Man hatte ihn
somit einen Dämon genannt. Es war wohl zu einer Zeit, wo
die Kaiserin noch sehr jung war und einfach wohnte.
Je-u-mazi hat den Sinn von * tfc # je-ajezu, sich
nicht getrauen, zu erlangen. Kara-u-zite ,gekränkt' ist von
^ karasi ,scharf von Geschmack' abgeleitet.
Fito-gatsi ist —■ |U ,ein Mundvoll'.
Mukasi | otoko (ari)-keri | jjf (mijako)-ni ari-wabi-te \
adzuma-ni iki-keru-ni \ i-se owari-no awai-no \ (umi)-dzura-wo
ff (juku)-ni | nami-no ito siroku tatsu-wo mite.
Einst war ein Mann, der ungern in Mijako war und der
in die östlichen Gebiete reiste. Auf dem die Gränze zwischen I-se
und Owari bildenden Meere schiffend, sah er die Wellen sehr
weiss sich erheben und dichtete die Verse:
Itodosi-ku sugi-juku kata-no (koi)-siki-ni urajamasiku-mo
kaje.ru nami kana.
Der mit Heftigkeit | vorüberziehenden Fluth | in Sehn
sucht | eifernd auch | zurückkehrende Wellen! 1
to-nan jomeri-keru.
Mukasi | Jlj otoko ari-keri | jjt (mijako)-ja sumi-ukari-
ken | adzuma-no kata-ni juki-te | sumi- fijf (dokoro) motomu tote |
(tomo)-to suru {fito) | fitori-futari-site ff {juki)-keri.
Sina-no-no ® {kuni) asa-ma-no dake-ni kefuri-no tatsu-wo mite.
1 In dem Go-sen-siü enthalten.
Aufzeichnungen aus dem Kelche I-se.
13
Einst war ein Mann, für den der Aufenthalt in Mijako
wohl traurig gewesen sein wird. Er reiste in die östlichen
Gebiete und ging, um einen Wohnplatz zu suchen, in Beglei
tung eines oder zweier Menschen einher. Er sah, dass von
der Höhe des Asa-ma in dem Reiche Sina-no Rauch aufstieg.
Sina-no-naru asa-ma-no dake-ni tatsu >^ (kefuri) ivotsi-
kotsi A (fito)-no mija-iva togame-nu.
Der von der Höhe | des Asa-ma in Sina-no | aufsteigende
Rauch | hat die Paläste der nahen und fernen | Menschen einer
Schuld gezieh’n. 1
Ukari ist die Zusammenziehung von uku ari, es traurig
haben.
'Up (Mukasi) | otoko ari-keri \ sono otoko J|p (mi)-wo
je-u- naki #1 (mono)-ni M (omoi)-nasi-te (mijako)-ni-wa
arazi \ adzuma-no kata-ni sumu-beki kuni motome-ni tote juki-
keri. Moto-jori (tomo)-to suru A (fito) | fitori-futari-site
iki-keri. Mitsi sireru A (fito)-mo naku-te \ madoi-iki-keri. Mi-
kawa-no kuni | ja-tsu fasi-to iü (tokoro)-ni itari-nu. So-ko-wo
ja-tsu fasi-to i-i-keru-wa A (midzu)-juku ?bT (kawa)-no kumo-de
nare-ba | fasi-wo ja-tsu wataseru-ni jori-te nan \ ja-tsu fasi-to
i-i-ke.ru; Sono sawa-no fotovi-no \ A (ki)-no kage-ni \ ori-wi-te |
kare-i-i kui-keri. Sono saiua-ni \ kaki-tsu-bata-no ito omo-siroku
saki-tari. Sore-wo mite aru A (fito)-no iwaku \ kaki-tsu-bata-to
iü i-tsu mo-zi-wo ku-no lcami-ni sujete \ jjffc (tabi)-no (Icokoro)-
voo jome-to i-i-kere-ba pff (jome) ru.
Einst war ein Mann, der sich als ein unnützes Wesen
betrachtete und, nicht in Mijako lebend, fortzog, um in den
östlichen Gegenden ein Reich zu suchen, wo er wohnen könne.
Er reiste von Hause aus in Begleitung eines oder zweier
Menschen. Da Niemand war, der den W T eg kannte, so ver
irrten sie sich. Sie gelangten zu einem Orte in dem Reiche
Mi-kawa, welcher ,die acht Brücken' heisst. Dass man diesen
Ort ,die acht Brücken' nennt, ist desswegen: Wenn der mit
Wasser gehende Fluss zu Spinnenhänden wird, schlägt man
acht Brücken darüber. Man nennt ihn daher ,die acht Brücken'.
Zur Seite dieses Flüsschens stiegen sie in dem Schatten der
1 In dem Sin-ko-kon-siü enthalten.
14
Pli 7. m a i e r.
Bäume ab und verzehrten trockene Reisspeise. An diesem Flüss
chen blühten die Schwertlilien sehr lieblich. Bei diesem An
blicke sagte Einer: Lasset uns ein Gedicht auf die Reise
verfertigen, in welchem die fünf Schriftzeichen für Schwertlilie
(kaki-tsu-ba-ta) an die Spitze der Verse gesetzt sind. Man
dichtete:
Kara- (koromo) ki-tsutsu nare-ni-si tsuma-si are-ba
faru-baru ki-nuru tabi-ivo si-zo & (omo) fu.
In das Chinakleid | gekleidet, an die wir gewöhnt sind, |
die Gattin, indem wir haben, | weither gekommen, | der Reise
wir gedenken. 1
to \jomeri-kere-ba j mina A (fito) kare-i-i-no uje-ni \ namida
otosi-te fotobi-ni-ken. \7 Juki-juki-te suruga-no kuni-ni
itari-nu. TJ-tsu-no |_[j (jama)-ni itari-te \ waga iran-to suru i{||
(mitsi)-wa ito kurafu fosolci-ni | tsuta kajede-iva sigeri. (Mono)
Aj) (kokoro)-bosoku \ suzuro-naru me-wo Ä (mi) ru (lcoto)-to
Jg> (omo) fu-ni | su- ^y (gi'o-zija) ai-tari. Kakaru
(mitsi)-wa \ ikade-ka imasuru-to iü-wo & (mi) re-ba \ mi-si
A (fito) nari-keri. jyi Mijako-ni sono A (fito)-no n (on)-
moto-ni tote \ fiumi kaki-te tsuku.
Als man dieses gedichtet hatte, Hessen Alle auf die
trockene Reisspeise Thränen fallen und erweichten sie. Sie
gingen immer weiter und gelangten in das Reich Suruga. Als
sie zu dem Berge U-tsu gelangten, war der Weg, den sie ein-
schlagen wollten, sehr dunkel und schmal, Epheu und Ahorn
standen dicht. Beängstigt und in dem Gedanken, dass ihnen
etwas Zufälliges widerfahre, begegneten sie mehreren Pilgern.
Als sie, nicht wissend, wie auf einem solchen Wege ein Ver
meiden möglich sei, hinblickten, waren es Menschen, die man
schon gesehen hatte. Es war in Mijako, in der Wohnung dieser
Menschen. Man schrieb eine Schrift und gab sie ihnen.
Suruga-naru v-tsu-no |Jj (jama)-be-no utsutsu-ni-mo jume-
ni-mo (fito)-ni aioanu nari-keri.
In der sichtbaren Welt | der Bergseite des U-tsu | in
Suruga | ist man im Traume selbst | den Menschen nicht be
gegnet. 2
1 I11 dem Ko-kon-siü enthalten.
2 In dem Sin-ko-kon-siu enthalten.
Aufzeichnungen aus dem Reiche I-se.
15
Fu-zi-no jama-wo Ä (mi) re-ba, \ sa- Jß (tsuki)-no tsugomori-
ni | (Juki) ito siro-ü fure.ri.
Als sie den Berg Fu-zi erblickten, war an dem ersten
Tage des fünften Monats der Schnee sehr weiss gefallen.
(Tolci) siranu [Jj (jama)-wa fu-zi-no ne itsu-tote-ka
ka-no ko madara-ni (juki)-no furu-ramu.
Der die Zeit nicht kennt, der Berg, | der Fu-zi, auf
seinem Gipfel | immerhin wohl | wie das Hirschkalb bunt | der
Schnee wird fallen. 1
Sono |Jj (jama)-wa \ koko-ni tatoje-ba \fi-je-no jjj (jama)-ioo
fata-tsi bakari kasane-age-taran fodo-site | nari-wa siwo-ziri-no
jb-ni nan ßß (ari)-keru. (Nawo) juki-juki-te musasi-no
kuni-to simosa-no kuni-to-no pfcf (naku)-ni \ ito o-oki- naru m
(kawa) ari | sore-wo sumi-da- m (gawa)-to iü. Sono W (lcawa)-no
fotori-ni \ mure-wite M (omoi)-jare-ba \ kagiri-naku towoku-mo
ki-ni-keru kana-to \ wabi-ajeru-ni | watasi-mori \ faja (fune)-ni
nore | Q (fi)-mo (kure)-nu-to iü-ni \ nori-te m (wata)
ran-to suru-ni WA (mina-fito) mono-wabi-sikvrte | (mijako)-ni
& (omo) fu A (fito) naki-ni-si-mo arazu. 8aru ivori-si-mo \
siroki 1 |k (tori)-no \ fasi-to asi-to akaki | sigi-no o-okisa-naru \
* (midzu)-no uje-ni \ asobi-tsutsu iwo-wo kü. Tjf (.Mijako)-
ni-wa (mi) jenu 1 |=h (fori) nare-ba | mina A (fi to ) ßL (mi)-
sirazu. Wata-mori-ni toi-kere-ba köre nan
dori)-to iü-tvo kiki-te.
Als man diesen Berg hier verglich, war er so gross, als
ob man den Berg Fi-je zwanzig Jahre hindurch aufthürmen
würde. Von Gestalt war er gleich einer Reibeschüssel. Als
sie immer weiter zogen, befand sich zwischen den Reichen
Musasi und Simosa ein sehr grosser Fluss. Dessen Name war
Sumi-da-gawa. Zur Seite dieses Flusses inmitten einer Schaar
weilend und die Gedanken bannend, beklagte man sich in
Gemeinschaft, dass man aus einer gränzenlosen Ferne gekommen.
Der Fährmann sprach: Steiget in das Schiff, es ist Abend
geworden. — Als sie einstiegen und hinüberschiffen wollten,
fühlten sich Alle unglücklich und Keiner war, der nicht an
Mijako dachte. Um die Zeit schwammen weisse Vögel mit
(mijako-
1 In dein Sin-kon-siü enthalten.
16
P f i z m a i e r.
rothen Schnäbeln und Füssen, von der Grösse der Schnepfen,
auf dem Wasser umher und verzehrten Fische. Da es Vögel
waren, die man in Mijako nicht sieht, wurden sie von Keinem
gekannt. Sie fragten den Fährmann und hörten, dass sie Vögel
von Mijako heissen.
(Na)-ni si owa-ba iza koto-towan mijciko-dori waget
omofu A (fito)-wa ari-ja nasi-ja-to.
Mit dem Namen wenn er sich trägt, | der Vogel von
Mijako, | wohlan! den ich fragen werde: | Die Menschen, an
die ich denke, | sind sie oder sind sie nicht? 1
to | jomeri-kere-ba ft (fune) kozori-te naki-ni-keri.
Als man diese Verse gesprochen, weinte das ganze Schiff.
Je-u-naki an dieser Stelle wird auch jo-u-naki ,unnütz'
gelesen. Die Schreibung je-fu-naki, welche für diese Stelle
sonst vorkommt, wird für unbegreiflich gehalten. Man findet
auch ja-u-naki, wobei ja-u als das Koje von ,Nutzen' be
trachtet wird.
Das Wort kumo-de ,Spinnenhand' bezeichnet sonst die
Querbalken, welche die Pfeiler einer Brücke festhalten. An
dieser Stelle ist der Sinn ungewiss. Man glaubt, dass das
fliessende Wasser mit Spinnenhänden Aehnlichkeit habe.
Ori-wite ist w % ori-wite ,absteigend', nämlich von
den Pferden. ,
Ku in ku-no kami ist 'pjj ku, Vers oder Abschnitt eines
Gedichtes.
Der Name Schwertlilie besteht aus den fünf Schriftzeichen
ka ki tsu fa ta. Dieselben werden je einem Verse vorgesetzt,
nämlich ka bei dem Worte kara-lcoromo, ki hei lci-tsutsu, tsu
bei tsuma, fa bei faru-baru, ta bei tabi.
(Mukasi) | JfJ (otoko) \ musasi-no |||| (kuni) made
madoi-ariki-keri. Säte sono |g5| kuni-ni am A (womina )-wo
jobai-keri. ^ (Tsitsi)-iva koto- (fito)-ni awasen-to i-i-keru-wo \
ft fawa nan ate-naru ^ (fito)-ni ^ (kokoro) tsuke-tari-keru.
^ (Tsitsi)-wa naivo- A (fito)-nite | (fawa) nan fudzi-wara
nan-keru. Säte nan ate-naru A (fito)-ni-to (omoi)-keru.
1 In dem Ko-kon-siü enthalten.
Aufzeichnungen aus dem Reiche I-se.
17
Hfc (Kono) muko-gane-ni jom/i-te wokose-tari-keru. Sumu m
(tokoro) nan \ iru-ma-no Jcowori mi-josi-no-no J|1 (sato) nari-keru.
Einst wanderte ein Mann umherirrend bis zum Reiche
Musasi. Er freite endlich um ein in diesem Reiche lebendes
Mädchen. Der Vater sagte, dass er sie mit einem anderen
Menschen verbinden wolle. Die Mutter hatte ihre Gedanken
auf einen vornehmen Menschen gerichtet. Der Vater war ein
gerader Mann, die Mutter war von dem Geschlechte Fudzi-
wara. Sie dachten somit an den vornehmen Menschen. Sie
schickten an diesen vorläufigen Bräutigam ein Gedicht. Der Ort,
wo sie wohnten, war das Dorf Mi-josi-no in dem Kreise Iru-ma.
Mi-josi-no-no tanomu-no kari-mo fitaburu-ni ^j. kimi-ga
kata-ni-zo joru-to naku naru.
Die vertrauende | Gans von Mi-josi-no | ewiglich | an des
Gebieters Seite | sich lehnend geht verloren.
Die Antwort des vorläufigen Bräutigams (muko-gate):
Waga kata-ni joru-to naku naru vL mi-josi-no-no
tanomu-no kari-ivo itsu-ka wasuren.
Die an meine Seite | sich lehnend, verloren geht, | die
vertrauende Gans | von Mi-josi-no, | eines Tages werd’ ich sie
vergessen.
to nan I A (fito)-no Icuni-nite-mo | nawo kakaru koto nan
jamazari-keru.
In dem fremden Reiche stand man von einer solchen Sache
noch immer nicht ab.
Ate-naru wird in dem mit wahren Schriftzeichen geschrie
benen Ise-monogatari durch ,hoch und vornehm' aus
gedrückt. Es wird indessen angenommen, dass ate eigentlich
ana- jtj/ (taje), ein Ausruf der Verwunderung sein könne. Die
Rückkehr von taje (tafe) ist te. Nach einer Erklärung ist
ate so viel als uwa-te ,die obere Hand'. Die Rück
kehr von uwa (ufa) ist a.
Das Wort muko-gane kommt nur in diesem Buche vor.
Man glaubt, dass kane den Sinn von -||| kanete ,vorläufig'
habe. In dem Jei-kua monogatari findet man auch kisaki-gane
,vorläufige Kaiserin' und Anderes.
Jomi-te, ein Wort, das nirgends erklärt wird, kann einen
Lesenden, Jemanden, der ein Gedicht hersagt, bedeuten.
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. LXXXIII. Bd. I. Hft,
18
P f i z m a i e r.
Mukasi | (otoko) | adzuma-je jy (juki)-keru-ni | ^
(tomo)-datsi-domo-ni \ mitsi-jori i-i-wokose-keru.
Einst war ein Mann, der nach den östlichen Gegenden
reiste und an seine Freunde von dem Wege das folgende
Wort schickte:
Wcisure-na-jo fodo-wa (kumo)-wi-ni (nari)-nu-to-mo
sora juku (tsuki)-no meguri-afu made.
Vergesset nicht! | Um die Zeit der Wolkensitz | mag er
auch geworden sein, | bis der am Himmel wandernde Mond
umkreisend sich vereint. 1
Mukasi \ otoko ari-keri I A (fito)-no musume-ivo
nusumi-te | musast-no be wi-te ^y (juku) fodo-ni \ nusu-
(bito) nari-lcere-ba \ kuni-no kami-ni karamerare-ni-keri. -^jr
(Omina)-wo-ba (kusa)-mura-no pj^ (naka)-ni woki-te nige-
ni-keri. Mitsi-kuru A <$*>) i ilfc m (kono no)-wa nusu- A
(bito) a(n)-nari tote (fi) tsuken-to su A (womina) wabi-te.
Einst war ein Mann, der die Tochter eines Menschen
entführte, mit ihr in die Gegend von Musasi zog und ein Räuber
wurde. Er war nahe daran, von dem Statthalter des Reiches
gebunden zu werden. Er setzte das Weib zwischen das hohe
Gras und entfloh. Die des Weges daherkommenden Menschen
glaubten, dass auf dieser Ebene Räuber seien und wollten Feuer
anlegen. Das AVeib war in Verzweiflung.
Musasi- (no)-iva kefu-wa na-jaki-so ivaka- jpt_ (knsa)-no
tsuma-mo komoreri toare-mo komoreri.
Das Feld von Musasi | heute man nicht verbrenne! | Der
zarten Pflanzen | Gattin ist hier verborgen, | auch ich bin
verborgen. 2
to | jomi-keru-wo kiki-te j A (womina)-wo-ba tori-te j tomo-ni
icite ini-keri.
Als sie dieses Gedicht hörten, nahmen sie das AVeib und
gingen mit ihr fort.
A-nari, auch an-nari gelesen, steht für aru nari ,es ist
vorhanden*.
1 In dem Siu-i-siü enthalten.
2 In dem Ko-kon-siü enthalten.
Aufzeichnungen aus dem Reiche I-se.
19
(Mukasi) | musasi-naru (otoko) \ (mijako)-naru
k (womina)-no moto-ni \ kikojure-ba fadzuhasi \ kikojene-ba
lcuvusi-to kaki-te | uwa- ^ (gaki)-ni niusasi-abumi-to (kaki)-te |
ivokosete % A notsi-iooto-mo sezu (nari)-ni-kere-ba Tjf
( mijako)-jori (womina).
Einst schrieb ein Mann in Musasi an ein Weib in Mijako:
Wenn ich von dir höre, bin ich beschämt. Wenn ich nichts
höre, bin ich betrübt. Er schrieb auf den Umschlag ,Steigbügel
von Musasi' und schickte es ab. Als er später nichts mehr
schrieb, schickte ihm das Weib aus Mijako die Verse:
Musasi-abumi sasuga-ni kakete tanomu-ni-ica towanu-mo
tsurasi tofu-mo urusasi.
Den Steigbügel von Musasi ] in Wirklichkeit anhängend |
und hoffend, | wenn ich nicht frage, bin ich traurig, [ wenn ich
frage, bin ich verdrossen.
to aru-wo Ä (mi) te nan \ taje-gataki kolcotsi-si-keru.
Als er diese Verse sah, hatte er das Gefühl der Un
erträglichkeit.
Toje-ba ifu towane-ba uramu musasi- (abumi) kakaru
ori-ni-ja A (fito)-wa sinu-ramu.
Wenn man fragt, bin ich traurig. | Wenn man nicht fragt,
bin ich böse. | Der Steigbügel von Musasi, | um die Zeit, wo
er angehängt ist, | werden die Menschen gestorben sein.
Musasi-abumi ,Steigbügel von Musasi' ist ein hölzerner
Steigbügel von der Art wie in gegenwärtiger Zeit der Steig
bügel 3E. A- go-roku-gake. Man vermuthet, dass derselbe
diesen Namen desswegen erhalten hat, weil man ehemals viele
Menschen aus Kö-rai zur Niederlassung in Musasi bewog.
Ifu in toje-ba ifu findet sich nirgends erklärt. Es ist
ohne Zweifel die Lautumwendung von |||j u, welches seiner
seits die Abkürzung von ure-u, traurig.
Mukasi | fßj (otoko) mitsi-no Q (kuni)-ni \ suzuro-ni fr
(juki)-itari-ni-keri. So-ko-naru k (womina) \ Jjp mijako- no
A (fito)-ioa medzuraka-ni-ja oboje-lcen \ setsi-ni jfj, (omo) jeru
Aj) (kokoro) nan ari-keru. Säte kano k (womina).
Einst gelangte ein Mann auf seiner Reise unabsichtlich
in das Reich Mutsu. Ein dort lebendes Weib mochte einen
2*
■
20
Pfizmaier.
Menschen aus Mijako als etwas Seltenes betrachtet haben und
sehnte sich stark nach ihm in ihrem Herzen. Endlich sagte
dieses Weih:
(Naka)-naka-ni koi-ni sinazu-wa kuwa-go-ni-zo naru-
be-kari-keru (tama)-no wo bakari.
In der That | vor Liebe wenn man nicht stirbt, | muss
ein Seidenwurm | geworden sein | der Edelsteine Schnur.
Uta saje-zo fina-nabi-tari-heru. Sasuga-ni aware-to-ja
omoi-lcen \ iki-te ne-ni-keri. Jo fukaku (ide)-ni-kere-ba
(womina).
Dieses Lied war nur gemein. Er wird in der That Mitleid
empfunden haben. Er ging hin und schlief bei ihr. Als es
tiefe Nacht geworden war, sagte das Weib:
$ Jo-mo ake-ba kitsu-ni fame-nade kuda-kake-no mada-
ki-ni 1](T (naki)-te sma-wo jari-tsjJ.ru.
Wenn der Morgen graut, | dem Fuchse man nicht zu
essen gibt, | der Haushahn, | frühzeitig krähend, | schickt den
Bruder fort.
to | ijeru-ni | otoko (mijako)-je nan makaru tote
Der Mann sagte, dass er nach Mijako fortziehen werde.
Kuri-wara-no ane-wa-no (matsu)-no A (fito) nara-ba
mijako-no tsuto-ni iza-to iwamasi-wo.
Wenn es ein Mensch | der schwesterlichen Fichte | von
Kuri-wara ist, | an dem Morgen von Mijako | wohlan! werd ! ich
es sagen.
to ijeri-kere-ba | jorokoboi-te \ omoi-kerasi-to-zo i-i-wori-kern.
Als er dieses gesagt, blieb sie dabei, zu sagen: Ich habe
freudig dessen gedacht.
Mitsi hiess ehemals das Reich Mutsu.
Tama-no «to,die Edelsteinschnur 1 bezeichnet die Lebensdauer.
Kitsu-ni fame-nade ,indem man dem Fuchse zu essen
gibt“ wurde in den ,poetischen Ausdrücken“ für einen Imperativ
gehalten. Wie
dunklen
aus den übrigens dunklen Erklärungen des
Wa-kuu-siwori hervorgeht, ist fame so viel als famase ,essen
lassen“ und nade die Endung des negativen Participiums. Es
wird angegeben, dass fame-nade so viel als famade und in der
lebenden Sprache dafür fana-je-de gesagt werde. Es ist anzu-
nehmen dass hierbei je dem Hilfszeitworte ^ je ,erlangen“
entspricht.
Aufzeichnungen aus dem Reiche I-se.
21
Hinsichtlich kuda-kake wird angegeben, dass man in den
östlichen Reichen das Haus durch das Wort kuda bezeichne.
Kake bedeute den Hahn. Nach einer Erklärung ist Iiu-ku-ta-
je-si-ra das Sanscritwort für ,Hahn‘ und kuda davon die Ab
kürzung. Es sei das, was man gegenwärtig tb-maru ,chinesischer
Halm' nennt. Andere sagen, die Stimme des Hahnes laute
kuda-kake, was durch das Wort ausgedrückt werde.
Jorokoboi ist so viel als jorokobi, sich freuen.
Kerasi hat die gleiche Bedeutung mit keri.
Mukasi | mitsi-no kuni-nite \ nade-u-koto-naki A (fito)-no
me-ni \ kajoi-keru-ni | ajasi-ü sa-jb-nite \ aru-beki (womina)-
domo arazu. Mije-keve-ba
Wenn man ehemals in dem Reiche Mutsu mit Menschen,
von welchen nichts zu sagen war, verkehrte, gab es wunder
barer Weise keine Weiber, welche so sein konnten. Wenn
man sie sah:
Sino-bu- jjj (jama) sinobi-te kajofu mitsi-mo gana A
(fito)-no kokoro-no oku-mo (rrd) ru-beku.
0 einen Weg, | auf dem mit dem Berge Sino-bu [ im
Geheimen man verkehrt! | Indess die Tiefe des Herzens des
Menschen | man auch kann sehen.
-jjj (Womina) kagiri-naku me-de-tasi-to (omo) je-do j
saru saga-naki\ jebisu- (gokoro)-wo mite-voa j ikaga-wa sen-wa.
Glaubte man auch, dass ein Weib der Gegenstand gränzen
loser Freude sei, wenn man ein so heilloses, barbarisches Herz
sah, wie konnte man sich helfen?
Nade-u-koto ist so viel als (nani)-to iü 3|j. (koto),
eine Sache, die etwas heisst oder bedeutet.
Mukasi | ki-no ari-tsune-to iü A m (ari)-keri \ uii-
jo-no mi-kado-ni tsukb-matsuri-te | (toki)-ni ai-kere-do |
(notsi)-wa tifc (jo) kaioari \ (J^j: (toki) utsuri-ni-kere-ba \ jö-no
tsune-no (fito)-no goto-mo arazu. A (Fito)-gara-wa
(kokoro)-utsukusi-ku \ ate-faka-naki jJj. Jcoto-wo konond-te \ koto
A (fito)-ni-mo nizu. Madzusiku fete-mo | >jjj| (nawo) mukasi
jo-kari-si (toki)-no (kokoro)-nagara \ jo-no tsune-no
(koto)-mo sirazu. Tosi-goro ai-nare-taru me \ jb-jo toko fanarete
22
Pfizmaier.
tsuwi-ni ama-ni nari-te \ ane-no saki-datsi-te \ nari-taru tolcovo-je
juhu-wo | (otolco) makoto-ni mutsumazi-ki koto koso na-kari-
kere \ (ima)-wa-to juhu-wo | ito aware-to (omoi)-kere-do !
madzusi-kere-ba suru waza-mo na-kari-keri. & ( Omoi)-ioabi-te
nengoro-ni | ai-katarai-keru (tomo)-datsi-no moto-ni | ko-ko
ima-wa tote makari-wo (nani-goto)-mo isasaka - naru
koto-mo je-sede \ tsukawasu koto-to kaki-te oku-ni
Einst war ein Mann Namens Ki-no Ari-tsune, welcher
den Kaisern der drei Zeitalter diente. Derselbe hatte die Zeit
getroffen, doch als später das Geschlechtsalter wechselte, die
Zeit sich veränderte, war er nicht gleich den gewöhnlichen
Menschen. Auch die Menschen liebten im Herzen die unschönen
Dinge und waren besonderen Menschen nicht ähnlich. Er lebte
in Armuth, und noch immer voll Gedanken an die einst gut
gewesene Zeit, kannte er nicht die Gewohnheit der Welt. Das
Weib, an das er durch Jahre gewöhnt war, trennte sich allmälig
für beständig und ward zuletzt eine Nonne. Die ältere Schwester
sollte ihm vorangehen, und als sie schied, mochte es für den
Mann wirklich keine Freundschaft geben. In der Todesstunde
scheidend, hatte er sehr traurige Gedanken, doch da er arm
war, Hess sich nichts thun. In Gedanken verzweifelnd, schrieb
er an einen Freund, mit dem er freundlich gesprochen, dass er
in der göttlichen Todesstunde scheide, dass er etwas, ohne ihn
das Geringste erlangen zu lassen, schicke. Beigelegt war:
Te-ivo *JT ori-te ai-mi-si-koto-wo kazofure-ba towo-to
i-i-tsutsu jo-tsu-wa fe-ni-keri.
Die Hand brechend, j die Zusammenkünfte | als ich zählte, |
sagt’ ich: es sind zehn. | Vier sind indess vorüber.
Kano tomo-datsi kore-wo mite | ito aivare-to & (omo) i-te \
joru-no (mono) made (wokuri)-te jomeru
Als jener Freund dieses sah, empfand er grosses Mitleid.
Er übersandte sogar Nachtkleider und sagte:
4]S (Tosi)-dani-mo “p (towo) tote t jo-tsu-wa fe-ni-keru-wo
iku-tabi kimi-wo tanomi ki-nuran.
O dass Jahre nur | zehn man gesagt, j vier vorüber wären!
Wie oft dann den Gebieter | erhoffend würd’ ich kommen!
Kaku i-i-jari-tari-kere-ba
Als er ein solches Wort geschickt hatte, sagte der Andere:
Aufzeichnungen au6 dem Reiche I-se.
23
Kore-ja lcono ama-no M & (fa-goromo) muhe si Icoso
Icimi-ga mi-kesi-to tate-matsuri-kere.
Hier wolil dieses j Flügelkleid des Himmels j nur geziemend
ist. | Als des Gebieters | hohes Gewand | mag ich es bieten.
Jorolwbi-ni taje-de X (mata)
In seiner Freude nicht unterbrochen, sagte er wieder:
(Alii)-ja leuru JU (tsuju)-ja viagafu-to (omo) fu
meide avu-ioa namida-no furu-ni-zo (ariykeru.
Was vorhanden, bis j man glaubt, dass der Herbst kommt, |
dass der Thau sich mengt, | das Regnen der Thränen | ist es
gewesen.
^ (Tosi-goro) woto-dzure sari-keru \ (fito)-no. |
sakura-no sakari-ni \ (mi)-ni Mtari-kere-ba aruzi
Ein Mensch, von dem man durch Jahre nichts gehört
hatte, kam zur Zeit der Kirschbliithe, um sie zu sehen. Der
Besitzer sagte:
Ada-nari-to na-ni koso tatere m % (sakura-bana) 4^
(tosi)-ni mare-naru A (fito)-mo (matsi)-keri.
Mit des Vergänglichen | Namen nur hingestellt, | die Kirsch-
blüthe, | der durch Jahre seltene | Mensch auch hat sie erwartet. 1
Die Entgegnung:
Kefu kozu-wa asu-iva (juki)-to-zo furi-namasi kijezu-iva
ari-to-mo dZ (fana)-to mi-masi-ja.
Heute wenn man nicht kommt, | morgen als Schnee |
wird sie niederfallen. | Sei es auch, dass sie nicht schmilzt, |
wird man sie als Blüthe sehen?
Mukasi | namci- (gokoro) aru A (womina) ari-keri \
(otolto) tsika-ü ari-keri. A (Womina) uta-joinu A (fi to )
nari-kere-ba (kokoro-mi)n tote /jj|j (ltiku)-no (fana)-no
utsurojeru-wo fff (wori)-te otoko-no moto-je jaru.
Einst war ein hartherziges Weib, in dessen Nähe sich ein
Mann befand. Da dieser ein Dichter war, brach das Weib,
um ihn zu prüfen, die entfärbten Blüthen der Goldblume und
schickte sie dem Manne.
Kurenaici-ni (niwo) fu-wa idzu-ra sira-juki-no jeda-mo
towowo-ni fwru-ka-to-mo miju.
1 In dem Ko-kon-siü enthalten.
24
Pfizmaicr.
Bei der Saffranröthe j Zierlichkeit dass irgend etwas j als Ast
des weissen Schnees | im Herabbiegen | vielleicht zittert, sieht man.
Otoko sirazu jomi-ni jomi-keru
Der Mann kannte es nicht und sagte:
Rurenawi-ni (niwo) fu-ga uje-no ö ^ (sira-Mku )-wa
tjT (ori)-keru A (fito)-no ^[{j (sode)-ka-to-zo Ä (mi) ju.
Der Saffranröthe | Zierlichkeit, über ihr | die weisse Gold
blume, | dass der Aermel des Menschen, der sie gebrochen, |
vielleicht es ist, sieht man.
Niwofu hat ursprünglich die Bedeutung ,zierlich*. Die
jetzt allgemein übliche Bedeutung ,wohlriechend 1 ist eine von
dieser abgeleitete.
Towowo ist so viel wie tawaiua, herabgebogen.
Mukasi j otoko mija-dzukaje-si-keru -k (womina)-no kata-ni
go-tatsi nari-keru A (fito)-wo ai-siri-tari-keru \ fodo-mo naku
kare-ni-keri. Onazi- m (tokoro) nare-ba | k (womina)-no me-
ni-wa JL (mi) juru (mono)-kara | (otoko)-wa aru #J
(mono)-ka-to-mo omoi-tatazu k (womina).
Einst lernte ein Mann bei einem in dem Palaste dienenden
Weibe ein vornehmes Mädchen kennen. Dasselbe trennte sich
alsbald. Es war derselbe Ort, und weil sie von einem Weibe
mit den Augen gesehen wurde, dachte der Mann nicht, dass
es irgend Jemand gewesen. Das Weib sagte:
Ama- =j|^ (gumo)-no joso-ni-mo A (fito)-no navi-juku-ka
sasuga-ni me-ni-ica ü (mi) jciru (mono)-kara.
Anderwärts als | in den Himmelswolken | gehen Menschen
vielleicht umher, | in Wirklichkeit mit den Augen | weil man
sie sieht. 1
to | jomeri-kere-ba otoko kajesi
Das entgegnende Gedicht des Mannes lautete:
Ama-gumo-no joso-ni nomi site furu-koto-wa waga wiru
jama-vo lease fajami nari.
Anderwärts als | in den Himmelswolken nur | die alte
Sache | auf dem Berge, wo ich wohne, | des Windes Schnellig
keit ist. 2
1 In dem Ko-kon-siü enthalten.
2 In dem Ko-kon-siu enthalten.
Aufzeichnungen aus dem Reiche I-se.
25
to | jomeri-Jcere-ba \ X (mata) otolco aru A (jito)-to nan
i-i-keru.
Jetzt sagte auch der Mann, dass es Jemand gewesen.
^ (Mukasi) \ (otoko) | jamato-ni aru A (womina)-wo
M (mi) te jobai-te ai-ni-keri. Säte fodo-fete (wiijci)-dzuhaje-
suru A (ßto) nari-kere-ba | kajeri-kuru (mitsi)-ni ] jajoi-
bakari-ni kajede-no \ momidzi-no \ ito omo-siroki-wo ft (ori)-te \
A (womina)-no moto-ni (mitsi)-jori i-i-jaru.
Einst sah ein Mann in Jamato ein Weib. Er freite um
sie und verband sich mit ihr. Nach einiger Zeit wurde sie
eine Palastdienerin. Auf dem Wege, auf welchem er zurück
kam, sah er um die Zeit des dritten Monats sehr liebliche
rothe Ahornblätter. Er brach sie und schickte sie dem Weibe
von der Reise.
Der für die Gebieterin | gebrochen ward, der Zweig, j im
Frühlinge [ mag er so des Herbstes | Ahorn geworden sein.
(kajeri- goto)-wa
(mijako)-ni ki-tsuki-te nan \ mote kitari-keru.
Er schickte es mit diesen Worten. Die Entgegnung brachte
sie bei der Ankunft in Mijako mit.
Itsu-no ma-ni utsurofu (iro)-no tsuki-nuran kimi-ga
sato-ni-wa (faru)-na-karu-razi.
In welcher Zeit wird die bleichende Farbe j geschwunden
sein? | In des Gebieters Dorfe | scheint es Frühling nicht
zu sein.
Mukasi | ^ (otoko) i A (ivomina) ito Icasikoku (omo)
fi-kawasi-te \ koto- (gokoro) na-kari-keri. Saru-ivo ika-naru
(koto)-ga ari-ken \ isasaka- (naru) 3||. (koto)-ni tsukete \
omoi-te | ide-inan-to JEfJ, (omo)
fi-te | kakaru uta-ivo nan jomi-te | iffy] (mono)-ni kaki-tsuke-keru.
Einst war ein Mann, der zu einem Weibe in sehr ehrbarem
Bezüge stand und keine anderen Gedanken hatte. Indessen
wird irgend etwas geschehen sein. Die Gedanken an eine
26
Pfizmaier.
unbedeutende Sache heftend, hielt er die Welt für traurig und
wünschte, aus ihr hinauszutreten. Er verfasste in diesem Sinne
ein Gedicht und schrieb es auf etwas nieder.
[jj (Tde) te ina-ba j\j) (lcokoro)-garusi-to i-i-ja sen
(jo)-no ari-sama-wo A (fito)-wa sirane-ba.
Wenn ich austrete, | bin ich leicht im Herzen, | werd’ ich
wohl sagen, j da den Zustand der Welt | der Mensch nicht kennt.
to | jomi-woki-te | JJJ (ide) te ini-keri. iffc k (Kono
womina) kaku (kaki)-woki-taru-wo ge-si-ü (kokoro)-woku-
beki koto-wo obojenu-iuo nani-ni jori-te-ka kakarcin-to \ ito itci-ü
naki-te idzu-kcita-ni motome-jukan-to \ kado-ni idete \ to-mi-
k'o-mi mi-kere-do | idzu-ko-wo fakari-to-mo obojezari-kere-ba j
küjeri-iri-te
Nachdem er dieses niedergelegt, ging er fort. Dieses
Weib wunderte sich, dass er eine solche Schrift niedergelegt
und erinnerte sich auf nichts, woran sie die Gedanken heften
konnte. Nicht wissend, von wo sie ausgehen solle, weinte sie
sehr schmerzlich und trat vor das Thor, um ihn aufzusuchen.
Sie blickte nach allen Seiten, doch welchen Ort sie auch er
messen mochte, sie bemerkte nichts. Er trat jetzt wieder ein.
(Omo) fu ka-i-naki ‘J]p (jo) nari-keri (tosi-
tsuki)-wo ada-ni tsigiri-te (ware)-ja sumai-si.
Eine für den Gedanken | nutzlose Welt war es, | Jahre
hindurch und Monde | vergeblich den Bund schliessend, [ in
der ich wohnte.
to i-i-te nagame-wori.
Nach diesen Worten blickte er immer in die Ferne.
A (Fito)-ioci iza (omo) fi-ja suran (tama)-kadzura
omo-kage-ni nomi itodo Ä (mi) je-tsutsu.
Welche die Menschen | in Gedanken so haben werden, j
die Edelsteinwinde, | in der Einbildung nur | erschien sie
übergross.
k (Kono womina) | ito fisasi-ku ari-te nen-zi-wabi-
te-ni-ja ari-ken. I-i-wokose-taru
Dieses Weib mochte sehr lange in Verzweiflung gebetet
haben. Sie schickte das Wort:
(Ima)-wa tote (warn) ruru (kusa)-no tane-wo
dani A (fito)-no kokoro-ni makasezu-mo kana.
Aufzeichnungen aus dem Reiche I-se.
27
In der Todesstunde j der vergessenden Pflanze | Samen
allein | dem Bedünken der Menschen | überlässt man nicht!
Die Entgegnung:
Wasure- (gusa) ufu-to dani kiku (mono) ncira-ba
omoi-keri-to-wa siri-mo sincnnasi.
Die Vergessenheitspflanze, | traurig ist sie, | so hört man
nur. | Dass man sie in Gedanken hatte, I wird man dann auch
nicht wissen.
X (Matci) ku ari-si-jori \ geni i-i-kawasi-te | otoko
Weil es wieder Verse waren, tauschte man in Wahrheit
Worte, und der Mann sagte:
Vj (Wasu) ru-ran-to omofu, (kokoro)-no utagai-ni ari-
si-jori geni (mono)-zo kanasi-ki.
Das zu vergessen j gedenkt, das Herz, | erfüllt von Zweifel |
seit es ist, in Wahrheit | das betrübte. 1
Die Entgegnung:
p|3 (Naka)-sora-ni tatsi-wiru II 1 (liumo)-no ato-mo naku
!P (mi)-no faka-naku-mo (nari)-ni-keru kana.
Die mitten am Himmel | stehenden Wolken, | ihre Spur
ist nicht vorhanden. ] Der Leib ist vergänglich | leider auch
geworden! 2
to-ica i-i-kere-do \ wono-gci iä V (jo-jo)-ni nari-kere-ba
utoku nari-ni-keri.
Obgleich sie so sagte, ging sie in ihre Geschlechtsalter
ein, und er wurde entfremdet.
Ge-siü steht offenbar für ke-siü, wunderbar, verwundert.
Wasure-gusa ,die Vergessenheitspflanze' ist die gelbe Tag
lilie. Der Name wird, wie es hier geschehen, auch durch wasururu
kusa ,die vergessende Pflanze' ausgedrückt.
'gp (Multasi) | faka-naku-te taje-ni-ke.ru pjl (naka) | 3Jjj|
(naivo)-ja. wasurezari-ken. ic (Womina)-no moto-jori
Einst mochte ein Weib, in Unscheinbarkeit losgerissen,
noch immer nicht vergessen haben. Sie schickte ihrerseits
die Worte:
Uki nagara A fito-wo-ba je-simo wasurene-bct katsu urami-
tsutsu naiuo-zo koisi-ki.
1 In dem Sin-ko-kon-siu enthalten.
2 In dem Sin-ko-kon-siü enthalten.
28
Pfizraaier.
In Betrübniss | den Menschen wag’ ich | nicht zu ver
gessen, | indess zudem er grollt, | den noch immer geliebten. 1
to | ijeri-kere-ba \ sare-ba jo-to i-i-te otolco.
Hierauf sagte der Mann: So sei es denn! Er schickte
die Worte:
Ai-mite-wa (kokoro) fito-tsu-wo kawasi ma-110 *
(midzn)-no nagarete tajezi-to-zo & (omo) fu.
Wenn wir uns sehen, | ist die Zeit, in der als Einziges |
die Herzen wir wechseln, | ein Wasser, das zu fliessen | nicht
aufhört, glaub’ ich.
to-iva | i-i-kere-do \ sono (jo) ini-keri. Inisi-je jultu
sald-110 (koto)-domo nado i-i-te.
Er ging diese Nacht. Er sprach von den Dingen der
Vergangenheit und der Zukunft und sagte:
(Aki)-no % (jo)-no tsi-jo-ivo fito-jo-ni nazurajete ja-
tsi-jo st ne-baja alcu U^p (toki)-no aran.
Tausend Herbstnächte, | als ob Eine Nacht sie wären, |
achttausend Jahre würd’ ich schlafen, | die Zeit des Sattseins
wird es sein.
Die Entgegnung:
^ (Aki)-no jo-no tsi-jo-wo —■ ^ (fito-jo)-ni naseri-
to-mo kotoba-no kori-te tori-ja naki-nan.
Tausend Herbstnächte | zu einer einzigen Nacht | wenn
man auch machte, j die Worte würden erstarren, | der Vogel
wohl würde singen.
Inisi-je-jori-mo aware-nite nan kajoi-keru.
Sie verkehrten noch zärtlicher als ehemals.
Je-simo ist so viel als fffc x simo ,wagen', Simo ist
ein Hilfswort.
Nazurajete ist so viel als nazorajete ,indem man etwas
für gleich hält'.
Mulcasi | ivi-naka watarai-si-keru (fito)-no ■¥• (*»)-
domo I# wi-no moto-ni JJJ (ide) te asobi-keru-wo | otona-ni
narini-kere-ba (otoko)-mo (musume)-mo fadzigawasi-te
ari-kere-do \ (otoko)-wa 1iK (kono musume)-wo koso je-
me-to omo. (Musume)-wa kono (ot.okoj-ioo-to M (omo)
1 In dem Sin-ko-kon-sifi enthalten.
Aufzeichnungen aus dem Reiche I-se.
29
fi-tsutsu | oja-no awasure-domo | kikade nan ari-keru. Säte
(kono) tonari-no JfJ (otoko)-no moto-jon kaku nan.
Einst gingen die Kinder von Menschen, die auf das Land
gezogen waren, zu dem Brunnen hinaus und spielten. Als sie
erwachsen waren, schämten sich zwar der junge Mann und das
Mädchen, jedoch der junge Mann glaubte, dass er nur dieses
Mädchen erlangen werde. Das Mädchen glaubte, dass es nur
diesen Mann erlangen werde. Der Vater wollte sie zwar ver
binden, jedoch sie erfuhren es nicht. Von diesem benachbarten
jungen Manne kamen die folgenden Worte:
Tsutsu-ivi-dzutsu wi-dzutsu-ni kake-si maroka-dake sugi-ni-
kerasi-na imo ü (mi) zaru ma-ni.
Den man an das Brunnenrohr | des Rohrbrunnens gehängt
hat, | der Bambus von Maroka | ist weiter gegangen, | indess
ihn die Schwester nicht sieht.
Die Entgegnung:
Kurabe-kosi furi-wake-gami-mo kata-sugi-mi # (kimi)
narazu-site tare-ka agu-beki.
Das gleichgemachte | getheilte Haupthaar j ist zur Seite
hinüber gegangen. | Wenn es der Gebieter nicht ist, | wer soll
es erheben?
Nado i-i-i-i-te | tsnwi-ni fo-wi-no gotoku ai-ni-keri. Säte
(tos i)-gor o furu fodo-ni \ Jgr (womina) oja-naku tajori-naku
naru mama-ni | moro-tomo-ni iü kai-naku-te aran-ja-wa tote ka-
utsi-no m (kuni) taka-jasu-no ltowori-ni | ilci-kajö (tokoro)
ide-ki-ni-lceri. Sari-kere-do Itfc (kono) moto-no k (womina)
asi-to ,91, (omo) jeru ke-siki-mo naku-te | idasi-jari-kere-ba otolco
koto-gokoro ari-te \ kakaru-ni-ja aran-to (omo) fi-utagai-te
sen-zai-no pjl (naka)-ni kakure-wite \ ka-utsi-je inuru-gawo-nite
mire-ba iitfc k (kono womina) ito jo ke-sb-zite utsi-nagamete.
Sie sagten noch Anderes und verbanden sich zuletzt, wie
es ursprünglich ihr Wille gewesen. Da auf diese Weise Jahre
vergingen, war das Weib ohne Aeltern und ohne Stütze, und
Beide wussten wohl nicht, was sie sagen sollten. Da fiel es
ihnen ein, nach dem Districte Taka-jasu in dem Reiche Ka-utsi,
zu reisen. Als indessen dieses Weib, ohne durch ihre Miene
kundzugeben, dass sie es für schlecht halte, ihn hinausschickte,
war der Mann anderen Sinnes und zweifelte in Gedanken, ob
es so sein werde. In dem Vorgarten versteckt, that er, als ob
30
P f i z m a i e r.
er nach Ka-utsi ginge und sah vor sich hin. Dieses Weib,
sehr schön geputzt, blickte in die Ferne und sagte:
JE (Kaze) fuke-ba oki-tsu sira-nami tatsu-ta- |Jj (jama)
jo-wa-ni-ja kimi-ga fitori kojuramu.
Wenn der Wind weht, | der Bucht weisse Wellen, | den
Berg Tatsu-ta | in der Nacht wohl der Gebieter | allein wird
übersetzen. 1
to | jomi-keru-wo kiki-te \ kcigiri-naku kanasi-to omoi-te
ft (ka-utsi)-je-mo ikazu (nari)-ni-keri. Mare-mare
kano tcika-jasu-ni leite mire-ba | fazime koso (hokoro)-nikuku-mo
tsukuri-kere. (Ima)-wa utsi-tokete l-f“ (te)-dzukara iwi-gai
tori-te | ke-go-no utsmva- 0J (mono)-ni mori-keru-wo ja (mi) te \
(lcolcoro) ukari-te ikazu nari-ni-keri. Sari-kere-ba \ kano
A (womina) A (jamato)-no (kata)-wo A (mi)-jari-te.
Als er sie diese Verse sagen hörte, war er unendlich
traurigen Sinnes und mochte nicht nach Ka-utsi gehen. Da er
selten nach Taka-jasu kam und diesen Ort sah, mochte er
anfänglich dagegen einen Widerwillen gehabt haben. Jetzt nahm
er gelassen mit der Hand einen Reislöffel, schüttete in einen
Speisekorb und blickte hin. Er ward im Herzen traurig und
mochte nicht gehen. Indessen blickte das Weib nach der
Gegend von Jamato.
(Kimi)-ga atari (mi)-tsutsu-ioo woran i-koma-jama
(kumo) na-kakusi-so ame-wa furu-to-mo.
Der gerade wo den Gebieter | ich sah, sein wird, | den
,, | Wolken, verberget nicht, | mag
auch fallen. 2
Berg I-koma
der Regen
to | i-i-te M (mi)-idasu-ni | kara-ü-site \ jamato- A ( bito)
kon-to ijeri. Jorokobi-te matsu-ni | tabi-tabi sugi-nure-ba
Dieses sagend und hinausblickend, war sie betrübt, und
man sagte, die Menschen von Jamato werden kommen. Sie
wartete voll Freude und ging mehrmals hinüber.
^[' (Kimi) kon-to i-i-si (jo)-goto-ni sugi-nure-ba tanomanu
mono-no koi-tsutsu-zo furu.
1 In dem Ko-kon-siu enthalten.
In dem Sin-ko-kon-siu enthalten.
Aufzeichnungen aus dem Reiche I-se.
31
Jede Nacht, in der man sagte, ] dass der Gebieter kommen
wird, | als man hinüberging, | ging der Ungehoffte | liebend
vorüber. 1
to | i-i-kere-do \ otoko sumazu nari-ni-keri.
So sagte der Mann, doch er mochte nicht mehr an dem
Orte wohnen.
Tsutsu-wi-dzutsu wi-dzutsu gilt für eine Wiederholung,
deren Bedeutung "j|jj rjj* J ^ tsutsu-wi-no wi-dzutsu
,das Brunnenrohr des Rohrbrunnens“'. Tsutsu-wi allein ist den
Wörtern iioa-wi , Felsenbrunnen“, M # ita-ivi,Bretter
brunnen“ entgegengesetzt. Es bezeichnet, dass weder Steine
noch Bretter vorhanden sind und dass der Brunnen gerade gleich
einem Rohre gegraben wurde. Wi-dzutsu ,Brunnenrohr“
nennt man die Einfassung des Brunnens.
Das Wort maroka-dake kommt sonst nirgends vor und
wird nirgends erklärt oder angeführt. Maroka oder marakkn
ist ein Land der südwestlichen Barbaren (Malacca?). Die Be
deutung dürfte daher ,Bambus von Maroka“ sein, obgleich ein
solcher Name unter den vielen von dem Wa-kun-siwori ver-
zeiebneten Bambusarten nicht zu linden ist.
Kurabe-kosi hat den Sinn von ft %L kurabe-kosi gleich
artig kommen machen“, d. i. gleichmachen.
ln kai-naku steht für i-i-gai-nasi ,nicht wissen, was man
sagen soll“.
Ka-utsi ist das Reich Kawatsi.
Jo-wa bedeutet nebst ,Zeitalter“ auch ,die Nacht“, wobei
fa (wa) ein Hilfswort ist. Die Erklärung ,Mitternacht“ wird
für irrig gehalten.
I-i-gai (ifi-gai) ist |i^ )£b ifi-gai ,ein Löffel für Reisspeise“.
Ke-go wird für "fjJ ke-go ,Speisekorb“ gehalten. Nach
Anderen ist es ^ ke-go ,Hauskind“ und bezeichnet die
Gemeinheit. Der Ausdruck ke-go-no utsuwa-mono hätte dem
nach den Sinn: gemeines Gefäss.
TJkari-te steht für uku ari-te, indem man betrübt ist.
Mukasi | (otoko) kata-wi-naka-ni sitmi-heri. (Otoko)
mij a-dzukaj e-si-ni tote | wakare-osimi-te juki-ni-keru mama-ni j
1 In dem Ko-kon-siü enthalten.
32
P f i z m a i e r.
—- (mi)-tose kozari-kere-ba \ (matsi)-wabi-tari-Jceru-ni | ito
AN (nen-goro)-ni i-i-keru (fito)-ni j ko-joi nwan-to tsigiri-
tari-keru-ni Ijfcu (kono otoko) kitari-keri. titF Kono to
alce- 3k (tama) je-to tataki-kere-do akede \ -j|j- (uta)-wo nan
jomi-te | jjj (idasi)Aari-keru.
Einst lebte ein Manu in einem seitwärts liegenden Dorfe.
Um die Stelle eines männlichen Palastdieners zu versehen,
trennte er sich mit Bedauern und zog fort. Da er unterdessen
in drei Jahren nicht kam, fand man das Warten beschwerlich
und traf mit einem Menschen, der sehr freundlich sprach, die
Uebereinkunft, dass man heute Nacht sich sehen werde, als
dieser (der oben erwähnte) Mann ankam. Derselbe klopfte mit
den Worten: Oeffne diese Thüre! Doch man öffnete nicht und
schickte ein Gedicht heraus.
Arci- (tama)-no (tosi)-no mi-tose-wo (matsi)-
wabi-te tada ko-joi kono niioi- (makura)-sure.
Durch drei Jahre der Jahre | der rohen Edelsteine | da
das Warten beschwerlich, | für diese Nacht allein | ein neues
Polster sei.
to | i-i-idasi-tari-kere-ba
Als sie dieses herausgeschickt hatte, sagte der Mann:
Adzusa- jEj (jum.i) ma-jumi tsuki-jumi Aß (tosi)-wo fete
ivaga se-si-ga goto uruwasimi-se-jo.
Der Plartriegelbogen, | der wahre Bogen, der Musspflanze
Bogen, | die Jahre verbringend, | wie ich es bewirkt, | zier
lich er sei.
to | i-i-te inan-to si-kere-ba | (ivomina)
Hiermit wollte er Weggehen. Das Weib sagte:
Adzusa- (j umi ) fike-do fikane-do mukasi-jori
(kokoro)-wa kimi-ni jori-ni-si 4% (mono )-ivo.
Der Hartriegelbogen, | man spanne ihn, man spanne ihn
nicht, | seit ehemals | das Herz, auf den Gebieter | o wie hat
es sich verlassen!
to \ i-i-kere-do (otoko) kajeri-ni-ken. iK (Womina)
ito kanasiku-te | siri-ni tatsi te woi-julce-do | je-ivoi-tsulcade \ si-
(midzu)-no aru pjy (tokoro)-ni fusi-nikeri. So-kojjfo (nari)-
ke.ru iica-ni | wojobi-no tsi-site ^ (kaki tsuke)-keru.
Aufzeichnungen aus dem Reiche I-se.
33
Der Mann kehrte jedoch zurück. Das Weib war sehr
traurig. Sie erhob sich und verfolgte ihn. Da sie ihn aber
nicht erreichen konnte, legte sie sich an einem Orte, an welchem
sich klares Wasser befand, nieder. Auf einen dort befindlichen
Felsen schrieb sie mit dem Blute ihres Fingers:
Ai- J& (omo) fade kare-nuru (fito)-wo todome-kane
waga (mi)-wa ima-zo kije-fate-nu-meru.
Den Menschen, der meiner nicht gedenkend, j sich getrennt
hat, aufzuhalten nicht im Stande, J schein’ ich jetzt zu schmelzen
und zu vergehen.
to | kaki-te | so-ko-ni itadzura-ni nari-ni-keri.
Nachdem sie dieses geschrieben, verschied sie an jenem Orte.
Ara-tama ,rohe, ungeschliffene Edelsteine' ist ein Aus
druck gleich tama-no wo ,Edelsteinschnur' und bezeichnet die
Lebensdauer.
Ni-i-makura ,neues Polster' bezeichnet das erste Gespräch
zwischen Mann und Weib. In dem Man-jeo-siü steht dafür
m-i-te-makura, Polster der neuen Hand.
Wojobi-no tsi-site ,indess der Finger blutete'. Wojobi
steht für jubi, Finger.
Itadzura-ni naru ,vergeblich werden' ist ein Ausdruck
wie mi-no itadzura,das Vergebliche des Leibes' und bezeichnet
das Sterben.
^ (Mukasi) | JJp (otoko) jj£ (go-deo) ivatari
(nari)-keru (womina)-wo | je-jezu (nari)-ni-keru
(lcoto)-to | gfg (wabi)-tari-keru (fito)-no (fen-zi)-ni.
In den Entgegnungen der unglücklichen Menschen sagte
einst ein Mann, weil er ein an der Ueberfahrt des fünften
Viertels wohnendes Weib nicht ei’langen konnte:
Omofojezu •HK (sode)-ni minatö-no saioagu kana morokosi-
bune-no jori-si bakari-ni.
Unvermuthet | bei dem Aermel der Plafen | in Aufruhr
ist! | Als das Chinaschiff | eben sich angelegt. 1
Das Wort je-jezu wird nirgends verzeichnet. Offenbar
ist # je ,erlangen' zweimal gesetzt.
1 In dem Sm-ko-kon-siü enthalten.
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. LXXXIII. Bd. I. Hfl.
3
34
tfizraaief.
Mukasi | (otoko) j iK (womina)-no moto-ni | —•
(fito-jo) iki-te | (mata)-mo ikazu nari-ni-kere-ba I A
(womina)-no (te) arb jjjy (tokoro)-ni | nuki-su-wo utsi-jari-te \
tarai-no Jcage-ni (mi) je-keru-wo | mi-dzulcara
Einst ging ein , Mann eine Nacht zu einem Weibe, ging
aber nicht wieder. Das Weib nahm an dem Orte, wo sie die
Hände wusch, die Zugmatte weg, und er erschien als ein Bild
in dem Waschbecken. Sie sagte:
Ware bakari (mono)-omo fu A (fito)-wa (mata)-vio
arazi-to omoje-ba (midzu)-no sita-ni-mo ari-keri.
Als ich glaubte, | dass der Mensch, an den allein | ich
denke, nicht mehr vorhanden, | da unter dem Wasser | auch
war er vorhanden.
to | jomu-wo | kozari-keru | otoko tätsi-kiki-te
Der Mann, welcher nicht kam, hörte von diesem Gedichte
und sagte:
Mina-gutsi-ni ware-ja miju-ran kawadzu saje ^
(midzu)-no sita-ni-te moro-ko-e-ni naku.
An der Wassermündung | werd’ ich erschienen sein? j
Die Frösche nur unter dem Wasser | mit allen Stimmen schreien.
Nuki-su ,Zugmatte‘. Man überdeckt das Waschbecken
mit einer Matte, damit das Wasser nicht umherspritze.
Mukasi \ ^ (mijaj-no ft utsi - nite \ aru go-tatsi-no
tsubone-no maje-wo watari-kevu-ni i m (nani)-no ada-ni-ka ovioi-
ken | josi-ja jlpf ^ (kusa-ba)-jo [ naran saga (mi)n-to iü otoko.
Einst ging ein Mann in dem Palaste zu der Vorderseite
des Gemaches einer Kaisertochter hinüber. An welche unnütze
Sache wird er gedacht haben? Er sagte: Gut! 0 Blätter der
Pflanzen! Ich werde die Eigenschaft sehen, von der sie sein
werden.
Tsumi-mo naki A (fito)-wo ukeje-ba wasure- Jpl. (gusa)
100110-ga uje-ni-zo ofu-to ifu naru.
Den schuldlosen | Menschen wenn man verwünscht, | die
Vergessenheitspflanze | über uns selbst | wächst dann, pflegt
man zu sagen.
to iü-wo | netamu -k (womina)-mo ari-keri.
Als er dieses sagte, gab es auch ein eiferndes Weib.
Aufzeichnungen aus dem Reiche I-se.
35
Saga, gewöhnlich durch ausgedrückt, bezeichnet die
ursprüngliche Beschaffenheit.
Ulcefu hat die Bedeutung von Pä nord ,verwünschen'.
Mukasi I (mono)-i-i-keru k (wominaj-ni | (tosi)-
goro ari-te
Einst sagte man zu einem Weibe, mit welchem man
gesprochen hatte, nach Jahren:
Inisije-no sidzu-no wo-da-maki kuri-kajesi mvkasi-wo
(ima)-ni na.su josi-mo kana.
Der alten Zeit |. gemeine Spule, | sie zurückdrehend, das
Ehemals zum Jetzt | o dass man machte!
to ijeri-kere-do \ (nani)-to-mo (omo) wazu-ja
(ari)-ken.
Obgleich man dieses sagte, wird man vielleicht an gar
nichts gedacht haben.
(Mukasi) \ otoko \ tsu-no [j|| (kuni) | mubara-no kowori-ni
kajoi-keru k (womina) | llt (Jcono) tabi iki-te-wa \ X (mata)-wa
kozi-to omojeru ke-siki nare-ba \ otoko.
Als einst ein Weib, eines Mannes willen mit dem Kreise
Mubara in dem Reiche Setsu verkehrend, diessmal hinging und
dabei aussah, als ob sie ferner nicht mehr zu kommen gedächte,
sagte der Mann:
Asi-be-jori mitsi-kuru siwo-no ijamasi-ni (kimi)-ni
(kokoro)-wo omoi-masu kana.
Die von der Schilfseite | auf dem Wege kommende Salz-
fluth, wie | im Uebermasse | an die Gebieterin im Herzen j und
immer mehr sie denkt. 1
Die Entgegnung:
Komori- u je-ni omofu (kokoro)-wo ika-de-ka-wa ft
(June) sasu saivo-no sasi-te siru-beki.
An dem verborgenen Strom | das Herz, in welchem man
denkt, j auf welche Weise wohl | die auf das Schiff zeigende
Stange, | kann sie darauf zeigen und es kennen?
Wi-naka- (bito)-no koto-nite-wa | josi-ja asi-ja.
Für Landbewohner ist dieses gut, vielleicht auch schlecht.
1 In dem Man-jeo-siu enthalten.
3*
36
Pfizmaier*
Asi-be ,Schilfseite' ist die mit Schilf bewachsene Wasser-
gränze.
Komori-je ,der verborgene Strom' ist die in dem Schilfe
versteckte Einfahrt.
Mukasi otoko | tsure-na-kari-keru A (fito)-no moto-ni
Einst schickte ein Mann an einen Menschen, der grausam
gewesen, die Worte:
Ije-ba je-ni iwane-ba mune-ni sawaqarete kokoro-fito-tsu-ni
nageku koro kana.
Wenn man spricht, nicht erlangen, | wenn man nicht
spricht, in der Brust aufgeregt, in dem Herzen, dem einzigen |
trauern, um die Zeit ist es!
Omo-naku-te | ije.ru naru-besi.
Dieses kann erröthend gesagt worden sein.
Mukasi j\^* (kokoro)-ni-mo arade \ taje-taru A (fito)-no
moto-ni
Einst schickte man einem Menschen, von dem man, ohne
es im Herzen zu sein, losgerissen war, die Worte:
^ (Tama)-no ioo-ivo awa-wo-ni jori-te musubere-ba tajete-no
notsi-mo awan-to-zo (omo) fu.
Die Edelsteinschnur | an die vereinigte Schnur | wenn
geknüpft ist, | denk’ ich, nachdem sie losgerissen, | wird sie
vereinigt sein.
Tama-no wo ,Edelsteinschnur' bezeichnet die Lebensdauer.
Aiva-wo, für awase-wo gesetzt, ist eine Schnur aus zusam
mengedrehten Fäden.
Mukasi \ wasure-nuru-na-meri-to | toi-goto-si-keru
(womina)-no moto-ni
Einst schickte man zu einem Weibe, welche gesagt hatte,
dass sie vergessen zu sein scheine, die Worte:
(Tani) sehami M (mi) nu made fajeru 36 (tama)-
kadzura tajen-to A (fito)-ni (wäre) omowanaku-ni.
Die von dem Thale beengt, | dass man selbst sie nicht
sieht, wachsende | Edelsteinwinde, I dass sie getrennt ist, ich unter
den Menschen I denk’ es nicht. 1
1 In dem Man-jeo-siu enthalten.
Aufzeichnungen aus dem Reiche I-se.
37
Mukasi | JB (otoko) iro-gonomi- nari-lceru I k
(womina)-ni ajeri-keri. Usiro-me-taku-ja (omo) fi-ken.
Einst verband sich ein Mann mit einem lebensfroh gewor
denen Weibe. Er wird in Gedanken besorgt gewesen sein.
(Ware) narade sita-fimo toku-na jjpj asa-kaivo-no jufu-
kage matariu iE fana-ni-wa ari-to-mo.
Wenn ich nicht bin, | das Unterband man löse nicht, | die
Trichterwinde, | mag sie auch eine, den Abendschatten | nicht
erwartende Blume sein.
Die Entgegnung:
Futari-site musubi-si fimo-wo m (fitori)-site ai-miru made-ica
tokazi-to-zo (omo) fu.
Welches Zwei | geknüpft haben, das Band, | für mich
allein, | bis wir uns sehen, | es zu lösen gedenk’ ich nicht.
Sita-fimo ,Unterband' ist der Lendentheil des Unterrockes.
Man sagt auch T (sita)-jü fimo. Wenn man von den Menschen
geliebt wurde, pflegte man zu sagen, dass das Unterband gelöst
wird, was in dem Man-jeo-siü zu sehen ist.
^ (Mukasi) | jJEj [>^ (sai-icin)-no mi-kado-to tÖ (mbsu)
mi-kado owasi-masi-keri. Sono mi-kado-no mi-ko | taka-i-ko-to
(mbsu) j ima-zo kari-lceru. Sono mi-ko use- p - (tama) fi-te |
n (on)-fafuri-no (jo) | sono 'jg 1 (mija)-no tonari fjjfo (nari)-
keru ß (otoko) \ (on)-fafuri (mi)n tote \ k (womina-
guruma)-ni ai-nori-te |Jj (ide)-tari-keri. Ito fisasi-ü wite
(tate-matsu) razu utsi-naki-te jami-nu-be-kari-keru (aida)-ni |
ame-no sita-no (iro)-gonomi | 7^1 (minamoto)-no itaru-to iü
A (fito) j kore-mo (mono)-miru-ni j (Icono kuruma)-wo
(womina-guruma)-to Jl (mi) te jori-kite | to-kaku nama-
meku (aidaj-ni | kano itaru \ fotaru-wo (tori)-te I k
(womina)-no jjt. (kuruma)-ni ire-tari-keru-wo | Jp[ jjß (kuruma-
nari)-keru A (fi to ) itb H (kono fotaru)-no j<. (fi)-ni-ja
miju-ran tomosi-ketsi nan-zuru tote \ noreru ß (otoko)-no jomeru.
Einst war ein Kaiser, welcher der Kaiser des westlichen
Palastes hiess. Der Sohn dieses Kaisers hiess Taka-i-ko. Dieser
Sohn starb. In der Nacht, in welcher er begraben wurde, stieg
ein in der Nachbarschaft des Palastes wohnender Mann, um
38
Pfizmaier.
das Begräbniss zu sehen, mit Anderen in einen Frauenwagen
und fuhr hinaus. Es dauerte nicht sehr lange und während
man zu weinen aufgehört haben konnte, bemerkte der lebens
froheste Mensch der Welt, Namens Minamoto-no Itaru, der sich
ebenfalls unter den Zuschauern befand, dass dieser Wagen ein
Frauenwagen war. Er kam hinzu, und auf jede Weise sich
einschmeichelnd, nahm dieser Itaru Feuerfliegen und warf sie
in den Frauenwagen. Die Menschen in dem Wagen sagten:
Wird man vielleicht bei dem Lichte dieser Feuerfliegen gesehen
werden? Man wird das Jagdfeuer auslöschen. -— Der Mann, der
in dem Wagen fuhr, sagte:
Mete ina-ba kagiri fjjjjt (naru)-beki tomosi-ketsi (tosi)
fe-nuru-ka-to naku (ko-e)-wo kike.
Wenn man hinauszieht, | dem eine Gränze sein kann, |
das Jagdfeuer löscht man. | Sind die Jahre vergangen? | Dabei
den Ton des Weinens höre.
Ito aware naku-zo j^j (kiko) juru tomosi-ketsi kijuru #J
(mono)-to-mo ^ (ware)-wa sircizu-na.
Sehr schmerzlich | weinen hört man, | das Jagdfeuer löscht
man. | Es mag verlöschen, | ich weiss es nicht.
Ame-no sita-no ^ iro-gonomi-no uta-nite-wa | IJjjjj (naivo)-zo
Es war noch immer das lebensfroheste Lied der Welt.
Itaru-wa sitagb-ga o-o-dzi nari | mi-ko-no fo-ivi nasi.
Itaru ist der Grossvater Sitagö’s. Es war nicht nach dem
Sinne des Kaisersohnes.
Der Kaiser des westlichen Palastes ist Kaiser Sa-ga
(810 bis 823 n. Chr.).
lma-zo kari ist von IE imasu ,den Wohnsitz haben, sein'
abgeleitet. Es heisst sonst imasu-gari, welches durch imasi-
ge-ari erklärt wird.
jjjj Mina-moto-no Itaru bekleidete zu den Zeiten des
Kaisers Sa-ga die Stelle eines Sa-ma-no zeo ,Zugesellten des
Vorstehers der Pferde zur Linken'. Er erwarb sich kriegerische
Verdienste.
Tomosi, ein Jagdfeuer oder Hirschfeuer. Im fünften
Monate des Jahres zündet man auf einem Feuerspiesse (fo-gusi)
Fichtenholz an und wartet auf die Hirsche, um sie zu schiessen.
Aufzeichnungen aus dem Reiche I-se.
39
Ketsi steht für kesu, löschen. Es wird nur in der obigen
Verbindung tomosi-ketsi ,das Jagdfeuer löschen* angeführt.
'M j||Jj Mina-moto-no Sitagö vollendete ira fünften Jahre
des Zeitraumes Te'n-reki (951 n. Chr.) mit noch vier Anderen,
die unter dem Namen Go-sen-wa-ka-siü bekannte Sammlung
alter Gedichte.
^ (Mukasi) wakaki ^ (otoko) \ ge-siü-wa aranu A
('ivomina)-wo ^ (omo) fi-keri. Sakasira-suru oja ari-te | ^ (omo)
fi-mo-zo tsuku tote itA (kono womina)-wo foka-je woi-jaran-to
su. Sa-koso ije viada woi-jarazu. A (fito)-no (ko) nare-ba j
mada (lcokoro) ikiwoi na-kari-lcere-ba \ todomuru ilriivoi nasi.
A (Wominci)-mo ijasi-kere-ba | sumofu tsikara-nasi. Saru
(aida)-ni (omö)-fi-wa ija masari-ni masaru \ niwaka-ni oja
it tA (kono womina)-wo woi-utsu. ^ (Otoko) tsi-no
(namida)-wo nagase-domo \ todomuru josi-nasi. Wite jjj (ide)
te inu. ^ (Otoko) naku-naku (jomeru),
Einst richtete ein Jüngling seine Gedanken auf ein Weib,
welches nichts von den gemeinen Dienerinnen an sich hatte.
Er hatte einen verständigen Vater, der aufmerksam wurde und
dieses Weib hinausjagen wollte. Er mochte es indessen nur
sagen und hatte sie noch nicht fortgejagt. Da Jener der Sohn
war, fehlte ihm noch die Kraft des Geistes, und er hatte nicht
die Macht, Einhalt zu thun. Da das Weib niedrigen Standes
war, fehlte ihr die Kraft zum Widerstande. Unterdessen nahm
die Neigung des Jünglings immer mehr zu und der Vater stiess
plötzlich dieses Weib hinaus. Der Mann vergoss blutige Thränen,
hatte aber kein Mittel, Einhalt zu thun. Er trat hinaus und
ging fort. Er sagte weinend:
[|] (Ide) te ina-ba tare-ga wakare-no kata-karan ari-si-ni
masaru kefu-wa kanasi-mo.
Wenn man hinaustritt und fortgeht, | welche Trennung,
die schwer sein wird, | hat es gegeben, | trauriger als die von
heute?
to g|| (jon) de taje- )/{ (iri)-ni-keri. Oja aivate ni-keri.
>Jf| (Naivo) & (omo) fi-te koso i-i-si-ga | ito kakusi-mo arazi-to
(omo) fu-tii \ sin-zitsi-ni taje- A (iri.)-kere-ba j madoi-te Jp{
(guwan)-date-keri. Kefu-no A # iri ~ ni bakari-ni taje
40
Pfizmaie r.
(iri)-te | X (mata)-no j^j (ü)-no inu-no (toki) bahari-ni
nan \ Jmra-ü-site iki- Jj^J (ide)-tari-keru. (Mukasi)-no toaha-
X (fito)-wa saru sukeru /Jfö (mono-omo) fi-ivo nan si-he.ru \
(ima)-no ^ (ohina) masa-ni sinan-ja.
Als er diese Verse gesagt hatte, starb er. Der Vater
erschrack. Er glaubte, es sei nicht sehr verborgen, dass der
Sohn, noch immer die Gedanken darauf richtend, es gesagt
habe. Als dieser wirklich gestorben war, gerieth der Vater in
Bestürzung und machte ein Gelübde. Heute um die Zeit des
Sonnenuntergangs war der Sohn gestorben, den anderen Tag
um die eilfte Stunde 1 ging er traurig hinaus. Die jungen
Menschen von ehemals hegten so tiefe Gedanken. Werden die
heutigen Greise eben sterben?
Ge-siü ist so viel als T ¥ ge-su-rasi ,einem gemeinen
Menschen ähnlich'.
Sumofu steht für sumafu, ringen.
Mitkasi | k (womina)-fara-kara futari (ari)-keri.
Fitori-iva ijasi-ki (otoko)-no \ madzusi-ki —* X (ßtori)-wa
ate-naru (otoko) motari-keri. Ijasi-ki ß^ (otoko) motaru j
si-fasu-no tsu-gomori-ni j uje-no kinu-wo arai-te (te)-dzukara
fari-keri. (Kokoro)-zasi itasi-kere-do | saru ijasi-ki icaza-mo
narawazari-kere-ba \ uje-no kinu-no kala-wo fari-jari-te-geri sen-
kata-mo naku-te tada naki-ni naki-keri. Kore-xco kano ate-naru
(otoko) kiki-te | ito j[j) (kokoro)-gurusi-kari-kere-ba ito kijo-
naru rb-sb-no uje-no kinu-ioo ft (mi-ide) te jaru tote.
Einst waren zwei leibliche Schwestern. Die eine hatte
einen gemeinen und armen Mann, die andere einen vornehmen
Mann bekommen. Diejenige, welche einen gemeinen Mann
bekommen hatte, wusch am letzten Tage des zwölften Monats
ein Oberkleid und spannte es eigenhändig aus. Sie that dieses
mit Willen, doch da sie an eine so gemeine Sache nicht ge
wöhnt war, spannte sie eine Seite des Oberkleides aus. Sie
wusste sich nicht zu helfen und weinte nur. Als jener vor
nehme Mann dieses hörte und sehr betrübt im Herzen war,
kam ein sehr reines Oberkleid, ein Kleid der sechsten Rang
stufe, zum Vorschein. Er schickte es mit den Worten:
1 Von 7 bis 9 Uhr Abends.
Aufzeichnungen aus dem Keiche I-se.
41
Murasaki-no ^ iro Icohi (tolä)-wa me-mo faru-ni §j^
(no) naru ]!==£ 7j^ (lcusa-ki)-zo waharezari-keru.
Um die Zeit, wo die purpurne | Farbe tief, | da, die
Knospen auch öffnend, | auf dem Felde die Pflanzen und Bäume |
haben sich nicht getrennt.
Musasi-no-no kokoro naru-besi.
Es kann der Sinn des Feldes von Musasi sein.
^ Ro-u-sa-u, sonst roiku-safu ausgesprochen, ist das
Kleid der sechsten Rangstufe.
Muscisi-no ,das Feld von Musasi' wird bloss von umfang
reichen Dingen gesagt.
Mukasi | kaja-no mi-ko-to b|d (mb) su mi-ko owasi-masi-
keri. Sono mi-ko A (loomina)-wo obosi-mesi-te \ ito kasikoku
megumi-tsuka-u- (tcima) fi-keru-wo I A (fito) nama-meki-te
^ (ari)-keru-ioo | ^ (wäre) nomi-to JBj, (omo) fi-kera-ivo |
^ (mata) (fito) ^ (kiki)-tsukete fumi jaru | fototogisu-no
kata-ivo lcaki-te.
Einst war ein Kaisersohn, welcher der Kaisersohn von
Kaja hiess. Dieser Kaisersohn richtete seine Gedanken auf ein
Weib und liebte es sehr ehrerbietig. Ein Mensch schmeichelte
ihr und glaubte, dass er allein es sei. Ein anderer Mensch
erfuhr dieses und schickte ein Schreiben. Er schrieb in Betreff
des Kukuks:
(Fototogisu) naga-nakii J|i (sato)-no amata are-ba
nawo utomare-nu (omo) fu (mono)-kara.
Da es Dörfer, | in denen der Kukuk | lange singt, viele
gibt, | hat man sich mehr noch entfernt | von ihm, der gedenkt.
to ijeri. Kono A (womina) ke-siki-wo tori-te
Das Weib machte ein Gesicht und sagte:
(Na) nomi tatsu si-de-no ta-wosa-ica ke-sa-zo naku
iwori amata-to utomare-nure-ba.
Von Kamen nur bekannt, | des Todeshimmels Feldältester j
heute Morgen singt, | den Hütten, die viele sind, j weil er ent
fremdet ward.
Toki-wa sa- (tsuki)-ni nan ari-keru. Otolco kajesi.
Um die Zeit war es der fünfte Monat des Jahres. Der
Mann entgegnete:
42
Pfizmaier.
Iwori o-oki si-de-no ta-wosa-wa 3jg| naioo tanomu toaga
sumu J]| (sato)-ni jljj; (ko-e)-si-tarazu-wa.
Der Hütten sind viele, | des Todeshimmels Feldältester |
noch immer hofft, | wenn in dem Dorfe, wo ich wohne, j die
Stimme nicht genügt.
Ke-siki-wo toru ,ein Gesicht nehmen', sonst auch ke-siki-
bnmu, wird durch zare-ta.ru ,lustig sein' erklärt.
Si-de-no ta-icosa ,der Aelteste des Feldes des Todes
himmels' ist der Kukuk. Man sagt, der Kukuk heisse so,
weil er zum Ackerbau ermahnt und in chinesischer Sprache
singt: ® ^ kuwa-zi-fu-ziüku ,über die Zeit reift es
nicht'. Man vermuthet übrigens, dass ta-wosa ,Aeltester des
Feldes' so viel als |JJ ^ ta-voaza ,Geschäft des Feldes' sein
könne. Wa und wo werden mit einander verwechselt. Man
glaubt von Alters her, dass der Kukuk von dem Berge des
Todeshimmels kommt und hält ihn für einen Vogel der Trauer.
Es gibt eine Erzählung, nach welcher der Kaiser Wang
von Scho sich in einen Kukuk verwandelte. Daher heisst
dieser Vogel auch die Seele von Scho.
'pp (Mukasi) agata-je juku (fito)-ni | muma-no fana-
muke-sen tote jobi-te \ utoki A (fito)-ni si arazari-kere-ba \
(ije)-db-zi-ni (sakadzuki) sasasete \ (womina)-no so-zoku
kadzuken-to su. Aruzi-no (otoko) (uta-jon) de | ^
(mo)-no kosi-ni jui-tsuke-sasu.
Einst wollte man einem Menschen, der sich in den
Distrikt begab, ein Reisegeschenk machen. Da kein fern
stehender Mensch, den man rufen konnte, da war, liess man
die Tochter des Hauses den Becher reichen und wollte den
Mann in den Frauenputz hüllen. Der Gebieter des Hauses
dichtete ein Lied und band es an den Lendentheil des Unter
rockes.
[Hj (Ide) te juku 3^' (kimi)-ga tame-ni-to nugi-tsure-bci
(wäre) saje mo-naku vari-nu-beki kana.
Da man für den Gebieter, der fortzieht, | ihn ausgezogen,
kann selbst unterrocklos j ich geworden sein.
Kono -f||- (uta)-wa aru-ga naka-ni omo-siro-kere-ba \
(kokoro) todomete jomazu | fcvwa-ni adziioai-te.
Aufzeichnungen aus dem Reiche I-se.
43
Da dieses Lied unter einigen Menschen lieblich war, behielt
man es bei sich und sagte es nicht her. Man fand bei der
Mutter daran Geschmack.
Sb-zoku steht für si'ö-zoku ,Putz‘ was so viel als josowoi.
In späteren Zeiten kam es vor, dass Männer andere Männer
mit weiblichem Putze bedeckten.
Mo-naku ist ursprünglich so viel als 4g? (mo)-naku ,ohne
Unterrockh Man sagt, dass es hier für (mo)-naku ,ohne
Trauer um den Todten' gebraucht werde. Es ist ein Wort,
mit welchem man den Reisenden Glück wünschte und ist mit
tsutsu-ga naku ,ohne Unfall 1 gleichbedeutend.
(Multasi) | (otoko) an-keri | (fito)-no musume-no
kasidzuku ika-de ltt % (kono otoko)-ni (mono)-iwan-to
40» (°mo) fi-keru. ff ÜJ (utsi-de)n i^. (koto) kataku-ja ff
(ari)-ken. f/J (Mono)-jami-ni nari-te | sinu-beki (toki)-ni \
kaliu koso (omo) fi-si-ga-to i-i-keru-wo oja jjjj (kiki)-tsukete \
nakii-naku tsuke-tan-kere-ba | madoi- ^ (kita) ri-kere-do \ sini-
kere-ba \ tsuki-dzuki to-lcomori-ivori-keri. ßjj: (Toki)-wa mina-
Jf (dzuki)-no tsu-gomori \ ito atsidci korowoi-ni \ joi-wa asobi-
wori-te \ (jo) fukete jaja suzusi-ki JE (kaze) fuki-keri | *j|jp
(fotarv) talcaku tobi-agari ittM (kono otoko) mi-fuseri-te
Einst war ein Mann. Die Tochter eines Menschen ver
malte sich und glaubte, sie brauche es diesem Manne nicht zu
sagen. Es wird ihm wohl schwer gewesen sein, hervorzutreten.
Er wurde krank und sollte sterben. Er sagte jetzt, dass er es
so ersehnt habe. Sein Vater erfuhr es und weinte dabei.
Obgleich der Vater bestürzt hinzukam, war Jener im Sterben.
Man blieb durch Monde hinter den Thüren verborgen. Es war
an dem letzten Tage des fünften Monates des Jahres, zu einer
Zeit, wo es sehr heiss war. Die Feuerfliegen, die am Abend
umherschwärmten, flogen, als es spät in der Nacht wurde und
allmälig ein kühler Wind wehte, hoch in die Lüfte. Dieser
Mann, der darniederlag, sagte:
ff ff) (Juku fotaru) |j& (kumo)-no uje made inn-beku-ica
aki-kaze fuku-to kari-ni tsuge kose.
44
P l'izmaier.
Die wandelnden Feuerfliegen, [ bis über die Wolken ■ wenn
sie ziehen können, | mag man vorgeblich | sagen: der Herbst
wind weht. 1
Kure-gataki (natsu)-no 0 (fi)-gurasi nagamure-ba sono
lcoto-to naku (mono)-zo kanasi-ki.
In des schwer dunkelnden | Sommers Abenddunkel | wenn
ich hinausblicke, j bei dieser Sache ist j das Weinen, das traurige.
(Mukasi) | ßfy (otoko) ito uruwasi-ki ^ (tomo)
ari-keri. Kata- (toki) sarazu ai- (omo) fi-keru-wo
J^ (ßto)-no ||j| (kuni)-je iki-keru-ico \ ito aivare-to (omo)
fi-te | wakare-ni-keri. ßj 0 (Tsuki-fi) fete wokose -tarn %
(fumi)-ni \ asamasi-ku tai-men-sede \ M 0 (tsuki-fi)-no fe-ni-
lceru i|j. (lcoto) \ wasure-ja si-tamai-ni-lcen-to \ itaku omoi-ioabi-te
nan (fanbe) ru. ttfc (Jo)-no p(4 (naka)-no A (fito)-no
(kokoro)-wa \ me-garure-ba wasure-nu-beki m (mono) - ni
koso a(n)-mere-to ijeri-kere-ba (jon) de jaru.
Einst hatte ein Mann einen sehr vortrefflichen Freund,,
der, ohne einen Augenblick zu scheiden, an ihn dachte. Der
selbe zog in ein anderes Reich und trennte sich mit sehr
schmerzlichen Gedanken. Es vergingen Monde und Tage, mit
einem abgeschickten Schreiben unglücklich, sah man ihn nicht
von Angesicht. In der Meinung, dass er bei dem Verstreichen
von Monden und Tagen vielleicht vergessen haben werde,
fühlte man sich sehr elend. Man sagte: Wie das Herz der
Menschen beschaffen ist, scheint es, dass er, aus den Augen
gekommen, vergessen haben kann. Der Mann schickte die Verse:
Me-garu-to-mo omofoje naku-ni wasuraruru toki si na-kere-ba
omo-kage-ni tatsu.
Aus den Augen verschwunden | mag man sein, da die
Zeit nicht ist, | in der ohne Erinnern | man vergessen wird,
steigt man im Bilde auf.
Me-garu ist |=j me-garu ,von den Augen getrennt sein'.
Mukasi | Jjj| (otoko) | nengoro-ni ika-de-to ^ (omo) fu
(womina) ari-keri. Sare-do (kono) (otoko)-wo ada-
nari-to kiki-te | tsure-tsure-nasa nomi masari-tsutsu ijeru.
1 In dem Kö-sen-sin enthalten.
Aufzeichnungen aus dem Reiche I-se.
45
Einst war ein Weib, welches glaubte, dass der Mann es
nicht ernstlich meinen könne. Als sie aber hörte, dass dieser
Mann falsch sei, nahm ihre Grausamkeit nur überhand und
sie sagte:
O-o-nvsa-no j^| (fiku) te amata-ni (nari) - nure - ba
omoje-do je koso tanomazari-lcere.
Da des grossen Hanfes | ziehende Hände viele | geworden
sind, | sehnte man sich auch, das Erlangen | mag man nicht
gehofft haben. 1
Als Entgegnung sagte der Mann:
O-o-nusa-to (na)-ni koso tatere nagarete-mo tsuwi-ni
joru-se-iva ari-tefu #J (mono)-wo.
Mit des grossen Hanfes | Namen nur hingestellt, | dass es
vergehe | und dass zuletzt eine Stütze | es gebe, möcht’ es
doch sein!
O-o-nusa durch ^ ,grosses Handopfer' und |jfjj,
,grosser Hanf' ausgedrückt, ist ein Werkzeug der Bannung.
Es sind Stücke zusammengelegten fünffarbigen Seidenstoffes
oder Tuches, statt dessen man sich gegenwärtig des gefalteten
Papieres bedient. Ungesponnene Baumwolle wurde auch asa
,IIanf' genannt, daher der Name ,grosser Hanf'. Man ver-
muthet, dass nusa so viel als nuki-asa gezogener Hanf'. Was
den Ausdruck ,die ziehenden Hände sind viele' betrifft, so
bängte man nach beendeter Bannung die Stücke den Menschen
an und nannte dieses fikn ,ziehen'. Man sagt auch, dass nach
beendeter Bannung ein Jeder diese Stücke an sich zog.
m
(Mukasi) JpJ (otoko) ari-keri | muma-no fana-muke-sen
tote | (fito)-ivo (matsi)-keru-ni kozari-kere-ba
Einst war ein Mann, der ein Reisegeschenk machen wollte
und einen Menschen erwartete. Als dieser nicht kam, sagte er:
Ima-zo siru kurusi-ki (mono)-to A (fito) matan sato-
wo-ba karezu tofu-be-kari-lceri.
Wissend jetzt, | dass es eine mühsame Sache ist, | von
dem Dorfe, wo man die Menschen | erwarten wird, mich nicht
trennend, | hätt’ ich fragen sollen. 2
1 In dem Ko-kon-siü enthalten.
2 In dem Ko-kon-süi enthalten.
40
Pf izraai er.
(otoko) imo-uto-no ito okasi-ge- naru-wo
M (mi)-wori-te
Einst sah ein Mann, dass seine jüngere Schwester 1 sehr
wundervoll war. Er sagte:
Ura-wdkami ne-jo-ge-ni M M juru waka-kusa-ico A
(fito)-no musuban koto-wo si-zo omofu.
Immer jung, | die gut von Wurzel sich zeigt, | die junge
Pflanze, | dass die Menschen sie knüpfen | mögen, wird begehrt.
to | kikoje-keri \ kajesi.
Es ward von ihr gehört, und sie erwiederte:
(Fatsu-husa)-no nado medzurasi-ki koto-no fa-zo
uva-naku (mono)-ioo omoi-lceru kana.
Die erste Pflanze, | dass die kostbaren j Blätter der Worte j
innerlich weinen, | warum dachte sie daran?
Ura-ivakami, in dem Man-jeö-siü durch ,an der
Spitze jung' ausgedrückt, bezeichnet, dass die Blätterspitzen
der Frühlingspflanzen jung erscheinen.
Ne-jo-ge wird in wahren Schriftzeichen durch m m
,guter Schlaf' ausgedrückt. Ne hat zugleich die Bedeutung
^ ne ,Wurzel'.
Ura-naku wird in dem Man-jeö-siü durch [v fi|| ,wahr
sagend klagen' ausgedrückt. Man vermuthet, es könne den Sinn
von ura-naku ,innerlich weinen' haben.
Mukasi \ otoko ari-keri \ uramuru A (ßto)-wo urami-te.
Einst hasste ein Mann einen ihn hassenden Menschen
und sagte: .
Tori-no ko-ioo towo-dzutsu toivo-iva. kasanu-to-mo omowanu
J^ (fito)-wo omofu mono-ka-wa.
Hühnereier | zu zelmen zehn | mag man auch häufen, j
des Menschen, der nicht gedenkt, | soll man wohl gedenken?
to ijeri-kere-ba.
Auf dieses wurde entgegnet:
Asa-tsuju-wa kije-nokori-te-mo ari-nu-besi g|| (tare)-ka
kono fjp (jo)-ivo tanomi-fatsu-beki.
Dass der Morgenthau | schmelzend noch übrig blieb, | kann
geschehen sein. Wer auf diese Welt | kann vertrauen bis zu Ende?
Mukasi | Jfl
' Es wird angenommen, dass hier die Stiefschwester (mama-imo) gemeint
ist, die man in alter Zeit heirathen konnte.
Aufzeichnungen aus dem Reiche I-se.
47
Mata otoko.
Dei' Mann sagte wieder:
Fuku (lcaze)-ni ko-zo-no (sakura)-wa fsirazu-to-mo
ana tanomi-gata A (fito)-no kokoro-wa.
Von dem wellenden Winde | des letzten Jalires Kirsch-
bliitlie | mag nicht zerstreut sein, j Leider vertrauen unmöglich
lässt sich | auf des Menschen Her.:.
X (Mata) -k (loomina) kajesi.
Das Weib entgegnete wieder:
fS fr (Juku-midzu)-ni ^fjt (kazu) kaku-jori-mo faka-
naki-wa J& (omo) wann A (fito)-wo omofu nari-keri.
Vergänglicher nocli | als auf fliessendes Wasser | Zahlen
schreiben, | war es, eines Menschen, j der nicht gedenkt,
gedenken.
Mata otoko.
Der Mann sagte wieder:
Juku fr (midzu)-to suguru jowai-to tsiru (fana )-to
idzure-made-tefu | koto-wo kiku-ran.
Das Wasser, das fliesst, | das Leben das vergeht, | die
Blüthen, die verweht, | wie lange noch | wird man die Sache
hören ?
Ada-kurabe katami-ni■ si-ke.ru % ± (otolco-womina )-no
sinobi-ariki-si-keru (koto) naru-besi.
Der Mann und das Weib, welche in Feindschaft mit
einander wetteiferten, können heimlich gewandelt sein.
Mukasi \ otoko | (fito)-no sen-zai-ni kiku uje-keru-ni.
Einst sagte ein Mann, als man in den Vorgarten eines
Menschen Goldblumen pflanzte:
Uje-si uje-ba m (aki)-naki toki-ja sakazaran ih (fana)
koso tsirame ne kareme-ja.
Hat man es gepflanzt, | die zu einer Zeit, wo kein Herbst, j
sich nicht öffnen werden, [ die Blüthen mögen verweht sein,
die Wurzel vielleicht verdorrt.
Mukasi | j\j) (kokoro) tsuki-te (iro)-gonomi-taru
(otoko) naga-woka-to iw fff (tokoro)-ni | ^ (ije) tsukuri-wori-keri.
So-ko-no tonari (nari)-keru | (mija)-bara-ni | koto-mo
48
Pfizraai o r.
naki k (womina)-domo-no \ icinaka nari-kere-ba ' jJJ (ta) karan
tote | itfc J§ (kono otoko)-no aru-wo % (mi) te | imizi-no suki
mono-no si-wciza-ja tote \ atsumari-te A * (iri-ki)-kere-ba
ttM (kono otoko) nigete oku-ni kalcure-ni-kere-ba k (womina).
Einst kam ein lebensfroher Mann auf den Gedanken, an
einem Orte Namens Naga-woka ein Haus zu bauen und daselbst
zu wohnen. Auf der benachbarten Palastebene war der Land
aufenthalt beschäftigungsloser Weiber. Als diese das Feld mähen
wollten und diesen Mann sahen, meinten sie, sie hätten vielleicht
eine Beschäftigung mit sehr ergötzlichen Dingen. Sie ver
sammelten sich und kamen herein. Als dieser Mann entfloh
und sich in dem Inneren verbarg, sagten sie:
Are-ni-kere aware iku-jo-no jado nare-ja sumi-ken A
(fito)-no woto-dzure-mo senu.
Verödet mag es sein, | ach! durch wie viele Alter | ein
Nachtlager mag es sein! | Von dem Menschen, der dort gewohnt
haben wird, | ist nichts zu hören.
to i-i-te iitb (kono) mija-ni atsumari-ki. Wite ciri-
kere-ba | kono otoko.
Hiermit versammelten sie sich in diesem Paiaste. Als
sie sich daselbst befanden, sagte dieser Mann:
Mugura oi-te are-tciru (jado)-no ure-taki-wa kari-ni-mo
oni-no sudaku nari-keri.
Wo das Labkraut wächst, | des öden Nachtlagers | Trau
riges, | es ist einstweilen der Dämonen | Summen geworden.
tote nan jjj (ida) si-tari-keru. lifc k (Kono loomina)-
domo | fo firowan-to i-i-kere-ba
Hiermit trat er heraus. Diese Weiber sagten, dass sie
Aehren lesen werden. Er sagte:
TJtsi-ioabi-te otsi-bo firofu-to ki-kama-se-ba (ware)-mo •
ÜJ (ta)-dzura-m jukamasi ^ (mono)-wo. .
Unglücklich, | die abgefallenen Aehren zu lesen, | wenn
man kommen will, | dann auch ich auf die Feldfläche | gerne
würde geh’n.
Sudaku, in dem Man-jeo-siü durch ^ ausgedrückt,
bezeichnet das Summen der Insecten. In dem mit wahren
Schriftzeichen geschriebenen Texte steht dafür m A ? ein-
Aufzeichnungen aus dem Reiche I-se.
49.
und austreten*. Es wird angegeben, dass hiermit das Wort in
Bezug aut’ den Sinn geschrieben werde.
Ki-kama-su bedeutet ,kommen wollen*, wird aber nirgends
erklärt. Es mag so viel als ki-kawnaje-suru sein.
Mitkasi \ otoko | (mijako)-wo ika-ga (omn) fi-ken j
jingasi- jjj (jama)-ni svman-to ^ (omo) fi-iri-te.
Einst kam es einem Manne, der sieh nach Mijako nicht
gesehnt haben wird, in die Gedanken, in dem östlichen Gebirge
zu wohnen.
Sumi-wabi-nu (ima)-ica kagiri-to [Jj (jama)-zato-ni
Jfp (mi)-wo kakusu-beki (ja.do) motome-ten.
Unglücklich wohnt’ ich, | an der Gränze der Todesstunde j
in dem Gebirgsdorfe, | wo ich mich verbergen kann, | ein Nacht
lager werd’ ich suchen.
Kaku-te I #J (mono)-itaku jami-te \ sini- A (iri)-tari-
kere-ba \ omote-ni A (miclzu) sosogi nado site | iki-idete.
Dabei erkrankte er schwer und war dem Tode nahe. Er
besprengte sein Gesicht mit Wasser und sagte im Verscheiden:
Waga uje-ni (tsvju)-zo ivoku naru (ama)-no
(gawa) to wataru fune-no lcai-no sidzuku-ka.
Der über mir | Thau fallen macht, | der Himmelsfluss, j
des über ihn setzenden Schiffes | Ruder, träufelt es?
to nan \ i-i-te iki- (ide)-tari-keru.
Nachdem dieses gesagt, verschied er.
Mukasi | (otoko) ari-keri | (mija)-dzukaje
isogawasi-ku (kokoro)-mo mnme-narazari-keru (fodo)-no |
ije-db-zi | mame-ni M (omo) wan-to in A (fito)-ni tsvld-te j
A (fito)-no HH (kuni)-je i-ni-keri. Jtfc % (Kono otoko) v-sa-no
tsukai-nite | iki-keru-ni \ aru jgj| (kuni)-no si-sb-no 'j^ J\^ (kn an-
nin)-no \ me-nite nan 7^ (aru)-to ^ (kiki)-t,e (wotnina)-
aruzi-ni | kawara-ke torase-jo | sarazu-ba nomazi-to i-i-kere-ba
kaware-ke (tori)-te osi-tari-keru-ni sakana nari-ke,ru tatsi-
(bana)-wo tori-te.
Einst näherte sich ein Mann einer Haustochter, welche
es mit dem Dienste in dem Palaste eilig hatte und es im
Herzen eben nicht redlich meinte, indem er glaubte, sie werde
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. LXXXIII. Bd. 1. Hft. 4
50
iPfizmaief.
es redlich meinen, und zog in ein anderes Reich. Dieser Mann
reiste als Abgesandter von U-sa und hörte, dass sie das Weib
eines als abgesandter Bonze Angestellten eines Reiches sei.
Er sagte zu der Gebieterin des Hauses: Gib mir ein irdenes
Gefäss. Sonst trinke ich nicht. — Als sie ein irdenes Gefäss
nahm und es hinschob, verwandelte es sich in einen Fisch.
Sie nahm einen Pomeranzenzweig und sagte:
Sa-tsuJci matsu (fana)-tatsi-bana-no Jca-wo kage-ba
mulcasi-no (fito)-no (sode)-no ka-zo sunt.
Des auf den fünften Monat j wartenden Pomeranzenbaumes j
Duft wenn ich rieche, | nach dem Aermel des Menschen | von
ehemals er riecht.
to i-i-Jceru-ni-zo M (omo) fi- (ide) te \ ama-ni
(nari)-te | [Jj (jama)-ni A (iri)-te-zo ari-keru.
Als sie dieses gesagt hatte, erinnerte sie sich. Sie wurde
eine Nonne und trat in das Gebirge.
Mukasi | (otolco) tsuku-si made iki-tari-keru-ni \ kore-wa
iro-konomu-to iü \ svki mono-to \ sudare-no utsi naru A (ßto)-iio |
i-i-keru-wo kiki-te.
Einst reiste ein Mann bis nach Tsuku-si. Er höi’te daselbst,
wie zu einem lebensfrohen, leidenschaftlichen Menschen ein
innerhalb der Thürmatte befindlicher Mensch sagte:
Some- M (kawa)-wo wataran A (fito)-no ika-de-ka-wa
iro-ni naru-tefu koto-no na-karan.
Der den Färbefluss j übersetzen will, der Mensch, | dass,
wie man sagt, Farbe | er erhält, | wie sollte dieses nicht sein?
A (Womina) kajesi.
Das Weib entgegnete :
(Na)-ni-si oiva-ba ada-ni-zo 7^ (aru)-beki taware-sima
m (nami)-no nure-ginu kiru-to iü nari.
Die, wenn den Namen sie trägt, | falscher Weise vorhanden
sein kann, | die ausschweifende Insel, | in das von ihren Wellen
benetzte | Kleid, heisst es, kleidet man sich.
Iro ,Farbe' hat hier den Nebenbegriff von Sinnlichkeit.
Taware-sima ,die ausschweifende Insel' ist eine Insel des
Reiches Fi-go.
Aufzeichnungen aus dem Reiche I-se.
51
Mvlcasi | 4p (tosi)-goro woto-dzurezari-keru (womina) \
Aj!* (kolcoro) -kasikoku-ja arazari-ken | faka-naki A (fito)-no
koto-ni tsuki-te \ (fito)-no jgj| (kuni) nari-keru A (fito)-ni
tsukawarete \ moto a (mi)-si A (ßto)-no maje-ni ide-kite |
(Otoko) ware-wo sirazu-ja tote.
Einst befasste sich ein Weib, von welchem man durch
Jahre keine Nachricht hatte, von Sinn wohl nicht verständig,
mit einem verschollenen Menschen. Sie wurde zu dem in einem
anderen Reiche befindlichen Menschen geschickt, kam zu dem
Menschen, den sie ursprünglich gesehen, und gab ihm zu essen.
Am Abend sagte sie zu dem Gebieter des Hauses: Vergönne
mir den Menschen, der sich hier befindet. — Der Gebieter
schickte ihn. Der Mann glaubte, dass man ihn nicht kenne
und sagte:
Inisi-je-no niwoi-wa idzu-ra sakura- (bana) kolceru
kara-to-mo navi-ni-keru kana.
Die Zierlichkeit | von ehemals, wo ist sie? | Die Kirsch-
blüthen, | gehechelte Stengel | sind sie geworden!
to | iu-wo ito fcidzukasi-to (omo) fi-te | iraje-mo sede
wi-taru-wo \ nado iraje-mo senu-to ije-ba namida-no lcoboruru-ni
me-mo a (mi) jezu (mono)-mo iwarezu-to iü.
Er hielt es für eine grosse Schande und willigte nicht
ein. Sie fragte, warum er nicht einwillige. Die Thränen Über
flossen, und es wurde, wie man sagt, vor den Augen nichts
gesehen, kein Wort gesprochen.
Iiore-ja Jcono (ioare)-ni afu J|p (mi)-ioo nogare-tsutsu
4p a fhm-tsuki) fure-do masari-gawo naki.
Hier vielleicht diesem | Leibe, der mir begegnet, | bin ich
entkommen, | der, ob Jahre, Monde verfliesseu, | ein besseres
Aussehen nicht hat.
to i-i-te kinu nugi-te torase-kere-do \ ^ (sute) te vige-ni-
keri. Idzutsi inu-ran- -mo) sirazu.
Dieses sagte er. Obgleich sie das Kleid auszog und es ihm
gab, verschmähte er es und entfloh. Man wusste auch nicht,
wohin er gehen werde.
52
P f i z m a i e r.
Nebst woto-dzure ,Nachricht* kommt auch das Verbum
woto-dzururu ,man hat Nachricht* vor.
Jo-sari ist mit Äf (jüj-sari ,Abendzeit* gleichbedeutend.
Kokeru kara ,gehechelter Stengel* soll in Gedichten öfters
verkommen. Es wird nicht erklärt und nur gesagt, dass kern
zurückgekehrt hu ist. Es bleibt daher das Wort hohn
,hecheln*. Man gebraucht dieses in Bezug auf die Reispffanzen,
welche nicht gedroschen, sondern gehechelt werden.
Mukasi | für (jo)-gokoro tsukeru (womina) | ika-de
(kokoro) nasake aran ß^(otoko)-ni \ ai-je-te si-gana-to & (omo)
je-do | i-i- jjj (ide)n-mo tajori-nasa-ni M (makoto)-naranu jume-
gatari-wo su. * H A (ko mi-tari)-wo jobi-te katari-keri.
Futari-no (ko)-wu nasahe-naku irajete jami-nu. Sabura-u
(nan)-keru (ko) nnn joki m ä (on-oioko)-zo wite
kon-do aioasuru-ni \ it A (kono womina) ke-siki itojosi j koto-
A (fito)-wa ito nasake-nasi | ika-de itk ( kono )
(tsiu-zib)-ni awasete si-gana-to | (omo) fu (kokoro) ari.
ijyj- (Karl) si ariki-keru-ni \ iki-ai-te | (mitsi)-nite ^
(muma)-no kutsi-wo. (tori)-te | ko-kb nun (omo) fu-to
i-i-kere-ba | aware-gari-te kite ne-ni-keri. ^ (tiate) notsi
(otoko) ÜL (mi) jezari-kere-ba \ (womina) ^ (otoko)-no
i.je-ni iki-te \ kai-ma-mi-keru-wo | (otoko) fonoka-ni ÜL (mi) te.
Einst war ein. weltlich gesinntes Weib, welches sich
wünschte, mit einem Manne von gefühlvollem Herzen zusam
menzutreffen. Da sie jedoch kein Mittel hatte, dieses heraus
zusagen, führte sie Reden in unwirklichen Träumen. Sie rief
drei Söhne herbei und sprach zu ihnen. Zwei Söhne waren
gefühllos und standen von der Zusage ab. Ein angestellter
Sohn war ein schöner Mann und traf diessmal mit ihr zusammen.
Dieses Weib war von Aussehen sehr schön, der andere Mann
war sehr gefühllos. Sie dachte sich im Herzen: Ich möchte
mit diesem unter den Fünfen befindlichen mittleren Anführer
Zusammentreffen. Als dieser auf die Jagd zog, ging sie zu ihm
hin. Auf dem Wege hielt sie das Pferd an und sagte, dass
sie die Vereinigung wünsche. Indem er Mitgefühl hatte, kam
er und schlief bei ihr. Als später der Mann sich nicht sehen
liess, ging das Weib zu dem Hause des Mannes und blickte
durch die Mauer. Sie sah den Mann undeutlich und sagte:
Aufzeichnungen aus dem lteiche I-se.
53
Mömo-tose-ni ßto-tose taranu tsuku-mo-gami ware-wo kofu-
rasi omo-hage-ni miju.
Wo zu hundert Jahren | ein Jahr noch fehlt, | der Seebinse
Haupthaar, | als ob man mich liebte, | im Bilde wird geseh’n.
tote jjj (ide)-tatsu Ice-siki-wo ü (mi) te I mubara-kara-
tatsi-ni kakari-te (ije)-ni ld-te utsi-fuseri. (Otoko) kano
iK (womina)-no se-si-jb-ni (sino) bi-te tateri-te mire-ba \
(womina) nageki-te-nu tote.
Als sie die hervortretende Gestalt erblickte, bängte sie
sich an einen dornigen Citronenbaum, kam in das Haus und
legte sich nieder. Der Mann erhob sich heimlich bei dem
Thun dieses Weibes und blickte hin. Das Weib sagte, dass
sie Kummer gehabt habe.
Sa-musiro-ni (koromo)-kata-siki ko-joi-mo-ja Icoi-siki
A (fito)-ni awade norni neu.
Auf dem wahren Teppich | das Kleid seitwärts breitend, |
diese Nacht vielleicht auch, | mit dem geliebten Menschen |
unvereint werd’ ich schlafen.
to | (jomi)-lceru-wo | ^ (otoko) aware-to (omo)
fi-te ^ (sono jo) ue-ni-keri. iö: (jo)-no 4» (naka)-no
rei-to site omo-wo-ba (omo) ß \ JjQßomo) wanu-wo-ba |
(omo) wanu (mono )-wo I itb A ( kono fi to )- wa (omo)
fu-ivo-rno ffl (omo) wanu-wo-mo | kedzi-me (mi) senu aS»
(kokoro) nan (ari)-keru.
Sie sagte diese Verse. Der Mann hatte Mitleid und schlief
diese Nacht bei ihr. Möchte man doch nach dem Brauche
dieser Welt dessen, der gedenkt, gedenken, dessen der nicht
gedenkt, nicht gedenken. Dieser Mensch hatte ein Herz,
welches das, dessen es gedenkt, und das, dessen es nicht ge
denkt, nicht als etwas Verschiedenes kundgibt.
Ko ,Sohn* bezeichnet hier einen jungen Mann.
Zai-go-tsiü-zi'o ,der unter den Fünfen befindliche Anführer*
ist der fünfte Sohn des Kaisersohnes IST « A-fo, der als
Wüstling und Dichter bekannte ® m m ¥ Ari-wara
Nari-fira. Er starb im fünften Jahre des Zeitraumes Gen-kei
(880 n. Chr.).
Tsuku-mo-gami ,das Haupthaar der Seebinse* bedeutet
eigentlich das weisse Haupthaar, welches mit der Pflanze
54
F f i zm ai er.
tsuku-mo ,Seebinse' Aehnlichkeit hat. Es stellt auch für midare-
gami ,verwirrtes Haupthaar'. Hier ist es, wie angegeben wird,
so viel als % + % ku-ziü-kü ,neun und neunzig'. Es hat
diese Bedeutung auf Grund eines alten Liedes, in welchem die
nämlichen Worte dieser Stelle des Ise-mono-gatari, nämlich:
momo-tose-ni fito-tose-taranu tsuku-mo-gami ,Wo zu hundert
Jahren | ein Jahr noch fehlt, | der Seebinse Haupthaar' Vor
kommen.
MuJcasi | (otoJco) (womina) misoka-ni kataro
waza-mo sezari-keve-ba \ idZuku (nari)-ken ajasisa-ni gj|
(jome) ru.
Einst sagte ein Mann, als ein Weib nicht im Geheimen
mit ihm sprach, in seiner Verwunderung darüber, wo sie sein
werde, die Verse:
Fuku ja (kaze)-ni wciga mi-wo nasa-ba (tarua )-sudare
fima motome-tsutsu iru-beki mono-wo.
Zu dem wehenden Winde | meinen Leib wenn ich machte,
dann einen Zwischenraum | der Thürmatte von Edelstein
suchend, möcht’ ich hereinkommen.
Die Entgegnung:
Tori-tomenu J|i^ (kaze)-ni-wa ari-to-mo jJi (tama)-sudare
taga jurusa-ba-ka fima motomu-beki.
Ein ungewisser | Wind möge sein, | die Thürmatte von
Edelstein, | wer kann, wenn man es erlaubt, | einen Zwischen
raum in ihr suchen?
Mukasi j o-o-jake obosi-te \ tsuko (tamo) (womina)-no
iro jurusare-taru ari-keri. O-o-mija sun- Jfijy (dokoro) tote
i-masu-gari-keru \ itoko (nari)-keri. m ± (ten-zib)-ni
safurai-keru ff M (ari-wara) (narij-keru (otoko)-no
mada ito waka-kari-keru-wo \ -k (kono womina) ai-siri-
tari-keri. (Otoko) ^ (womina)-gata jurusare-tari-kere-ba
^ (womina)-no aru pjfr (tokoro)-ni kite \ mukai-won-kere-ba
^ (womina) ito kata-fa nari | Jfp (mi)-mo forobi-nan, Kaku
naze-zo-to i-i-kere-ba
Einst wurde einem an dem Hofe als Obrigkeit dienenden
Weibe die Farbe erlaubt. Es war die Base des ,grossen Wohn-
Aufzeichnungen aus dem Reiche I-se.
00
sitzes des Palastes'. Ein Mann, welcher der über der Vorhalle
aufwartende Ari-wara war, stand noch in sehr jugendlichem
Alter, und er kannte dieses Weib. Da das Weib die Erlaubniss
erhielt, kam der Mann zu dem Orte, wo sich das Weib auf
hielt. Als er sich ihr gegenüber befand, war das Weib sehr
hässlich und ihr Leib geschwunden. Er fragte, warum dieses
so sei. Sie sagte:
(Omo) fu-ni-wci sinoburu Jcoto-zo make-ni-keru afu-ni
si kaje-ba sa-mo ara-ba are.
Bei dem Ersehnen | die Geduld | ist besiegt worden.
Bei’m Begegnen wenn ich wechsle | und es so ist, so sei es. 1
to i-i-te | za-u-si-ni ori- (tama) jere-ba | rei-no ft (kono)
mi-za-u-si-ni-wa | A (fito)-no Ä (mi) ru-wo-mo sirade \ nobori-
wi-kere-ba Ift k (kono womina) (omo) fi-wabi-te sato-je
juku. Sare-ba nani-no jolci koto-to JB (omo) ß-te iki-kajoi-
kere-ba \ mina (fito) kilci-te warai-keri. Tsutomete tono-mo
tsukasa-no I JE, (mi) ru-ni \ kutsuwa (tori)-te \ woku-ni nage-
(ire) te nobori-nu. Kaku kata-fa-ni si-tsutsu avi-wataru-ni \
(mi)-mo itadzura-ni (nari)-nu-be-kere-ba \ tsuwi-ni forobi-
nu-besi tote | ft (kono) otoko ika-ni sen \ ivaga kakaru
(kokoro) jame- (tama) je-to | (fot.oke) kami-ni-mo ^
(mosi)-kere-do ija-mcisari-ni nomi oboje-tsutsu | 3j|| (nawo) wari-
naku koi-si-ü nomi oboje-kere-ba | on-jo-zi kannagi jobi-te \ koi-
sezi-to iü faraje-no gu site nan iki-keru. Fafaje-keru mama-ni |
itodo kanasi-ki jJ*. (koto) kazu masari-te \ ari-si-jori ge-ni koi-
siku nomi oboje-kere-ba.
Hiermit stieg sie von dem Frauengemache herab. Da er,
nicht wissend, dass die Menschen ihn sehen, in dieses gewöhn
liche Frauengemach heraufgestiegen war, fühlte sich dieses Weib
unglücklich und ging in die (kaiserliche) Strasse. Da sie indessen
in dem Gedanken, dass es etwas Gutes sei, hingegangen war,
lachten Alle, die es hörten. Die Vorsteherin des Palastes sah
dieses bei der Dienstverrichtung. Sie nahm ein Stangengebiss,
warf es herein und stieg empor. Man sagte: Da sie so hässlich
war und ihr Leib beim Ameisendurchgange auch unnütz geworden
sein muss, wird sie zuletzt zu Grunde gegangen sein. — Wie
1 In dem Sin-ko-kon-siü enthalten.
56
Pfizmaie r.
sollte sieh dieser Mann helfen? Er betete zu dem Gotte Fö:
Gebiete Einhalt meinem Herzen, welches so beschaffen ist.
Doch er gedachte ihrer nur noch mehr. Da er, zum Wider
stande immer unfähiger, nur in Liebe ihrer gedachte, rief er
einen Beschwörer, den Meister des Yin und Yang, nahm die
Bannung für das Nichtlieben vor und ging weg. Während der
Bannung wurde seine Traurigkeit vielmals stärker, und er
gedachte wirklich nur in Liebe. Er sagte:
Koi-sezi-to mi-tarasi- J|| (gawa)-ni se-si misogi (hami)-wa
ukezu-mo (nari)-ni-ke.ru ltana.
Damit ich nicht liebe, | an dem Flusse der Handwaschung
die Bannung, die ich bewirkt, | dass die Götter sie nicht an
nehmen, | ist auch geschehen!
to | i-i-te nun ini-keru.
Nachdem er dieses gesagt, ging er fort.
Kono mi-kado-wa | kawo katatsi jolcu owasi-masi-te \fotoke-no
filp (mi-na)-wo (mi-kokoro)-ni G re ) te fifp ( on )~
ko-e-wa ito tafutoku-te (mbsi-tama) fu-ivo ^ (kiki)-te \
iK (womina)-wa ita-ü naki-keri. Kakaru (kimi)-ni tsuJco-
matsurade | suku-se tsuta-naku kanasi-ki (koto). kt ^
(Kono otoko)-ni fodasurete nun nahi-keru kakaru fodo-ni | mi-
kado kikosi-mesi-tsulcete I kt % (kono otoko)-wo~lia nagasi-
tsukawasi-te-gere-ba kt iK (kono womina)-no itoko-no mi-jasu-
m (dokoro) | (vjomina)-wo-ba makade-sasete liura-ni komete
si-wori- (tama) fu gere-ba \ kura-ni komori-te naku.
Dieser (der damalige) Kaiser war schön von Angesicht
und Gestalt. Er prägte den erhabenen Namen Buddha’s in
sein Herz und die Stimme, mit welcher er betete, war sehr
ehrerbietig. Das Weib, welches es hörte, weinte schmerzlich.
Indem sie einem solchen Gebieter nicht diente, war das frühere
Leben etwas Unrühmliches und Trauriges. Von diesem Manne
gefesselt, weinte sie. Endlich erfuhr es der Kaiser und schickte
diesen Mann in die Verbannung. Die Base dieses Weibes,
der ,Wohnsitz des Palastes', Hess dieses Weib austreten. Sie
sperrte sie in eine Kammer und strafte sie. In der Kammer
eingeschlossen, sagte sie weinend:
Arna-no karu mo-ni sumu pj] (musi)-no (warej-kara-to
ne-ioo koso nagame iä (jo)-wo-ba urami-si.
Aufzeichnungen auti dem Keiclie I-se.
57
Das in dem Hornblatt, das der Fischer j schneidet, woh
nende Insect, | freiwillig | auf die Wurzeln hat es geblickt, |
hat die Welt gehasst.
to | naki-wore-ba | Hfc (kono) otoko | A (fito)-no kuni-
j°ri (jo)-goto-ni ki-tsutsu | fuje-wo ito omo-sirohu fvki-te [
ko-e-wa okasi-üte-zo aware-ni utai-keru. Kakare-bu 1(kono
ioömina)-wa kura-ni komori-nagara \ sore-ni-zo a-naru-to-wa
kike-do \ ai-miru-beki-ni-mo arade nan ari-ke.ru.
Da sie so weinte, kam dieser Mann aus dem fremden
Reiche jede Nacht herbei und blies lieblich die Flöte. Er
hatte eine wundervolle Stimme und sang wehmüthig. Das Weib,
in der Kammer eingeschlossen, hörte zwar, dass dieses geschah,
doch sie konnte ihn nicht sehen.
Sari-to-mo-to ,5? (omo) fu-ran koso kanasi-kere aru-ni-mo
aranu Jfp (mij-mo sirasu-site.
Es mag so sein, | werd’ ich denken, | es ist traurig wohl,
ihn, der da ist und auch nicht da ist, | indem ich nicht kenne.
t° | (omo) fi-wori | (otoko)-wa (womina) si
awane-ba \ kalcusi ariki-tsutsu \ (fito)-no [||j (kuni)-ni ariki-te
kaku utb.
So gedachte sie fortwährend. Da das Weib ihm nicht
begegnete, ging der Mann im Verborgenen einher. In dem
fremden Reiche einhergehend, sang er wie folgt:
Itadzura-ni (juki)-ta-wa ki-nuru $9 (mono)-ju-e-ni Ä
(mi)-maku fosi-sa-ni izanaware-tsutsu.
Vergeblich, | nachdem ich gegangen, kam ich. | Aus
diesem Grunde, j in der Begierde zu sehen, | wurd’ ich verleitet.
A (Midzu)-no J§ (wo)-no fifj Bjf (on-tolci) naru-besi.
O-o-mija-sun- pjy (dokoro)-mo | some-dono-no kisaki-ja |
(go-ded)-no J0 (kisaki)-to-mo.
Dieses kann die Zeit von Midzu-no Wo sein. Der ,grosse
Wohnsitz des Palastes' ist vielleicht die Kaiserin Some-dono,
oder auch die Kaiserin Go-deö.
Iro jurusare-taru ,die Farbe wurde erlaubt'. Die hoch-
rothe und tiefpurpurne Farbe war verboten, die lichtrothe und
lichtpurpurne Farbe war erlaubt. Um die ersteren Farben
tragen zu können, bedurfte man einer besonderen Erlaubniss.
58
I* f i z m a i e r.
Mija-sun-dokoro (sonst mija-su-dokoro) ,der Wohnsitz des
Palastes' heisst die Gemalin des kaiserlichen Nachfolgers. Das
hier vorkommende o-o-mija-sun-dokoro ,grosser Wohnsitz des
Palastes' bezeichnet die Kaiserin.
Kata-fa, durch ■fr M kata-fa, ,einen einzigen Flügel
besitzend' ausgedrückt, wird von dem Pfeile und dem Vogel
gesagt. Es wird vermuthet, dass das Wort an dieser Stelle
den nämlichen Sinn habe. Das mit wahren Schriftzeichen
geschriebene Ise-mono-gatari hat dafür das Zeichen j|j|| ,hässlich'.
Za-u-si ist 1 M za-u-si, die Vorsteherin des Frauen-
gemaches, auch das Frauengemach selbst. Man sagt sonst
tsubone.
Sato ,Strasse', auch mija-sato ,Strasse des Palastes' be
zeichnet die Hauptstadt.
Mi-tarasi-gawa ist ein Fluss bei dem Altäre von Karao
in Jama-siro. Mi-tarasi. ist so viel als mi-te-arafi ,Waschen der
kaiserlichen Hand'. Die Laute fi und si gehen in einander über.
Si-woru wird durch £ tjr siba-woru ,Brennholz brechen'
ausgedrückt. Siba ,Brennholz' ist ein hinzugefügtes Zeichen,
woru ,brechen' so viel als sohonawaruru ,beschädigt werden'.
An dieser Stelle wird das Wort durch semuru ,strafen'
erklärt und soll den nämlichen Sinn haben.
Mo-ni sumu musi ,das in dem Hornblatt wohnende Insect'
ist eine kleine Muschel, welche sonst ware-kara ,von selbst,
freiwillig' genannt wird. Da sich dieses Thier aus eigenem
Antriebe an das Hornblatt geheftet hat, darf es, wenn es von
den Fischern abgemäht wird, der Welt nicht grollen.
Midzu-no wo bezeichnet den Kaiser Sei-wa (859 bis 876
n. Chr.). Es ist der Name des Altares, der diesem Kaiser
geheiligt wurde.
Die Kaiserin Some-dono ist die Kaiserin Fudzi Akira-no
Ko, die Mutter des Kaisers Sei-wa.
Mukasi \ otoko ; tsu-no kuni-ni siru pjy (tokoro) ari-keru-ni
ani wototo ] ^ (tomo)-datsi fiki-wite nani-wa-no kata-ni iki-keri.
Nagisa-ivo mire-ba \ ft (fune)-domo-no aru-wo M (mi)-te.
Einst hatte ein Mann in dem Beiche Setsu Bekannte. Er
nahm seine Brüder zu Gefährten und reiste mit ihnen nach
Aufzeichnungen aus dem Reiche I-se.
59
der Gegend von Nani-wa. Als er auf den Strand blickte, sah
er, dass sich, daselbst Schiffe befanden.
Nani-wa-dzu-wo ke-sa koso mi-tsu-no ura-goto-ni Icore-ja
kono jo-wo umi-wataru (fune).
0 Nani-wa’s Hafen! | Heute morgen auf einer jeden | der
drei Buchten | sie, diese Welt | zur See übersetzenden Schiffe!
Kore-wo aware-gari-te | AV (fito-bito) kajeri-ni-keri.
Alle bewunderten diese Worte und kehrten zurück.
Mi-tsu-no ura ,die drei Buchten* heissen die Hafen
Taka-tsu, Siki-tsu und Nani-wa-dzu. Indessen findet sich auch
die Schreibart W * ?* mi-tsu-no ura ,die Bucht dos kaiser
lichen Hafens*.
Mukasi (otoko) se-u-je-u-si-ni | & (omo) fu dotsi kai-
tsuranete \ idzumi-no |gt| (kuni)-je ki-sara-gi bakari-ni iki-keri.
Ka-utsi-no kuni i-komci-no |Jj (jama)-wo mire-ba \ kumori-mi
fare-mi | tatsi-wiru §1 (kumo) jamazu. ij?Jj (Asita)-jori kumori-te
firu fare-tari | (Juki) ito siro-ü 7^ (ki)-no su-e-ni furi-tari.
Sore-ivo mite kano juku-juku (fito)-no naka-ni tada fitori
jomi-keru.
Einst stellte ein Mann zum Behufe des Umhersehweifens
die Gleichgesinnten in Reihen und wanderte um die Zeit des
zweiten Monates des Jahres nach dem Reiche Idzumi. Als
man den Berg I-koma in dem Reiche Kawatsi sah, war es
daselbst bald umwölkt, bald heiter, und die aufsteigenden
Wolken nahmen kein Ende. Seit dem Morgen war der Himmel
umwölkt, zu Mittag war er heiter. Der Schnee war sehr weiss
auf die Wipfel der Bäume gefallen. Als er dieses sah, sagte
er inmitten jener umherziehenden Menschen für sich allein
die Verse:
Kinofu kefu |||l (kumo)-no tatsi-mai kakurofu-wa ft
(fanaj-no fajasi-wo u-si-to nari-keri.
Gestern, heute [ die Wolken, indess tanzend | sie sich
verbergen, [ einen Blumenwald | dass sie erhielten, geschah.
Kakurofu ist so viel als kakuru, sich verbergen. Die Rück
kehr von rofu ist ru.
(Mukasi) (otoko) idzumi-no j§|| kuni-je iki-keri.
Sumi-josi-no koxoori \ ^ (sumi-josi)-no JJj (.safo)
surni*
60
Pf i z m a i er.
josi-no fama-wo (juku)-ni ito omo-siro-kere-ba \ wori-ioi-tsutsu
juJcu | aru A (fi t0 ) ft- M (sumi-josi)-no Ipf (fama) - to
jome-to iü.
Einst reiste ein Mann in das Reich Idzumi. Da die
Wanderung in dem Kreise Sumi-josi, in dem Dorfe Sumi-josi
und an dem Meerufer von Sumi-josi sehr angenehm war, stieg
man herab und zog des Weges. Jemand sagte, man möge
Gedichte auf das Meerufer von Sumi-josi verfassen.
(Kciri) naki-te (kiku)-no (fana) saku m.
(aki)-wa are-clo (faru)-no umi-be-ni sumi-josi-no fama.
Wo die Wildgans schreit, | die Goldblume blüht, | Herbst
obwohl es ist, | liegt an des Frühlingsmeeres Seite | das Meer
ufer von Sumi-josi.
to | jomeri-keve-ba | mina A V (fito-bito) jomazu nari-keri.
Als er dieses gedichtet hatte, dichteten alle Anderen
keine Verse.
Mukasi | (otoko) ari-lceri | söno ^ (otoko) i-se-no j|S|
(kuni)-ni \ kari-no tsukai-ni iki-keru-ni | kano i-se-no *jvj*
(sai-gü) nari-keru (fito)-no oja \ tsune-no tsukai-jori-wa
1&A (kono fito) joku itaware-to i-i-jareri-kere-ba | oja-no koto
(Asita)-ni-wa
so-ko-ni go-sase-
(Futsu-ka)-to
A (u>omina)-mo
(nari)-kere-ba ] ito nengoro-ni itawari-keri.
liari-ni idasi-tate-jari | jü-zari-wa kajeri-tsutsu
keri. Kaku-te nengoro-ni itadzuki-keri. Fl
iu % (jo) ] (otoko) warete awan-to iü
fata ito awazi-to-mo omojerazu. | Sare-do (jito)-me sige-
kere-ba ] je-awazu. Tsukai-zane-to aru A (fito) nare-ba towoku-mo
jadosazu | A (womina)-no ne-ja-mo tsikaku ari-kere-ba | A
(toomina) A (fito)-wo sidzumete | ne-fito-tsu bakari-ni | JfJ
(otoko)-no moto-ni kitari-keri. (Otoko) fata nerarezari-
kere-ba \ to-no kata-wo (mi)-idasi-te fuseru-ni \ (tsuki)-no
oboro-naru-ni \ tsi-isaki icaraiva-wo saki-ni tatete \ fito tateri J
(otoko) ito uresi-ku-te | icaga nuru hjj* (tokoro)-ni icite |
(iri)-te | ne-fito-tsu-jori j usi-mi-tsu made (aru)-ni \ mada
nani-goto-mo katarawanu-ni \ kajeri-ni-keri. (Otoko) ito
kanasi-kn-te | nezu nari-ni-keri. Tsutomete ibukasi-kere-do |
n a (waga fito)-wo jaru-beki-ni-si arane-ba \ ito gfp
(kokoro-moto)-naku te ft (matsi)-wore-ba | Ijjj (ake) -fanarete
Aufzeichnungen aus dem Reiche T-se.
61
sibasi (aru)-ni iz (womina)-no (moto)-jori p^J (kotolia)-iva
naku-te.
Einst war ein Mann, der in das Reich I-se als Abgesandter
der Jagd reiste. Der Vater der Priesterin von I-se hatte die
Botschaft geschickt, dass man diesen Mann, weil er ein gewöhn
licher Abgesandter sei, gut empfangen möge. Da dieses ihr
Vater gethan hatte, empfing sie ihn mit grosser Aufmerksamkeit.
Am Morgen schickte sie ihn auf die Jagd hinaus. Bei der
Rückkehr am Abend Hess sie ihn dorthin bestellen. Auf diese
Weise behandelte sie ihn mit Aufmerksamkeit. In der Nacht
des zweiten Tages sollte der Mann unfehlbar die Begegnung
haben, und es wurde auch nicht gedacht, dass das Weib ihm
nicht begegnen werde. Indessen konnte vor den vielen Augen der
Menschen die Begegnung nicht stattfinden. Da es ein abgesandter
Vorgesetzter war, Hess man ihn nicht in der Ferne einkehren.
Da auch das Schlafgemach des Weibes sich in der Nähe befand,
brachte das Weib die Leute zur Ruhe und kam um Mitternacht
zu der Wohnung des Mannes. Indem der Mann auch nicht
schlief, entdeckte sie die Seite der Thtire und legte sich nieder.
Bei dem trüben Lichte des Mondes stellte sie einen Knaben
davor. Der Mann war sehr erfreut und betrat mit ihr seine
Schlafstätte. Von Mitternacht bis zum Hahnenschrei hatte sie
mit ihm noch kein Wort gesprochen und kehrte zurück. Der
Mann, von grosser Traurigkeit erfüllt, konnte nicht einschlafen.
Am Morgen hatte er Zweifel, doch da er seine Leute nicht
schicken konnte, wartete er sehr ängstlich. Es ward hell, und
nach längerer Zeit hatte er von Seite des Weibes kein Wort.
(Kimi)-ja ko-si ware-ja ff (julä)-hen omofojezn
jume-ka utsutsu-ka nete-ka samete-ka.
Die Gebieterin ist wohl gekommen, | ich bin wohl ge
gangen, [ ich denk’ es nicht. | Ist es Traum, ist es Wirklich
keit? | Hab' ich geschlafen? Hab’ ich gewacht?
Otoko ito ita-ü naki-te jomeru.
Der Mann weinte sehr schmerzlich und sagte die Verse:
Kalü-kurasu (kokoro)-no jami-ni madoi-ni-k.i jume
utsutsu-to-wa ko-joi sadame-jo.
In des dunkelnden j Herzens Finsterniss | hab’ ich mich ver
irrt. i Ob es Traum, ob es Wirklichkeit, | bestimme diese Nacht. 1
1 In dem Ko-kon-sift enthalten.
62
Pfizraaier.
to | (j on ) de jari-te leari-ni ide-nu. ^ (No)-ni
arike-do 1 iö (kokoro)-wa sora-nite | ko-joi dani A ('fi to )
sidzumete | ito toku awan-to (omo) fu-ni | kuni-no kami
itsuki-no mija-no kami kake-taru kari-no tsukai ari-to kiki-te |
A (jo) fito-jo yjSj (salce) nomi-si-lcere-ba mo-fara b-koto-mo
je-sede \ ake-ba wowari-no kuni-je tatsi-nan-to sure-ba | M
(otoko)-mo A (ßd°) sirezu | tsi-no namida-wo nagase-do | je-awazu.
A (Jo) jb-jb ake-nan-to suru fodo-ni | -k (womina)-gata-jori
idasu | sakadzuki-no sara-ni | -||j- (uta)-wo kalci-te idasi-tari.
Tori-te (mi) re-ba.
Er übersandte diese Verse und ging auf die Jagd. Obgleich
er auf dem Felde umher wandelte, war sein Herz in den Lüften,
und er dachte sich, dass er diesen Abend die Leute nur zur
Ruhe bringen und schnell die Begegnung haben werde. Da
hörte der Statthalter des Reiches, dass ein für den Gott des
Palastes des Gebetes bestimmter Abgesandter der Jagd da sei
und trank die ganze Nacht Wein. Die Begegnung war un-.
möglich, und mit Tagesanbruch sollte man die Reise nach dem
Reiche Wowari antreten. Der Mann vergoss, den Menschen
unbewusst, blutige Thränen, doch er konnte die Begegnung
nicht haben. Als der Morgen allmälig dämmerte, fand er auf
der Schale eines Weinbechers, der von der Seite des Weibes
kam, ein Gedicht geschrieben. Er nahm sie und sah sie an.
Kadzi- A (bito)-no watare-do nureru jeni-si are-ba.
Wo der Steuermann | übersetzt, doch befeuchtet wird, [
eine Freundschaft wenn es gibt.
to | kaki-te su-e-wa nasi. Sono sßkadzuki-no sara-ni \ tsuici
^ (matsu)-no sumi-site [ (uta)-no su-e-wo kaki-tsuku.
Dieses war geschrieben, und das Ende fehlte. Er schrieb
auf der Schale dieses Weinbechers das Ende des Gedichtes:
,Die Eichten sind helP hinzu:
Mata afu saka-no seki-iva koje-nan.
Noch der begegnenden Bergtreppe | Gränzpass wird man
überschreiten.
tote | akure-ba icowari-no 0| (kuni)-je ko-je-ni-keri.
(Sai-gü)-wa * (midzu)-no (ivo)-no flP (on)-toki | f|s
(mon-toku) ^ ||| (ten-wb)-no m (mi)-musume \ kore-taka-no
mi-ko-no imo-uto.
Aufzeichnungen aus dem Reiche t-se.
63
Bei Tagesanbruch setzte man zu dem Reiche Wowari über. 1
Die Priesterin war die zu den Zeiten von Midzu-no Wo lebende
Tochter des Kaisers Mon-toku, die jüngere Schwester des
Kaisersohnes Kore-taka.
Kari-no tsukai ,Abgesandter der Jagd' war der Inhaber
eines bedeutenden Amtes. In den alten Zeiten waren deren
acht. Man vertheilte sie und schickte sie in alle Reiche der
Königsgränze und der sieben Wege, damit sie untersuchen,
wie die Statthalter mit dem Volke verfahren. Was sie mit
der Jagd zu thun hatten, wird nicht angegeben.
Sai-gü ,Palast des Gebetes' (mit Kojelauten) ist die
Priesterin des Tempels von I-se. Wenn der Kaiser Töchter
hatte, bekleidete immer eine Tochter des Kaisers diese Stelle.
Warete soll an dieser Stelle den Sinn von wari-naku-te
,gewaltsam' haben. Letzteres ist die Abkürzung von
koto-wari-naku-te ,ohne Eintheilung, ohne Ordnung'.
Statt der Worte fata ito aivazi bringt ein Citat des Wa-
kun-siwori bloss fata awazi. Ito, welches schwer einen Sinn
gibt, ist ausgelassen.
Tsukai-zane wird in dem mit wahren Schriftzeichen ge
schriebenen I-se-mono-gatari durch m ÜL ausgedrückt. Es
hat den Sinn von ,Vorgesetzter der Abgesandten' und
bezeichnet den Vorzüglichsten unter den Abgesandten (tsukai-no
naka-ni mune-to suru fito).
Ne-fito-tsu, in dem mit wahren Schriftzeichen geschriebenen
Texte durch Ä # ,Mitternacht' ausgedrückt, ist die Zeit
um die neunte Stunde der Nacht, eigentlich die Stunde Ne
und ein Viertel, d. i. 11 Uhr Nachts. Nach einer alten
Bestimmung wurde eine Stunde (zwei Stunden der unseligen)
in vier Theile (koku) getheilt. Die zwölf Stunden des Tages
und der Nacht enthielten somit acht und vierzig solcher Theile,
deren jeder von der Länge einer halben europäischen Stunde.
Es wird vermuthet, dass dieses die Anordnung des Kaisers
Ten-tsi gewesen.
In den Worten saki-ni tatete fito tateri bedeutet fito höchst
wahrscheinlich die Zahl Eins und tatete tateri ist ein wieder
holtes Wort.
1 Die Reiche I-se und Wowari sind durch einen schmalen Meerbusen getrennt.
64
P fi zm ai er.
Usi-mi-tsu, in dem mit wahren Schriftzeichen geschriebenen
Texte durch f]ji| ,Hahnenschrei' ausgedrückt, ist die Stunde
vsi und drei ^|J koku (2 Uhr Morgens).
4/m saka-no seid ,der Gränzpass der begegnenden Berg
treppe' befindet sich in dem Reiche Omi, Kreis Si-ga.
Der Altar Midzu-no wo bezeichnet den Kaiser Sei-wa
(859 bis 876 n. Chr.). Kaiser Mon-toku (851 bis 858 n. Chr.)
war dessen Vorgänger.
Mvkasi \ otoko j kari-no tsukai-jori kojeri-ki-keru-ni | o-o-jo-
do-no watari-ni ja-dori-te \ itsuki-no ^fjj* (mija)-no warawa-be-ni
i-i-kaJce-keru.
Einst kam ein Mann von seiner Reise als Abgesandter
der Jagd zurück. Er kehrte an der Ueberfahrt von O-o-jodo
ein und sagte zu einem Knaben des Palastes des Gebetes
die Worte:
(Mi) rn me-garu kata-ja idzu-ko-zo (saivo) sasi-te
(ware)-ni wosije-jo ama-no (ffi) (tsuri)-bune.
Von dem Auge getrennt, | die Seite, wo ist sie? | Mit der
Stange zeigend, [ belehre mich, | himmlisches Fischerboot!
Mukasi | fotoko) i-se-no 7^ (sai-gü)-ni | pjj (utsi)-no
(on)-tsukai-nite ma-ireri-kere-ba \ kano ^ (mija)-m | suki-
go-to i-i-keru \ -k (loominci) watakusi- (goto)-nite.
Einst kam ein Mann zu dem Dienste des Inneren in dem
Palaste des Gebetes in I-se. In jenem Palaste sagte ein Weib
Namens Suki-go mit ihren eigenen Worten:
* ( Tsi)-faja-buru Jtflp (kami)-no ivi-gaki-mo koje-nu-besi
o-o-mijci-bito-no mi-maku-fosi-sa-ni.
Des tausendfach schwingenden Gottes Pfahlwerk j konnte
man übersetzen, in der Begierde, des grossen Palastes | Menschen
zu seh’n.
Die Entgegnung des Mannes:
Koi-siku-ba kite-mo mi-jo-kasi tsi-fajci-buru jjj|J| (kami)-no
isamuru mitsi naranaku-ni.
Wenn das Ersehnte ist, | kommt man und möchte seh’n, j
indess den tausendfach schwingenden | Gott zu besänftigen, [
ein Weg nicht ist.
Aufzeichnungen aus dem Reiche i-se.
65
In dem mit wahren Schriftzeichen geschriebenen Texte
wird suki-go durch ||| suki-go ausgedrückt. Es wird daraus
gefolgert, dass Suki-go der Name eines in dem Palaste des
Gebetes dienenden Weibes ist.
Statt watakusi- jj|. (goto) hat das in dem Wa-kun-siwori
enthaltene Citat die Zeichen % W (watakusi-goto) ,eigenes
Wort', was richtiger zu sein scheint.
(Mukasi) (otolco) i-se-no |||| (kuni) nari-keru
(womina) | X (mata) je-awade (tonari)-no [||| (kuni-je)
iku tote | imizi-ü J |'j^ (urami)-kere-ba (womina).
Einst war ein Mann, weil er einem in dem Reiche I-se
wohnenden Weibe nicht mehr begegnen konnte und in ein
benachbartes Reich ging, überaus unwillig. Das Weib sagte:
O-o-jodo-no (matsu)-wa tsuraku-mo aranaku-ni urami-te
nomi-mo kajeru nami kana.
O-o-jodo’s | Fichte, keine Trauer | indess sie hat, | ist
das, was grollt, auch nur, j die zurückkehrende Welle!
Mukasi | so-ko-ni (ari)-t.o (kike)-do | seo-soko-wo
dani iü-beku-mo aranu I ic (womina) -no atari-wo M (omo)
fi-keru.
Einst richtete man die Gedanken auf ein Weib, von
welchem man hörte, dass es sich dort befinde, dem man aber
keine Nachricht geben konnte.
Me-ni-wa M (mi) te (te)-ni-wa torarenu (tsuki)-no
utsi-no katsura-no gotoki (kimi)-ni-zo ari-keru.
Den mit den Augen man sieht, | der mit den Händen
nicht genommen wird, | der Zimmtbaum in dem Monde, | eine
Gebieterin, | die ihm gleicht, hat es gegeben.
Mukasi otoko \ ~^f((womina)-wo ita-ü urami-te.
Einst kränkte sich ein Mann um ein Weib und sagte:
Iiva-ne-fumi kasanaru jjj (jama)-ni arane-domo awanu
0 (fi) o-aiku koi-wataru kana.
Wo Felsen wurzeln man tritt, | aufgethürmte Berge
obgleich es nicht gibt, | Tage ohne Begegnungen viele | liebend
leg’ ich zurück!
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. LXXXII1. Bd. I. Hfl.
P f i z m a i e r.
66
Mnkasi \ ^ (otoko) i-se-no j|| (kuni)-ni wite | ild-t.e
awan-to i-i-heve-ba l ~k (womina).
Einst weilte ein Mann in dem Reiche I-se und sagte,
dass er fortziehen und begegnen werde. Das Weib sagte:
O-o-jodo-no fama-ni ofu-tefu Ä (mi) ru-kara-ni
(kohoro)-wa naki-nu katarawane-domo.
Die an O-o-jodo’s | Strande wachsen, wie man sagt, |
zwischen den Seefichten | hat das Herz geweint, | sprach man
auch mit einander nicht.
to | i-i-te | masi-te tsure-na-kari-kere-ba | otoko.
Sie war hierauf noch grausamer. Der Mann sagte:
(Sode) nurete ama-no kari-fo-su wada-tsu-umi-no M
(mi) ru-wo afu-nite jaman-to-ja suru.
Indess der Aermel feucht, | die der Fischer als Aehren
schneidet, j der Seefichte | der Seestrasse wenn man begegnet,
will man wohl innehalten.
Das Weib sagte:
Iwa-ma-jori ofuru (mi) rn me si tsure-naku-ba siwo-fi
siwo-mitsi kai-mo ari-nan.
Zwischen Felsen hervor | wachsend die Seefichte, | grausam
wenn sie ist, | wird die Ebbe, wird die Fluth j eine Hilfe
auch sein.
Der Mann sagte wieder:
Namida-ni-zo nure-tsutsu siworu Ift (jo)-no A (fito)-no
tsuraki kokoro-wa (sode)-no sidzuku-ka.
Von den Thränen befeuchtet, unter Weinen, | die Menschen
der Welt, j betrübten Herzens, | ihr Aermel, träufelt er?
Jo-ni afu koto kcttaki | A (womina)-ni nan.
Es war ein Weib, das sich mit der Welt unmöglich be
freunden konnte.
Miru, durch ^ ,Seefichte 1 ausgedrückt, ist eine
Wasserpflanze von der Gestalt einer blätterlosen Fichte. Da
sie auf Felsen wächst und die Farbe nicht wechselt, haben
die Zeichen für ,Seefichte' in diesem Werke die Aussprache
tsure-naku-ba ,wenn man grausam ist“. Miru me mag als
gehendes Auge' betrachtet werden und ein Wortspiel sein.
Kai-aru bedeutet das Gegentheil von kai-nasi ,nutzlos'.
Man leitet es von kabi jKnospe' ab.
Aufzeichnungen aus dem Reiche I-se.
67
Mukasi . -j^ (ni-deo)-no kisaki-no \ mada 3j|v
(td-gü)-no mija-sun- pjfj' (dokoro)-to (mbsi)-keru (tolii)
Pc it (udzi-gami)-ni mode- ^ (tamaifikeru-ni j kon-e-dzukasa-ni
safurai-keru okina \ J^ (fito-bito)-no roku (tama) ivaru
tsu-ide-ni (on-kuruma)-jovi (tama) wari-te (jon)
de tate-matsuri-keru.
Zur Zeit als die Kaiserin Ni-deo noch der ,Wohnsitz des
Palastes' des Nachfolgers genannt wurde, begab sie sich einst
zu dem Grotte der Geschlechtsnamen. Ein bei dem Vorsteher
der nahen Leibwache dienender Greis überreichte bei der
Gelegenheit, als die Leute den Gehalt empfingen und er ihn
von dem kaiserlichen Wagen empfing, die Verse:
-)K (O-o-wara)-ja wo-siwo-no |Jj jama-mo lcefu koso-wa
|| 'fii (lcami-jo)-no koto-mo ^ (omo) fi-idzurame.
O-o-wara! | Der Berg von Wo-siwo, | heute auch | die
Sache des Götteralters j wird ihm in die Gedanken kommen.
tote | (kokoro)-ni-mo kanasi-to-ja ^ (omo) fi-lcen
ikaga omoi-ken sirazu-kasi.
Ob er dabei im Herzen Trauer empfunden haben wird,
oder was er gedacht haben wird, dürfte man nicht wissen.
Das Feld O-o-wara und der Berg Wo-siwo befinden sich
beide in dem Reiche Jama-siro, Kreis Oto-kuni.
Mukasi | |JJ (ta)-mvra-no mi-kado-to mosu | mi-hado
owasi-masi-keri. Sono toki-no A #P (”*ß-go) takaki ko-to bjd
mosu | mi-maso-kari-keri. Sore use- (tama) fi-te I
(dn-zib-zi)-nitemi-w aza-si-keri. A (Fito-bito) sasage- mono
ta te-matsui H-keri.
(Tate-matsu) ri-atsume-taru {j^J ' (mono)
tsi-sasage bakari ari. Soko-baku-no sasage-mono-wo \ A (ki)-no
jeda-ni tsukete \ da-u-no maje-ni tate-tare-ba | jjj (jama)-mo
sara-ni da-u-no maje-ni \ ugoki-ide-taru jo-ni nan ü (mi) je-keru.
Sore-wo u-dai-sio-ni i-maso-kari-keru \ fudzi-wara-no
tsune-juki-to mbsu \ i-maso-kari-te \ ka-u-no wo faru fodo-ni \
-fjp (uta)-jomu AV (fito-bito)-wo mesi-atsume kefu-no mi-
waza-wo (dai)-nite \ ||p; (faru)-no (kokoro)-baje aru
-pj- (uta) ßjL (tate-matsura) se- 3E (tama) fu. (Migi)-no
muma-no kamt (nari)-keru okina | me-wa tagai-nagara
jomi-keru.
5
68
Pf izmaier.
Einst war ein Kaiser, welcher der Kaiser von Ta-mura
liiess. Eine kaiserliche G-emalin jener Zeit hiess Takaki Ko.
Dieselbe starb, und man veranstaltete in dem Kloster An-ziö
die Feierlichkeit. Die Menschen reichten Ehrengeschenke dar.
Die dargereichten und gesammelten Ehrengeschenke waren
tausend. Da man viele Ehrengeschenke an die Aeste der
Bäume befestigte und vor der Halle aufstellte, hatte es das
Aussehen, als ob Berge wieder vor der Halle sich herausbewegt
hätten. Es war ein Mann Namens Fudzi-wara-no Tsune-juki,
der die Stelle eines grossen Heerführers zur Rechten bekleidete.
Derselbe rief, als man den Schwanenschweif spannte, die Dichter
zusammen und hiess sie auf die Feierlichkeit des heutigen
Tages ein Gedicht verfertigen, in welchem der Gedanke des
Frühlings Vorkommen sollte. Ein Greis, welcher das Amt eines
Vorstehers der Pferde zur Rechten bekleidete, dichtete die
folgenden Verse mit abweichenden geknüpften Worten:
111 (Jama)-no mina utsuri-te kefu-ni afu koto-ioa
(faru)-no wakare-wo töfu-to naru-besi.
Die Berge sämmtlich | ziehen weiter, an dem heutigen
Tage | die Begegnung, | um über die Trennung des Frühlings
zu trauern, kann sie geschehen.
to | jomi-keru-ioo \ ßß- (ima) mire-ba joku-mo arazari-keri.
Sono kcirni-wa (kore)-ja masari-ken (aware)-gari-keri.
Als man dieses jetzt betrachtete, war es nicht gut. Dieser
Vorsteher wird dabei noch grösseres Leid empfunden haben.
Me, welches die Bedeutung von mere ,scheinen* haben
soll, wird von den ,geknüpften Worten* i tl Gedichten
gesagt. Es ist hier von einer Unregelmässigkeit die Rede.
Mukasi | takaki ko-to (mbsu) :k W (nijo-go) owasi-
masi-keri. Use- (tama)-ß-te nana- -fc; 0 (ncinu-ka)-no mi-
uoaza % m # (an-zib-zi)-nite si-keri. £ km (U-dai-
sib) fudzi-wara-no tsune-juki-to iü A (fito) i-maso-kari-keri.
Sono mi-ivaza-ni mode- (tama) fi-te | kajesa-ni |Jj (jama)-
sinu-no zen-zi-no mi-kö owasi-masu \ sono jjj (jama)-sina-no Q*
(mija)-ni | taki otosi (midzu) fasirase nado site | omo-siroku
tsukurase-taru-ni \ mbde-tambte j tosi-goro joso-ni-wa tsuko-
matsure-do \ tsikaku-wa imada tsukb-matsurazu. Ko-joi-wa
Aufzeichnungen aus dem Reiche I-se.
69
kolto-ni safurawan-to Ejj (mbsi')- (tama) fu. Mi-lco jorokobi-
(tama) fute iS (jo)-no o-masi-no mbke-sesase- (tama)
fu. Saru-ni kano tai-sio idete tabakari- ^ (tama) fu
jo | mija-dzukaje-no faimze-ni i tada nawo-ja-wa aru-belci (f) -jj^
(san-deo)-no o-o-mi-juki-se-si 0^ (toki) \ ki-no ||S| (kuni)-no
(tsi-ri)-no fama-ni ari-keru ito omo-siroki isi (täte-
matsu) reri-ki,
ka-ba
O-o-mi-juki-no notsi
(tate-matsu) ren-si-
si-wo
isi-wo
am A (fito)-no mi-sb-zi-no maje-no | mi-zo-ni suje-tari-
sima konomi- (tama) fu 3^“ (Icimi) nari. Kono
. (tate-matsu)-ran-to no-tamai-te | mi-zui-zin toneri-site
tori-ni tsukawazu. Iku-baku-mo naku-te mote ki-nu \ kono isi
kiki-si jori-wa M (mi) ru-wa masareri. Kore-wo tada-ni
(tate-matsu) ra-ba suzuro m (nari)-si tote \ A V (fito-bito)-ni
(uta)-jomase- (tama) fu iä (migi)-no (muma)-no
kami (nari)-keru (fito)-no-wo nan \ awoki koke-wo
kizami-te maki-e-no kata-ni lifc ^ (kono uta)-wo tsukete
(tate-matsu) ri-keru.
Einst war eine kaiserliche Gemalin, deren Name Takaki
Ko. Dieselbe starb, und die Feierlichkeit des neun und vier
zigsten Tages wurde in dem Kloster An-ziö begangen. Es war
ein Mann, welcher Fudzi-wara-no Tsune-juki, grosser Heer
führer zur Rechten, hiess. Er begab sich zu dieser Feierlich
keit. In dem Palaste von Jama-sina, welchen der zum Priester
gewordene Kaisersohn von Jama-sina bewohnte, hatte man
Wasserfälle gebildet, Wasser umherlaufen lassen und sehr lieb
liche Herstellungen bewirkt. Auf dem Rückwege begab er
sich dahin. Obgleich er vor Jahren auswärts diente, hatte er
in jüngster Zeit noch nicht gedient. Er meldete, dass er diesen
Abend hier aufwarten werde. Der Kaisersohn freute sich und
Hess die Vorbereitungen für eine nächtliche Gesellschaft treffen.
Indessen war es, als ob dieser ,grosse Heerführer' bei seinem
Hervortreten täuschte. Er hatte im Anfänge seines Dienstes
in dem Palaste, zur Zeit als der Kaiser San-deo wohl nur eine
gewöhnliche Reise unternahm, einen sehr lieblichen Stein, der
an dem Meerufer von Tsi-ri in dem Reiche Ki-i sich gefunden
hatte, zum Geschenke erhalten. Da er ihn nach der Reise des
Kaisers erhielt, so legte ihn Jemand auf die vor der kaiserlichen
Scheidewand befindlichen Kleider. Es ist der die eingewebten
70
P f i z m a i e r.
Streifen liebende Gebieter. Er sagte, dass er diesen Stein zum
Geschenke machen werde. Als kaiserlicher Begleiter und Haus
genosse nahm er ihn nicht weg und verwendete ihn nicht.
Nach einiger Zeit brachte er ihn. Dieser Stein übertraf beim
Sehen das, was man von ihm gehört hatte. Er sagte, wenn
er ihn zum Geschenke macht, so geschehe es ohne Absicht.
Er liess die Leute ein Gedicht verfertigen. Er erhielt dasjenige
des Mannes, der die Stelle eines grossen Heerführers zur Rechten
bekleidete. Er zerschnitt grünes Moos, befestigte dieses Gedicht
an ein Gemälde von Goldtirniss und reichte es dar.
Altane-domo iiva-ni-zo kafuru iro £ (im) jenu
(kokoro)-wo £ (mi) sen josi-no na-kere-ba.
Wenn auch nicht satt, | auf den Felsen die überdeckende |
Farbe wird nicht gesehen, | da um das Herz zu zeigen, | ein
Mittel nicht vorhanden.
to nan jomeri-keru.
So lautete das Gedicht.
O-masi ist o-masi ,der ehrenvolle Sitz', eine Ver
sammlung vornehmer Gäste.
Tada nawo-ja-wa wird in dem mit wahren Schriftzeichen
geschriebenen Texte durch jj ausgedrückt. Die Worte
tada naivo-ja-iva aru-beki haben den Sinn £1 (tada)-ni nomi
aru-beki ^ koto-ka-wa ,vielleicht eine Sache, die nur eine
gewöhnliche sein kann'.
(Mukasi) \ otoroje-taru ^ (ije)-ni | fudzi-no (fana)
uje-taru A (fito) ari-keri. Jajoi-no tsugomori-ni i sono 0 (fi)
ame soico-buru-ni I A (fito)-no moto-je wori-te ;§p£ (tate-matsu)
rasu tote jomeru.
Einst war ein Mensch, der in einem herabgekommenen
Hause die Blumen der Färberröthe gepflanzt hatte. An dem
letzten Tage des allmäligen Wachsens (des dritten Monates des
Jahres), als es stark regnete, wollte er sie brechen und einem
Menschen aubieten. Er sagte desshalb die Verse:
Nure-tsutsu-zo siwi-te (ivori)-tsurn (tosi)-no utsi-ni
(faru)-ioa iku-ka-mo arazi-to & (omo) je-ba.
Aufzeichnungen aus dem Reiche I-sc.
71
Befeuchtet, | mit Gewalt brach ich sie, | in dem Jahre
Frühling wie viele Tage | es nicht ist, als ich dachte.
Sowo-buru steht für sobo-furu, stark regnen.
Mukasi | (fidan)-no o-o-i-ma-utsi-gimi \ imaso-kari-keri.
Knmo- m (gawa)-no fotori a m (roku-deo)-watari-ni ^
(ije)-wo ito omo-siroku tsukuri-te \ surni- (tama) i-keri.
,|ijj M (Kan-na-dzuki)-no tsugomori-gata \ kiku-no
(fana) utsujröi-sakari-naru-ni \ momidzi-no tsi-kusa-ni mijuru ori
mi-ko-tatsi oivasi-masasete I ^ (jo) fito-jo sake nomi-si asobi-te \
% m (jo-ake) mote juku fodo-ni \ kono tono-no omo-siroki-wo
fomuru uta jomu. Soko-ni ari-keru kata-i okina | ita-ziki-no
sita-ni fai-ariki-tn | A (fito)-ni mina jomase-fcitete jomeru.
Einst war ein grosser Diener der Linken. Derselbe hatte
an dem Flusse von Kamo, an der Ueberfahrt des sechsten
Viertels, ein sehr liebliches Haus gebaut und wohnte daselbst.
Als gegen den letzten Tag des zehnten Monats die Entfärbung
der Bliithen der Goldblume vollständig war, zur Zeit wo die
rothen Blätter tausendfältig sich zeigten, waren die Kaisersöhne
anwesend und vergnügten sich, indem sie eine Nacht hindurch
Wein tranken. Mit Tagesanbruch fortgehend, verfertigten sie
Gedichte, in denen sie die Lieblichkeit dieses Palastes priesen.
Ein alter Bettler kroch unter dem Getäfel umher, liess alle An
deren die Gedichte bis zu Ende hersagen und sagte dann selbst:
Siwo-gama-ni itsu-ka ki-ni-ken asa-nagi-ni tsuri-suru ft
(fune)-wa koko-m joranan.
Nach Siwo-gama | eines Tages wird man gekommen sein. |
Auf dem in der Meeresstille | man angelt, das Schiff, | es wird
hier anlegen.
to nan (jomi)-keru. Mitsi-no [p| (kuni)-ni iki-tari-
keru-ni \ ajasiku omo-siroki m v (tolcoro-dokoro) o-o-kari-keri.
Waga mi-kado ^ -J— (roku-ziü)-jo [||j (kunij-no pjj (utsi)-ni
siivo-gama-to iu Jfr/j' (tokoro)-ni \ ni-taru JjJj“ (tokoro) na-kari-
keri. Sare-ba nan \ kano ^ (okina) sara-ni koko-wo me-dete \
[Stii (siwo)-gama-ni itsu-ka ki-ni-ken-to | (jomerij-kent.
Als man sich in das Reich Mitsi begeben hatte, waren
wunderbare und liebliche Orte viele. In den sechzig Reichen
unseres Kaisers war kein Ort, der mit Siwo-gama Aehnlichkeit
72
Pfi zm ai er.
gehabt hätte. Der Greis bewunderte diesen Ort besonders und
sagte in dem Gedichte: Nach Siwo-gama | eines Tages wird
man gekommen sein.
Mukasi \ kore-taka-no mi-ko-to (mb) su mi-ko owasi-
masi-keri. jjj (Jama)-zaki-no anata-ni \ mi-na-se-to iu pjy
(tokoro)-ni (mija) 7^ (ari)-lceri. (Tosi)-goto-no sakura-no
1b (fana)-zakari-ni-wa \ sono (mija)-je nan oivasi-masi-
keru. Sonn 0^: (toki) (migi)-no muma-no kamt nari-keru
A (fito)-wo | tsune-ni wite owasi-masi- (tate-matsu) ri
(toki-jo) fete A (fisasi)-ku Jjjjl (nari) - ni - kere - ba \
sono A (fito)-no ig (na) wasure-ni-keri. Kari-wa ^
(nen-goro)-ni-mo sete \ sake-ivo nomi nomi-tsutsu \ jamat.o uta-ni
kakareri-keri. ßß (Ima) kari-suru kafa-no-no nagisa-no
(ije) | sono ivin-no (sakura) kot.o-ni omo-sirosi. Sono A
(ko)-no moto-ni ori-wite \ (jeda)-wo 1JT (loori)-te kazasi-ni
sasi-te | kami naka simo mina (uta) jomi-keri. Muma-no
kami JjfJ£ (nari)-keru J[^ (ßto)-no gg (jome.ru).
Einst war ein Kaisersohn, welcher der Kaisersohn Kore-
taka genannt wurde. Derselbe besass jenseits von Jama-zaki,
an einem Orte Namens Mi-na-se einen Palast. Jedes Jahr,
wenn die Kirschblüthen in ihrer Fülle waren, zog er nach
diesem Palaste. Um die Zeit nahm er einen Menschen, welcher
Vorsteher der Pferde zur Rechten war, gewöhnlich mit sich.
Da jenes Zeitalter längst vorüber ist, hat man den Namen
dieses Menschen vergessen. 1 Man liess sich die Jagd ange
legen sein, und während man nur Wein trank, verlegte man
sich auf Gedichte in der Sprache von Jamato. In einem
Hause an dem Seestrande von Kata-no, wo man jetzt jagte,
waren die Kirschbäume des Hauses besonders lieblich. Man
weilte unter den Bäumen, brach Zweige, und indem man diese
in das Haar steckte, verfertigten Alle, die Höheren, Mittleren
und Niederen, Gedichte. Der Mensch, welcher Vorsteher der
Pferde war, sagte die Verse:
1 Der Vorsteher der Pferde zur Rechten, dessen Name angeblich ver
gessen wurde, ist, wie aus einer Stelle der Aufzeichnungen der japa
nischen Dichterin Sei Seo-na-gon‘ (S. 65) hervorgeht, der Dichter Ari-
wara Nari-fira.
Aufzeichnungen aus dem Reiche I-so.
73
iä (Jo)-no Fj} (naka)-ni tajete sakurci-no na-kari-se-ba
(faru)-no kokoro-wa nodoke-karamasi.
In der Welt | Kirschblüthen durchaus | keine wenn es
gäbe, | des Frühlings Herz | würde dann ruhig sein.
to-nan | jomi-tari-ke.ru. X (Mata) (fito)-no uta.
Das Gedicht eines Anderen lautete:
Tsire-ba koso \ itodo ff (sakura)-wa me-de-ta-kere uki
tfet Go)-ni fitf (nanij-ka fisasi-karu-beki.
Wenn sie verstreut werden, | die Kirschblüthen überaus
lieblich mögen sie sein. | Was in der vergänglichen Welt |
könnte von Dauer sein?
Tote | sono 7j^ (ko-no) moto-ni (tatsi)-te kajeru-ni i
0 (fi)-cjure-ni (nari)-nu. fit (On tomo)-navu A
ffito) fjSj (sake)-ico motasete | ^ (no)-jori |fj (ide)-kitciri.
Kono sake-wo nomi-ten tote | joki pjy (tokoro)-wo motome-juku-ni \
ama-no ^jJJ" (gawa)-to iü Jfijy (tokoro)-ni itari-nu. Mi-ko-ni
muma-no kami o-o-mi-ki ma-iru. Mi-ko-no no-tamai-keru kata-
no-wo kari-te \ ama-no (gawa)-no fotori-ni itaru-wo jpff
(dai)-nite \ (uta-jon) de | sakadzuki sase-to no-tama-u-
gere-ba \ Jcano muma-no kami jomi-te (tate-matsu) ri-keru.
Als man unter diesen Bäumen sich erhob und zurück
kehrte, war es bereits Abend. Die Begleiter kamen von dem
freien Felde und brachten Wein. Indem man einen guten Ort
suchte, damit man diesen Wein trinke, gelangte man zu einem
Orte, welcher Ama-no gawa (der Himmelsfluss) hiess. Dem
Kaisersohne reichte der Vorsteher der Pferde den hohen Wein.
Der Kaisersohn sprach: Verfertige ein Gedicht, welches zum
Gegenstände hat, dass wir, in Kata-no jagend, zu dem Himmels
flusse gelangt sind, und reiche dann den Becher. — Jener
Vorsteher der Pferde verfertigte das folgende Gedicht:
Kari-kurasi tana-bata-dzu-me-ni (j’ado) karan ama-no
kawara-ni (loare)-wa ki-ni-keri.
Jagend bis zur Nacht, j bei der Weberin | ein Nachtlager
wird man nehmen. | Zu des Himmels Flussebene | sind wir
gekommen. 1
1 In dem Ko-kon-siu enthalten.
74
I'fizmaier.
Mi-ko uta-wo kajesu- gajesu zu si-tamai-te | & (kaje)
si-je-si-tamawazu. Ki-no ari-tsune (on)-tomo-ni tsuka-u-
matsureri. Sore-ga (kajesi).
Der Kaisersohn, der das Gedicht mehrmals durchging,
konnte nichts entgegnen* Ki-no Ari-tsune, welcher ihn beglei
tete, verfasste die Entgegnung:
Fito-tose-ni fito-tabi ki-masu m (kimi) mate-ba jado-kasu
A (fito)-mo arazi-to-zo (omo) fu.
Den in einem Jahre | einmal kommenden | Gebieter wenn
man erwartet, | einen ein Nachtlager nehmenden | Menschen
nicht gibt es, denk’ ich. 1
Kajeri-te | ^ (mija)-ni ircise- ^ (tama) i-nu. $ (Jo)
fukuru meide sake-nomi (mono)-gatari-site aruzi-no mi-ko
ei-te | (iri)- (tama) i-nan-to su. + - 0 (Ziü-
itsi-nitsi)-no ^ (tsuki)-mo kakure-nan-to sure-ba | kano muma-no
kami-no jomeru.
Man kehrte zurück und trat in den Palast. Indem man
bis tief in die Nacht Wein trank und erzählte, war der Wirth,
der Kaisersohn berauscht und wollte sich zurückziehen. Auch
der Mond des eilften Tages wollte sich verbergen, und der
Vorsteher der Pferde sagte die Verse:
Akanaku-ni madaki-mo JjJ (tsuki)-no ltakururu-ka [ 11
(jama)-no fa nigete irezu-mo aranan.
Indem er nicht satt ist, | frühzeitig auch der Mond,
wird er sich bergen ? | Dass der Bergrand flieht und | ihn nicht
hereinnimmt, wird geschehen. 2
Mi-ko-ni kawari-tate-matsuri-te | ki-no ari-tsune.
Die Stelle des Kaisersohnes vertretend, sagte Ki-no
Ari-tsune:
Wosi-nabete (mine)-mo taira-ni nari-nanan jjj (jama)-no
fa naku-ba fjj (tsuki)-mo irazi-wo.
Im Ganzen | die Berggipfel auch | werden sich ebnen. I
Wenn kein Bergrand ist, | geht der Mond an ihm nicht unter.
In nodoke-karamasi liegt nodokesi, welches so viel als
nodolca und nodojaka ,windstill, ruhig' ist, zu Grunde.
1 In dem Ko-kuii-siu enthalten.
2 In dem Ko-kon-siü enthalten.
Aufzeichnungen aus dem Reiche I-se.
75
Zur rechten Seite der Wörter zusi tamafi-te steht in dem
Texte zweimal 't? in Firakana, welches wahrscheinlich eine
andere Lesart: zu u-tama-ute ,in Empfang- nehmend' bedeuten
soll. Uebrigens ist zu ein Hilfswort wie zo, und si die Wurzel
von suru.
Ki-no Ari-tsune ist «IS Ki-no Ari-tsune, von
dem nichts weiter gesagt wird, als dass er in dem I-se-mono-
gatari vorkommt und der Vater des Mädchens von ^
I-dzutsu war. Ueber dieses Mädchen von I-dzutsu wurde
bisher nichts aufgefunden.
Nari-nanan ist die Dehnung von naranan ,es wird werden'
und kommt nur in diesen Versen vor. Die Rückkehr von
ri na ist ra.
Mvkasi mi-na-se-ni kajoi- ^ (tama) i-si | kore-taka-no
mi-ho | rei-no kari-si-ni oicasi-masu | tomo-ni uma-no kami-naru
okina | tsuka-u-matsureri | |ü} (fi)-goro fete ^ij* (mija)-ni kajeri-
tamafu-geri. füp (On)-wokuri-site toku inan-to ^ (omo) fu-ni\
o-o-mi-ki tamai roku tamawan tote | tsukaioasazari-lteri. Iit
(Kono) muma-no karni f(j\ (kokoro)-moto-na-gari-te.
Einst befand sich der Kaisersohn Kore-taka, der mit
Mi-na-se verkehrte, auf einer gewöhnlichen Jagd. Sein Be
gleiter war ein Greis, welcher der Vorsteher der Pferde war.
Als Tage vergangen waren, kehrte man in den Palast zurück.
Mit dem Wunsche, nach gegebenem Geleite schnell fortzu
gehen, bot er den hohen Wein, doch er diente nicht, um einen
Gehalt zu empfangen. Dieser Vorsteher der Pferde war besorgt
und sagte die Verse:
Makura tote jjjgf (kusa) f^| Cfiki)-musubu koto-mo sezi
Ä (aki)-no (jo)-to dani tanomare-naku-ni.
Zu einem Polster | die Pflanzen dass man zieht und
knüpft, j darf nicht gescheh’n, | für die Herbstnacht selbst
indessen es begehrt nicht wird.
to | gg (jomi)-keru. (Toki)-wa jajoi-no tsugomori
nari-keri. Mi-ko o-o-tono komorade | akasi-tamai-te-geri.
Kakusi-tsutsu mbde-tsukb-matsuri-keru-ioo \ omoi-no foka-ni l»
fmi)-gusi orosi-tambte-keri. Mutsulci-ni ogami- jljÜ (tate-matsu)
ran tote | /Jn ('wo-no)-ni mode-taru-ni fi-je-no J_Jj (jama)-no
76
Pf i zraaier.
fumoto nare-bci \ (juki) ito takasi. Si-i-te mi-muro-ni modete
ogami- jlpv (tate-matsu) ru-ni \ tsure-dzure-to ito fyfyj (mono)-
Icanasi-ku-te \ owasi-masi-lcere-ba | ja-ja fisasi-ltu sbrai-te \ ini-si-
je-no J|j. (hoto)-nado (omo) i-ide Icikoje-keri. Sate-mo sbrai-te
si-gana-to ^ (omo) je-do \ o-o-jake-gotodomo 7^ (ari)-kere-ba \
je-safuraioade | jü-gure-ni kajeru tote.
Um die Zeit wurde es der letzte Tag des dritten Monats.
Der Kaisersolin, in dem grossen Palaste sich nicht verschliessend,
durchwachte die Nacht bis zum Morgen. Man begab sich, es
verheimlichend, zu ihin, und er legte wider Vermuthen das
Haupthaar ab. Im ersten Monate wollte Jener ihn begrüssen
und begab sich desshalb nach Wo-no. Es war der Fuss des
Berges Fi-je, und der Schnee lag sehr hoch. Er begab sich
mit Gewalt in das kaiserliche Dorf und begrüsste ihn. Da der
Kaisersohn verdrossen und sehr traurig war, dachte Jener, als
es lange währte, an die Dinge der alten Zeit und brachte es
ihm zu Ohren. Er wünschte, dass er ihm endlich dienen könne,
doch da es öffentliche Sachen waren, konnte er nicht dienen
und kehrte am Abend zurück.
Wasurete-wa ipt jume-ka-zo-to ^ (omo) fu omoi-h
=|^ juld fumi-wakete (kimi)-wo ü (mi)n-to-ioa.
Als ich es vergass, | den Gedanken, es war ein Traum,
hab’ ich ihn gedacht? | Den Schnee mit den Tritten zer-
theilend, | um den Gebieter zu seh’n, war es.
Tote nan \ nalcu-naku ki-ni-keru.
Indem er dieses sagte, kam er weinend daher;
Tanomare-naku-ni ist so viel als tanomarenu-ni ,indem
nicht begehrt wird'. Naku steht für nu ,nicht'. Die Rückkehr
von naku ist nu.
'Up (Mukasi) \ (otoko) (ari)-keri | icaraiva-jori
tsukb-matsuri-keru (kimi) (mi)-gusi orosi- (tam.a)
fute-geri. Mu- H (tsuki)-ni-wa kanarazu mbde-keri. O-o-jake-no
(mija)-dzukaje-si-kere-ba \ tsune-ni-wa je-mbdezu. Sare-do
moto-no j) (kokoro) usinaivade \ mode-keru-ni nan 7^ (an)-
keru. Mukasi tsuko-matsuri-si A (fito) | so je- (naru) sen-
zi-naru amata ma-iri-atsumari-te | mu- (tsuki) nare-ba koto-
tatsu tote | o-o-mi-ki (tamai)-keri. (Juki) kobosu-ga
goto furi-te \ fi-ne-mosu-ni jamazu. Mina A (fito) e-i-te |
Aufzeichnungen aus dem Reiche I-sö.
7?
(juki)-ni furi-homerare-tari-to iii-wo
(dai)-nite via
ari-keri.
Einst war ein Mann, dessen Gebieter, dem er von Jugend
auf gedient hatte, das Haupthaar ablegte. Im ersten Monate
des Jahres sollte er sich zu ihm begeben. Da er einen öffent
lichen Dienst in dem Palaste hatte, konnte er sich nicht immer
zu ihm begeben. Doch er verlor seine ursprüngliche Neigung
nicht, und sein Besuch fand statt. Die Menschen, welche ehe
mals gedient hatten, die Zugetheilten und die im Inneren Auf
wartenden, kamen in Menge zusammen. Es war im ersten
Monate des Jahres, und um das Wort vorzubringen, reichten
sie den hohen Wein. Der Schnee fiel, als ob man ihn aus-
schiittete, und es hörte den ganzen Tag nicht zu schneien auf.
Alle waren berauscht, und es wurde ein Gedicht verfasst,
welches zum Gegenstände hatte, dass man durch das Schnee
gestöber eingeschlossen war.
(Omo) je-domo (mi)-wo »i. ivakene-ba me-gare-
senu JÜ"; (juki)-no tsumoru-zo waga kokoro naru.
Obgleich es wünschend, | wenn wir uns nicht zertheilen,
der vor den Augen sich nicht trennende | Schnee sich häufend,
er ist unser Herz. 1
To (jorne) ri-kere-ba | mi-ko ito ita-u aware-kari- ^
(tama) i-te fp (mi)-zo nugi-te (tama) jeri-kari.
Als man dieses Gedicht hersagte, war der Kaisersohn
sehr schmerzlich betrübt. Er zog das kaiserliche Kleid aus
und machte es zum Geschenke.
(Mukasi) Jjj^ (otoko) tsu-nn |g|j (kuni) mubara-no
kowori | asi-ja-no |{J (sato)-ni siru-josi-site | iki-te (sumi)-
keri. (Mukasi)-no (uta)-iri.
Einst hatte ein Mann in dem Dorfe Asi-ja, Kreis Mubara,
Reich Setsu, seine Besitzung. Er ging hin und wohnte daselbst.
In einem alten Gedichte heisst es:
Asi-no Jg (ja)-no nada-no shoo-jaki itoma-nami tsuge-no
wo-gusi-mo sasazu ki-ni-kßri.
1 In dem Ko-kon-siu enthalten.
78
P f i z m a i e r.
Des Meeres von Asi-no-ja | Salzfluthbrennen | ohne Zeit
zu haben, | den kleinen Buchsbaumkamm | nicht aufsteckend,
ist gekommen. 1
to g|| (jomi)-ke.ru so-lco-no JjJ (sato)-wo g|| (jornij-
Tce.ru | hoho-wo nan asi-ja-no nada-to-wa i-i-keru. Kono ßfy
(otoko) nama-mija-dzukaje-si-lcere-ba | sore-wo tajori-nite \ je-fu-
no suke-domo atsumari-ki-ni-keri. nt J3 (Kono otoko) kono
kami-mo je-fu-no kami nari-keri. Sono ^ (ije)-no maje-no
(umi)-no fotori-ni \ asobi-ariki-te \ iza ilt iii (kono jama)-no
kami-ni /pj (ari)-to iü \ nuno- (biki)-no tciki Ä (ini)-ni
noboran-to i-i-te | nobori-te (mi) ru-ni \ sono taki- {fßj (mono)-
jori koto-nari. Nagasa ZTL. + 5t (ni-ziü-deo) \ firosa ^
(go-deo) bakari-naru isi-no omote-ni \ sira-hinu-ni iwa-wo tsutsurhe-
ran jb-ni nan ari-heru. Saru yjü (taki)-no kami-ni \ ivara-
•uda-no o-okisa-site \ sasi-ide-taru isi ari. Sono isi-no nje-ni
fasiri-kakaru * (midzu)-wa | seo-ko-zi-kuri-no o-okisa-nite \
lcobore-otsu. So-ko-naru A (fito)-ni | mina taki-no (uta)
jomasu. Kano e-fu-no kami madzu jomu.
In diesem Gedichte wird das dortige Dorf besungen, und
diese Gegend wird das Meer des Schilfhauses (asi-ja-no nada)
genannt. Da dieser Mann in dem Dienste des Palastes uner
fahren war, kamen zu seinem Beistände die Gehilfen des
Sammelhauses der Leibwache in Schaaren herbei. Dieser Mann
war vordem Vorsteher des Sammelhauses der Leibwache.
Indem er an der Seite des vor seinem Hause sich befindenden
Meeres lustwandelte, sagte er: Wohlan! wir werden empor
steigen, um den Wasserfall des Tuchziehens, der auf diesem
Berge sich befinden soll, zu sehen. — Als man emporstieg
und ihn sah, war er von den Wasserfällen verschieden. Er
hatte das Aussehen, als ob er auf der Fläche eines Steines
von zwanzig Klaftern Länge und fünf Klaftern Breite in ein
weisses Tuch die Felsen wickeln wollte. Oberhalb des erwähnten
Wasserfalles war ein hervorspringender Stein von der Grösse
einer Strohmatte. Das über diesem Steine hervorlaufende Wasser
überfloss und fiel im Ausmaasse einer Räucherküche herab.
1 In dem Sin-ko-kon-sift enthalten.
Aufzeichnungen aus dem Reiche I-se.
79
Man liess alle Anwesenden Gedichte auf den Wasserfall verfassen.
Der Vorsteher des Sammelhauses der Leibwache sagte zuerst:
Waga (jo)-wo-ba kefu-ka asu-ka-to matsu-kai-no
namida-no taki-to idzure taka-ken.
Auf unser Zeitalter, | ob es heute ist, ob es morgen ist, :
indess wir warteten, | die Thränen oder der Wasserfall, | was
wird höher gewesen sein ? 1
Aruzi tsugi-ni jomu.
Nach dem Wirthe sagte man die Verse:
Nuhi- Ä (mi) - tarn (fito) koso aru-rasi sira- ^
(tuma)-no ma-naku-mo tsiru-ka IÄ (sode)-no sebahi-ni.
Die auf einen Augenblick sahen, | Menschen mag es
geben. [ Weisse Edelsteine j ohne Zwischenraum, zerstreuen sie
sich | in dem Aermel, dem engen ? 2
to (jome) ri-kere-ba \ kata-je-no A (fito) warb koto-
ni-ja ari-ken | ft (kono) uta-rii me-dete jami-ni-keri. Kajeri-
kuru mitsi towoku-te | use-ni-si IT ft (ku-nai-kib) motxi-
josi-ga (ije)-no maje kuru-ni jjj (fi)-gure-nu. Jadori-no
kata-wo JE, (mi)-jurQ-ba j ama-no isari- (bi) o-oku mijuri-ni \
kano djb (aruzi)-no Jj^ (otoko) jomu.
Nachdem man dieses gesagt, werden die zur Seite befind
lichen Menschen vielleicht gelacht haben. Man erfreute sich
an diesem Gedichte und hörte dann auf. Der Rückweg war
weit, und als man vor das Haus des verstorbenen Motsi-josi,
Reichsministers des Inneren des Palastes, kam, ging die Sonne
unter. Als man nach der Seite der Einkehr blickte, waren
Fischerfeuer der Seelischer in Menge zu sehen. Jener Mann,
der Wirth, sagte die Verse:
Faruru jo-no fosi-ka M & (kawa-be)-no ^ (fotaru)-
ka-mo waga sumu kata-no ama-no taku X
Sind es der hellen Nacht | Sterne? Sind es des Fluss
ufers | Feuerfliegen vielleicht? | Oder an der Seite, wo ich
wohne, | von den Seefischern gebrannte Feuer? 3
t° (jon) de | ^ (ije)-ni kajeri-ki-nu. Sono (jo)
(minnami)-no (kaze) fuki-te i m (nami) ito takasi.
1 In dem Sin-ko-kon-siü enthalten.
2 In dem Ko-kon-siü enthalten.
3 In dem Sin-ko-kon-siü enthalten.
80
1* f i z m a i e i*.
Tsutomete iM. (sono ije)-no j menoko-domo idete | uhi miru-no
nami-ni joserare-taru | firoi-te ije-no j^J (utsi)-ni mote-ki-nu.
ik (Womina)-gata-jovi | sono miru-wo taka-tsuki-ni mori-te \
kasiwct-wo owoi-te JJJ (ida) si-taru \ kasiwa-ni kakeri.
Hierauf kehrte man in das Haus zurück. In dieser Nacht
wehte der Südwind und die Wellen gingen sehr hoch. Am
anderen Morgen kamen die Weiber des Hauses heraus, lasen
die von den Wellen zusammengetragenen Wasserfichten auf
und brachten sie in das Haus. Von Seite der Weiber füllte
man diese Wasserfichten in hohe Becher, überdeckte sie mit
Steineichenblättern und schrieb auf die hergeholten Steineichen
blätter :
Wata-tsu (umi)-no kazasi-ni sasu-to iwa-fu-momo
kimi-ga tame-ni-wa osi-masari-keri.
Das Meer, | damit er auf das Haupt ihn stecke, | den auf
Felsen wachsenden Pfirsich | für den Gebieter | im Uebermaass
hat es hervorgedrängt.
Winaka- A (udo)-no (uta)-nite-wa \ amareri-ja
tarazu-jn.
Als ein Gedicht der Landleute ist es vielleicht zu viel,
vielleicht auch zu wenig.
Siivo-jake ,das Brennen der Salzfluth', ist das Leuchten
des Meeres. Das hier gesetzte siivo-jaki bezeichnet als transi
tives Verbum dasselbe.
Itoma-narrri steht für itoma-naku ,ohne freie Zeith
Wara-uda steht für wara-fuda ,Strohmatte'.
Das Wort seo-kb-zi-kuri, das hier nur in Fira-kana gesetzt
wird, ist nirgends zu finden. Die mutlnnassliche Bedeutung ist
seo-ko l|j. zi J|jl ku-ri ,Küche zum Brennen
des Weihrauchs', wobei der Sinn von zi f das Ungewisseste ist.
Dass dieses Wort in allen zugänglichen lexikographischen und
philologischen Werken fehlt, ist entweder ein Beweis, dass
man auch in Japan sich darüber keine Rechenschaft zu geben
vveiss, oder dem Umstande zuzuschreiben, dass es in der die
wahren Schriftzeichen enthaltenden Ausgabe des I-se-mono-
gatari 1 vielleicht deutlicher wiedergegeben wird.
1 Ob die in Wien unter den aus Japan übersandten Büchern vorhandene
Ausgabe des I-se-mono-gatari diejenige in wahren Schriftzeichen ist,
Aufzeichnungen aus dem Reiche 1-sß.
81
Matsu-kdi (matsu-kafi) wird durch ^ matsu-kafi
,Zwischenraum des Wartens' erklärt. Es ist ein Wort wie
jama-no kai ,Zwischenraum der Berge', wobei kafi (kai) für
afi ,Zwischenraum' gesetzt ist. A geht hier in ka über.
Nuki-miru, sonst nirgends vorkonnnend und nicht erklärt,
bedeutet ,entreissend sehen', d. i. auf einen Augenblick sehen.
Nuki entspricht hier dem lateinischen raptim.
Iwa-fu-momo, nur in Eirakana gesetzt, ist ebenfalls in
keinem lexikographischen Werke zu finden. Es ist kaum zu
zweifeln, dass es iwa-fu-momo ,der auf
Felsen wachsende Pfirsichbaum' bedeuten soll.
(Multasi) | ito ivakaki-ni-wa \ aranu \ kore-kare
(tomo)-datsi- JE (domo) atsumari-te \ (tsuki)-ivo mite\
sore-ga pj} (naka)-ni fitori.
Einst versammelten sich hier und dort Freunde, welche
nicht sehr jung waren, und betrachteten den Mond. Einer
unter ihnen sagte die Verse:
O-o-kata-wa (tsuki)-wo-mo me-de-si kore-zoko-no
tsumore-ba A (fito)-no oi-to naru mono.
Im Ganzen | den Mond lieben, | unter ihm weilen, | wenn
es häufig geschieht, | werden die Menschen Greise.
In den Gedichten Pe-lö-thien’s heisst es: Dem Mondlicht
gegenüber an vergangene Dinge denke nicht. Es verringert
deine Jahre, es verringert dein Angesicht.
In der Sammlung Go-sen-siü hat der Mond den Namen
Aware ,das Leid'. Es wird dadurch bezeichnet, dass man
ihn meidet.
In der Geschichte des Geschlechtes Gen heisst es: Blicket
nicht allein auf den Mond! Das Herz wird leer und es ist
sehr qualvoll.
lässt sich, da diese Bücher Privateigenthum und gänzlich unzugänglich
sind, nicht bestimmen. Um diesen Gegenstand und noch manches Andere
aufzuhellen, bleibt dem Verfasser nur übrig, Sendungen einiger von ihm
bestellten Bücher aus Japan abzuwarten.
Sitzungsber. d. phil.-liist. CI. LXXXIII. Bd. I. Hft. 6
82
P f i z m a i e 1*.
Mukasi | ijasi-karanu (otoko) \ (wäre) -jori-wa
masaru-taru A (ßto)-wo | (omo) i-kakete | (tosi) fe-keru.
Einst heftete ein nicht gemeiner Mann auf einen Menschen,
der mehr als er war, die Gedanken und verbrachte die Jahre.
A (Fito) sirezu wäre )||| (koi)-sina-ba adzi-M-naku
idzure-no kami-ni naki (na) o-osen.
Von den Menschen nicht gekannt, | vor Liebe wenn icli
sterbe, | unglücklich, | zu welchem Gotte | des Todten Namen
werd’ ich tragen?
Mukasi | tsure-naki A (fito)-ivo ika-de-to omoi-watari-
kere-ba \ aware-to-ja M (omo)i-ken \ sara-ba asu mono-gosi-
nite-mo-to ijeri-keru-wo kagiri-naku uresi-ku | X (mata) ntagawasi-
kari-kere-ba \ omo-siro-kari-keru sakura-ni tsukete.
Einst hatte man kein Mittel, einem grausamen Menschen
die Gedanken mitzutheilen, und die Gedanken werden traurig-
gewesen sein. Da wurde gesagt: Also morgen vorübergehend,
und man war masslos erfreut. Da es ferner zweifelhaft war,
heftete man an liebliche Kirschblüthen die Worte:
Sakura- (baua) kefu koso kaku-mo niwofurame ana
tanomi-gata asu-no jo-no koto.
Die Kirschblüthen, | heute nur so | schön werden sie sein.
Leider nicht zu hoffen ist | die Sache der morgigen Nacht.
to | iü kokoro-baje-mo aru-besi.
Es kann die Neigung des Herzens sein.
Mono-gosi, für fyj} mono-gosi ,die Sache überschreiten'
gehalten, hat den Sinn von mono-ivo fedate-taru ,von einer
Sache geschieden'. Es bedeutet ferner die Stimme des Menschen,
und wird als möglicher Sinn mono-gosi-ni sono koje-wo lciku
,im Ueberschreiten die Stimme hören' angegeben.
Mukasi \ M 0 (tsuki-fi) -no juku-wo saje nageku
(otoko) jajoi tsugomori-ni.
Einst sagte ein Mann, der das Entschwinden der Monde
und Tage nur beklagte, am letzten Tage des dritten Monats:
Osime-domo (faru)-no kägiri-no kefu-no 0 (fi)-™
jufu-gure-ni saje (nari)-ni-keru kana.
Aufzeichnungen aus dem Reiche t-se.
83
Bedauert man es auch, | das Gipfeln des Frühlings, j des
heutigen Tages | Abenddämmerung nur | ist es geworden. f
(Mukasi) (koi)-si-sa-ni ki-tsutsu kajere-do \
(ivomina)-ni se-u-soko-wo dani \ jesete jomeru.
Einst kam man in Sehnsucht und kehrte dabei zui’ück.
Indem man das Weib bloss Nachricht empfangen liess, sagte
man die Verse:
Asi-be kogu tana-nasi-wo-fune iku-so-tabi juki-kajeru-ran
siru fito-mo nami.
An dem Schilfufer rudernd, | ohne Verdeck das kleine
Schilf, | wie viele Male [ wird es abgehen und zurückkehren, |
und kein Mensch ist, der es weiss.
Mukasi \ ^j(otoko) J|p (mi)-iva ijasi-ku-te ito ni-naki
A (fito) ioo ^ (omo) i-hahe-tari-heri. Suhosi tanomi-nu-beki
sama-ni-j a (ari)-ken \ fusi-te & (omo) i | oki-te ^ (omoj-i \
omoi-ivabi-te jomeru.
Einst hatte ein Mann, der selbst niedrig war, die Ge
danken auf einen sehr unvergleichlichen Menschen geheftet.
Es wird so gewesen sein, als ob er ein wenig gehofft haben
konnte. Wenn er sich niederlegte, dachte er an ihn. Wenn er
aufstand, dachte er an ihn. In Gedanken verzweifelnd, sagte
er die Verse:
Afu-na-afu-na (omo) i-wa su-besi nazoje-naku takalci
ijasi-ki kurusi-kari-keri.
Ernstlich | kann man die Gedanken hegen. | Das ohne
Vergleich | Hohe, das Niedrige | ist qualvoll gewesen..'
Mukasi-mo kakaru koto-iva \ (jo)-no kotowari-ni-ja
ari-ken.
Ehemals wird eine solche Sache wohl die Ordnung der
Welt gewesen sein.
Afu-na-afu-na hat die Bedeutung von nen-goro-naru
,ernstlich'.
' In dem Ko-sen-siü enthalten.
6*
84
JPfizmaieü.
: gp (Mukasi) | (otoko) ari-kevi \ ika-ga (ari)-ken j
sono Jj^ (otoko) sumazu (nari)-ni-keri. Notsi-ni otoko ari-
kere-do \ (ko)-aru p£| (utsi) (nari)-kere-ba \ komaka-ni
koso arane-do I H# V (toki-doki)-no #J (mono) - i-i-wokose-
keri. A (Womina)-gata-ni e-ltaku A (fito) nari-kere-ba\
kaki-ni jareri-keru-wo | ima-no otoko-no (mono) su tote \
fito-fi futsu-ka-wo kosezari-keri. Kano (otoko) ito tsuraku |
ivono-ga kikojuru l|f. (koto)-wo-ba | (ima)-made (tama)
ivane-ba | kotoioari-to m (omo) je-do | ||| (nawo) A (fi to )~
wo-ba urami-tsu-behi 4% (mono)-ni nan TpJ (ari)-keru tote
ro-site (jon) de jareri-keru. U=jp (Toki) 9 (aki)-ni nan
(ari)-keru.
Einst war ein Mann, der, wie es auch gewesen sein mag,
nicht blieb. Später war ein Mann vorhanden, doch da er einer
von denen war, welche Kinder besitzen, war er eigentlich nicht
vorhanden. Indessen schickte man ihm zu verschiedenen Zeiten
das Wort. Von Seite des Weibes ward zu Jemandem, der
ein Maler war, wegen des Malens geschickt. Vorgebend,
dass dieser gegenwärtig der Mann sei, liess sie ihn einen oder
zwei Tage nicht kommen. Jener Mann war sehr betrübt und
glaubte, es habe einen Grund, dass man ihn bis jetzt nichts
hören liess. Er sagte, dass man noch immer den Anderen
gehasst haben könnte. Da wurde scherzweise vermittelst eines
Gedichtes um ihn geschickt. Um die Zeit war es Herbst.
(Aki)-no jo-ica jjj (faru-fi) wasururu 4% (mono)
nare-ja kasumi-ni kiri-ja tsi-je masaru-ran.
In der Herbstnacht | auf den Frühlingstag vergessen,
kann es gescheh’n? [ Den Höhenrauch der Nebel wird j tausend
fach übertreffen.
to nan \ jomem-keru. A (Womina) kajesi.
Er sagte diese Verse. Das Weib entgegnete:
Tsi-dzi-no (ald) ßto-tsu-no (faru)-ni mukawame-ja
momidzi-mo (fana)-mo tomo-ni koso tsire.
Tausend, tausend Herbste | einem einzigen Frühlinge j
werden entgegen steh’n. | Die rotlien Blätter und die Blumen,
zugleich seien sie verstreut.
Aufzeichnungen aus dem Reiche I-se.
85
Mulcasi | ^ (otoko) (ari)-heri. iK (Womina) - wo
to-kaku ifu koto \ M 0 (tsuki-fi) fe-ni-keri. Iwa- A (ki)-ni
si arane-ba | j\j) (kokoro) - guru.v'-to -ja & (omo) i-ken \ jb-jo
aware-to (omo) i-ken. Sono (goro) mina- (dzuki)-no
motsi bakari nari-kere-ba l A (womina) j|p (mi)-ni lcasa fito-tsu
futa-tsu Jjj (ide) -ki - ni - keri. ix (Womina) i-i-wokose-taru |
ima-wa nani-no (kokoro) -mo nasi. % (Mi)-ni kasa-mo
fito-tsu futa-tsu j (ide)-tari. (Toki)-mo ito atsusi. Sukosi
(aki)-kaze fuki-tatsi-nan toJci \ kanarazu awan-to ijeri-lceri.
* (Aki) matsu korowoi-ni \ koko kasiko-jori \ sono A (fito)-no
moto-je inan-zu nari tote | hu-zetsi ide-ki-ni-lceri. Sari-lcere-ba
itb iK (kono ioomina)-no se-uto \ niwaka-ni mukaje-ni A (M)
tari. Sare-ba kono ix (womina) \ kajede-no fatsu momidzi-wo
firowasete (uta)-wo (j on ) de kaki-tsukete woJcose-tari.
Einst verbrachte ein Mann, indem er ein Weib auf jede
Weise an sich knüpfte, Monde und Tage. Sie war nicht Stein
und Holz, er wird, im Herzen wahnsinnig, sich gesehnt haben
und empfand zuletzt Leid. Um die Zeit war der Vollmond des
sechsten Monats, und an dem Leibe des Weibes brachen ein oder
zwei Geschwüre aus. Das Weib schickte ihm das Wort, indem
sie sagte: Gegenwärtig ist irgend eine Absicht nicht vorhanden.
An meinem Leibe sind ein oder zwei Geschwüre ausgebrochen.
Um die Zeit ist es sehr heiss. Wenn ein wenig der Herbstwind
wehen wird, werde ich dich treffen. — Um die Zeit, wo man
den Herbst erwartete, hiess es, dass man von hier, von dort
zu jenem Menschen gehen werde, und es entstand Zank. Unter
dessen kam der ältere Bruder dieses Weibes plötzlich entgegen.
Dieses Weib liess jetzt die ersten rothen Blätter des Ahorns
auflesen, schrieb darauf ein von ihr verfasstes Gedicht und
schickte es.
* (Aki) kakete i-i-si nagara-mo aranaku-ni A (ko)-no
3^ (f a ) f uri-siku jeni koso ari-kere.
Herbst im Schreiben | wurde gesagt, jedoch | da er es nicht
ist, | das Regnen der Blätter der Bäume | die Freundschaft sei.
to | (kaki)-woki-te \ kasiko-jori A (fito) wokose-ba\
kore-wo jare tote inu. Säte jagate notsi \ tsuwi-ni kefu made sirazu
joku-te-ja aran \ asiku-te-ja aran | ini-si pjf (tokoro)-mo sirazu.
Kano otoko-wa ama-no saka- (te)-wo utsi-te nan \ noroi-
86
Pfizmaier. Aufzeichnungen aus dem Reiche I-se.
woru naru. Mukutsukeki koto l A (fito)-no noroi-goto-wa ofu
(mono)-ni-ja-aran \ owanu mono-ni-ja aran j (ima)
Icoso-wa Ä (mi) me-to-zo iü 'naru.
Als sie dieses niedergeschrieben, schickte sie von dort
einen Menschen. Derselbe sagte: Man schicke dieses ! und ging
fort. Gleich nachher und in der Folge bis heute wusste man
es nicht. Ob es gut gewesen sein wird? Ob es schlecht gewesen
sein wird? Man wusste auch nicht den Ort, wohin er gegangen.
Jener Mann schlug die verkehrte Hand des Himmels und ver
wünschte. Er sagte dabei: Die unglückliche Sache! Die ver
wünschenden Worte der Menschen, werden sie Verfolger sein?
Werden sie keine Verfolger sein? Jetzt werde ich es sehen.
Ifu steht für jufu ,knüpfen'.
Ku-zetsi ist so viel als pj ku-zetsu ,Mund, Zunge',
d. i. Zank.
Aranaku-ni ist so viel als aranu-ni ,indem es nicht gibt'.
Furi-siku, durch KSt furi-siku ,herabkommend breiten'
ausgedrückt, wird von Regen und Schnee gesagt.
Jeni steht für jen ,Verhältniss, Freundschaft'.
Ama-no saka-te-wo utsu ,die verkehrte Hand des Himmels
schlagen' bezieht sich auf die Verwünschung.
In dem Wa-kun-siwori, welches die zwei letzten Vers-
abschnitte bei dem Worte furi-siku anführt, wird statt jeni Jcoso
ari-kere richtiger jeni-zo ari-kere gesagt.
ßemerkun g.
Durch einige während des Druckes gemachte Zusätze ist
der Umfang dieser Abhandlung in dem Maasse vermehrt worden,
dass in ihr nicht, wie in dem Vorworte gesagt worden, etwas
über die Hälfte, sondern der grösste Theil des Textes des
I-se-mono-gatari enthalten ist.
Gomperz. Neue Bruchstücke Epikur’s, insbesondere über die Willensfrage.
Neue Bruchstücke Epikur’s, insbesondere über
die Willensfrage.
Von
Th. Gomperz,
corr. Mitglied der k. Akademie der Wissenschaften.
if/pikur’s Lehren wieder aus seinem Munde zu vernehmen
und nicht mehr bloss den Berichten später Gegner und Anhän
ger vertrauen zu müssen, insonderheit aber sein vornehmstes
Werk, die 37 Bücher ,über die Natur* an’s Licht treten zu
sehen, — dies musste wer sich nicht mit den kärglichen Mit
theilungen des Diogenes zufrieden gab allezeit wünschen; hoffen
durfte man es seit nahezu siebzig Jahren. Der im Jahre 1809
veröffentlichte zweite Band der Herculanensia Volumina (Col-
lectio prior) brachte nämlich sammt einigen trümmerhaften
Resten des zweiten und eilften Buches jenes Werkes auch die
Kunde, es seien Ueberbleibsel von eilf jener Bücher unter den
herculanischen Rollen aufgefunden worden. Später ward diese
•Zahl auf zwölf erhöht (Vol. X, Praefatio), und so viel Stücke
liegen uns jetzt, beim Abschluss der Collectio altera wirklich
vor, 1 über die ich im Folgenden kurzen Bericht erstatten will.
Vor allem thut die Bemerkung Notli, dass diese zwölf
Stücke nicht die gleiche Anzahl von Büchern, sondern nicht
1 Es sind nicht gen.au dieselben, welche die academici herculanenses bei
jener Mittheilung im Auge hatten. Denn das dort namhaft gemachte Buch
K ist seither merkwürdigerweise verschollen, während die in der Coli,
alt. IX, 86 sqq. enthaltenen titellosen Blätter schwerlich schon damals
als zu Epicurus ,de natura 1 gehörig erkannt wurden. Und welchem dieser
Ueberreste sollte wohl die Bemerkung gelten, es sei die Buchnummer in
der Titelaufschrift zwar erhalten, aber nicht deutlich zu lesen?
88
G o ra p e r z.
mehr als neun vertreten, indem drei Bücher (das zweite, eilfte
und ein mit keiner Zahl versehenes) je in zwei Exemplaren
vorhanden sind. Diese von mir schon vor geraumer Zeit er
mittelte Thatsache (vgl. Hercul. Studien I, Vorrede), das Dasein
eines Doppelexemplars des Epikurischen Hauptwerkes in der
Officina de’ papiri, ist wohl geeignet, uns für die Zukunft —
möge sie nur keine allzu entfernte sein — mit frohen Hoffnun
gen zu erfüllen. Doch auch die Gegenwart darf sich bereits
des ebenso glücklichen als überraschenden Zufalls erfreuen.
Verdanken wir demselben doch die Möglichkeit, weit umfang
reichere und lückenlosere Bruchstücke des hochwichtigen Wer
kes zu gewinnen, als ohne diesen überaus günstigen Umstand
möglich wäre. Den Bestand der bisher zu Tage getretenen
Reste mag aber die folgende Uebersicht darthun:
( 1) B — Pap. 1149
12) — ?
f 3) IA — Pap. 1042
l 4) IA — „ 154
5) IA — „ 1148
6) IE — „ 1151
7) KH— „ 1479
( 8) ? — „ 1056
19)?- „ 697
10) ? — „ 362
11) ? — ?
12) ? — ?
Coli, prior, II.
„ alt. VI, 69 sqcp
„ pr., II.
„ alt. VI, 1 sqq.
„ „ VI, 8 sqq.
„ „ VI, 24 sqq.
„ „ VI, 37 sqq.
„ pr., X.
„ alt. VI, 55 sqq.
„ VI, 92 sqq.
„ „ VI, 82 sqq.
„ „ IX, 86 sqq.
Von 1 und 3—10 sind Facsimiles in der Oxforder Univer
sitätsbibliothek (Bodleiana) aufbewahrt, die mir in getreuen
Nachbildungen vorliegen. Die betreffenden Rollen gehören näm
lich zu den ebenso wichtigen als zahlreichen Papyri, welche
unter John Ilayter’s Leitung in den Jahren 1802—1806'auf
gerollt und abgezeichnet wurden.
1 und 2.
Dass 2 eine Doublette von 1 ist, konnte nur denjenigen
verborgen bleiben, welche die beiden Stücke keiner eingehen
den Vergleichung unterzogen haben. Mich brachte zuerst die
Gleichartigkeit der daselbst behandelten Gegenstände auf die
Neue Bruchstücke Epikur’s, insbesondere über die Willensfrage.
89
richtige Spur. Erschwert wurde die Ermittelung des wahren
Sachverhalts durch die ganz ausserordentliche Fehlerhaftigkeit
der einen Abschrift, in der uns 2 vorliegt. Denn wer würde
es zunächst für möglich halten, dass das Fragment VI desselben:
OYNIIAP6INAIM6N
EIHTAGIAffiAATA .
Y . . TATINAAN .
. . 6AIIIONT6KT
den folgenden Zeilen der Col. IV. von Nr. 1 entspreche: y.ax)-
atpa|(ve? o)ov xd(Ai)v -y{|(vst)at. Sxt xa £too>7.a , xa-/ , jxr j xä xiva | avu-
TCSpßX'fjZov •/.£|'/.XY)Xai "/.XE?
Allein man vergleiche:
Nr. 2, Frg. VII mit Nr. 1, Col. V
_ _ XIII — — — VII
- - XIV — — — VIII
— — XVI - — - IX
und endlich die beiden Schlussfragmente (Nr. 2, Frg. XVII
und Nr. 1, Col. XI), und auch der Ungläubigste dürfte uns
zugeben, dass eine so weitgehende und relativ häufige Ueber-
einstimmung nicht das Werk eines blossen Ungefährs sein kann.
Und wie monströs die Fehler der Copie auch seien, sie sind
nicht schlimmer als diejenigen, die erweislicher Massen bei
der Anfertigung des napoletanischen Apographum von Nr. 10
(Pap. 362) begangen wurden. Ja, trotz aller Elendigkeit der
Copie und trotz der Zerrissenheit dieser Trümmer, wird es
uns durch ihre Hilfe dennoch möglich, einige falsche Ergän
zungen von Nr. 1 zu berichtigen, ja sogar dem griechischen
Sprachschatz ein neues Wort: eqws-r/i?, hinzuzufügen. Doch
darüber mag ich nicht eingehender handeln, ehe ich die be
treffenden Originale zu Neapel mit gebührender Sorgfalt zu
durchforschen Gelegenheit gefunden habe.
Im übrigen handelt die in 1 und 2 erhaltene Schluss
partie des zweiten Buches von den species sensibiles und ihrer
räumlichen Bewegung.
3 und 4
habe ich, soweit es ohne erneute Vergleichung der Original
papyri thunlich schien, schon im Jahre 1867 in der Zeitschrift
no
Gomperz.
für österr. Gymnasien (Heft 3) behandelt. Dass hier der wirk
liche Sachverhalt nicht schon von den academici ercolanesi er
kannt ward, ist um so verwunderlicher, da die Buchzahl
von Nr. 3 — IA — zum mindesten in der besseren (Oxforder)
Copie von Nr. 4 gleichfalls erscheint. Im napoletanischen Apo-
graphum ist dieselbe freilich zu A verstümmelt.
Gegenstand der Erörterung waren, wie schon Diogen. X,
§. 91 lehrte, die nex&opa.
5
habe ich gleichfalls a. a. O. bereits nahezu vollständig her
zustellen und zu erklären versucht. Vom Studium der Original
urkunde ist diesmal kaum mehr als eine dürftige Nachlese zu
erwarten.
Den Gegenstand der Besprechung und Bestreitung bildet
die Lehre vom Urstoff und von Urstoffen, wie sie von den älteren
Naturphilosophen und dann insbesondere von Plato im Timäus
formulirt ward. Einer besonderen — ehrenvollen — Erwähnung
ist die Erörterung werth, welche Epikur (Col. VII und VIII) dem
Begriff des Eklekticismus widmet. Die tadelnde Bezeichnung
,Eklektiker' (mjp.xstpopvjpivoi; — vgl. Theophr. ap. Simplic. in Arist.
phys. fol. 6 r 36—54) verdiene nicht derjenige, der zerstreute
Wahrheiten, wo dieselben auch immer zu finden seien, zusammen
lese und mit einander in Einklang zu setzen suche, sondern nur
Jener, der innerlich Widersprechendes und Unvereinbares lehre.
Den besten Commentar zu diesen Sätzen bildet Goethe’s Aus
spruch: ,Wahrheitsliebe zeigt sich darin, dass man überall das
Gute zu finden und zu schätzen weiss' und die Aeusserung Mill’s
(der das Göthe’sche Wort zum Motto der Westminster Review
gewählt hat) an der Spitze seiner Logik: ,To cement to-
gether the detached fragments of a subject, never yet treated
as a wliole; to harmonize the true portions of discordant theories,
by supplying the links of thought necessary to connect them
and by disentangling them from the errors with which they
are always more or less interwoven' —.
6
habe ich ebendaselbst desgleichen kurz besprochen. Es sind bis
auf das Titelblatt, welches eine sticho metrisch e Angabe (3200
Neue Bruchstücke Epikur’s, insbesondere über die Willensfrage.
91
Zeilen) und eine sehr merkwürdige Notiz über die Abfassungs
zeit des Buches ■—- (ecp’ 'Uh/q-i-cr/cu = Olymp. 120, 1 •— ent
hält, werthlose Trümmer. Von
7
war zur Zeit, als ich jenen Aufsatz schrieb, nur der Anfang ver
öffentlicht und die Fortsetzung liess vier Jahre auf sich warten.
Das Stück enthält, von der a. a. 0. hergestellten und erklärten
Titelaufschrift 1 abgesehen, eine Anzahl zum Theil überaus wohl
erhaltener und ergiebiger Columnen und Fragmente. Leider ist
die napoletanische Abschrift durch viele Schreibfehler verun
ziert, die Oxforder hingegen unvollständig, indem das unterste
Dritttheil der Columnen durchgängig fehlt. Der Inhalt ist
logischer und sprachlicher Art; genauer ausgedrückt, es werden
die Quellen des Irrthums, dieser mag nun in Denk- oder Sprach
fehlern seinen Grund haben, abgehandelt. Ein zusammenhängen
des, im ganzen wohlverständliches Stück (Col. IX und X) ent
hält eine interessante Polemik gegen den Megarilcer Eubulides
und seinen vielberufenen Trugschluss: b l-pi£KaXo|Jt.|iivo<; (man vgl.
im Verzeichniss der Schriften Epikur’s bei Diogen. X, §. 27,
den Titel: itpo? tou? Me^apaou? Staxopiai):
— c(uv)s^w; to oiv)|j.apTf)[/.e(vo)v s(v) tw •)) aAAo ti -/.axa Tauxa?
A£Y(£a)6a’. iwv 6£up^Ti(z)(öv, o obv. äX(v))0£? eoitv, •}) (ox)ap. 7i(o)p(p(i))0£p.
wo0£v de ftpaejew? auvaovjv ßctStömciv daäytOGh (tö) xy;v e~i(x)y;oio|j,
(sic) 7Cpä^lV. ÖCV §E [J.YjOEV TOUTWV, sI>(a)uy0Et!)pY)T(o)V 2 ECTTat, ÜQ 0U7.
(e)ici (jjE)ySst?. ofo z.ai pa3tw((;) &t(a)vxe? 3wcTaYEX(Ö!U)v o(x)av ti?
5p.(oko)Yv5<javTÖ? Ttvo? p.('o)8’ ivä(^)/£a0a'. xaüxb £7t(axa!j0ai xe xat |j,yj
£x:oxao0ai TcpocpEp^) xov cru'f/.E7.a(Ä)up.ij.£vov, (7ib)xspa *at x(bx£ x)ocüxd
[hier fehlen drei Zeilen, dann folgt mit nicht völlig klarer Con-
struction] auxou(?) 6([xoX)oYia op.w? ßXstcwv ecp’ (oT?) (5)[aoXoy(ei)
touto, s(tt'0 xw(t) aocptspaxi, w? cü aujjtxspiXaßihv h ey.ivet (sic)
1 Dieselbe enthält ausser dem Titel und der Buchnummer die Notiz:
t)iüv dp/ai(iov
£-1 Nizfou tou ü-fsra ’AvTi)cpdi5g.(v
d. h. Epikur verfasste oder veröffentlichte das aehtundzwanzigste Buch de
natura Olymp. 121, 1. Ueber die wahrscheinliche Bedeutung der Worte
Ttijv dp-/aiu)v habe ich a. a. 0. eingehend gehandelt.
2 Ich habe das Wort auch einmal bei Philodem hergestellt (Here. Vol.,
Coli. alt. V, 35). Anderweitig ist es bisher nicht nachgewiesen.
92
Gomperz.
Tw (1. xp) «?toy.(p)fasi za: oüxw u(u)vE<pap[.io<T0EV s'y. x(t)vo<; s0tapoü Xe^eojc,
wgxs ichixeiv si«; xo Xspstv sv(B)s)töpsvov sTvat xb abxb (siucr)xa<j0a{ te 11 xai
;j.vj sx((7xaa0a(i), ou Bsov -^(<p9ai) xou xo(toü)xou xpÖTOU o(5) o ao<pta(x)Y]?
-potpepet. Bto zai (päXa (?) dvjxtzEipdvw; öpoXo(Y'jc)ac (11)5 si; ap-/5;<; za(t
ou)y. EuXa(ßo6)psvo; xoüxo wcfzsp xt(vs<; xw)v crotptaxwv ouz ots(xat) ixpaYpaxtzov
eXsy/ov Xapßavstv. y.a(x(ot)YS ouz s(tt)eXeXöyigxo, cxt %Xv)V xwv xotoixwv
Sv 6 aos'.aTYji; (irp)ocp(s)pst aSüvaxbv sax: xb auxo 4wfoxao0a( xe y.at
äY(vosiv). aXX’ opotöv xi 3iv sB(oi;)s zs~ovOsvai toT? p?) auXXoY^opEvot?
xv;v Gtaoopdv, öffWEp d’v xt; (z)at za(0ö)Xou xoü(x’ -?j) wpoXofyrjztlx;) —.
Eine ungefähre Vorstellung von Gedanken und Ausdrucks
weise geben Col. I (die nebenbei schon zu Hayter’s Zeit, also
nicht nach 1806 in Kupfer gestochen ward, um im Jahre 1870
veröffentlicht zu werden): — xoxs (xoto)üxö xt oiav(o)oiSpsvoi sksyopsv
zaxa (x)ij(v s)y.y.EtpEvv)v sppYjvt’av (sic) xw (?), oxi tmiix vj ap(a)pxta (s)cxt'v
xwv dvO(p)wi:wv ouoev Exs(p)ov b/mca cr/Yipy. •)) x(o) eiet xwp 7Tp(oX)vjt]/EWV
YtY(vö)p£V0V y.at xwp tpat(vop)s(vwv) Sta xou? (ix)oXuxpoTOu(<; s0t)apou<;
x(wv) Xe^ewv — und Col. IV—V: — uoxax(6)v (xs) wpo? auxa
7r(po)aTOp^xa(s) TOt(zt)Xo)s vüv £xr(t)Xe(Y)t*> w; £Y<j>pai. sxs(i) y.at (x)o
XsYÖpEvop, tot(e ost) xa(t?) auxau; atpEij(sGi) x(w)p ®wvw(v y.a)xa xi)V
3t(Sa)ay.aXt'av /pvj(x9)at -— und nach manchem Halbverständlichen :
—• y.at ou y.a0d.7rsp xtvs? <3iv bfii^on'rto. ’ (d)XXa Y“f> u(w)s ouz süzat-
pov j egx(i xau)x(a) xpoospovxa p(r))z6vs(tv z)at p.aX(X)o(v ’i)a(i><; (xpot; os),
MyjxpöSwpE; Trctvu y«P otpal oe txoXXa av E^stp xtpOE(v)£Yzax0at . . . .
(ip)o!w; xt(va?) EYSfi^apsvou? zatx(ot) paXXov •)) xo vooup(s)vov y.axa xa;
Xe?ei? ouz si;w xwv (s)t8tcrp(e)vo)v Xscjswv vjpwv (^pw)psvwv, ouBs psxa-
xtösvxwv ovopaxa litt xwp cpavs(p)wv. xatxysXamoy ydp (Svj) xt y.at xoux’
stjxt'v, Sxap —.
Zur vollen Verwerthung auch dieser ansehnlichen und
schätzbaren Reste erscheint mir die Autopsie als unerlässlich.
8 und 9
bilden die eigentliche Perle der Sammlung. Es sind an
und für sich nicht übel erhaltene Stücke, die sich zum Theil
in glücklichster Weise vervollständigen — und vor Allem, der
Inhalt ist ein höchst bedeutender! In Epikur’s Lehre vom
menschlichen Willen erhalten wir zum ersten Mal einen
Einblick, den wir zwar genauer und deutlicher wünschen
möchten, der aber völlig ausreichend ist, um den Wust verjährter
Neue Bruchstücke Epikur’s, insbesondere über die Willensfrage.
93
Irrthümer und Missverständnisse, die bislang auf diesem Gebiete
die Stelle der Kenntniss vertreten haben, endgültig über den
Haufen zu werfen.
Die Concordanz der beiden Stücke mag die folgende
Tabelle darstellen. Es entsprechen einander:
1056, 14 (0.) = Col. XV (N.) und 697, B, 9 unt. Hälfte (0.) = Frg. IX, rechte
Hälfte (N.).
15 = „ XVI „ „ G, b „ . „ = Col. II
16 nicht in N „ „ G, c „ „ = „ III
18 = Col. XIX „ G, g „ „ = „ V
19 = „ XX „ „ G, i „ „ = „ VII
20 = „ XXI „ „ D, k „ „ = „ VIII
21 = „ XXII „ „ D, 1 „ „ = „ IX
22 = „ XXIII ,, ,, D, m ,, ,, = „ X
23 = „ XXIV „ „ D, n „ „ = „ XI
24 = „ XXV „ „ D, o = „ XII
26 = „ XXVII „ „ D, q = „ XIV
Am fruchtbarsten wirkt diese Uebereinstimmung dort, wo
sie am schwersten zu erkennen war, in den Fällen nämlich, in
welchen den beiden Exemplaren nur einige wenige (und über
dies verstümmelte) Worte gemein sind. Da nimmt die eine
Urkunde den Faden der Rede nicht selten eben dort auf, wo
die andere ihn fallen gelassen hatte. Ich begnüge mich damit
(denn auch hier kann eine erschöpfende und abschliessende
Behandlung nur die Frucht des Studiums der Originalurkunden
sein), die auf die Willensfrage bezüglichen, zum grössten Theil
verständlichen Partien hieherzusetzen:
— vr\Z apX'ö? 1 to p.sv dq Ta(Sei) m ä’ei? T(a)äe't ra 8’ei;
äjj.<p(oTrep)oc (e)<ttlv asi (y.a't) (-Xac) Siavov)a(E)wv z,al || 8ta0e(ije)ü)v
wate itap’ ^|jta(<;) tö(te) axkäiz to a~OY£YEVvt](p,sv)ov vj(p.T)v
£ata(() -cä) £•/. to(u 7t)spte/ov(T)o<; •/.(a)x’ av(aY*i))v Sia xob? 7tö(poui;)
1 Vielleicht wird einer oder der andere unserer Leser durch die Scherze
erheitert, welche die academici ercolanesi (im Jahre 1848!) mit dem
ersten Theile dieses Bruchstückes getrieben haben. Ihre Kestitution (!)
lautet also: xai XeyEiv ^Ept Ttov, * EZ Tr i? “PX.’IS o»|[iEiot r.zp Eyvcoza, Ta |j.ev
ei; t’ av cpavEvr’ e8ei, Ta 6’ eis ä|j.o:aßaT’ av <ma, ei av aTrpayjjttov eo)V tos
av ouaitopEV, oiapp/jSvjV 8s Xsycov, aXX 1 auTtp ou TtpoaÜptrto av Xoyto* ajrXtos
3' ctTtoyEyEvvrjaOai TtavTa —. Und das ward übersetzt und commentirt!
"8 üj
CL. H
«S ^
ea 'oj
^S="
»3
o
Q
Ä
cö
Ph
Ol
crT
iO
O
'S- «
8 £
u* V/>
’3, o
U) '8
I ^
° «-u>
<r
K ö
‘i -§
10 S
8 Q-i
£. cö
£ PH
"8
<-N
Neue Bruchstücke Epikur’s, insbesondere über die Willensfrage.
95
— dp,<poT£pa "/ix.Tvyt(at t}j)v ahtav zal p.r, auveTCarcacrpiva Ta rcspa
U7CO twv sTspwv p,(Yj)Sb cuvs7c(i<j)'!:wp,£va y.ai ßia(£6)p.eva Tiapa t£ •/psvou;
TtoXXa töv TotouTwv auv(7u)feTeiv y.a! yjX'.y.i'a«; y.ai dXXac attta?, 86ev
aüxoü IraXo-psu y.ai v; ipyji tvjv at(itav) —.
1056, 25 = Col. XXVI. '
— (p,)£07]v 0£ tö eq vjp.öv, eiraiaOrjci? tou ei p.Y) Xr ( ifc[i.£0a, tic b
y.avwv y.ai To(ü)7:ap£iv(o)v Ttavia toc oid tw(v) oo^üv iiepaiv6(p.e)va, aXX’
ay,oX(o)'j0^aop.£v (^Xo^ci)? Tale t(oj)v tccXXwv ipopai(c), ot^-(]u£T(a)l Tiavia,
(*/.)a9’ ä ti y.ai räepoyi; —.
697, D, r = Col. XIII.
Aus diesen Bruchstücken (deren Verständniss durch die
weitere Mittheilung von nur Halbgeordnetem und Halbver
standenem eher verdunkelt als erhellt würde) ergibt sich eine
Reihe, wie mich dünkt, unabweisbarer Folgerungen: Epikur
war nickt, wie man bisher annahm, Indeterminist; er war
ein Gegner des Fatalismus, nicht des Determinismus;
er glaubte nicht an die Ursachlosigkeit menschlicher Willens
acte; als sittlich frei galt ihm (wie Voltaire und Anderen)
derjenige, dessen Handlungen durch seine Ueberzeugungen
(86i;ai) bestimmt werden ; er vermied, gleich den besten Denkern
unserer Tage (gleich einem Mill, einem Grote oder Bain), in
der Darstellung des Willensprocesses den Gebrauch des Wortes
Nothwendigkeit, als eines irreleitenden und die deutliche
Auffassung des wahren Sachverhalts trübenden Ausdrucks; er
hielt es gleich diesen Philosophen für unangemessen, die
Wirksamkeit unwiderstehlicher Ursachen und die Wirk
samkeit aller Ursachen überhaupt mit einem und demselben
Ausdruck zu bezeichnen. Endlich, seine Willenstheorie erhielt
eine besondere Färbung durch ihre Verbindung mit der ihm
und Demokrit eigenthiimlichen Erkenntnisslehre. Das Willens
problem spitzt sich ihm nämlich augenscheinlich zu der Frage
zu: Wie kann ein Willensact durch ein von aussen auf uns
eindringendes Abbild (eiSwXov), das Antecedens jedweder Wahr
nehmung und Vorstellung, erregt und zugleich von der Ge-
sammtheit unserer Ueberzeugungen, d. h. (in seinem Sinne)
von unserer Gesammtpersönlichkeit bestimmt werden? —
1 Zwischen diesem und dem nächsten Bruchstück können kaum mehr als
2—3 Zeilen gestanden haben.
96
Ö o m p e t z.
10.
Das im napoletaniscken Apographüm aus drei, im Oxforder
aus zwei Fragmenten bestellende Stück (wie immer, die Schluss-
partie eines Buckes), wäre so gut als wertklos, wenn es uns
nicht an einem einleuchtenden Beispiel zeigte, wie unsäglich
elend und völlig unzuverlässig die Abschriften unserer Rollen
mitunter sein können. So hat vielleicht Mancher unserem Nach
weis, dass -Tuept <p6csw<; B in zwei Exemplaren vorhanden ist,
seine Zustimmung verweigert, weil er an so ungeheuerliche
und so gehäufte Schreibfehler, wie jene Annahme sie voraus
setzt, zu glauben sich nicht entschliessen konnte. Solch ein
Skeptiker möge sich die Mühe nicht verdriessen lassen, einen
Blick auf die wirren Zeichen zu werfen, welche VI, p. 95
(Coli, alt.) erscheinen, und damit vergleichen was im Oxforder
Apographum sicher und deutlich zu lesen ist: — cbco xwvSe xtva?
w(? ß)Xaß7]<jop,evo(u<;) •)) xapa(/)öv)ffO[j.ev(o)ui; . . . zat zaöb zai 'kuSvj
xtva zat |j.y] ovxa ©ap.L So^oc^eiv zat z(a)0ö(Aou) ou(8)e Aap.ßaveiv (o)ü0e(v
ip)dc|j,a £7xtvov)Ttzo(v) atAkd •)) (p.öva) ovop,a(xa).
So schloss das Buch, mit einem Blick auf die von Par-
menides angefangen viel verhandelte Frage nach der Möglich
keit des Irrthums und dos Vorstellens von Unwirklichem. Auch
die wenigen in Fragm. II erkennbaren Brocken [rj dvo(-)ap(^i'a)
— Aoywv zs-Yipi'cov 1 — A^prptc — zat tj;so§<5(v) —• w; oubs za(xa) tpa(vx)a-
erlav oübe —] weisen auf ähnliche Gedanken.
11
bietet uns nur einzelne Worte und Satzglieder, aus denen sich
der Inhalt des Stückes nicht sowohl erkennen als errathen
lässt. So lassen die Worte und Sätzchen: itpbs 6to(Ay5)i|/si xtGsva(t) —
©oßspov —• üixotMat — oub’ w? zaxav(evo)^zü)? oxt xaux(a) p.sv oei tx(a@£)tv(?)
xov ä(Tt)oß(tü))ffbjj.evov — xxapaSeSo(piv)ü>v p,60(tov) — xt|j.mptat — (Col.
I—IV) eine Polemik gegen die mythischen Lehren vom Leben in
der Unterwelt vermuthen. Einem ähnlichen Zusammenhang mag
auch noch Col. VIII angehören, deren frustula nur ein tastendes
1 Ein vocabuluin novum, das mit y.o~U und xojd^co Zusammenhängen muss
(man vgl. was ich über diese Worte in Zeitschr. f. öst. Gymu. 1866
p. 698—99 bemerkt habe) und sich Epikur wohl Zutrauen lässt.
Neue Bruchstücke Epiknr's, insbesondere über die Willensfrapo.
97
Verständniss gestatten: (Ixijxpaxeta? (ou)O’ oXwc jj.la, xic wy.r^'.c
u(xijpx)ev auxijc, y.a(v) p.v)(§)’ al y.ax’ sxtxpaxetav Söäjat ftvomae itpps
yap xac p/jOmos'.c Sia xaüxvjv tyjv aixiav —. In andere Gebiete scheint
uns zu führen Col. IX: — exy.a0atpE®0ai. xb 3(e) r?j? <juva(x)xop,sv(rj<;)
rjp.w(v) aüxwv y,(£t)v^a£w? aixtov axc>Y£Vva(i) p.ev y.al xap —. Noch
unergiebiger ist Col. X: — 5’ev au(xw xw) dQpour(p.)axt
(E)xtßdXXovxos StaXap.ßav(6)p.Evov bp.oiw? p/i) p.ev (?) xov y.ax« xpöxov xvjc
ffiopä?, cp,o’mc §s xai xov (svC) xv)c y'-Y v °(1 j ' s ) v ( ov ) —. Da der
Aberglaube, wie alle unrichtigen Vorstellungen, nach Epikur
auf der Wahrnehmung in Verwirrung gerathener Abbilder
beruht, so lässt sich ein Zusammenhang ahnen zwischen der
oben von uns angenommenen Polemik und den folgenden
Brocken: EXEtai[B]bv ex (x)ou it£p(i)£)/o(vxo)c, äXXd (9«)v(x)aaxt*/,ai
(Col. XII), (xrj)v EVotpYEtav [j.y; ex xou xepi£/ovxo(s) äXXa xaxä
x(i)v) ffi(avxac)ia(v) (Col. XIV), (g)ij(ü)) xtov xöpuv (y)1y ve aöai (Frg. XV).
— Frg. XVI enthält eine bemerkenswerthe Verweisung auf das
erste Buch: — (ce)va-p«iT:ov . . auxai; uxxäp^stv xaxa xä(c) 7xpo(q)
dXX^Xaq y.poücretc, io; ev xij(i) xpd>xY)(t) YP a ?f( EipY)xa(i), ou(0)ev
fjxxo(v xa)px xap —. Dazu stimmt gut, da eben jenes Buch
xspl xwv äSvjXwv gehandelt hat (Diog. X, §§. 38—39), der halb
verständliche Sehlusspassus der letzten Col. (XVII): 3v xpoxov
£/öp.£vop o Xoyoq x£pi xwv aSv)(Xw)v 3w)ppvjv£uxev, 1 xpsp xo x(e)Xop
xb tpucnxöv ■—.
12.
Wenn ich meine Vermuthung, es gehöre auch dieses
titellose Stück zu Epikur xepi «puaewp, nicht zurückhalte, so ge
schieht dies nur darum, weil mich die Erfahrung gelehrt hat,
dass auch die unscheinbarsten Reste in Folge neuer Funde
Licht empfangen oder gewähren können. Vorläufig ist das Stück
jedoch in der That so gut als werthlos.
Meine Annahme beruhte in erster Reihe auf einem äusser-
lichen Umstand, auf der vollkommenen Identität der höchst
eigentümlichen, in keiner anderen mir bekannten Rolle 2 ver-
1 Etwa oÜ3xo(t’ e)p.o(i e)So!;(e)v? Oder weiss Jemand eine bessere Herstellung
der corrnpten Zeichen: OYIIOAMONAOEIN? In MH .. AIOTPAC zum Schluss
steckt wohl etwas wie pj) «XXd-pto;?
2 Ausser etwa in den gleichfalls titellosen Trümmern, die VII, 30—40
(Coli, alt.) abgebildet sind.
Sitzungsber. <1. phil.-hist. CI. LXXXIII. Bd. I. Hft. 7
98 Gomperz. Neue Bruchstücke Epikur's, insbesondere über die Willensfrage.
tretenen, Schriftart mit derjenigen des Papyrus 697. (Eine
analoge, wenngleich nicht so durchgreifende, Gleichartigkeit
zeigen auch die Nummern 1, 7 und 11.) Die Prüfung des
Inhalts hat, soweit sie reicht, diese Präsumtion vollkommen
bestätigt. Doch würde mit der Mittheilung der wenigen sicher
zu ermittelnden Worte und Wortgruppen (denn von Sätzen ist
in diesen neun jämmerlich zugerichteten Bruchstücken nicht die
Eede) schwerlich Jemandem gedient sein.
Ich schliesse daher hier diese vorläufige Nachricht.
SITZUNGSBERICHTE
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE CLASSE.
LXXXIII, BAND. II. HEFT.
JAHRGANG 1876. — MAL
XII. SITZUNG VOM 3. MAI 1876.
Herr Franz Prusik, Gymnasial-Professor zu Pfibräm,
übersendet unter dem Ersuchen ihrer Aufnahme in die Sitzungs
berichte eine Abhandlung, welche betitelt ist: ,Wie sind die
possessiven Adjectiva auf uj und ovr und die possessiven Pro
nomina moj, tvoj, svoj im Slavischen zu deuten?'
Das w. M. Herr Regierungsrath Schenkl legt das dritte
Heft seiner ,Xenophontischen Studien', enthaltend Beiträge zur
Kritik des Oikonomikos, des Symposion und der Apologie zur
Aufnahme in die Sitzungsberichte vor.
Das w. M. Herr Ilofrath Robert Zimmermann hält einen
zur Veröffentlichung in den Sitzungsberichten bestimmten Vor
trag übei 1 : ,Perioden in Herbart’s philosophischem Geistesgang'.
Hen - Cai’l Faulmann, Professor der Stenographie, hält
einen Vortrag, betitelt: ,Der Ursprung der indischen Schrift,
insbesondere der magadhischen, Pali- und Devanagari-Zeichen'
unter dem Ersuchen seiner Aufnahme in die Sitzungsberichte.
102
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Brandl, V., Glossarium ilhistrans bolteviico-moravicae historiae fontes. Ent
haltend: Die Erklärung: 1. der in den böhmisch-mährischen Geschichts
quellen gebräuchlichen böhmischen diplomatischen Ausdrücke, 2. jener
lateinischen und 3. jener deutsch en Worte, welche in diesen Quellen
speciell Vorkommen. (Mit Unterstützung des h. mähr. Landes-Ausschusses).
Brünn, 1876; 8°.
E aulmann, Karl, Neue Untersuchungen über die Entstehung der Buchstaben
schrift und die Person des Erfinders. Wien, 1876; 8°.
Gesellschaft der Wissenschaften, kgl. böhmische: Sitzungsberichte. 1875,
No. 3—6. Prag; 8°.
Lüttich, Universität: Akademische Gelegenheitsschriften aus den Jahren
1870—75; 8°.
,Revue politique et litteraire 1 et ,Revue scientifiqne de la France et de
l’Etranger 1 , V e Annee, 2 e Serie, N° 43. Paris, 1876; 4°.
Stanonik, Franz, Dionysius Petavius, Ein Beitrag zur Gelehrten-Geschichte
des XVII. Jahrhunderts. Graz, 1876; 4°.
Verein fiir Landeskunde von Nieder-Oesterreich: Blätter. IX. Jahrgang 1875,
Wien; 8°. — Topographie von Nieder-Oesterreich. 9. Heft. Wien, 1875; 4°.
Schenk!. Xenophontiscbe Studien.
103
Xenophontiscbe Studien.
Drittes Heft.
Beiträge zur Kritik des Oikonomikos, des Symposion
und der Apologie.
Von
Karl Schenkt,
wirkl. Mitgliede der lr. Akademie der Wissenschaften.
J. Oikonomikos.
In dem zweiten Hefte der Xenophontischeli Studien habe
ich S. 144 ff. die Vermuthung ausgesprochen und zu begründen
versucht, dass der Oikonomikos und das Symposion Theile des
Werkes (Sw/paiouc) ’AiEogvY)p.ove6fji,3iTa waren.
Was den ersteren Dialog anbetrifft, so gibt der älteste
Schriftsteller, bei dem wir eine Benützung desselben nachweisen
können, leider über die Quelle, aus welcher er schöpfte, gar
keine Andeutung. Es ist dies der Verfasser des ersten der
beiden Oikonomikoi, welche uns unter dem Namen des Aristo
teles überliefert sind, nach dem Zeugnisse des Philodemos im
neunten Buche seines Werkes rapi xsatwv xai töv äv-ciy.stpivwv
apcTwv c. 6 und 27 (bei Hartung; voll. Here. III, t. VII und
XXVII) Theophrastos. Dass dieser Oikonomikos eine eigene
Schrift ist, scheint wenig glaublich; er wird wol, wie ich
a. a. 0. S. 151 vermuthete, bloss ein Ausschnitt aus einem
der grösseren Werke des Theophrastos über Ethik, ’HÜr/.x
oder Ttepl r ( Owv, sein. Wie nun nach Schneider und Göttling
Schömann (Opusc. III, 214 ff.) ausführlich dargelegt hat, ist
für Theophrastos eine Hauptquelle Xenophon’s Oikonomikos
gewesen, dessen Vorschriften er vielfach in kurzem Auszuge
104
S c li e n k 1.
wiederholte. 1 Er bedient sich hiebei gewöhnlich eigener Worte;
nur hie und da klingt seine Fassung an das Vorbild an, wie
4, 26 Gr. tcovsÜv . . . xivSuveisiv (Xen. Oec. VI, 7), 5, 1 sijo) twv
IpugdTwv (VI, 10), 6, 2 suXay.'r/.u'spov Siä t'ov «pößov (VII, 25), 21
xb p.sv Topt^y) tcc Ii*w9ev, t'o Se cw'(y] Ta evSov (VII, 21 y.ai tou oOoovtoc
TaÜTa, 22 Ta evSov epya . . . exi Ta e^w), 8, 17 6 ksyop-svoc TETp^gevo;
xtGo? (VII, 40), 8, 27 Ilspor/.a Be vjv Ta xavxa sxitccttsiv y.ai xävx’
eaiopav auTov (IV, 6), 9, 4 t( gaXioxa i'xxov xtat'vet, ö xoü Becxöto'j
ooöaXgöc (XII, 20), 9, 22 Sia|v.epiaOevTWv y.ai twv xpbc eviauTov y.ai
twv y.aTa gvjva Baxavwpivwv (VIIII, 8), 10, 10 suvpuov oe toü ye'.gwvoc
(VIIII, 4). Für die Kritik des Xenophontischen Dialoges lässt
sich daraus nichts entnehmen.
Nirgends aber deutet, wie schon bemerkt, Theophrastos
die Quelle an, aus welcher er schöpfte, so dass man daraus
einen Schluss auf den Zustand, in dem sich damals die Apomne-
moneumata befanden, ziehen könnte. Indessen möchte ich doch
glauben, dass Theophrastos das Werk noch in seiner ursprüng
lichen Gestalt vor sich hatte, einmal weil die Zerstückelung
desselben schwerlich vor jener Zeit angenommen werden kann
und die Lostrennung des Oikonomikos bloss zu dem Zwecke
geschah, um ihn Schriften ähnlichen Inhaltes gegenüberzustellen
oder ihn mit denselben in einem Corpus zu vereinigen, was
natürlich erst dann stattfinden konnte, als schon mehrere Ab
handlungen über diesen Gegenstand Vorlagen. Xenophon wird
ja einstimmig als der Begründer der Oekonomik bezeichnet.
So hat man eben auch aus dem grösseren Werke des Theo
phrastos über Ethik den Abschnitt, welcher über die Verwaltung
des Hauswesens handelt, herausgenommen und als selbständige
Schrift hingestellt.
Nach Theophrastos wird der Oikonomikos Xenophon’s erst
wieder von Philodeinos erwähnt, der in dem neunten Buche
(xspi okovogta;) seines grossen Werkes den Xenophontischen
1 Vgl. C. H. Rau, Ansichten der Volkswirtschaft (Leipzig 1821) p. 7:
,Man könnte dies Buch für einen Auszug aus Xenophon mit Stellen aus
der Aristotelischen Politik verbrämt halten“. Und so urtheilt schon Philo-
demos p. 45, 89 (nach der Herstellung Schömann’s a. a. 0.): Srp.ov orj
(Sk?) Sion xa i r.poi xd -Xefoxa xwv ©soyipaoxou oiaoEpogEOa, txT) Suvdpeaiv
exeT'Oev XEXEtpaXauojjiEva, gaXXov Sk xai xa xwv aXXwv • axavxEC yäp waxEf
oSSkv |j.£x>)XXä)(aciv, Öxoxe xai 0Eocppaaxo? ax’ auxoü tv oX(yoi$ oiaXXäxxsi.
Xenophontische Studien.
105
Dialog' einer ziemlich einseitigen Kritik unterzieht. Dass er
denselben als ein selbständiges Buch las, Hesse sich aus den
Worten, p. 44, 2 dXXa yäp oüSsv ev. zpoaSi«Tp!ßetv toic Esvg®övto:
olv.o'io\j.':/,oic nicht erweisen, wenn wir dies nicht bestimmt von
seinem Zeitgenossen Cicero wüssten. Aus den Anführungen
Xenopliontischer Stellen in dem Buche des Philodemos ergibt
sich, da dieselben sehr frei, besonders was die Wortstellung
anbetrifft, gehalten sind, nur sehr weniges für die Kritik des
Oikonomikos. P. 43, 7 (I, 22) bestätigt Philodemos die Lese
art aller Handschriften Ssutcotöv, wofür Weiske Seenotvwv her
steilen wollte. Xenophon hat hier, obwol schon §. 20 o&jTtoivat
vorhergeht, wegen des Gegensatzes zu oouXct das allgemeinere
Becnto-rwv gesetzt und lässt dann §. 23 wieder das bestimmtere
Seattoivai eintreten. P. 42, 17 (III, 15) liest man y.ay.wc os gsiouviai,
wofür die Handschriften v.t/.Gk os toütwv TtpaTTop.evtov ot oly.oi
geioovTat. Allerdings ist toütmv ftpaxTOp.evwv entbehrlich; es kann
aber auch von Philodemos bloss der Kürze wegen ausgelassen
sein. Mehr hat es für sich öS olr/.o’. zu streichen, dessen Wieder
holung kaum erträglich ist und das sehr leicht nach der Manier
der Abschreiber als Glosse hinzugefügt werden konnte. Hirschig
(Phil. V, 296) und Mehler in der Ausgabe des Symposion
(p. 48) haben, ohne sich auf Philodemos zu berufen, die Worte
toütwv Tipaxtopivwv oi oTy.oi als unecht ausgeschieden.
Aus den Bruchstücken der Bearbeitung des Cicero ergibt
sich nur, wie schon bemerkt, dass er den Oikonomikos als
selbständige Schrift vor sich hatte (vgl. Colum. XII, praef.
§. 1—7). Obwol nun Cicero de off. II, 24, 87 seine Arbeit
als eine Uebersetzung bezeichnet, so zeigt doch die Notiz bei
Servius Verg. Georg. I, 43 (vgl. Macrob. Sat. II, 16), wonach
der Oeconomicus drei Bücher umfasste *, und die Vergleichung
der erhaltenen Fragmente, dass Cicero neben Xenophon auch
noch andere Quellen benützt und den Stoff bedeutend erweitert
hat. Wenn er daher auch die Form des Dialoges zwischen
Sokrates und Ischomachos (Colum. XI, 1, 5 und 15) und den
Gang des Gespräches festgehalten hat, so kann man doch
1 Freilich bleibt, die Annahme möglich, dass diese Äbtheilung des Oecono
micus in drei Bücher erst einer späteren Zeit angehört, da Columella
keine Bücher citiert.
106
Sehe nie 1.
schwerlich von einer Uebersetzung sprechen. Aus Cat. 17,
59 lässt sich schliessen, dass er das vierte Capitel des Xeno-
phontischen Oikonomikos in derselben Gestalt, wie es jetzt
uns vorliegt, also mit der gleich näher zu besprechenden
Interpolation las. Auch ergibt sich aus seiner Uebertragung
atqui ego ista sum omnia dimensus eine Bestätigung für die An
nahme des H. Stephanus, dass Xen. Oec. IV, 21 xaüxa nach
wdvxa ;jiv ausgefallen sei. Dieser Ausfall erklärt sich nicht
durch die Nachlässigkeit eines Abschreibers, sondern vielmehr
durch die Interpolation y.ai xaüxa 0aup,d£wv im Vorhergehenden,
in welcher ebenso y.a't unerklärlich, wie Oaup,d£wv nach dem
früheren e0aüpa£ev und dem folgenden Oaugä^ü) lästig ist. Der,
welcher jene Worte interpolierte, scheint xaüxa nach gev ge
strichen zu haben.
Athenaios citiert zwei Stellen des Oikonomikos, nämlich
I, 23 b die Worte ota xi . . . ävawi'wxoiitnv (VIII, 8) ziemlich un
genau, indem er a’XXo auslässt und für o\ egwXeovxec •?) otoxt will
kürlich oi epfxat y) St* setzt, was ihm Eustath. ad Odyss. p. 372
nachschreibt, dann XIIII, 653 b die Worte uto xoü yjXiou yXu-
y.atvsoÖat xa? cxacpuXic.
Nicht wenige Verbesserungen unseres Textes aber ver
danken wir Stobaios, der in sein Anthologien mehrere Stellen
des Oikonomikos aufgenommen hat, nämlich LXI, 15 = Oec.
IV, 2 und 3, XXXXVI, 106 = IV, 19, woraus erhellt, dass
er in seinem Texte dieselbe Interpolation hatte, wie sie in
unserem steht, LVI, 19 = V, 1—17, LXXXV, 23 = VI, 4
und 5, XXXVII, 28 = VI, 12—16, XXXVII, 29 = VII, 43.
Die guten Lesearten, welche er überliefert, sind folgende:
Oec. IV, 2 xe nach ewppYjxot ausgelassen (in L 1 steht es über
der Zeile), 3 e'xouot, eüwoXe|j.otc (einige codd. evwoXep,ot<;, wodurch
sich der Fehler leicht erklärt), V, 2 wpoaewtipepei (einige codd.
wpooexitpepet), 4 dtv8pti(£t, xe nach wpon hinzugefügt, 5 xe vj 775 (vgl.
xvj yvj in HJM, Steph. xi r t 775), 6 tboeXoigevoi, xe (vor epv)|iia) aus
gelassen, desgleichen 9 woXi) und jenes xo (xw, xw, xw) nach yyüpw,
welches vielleicht durch eine Dittographie aus dem folgenden
1 Ich bezeichne die Handschriften mit den Buchstaben, die ich in meiner
eben erschienenen Ausgabe gebraucht habe. Näheres über dieselben
weiter unten.
Xenopliontische Studien.
107
Tco entstanden ist, 12 Qe'oc ouaa (in Uncialschrift 0COYCA, woraus
durch falsche Lesung Osoosa und dann weiter durch kecke Cor-
rectur OsXouoa entstand. Dass Oe'o? ouoa richtig ist, beweisen
insbesondere die Worte StäcLzst StzatoabvYjv. Dagegen erklären
sich die Fehler II, 6 caou? statt oute Oscbc (Steph.), dann V, 3
za't 0sob?, wie Stobaios überliefert, codd. oaot oder ooa, Schneider
oooic aus dem vollständig ausgeschriebenen 06OYC, das einem
OCOYC oder OCOIC gleicht; an der ersteren Stelle ist dann
oure ausgefallen, an der letzteren zai hinzugefügt worden; im
Vindob. fehlt za't ayiXp.axa; jenes Osob; spricht auch dafür, dass
V, 3 nicht mit KLN 2 ooa zu schreiben ist), 13 apystv (codd.
szapzstv, eine Correctur der fehlerhaften Leseart üpzsTv, welches
Verbum von den Abschreibern oft mit apystv verwechselt wird.
Es entsteht nun die Frage, ob äXkqko'.c, was die Handschriften
bieten, während es Stobaios auslässt, bloss der Corruptel szapzElv
seinen Ursprung verdankt oder ob hier ein echtes Wort zu
Grunde liegt, das gemäss jenem szapzelv umgeändert wurde.
Da apxetv ohne einen näher bestimmenden Genetiv zu nackt
erscheint, so möchte ich vermuthen, dass dXhr'koiq aus aXXwv
entstanden ist), TroXspiou?, VI, 5 cuvazoooztij.ai(op,EV, zaxayvivat. Da
gegen hatte auch die Handschrift, welche Stobaios benützte,
nicht wenige Fehler, wobei freilich fraglich bleibt, wie viel
davon auf Rechnung der Abschreiber kommt. So fehlen in
seinen Excerpten IV, 2 ye, V, 4 äyaOä (dass mit Cobet zayuba
herzustellen ist, unterliegt keinem Zweifel; warum aber der
selbe dtpOovuc statt des überlieferten acpOovwxaxa (äpöovaixax’) schrei
ben will, begreife ich nicht; denn einmal gebraucht Xenophon
den Superlativ öfters, wie Cyr. V, 4, 40 w? sb) sv xotc dtpOovwxdxot?
und Hell. VI, 1, 6 ßtov doöoviixaxov zeigen, dann erklärt sich
ja bei der Leseart a<p0ovd>xaxa am leichtesten der Verlust von
x), äst, VI, 13 aavbq. Ungeschickte Zusätze sind IV, 2 za't xd?
jwyd? (dvorpus^oosi), V, 1 zai (vor st?), 5 sv (vor O-jpat?), VI, 5 (’öp.iv
oliv xe sSözst) stvat. Dazu kommen willkürliche Aenderungen,
die Stobaios an dem ihm vorliegenden Texte vornahm, wie
IV, 2 uz'o (statt zpb?), 3 öctxe Etzoxw? (eine Wiederholung des
vorhergehenden stzöx«?), aot oozoöat zazot dv zai, V, 3 zai 0sob?,
worüber schon gesprochen wurde, 5 xpscpsiv (statt cuvxps^Etv), 7
xv; yo'jpa ■( yu^pyiot sv xw p.scu (so der Vind.), 9 sb/Epsta, 13 sxspv)0f (
y, yr t , ot ev, 15 o7? osl xob? ayatOob? (codd. d bst zotslv xob? ay., in
108
Sclienkl.
welcher Leseart das entbehrliche xoistv unecht sein kann), VII,
43 Ta? ev tu ßt'w apexä?, um von den Aenderungen in der Wort
stellung, die oft ungeschickt genug sind, zu schweigen. Man
wird daher nicht geneigt sein dem Texte des Stobaios auch
da, wo seine Lesearten sich sonst ganz gut halten lassen, den
Vorzug vor unseren Handschriften zu geben, z. B. IV, 2 p.ev
oy] (statt pivxoi), xfito vor srap.s'Xop.evwv fehlt, V, 1 ä (statt So«),
5 STisixa 8’, apv)ysiv xf ( y ii) pa (statt xi) YtöXei; es ist aus §. 7 ent
nommen), 6 f?j? Sei[Xyj? (st. öiie, was eine willkürliche Aenderung
ist), 14 p.sx’ ävÖpduxwv, VI, 4 eSoy.ei, 8e xdvxa eöpi'raexo (om. ovxa,
was allerdings fehlen könnte), 13 dyaöob? xsy.xova?, dyaOcb? yaXy.etc,
dyaOob? i^wypdcfou?, äyaöob? ävopiavTSW.ou? (die codd. ayaOobc -.,
-/aAy.sa? äyaSou?, ihüypdoou? ayaöoup, ävSpiavxoTtotob?, nur in L fehlt
äyaGo'j? nach £wyp.; wahrscheinlich wird man £wyp. dy., ayaOcb?
avBp. schreiben müssen, wodurch wir eine elegante Stellung
der einzelnen Glieder erhalten), 14 v. tote spyaodp.evot xouxo
ä?'.0'jvTat y.aXsLOai. In mehreren Corruptelen stimmt Stobaios
mit unseren Handschriften überein, ein Beweis, dass dieselben
schon in alte Zeit zurückgehen. Wir heben daraus folgende
hervor V, 8 ßaXefv (Hertlein Conj. zu griech. Pros., Wertheim
1861, S. 9 vermuthet ßaSfeai oder ßdSvjv unter Berufung auf XI,
18 eyw cs xd p.ev ßotovjv, xd cs dixoSpapuhv. Allerdings liegt ISA AHN
dem BAA6IN am nächsten, ich zweifle aber, ob hier das Adverb
allein stehen kann. Daher vermuthe ich, dass nach ßd3r ( v: tsvai
ausgefallen ist; der Wechsel im Tempus kann nicht befremden),
V, 13 xuXuovxuv (codd. äixsy.wAuovTUv, so wie Stobaios auch im
Vorhergehenden %uX6y] für d’ixoy.uXur, überliefert. Nun ist aber
y.(oauovxojv oder cntMMöXucvxwv weder dem Sinne nach passend
noch ist es wahrscheinlich, dass Xenophon hier zweimal das
selbe Verbum gebraucht hat. Offenbar hat ein Schreiber das
vorhergehende Verbum gedankenlos wiederholt und dadurch
das echte Wort verdrängt. Am nächsten liegt es an ein Particip
von cxspetv (vgl. oben oxep^Göcnv) und zwar im Aorist zu denken,
also an otxoaxspYjcdvxuv. Mit Heindorf’s y.oXouovxwv ist nichts ge
holfen), VI, 12 lldvu av ecpr; ßeuXoi[j.v)v 6 KpixoßeuXo? ouxto? <jou
äy.sbc'.v (codd. Ildv'j av e<pr; o Kp. ßouA5i’p,r ( v av obxw? odousiv. Hertlein
a. a. 0. hat statt oüxu? oou sehr anziehend xobxo uou vermuthet.
Darnach möchte ich den Satz also hersteilen: ITdvu ouv, scpy] o
Kp., ßc'jAoip.v)v av xouxo oder, wenn man lieber Stobaios folgen
Xenoj)liontische Studien.
109
will, xouxo aou ay.oüsiv). Darf man übrigens aus allerdings geringen
Anhaltspunkten einen Schluss ziehen, so möchte man annehmen,
dass der Codex, welchen Stobaios benützte, dem Reginensis 96
(H) glich. Wenigstens stimmt er mit ihm in folgenden Lese
arten überein IV, 2 cr/.iaxpo®sh;Qa'. (so der cod. Stob. Vind.), Y,
4, -/wpi'w, L 17 at om. 1
Ausser den genannten Autoren haben nur sehr wenige
den Oikonomikos erwähnt. Poll. I, 80 führt daraus axe-fva
4u-/£'.va y.ai aXeeiva an, womit, wie das vorhergehende ungenaue
Citat oaa o’ ouo’ ev 8ey.ay.Xtvw gs-j-aXocTSYp (Oec. VIII, 5) und
dann y.ai xaXiv zeigt, nur Oec. IX, 3 gemeint sein kann, obwol
das Citat nicht minder ungenau ist. Allerdings kann crte-fwv,
wie Stephanus meinte, aus oteyvöv verdei-bt sein, da Xenophon
öfters crsvvov gebraucht Oec. VII, 19, 20, 21 und die Hand
schriften an der ersten Stelle auch gx£-/wv statt cxefvwv bieten,
was Stephanus hergestellt hat. Die anderen Citate aus dem Oiko
nomikos bei Pollux bieten nichts, was erwähnenswerth wäre.
Mehr Interesse hat das Citat bei Suidas s. v. cr/Xeir/ix: ’A^Xeuy.e<;
t'o arfihq Eevotpwv elpyp.ev ev tw O!y.ovojj.r/.(li. ocy.ei 8s ijevr/.'ov xo ovojxa,
2ty.eXty.6v. icoXb vouv eaxt racXiv xxapä tw TtvÖwvt. y.ai dyXeuy.ecxspov avxi
xoö dvjSeorepov Esvoipwv 'Iepwvt, vgl. Bekk. An. 329, 20: 'A-'fhsw.iq:
c«;8e<;. ’A^Xsuzsoxcpov: dvjSsTxepov. Sevo^wv 'Iepwvt. Darnach meinte
Zeune Oec. VIII, 3 dvXsuy.es statt des überlieferten äxepTte; her
steilen zu sollen, worin ihm Heiland und Cobet beistimmten. Wenn
aber hier eine Glosse dies seltene Wort verdrängt hätte, so wäre
dies sicherlich nicht dxepTxec gewesen, was sich ausser bei Dichtern
in älterer Zeit nur Thuc. I, 22, 2 findet, sondern drjosc. Dagegen
liest man §. 4 das sinnlose dy.Xeecrxaxev, wofür Zeune dyXeuxi-
axaxov, Wyttenbach (Bibi. crit. II, 54) avjosaxaxov schreiben wollte.
Nun bestätigt allerdings Suidas den Positiv (rfXsuxss; indessen
muss doch hier ein Fehler obwalten, da ärfkzmiG-iono-t dem
1 Wenn Stob. LV, 19 die Stelle Oec. V, 1-17 mit dem Lemma Eevocptov-
toc ix tü>v a“o[j.vrj[j.ovEU|j.aTtov anführt, so darf man daraus nicht etwa den
Schluss ziehen, als ob er den Oikonomikos als einen integrierenden Theil
der Apomnemoneumata betrachtet habe, wogegen schon die zahlreichen
Citate Ssvocpamo<; ix tou Ob/.ovop.ixou sprechen. Es ist dies vielmehr ein
Fehler, wie dergleichen bei ihm öfters Vorkommen. So citiert auch der
Scholiast zu Aristides III, p. 667 D. das Wort ypap.p.a-aaT7j? aus Xenophons
Apomnemoneumata, während es doch Symp. IV, 27 steht,
110
S ckenkl.
äy.Xseoraxov den Sebriftzügen nach ganz nahe liegt. Was die Stelle
Bekk. An. 400, 27 •/.«! Eevocpöv jjaXeic'ov etirev avsyocXYiTOv sEvat,
y-ai dv£YX.Xr)Tt IIXotTwv eins y.x't ’IcrGy,pänf)?, y.a't ävsykX^tws Esvoswv
anbetrifft, so hätte Bornemann (zu Comm. II, 8, 5) nicht ver-
muthen sollen, dass Oec. X, 8 dve-pOofrü)? statt aveäjsXirpcTü)? her
zustellen sei. Denn einmal verdient dieser Grammatiker, wie das
erstere sehr ungenaue Citat, das auf Comm. II, 8, 5 geht, be
weist, schwerlich ohne weiteres Glauben; dann kann äveijeXrpacos
an der bezeichneten Stelle des Oikonomikos wegen des Gegen
satzes zu äXtoxecöat nicht entbehrt werden. Eher liesse sich
denken, dass ave-ptXifrttDi; eine alte Variante zu dveraXijiraix; An.
VII, 6, 37 war.
Wir kommen nun zu den Handschriften, von welchen
bisher nur sechs, die Parisini 1643, 2955, 1646 und 1647 (A,
B, C, D) 1 nach Gail von G. Sauppe, der Guelferbytanus 71,
19 (N) nach Zeune und Schneider von Kerst, der Lipsiensis
96 (M) nach Sturz von Sauppe verglichen waren. Die Parisini
gehören dem 15. oder 16., der Guelferbytanus dem 13., der
Lipsiensis dem 14. Jahrhunderte an. Die Parisini A und B
habe ich selbst neuerdings verglichen. Der, Paris. A, von
Michael Apostolios geschrieben, gibt einige Conjecturen dieses
Grammatikers, welche leichtere Verderbnisse beseitigen, wie
II, 11 oüos (v s. v.) Ttwxox’, 15 ei-Tui (e s. v.), wornach man viel
leicht eher dieses et als mit Cobet st vor aXXocre streichen
möchte, IV, 13 ewigeXelaöat (xat in mg.), VI, 14 y.aX'oc y-ayaSo?
(in mg.), VII, 11 oty.ou (in mg.), 30 a (in mg. st. y.ai) b 6eo?,
VIII, 8 icpsveüouatv (in mg.), 13 eattv (in mg., was G im Text
hat), 18 ayaOiv (in mg.), XI, 11 xtep: in mg. hinzugefügt, 14
Beoptevo; (in mg.), XII, 5 Bevjaeiv (v del.), XVI, 8 ap^cpai (w s. v.).
Wenn Apostolios VIII, 18 nach super/ ein y.ai einfügen will, so
trifft er mit Heindorf zusammen; aber diese Conjectur ist weder
nothwendig noch dem iSinne nach entsprechend. Man verbinde
nur ev oty.ta mit eöpetv und lasse davon Ösr/ai tnc e%x<j~oiq cup.tpepei
abhangen. Desgleichen hat Apostolios auch mehrere Fehler,
die dem cod. A eigenthümlich sind, verbessert, wie er denn
1 Den Paris. E 425, aus dem Gail nur einige Varianten mittheilt, habe ich
hier nicht weiter beachtet und mit E den Laur. plut. LXXX, 13 bezeich
net. Er scheint übrigens zu der zweiten Classe zu gehören.
Xenophontisclie Studien.
lll
auch häufig bei corrupten Stellen am Rande das Zeichen /•
und bei Lücken, die in A ziemlich zahlreich sind, ein -)- am
Rande beifügt. Nicht selten aber sind seine Conjecturen ver
fehlt, wie wenn er z. B. XIII, 3 pd), das Camerarius richtig
in oy; verbessert hat, in piv ändern oder II, 15 nach ^YYjaatjjt.Y)v,
wie in A steht, aoi und XI, 6 nach 6ep«t'ov : Bv, was freilich auch
in M steht, aber durch Puncte getilgt ist, einschieben will,
und so noch an mehreren Stellen, wo der Text von A corrupt
ist, z. B. II, 6, wo er statt tcsütwv: tc au-öv, 9, wo er statt
si’ä’ 3-'.: oio’ sv. vorschlägt und dgl.
Ausser den genannten Handschriften standen mir noch
die Collationen von neun Codices zu Gebote, und zwar zuerst
von drei Laurentiani, nämlich plut. LXXX, 13 (E), aus dem
Ende des 13. oder Anfang des 14. Jahrhunderts (vgl. Bandini
III, 202 f.), plut. LXXXV, 9 (F), aus dom 13. Jahrhundert
(Bandini III, 257 f.), 1 endlich plut. LV, 21 (G), aus dem
14. Jahrhunderte (Bandini II, 285), einst Eigenthum des
Guarinus Veronensis. Von f. 60 (Ou)x.ouv äj>r ( -rouxo (XVIII, 3),
nicht 59, wie Bandini angibt, beginnt eine bedeutend jüngere
Hand, welche auf f. 60 63 den ausgefallenen Schluss des
Oikonomikos und auf f. 64 den ebenso verlorenen Anfang des
Kynegetikos bis ’Atr/Ar^io?) I, 6 ergänzt, worauf mit f. 65
wieder die erste Hand auftritt. In der Lücke sind nicht bloss
die bezeichneten Theile der genannten Schriften, sondern wie
aus dem UfoctE, f. 1 erhellt, der nach Oiy.cvoiJ.ty.bc Aoyo; ä zwei
ausradierte Zeilen bietet, von denen nur das zweimal am Ende
stehende ä erhalten ist, noch eine Schrift in einem Buche ver
loren gegangen. Wir werden diese Zeilen auch nach den Spuren
der Schrift durch Sup/jtöcriov s. und KuvYiycuy.6? ä zu ergänzen
haben. Die Handschrift ist von zwei Händen (m 2 , m 3 ), näm
lich einer gleichzeitigen und einer nur wenig späteren, die sich
einer hellen Tinte bedient, corrigiert. E und F hat Girolamo
Vitelli, G R. Schöll verglichen. Die beiden codd. Laurentiani
plut. LV, 19 ('Fr. Philelphi fuit’) und plut. LV, 22 (beide saec.
XV, vgl. Bandini II, 283, 286) scheinen ganz werthlos zu sein.
1 Die Correcturen in E und F sind von derselben Hand. Von E konnte
ich, da ich diese Collation erst später erhielt, für meine Ausgabe keinen
Gebrauch machen.
112
Schenk;!.
Es folgen vier Vaticani, nämlich Reginensis 96 (H) membr.
saec. XII vel XIII, der bloss den Oeconomicus enthält, Urbinas
93 (J) membr. saec. XV (Cyrop. Ages. Hiero Comm. Hipparch.
de rep. Lac. Oecon., f. 258 b mit den Worten eyw •/.a-aßaXXsiv
[XVI, 15] endigend), Palatinus 184 (K), membr. saec. XV
(Oecon. Hiero Cyrop.); die Correcturen in demselben sind von
einer etwas späteren Hand; endlich Vaticanus 128 (L), membr.
saec. XV (f. 167; Cyrop. Hiero Oecon.). Sie sind sämmtlich
von A. Mau verglichen. 1
Zum Schluss erwähne ich noch die beiden Vindobonenses
XCV (48) und XXXVII (70) (O und P), chart. saec. XV,
über die man den Katalog von Nessel vergleichen möge. Ich
habe beide selbst collationiert. Die Correcturen in beiden sind
von derselben Hand.
Da ich in meiner Ausgabe ihrer Natur nach nur wenige
Lesearten der Handschriften mittheilen konnte, so gebe ich hier
eine grössere Auswahl. Ich beabsichtige dabei keineswegs die
meisten Varianten anzuführen, sondern nur solche, welche
entweder für die Kritik des Textes Werth haben oder doch
dazu dienen können über die Herkunft der einzelnen Codices
oder über ihre Beziehungen zu einander Aufschluss zu geben,
um darnach einen Stammbaum derselben entwerfen zu kön
nen. Die Ausgabe, welche hiebei zu Grunde liegt, ist die
Textausgabe von L. Dindorf (Leipzig 1873). 2 Die Lese
arten aller Handschriften sind wie in meiner Ausgabe mit Y
bezeichnet.
Post SevocpwvTOi; add. p^xopoi; AB DF MNP, post Otx.ovop.ixo; add. Xbyo'
BK, ia xoü euaXo'you TZpoaojTza. acoxpax7)(; xptxo'ßouXoi; iV/bp.ayoc F.
P. v. 1 7C0TE om. BKL, tzote et xat om. C (in quo supra aüxoü m 2
scriptum est atoxpaxoui;), xai om. D. — 4 iaxp£uxix7j JL. — rj ante ^aXxEuxixr)
add. FL, om. cet. — 7) ante xsxx. om. ABO. — 7 8uva(p.E0’ av BK, 8uva-
[j.eO’ av cet. — 10 ircixp^Ei AG et (oi s. v.) P. — 11 ßouXsixo A, ßobXsi xo
G. — 14o add. G, om. cet. — 19 cp^poix 1 av BHKLN, cpipzi x’ av A (oi s. v.)
1 Die Collation der Handschriften FGHIKL verdanke ich der gütigen
Unterstützung der k. Akademie der Wissenschaften.
2 Dass die Codd. fast immer Yjyfj u. dgl. bieten, ist, weil es sicli von selbst
verstellt, nicht bemerkt. Nur die Stellen, wo sie die richtige Form Tjysf
erhalten haben, sind hervorgehoben.
Xenophontisolie Studien.
113
f*> cpspecv x’ äv E (v eraso) cet. — 21 8rj om. BKL, s. y. M. — 2, 1 '/.cd om.
G, in N add. m 2 . — 2 x&xyjxac K, exbxxvjxo cet. — bpoc youv C, £p.ocy 1 oüv vel
£poi y’ oüv cet. — 7 (pjjaopev aü™v M. — ecvac om. G, in mg. N. — 10 oirsp
/•<d y.crfi'.c DL. — 12 xxrjpa eyco xoüxo BKL. — 3’ add. K et (8. v.) M, om.
cet. — 14 eyw vopi£<o CD. — paXXov vopc£<o BKL. — 15 ereiaxrjxat FK,
irciaxaxai GJMNjO, exdaxaxo D, sjxfaxacxo cet. — 1(5 tw auxq> GN. — 17 er: ei
AB. — 18 y’ om. BGHICLN. — 20 toaxE om. D, in mg. m 2 C. — ypfjpa
ACDEFGJMOP et (xa 8. v.) N. — 26 ouxw N t , oüxw; cet. — 28 eaxcv A
et (v deleto) P. — 29 y£ om. LO. — 31 5] ol GN. — .3, 1 xaüx’ ouv O, xoüx’
aO cet. — 3 xot; [j.ev CD. — 6 ou8b BL. — 9 EKiaxacxo K, ejuaxij'xo J, skc-
axijxac vel EKiaxfjxac cet. — 13 outco? GJO. — 16 Eye'. ACDEP. — 18 [xrj
om. BKL, e’c'jiep ye in mg. N. — xo ACDEP. — 5o.axlap.ov BGKL, ücoa-
xüapov LN. — 20 aüxol ADP, aüxo E (v eraao) et C, om. BKLM. — Sr) om.
0, pbvxoc B. — 23 EJtiaxacxo BHL, £7iiax?)xaL (iczlazaizo s. v.) N. — 27 ye post
lyöpoi add. A C DEF GH JM NOP. — ye om. A C. — ypi)paxd yE J. — 28
Ep.oi youv L, b'pocy’ oüv vel epocye ouv cet. — 4, 1 elatv rjulrjps’voc BKL. — ob
xupxvvccov G, oe xTzb xupavvcov (— vctov s. v. m 2 ) D, ob öaco xupavvitov cet. —
ydp om. BDKL. — 3 spoc G, bpoc N[. — 6 aiaOavcopeOa AEP et D (corr.),
aiaOavo'pEÜa cet. — 10 xd om. BHKL. — 12 8oxoüvxcov ye evicov BKL. —
13 xai post pbv praeter BHKL add. omnes. — 16 eyocev Y. — Kal . . . b'yoiev
om. JP. — 20 eiaiv oüxoc ACDEP, ecpr) eiaiv ouxoi BKL. — 23 y’ GH, —
29 oxi . . . . jtEpHEeaeppbvai Gm 2 in ras. — eiaiv i)8. BKL. — KEputEjtXsypbvai
BUK (qui in mg. yp. -EptxejiXEppEvai) L et s. v. N, KEKEppbvai A. — 5, 2
xo) BEFJKMP. — 4 dprjyavia BKL, dpv)yaviat (a s. v.) G. — 11 Epyajovxai
A, Ipyä^omat K. —• 15 rjaaov Y. — 17 pbv oSv AB IC LP, pbv y 1 oüv vel pbv
youv cet. — 19 aoxppoviaavxe; G, atoippovfaavxas H, atoopovrjaavxa; EFJL,
aoxppovjjaavxe; P (a; s. v.) cet. — 20 in verbis xov Xoirav desinit B. — 26
ooxoüv CD. — 30 aoi GJO. — 31 eyoi; AEP. — 6, 2 eyioy’ ICL, eycoye cet.
— 5 ps'v poi (poi in ras.) IC, pe'vxoi poi L. — 6 BP FHICLN, 8ia cet. — 8
bcprj om. F, to atixpaxes bcpr) KLM, ecpr) cn acoxpaxe; cet. — 11 rocvxa om. KL.
— 19 av om. KL. — 22 5) oaou; xe O, 5) oaou; ouxe cet. — 7, 2 xd aüxiöv L,
xd auxtuv IC, xaüxiuv A (xi s. v.) EFP, x’ auxöiv M (ec s. v.) cet. — 7 xai post
xc om. CD. — 9 av add. DIC, om. cet. — 10 r.oXb (rotvu s. v.) N. — 12 co?
add. FG, om. cet. — 17 öXiyov ICL, öXiyco cet. — 22 ps Kpoaxaxeüeiv KL.
— 30 o08’ aXXo H. — 31 oüSbv AKL. — 8, 3 ou8e kcökote CDL, p.r)8k kiottox’
0, o-joe -iokox’ A (v s. v.) cet. — 8 ctüxou Y. — 11 vuv ICL. — 13 EKiyetpijaai-
poc AG. — 14 ev xw aff> o’ixw ante Imyeiprjaatpi KLO. — 20 eine (e s. v.) A.
— 21 ^yqaaprjv GHKLMN, i)xr)aa(pr)V 0, yy^aacp.yv A (in mg. aoc) cet. — 23
r.ap’ Epoü IC (in mg. yp. rjpcov, quod sine dubio ad v. 26 refereiidum est). — 26
r.ap’ Ipou ICL, Kap’ cfjpcuv cet. — 27 xai om. KL. — aoi post eiSo'xa; KL. -
E0bXeu; CK. — 29 ye om. HLN. — 31 Seivoxbpou; lp.ou ICL, epoü om. CD.
— xou; ante itepl add. Y. — 9 ? 8 auvxsxapEvr] AKL, auvxsxaypEV]) cet. — 12
xi AG. —• 13 ’icft] ICLO, ecprjv eet. — syto ye ICL. — 15 aou A (oc s. v.)
EFJKLOP. — 18 eXäxxova; GH. — 20 ye CD. — 25 8b N, o’ cet. — 27
oxav wv ICL, oxav 2>v av A (in quo oxav) cet. — 27 aXXa xc L, äXXa x! cet. —
29 ex.aaxa ev ycipa F. — 31 ye ev L, ye (om. ev) O. — 10, 3 rjv om. CD, —
4 OapEcvd C J. — 6 oü om. DO. — Seüpo Y. — 9 KapaKXrjaiü); HICLN 2 . —
Sitznngsber. 4. phil.-hist. CI. 1.XXX1II. Bd. II. Hft. 8
%*5wsssa*- wväW'BgsSE««'’? r ^m
114 Sch enkl.
10 arco GHN,. — 11 xaXa UN. — Spr) 'tato; HN. — 18 post a’txtov add. k'^rj
KL. — 19 pa07]ar] 0. — 20 Sivopal HN, Sbvapal C. — 22 avtaxapsvov . . .
ßaSUjovxa . . . avaralOovxa Y. — 31 aptpoxEpou; GHJN. — 11, 2 t{kcg xai O.
— 5 ßotSXr] CG. — 13 xe om. JO. — -^prjatpot A, y^prjatpat cet. — 15 uhjxe
xai 0. — 16 p (5) A in mg. m 2 , L) ot nXEuxrot Y praeter G, in quo f] ot
TtXEiaxa. — 17 jipöxspov HICL et s. v. N, no'xEpov M, N, xo'xe dpa G, nörepa
cet. — 20 5)v GJKL, av cet. — 22 xaxoitotEtv K, xaxoxoiEi 1 cum ras. unius
litt. L. — 28 oüSkv CDEJP. — IXatjoova Y. — StaXkysiv H, StaXEyEtv (rj s. v.)
K, oiaXkyp cet. — 30 ante xai add. Y praeter JK. — lopaxuiav H, Scop.
cet. — 12, 1 £? post 1) om. Y. — 13 d?(ci>; GJLN 2 , aijlou; cet. — 14 vop(£ot;
ALP. — 19 jtpknei A (ot s. y.) GJO, xpExr) D. — 24 t{ post Ejtlpprjxol add.
L (s. v.) cet. — 26 irapEXoupEVtov CG 2 . — 27 tmaxpoipsiaBai GHN. — 30 k'youaat
Y. — 13, 1 Soxouat om. G. — xaxov Y. — 2 dXEijixrjpE; GHK, dXEijExrjpE; L.
— 3 ev rtoAkpio A, h toT; jxoXs'pot; (om. eO) 0, EvrtoXkpot; vel ev 7toXkpot; cet. —
6 ’Ap’ GHN. — 7 xov AE KL OP, xov xwv F, x Sv cet. — 12 ktpr) om. FKL.
— tov KL, xtov cet. — 17 mtoltovjiEp KL et in mg. N. — 8aap.ou; om. Y.
— XapßdvEtv Y. — 21 ot noXkptoi C. — 22 tpuXaxa; G. — xpktpEtv Y. — 23
toütü) G, xoijtcü J. — 27 axpo om. G, s. v. N. — 28 kauxou ACDEP, auxou
cet. — 14, 1 Soxlpou; Y. — 4 söp^ FGHMN0 2 , supot cet. — 5 tppoupap/wv
Y. — 9 oxo'ar); GHN, Sro'ar) (v post add.) K. — 10 xat om. O. — auxo; pr]
A. — 11 av om. GH. —• 12 ys Y. — 14 xat om. AD. — 15 te J, xrjv cet. —
Ivxipot; om. A, in quo xat l'Spat; yspatpEt in ras. — 17 Sta üßptv ACDEP.
— 22 Etutv aüxwv 0. — auxcuv II. — 26 6 pkv F. — 15, 1 yap om. KL. —
4 xaO(axr)xat GHN. — 9 e!; om. AH. — 10 EmpEXEtaOai A (in quo rat s. v.)
cet. — 12 xat ay. KL. — ora'aa KL. — eOe'Xei L, 0kXot A (o in ras.), 0D.ei
cet. — 13 rj om. CICL. — 16 xdXXtoxa LO. — 19 6 ßatnXsu; Y. — 20 x£>
pro xou; KL. — 22 apirta om CD. — 25 ßaatXsu; Syj H. — 27 av om. H,
s. v. F. — ap-pöxEpa H et in mg. N. — XapßaVEt D (ot s. v.) O. — 28 aptaxov
ACDEP. — k'tpr] in mg. A (in quo xaxat;x£udi(Ei). — 30 EJupyyElXETO H, IrniykX-
Xeto CDEFJMP, EjaiyykXsTo cet. — 31 tö (s. y.) xrj; x.“P a ? K. — 16, 7
xou post Sk praeter H JN add. Y. •— 8 xat om. CD. — 12 rtXrjv ys HJN 2 . —
yap pro 8’ M. — 22 aupnapopapxouarv KL, tjuprapipapxouat J,. — 25 otaxpdijav-
xo; O, Siaxdijavxo; (a in ras. duarum litt.) G. — 27 xauxa pEvxot A (in ras.).
— 17, 1 i^eXKcdv FGHN. — 4 eqjr) xouxo J, xouxo k'tpr) cet. — 8 k'tpr] L. —
10 tpavat om. FKL, k'tpr) cet. — 14 au rot; F. — 19 jtpookxt H (in quo om.
tpkpEt . . . xauxa), jtpookxt tps'pEt vel "potTExttpcpEt cet. — oaa KLN 2 , oaot cet. —
25 auxot; C DHN,. — d^0ovtüxax’ FGKLMO. — 26 paXax.Etac HN. — 27
t|uiyei CD FGHN, tiüyr] (ei s. v.) K. •— xai post te add. F. — 0dXrEEt A (rj
s. v.) C DF GHN,, 0dX7tr) (ei s. v.) K. — 30 dvSpfi^aöai Y. — te om. Y. — 31
-/orpltp GH. — 18, 1 iupat; (om. at) A. — xat iatix. GL. — 5 xr) yrj HJM,
xr) yfj vel xrj yp cet. — 7 cbtpsXoijpEVai Y. — xat om. O. — ot om. A D, at
cet. — 11 Xuvrj; H, Xüjrr,; J. — xrj te Y. —- rjpspla O. — 12 xt om. CDJ.
— 13 xot; ojiXoi; O (A in mg. xot;, quod signo /• falso ad tou; ante xapxou;
est relatum). — 18 ExtpsXoupEvov CD. — 21 teoXu ante "X Et tov add. Y. —
eu pap (om. Eta 1) cum spatio trium litt.) J, Eupsta Et O. — 1) om. EFGLMNP.
— e!; ycopcp xö N,, Eitj^wptpxo G, post youpio a ^d. Tü> ve ^ T “ ACKL, xw L
(om. noü) N 2 cet. — 24 jtXripEaxaxa; ACDEHP. — 19, 1 äv HN. — 5 xa
Xenophontische Studien.
115
om. CDEGHJNOP. — 11 jxoXEpou; Y. — 12 auv avöptujtois ... Set xous
om. CD. — 14 xe et 15 xauxa Y. — 17 7iapaax£uäl(ea0xi CD. — 19 xots axpa-
xnixai? xov axpaxrjyov H. •— 21 eGD.coai GHJN, OiXtoai cet. —.24 ai om. H,
s. y. M. — 26 ai om. N. — 20, 1 Epuaißai Y. — 9 iEapEaxopivou; AL. — 21
ä ante ckdXnxE; add. ACDEJKLMP. — 25 apa JKL, apa eet. — 28 y’ouv
DFKN. — ectxiv om. CDO. — 31 auvopoXoyouvxa; JM, — xs; cet. — 21, 3
oi avOp. LO. — 5 axps'Xipov eo] KL. — 15 oüxto DKL, ouxcos cet. — 17 r.at-
Ssiiovxoa A (in quo o;nus) CDEP. — 19 8s om. KL. — 25 raXecov et 28
iv8o?oxäx7) Y. — 29 ßioxfa GHN. — 31 ¥<pv) post ScbxpaxE? add. M. — 22, 7
sxoitopEV CD. — 9 Si^y^aopai A (to s. v.) G. — 10 oq/.eT F. — 16 yap om.
CDL. — 17 ayaflous om. L. — xaXXa P, xaXXa O. — 18 ixavo; FN, — vw;
cet. ■— 21 xaXo'v xe xayaOov A (in mg. xaXos xayaOos) cet. — 23 poi C. — 24
xo xaXXo; CDHN, xb xaXto; xo xq> L. — 27 ap’ C. — aXX’ JKLN, äXXa cet.
— 23, 1 äv8ptov AO, avSpwv xe cet. — ys vuv Y. — 12 xov 0eov CD. — 14
xe add. ACDEP, om. cet. — 16 eici xb CD. — 17 öS? y 1 MN, yE cet. —
20 xaXouvxai (om. xpujpapylas . . . rcpoaxaXouvxai) CD. — 24 Siaxpfßw L, xaxa-
xpißco cet. — 26 ixavvj laxi KL. — 28 au auxo; M. — toax’ AL. — 24, 3 8 1
FN, 8e cet. — 5 pr) post ei add. HK, e! pij (om. pdvov) N. ^XGe (add. m 2 )
po'vov G. — 6 lopaxuTa HJ, scop. cet. — 7 3(3ovxai CD et v eraso K. — 16
auvrjuj^Exo FM, auvEÜy. cet. — xa om. Y. — auxa HMN, aüxtu (aüxtu) cet. — yE
CDH. — 17 üraayopsV)) A (o s. v.) CEMP, üraa-/ops'vr]V O, üraa’/youpdvr)
HN, uKoayopdvi) cet. — 20 x( add. E (s. v.) ACDP. — 23 bi ACDEP. —
24 OTixLÖaaaEÄExo A (e s. v.), ixiDäaaEuxo G, extOaaaEÜExo FL, EXiöaaEikxo cet. —
Etprj om. CGHNO. — 27 l'Stuaav M, sStoxav KL. — 30 ßouXo'pEVos CDM t N,
ßouXEuo'pEvos (suo'pevos in ras.) E. — 7xepl spoü A. — 31 oixot A (ou s. v.) cet.
— 25, 5 xayaOov Y. — 6 yrjptußoaxtuv AEFKLMP, y/jpoß. (tu s. v.) O. — 8
es xb x.oivöv arama A. — 11 8s7 om. GHN. — 16 l'pyov ante siprjaEV KL,
Eiva epyov G. — 17 xai post yap add. K, om. cet. — 18 Eaxiv GHN. — oüxto
FHKL, ouxtos cet. — 21 07j L, 8d cet. — 23 Etpuaav EJOP, l'^aav CDGH
KLMN, Etpaaav L, scpüxsuaav A. — xe ACDEP. — 24 oai L (ei s. v.) K. —•
24 xaux’ ACDEFGPIJOP. — 25 yap pro pev H. — Eytoy’ O. — 27,spyots
auvdxu^ev A. — 28 p.sv yap HN. — 29 ouaxEp(p add. m 2 )psvtos H, SisaxEp-
pivto; G (x.Ejj. in ras.). — 30 oxt F, l'xi cet. — 31 aüxtu FL, auxtü cet. — 26,
1 xo) u.7; ACDEP, xb [j.ij cet. — 2 yrjptoßoaxoüs ACDEKMP. — 6 axsytov
Y. — SijXov oxt GJ, 87|Xovoxt cet. — 7 eia^dpouaiv GHN. — 8 xoüs spyaaopd-
vous CDH JKLN, xou; spya'(opsvou; cet. — 10 xoüxtn 0, xouxou L (in quo
post ImxrjSsta et xauxa add. r.iv-oi). — 12 atöaavxo; M. — spya^opdvou K,
spyaaapEvou O. — 13 xa xtov Y. — 14 Ssixat . . . axsyvto,,v 8s om. CD. — 15
ai om. ACGHN. — 17 xai post spytov om. L. — 19 xa pbv HKLMN. —
20 xr|v 8s . . . EJiip£X7)paxa om. Y’. — 24 jiapEaxEÜaaev ACDEJOP. — 25
ijaaov Y. — 29 eoaaaxo aüxats K (in quo jxXe(cov) L. -— 30 xai om. CD. —
yuXctxxEiv KL, tpuXaaa. cet. — e?aa)(0dvxa HK LN. — 27, 1 ^uXaaaEiv Y. ■— 4
xouxo GH. — 6 apipoxdpot; G, — pws O. — 13 xauxa et 16 v/Xdmxai Y. — 18
oxtos om. G. — 21 xai ante xoiv. om. CD. — 22 xoü . .. x.oivwvou; om. H, xou
o’txou cet. — 24 a7ro8e(xvuai xai A (in mg. a) cet. — eveuuoev A. — av post
IxäxEpov add. GJ, post paXXov cet. — 25 pEVEiv hbo'i KL. — 29 zpäaaov, 30
et 28, 2 peXiaaoiv, 28, 4 psXtaaa; Y. — 28, 1 8e L, 8’ cet. — 3 ys FH, piv
116
S chenki.
(te s. v.) M, xe cet. — 6 EtctpEpet HN, stacpe'pot G, cplpst A (r) s. v.), cplpr) CD
et (et in r] mut.) P. — 8 i]XEt HN. — 9 3’ F6MN, Sk cet. — xqpltov HN,
xqplov KL. — 10 xov ytyvo'pEVov xo'xov, 12 vsoaaoi, 13 sitoplvcov Y. — 15 ev8ov
xo KL. — IG e'pyov ev8ov HKLN, evSov om. 0. — 20 q add. JKL, om. cet.
-— 25 euyaptaioiEpov AL, eö äyap'.aio'xepov N. — 29, 2 p,IXta<jat, 3 p.sXtac;öjv Y.
— 6 teIvei KL. — 12 jxoveTv FHKLN, toieiv cet. — 23 Jüotrjaet? HN, jiotijaijs
KL. — 27 <p6Xaij äp.elvcov F 2 KL, tpuXaijop.lva>v CD, ^uXaijapEvcov cet. — 30,
2 xextvqpivqv aGxrjv KL. — 4 auxrjv oi8a L. — et xl KL et altero n omisso
N. — 6 x'jx7]V, MqSIv xi, eIjiov, dOup. A. — 7 xot J. — 8 oaa GH, ae oaa N,
o xi je KL, — 10 io pr| SivaaOat i(r]iouvid xi KL. — 11 oxt om. G (cl>$ add.
m 3 ). — 14 yE Y. — onou G, raot cet. — 16 ct>; q xdijis KL. — 22 plv oüaa
AEFJ, pe'XXouaa 0, pivouaa cet. — suyptpoio'iaiov GHJK, Euyetpo'iaxov cet.
— 23 ax/.Ecaiaiov Y. — 25 eav om. Y. — 26 oGjuo J, ouxco ACDP. — ejtt-
xciXuaiv vel ekI xtuXuatv Y. — 29 pa;f Eaovxat (<o s. v.) A. — 31, 1 Ss q KL. —
4 xfg 3’ om. CD. — 5 xdäjtv KL. — 6 8e AE JKL. — 12 31 xt KL. —-
ävGpcnjtots GHN. — 16 jtopEÜouatv A (in mg. npoveüouatv), 7Epoav£uouaiv cet. —
17 öpolcu; KL. — 19 oeq KL. — 22 et om. Y. — Ss'oi; (o s. v.) A, 8lot (o
add. m 3 ) G. — 24 Slot A (q s. v.) C D E P. — 25 atxtü om. H. — 8s F, xe
om. GIIKLN. — ESoxtpaacopeGa H (u supra e m 2 ), G (Ix supra I m 3 ) N. —
29 atu» Y. — auxq J, aüxq cet., om. D. — 31 xo om. HKLN. — 32, 2
e'8o^a? xevtov HKLN. — 3 tpotvtxoüv M, tpotvtxo'v cet. — 4 p-ixpoiaxtp GKM.
•—• 9 ävGpumois GHKLN. — 10 ooouxEp H (a add. m 2 ) KLN. — 13 eyto om.
KL. — 14 yuipav A (tu s. v.). — 15 xaiax.Elp.Eva GKL. — epxool'Cet G (v add.
m 3 ). — 16 ecriiv A (in mg.) G, ettjiv A, cet. — 20 exocaxtov K, sxixaxqv xqv G
(expunxit m 2 ), Ixdaxqv cet. ■— 21 jxoaa A. — 27 aupßalvEt FG!I (in quo t post
a in ras.) KLMN. — 29 ?) om. KL, et om. CD. — 30 OaXacorj Y. — 31
eyov F (o in ras.), eywv C. — 33, 1 ßXäxa? FHJLO, ßXaxa; cet. — 3 oipat
post oe add. 0. — 6 lv om. ACDEP. — 7 jxXoutjlots G (uo del. m 3 ) HKLN
(in quo nXolot? s. v.), jiXeIoi; (ot s. v.) A. —11 EÜpqacop.EV GHKO, euplatopev
N (xx s. v.) — 12 EÜdpECTiov G (in mg. m 2 yp. xai Eueopexov) HKLN. — 14
äyaOtöv A (in mg. Oov) cet. — 15 xai add. post eupeiv A in mg., post Exaaioi;
in E spat, quattuor litt, et ras. — Oqvat CDK. — 16 e’lpqxai om. L. — 17
xafrjxat G (s corr. m 3 ) H (e s. v. m 2 ) KN, xlrjiat L (t in ras.), ysvqxat O (xe
s. v.). -— 8e (v. 17 et v. 18) om. M. — 19 yaXxeta F. — la om. KL. •—• 21
6 aepvo; xopt$ö£ KL, 6 aepvo; xopxjiöi; N. — tpqai K, tpqaiv cet. — 23 äno
xouxou om. KL. — 24 axavxa ante exaaxa add. HKLN. — 34, 1 ou pro cl>s
HKN. — xe ifj; KLN. — 4 xtüv om. KL. — 6 om) CD. — 7 ?j oxt . . . 10
a’ixto'v laxtv om. ACDEP. — 12 yap post plv add. Y. —• 15 mo; xt (xl) ej:a-
xouetv Y. — 81 pro <ju MO. — 16 ümayvqxo' ye CDEJMOP, üma'/vq xo'Se
(in mg. xouSe) A. — y’ N. — IrapEXEtaGai J et (in mg. ImpEXqaEaGat) O. —
23 iaxepiva CD, laxEuaape'va L. — 25 eÜvat Y. — 29 cwxeSeIxvuov M. — 30
Sjreiv om. Y. — 35, 4 Gtipav ßaXavEto) Y (ßaXavlto L). — 7 ImxojxoXü CDKLP.
-— Btaxplvopev CD. — 15 ävBpöa KL. — 19 Ootvqitxd HKLN. — 24 Siqve'y-
xapev KL, Strjvs'yxopEV cet. — 26 aiioramxrj; oionouxi); raXaaioupyix% IC (in
quo ot|to!xottxr)s in mg. m 2 ) L. — 27 xoiouiov HN. — 36, 11 oxe GHN. —
3’ om. ICL. — 19 iaüi7] H et (x eraso) O, aui?j cet. — 21 lyco in mg. A. —
22 Btapivet D, 8tax£ipiv7) L. — exäaxtov GHN. — 25 ypäi|ojvxat xaXoi; F. —
Xenophontische Studien.
117
27 jxoieT A (fj s. v.) CD. — 31 ’iyo 1 AP (0 in ras.) EC, k'ysi D (01 s. v.) cet.
— 37, 2 xrjv CD. — 15 r.isit; Y. — üjtaxouE CD. — 19 s! om. A (add. in mg.)
CD EP. — 20 ’etpr] om. K. — 21 ßaov om. Y. •— 24 slvai om. L. — 38, 4
pdvxoi pro pkv TTN. — JuppiGKo KL. — 5 SoxsT A (ot corr., om. i'xi) P (7)
corr.) DJMO, 8oxtj CEFKL. — 8) KL. — 7 80xst CDP, 8oxij AE. — 12
ei om. CDGHN. — r5v ovtojv eoxi' po 1 AJKLP. — 13 S7jXo(7)V <je post xf-
ßorjXov add. Y. — 14 eSix^X«? F,HJKLMNO. — 16 oüvsXTjXiGapEV ... 20
Ecp7]V £yd> om. ACDEP. —• 20 ouv om. NO. — 22 jiaps'^Eiv 7CEipij>p7]V H. —
sauxoü ACDEP. — EjupsXoupEvo.; CD et (0 eraso) L. — 25 £7ti8Eixvuoipi AK,
ejei8e(xvoi[j.i N, Exiosr/vxipi H, exi8e(xvu|xi G (01 s. v.) cet. — 27 xapEypo K. —
29 öpc&7]V ij'Biov KL, fJSiov optfnjv cet. — 31 i) ante xou; add. E (sed. ras.
deletum) N (om. xou;) F GTTJ0. — 39, 1 <Ü> Y'JVX’. om. D, in mg. C. — 2
JapptGiou KL. — 7 aVEl;sXkxx<üs CG. — auvo'vxa; . . . Ecaxaxav om. CD. — 9
iljaviaxapEvai ACDEMOP. -—■ 11 xxxov7rEÜ07)aav CD, xaTOXTEÜoOrjaav IIN. —
13 ’itfri'i FKL. — xoiouxo ACDEP. — 14 Ixt om. AEFGJMNOP. — 16
ou pro v. ti GHN. — 22 xo post ysTjoov add. IIN. — xo aixoxoio'v N. — 24
El x«T L. — k'yEiv CD. — 5jv ADEFLMOP. — 26 8’ Ö‘. — eTvoci Bpvjv HN,
Ey7jv om. C. — 29 Euypcoxkpav GHN. — 40, 4 scaxxxojvxac C (x s. v. m 2 ),
EEaxaxoma; D. — 10 apisoxkpio AEMOP, apipoxkpou G. — 16 p£xapu9p(afl;
GM, p£xapuGp7ja7]? J et (u ex 1) O. — 17 aoi om. C et G (in quo T15, litt. 5
m, deleta). — pq SoxöS KL. — 18 aETxp'jOu.l’oa'.ui GM, psxappuOp^aaipt A et
(7) in 1 corr.) P, pExapiOpTjaalpt 0. — 20 dxoooXEaypiv A (a s. v.). — aspo-
ßaxstv L. — 21 dvorpoxEpov FGHKLMNO. — 24 exiXüxou GHN. — fatin
om. KL. — 28 ouSkv HKL. — 41, 1 ov M, in mg. A, om. cet. — 4 ap^o-
P-Evop L. — 6 8’ GN, 8e cet. — 8 xEpav KL. — 10 te om. AM. — 11
6i«xEpai'v7)Tai O. — 13 8k H. — pkv dpyopat MN. — 14 OEpaxEiiuv F, OEpaxsuEiv
cet. — u>v CD. — HN. — 15 üyAH, üysia; 0. — 19 jeXouxeu;
FGHJKLMNO. — exei? FHJKLMO. — 20 £7tipEXo6psvos CD et u eraso
L. — Kal om. ACDEP. — ys DKL. — 24 xar’ £ps M in mg. m 2 . — 26
oxt HKLN. — 27 xSSv dXXcov CD. — 28 8k Y. — 29 81) om. KL. — 42, 1
ßaOü; KL. — 3 aol G (m 3 cru) J. — 4 jtspl pro 7cwe CD. — OTipEXsTv G,
ExipEXi) cet. — 6 nspi post yprjpaxtaEws A (in mg.). — 9 ky_Ei H (m ( corr. 01)
M. — 11 jtapayfyvExat D, 7rpoayiyvsxai cet. — 15 exio.eXouij.evov DK. — 17
Xpij ACDFKMPj. — 22 av0faxaa0ai HK et (0 eraso) L. — 1)v(x.a (om. av)
Y. — 23 Ocdu.Evop KM 2 , Seo'u.evov A (in mg. 5) cet. — 24 xot A (xt s. v.)
GHKLN. — 43, 1 pExapu0p(£io GH (qui om. p post 0) M 0. — 9 xou add.
KL, om. cet. — 10 cotEaxXayy. AEGMP. — 14 x3> yap FGHKMNO. —
auvEaxEuaapkvoi? G, -vto; cet. — 15 üysiav ACDEP. — 16 xot; xpbp MN. —
18 ImpsXEi H, — Xq cet. — 19 xapEysi II, 7iapky7] GK (in qnibus 7) in ras.)
cet. — 21 xe om. CD. — 27 xotst H, 7ioi?j K (5j in ras.) cet. — 44, 2 7toiouvxa
EFGNOP. — 7 SiaXdxxto G (X in ras., ut videtur ex x) HJ. — 8 SaxE
HKL. — eyot ACDELP. — 14 ä 8’ HKL, xä 8’cet. — ßouXo'peGa GHKN.
— 15 8iEiX7)p£vio; CD. — 20 fjaaw Y. — 21 Aia Y. — 26 fj add. HKLN,
om. cet. — 27 cpuXdxxsi H, -xx7) cet. — 28 axoßaX'p Y. — 30 ävapdvEi; LM„
ävapsvEiv cet. — 31 k’cpr) post xoi add. KL. — 45, 3 k'tp7)V syti HNO. —
xaxapa0£tv FHKLN. — 8 stp7] om. KL. •— 9 ExipsXdpEvo; KL. — 12 aXXrnv
H et (in quo xal) N, aXXo; J. — 13 8£7ja£iv A (v deleto) cet. — 14 pkXXoi
118
Schenk!.
ADEFKL et (oi in ras.) P. — 20 oiSdax.Eiv KL. — ßouXsi MN. — 20 övxss
om. KL. — 30 xi (x!) pro xi Y. — Inde a sectione VIIII usque ad capitis
XVIIII sectionem XVI magna est in M lacuna. — 31 ßoüXopa; A (tu s. v.)
cet. — 46, 4 Etprjv GHJO, om. KP. — 8 IjcipsXets KL, s;:iu.EX£taOai cet. —
9 Suvapivtov CD. — 10 po'voi F, po'vov cet. — stprj EFP, E<pr)V A (v s. v.).
— 11 Nai ... 16 aXXoi xivk? om. CD. — 19 ouxe pro oux 1 KO. — Txapeir) Y.
— 23 youv H. — 24 [J.r) 8k CD. — 25 8’ H. — 47, 1 xo HN, xG (xG) cet.
— 2 orau; et G? au Y. — 4 E7U[J.EXopivou; GN, ej:i|xeXou[j.. cet. — 11 ye om.
HN. — 18 8’ I-I. — EjxqiEXet; O. — 21 OlXovxi et 22 bxvoüvxi K. — 23 Eysiv
G (in ras.), om. ACD. — 24 b ßaaiXeu; CD. — 25 fetou . . . ayaOou HKL,
&C7C0U . . . äyaOG G et (in quo ou s. v.) N, mmu . . . ayaOG cet. — 28 Xkyexa;
GHN, om. cet. — otixto; HN. — 29 xaXXa ACDEO (in quo a corr. in a)
P. — 30 xe om. CD. — 48, 1 8e om. Y. — 4 pkXXoi ACEP, [j.e'XXei cet. —
10 8e p.rj A (in mg. psv) cet. — xtvo; Y. — 13 Ecprjv ACDEKLOP. — 16
ys 8k N, ok 07) H. — 18 E^rj om. KL. — aaxE JO. — zai om. H. — 23
ßaatXe;xoüs HN. — 29 oSv CD. — xaxapavOavouaiv HKLN. — 30 xo pro xG
KL. — 49, 3 yXüacnj Y, za; xij yXGaarj zai yvG[j.7j H. — 5 pav0aveiv HKLNO.
— 13 za! xG . . . 14 cpuascov om. A J. — 17 Sioaaztov Y. — ßoiJXopai ADN,
ßoüXtovxai G. — 18 auXapßavio GH. — 19 oaa K (in mg. yp. a 8e7) L. — 21
zpE(aaa> Y. — 22 £97) ooxet KL. — 24 aüxGv F, auxGv cet. — xaxaxpaaao'pEva
Y. — 25 xuyyavovxa; HK (in qno ; eras.) N, — xa cet. — 28 x’ N. — e?oG Y.
— 50, 1 aüxG EFJKLP, auxG cet. — 9 xoXptby d'pxv!'(s; H, xoXpGv N,. —
XeitoTv A (ei in ras.), Xu7CeTv J. — 11 G; pro oöv CD. — 16 Efißtßd^tov CD.
— 19 8izaioaiv7) . . . SioaazaXfap Y. — 20 xXkpaai A (p s. v.) CD. — 22 E<p7]
et 23 CTiqaai om. CD. — 23 aiaypoxkpSEiav ACDEOP, — 8!av cet. — 24
Etp7] zai xoüxcov K L, zai xoüxtov E'^rj cet. — !xpo;pkpcov L. — 25 xpoeEpöpsvoc
D. — 51, 6 xo F, xG G (ou s. v. m,) cet. — 7 wajtEp ACDEJOP, oaajtEp
F (oaa in ras.) L, G; ajEEp K, oaa x’ G (in ras. m 2 ), Gaa xe H, oaa xe N. --
9 zai äy. GHN. — xouxo ACDEFGOP. — 11 xG L, xoü cet. — 15 oe pro
ao; HKLN. — 16 ao; xauxa CD. — 57E;XcXyxa; EL, srciTeXeixai AK (in quibus
ij s. v.) CDFG (in quo xe corr. ex ij.e m,) JOP, eTXipsXijxai HN. — 20 4}8r)xai
H, 7)67)xe' JL, 7)87] xe cet. — 23 av om. G (in quo add. m 2 ), av et stva; om.
0. — 24 IyG sip7jv GH. — 27 epyai(EaOai KL. — 52, 1 ydp G; Y. — 2 psv
post 7) HN. — 5 azouaat N t , äzoua7) cet. -— 12 zaO’a EFGJOP. — 16 Ejxipe-
X^aEaOa; HN. — 17 ooxGpEV CDLO, oozG psv cet. — 20 üjxayopEupkva F. —
22 ^xtjxo'tjv CV— 27 aXX' . . . yscopyeTv om. ACD. — 28 Elvai L, om. cet. —
xspto'vxi GH. — 30 t)v ouv Y. — 53, 1 yE om. HJN. — 12 k’poi CD. — 13
Z. pjia'.xo (om. xteo) GHN. •— 15 eoixsv GHN. — 17 EÜJEpsTxks Y. — 21 xuyydvo;
ACDEP. — 26 ypijvai om. CD. — 54, 1 (p^psiv post Suvaxai add. CD. —
2 aup^kpeiv AG. — 9 TEeiOsaOat CDH, jxtSOEaOai G. — 10 aüxf); CDGHNO,
Eauxij; AJ. — 12 psv S7j om. CD. — oilxtu FKL, oüxüj? cet. — 16 e07] AC
DG JOP. ■— 17 xo xou; äXika; ACDEGJOP. — OaXaaoupyoi A, OaXaaioupyoi
C, OaXaaaioupyol N, QaXaxxoupyol J, OaXaaaoupyoi cet. — 18 i)auy?j KLN, rjauyo;
cet. — 22 s-aivouaiv ACEP. — 23 zaxa xauxa GH, xax’ auxa ACDEFOP.
— 25 Ecp7] post tu SGxpaxs? FH, om. KL. — dpEoupai F, apijopai A (w s. v.)
cet. — 26 oxi om. et tovu ante Exiaxapsvw ponunt KL. — 55, 1 xG om. CD.
— 4 saxai fj yij KL. — 7 yp^aOai A (in mg. y£i), ay^EiaÖat CD. — ps’XXoi AD
Xenophontische Studien.
119
EP. — 12 ost om. Y. — 13 xov ijXiov Y. — 16 psxaßäXXoi H. — 20 oi 8 b
CD. — 8’ H. — 13 xaxaßaXsiv HKLN ( . In yerbo xaxaßaXXsiv desinit cod. J.
— 24 sts! xtoXXrj; A, fcimXXrj; HK et (in quo alterum X s. y.) L. — ojtxwxo
HK, raxoixo A (w s. v.) cet. — 27 oöv L et s. v. O (in mg. au), om. G, aü
cet. — 28 opa; (opa?) Y. — ecpv) post Ewxpaxs; L. — 56, 3 os om. N, ys pro
8b y’ H, 8’ (om. ys) L, 8’ (ys post syw posito) O. — 5 SrjXovöxi HN. — 7
ajssfpavxE; GL, a7ts(poVTE; cet. — 8 oi om. G. — 12 si pro 5)v CD. — 15 Kai
o Y. — 16 xw om. CG. — 26 bpovoEt; L. — 29 ßtnxstv DEPOP. — 57, 1
swpaxa Y. — puixsiv CGH. — 2 s<pr)V AD. — 5 Etprjv HKN. — 6 rj psv om.
et 5) pro rj 8s praebent KL. — stptrjv syw F. — 10 ov pro av ACDEP. — 11
fcicr/sTv GHN,. — 15 7/ 8s eiaO. CD. — 18 stpr] pro sfasv F (altero Etprj omisso)
KL. — eItie AC. — 19 "081 s®v) F (litteris ß' a' supra scriptis) KL, ys et k'tprj om.
G. — ei pro r:V FKL. — 20 xpoorjv sysi F. — 22 xaxaoxpbij/si; GHN. — xai
ante yfyvsxat add. CD. — 25 ei; CDG. — sw; xbXou; O. — 28 8r) N, 8eT
cet. — 29 A!’ HKLN, Aia cet. — 31 jxpoaxaxxEiv HKLN, Tcpoaxaxstv A
(jipoaxaxxsiv in mg.) cet. — 58, 1 ipßäXXsxat (s s. v.) KP. — 5 ujxo xoü ßsu-
paxo; D. — 10 /.axaX’jOivx’. H, xaxrjXuöbvxi A (t s. v.) CDEFKOP. — 16
psXiaawv Y. — 17 spyaao'psvai FHKN, spyaawpsvai G. — xaxaOwvxai ACDE
FKOP. — 18 post Afa add. xyv xpo^ijv Y (xpocpijv stprjv 8e'oi xrjv uXrjv sytö KL).
— 21 stprj EFOP. — 23 iEwppjjaa; N. — 25 ava0sp(i(siv (om. apa) A. — 27
xauxa GHK. — 28 asi pro Sst Y. — 29 xbpvoi; A (o in ras.) CDEFGP. —
xai xot; HN. — 59, 1 avObpwv HKL et (v expuncto) N. — 3 r) om. KL.
— 7 xo' xs Y. — 8 xaxaxatpObv H, xaxaxap.cpGsv N. — 11 auxocpo'pw ACDHKLO.
— 12 aXXo av HN. — 13 ujioi^uyfw HN, u7ioi(6yia cet. — 15 xs Y. — mxvxa xa-
Xoöpsva GKL. — 16 xoaouxov HL. — 18 s?8olvjv H, siSsfvjv E (v eraso) FG
KNO. — 19 opaXosixat FGHKLO, opoXoetxai N. — äXoaxo; EFK 2 (m,
äXovjxo';) LP, äXwaxo; O (a s. v., in mg. äXwaxö;), aXoaxo'; ACD. — xoöxto
(xoöxw) ACDEFGP. — 20 SrjXovo'xi HK. — ArjXov ... 24 eipr] om. A. — 22
SrjXovöxt EGHKLP et (corr. ex SfJXov oxi) O. •— 23 xo Ssivov Y. — 24 Xfifcet
KO, Xe fco i H, Xsfcrj eet. — 27 r t GL, ^ IIKO, f| cet. — 28 apyr] . . . aXw
om. ACDEP. — 29 Oöxouv ... 60, 2 etprjv syw om. CD. — 60, 1 stfr]
om. L. — Xixpwv HN, Xixpw O. — 4 xrj; })p. GK. — t^pi'asw; GH. — 7 axsvw-
xaxov FGKL. — 9 xov AD. — 10 w awxpaxs; e'cor) HN. — 10 av om. CD.
— 12 sXsXijGrjV AG. — 13 XbXuGa GH. — 14 xai sSiSaljd ps yap H, s8ioa^ ps
yap NO. — 15 ouxw pro oiixs (ante xauxa) KL. — ps om. CD. — 20 w om.
GHKLNO. —t 21 IXfiXriGeiv ... 22 yswpyixvj; om. A. — 22 saxiv AKL, saxi
6’ cet. — 27 8st om. K et (in quo post yfj ras. est unius litterae) L. — 29
spßaXstv Y. — 30 av (post otcw;) EF, sav KNO, sav cet. — 61, 2 Iwpaxa;
Y. — sywys EFGHKLP. — 4 sywys EFHP. — 7 Tiooiatou GKL, SwtoStafou
cet. — 9 eijopuxxoivxo et 10 JistpuxEuopsva HN. — 14 7csv0»)pwro8'.a£ou A. — 13
xpijjpwxdSou CEFI1P et (in quo post 8 ras.) O. — 13 eipr) (om. Eyw) GKL.
— 14 otixw ys om. GKL, ys ouxw cet. -— 16 oöv F. — 19 opuoooi; Y. — 24
IxaxEpa GKL. — 28 xoü pro xrj; CD. — 62, 3 yrj om. KLN. — 5 xrj; yi[;
ACDEFP. — 7 yap ACDP, ys E (ex yap) cet. — 8 xaxa om. Y. — 9
Kaxa xauxa L, Kaxa xaüxa cet. — sifr] post xoüxwv ponunt EFO, post yiyvwaxwv
ACDP. — 13 sö otS 1 ... 16 iiSaxo; om. CD. — 20 ouxw; et 21 xa aXXa
ACDE OP. — 21 xäXXa ... 23 ouxs!a; om. N. — 25 sorj xai xouxo F. — 26
120
Schenkl.
o^i om. C, Srj oti ... 28 jcaoi toT; om. N, av pro Srj cet. — 27 et 28 optiaasTai
Y. — 63, 1 8rj om. F. — 2 «pyj ayvost; HH. — 5 xdXiv Y. — 9 Srj pro au
HN. — 13 avaniaOei? A, ävaraiaOei; cet. — 14 Inde a verbis ’Ap’ ouv pergit
M. — 18 prj pro av Y. — 19 Ttepi (ante twv) om. F 6 HK LN. — twv om.
KL. — 22 ps s8f8a!;£ GHKLN. — 25 xai rcpaEia lau F. — 28 ti om. GH
KLN. — 29 aut^v L, autvjv cet. — 64, 3 Sia xoXucpopfav om. GHKLN. —
6 axtd£öuai HLN. — 8 xai om. GKLN. — 11 jtEpiaaa Y. — Sk CD. — 13
ye post aoi add. AC (in quo s, y.) DF,MP. — 15 8’ L. — 19 in A pro
äyvorjaa; ti; legitur rjyvorjai ti; et om. Trjv yijv ... 20 ijyvo'rjas ti;; idem om.
deinde tw a-o'pw ... 22 ayaOov laTi. — 19 cps'pouaxv apjrkXou; yrjv F. — 21
npoaspyai^aOai CDKP. — 23, 25, 27 dvijp Y. — 26 yuTciaei FHMN. — 30
rcpaaaouai Y. — dAX’ pro 3) N. — 65, 2 SiayspoVcw; GHKL. — 3 ysfpou;
ACDEP. — 7 TETaypkva HN. — 11 jipo FLM 2 0, jrpo; cet. — 13 ’iyjj M,
i'/a cet. — 14 ou ante izim add. Y. — 15 xpEtaaov Y. — 18 auTopdrw; H,
auTopaTa N. — 25 ix TioSwv GO. — IprßaXot L. — 29 aXpoSsaTEpa G et (w
s. v.) K. — 31 ^ om. CN. — 66, 1 jrepi ante xai add, H. — dvdApoi; te xai
GKLN. — te om. HN. — 4 e/_el C et (ot s. v.) O. — pvjTE pro prjSk HO.
— 8 Süvavrat CD. — 9 xai post yrj om. HN. — 14 aa^rj; . . . 17 aAArjv om.
N. — 17 auTov EjGHO. — 20 kiprj post yEwpyfav ponnnt GKL, om. HN.
— 21 yswpyiav xai prj AuoiteAsTv om. HN. — 22 IpyaaTijpwv F, epyaaT7jp(wv
cet. — £y_£i FHMNO. — 24 ijupEXelrai CDFHMNO. — 26 to (in mg. tw)
A. — 27 lav A (in mg. lav) GH. — 31 tw Tayst om. HN. — 67, 1 xpäaaEiv
A (r) s. y.) CDEMP, arpccaar) cet. — 2 rapi pro Jiapa GK (in quo post add.)
L. — 5 ev tS av. HN. — oi toIttovte; (in mg. yp. oi axouSaCovTE;) O. — 7
w; pro to (; in ras. m 2 ) F. — 8 xai xaxw; CD. — 9 toooStw A, tooouto
CDE, toooutov (v eras.) P, toooutov cet. — 10 oxrätTwv (in mg. axajrrövTwv)
A. — 12 outw ACDEP, töj; ouv outw; M. — 19 auvTETaps'vot; GK, ouvts-
Tayps'voi; cet. — 28 to om. ACDEFMP. — 68, 1 ttoXXou; om. HKLN. —
zoAAaxAaaiou; ACDEGP. — 2 pkv om. HN. — 3 Sk om. PI MN. — xai paOEiv
paSiov HKLN, xai paoiov paOetv F. — 4 öpofw; ipoi F. — 5 SiSäSjrj; AL. —
jBouXei H (corr. 7j) M. — 7 Trjv cpiXoEpyiav D. — 8 ywpfou KL. — l'yr; ACD
EPIMP, Iy7); N. — Ttoirj FOM 2 , 7coisf A (ot s. v.) cet. — 16 Sk add. KN,
om. cet. — tp’.XoEpylav A, epiXoyEwoyiav D (in mg. cpiAspyiav). — 18 rjaaov Y.
— 22 7i£p£wvTE; HN. — IjistTa ... 24 ev wjrsp om. N. — 23 ayoVTai H. —
29 outw xEp AG. — 31 ecpvj om. CF. — 69, 2 oixoSopouat Y. — 5 jiävTa; G,
7cävTa cet. — ay’ K, Otp’ ACDEP, iip’ cet. — 9 tou0’ ACDEP, touto cet.
— 12 xoivaf; GHKLN. — 14 lyw om. DO. — 16 ^psp!ou; Y. — 19 to
HN, tw (tw) cet. — 27 xai ante oox add. CD. — av om. GHKLN. — 31
xai post äyaOoi om. KLN. — 70, 5 xovouVTa; HN, xoiouvte; A, -ovouvte; cet.
— 6 cpiXoxovfa Y. — 9 xdAXio'v GHKLN. — 11 outw Y. — yE om. A — 14
e/ovte; apiaTov HKLN. — 18 ytyvohaxovTE; om. CD. — 19 IjcoVTat A (w s. v.)
cet. — outo; EF, outw; M (corr. outo;) cet., om. O. — 20 ttj yvwpp xoAAai
-/EipE; tt) yviopr] A. — 21 toiouto; N. — 22 3) yvwp7) CD. — 25 IvTETaypkvou;
HKLN. — 26 Sk CD. — 27 tou te N, toü ys cet. — Seoxo’tou om. 0. —
post ixicpavkvTo; add. aÜTwv ACDEFMNOP. — 29 twv xaxwv Y. — pkyiaTa
G (in quo add. w;) HKN, psyiaTw; cet. — 71, 2 cpiAovixfa A. — 3 xpaTi-
aToüaai ACDEP. — toutwv A (toutov corr.) CDEFP. — 7 eti H, oti cet.
Xenopliontisclio Studien.
121
— o08’ Y. — 12 t5v ACDEP. — 15 ai'Sou F, ä8ou cet. — t'ov äst XP° V0V
om. CD. — SevoiptoVTo; ^xopos olxovop.««!? F. 1
Aus diesen Varianten ergibt sieb, dass die Codices in
zwei Classen zerfallen. Der ersten gehören ACDEFMP an,
unter welchen ACDEP eine eigene Gruppe bilden, und von
diesen sind wieder CD und EP eng unter einander verwandt,
während A dem erstgenannten Paare näher steht als dem
zweiten. Zu der zweiten sind BGHKLN zu rechnen, unter
denen wieder HN und KL als Zwillingspaare erscheinen; mit
dem ersten, besonders mit N ist G am nächsten verwandt, mit
KL hingegen B. Was J und 0 anbetrifft, so stimmen sie
allerdings mehrfach mit der zweiten Classe überein, dürften
aber doch der ersten angehören. Wahrscheinlich haben wir in
ihnen Revisionen von Texten der ersten Classe zu sehen,
welche unter Zuziehung einer Handschrift der zweiten Classe
gemacht wurden. Aus einem der Gruppe KL, besonders L
sehr ähnlichen Codex stammt die editio princeps, die Juntina
von 1516, und daher die Vulgata.
Wenn wir beide Classen miteinander vergleichen, so er
gibt sich, dass die zweite im Allgemeinen einen besseren Text
und somit mehr das Ursprüngliche überliefert. Doch leidet
auch sie an vielen Verderbnissen, namentlich an willkürlichen
Umstellungen einzelner Wörter. Wenn man daher auch bei
der Gestaltung des Textes von ihr ausgehen muss, so darf
man doch nie die Lesearten der anderen Classe unberücksich
tigt lassen. In dieser macht sich die Hand eines Grammatikers
bemerkbar, der den Text recensiert und eine Reihe von Fehlern,
freilich nur leichteren, verbessert hat.
Dass übrigens beide Classen auf einen und zwar ziem
lich verderbten Archetypus zurückgehen, beweist die vollständige
Uebereinstimmung aller Handschriften in den stärkeren Cor-
ruptelen, in den Lücken und Interpolationen des Textes.
Um nun zu zeigen, was die einzelnen Classen an guten Lese
arten bieten, geben wir ein Verzeichniss derselben und fügen hie
! Es ist zu bedauern, dass wir trotz der Collationen von Kerst und Sauppe
doch hie und da über die Lesearten von N und M nicht vollkommen im
Klaren sind. Da ich diese Codices nicht selbst einsehen konnte, so musste
ich mich natürlich an meine Gewährsmänner halten.
122
Sclienkl.
und da, wo es am Platze scheint, eine kurze Bemerkung bei.
So überliefert H entweder allein oder mit anderen Handschriften
seiner Classe richtig: I, 8 ypr t \i.a~a (nach pivxoi), 17 om. xat
post (xev, IV, 18 ßaaiXlw? (ohne tou), VII, 8 öxicyvoufj.evvj, 10 om.
’dtprj post auT-ijv, 20 IpYaooiAevou?, VIII, 4. EuysipoTÖTatov (w Steph.),
IX, 7 0oivy]Tix.ä, 13 xauiT), X, 2 ooy.oiY), XI, 13 ypfj (ypr) Camera-
rius), 24 & o’, XII, 1 -q äyopa, 13 Skt om. ante eü, 16 xp'o? t'o,
20 txxou . . . aYaÖoü, Xiyezai, XIII, 11 TUYydvovxa?, XV, 1 -qo-qzai,
XVII, 11 xpooTaTteiv, XVIII, 3 6xo£u-pw, 4 toooütov, XX, 18 om.
tw xstysi, was ganz überflüssig und daher wol eine spätere
Glosse ist, wie dies schon Breitenbach vermuthete, 26 IIÖTspa
ck, XXI, 3 Ixt to, 10 om. abxwv (nach sxttpavsvTwv), p-syiuza, 11
»Ti. Da nun H fast nirgends eine Spur von Ueberarbeitung
zeigt, so können wir wol dies alles als schon dem Archetypus
angehörig betrachten. In KL oder in einem von beiden, zum
Theile auch in B und G, findet man die folgenden guten Lese
arten : I, 2 §uvai'p.eQ’ dv, 5 •/.r/.TYpat, 12 IxiaxaiTO (J Ixtar^TO, so
auch gleich im Folgenden, was wieder auf IxfexaiTO führt; man
vergleiche auch die Varianten zu §§. 8 und 14), 13 om. aircbv,
was Cobet mit Recht gestrichen hat, II, 6 xd ocütwv, 8 äv add.
post Ixapxeaeiav, 15 xap’ Ip.oG (vor oet'ipaip.i; zwei Zeilen früher
gibt K zu xap’ lp.ou die Randbemerkung v)p.wv, die offenbar zu
dem zweiten xap’ Ipioö gehört), III, 1 Ecpv) (auch 0), 13 v) om.
ante xat (auch J), 16 ai?!w?, IV, 2 tI (L s. v.), 5 tov Ilepawv
(vgl. die Varianten im §. 4, wo F tov twv II. bietet), 14 xaX-
AtoTa, VI, 4 ol dvQpwxot (es wird wol dvöpwxot zu schreiben
sein), VII, 3 Staxpißw, 16 t£ oyj I'ovj, 36 •( ei?, 42 auXotl; dp.etvwv
(auch F 2 ), VIII, 14 Ixdo-wv, 19 <pv)at (so K, was auf das von
Jacobs vorgeschlagene führt), XI, 14 oscp.Evo? (auch M 2 ),
18 tou yOpou, XII, 2 avap-lvst? (auch M 2 ), 11 1xi|j.eAeIc, XIV, 10
tw sfJsAsiv, XV, 9 etvat add., XVI, 7 xaxd Tauxa, XVII, 1 vap oöv
(auch 0), 2 oxEtpavTE?, XIX, 4 xootatou, 7 exaxepa (Iv IxaTspa
Breitenbach), XX, 29 dtp’ Sv. Aus G sind folgende dieser
Handschrift eigentümliche Lesearten zu verzeichnen: I, 3 6
otxovopttxö?, 15 Se Tupavvtwv (also ohne das interpolierte axo; I),
ck dxb Tupdvvwv), 23 owopovt'oavTSc (cwppovicavTX? H), III, 10 vj ol
xaeIo t a, IV, 6 ouAay.ä? (wie Cobet schreibt), VII, 10 ETiödaosuTO
(worin offenbar eine Spur des richtigen Itsti6z!T£uto liegt), 29
om. öxw?, VIII, 13 koTiv, XI, 19 suvsoxsuacpivot?, XIV, 9 toü s.
Xenopliontisclie Studion.
123
v. rrij (urspr. tg>), XX, 29 ratvr«;. Von den Handschriften der
ersten Classe bietet F an einer Reihe von Stellen das Richtige,
entweder allein, wie II, 3 om. soyj, (welches um so mehr ver
dächtig ist, als es in den übrigen Handschriften eine verschie-
Stellung hat), VII, 18 Sti, XI, 8 0spaxs6(ov, XII, 12 govoi, XVI,
8 apijwp.ai (auch A corr.), XX, 16 IpYacnjpwv, XX, 24 y.al paotov
paOsTv (welche Wortstellung unzweifelhaft die richtige ist), oder
mit anderen Codices, wie mit G II, 8 ©p.wc üq, mit E XIX, 2
oxw? oiv, XXI, 8 outo; (auch M corr.), mit II VII, 33 ys, mit
HK LN VII, 40 xovclv, mit N VI, 13 r/.avbc, mit KL IV, 5
scpr), was ebenso interpoliert ist wie s'cpv; nach S,oy.£?c §. 25, das
man nicht mit Schäfer in <pdvac ändern darf, XVII, 10 e©i\ statt
ei-tsv, wobei F das folgende iyt) weglässt, wornach wol ewtsv
zu streichen sein wird, XVIII, 8 aTEvdrraxov (auch G), mit K
I, 8 sxurtYpai, endlich mit L I, 1 vj y_GÜ:/.e<jvxr l , XX, 8 xpo
(auch M 2 0). Was A anbetrifft, so sind hier aus ihm folgende
Lesearten zu verzeichnen: III, 10 xp'ü cr ’-i J . G -, VIII, 2 ömtyJv, MyjSev
ti, siitov, äÖ'jp.yja-pi; (wornach sich vermuthen lässt, dass die ur
sprüngliche Leseart ai)T7)v, M. ti, e<pvjv, aO. lautete), XX, 10
©tAovwia. Ausserdem bietet er mit EP und D 2 I, 16 aisÖavO-
p.eöa, mit CD EP XXI, 10 zpaTtaiouaai (Heindorf zparwTEÖtjat),
mit KL II, 18 auvTETap,EVY), mit L V, 19 eijapecxopivous, mit O
VI, 17 om. te post avopwv. Sehr wenig Eigenthümliches hat
der bisher sehr überschätzte M, nämlich ausser dem bereits
Genannten nur XX, 8 v/r t und mit J V, 3 ouvcp.QAGYOuvTac. Was
endlich J und 0 anbetrifft, so gibt der erstere neben dem schon
Bemerkten IV, 8 te äXXvjv und VIII, 10 au-yj, der letztere I,
11 tocut’ ouv (wodurch Breitenbachs Conjectur tout’ ouv bestätigt
wird; ebenso ist XVII, 1 ouv und au verwechselt) und XX, 29
vopli(stv s. v., was Bremi mit Recht gestrichen hat. Von diesen
liesearten kann nur ein Theil als dem Archetypus angehörig
betrachtet werden, die übrigen sind Emendationen byzantini
scher Grammatiker.
Bemerkenswerth sind noch die Spuren der echt attischen
Formen, welche sich in unseren Handschriften erhalten haben,
so der zweiten Person des Präsens M. und P.: III, 12 SiaXeyEtv
HK (letzterer v; s. v.), XI, 11 sxtp,sAstv (G), 20 st'.[j.sXeT (H) und
rappst (H, in GK xacs/r ( , aber v; in ras.), 22 xotsi (H, toirj K,
aber f t in ras.), XII, 2 ©uaocttei (H), XVIII, 5 Xsfeei (K O, Xewoi H),
124
Schenkl.
der Form sÖsaio (vgl. IV, 18, wo L eöeXei bietet, V, 16, wo
GIPJN eösXwat überliefern und ebenso Stob., der auch V, 15
eöeXovrac liest), der Formen piirretv XVII, 7, wo das erste Mal
DEFP, das zweite CGrH sie überliefern, iurrjü/s-s VII. 8
(FM), ffiüXarustv VII, 25 (KL, die anderen codd. yjXatjceiv), cutw
XVI, 5 (FKL, die anderen outwc), ovjXov oti VII, 19 (GJ) und
XVIII, 5 (in der Mehrzahl der Handschriften) u. dgl. m.
Der Text des Oikonomikos hat in der Ueberlieferung sehr
gelitten, einerseits durch eigentliche Corruptelen, andererseits und
zwar noch mehr durch Interpolationen und den Ausfall von Wör
tern und Sätzen. Wir beginnen hier mit den Interpolationen. Was
das grössere Einschiebsel IV, 18 und 19 anbetrifft, so habe ich
darüber in dem zweiten Hefte dieser Studien S. 154 ff. gesprochen.
Wenn Kitsche (Zeitsehr. für Gymn. Berlin 1876, Jahresberichte
S. 31) bemerkt, ich hielte das sich anschliessende Stück für ur
sprünglich der Schrift angehörig und höchstens überarbeitet, ohne
mich darüber auszusprechen, wie die Zeit des hier Erzählten
mit der Zeit des Gespräches zwischen Sokrates und Kritobulos
zu vereinigen sei, so glaubte ich diesen Punct schon durch
die Erörterung S. 148 ff. erledigt zu haben. Von einer histori
schen Treue, wie wir sie fordern, kann bei dem Werke des
Xenophon über Sokrates keine Rede sein, am allerwenigsten
bei dem Oikonomikos, der, wenn ihm auch ein wirkliches Ge
spräch des Sokrates zu Grunde liegt, ganz ein Eigenthum des
Xenophon ist. Anachronismen in diesem Gespräche gibt Nitsche
(Ueber die Abfassung von Xen. Hell. S. 24) selbst zu, so die
offenbare Anspielung auf die Wolken des Aristophanes (XI, 3)
und die Erwähnung des Zeuxis als eines hochberühmten Malers.
Allerdings sind dieselben nicht so stark, wie die Erwähnung der
Schlacht bei Kunaxa; indess wenn Platon den Aristophanes
im Symposion 193 a von der Auflösung des Stadtverhandes
von Mantineia in vier Komen sprechen lässt, warum sollte
nicht Xenophon ähnliches erlaubt gewesen sein? Jedenfalls will
ich lieber einen solchen Anachronismus annehmen, als zu der
Auskunft greifen, dass der Fälscher, der sich als einen jämmer
lichen Gesellen offenbart, die Erzählung von der Zusammen
kunft des Lysandros mit Kyros, in welcher kein Kundiger die
Hand Xenophons verkennen kann, irgendwo anders gefunden
und hier eingefügt habe.
Xenophontisclie Studien.
125
Wir finden übrigens noch an anderen Stellen deutliche
Spuren der Thätigkeit des Interpolators. So besonders in dem
sechsten Capitel unserer Schrift. Hier hat schon Breitenbach
mit Recht an §§. 6 und 7 Anstoss genommen, da ihm diese
Erörterung für die Recapitulation, welche Sokrates gibt, nicht
zu passen schien. Er vermutliet daher offenbar durch die Be
merkungen Schneider’s zu VI, 6 und Kerst’s zu IV, 2 ver
anlasst, dass diese beiden Paragraphe nach IV, 2 zu versetzen
seien. Aber wenn man erwägt, dass an unserer Stelle immer
die y sw PT®'- und ^X v ‘ TOl m it einander verglichen werden, während
im Eingänge des vierten Capitels von den ersteren noch nicht
die Rede ist, ferner dass Sokrates durch die Erwähnung der
yeuipyoi an der von Breitenbach bezeichneten Stelle das vorweg
nehmen würde, was er von IV, 4 an auseinandersetzt, und
dass Ivritobulos, wenn wir die beiden Paragraphe nach IV, 2
setzen, gar nicht die Frage stellen könnte: 'Hptv os oy; notaiq
ougßouXeüst?, 2) Swy.pxrcs, ^prjoOai; (IV, 4), so wird man nicht
geneigt sein dem Vorschläge Breitenbacli’s beizutreten. Dazu
kommt, dass man sich nicht gut zu erklären vermag, wie es
kam, dass diese beiden Paragraphe nach VI, 5 gestellt wurden.
Endlich sind nicht bloss diese, sondern auch §. 10 die Worte
oup.napo^üvstv Sd xt eSöy.ei vjp.Tv y.at dq zo a\vJ.\J.ouq e’ivai fj Ysojpyi'a
§;w xöv epup.äxtov xä emrqSsta ipjoucfä xe y.at xpeifouaa xoT? ep-(a^opÄvo’.q
in einer Recapitulation, besonders da dieser Gedanke in der
eigentlichen Erörterung nicht angedeutet ist, höchst auffällig.
Alle Schwierigkeiten verschwinden aber, wenn wir annehmen,
dass in dem Exemplare, welches der Interpolator vor sich
hatte, durch ein Versehen eine ganze Seite an eine falsche
Stelle gerathen war. Der Schreiber mochte sie ausgelassen
und erst, nachdem er schon einige Seiten weiter geschrieben,
nachträglich hinzugefügt haben. Da nun der Interpolator damit
nichts anzufangen wusste, so ordnete er die Sätze hier, wie es
ihm dünkte, ein und änderte den Ausdruck gemäss der Re
capitulation um, indem er die derselben entsprechenden Wörter
s'ipap.iv, wöp.sö’ eoöy.st einfügte. Es entsteht nun die Frage,
wo diese Stücke ihren ursprünglichen Platz hatten. Dass sie
in dem Lobe des Landbaues (Cap. V) standen, ergibt sich ein
mal aus ihrem Inhalte und dann aus dem zweiten Capitel des
Theophrastischen Oikonomikos. Der Schluss desselben enthält
126
Schenkl.
nämlicli einen kurzen Auszug aus jenem Abschnitte des Xeno-
phontischen Buches, in welchem die Worte p.bvwv yap xo6xwv xa
v,vr u j.axa eljw xwv epup.dxwv eax( sich deutlich auf Xen. Oec. VI,
10 beziehen. In dem fünften Capitel aber findet sich keine
Stelle, wo sie passender eingereiht werden können, als vor
§. 13. Setzen wir dorthin jene Stücke in folgender Ordnung:
au(jwrapoi;6vei §s xi xai eig xb dXy.tp.ou? eivat vj yewpyfa £i;w xwv
epup.dxwv xd euixvjSeia ®uouaa xe zai xpesouxa xoi? spya^ojAevoii;. xe-
y.jj.vjpiov Se craipeaxaxov yevotxo Sv xoixou, ei TOAepiwv ei? xyjv /d>pav
isvxwv Siay.aGiaa? xt? xou; yewpyob;; y.ai xob? xe/vfxa? /wpi? btaxepou;
e-epwxwv) -cxepa oiy.el apijyetv xp /wpa 9} 'jpE|j.evou<; xr^ yrj? xd xei'/vj
Sia^uXaxxeiv. oüxw yap dv xob? p.ev äp.tpi yvjv e/ovxa? eupoi ^■/j^t^oia.svouc;
apvjysiv, xouc Se xe/vixac p.rj p,d/ea6ai, aXX’ oxtep TxeixatSeuvxai y.aövjcOat
p.vjxe TOVouvxa? p/Qxs zivSuveöovxa?, so wird man zugestehen müssen,
dass sich ein ganz passender Gedankengang herausstellt und
die Worte eav o’ dpa y.ai uko TxXvjGou^ toste axpaxEupdiuv ....(§. 13),
die neben dem Vorhergehenden ganz unvermittelt dastehen,
sich nun trefflich anschliessen.
Demselben Interpolator dürften auch die Worte XV, 4
angehören: yevvala oe orf-ov y.aXoupev y.ai xwv £wwv osxcaa y.a/.d
y.ai p.syaXa y.ai wceX'.ij.a ovxa ■nipaea eoxl izpoz, xou; avöpwTxoui;. Ich
will hier gar nicht auf die Bemerkungen Schneider’s zu dieser
Stelle näher eingehen, sondern nur den einen Punct hervor
heben, dass diese Definition der £wa yevvaia durchaus nicht mit
dem Spraehgebrauche übereinstimmt. Ein y.üwv (ay.uAaä;) ysvvaio;
ist ein Jagdhund von edler Bace, der frisch und muthig auf seine
Beute losgeht und dabei keine Gefahr scheut. Daher werden
gerne Jünglinge mit solchen Hunden verglichen, wie Xen.
Cyr. I, 4, 15 und 21, Plat. de rep. I, 375 a. Ebenso wird im
Kynegetikos VII, 1 (vgl. IV, 7) die mit;'.; yevvaia ,die edle Bace‘
der Hunde gekennzeichnet. Dass man aber Thiere deshalb,
weil sie stattlich, nützlich und zahm sind, yevvaia nennt, finden
wir nirgends bestätigt. ') Dazu kommt, dass diese Parallele der
1 Die von K. L. W. Francke in dem Bernburger Programme von 1831 S. 10
angeführte Stelle Plat. de rep. I, 375 e: OicrOa oüv ~ou xwv y£vvaki)v xuvtov
oxt xouxo ouaet auxcov xb ^Oo?, Tupb«; [jAv xou? auv^Oei? xe xai yvcop^oui; d>s
oTov xe Tipaoxaxo’J? eTvoci, 7xpo<; 8b xou§ ayvtoxai; xouvavxfov beweist nichts, sie
zeigt im Gegentheile, wie ungeschickt in der Xenophontisclien Stelle der
allgemeine Ausdruck 7upo? xou; avOpcoTtou? ist.
Xenophontische Studien.
127
yempyia mit den Thieren, wie sie in den Worten y.aka, <b?eXiiJ.a,
xpaea angedeutet ist, nichts weniger als passend erscheint. Auch
bedarf man sicherlich nicht dieses Zusatzes, um den Ausdruck
xßp oir/l yer/cac'/ ecru; zu verstehen. Endlich finden wir gleich
im Folgenden wieder eine offenbare Interpolation. Es befrem
den nämlich die Worte: y.aOa osT SiSacy.stv t'ov exftpoxsv ■ y.ai yccp
f] e^^aöa eiivouv cot xoieiv autov p.aöeTv ocy.ö, sta't f| exip,sAvj y.ai apyjy.'ov
y.ai otxatov. Aus §. 2 ersieht man, dass die Erörterung über
den Schaffner abgeschlossen ist; Sokrates will in die Land
wirtschaft selbst eingeführt werden. Es hilft nichts, sagt er,
eine gute Aufsicht auszuüben, wenn man das Geschäft selbst
nicht versteht. Ischomachos ist nun bereit den gewünschten
Unterricht zu ertheilen und beginnt mit einem Lobe der Land
wirtschaft, aber Sokrates, begierig zur Sache zu kommen,
unterbricht ihn und dringt darauf, dass er sein Begehren er
fülle. Wie ist es nun möglich, dass er hier wieder auf den
sxkpoxoi; zurückkommt. Ernesti hat dies richtig erkannt und
deshalb vorgeschlagen die §§. 3 und 4 nach §. 9 zu stellen,
was aber schon deshalb unzulässig ist, weil sich weder §. 5
an 2, noch 3 an 9 passend anschliesst. Kerst und Breitenbach
versuchten dagegen die überlieferte Ordnung zu verteidigen,
freilich mit solchen Mitteln, mit welchen man alles Verkehrte
rechtfertigen kann. Man beachte noch, das Jedermann, wenn
er die ersten Worte des §. 5 liest, zauza auf das von Ischo
machos ausgesprochene Lob der Landwirtschaft beziehen muss,
und dann gewiss mit Verwunderung jene nach Inhalt und
Fassung 1 befremdende Erklärung von -auia lesen wird, welche
in den Worten fj sixac x.aOa .... gegeben ist. Bei solchen Ver
hältnissen bleibt wol nichts übrig als die Worte jj etxa? ....
Sixaiov für ein Einschiebsel zu erklären. Einen ähnlichen Zu
satz, der auf denselben Interpolator schliessen lässt, erkenne
ich XVII, 10 in den Worten: "Aye 3-j, äpYjv syib, o>3a, ’Ioyjp.axs-
za [asv Svj ap.ipi cxöpov emjztxp.evoq apa sAeArftew ep.auibv Exiciap-svoi;.
Schon Schneider bemerkte: Totum membrum hoc orationis alienum
esse censeo ab hoc loco, und zwar mit gutem Grunde. Einmal
stören diese Worte den Zusammenhang, da sich das folgende
’'Eaw ouv . . . an sie nicht passend anfügt, ferner ist ’Ayn o-j
1 Vgl. Fraucke in dem genannten Programme S. 21.
128
Schenkl.
auffällig und wird auch durch die Erklärung des Suidas und
Hesychios stev nicht gerechtfertigt. Man könnte nun allerdings
auf 'Eye (N soll von erster Hand ’fys oder Sys ov( haben) cv)
rathen; dann aber müsste man, wie dies auch schon Schneider
wollte, oiSa streichen. Zugleich müsste man aber auch ein e-ktxcc-
|j.svoc, sei es mit Schneider das erste oder mit Dindorf das
zweite beseitigen. Kann man endlich glauben, dass Xenophon,
nachdem er kurz vorher skeXvjösiv su.auxbv emaxajj.svoq gesagt hatte,
gleich wieder dieselbe Phrase gebraucht habe. Wir haben also
hier wie an der früheren Stelle eine Art Recapitulation, welche
den Uebergang zu dem folgenden Abschnitte über die Baum
zucht näher vermitteln sollte.
Sehr zahlreich sind die kleineren Interpolationen, welche
sich in dem Texte unserer Schrift finden. Die erste Gruppe
bilden solche Zusätze, welche einzelne Ausdrücke oder ganze
Sätze verdeutlichen und näher bestimmen sollen, wie II, 6
jj.tcOoh;, womit Jemand andeuten wollte, dass der Trierarch be
sonders dazu verpflichtet war den Sold für die Mannschaft zu
bezahlen, freilich irrthümlich, aber ganz nach der Art der
Scholiasten (vgl. schol. Dem. in Mid. 564, 22); mit Recht hat
daher K. F. Hermann (Griech. Alt. I, 162, 1, 4. Aufl.) die
Echtheit von [jucöob; bezweifelt und Cobet das Wort beseitigt,
IV, 7 xou; ap/ovxa;, eine erklärende Glosse zu xouxcu;, so wie
zu dem folgenden oü; zwei Glossen xwv dp/övxwv und xoiv cppou-
pdp/wv, was man daher nicht mit Schäfer (Mel. 111) in xwv
(ppsupwv ändern darf, beigeschrieben wurden (von Cobet besei
tigt), X, 8 äXrjÖww? (wenn damit quales re vera sunt gemeint ist
und dies Wort nicht etwa, wie Cobet vermuthet, die zustim
mende Anmerkung eines Lesers ist), XII, 2 xb avyjp v.aVoc,
•/.dyaOb? ein Scholion zu xvjv eitwvopiav, von Cobet be
zeichnet, desgleichen §. 10 fo eiugekrj ixowjaai (womit xouxo
erklärt werden sollte), XXI, 4 oüo’ eOsXovxac, was oux. dijicuvxa?
zu verdeutlichen bestimmt war, endlich XXI, 7 y.ai oid xavx'o?
y.'.vouvou, eine erklärende Glosse zu dem sprichwörtlichen y.ai oiä
Kupöc. Die Natur solcher Beisätze zeigt besonders XIX, 11, wo
zu ^pöxyjxa ganz in der Weise von derlei Glossen hinzugefügt
ist: •))y ciuv Z«uvöx7)x« xv)p yrjc, welche Worte, trotzdem vjyoov gleich
darauf führen musste, erst von Kerst als Glossem erkannt
wurden. Mit grosser Wahrscheinlichkeit kann man auch hieher
Xenopliontische Studien.
129
ziehen III, 8 Sia xijv kmy.-i;v, XIII, 2 a'vsu xciixwv (beide von Cobet
verworfen), XII, 17 xEp; xo3 TtaiSsiscGxi (von Jacobs bezeichnet).
Wie sich solche Scholien allmälig einschlichen, sieht man an
dem schon oben bemerkten xw xa/si (XX, 18), das in HN fehlt.
Eine andere Gruppe umfasst solche Zusätze, welche dazu
dienen sollen die grammatische Construction zu verdeutlichen,
wie II, 5 o ZwxpdxY)? (Cobet); hier war die Antwort
ohne das übliche s<pv) o Sw/faxy]? auffallend; II, 6 p.e^aXa xeXeL
(Cobet); Trpoaxdxxouaav schien einen Infinitiv zu fordern; III, 9
ovxwv vor ayaOMV (Sauppe), wahrscheinlich über dyaOuv ge
schrieben, III, 15 ol olxoi, worüber schon gesprochen wurde,
IV, 15 Xsvovxa (Cobet); dem Interpolator war oxi ,weil‘ nicht
verständlich, V, 8 ilyrq nach xXsfw (Ileindorf), was sich auch
durch die verschiedene Stellung bei Stobaios und in den Hand
schriften als verdächtig erweist, VI, 2 t'v’ und ’Tceipa0wp,ev (Cobet),
weil der Interpolator mit r,v ouvwp.eöa nichts anzufangen
wusste, VII, 20 dvöptöxotp (Hirschig), VII, 30 xotvuvoui; (Ilertlein;
das Wort fehlt in H), VII, 35 e'pyov nach evoov (Sauppe); schon
die verschiedene Stellung in den Handschriften (spYov svoov HK
LN, evoov e'pyov cet.) macht spY°v verdächtig; dazu kommt,
dass 0 evoov auslässt, was vielleicht auf die Schreibung
schliessen lässt, XIII, 9 Siädcy.siv (Cobet), XV, 2 si [)■■<] xi? sm-
axaixo S. oei xai w? Sei xotsTv (Cobet), was Jemand trotz des vor
ausgehenden ei Se \j:t\ beifügen zu müssen glaubte, wenn es
nicht etwa zur Erklärung dieser Worte dienen sollte. Sehr
wahrscheinlich gehören hieher auch das von Leonclavius ver
dächtigte 7rp«Y|Aaoi II, 7, der Zusatz eines Lesers, dem der
Ausdruck xd TiaiStya nicht verständlich war, ßaSiiJov XX, 18,
das Cobet wol mit Recht ein inficetum interpretamentum nennt,
Ey.otoxo) (nach y.paxiaxsuaai) XXI, 10, das Schneider gestrichen
hat. Mehrere derartige Glossen sind bisher noch unentdeckt
geblieben, so IV, 3 ai ßavaoaaai x.aXoüp,Evat, wie dies besonders
y.aXcup.Evat erweist, was Xenophon hier gewiss nicht wiederholt
haben würde; es ist dies ein Zusatz, der das Subject von
lyergänzen sollte, obwol es dessen durchaus nicht bedarf;
IV, 21 eiYj nach Ssvopcc, was ebenso überflüssig als störend ist; V, 1
E<pv) 6 EwxpdxY)?, gleichfalls überflüssig und störend, da ja Sokrates
der Sprecher ist und dies noch durch die Anrede 2> IvpixößouXs
Sitzungslior. a. pliil.-liist. CI. I,XXXIII. Bd. II. Eft. 9
130
S chenlcl.
bezeichnet wird; VIII, 19 xaXbv Ss (nach Tparcd?*;) und on;
denn ich sehe nicht ein, wie man die Stelle in der vorliegen
den Fassung vernünftig erklären kann; streicht man aber
diese Worte und schreibt man mit Jacobs <p][d statt sTjciv (K
hat <pY](7t), so ist alles in Ordnung; VIII, 21 2> vuvai äprjv
da Xenophon dies schwerlich nach dem unmittelbar voraus
gehenden ecpv)v <b yuvai hier eingefügt haben wird; XI, 6 f ( pipa,
wodurch die Lebendigkeit des Ausdruckes leidet; XI, 22 ou
oo-/.£5 ad (asXstov, durch dessen Beseitigung die Rede an Schärfe
und Frische gewinnt, indem nun Se viel bestimmter
dem duoXoYsfaOai gegenübertritt; XII, 10 eniv, was sich schon
durch seine Stellung als eingeschoben erweist; XII, 11 lupdvrciv,
das man nicht etwa mit Dindorf in itps&rceaÖat ändern, sondern
streichen und dann statt osop.svwv, was dem wpdxreiv seinen
Ursprung verdankt, Ssövxcov schreiben muss; XII, 14 emp.eXela?.
Verdächtig ist auch twv oxpattoKÜv XX, 7, weil es hier wol
nicht darauf ankommt die Feldherrn mit den Soldaten, sondern
vielmehr unter sich selbst zu vergleichen. Der Schriftsteller
will doch offenbar sagen: das sind tüchtige Feldherrn, welche
ihren Soldaten den Sinn für Gehorsam, Muth und Ehrbegier
einzupflanzen verstehen, nicht solche, die sehr kräftige Leute,
vortreffliche Reiter und besonders geschickte Wurfschützen
sind und Allen voran auf den Feind losgehen. Solche Vorzüge
machen Einen zu einem guten Soldaten, aber nicht zu einem
guten Feldherrn. Indessen gebe ich zu, dass die überlieferte
Leseart sich immerhin noch halten lässt. Mit grösserer Be
stimmtheit kann man XX, 3 b citopslx; als ein Glossem bezeich
nen. Vergleicht man nämlich die folgenden Glieder, so sieht
man, dass dieser Ausdruck ganz unpassend ist. Wie hier 6 GTrope'uc;,
so müsste es im zweiten Gliede o vJ-euvqq heissen. Dazu kommt,
dass sich vzops.bq ebenso wenig als (puxeuxvin der älteren
Sprache nachweisen lässt. Das Wort kommt erst bei Kirchen
schriftstellern vor und auch die Glosse des Hesychios anopsurfc-
cizopeäq beweist nicht für den Gebrauch desselben in früherer
Zeit. Vielleicht hat Xenophon op.aXwq tu; geschrieben, was
Jemand durch b cTCopsu; erklären zu müssen glaubte. So würde
denn auch nicht das Fehlen von ti? im zweiten Gliede be
fremden. Wie sich derlei Einschiebsel allmälig oinschlichen,
zeigen die schon bezeichneten Emblemata: I, 13 aut'ov, VII, 13
Xenopliontische Studien.
131
Sei, XX, 10 auxwv, die in gewissen Gruppen von Handschriften
noch nicht zu finden sind.
Ungemein häufig ist die Einschiebung kleiner Wörtchen,
so der Partikel za! IV, 6 nach zaXstxai (Schneider), XIV, 4
nach p.sv (Cobet), XX, 12 nach ävaXp.ot? (Jacobs), XX, 20 za! vor
xb (Schneider); über IV, 17 za! (eitv)yoiXXsxo), was Weiske, und
19 za! (oi), was Dindorf streichen wollte, lässt sich bei dem
Umstande, dass die erstere Stelle wenigstens überarbeitet, die
letztere sicher interpoliert ist, kaum etwas Bestimmtes sagen;
wie leicht sich aber ein solches za! einschlich, zeigen die
Stellen I, 17, wo alle Codices mit Ausnahme von BHKL za!
vor TroXsp.'.zä? bieten, V, 1 za! ei? to (Stob.), VII, 15 za! yap za!
ep.o! (K); weiter der Partikel piv, vgl. I, 23, VI, 2 (nach oca),
XIX, 11 (nach ei), an welchen Stellen Dindorf das Wörtchen
gestrichen hat; der Partikeln: ij VIII, 15 vor ei (Heindorf; vgl.
III, 13, wo alle Codices mit Ausnahme von JK •<) za! w? bieten),
et VIII, 17 vor [j,f ( (was Cobet wol mit Hecht streicht, vgl.
II, 15 et szi, worüber schon gesprochen wurde), -pap vor Btj
VIII, 23 (Stephanus), Spat VI, 2 (Schneider), 0? VII, 5 (Cobet,
durch Dittographie aus Stum? entstanden), av VII, 30 (Dindorf,
wobei auch die verschiedene Stellung szäxspov av G J, p.SXXov av
cet. bemerkenswerth ist), der Negation ou XX, 8 (Stephanus;
vgl. XV, 10 wo Cobet ob/ vor ouxw streicht), des Pronomens
xt X, 3 (Cobet; vgl. VIII, 21, wo Schäfer ti nach oute aus
scheidet), endlich des Artikels xob? II, 16 (Stephanus), xa IV,
21 (Schneider), r, VIII, 8 (Castalio), 6 IV, 15 und ct XX, 5,
dann xou XVII, 6 und XVIII, 8 (Dindorf). Sehr willkürlich
sind die Abschreiber hinsichtlich des in diesem Dialoge so
häufig eingeschobenen etpq verfahren, indem sie dasselbe nach
Belieben einsetzten und dadurch den Text verunstalteten. So
fügen es III, 6 KL nach a’txtov, VII, 10 nach auxv)v ADEFJ
KLMP, IV, 25 nach Bozstc ACDEGIIJMNOP (vgl. S. 123)
bei, an allen drei Stellen unpassend. Ueber V, 1, VIII, 21
haben wir schon oben gesprochen. Weiter finden wir san
mehreren Stellen in einigen Codices, während es in anderen
fehlt: II, 3 apr, om. F, & Sor/.paxs? ep-q KL, S> S. cet., IV,
5 scpv) nach vorhergehendem skre om. FKL, 16 &pv) A am Rande,
die anderen im Texte (von Cobet gestrichen); XVI, 8 iyq om.
KL, w Etozpaxs? ifq FII, e®7) u S. cet., an welchen Stellen ea-q
9*
132
Schenkl.
den Verdacht der Unechtheit erregt. Nicht geringerem Be
denken unteidiegt es an solchen Stellen, wo, wie dies übrigens
schon bei den eben genannten zum Theile der Fall ist, die
Codices hinsichtlich seiner Stellung schwanken, wie XIV, 6 %] xai
-outmv KL, y.a't x. esy] cet., XIX, 11 sy/j nach tgütwv FO, nach
ytyvuxjywv ACDEP, nach xotvuv cet., 14 stpy; ayvosTi: TIN, ay. etpvj
cet. IV, 24 ist eqjyj nicht bloss wegen des vorhergehenden
äxoxpivacrOai unzulässig, sondern müsste auch schon bei seiner
schwankenden Stellung (e<p-^ touto J, touto scpY] cet.) verdächtig
erscheinen. Man wird daher besser thun das Wörtchen zu
streichen als es mit Schäfer (Plut. V, 303) in ©ävat zu ändern.
Ueber VIII, 2 und XVII, 10 ist schon oben (S. 123) das
Nöthige bemerkt worden. Aus dieser Erörterung ersieht man,
wie sehr unser Text entstellt ist. Wahrscheinlich trägt er noch
manche andere derlei Schäden, die wir aber bei unseren Hilfs
mitteln nicht mehr zu entdecken vermögen.
Eine dritte Gruppe bilden solche Emblemata, welche bloss
einem Fehler des Abschreibers ihren Ursprung verdanken, der
von derjenigen Zeile, die er gerade abschrieb, auf ein Wort
der vorhergehenden oder nachfolgenden abirrte, so XIV, 6
xpoojpEpwv (aus dem folgenden xpoGfEpöp.Evoc entstanden), XVII, 1
opa? (vgl. opag im Vorhergehenden; man darf dies also nicht
mit Castalio in wpa? ändern), 14 tyjv xpo©yjv (vgl. tyjv xpocp'ry weiter
oben, von Victorius mit Recht ausgeworfen), endlich XX, 29
vopu^siv (aus dem folgenden vopAwcnv entstanden; in 0 über der
Zeile und von Bremi gestrichen).
Wie durch Interpolationen, so hat auch der Text des
Oikonomikos durch den Ausfall von ganzen Sätzen und ein
zelnen Wörtern gelitten. Da diese Schäden fast sämmtlich
allen Handschriften gemein sind, so sieht man, dass der Arche
typus, aus dem sie geflossen sind, ein sehr nachlässig geschrie
benes Exemplar gewesen sein muss. Wir beginnen mit den
grösseren Lücken. I, 15 hat Cobet richtig erkannt, dass nach
’lcyypoxoixdi ys mehrere Sätze ausgefallen sind. Die Worte Kai
yap OY] opap sind offenbar nur das letzte Glied einer längeren
Auseinandersetzung, in welcher Sokrates darlegte, wie man von
den Feinden Nutzen ziehen könne. Sicherlich aber ist der Krieg
nicht die einzige Art jener Benützung der Feinde. Ueber die
mit der Interpolation IV, 18 ff. zusammenhängende Lücke im
Xenophontische Studien.
133
Eingänge von §. 20 habe ich im zweiten Hefte dieser Studien
S. 156 gesprochen. V, 18 erklärt man die Worte Sri Sk vffi yewp-
yty.yj? xa xXstcxä etrxtv ävOpdoxw aoüvaxa xpovoyjcat gewöhnlich durch
das sogenannte cxijp.a avavxaxöSoxov; der Leser soll nämlich im
Gedanken ergänzen xspt xouxou cutm xi e'Asijac. Indessen sind die
Beispiele, welche man dafür anführt, keineswegs conform. Es
ist hier kein Zwischensatz, durch dessen Eintreten die £!on-
struction verdunkelt werden konnte ; wenigstens lässt sich nicht
annehmen, dass der Schriftsteller die Worte y.a't -pap ^aXa£at . . .
als einen solchen gedacht wissen wollte. Mit Recht hat also
Schneider bemerkt Locum lacunosum esse clamant omnia und
schon vor ihm hatte sich Weiske im gleichen Sinne geäussert;
Reisig setzte daher nach xpovorjtrat eine Lücke an. Nichts ist
nun wahrscheinlicher als dass hier, wie so häufig, ein op.otoxe-
Xeuxov den Ausfall einiger Worte veranlasst hat. Demgemäss
vermuthe ich, dass die Stelle ursprünglich also lautete: xpovoij-
cai, xobxou 0aup,alüi) ae ap.vi)p,ovij<jat. VII, 8 überliefern die Hand
schriften xoXXa üxt<7/voup.evi) p.kv xpbq xou? Oeou? yeveaOat, wobei
sowol p.kv als auch xp'o? xou? Oeo'u? auf eine Lücke hinweist.
Dies hat Heindorf richtig erkannt und darnach xoXXa p.kv
su/cp.evi] xpo? xouq ööiuc, xoXXa ok üxia^vou[j.evr / ysveGOai vorgeschla
gen. Es fehlt aber noch ein Wort, welches den Gegensatz zu
xp'o? xou? 0ecb; bildet, und dies kann nur sp.ot gewesen sein.
Darnach würde also die Stelle lauten: xoXXa . . . 0so6c, xoXXa
8’ üxtc%voup.evi] sp,oi yer/jasaOxi (so mit Bisschop Ann. in An.
p. 23). Wie man sieht, hatte der Schreiber von einem xoXXa
auf das andere abirrend schon xoXXa 8’ öxta/voupivi] geschrieben,
und versuchte dann das Ausgelassene zu ergänzen, was er
aber nur unvollständig ausführte. VII, 22 zeigen die Worte
xy)v p.kv -*r t z yu'/avAoq ex't xä k'vSov k'pya y.at sxtp.sXijp.axa, dass das
denselben entsprechende Glied ausgefallen ist. Demnach hat
Stephanus tyjv 8k xoü avSpo? sxi xa e!*(i) spya zat sxtp.sXyjp.axa er
gänzt. Heindorf und neuerdings Cobet haben in dem zweiten
Gliede spya y.at sxip.sXvjp.axa als eine Glosse gestrichen, ohne zu
bemerken, dass das ganze Glied bloss eine Ergänzung ist. Und
allerdings ist es nicht recht glaublich, dass Xenoplion hier
diese Worte wiederholt hat. Doch in dem Archetypus kann
sehr wol zur Erklärung von sxi xa s§w: epya y.at extp.eXijp.axa
beigeschrieben gewesen sein, da sich so der Ausfall des zweiten
134
S c b e n k 1.
Gliedes durch das Abirren des Schreibers von einem Ezip.eXi)[j.axa
auf das andere leicht erklärt. Eine grössere Lücke findet sich XI,
24, wie Weiske mit Recht bemerkt hat, der aber fälschlich axpa-
xv)yw, was vonxtvt nicht getrennt werden kann, mit au|JWMtp6vxe<; ver
binden will. Schon der Plural sxtxipiöp.sv, der ganz unvermittelt
dasteht, spricht für diese Annahme, dazu kommt das hier ganz
unerträgliche Asyndeton. Wenn sich Voigtländer (de loc. non-
nullis in Xen. Oec. Schneeberg 1827, p. 10), um dasselbe zu
rechtfertigen, auf Oec. XX, 8 «piiXcaa? äntavxe? beruft, so sieht
man auf den ersten Blick, dass sich diese beiden Stellen nicht
vergleichen lassen. Uebrigens ist XX, 8 nicht einmal die Lese
art sicher. Vergleicht man nämlich das folgende oxav xe und
bedenkt man, dass, wie wir gleich sehen werden, in unserem
handschriftlichen Texte Partikeln sehr häufig ausgefallen sind,
so wird man dazu gedrängt ipuXa-mg ■&’ herzustellen. Wie leicht
0 nach dem vorhergehenden C übergangen werden konnte,
liegt auf der Hand. Mehrere Lücken enthält das 20. Oapitel.
So sind ohne Zweifel §. 5 nach xoiaüx’, s<yv), serriv, 2) 22r/.paxs<;,
a oiacpipo'nsg dA'/,f ( ho)v ot -i'swpvot StatpEpövxw? -/.at zpäxxouat einige
Worte verloren gegangen; denn wie will man diesen Satz mit
dem folgenden xoXb \i.äXXov v) [ol] Soxouvte? gosöv xt r)öpY)xiva’. dg
xd spya verbinden ? Ischomachos sagt: Das ist es, worin sich
die Landwirthe unterscheiden und was auch in ihrer äusseren
Lage einen Unterschied bewirkt. Zieht man nun hinzu die
oben genannten Worte, so erhält man den verkehrten Ge
danken : ,viel mehr als wenn sie meinen (oder in dem Rufe
stehen) einen neuen Kunstgriff für den Landbau ausfindig ge
macht zu haben'. Vergleicht man ferner den im §. 6 aus
gesprochenen Satz: ,Auch bei den Feldherren steht die Sache
nicht anders; denn auch bei ihnen ist meistens dafür, ob
einer schlechter oder besser sei, nicht die ■yvtip.vj , sondern
die eziij.EAEia massgebend', so sieht man, dass diesem Satze ein
gleiches Urtheil über die Landwirthe vorhergehen muss und
dass die Worte rj ooy.oüvxs; aocpov xt rppvptivat ganz dem yvÖ)|j.y] im
Folgenden entsprechen. Somit fehlt bei xoX'u p.dXXov ein Aus
druck zur Bezeichnung der extpiXeta. Demnach vermuthe ich,
dass Xenophon xvj yap sxtp.eXs(a Stasepouat jcoXb [xäXXov v) . . . ge
schrieben hat. Das 6p.ot5xxwxov: xpdxxouat und 3ioc®epcu<;t hat den
Ausfall der bezeiebneten Worte veranlasst. Weiter ist die
Xonophontisclie Studien.
135
Stelle §. 14 ou y*P fijoTOp xa? äWac xiyiyac, xoT? |j.v) spYa'(o[j.£voi<;
ecru xpo^aoi'oaoöai oxi obz, szt'oxavxai durch zwei Lücken entstellt.
Hier befremden die Worte xa? aXXa? xs^vai;, die ohne jede Ver
bindung dastehen. Zu xot<; p.vj epYa£o[j,evoi<; kann man sie nicht
beziehen, einmal der Stellung wegen, sodann weil epY^Eoöai
hier, wie §. 16, 19, 20, offenbar ,den Landbau treiben' be
zeichnet. Der Schriftsteller stellt hier die, welche den Feldbau
nicht betreiben, mit denen, die sich auf andere Geschäfte nicht
verlegen, in Parallele. Somit dürfte Xenophon etwa ßoixsp xol?
xä? ä/k,o.q xe^va? p.Y) 4«njj$e6oooiv ouxw xoi? p.7) epYa^op.evot? ge
schrieben haben. Die zweite Lücke müssen wir nach den
Worten oxi ou* sxfcrxavxai annehmen. Schlösse der Satz mit
diesen ab, so würde man zu übersetzen haben: ,dass sie sich
nicht darauf verstehen'. Wie will man aber dies mit den
folgenden Worten -p)v oe xavxe? tcraaiv (offenbar gleich sixi'oxavxai)
oxi £u ■rcaaj'ouaa su xotst zusammenbringen? Daher hat Heindorf
angenommen, dass nach fei'oxavxat etwa otciuq dixoßifasxoct aus
gefallen sei. Schwerlich wird sich aber Xenophon so unbe
stimmt ausgedrückt haben. Vergleicht man §. 15 xpi)i*axoicoibv
und 22 dvuxr/.wxdxYjv /pTjgäxiciv, so empfiehlt sich etwa an ei
Xpv)p.axiop.'ov avuxizbv Tcape^si y; YSßpYwt zu denken. Daran dürfte
sich noch ein Satz des Inhaltes: ,denn bei den anderen Ge
schäften kann man solche Zweifel hegen' angeschlossen haben.
XXI, 12 ist überliefert: ou y<*P xc ‘ vu P- 01 ° 05ts ^ °Xov T0UT ' [ T '°
aY«0bv dv0p(l)Ätvov stvai «XXa OsTov xb eöeXövxwv äp/eiv oaow; cpeiSovxai
xoT? dXvjötvßi; oiotppoaÖTr) xexeXso|j.evoi?. Stephanus hatte die Worte
aouf&q cpsibovxai in Gacpüq §s oiocxai geändert; doch damit war
keine passende Gedankenverbindung hergestellt. Dindorf er
kannte richtig, dass die Stelle lückenhaft sei. Es müsse,
sagt er, im Vorhergehenden der Begriff 0soi ausgefallen
sein, da sich nur so btäoaoiv im Folgenden erklären lasse,
und darauf deute auch oa^ß; hin. Demnach schreibt er o
craipßi; Oeoi btopouvxai xof? . . . Kerst wollte aXXa Osoi xb sO. dp'/stv
aaow? Swpouvxat xol? herstellen. Ich glaube, dass das os nach xb
im Folgenden auf ein gsv im Vorhergehenden hindeutet und
darnach etwa xouxo ij.ev y“P uto xßv 0sßv (caipß;) ausgefallen ist,
cpeioovxai aber möchte ich mit Stephanus in ctboxat ändern, was
vielleicht wegen des vorhergehenden oacp ß; in ipiSoxai ver-
136
Schenk].
verderbt wurde; ©etBoyxat wäre dann ein übel ausgefallener
Versuch das sinnlose tftBoxat zu verbessern.
Einzelne Wörter, die in unserem Texte ausgefallen sind
und von den Herausgebern ergänzt wurden, sind von Partikeln,
Formen des Artikels und dergleichen Wörtchen abgesehen,
die wir später nach Gruppen ordnen wollen, folgende: III, 7
Tpa-fwSöW Ts xai vor xtop.coBöv (Cobet und Sauppe), III, 12 BsX cs
nach dArjOsuxat (so nach meiner Vermuthung, während Heindorf
-aviwi; (js Bei, Sauppe bloss iravxws Sei schreiben wollte. Da man
nämlich bloss die Wahl hat aTca'XvjOeucrai als imperativischen
Infinitiv zu fassen, wofür sich bei Xenophon sonst kein Beleg
findet (die Weiheformel An. V, 3, 13 kann wenigstens nicht
als ein solcher gelten) oder eine Lücke anzunehmen (denn mit
Stephanus creaX^Osuaov zu schreiben, wird man sich kaum ent-
schliessen), somit sich wol für das Letztere entscheiden muss,
so scheint die von mir gewählte Stellung den Ausfall von Sei
cre am einfachsten zu erklären. Ebenso ist Sei XVI, 13 in den
Worten üXyj? xs zaQapdv auxrjv sivat ausgefallen, und zwar, wie
Stephanus meint, vor zaQapdv, wie mir scheint, vor sivat),
IV, 5 Sacp.ob? (Stephanus), VI, 13 aYaOou? nach '(Mypdpouq ayaOoöq
worüber schon S. 108 gesprochen wurde, VII, 30 xou olvtsu (Ste
phanus). IX, 4 ergänzte Stephanus e/jiv vor tj/u^sivd, was man
dann ohne Weiteres angenommen hat, ob wol dieses Verbum
hier keineswegs passend ist. Um es zu erklären, muss man dazu
ty;v oixtav ergänzen, was aus mehreren Gründen unzulässig ist.
Ich habe es daher vorgezogen sivat nach (Jn^stvä einzuschieben,
an welcher Stelle dieses Wort leicht ausfallen konnte (vgl. XV, 9,
wo L allein sivat nach Boy.w überliefert). Weiter sind hier zu
nennen: IX, 19 paov nach xsy.vwv und XI, 11 o’isi vor sivat (Ste
phanus); XIX, 2 ßcOpcv nach ßdOoq (ß. Schneider Quaest. Xen.
Bonn 1860, p. 25); XX, 15 dpy(a nach rj ev yetopyla (Jacobs), 16
y.ai p.siivwv nach y.ai itXsiovwv (Hertlein), 20 otov nach sivat (Zeune).
Ich füge hier noch die Stelle XI, 18 sya) Be xd p.ev ßäo-^v, xd Bs
äxoopap.wv oty.aäs aTrsctXsYYtGajj.^v bei, wo man ä~i3pa|.i,(bv mit otzaBs
verbindet und zu ßaBvjv aus äroSpajMbv ein icov oder ein ähnliches
Particip ergänzt. Aber eine solche Ergänzung hat ihre grossen
Bedenken. Man wird daher wol eher d-oBpap.wv als Gegensatz
zu ßdByjv fassen und nach ol'y.aBs den Ausfall von sXOibv annehmen
müssen.
Xenophontische Studien.
137
Sehr gross ist die Zahl von kleinen Wörtchen, Partikeln,
Präpositionen, Formen des Artikels u. dgl., die in unserem
Texte fehlen. Manches derartige ist schon in einzelnen Hand
schriften ergänzt, wie 1, 1 r, vor •/aAKeuxi/.r, (FL), 3 6 vor
oixovopuxii; (G), VII, 36 -1) vor st; (J K L), II, 8 äv nach hxapxs-
astav (D K), üg nach opio)? (F G) u. dgl. Anderes blieb den
neueren Kritikern überlassen. So musste der Artikel ergänzt
werden: VII, 12 6 vor olv.oq und VIII, 10 x'o vor osogsvov
(Hirschig), VIII, 7 cl vor owaÖsv (Camerarius), XI, 9 x'o vor xa-’
(Weiske), XII, 2 xwv nach ovxuv und 12 6 nach Siivatxo, was
allerdings leichter ist als das, woran man noch denken könnte,
Süvaixö xi? (Cobet), XV, 1 t'o vor IxtjjisXsiaÖat (Heindorf). Auch
XX, 12 wird man mit Schneider xxp'oc tyjv <puxe£av schreiben
müssen. Dazu kommt , wol noch xyjv vor atxoixoibv X, 10 (denn
der Artikel kann hier nicht fehlen und die Berufung auf §. 12
Staxovw ist ganz unpassend; wenn ich xvjv ergänze, so geschieht
dies mit Rücksicht darauf, dass das Brodbacken in einem
Hause Mägde besorgten; da übrigens in einem so grossen Hause,
wie das des Ischomachos war, gewiss mehrere Mägde damit
beschäftigt waren, so wäre zu erwägen, ob nicht rag cnxo-oiou?
zu schreiben ist), dann XI, 1 xd vor djj.ooxspwv (xdp-tpoTepwv; denn
dies ziehe ich der Conjectur Heiland’s Neue Jahrb. 1844, S. 97
ap.cpoxepwv Yj|i.wv vor). VI, 4, wo bloss L O ol vor avSpomot über
liefern, empfiehlt es sich avöpwTxot zu schreiben. Was Präpo
sitionen anbetrifft, so verweise ich auf XI, 11, wo A wepl in
mg. hat und darnach xvj<; ol /p^yoi-daeug Ttlpi hergestellt worden
ist, auf XIX, 7, wo Breitenbach sv vor txcczipa ergänzt hat,
endlich auf XI, 5, wo man den Dativ tw spux^p.axt mit TxpoaßXe^a?
verbinden will, in welchem Verbum der Begriff des Staunens
enthalten sein soll, wo es aber gewiss statt eine solche ge
künstelte und unmögliche Erklärung zu billigen räthlicher ist
exxl vor tw einzufügen. XV, 10 hat Cobet richtig bemerkt, dass
in dem Satze olgai 5’ epv) . . . das Subject des Infinitives nicht
fehlen kann, weshalb er ce nach kehrjöevai einschiebt; leichter
aber ist es xtoAXcc <js uaox'ov (statt oeaux'ov) zu schreiben. Den Be
schluss mögen solche Stellen machen, wo Partikeln ausgefallen
sind, nämlich av II, 15 vor slSoxa; (Heindorf), XI, 14 dv nach
•r,viV.a (yjviV ctv Schäfer App. crit. in Demosth. I, 358), si III,
13 nach -i) (schon mg. Vill. ergänzt), nach 'j-uvai VIII, 10
138
S cli enlcl.
(Ernesti), eäv VIII, 4 nach TOpsuOstricav (Castalio, wenn nicht
etwa, wie sclion Hertlein im Wertheimer Programm 1860/61,
S. 9 andeutet, dies aus xopsuOetcv av entstanden ist), apa XVI,
12 vor e'apsc (Schneider), os XIII, 1 nach "Orav (Castalio), oü/
IV, 8 vor rjrrov (Castalio, wenn nicht etwa Xenophon oüoev
yjttov, wie §. 12 geschrieben hat), p.rj XX, 16 nach tw (Leon-
clavius). Auch V, 15 empfiehlt es sich sehr mit Schneider,
p.sv nach tov, was vor oüv leicht ausfallen konnte, einzuschieben,
ebenso ye X, 9 nach ac.-ou, das der Schreiber wegen des
folgenden toioutov übersehen haben dürfte.
Sieht man nun schon aus dem Gesagten, wie nachlässig
der Archetypus geschrieben war, so dürfen wir doch hier
noch eine Gattung von Fehlern nicht unberücksichtigt lassen.
Ich meine die Verschiebung von Wörtern aus einer Zeile in
eine andere. Beispiele hiefür sind I, 13, wo Cobet richtig outio,
das vor auvop.o'XoyeTv überliefert ist, nach youv xiq gesetzt hat,
XIX, 11, wo Schneider xarcc vor raii-a gestrichen und dafür
§. 10 vor vr t c, 'fqq eingeschoben hat, endlich XIV, 5, wo wir
die richtige Wortstellung osoecOai tou; sy^ipouvTa? xal OavaroucOat
ijv ti; aXw toiwv Weiske verdanken; denn offenbar ist hier
ososcrOx'. so dem Oava-oLöat entgegengesetzt, wie xobq s^sipouvtai;
den Worten ijv tc? äXw ■üotöv; nur ziehe ich es vor xai ijv ti?
ä/.w tmwv SavaxouuOai zu schreiben.
Wir wollen nun noch einige Stellen, die in unseren Hand
schriften verderbt überliefert sind, eingehend besprechen. I, 4
schwanken die Codices zwischen ©£poit’ av, <yspei t’ av und epepeiv
av; doch sind die beiden letzten Varianten sicherlich nur Ent
stellungen der ursprünglichen Leseart ©epc.-’ av. Diese hat man
nun gewöhnlich angenommen; Mehler aber (in seiner Ausgabe
des Symposion p. 82) will unter Hinweis auf §. 6 ©epoi av her-
stellen und ihm stimmt Cobet (N. L. 568) bei mit dem Be
merken, dass p.iuö'ov <psp£iv (nicht ©epEcÖat) stehende Redensart
sei. Gegen diesen Satz lässt sich schwerlich etwas einwenden,
da man eine Stelle, wo p,i©0bv <fipe.sOxt vorkommt, nicht bei-
bringen kann, obwol Cobet gewiss zu weit geht, wenn er
behauptet, p.icObv ©spssOa 1 . könne nur mercedem, securn auferre be
deuten. Die Sache lässt sich aber hier sehr einfach abthun,
da man selbst nach der Andeutung der Handschriften <pepci tctv
schreiben kann.
Xonophontisohe Studien.
139
III, 9 ist mir xffiv auxcov unverständlich. Man begreift
weder, worauf es sich bezieht, noch warum hier aorundem ge
setzt ist. Ich glaube daher, dass man xwv wretov schreiben muss.
Wenn An. VII, 3, 36, wie nicht zu zweifeln ist, Hirschig für
Öeol? richtig ikzoi? geschrieben hat, so kann auch die Corruptel
unserer Stelle nicht befremden.
VI, 15 et zou iSoifAt TTpourjpT'^ij.evov tu y.aXw to äyaQov ver-
muthe ich, dass ursprünglich xö ayaOiq geschrieben war, worauf
das vorhergehende ov. zpoaey.eixo to y.a/.bc tu ayaOS) führt. Wie
iyaQsq in dcyaOov, so ist y.aXo? in CDHN in y.äXXoc verderbt
worden und auch Stobaios hat nach dem Vindobonensis falsch
6 y.aXb? gelesen.
VIII, 6 T£TötYp.evv] Se oxpaxiä y.aXAlffxov p.ev iSelv xoTc tptAO'.c,
cucyepsGTaxov ce toI? zoXepiot? kann ouayepeaxaxov, wie die parallele
Stelle §. 4 xol? ;j.ev zoXep.io'.c eüyetpuTÖxaTOV (so Stephanus, ebyeipoxo-
xaxov GHJK, die anderen euyeipoxaxov), toi? oe tpiXoi? dykeuzeaTaxov
ipäv -/.cd äypYjaxixaxov zeigt, unmöglich richtig sein. Dies erkannte
schon Wyttenbacli Bibi. crit. II, 2, 54, der für ouayepecxaxov:
äuayetpoxaxov und ebenso an der vorhergehenden Stelle eüyeipo-
tgcxov schreiben wollte. Aber ouoyeipo? und eoyetpo? beruhen, wie
Lobeck Parall. p. 48 bemerkt, bloss auf falschen Lesearten,
indem in den Comparativ- und Superlativbildungen von eu/eipw-
xo? und cucr/etpwxo? die Silbe xo nach pu (po geschrieben) aus
gefallen ist. Man muss daher auch hier outjyetpuxöxaxov hersteilen.
VIII, 10 kann ich mir den Infinitiv otocvai nicht erklären.
Der Schriftsteller beginnt mit den Worten: ,Wenn nun auch
du, liebe Frau, (so wie ich) nach einer solchen Verwirrung
kein Verlangen trägst, sondern dich darauf zu verstehen wün
schest unsere Habe mit aller Sorgfalt und Genauigkeit zu
verwalten . . . / Nun folgen offenbar zwei Glieder, in welchen
dies slSsvai näher bestimmt wird, wie dies schon y.ai . . . y.ai und
die parallelen Sätze oxw av osy; -/prjoOa: und edv xt aixö zeigen.
Darnach muss statt Sioovai, das gar keine Construction zu
lässt, otoo'jca geschrieben werden: ,indem du, wenn man etwas
davon braucht, es ohne alle Mühe nimmst und, wenn ich
etwas verlange, es mir zu Danke gibst 1 .
VIII, 11 eteßa? ezl 6eav ei? xb p.iya zAotov xb <hoiviy.iy.iv. Der
Artikel ist schon Schneider aufgefallen, er behalf sich aber
damit, dass er annahm, es sei ein bestimmtes Schiff gemeint,
140
Schenkl.
das alle Jahre Lebensmittel oder Waaren nach Athen brachte
und daher allgemein bekannt war. Nun werden aber in den
Welthafen Peiraieus gewiss alljährlich viele grosse phönikische
Schiffe eingelaufen sein. Und jedenfalls würde Ischomachos,
wenn er ein bestimmtes Schiff im Auge gehabt hätte, dies
irgendwie näher bezeichnet und nicht das ganz allgemeine zote
gebraucht haben. Daher vermuthe ich e’(q ti piy« tvXoTov töv
‘boivaaöv.
IX, 16 hat Stephanus gewiss richtig sy.dcjTW für sxaaia ge
schrieben; denn wenn man r/.aata mit -/pijaQa! verbindet, so
wird etwas in die Stelle hineingebracht, was offenbar nicht im
Gedanken des Schriftstellers liegt. Es soll ja hier nur hervor
gehoben wei'den, dass der Hausherr das Recht hat Alles, was
im Hause ist, zu seinem Gebrauche zu verwenden; von der
Art des Gebrauches ist hier nicht die Rede. Dazu kommt,
dass die Construction gekünstelt und unklar ist. Nur dies
bleibt fraglich, ob Stephanus richtig u in w? geändert hat, da
man auch an Sv denken könnte.
XI, 13 ist siuc/jjs'.v ohne Zweifel verderbt (vgl. Cobet
N. L. 589). Hertlein (a. a. 0. S. 10) will dafür &rawdj&tv oder
noch lieber -/.capiew schreiben (vgl. XI, §. 9 und 10), dem Sinne
nach gewiss richtig, aber den Zügen der Ueberlieferung nicht
entsprechend. Vielleicht kann man auf ezaücjetv rathen. Xeno-
phon gebraucht oft aüijeiv -rfjv toA'.v (Comm. III, 7, 2, Hier. II,
17, XI, 13) und eicaö^siv oder STtaoijdvsiv rr)v natpßa ist durch
Thuc. VII, 70 bestätigt.
XI, 16 bezeichnet Cobet mit Recht das überlieferte zpOG-
v.cpJ.'Co'neq als vitiosum und schreibt dafür GJ-fAOiJ.i'Co'nsq. Doch
liegt wol der Ueberlieferung s'.r/.oij.iifovTec (Hes. ”Epy. 606)
näher, da elq bei dem vorhergehenden zapicov leicht in ■xpöq ver
derbt werden konnte.
XII, 16 btpkpm o5v xal oij; av to'.oütouq yvü o'rnxq p,Y)o’ eiu/etpeTv
s-tp.EAYjTac -ro'jTwv v.'ikq y.aöiaTavai. Man muss hier öidepat mit p.vjo’
k-r.'.ye'.psx'i verbinden, was aber sehr auffällig ist, da sich sonst
nirgends uqpiep.at in dieser Bedeutung ,aufgeben, fahren lassen'
mit einem abhängigen Infinitive findet. Will man aber uskp.at
etwa mit olq . . . Z-r.zq verbinden, so ergibt sich eine ebenso
unmögliche Construction; denn weder wird AtssSai in diesem
Sinne mit einem Objectsaccusative verbunden, noch lässt sich
Xenophontische Studien.
141
dann der Infinitiv eiw/etpsiv erklären. Ich verstehe daher
nicht, wie man die Uebersetzung des Leonclavius: Quamobrem
quoscunque tales esse animadvertero, de vis remissius ago, ut ne
quidem coner ipsos procuratores constituere billigen konnte, ab
gesehen davon, dass in derselben y.at übersehen und remissius ago
unerklärlich ist. Ist etwa usisp-cu aus verderbt und nach
o'nac: utj-e ausgefallen (vgl. Symp. IX, 6, wo Stephanus fixj-is
nach £-ip.vuouffv); ergänzt hat)? Doch ich will nicht die Stelle
verbessern, sondern mich damit begnügen ihre Schäden dar
gelegt zu haben.
XIX, 8 befremdet uTroßaXojv und ebenso §. 9 ÜTioßXvyisa
und §. 12 6 o ßeßXv)|jievyj. Es ist doch hier überall von der
Erde die Rede, mit welcher man das eingesenkte Pfropfreis
bedeckt, nicht von der, die man unter dasselbe legt. Dazu
kommt, dass §. 12 ütco -rij utco ßeßXvj^svrj yp steht, zu welcher
Stelle Schneider bemerkt: Videtur esse debere em, si terra
subiecta est. Breitenbach meint freilich, dass Schneider an öx'o
nur desshalb Anstoss genommen habe, weil er nicht verstand,
was taoßsßXvjpivY) bedeutet. Wenn man aber um eine Erklärung
fragt, so erhält man bloss zu §. 9 den Aufschluss, dass 6~oßaX-
Xetv dort und §. 12 in einem ähnlichen Sinne stehe, wie XVI,
10 üiiepya^etjöat. Welche Aehnlichkeit aber zwischen üzoßäXXeiv
und üxspyaiisijOat an den vorliegenden Stellen besteht, vermag
ich nicht zu begreifen. Da nun nichts häufiger ist als die
Verwechslung von üxo und sx(, so trage ich kein Bedenken
an den drei oben genannten Stellen uicoßaXXsiv in emßaXXeiv
zu ändern.
II. Symposion.
Wie ich schon im zweiten Hefte der Studien S. 150 dar
gelegt habe, zeigt der Eingang des Symposion, dass uns in dem
selben kein selbständiges Buch vorliegt. Was man vorgebracht
hat, um diesen Eingang zu rechtfertigen, verdient eigentlich keine
Widerlegung. Herbst meinte, die Partikel äXXa sei gesetzt ad
augendam enuntiationis vim. Das kann man allerdings von aXXa bei
Imperativen sagen, z. B. Cyr. V, 1, 29, wiewol damit dieser
Gebrauch noch nicht erklärt ist; doch solche Stellen haben
i
142
S clien kl.
offenbar mit der vorliegenden nichts zu schaffen. Hanow glaubte
die Worte oikV sjj.ot Boxet so erklären zu können: ,Was Andere
darüber urtheilen weiss ich nicht; aber ich glaube . .was jeden
falls passender ist als die frühere Erklärung. Um aber eine
solche Ergänzung, besonders in dem Eingänge eines Buches
glaublich zu finden, müsste man doch wenigstens ein ähnliches
Beispiel beibringen, was Hanow aus einem leicht begreiflichen
Grunde nicht gethan hat. Denkt man sich aber akV ep.o't Boxet
an etwas Vorhergehendes angeschlossen, dann wird ikla gleich
begreiflich; denn nichts ist häufiger als dass mit dieser Par
tikel eine Erörterung abgebrochen und zu etwas Neuem über
gegangen wird. Eine dritte Erklärung, wornach diese Worte
auf die anderen Schriften, welche sich mit der Vertheidigung
des Sokrates beschäftigen, zurückweisen, habe ich schon a. a. O.
gewürdigt. Wenn nämlich das Symposion ein selbständiges
Buch ist, wie konnte der Schriftsteller demselben einen Eingang
geben, der es als Theil eines Werkes erscheinen lässt? Wo ist
in der gesammten griechischen Literatur eine Schrift, welche
in solcher Weise beginnt, dass sie als eine blosse Fortsetzung
erscheint und zwar ohne die Schrift, auf welche sie sich be
zieht, zu bezeichnen?
Weil mir nun der Eingang des Symposion, falls dasselbe
ein selbständiges Buch sein soll, unerklärlich erscheint, so
habe ich die Vermuthung ausgesprochen, dass das Symposion
mit dem Oikonomikos einen integrierenden Theil des Werkes
Apomnemoneumata bildete, und zwar in der Weise, dass es
am Schlüsse desselben stand. In der Tendenz, in der ganzen
Art der Behandlung, im Colorite stimmt das Symposion mit
dem Oikonomikos und dem Theile, den wir jetzt Apomnemo
neumata nennen, vollkommen überein. Böckb (de simultate quae
Plat. cum. Xen. intercessisse fertur, p. 19, vgl. Opusc. IV, 17)
hat ganz richtig bemerkt, dass diese drei Bücher gewisser-
massen ein Werk ausmachen, dessen Aufgabe die Rechtferti
gung des Sokrates bilde. Meine Ansicht ist allerdings nur eine
Hypothese; sie beseitigt aber, wie mir scheint, auf einfache
Weise die grossen Schwierigkeiten, die sich uns sonst in den
Weg stellen. Wer sie daher verwirft, der muss den Schluss der
Apomnemoneumata als echt erweisen und die auffallenden Ein
gänge des Oikonomikos und Symposion rechtfertigen. Sicherlich
Xenopliontisclio Studien.
143
aber darf man sie nicht so wolfeil verwerfen, wie dies
Nitsche (Zeitschrift für Gymn., Berlin 1876, Jahresberichte S. 30)
thut, der bloss bemerkt, sie erinnere etwas an die Construction
der Hellenika von Kyprianos; denn welche Aehnlichkeit besteht
zwischen jenem portentum und der Verbindung 1 dreier gleich
artiger Schriften zu einem Ganzen, abgesehen davon dass die
Ansicht, der Oikonomikos sei ein integrierender Theil der
Apomnemoneumata gewesen, schon längst von Anderen aus
gesprochen worden ist.
Die Versuche, das Symposion für ein sophistisches Mach
werk zu erklären, wie dies von K. 0. Müller (de Minervae
Poliadis sacris p. 17, Kunstarch. Werke I, S. 106, Note 4), der
aber später seine Ansicht zurücknahm, Steinhart (Platon’s Leben
S. 351, Anm. 1) und neuerdings von Krohn (Sokrates und Xeno-
phon S. 98) geschehen ist, sind wol kaum einer ernstlichen Be
achtung werth. Sie beruhen einerseits auf einer unrichtigen Vor
stellung von der schriftstellerischen Bedeutung Xenophons und
andererseits auf einer Unterschätzung des Dialoges, die sich
wie bei so manchen Werken des Alterthums als ein Rückschlag
gegen die eben so wenig motivierte Bewunderung der früheren
Zeit wol begreifen lässt. Der Dialog trägt so ganz das Gepräge
des Geistes und der Art Xenophons, dass man unmöglich an
eine Fälschung denken kann. Und ist auch der Dialog seinem
Inhalte nach nicht eben bedeutend, so ist er doch so frisch
und lebendig geschrieben, mit so vielen speciellen und charak
teristischen Zügen ausgestattet, dass die Annahme einer fraus
sophistica als etwas Ungeheuerliches erscheint. 1
Eine andere wichtige Frage, nämlich die über das Ver-
hältniss des Xenophontischen Symposion zu dem Platonischen,
hier eingehend zu erörtern scheint mir nach der trefflichen
Abhandlung von A. Hug (Philol. VII, 638 ff.) überflüssig. 2
Zwar kann ich nicht Allem, was dort erörtert ist, beipflichten.
1 Während des Druckes geht mir die Dissertation von Johann Herchnev:
,De Symposio quod fertur Xenophontis“ Halte 1875, zu, in welcher der
Beweis für die Unechtheit der Schrift zu führen versucht wird, nach
meinem Urtheile freilich ohne jedweden Erfolg.
2 Man vergleiche 6. F. Rettig: ,De conviviorum Xenophontis et Platonis
ratione mutua et de Socratis et Pausaniae apud utrumquo auctorem
orationibus“ Bern 18G4 und in dessen Ausgabe des Platonischen Sympo
sion, Halle 187G, S. 43 ff.
144
S chenkl.
So betrachte ich keineswegs den Xenophontisclien Dialog als
eine historisch getreue Darstellung. Allerdings wird hier wie bei
dem Oikonomikos etwas Thatsächliches zu Grunde liegen; aber
so wie bei diesem Dialoge die ganze Ausführung dem Xeno-
phon angehört, so ist dies auch bei dem Symposion der Fall.
Und dies gilt nicht minder von den meisten Gesprächen in
den Apoinnemoneumata (vgl. Stud. II, 149). IC. F. Hermann
hatte daher vollkommen Recht, wenn er (Marburger Progr.
1834, p. VII, 1841, p. VII) das Symposion für ein Gemisch
von freier Dichtung und historischer Wahrheit erklärte; nur
sind die Schlüsse, die er hieraus zieht, nicht berechtigt.
Was ferner die Priorität des Xenophontisclien Dialoges an
betrifft, so kann unter den für diese Ansicht vorgebrachten
Beweisen nur einer für entscheidend gelten. Da nämlich die
Beziehungen zwischen den beiden Dialogen zu offenbar sind
als dass man annehmen könnte, diese seien ganz unabhängig von
einander entstanden, so kann über die Frage der Priorität nur
die Betrachtung entscheiden, in welcher Weise Platon und
Xenophon diejenigen Puncte in der Scenerie und Charakteri
stik der Personen und diejenigen Gedanken in den Reden,
worin beide Dialoge übereinstimmen, behandelt haben. Und
da stellt es sich für jeden Unbefangenen heraus, dass alle die
Motive, welche beiden Autoren gemeinsam sind, während sie
bei Xenophon ziemlich roh, nüchtern, oft mehr angedeutet als
ausgeführt erscheinen, in dem Platonischen Dialoge reich ent
wickelt, vergeistigt und mit bedeutendem inneren Gehalte er
füllt sind. Somit drängt Alles zu der Annahme, dass Platon
sein wunderbares Gedicht auf der Grundlage, welche ihm der
Xenophontische Dialog bot, ausgeführt hat, etwa in der Art,
wie die Tragiker die Dramen ihrer Vorgänger, wenn sie einen
gleichen Stoff behandeln wollten, benützten.
Nun ist, wie dies die bekannte Stelle 193 a lehrt, das
Platonische Symposion nicht vor 385 v. Chr., wahrscheinlich
aber bald darnach geschrieben, da diese Anspielung sich wol
nur dann erklärt, wenn man annimmt, dass jenes Ereigniss eben
frisch war und die Gemüther vielfach beschäftigte (Steinhart
Einl. IV, 265). Die Apoinnemoneumata können, wie ich dies
Stud. II, 153 bemerkt habe, wegen der Zurückweisung der
Angriffe des Polykrates in der um 392 verfassten Declamation
Xenophontisclie Studien.
145
erst nach diesem Jahre entstanden sein. Der Oikonomikos
setzt einen längeren Besitz des Landgutes bei Skillus voraus
(a. a. 0. S. 152). Das Symposion muss, auch wenn man es
als eine selbständige Schrift betrachtet, nach seiner ganzen
Tendenz und seiner unleugbaren geistigen Verwandtschaft
mit den beiden anderen Schriften in dieselbe Zeit gesetzt
werden. Wir kommen somit zu dem Schlüsse, dass das Xeno-
phontische Symposion nicht lange vor jenem Platon’s ge
schrieben ist.
Eine grosse Schwierigkeit aber liegt in den Worten,
welche wir bei Xenophon VIII, 32—36 lesen (y.aüot, Ilaucavi'a?
tyjv Aidü vopu^ouai). Wie sollen wir über diese hinaus
kommen, wenn wir, wie dies oben geschehen ist, an der
Priorität des Xenophontischen Symposion festhalten. Böckh,
dem sich Hug anschliesst, glaubte dieselbe leicht lösen zu
können, indem er annahm, dass Pausanias bei irgend einer
Gelegenheit im mündlichen Gespräche auf die hier angegebene
Weise die sinnliche Knabenliebe vertheidigt habe, worauf
sich nun der Xenophontisclie Sokrates als auf eine notorische
Thatsache berufe. Dann würde aber Xenophon einmal nicht
das Perfectum etpv]xev, sondern den Aorist sixs gebraucht und
jedenfalls tote hinzugefügt haben. So wie die Worte über
liefert sind, besonders mit dem Beisatze 6 ’AydOwvoi; ~oö ttowjtou
epacTYj<; kann man sie nur auf das Platonische Symposion be
ziehen. Man könnte freilich mit Thiersch (Spec. de Plat.
Symp. p. 7) an einen von Pausanias verfassten Xcyoq epid~c/.äq
denken; dann würden wir aber an unserer Stelle eine Hin
deutung auf jenen Xöyoq und nicht die Worte ä-cXoyo6[A£'/oq üxkp
twv oapaai'a ey/.a)uvSou|ji,evu>v lesen, welche die Tendenz der Rede
des Pausanias im platonischen Symposion im Ganzen richtig
bezeichnen; denn Pausanias vertritt in derselben die sinnliche
Knabenliebe, wenn er sich auch gegen die rohe Befriedigung
erklärt und den Liebesgenuss durch ein inniges geistiges Ver
hältnis zwischen Liebhaber und Geliebten verklären will.
Aber, wird man sagen, es ist ja schon von Ath. V, 216 f be
merkt worden, dass sich die von Xenophon dem Pausanias
zugeschriebene Aeusserung dx; xal aTpdTeup,a äXyap.üiTa-ov av ysvovco
ey. icaiSixwv Ts y.ai epacrtov. TOikoug yäp av ifYj oieadxi p.aXicr-a alosijöat
aXX-^Xouq anroXereeiv, 0au[j.aaxa Xsywv bei Platon nicht in der Rede
Sitzungsber. d. phil.-liist. CI. LXXXIII. Bd. II. Hft. 10
146
Sclienkl.
des Pausanias findet; sie steht in jener des Phaidros 178 e und
179 a. Doch die bei Xenophon folgende Stelle -/.cd papxupia 8!
«nftexo w? xauxa eyvwyöxsc eiev y.a; 0Y)ßa?oc yai ’HXew'. • <juyx.adeöSoVTai;
youv auxoi? oji'to<; TxapaxäxxsoOat ept) xa Tcaior/.a e!c xov ayöva, ouoev
xouxo ovjpswv Xeyivv opoiov bezieht sich offenbar auf die Worte ev
"H/aot pev yäp yai sv Bouoxolg yai ou p.vj aoooi Aeyeiv äyXö? vevop.oösxrjxai
yaX'ov xb ^apß^ecOai epaoxalc, die bei Platon in der Rede des Pau-
sanias 182 b verkommen, so wie die bei Xenophon folgenden
Worte ey.etvot; pev . . . vopt^ooen sich nur als eine Wider
legung der bei Platon von Pausanias aufgestellten Behauptung
6 8’ evOaoe yai ev AayeSafpovi zzomkoc, erklären lassen. Vei’gleicht
man nun die Stellen bei Platon und Xenophon, so wird man
finden, dass letzterer die Platonischen Stellen ziemlich ungenau
wiedergegeben hat. Bei der ersteren ist nur der Wortlaut ver
schieden, bei der letzteren aber ist durch das TxapaxäxxEcöat, ei?
xov dyöiva ein neues Moment eingeführt, das dem Pausanias bei
seiner Rede nicht vorschwebte, das aber hier dazu dient, um
die zweite Stelle mit der ersten eng zu verknüpfen. Das
Ganze erscheint als eine Reproduction aus der Erinnerung,
bei welcher derlei Ungenauigkeiten leicht Vorkommen können.
Daher kann auch jenes pvrjpovtybv codXpa, wornach eine in der
Rede des Phaidros befindliche Stelle dem Pausanias zuge
schrieben wii’d, nicht befremden. Und so hat schon K. F.
Hermann (Marburger Progr. 1834 p. VII) richtig bemerkt
neque quidquam restat nisi ut memoria falsum esse Xenophontem
statuamus, wenn er auch diese Ansicht später wieder auf
gegeben hat.
Unter solchen Verhältnissen bleibt, wie mir scheint, kein
anderer Ausweg als anzunehmen, dass die oben bezeichneten
Worte ein späterer Zusatz Xenophons sind. Bald nachdem
dieser seine Apomnemoneumata, deren Schluss das Symposion
bildete, herausgegeben hatte, trat das Platonische Symposion
an’s Licht. Xenophon erhielt dies von einem Freunde in Athen
zur Benützung. Dass er sich auf seinem Landgute eine Bibliothek
angelegt habe, ist kaum anzunehmen. Es war dies unter
den damaligen Verhältnissen nicht so leicht, auch fehlten ihm
dazu wol die Mittel, da wir sein Vermögen sicherlich nicht
hoch anschlagen können. Als er nun von seinem Werke wieder
eine Reihe von Abschriften veranstalten liess, fügte er diese
Xenophontische Studien.
147
Stelle ein, bloss seiner Erinnerung folgend, die sich freilich
hier nicht ganz treu erwies.
Das Symposion Xenophons wird bei älteren Schriftstellern
nirgends erwähnt. Der erste, welcher es berücksichtigt, ist
Cicero, der Cat. mai. 16, 46 mit den Worten pocula sicut in
Xenopliontis Symposio est minuta atque rorantia auf II, 26 piiy.paT;
•/.6k'4t . . . «tujiajue^wstv hindeutet, woraus sich allerdings ergibt,
dass er diesen Dialog als selbständige Schrift betrachtete.
Die nächsten Zeugen sind Aristides und Athenäus. Ersterer
führt in dem zweiten Buche seiner liyytxc pvjxopnwd (~spt acskoü?
Aoyou) mehrere Stellen aus dem ersten und zweiten Capitel mit
Varianten an. Darunter gibt er richtig II, 517, 2 und 525, 12
Sp. = I, 1 avopöv (ohne spya, was sich schon durch seine Stel
lung als Glossem verräth), II, 554, 14 '== I, 4 sx,xexa0appivoii;,
II, 523, 21 und 22, 531, 17 = I, 8 Iwo^o-a? xt; (vgl. V, 2, wo
Mehler mit grosser Wahrscheinlichkeit xt? nach sfjhs einfügt)
und to y.akkoc, II, 533, 9 csoopoxspGt (wie dies auch DFH' über
liefern. 1 In einigen richtigen Lesearten stimmt er mit Athenäus
überein, so II, 514, 19 (Ath. XV, 686 e = IV, 3) v)v (Ath.
äv; die codd. -J)v oxav, wo also oxav ein Glossem zu i)v ist und
Apostolios im Codex A nicht das Richtige getroffen hat, wenn
er f)v tilgen wollte) und auxai. Ebenso überliefern beide an
derselben Stelle cd ye pHjv, was Cobet gegenüber der Leseart
der Handschrift al p.svxoi billigt; mir scheint aber doch pivxot
den Vorzug vor ys p.Y]v zu verdienen. Gleich darauf bietet er
Nr/.y;pdxou xouce, Athenäus Ni*, xs xoitcu, die codd. bloss NwtYjpaxou,
wornach Cobet N. xs xouxouc geschrieben hat, vielleicht richtig,
wenn gleich die Partikel xx hier eben so gut stehen als fehlen
kann. Da Aristides aus dem Gedächtnisse citiert, so ist es
sehr fraglich, ob seine Lesearten II, 517, 2 und 525, 12 = I,
1 sp.oi'fc (codd. £|j.oi) und II, 531, 23 = II, 1 -/j.Oapitovxd xe
(codd. om. xe) auf handschriftlicher Gewähr beruhen. Wie will
kürlich er mit der Ueberlieferung verfährt, zeigen die Stellen
II, 525, 25 = I, 5, wo er y.xxaopcvüv, und II, 523, 24 = I, 9,
wo er xixs auslässt, II, 533, 9 und 17 = 1, 10 wo er a-avxs<;
(codd. Txavxec) und y o PT° ts P ov (ohne xe) schreibt. In einzelnen
1 Ich bezeichne natürlich die Codices mit den Buchstaben, welche ich in
meiner Ausgabe gebraucht habe.
10*
148
Sch enk 1.
Verderbnissen stimmt er mit unseren Handschriften überein,
so II, 523, 25 und 531, 20 = I, 8 v.zy.rr^y.l, II, 533, 17 = I,
10 yopyoxepov (yopyoxepoi 0’ Zon. I, 447), II, 514, 21 = II, 3
KptxoßoüXou (rj Kptx. Ath. XV, 686 e); II, 533, 32 = II, 9 bietet
er y.a't ev oh; oe (codd. y.ai ev ot; S’), was auf das richtige y.a't ev
ot; o->5 führt; denn y.a't entspricht dem y.ai vor aXXotc (vgl. Ath.
XI, 504 d = II, 26, wo ouxw or t überliefert ist, während die
Codices und Stob. Fl. XIX, 18 richtig ouxw Be lesen). Als
falsche Lesearten, welche dem Texte des Aristides eigen sind,
bemerken wir: II, 533, 18 = I, 10 9atvovxat, was auch in F
s. v. steht, II, 514, 22 = II, 3 psv oü (codd. pevxot y.ai; pev ou
sieht ganz wie eine kecke Aenderung aus).
Athenäus verdanken wir mehrere gute Lesearten, wie
XV, 686 e = II, 3 av vupsat, worüber schon gesprochen
wurde, pev xt, wornach Stephanus pev xt hergestellt hat, II, 4
aüxai, aXElij/äpevot; (ohne o), ypY)<jxwv (nach zpöxov hinzugefügt,
wodurch auch der Parallelismus mit ypovou xoXXoü hergestellt
wird), XI, 504 c = II, 25 crwpaxa xa.'jxä und Stob. Fl. XIX, 18
(codd. oupitoata xaüxa), 26 xocouxo (Stob, richtiger xocoSxov, codd.
xoaoöxw), vjpwv (so auch Stob., codd. vjp'tv), V, 216 e = VIII,
32 üauaavtaq ye, ouyy.aXtvooupevwv (codd. cruyy.uX., Mehler richtig
eyy.aX.), dtppovxiaxeTv (ohne y.ai). Auch XV, 686 d = II, 3 dXXrj
psv yuvaty.i, cl’k'/zq 8e avopt TxpeTxet, wie auch in F überliefert ist,
dürfte in Folge dieser Uebereinstimmung den Vorzug vor der
Leseart der anderen Handschriften ä. psv avSpi, a. Be yuvatxi
verdienen. 1 An anderen Stellen ist es zweifelhaft, ob man der
Ueberlieferung bei Athenäus folgen und die Lesearten unserer
Handschriften aufgeben soll, so V, 188 a = I, 9 oüBei; vjv o?
oüx, (codd. oüSeis ob'/,), wornach Schneider unter Zustimmung
Cobets oüSet«; coxt; ob-/, geschrieben hat; allerdings ist oüBei? obv.
sehr bedenklich, da die Stelle in dem Orakel bei Iidt. V, 56
nichts beweist, Soph. fr. inc. 850, 3 N. entschieden verderbt
ist und der Sprachgebrauch später Schriftsteller, wie Arr. Epic.
III, 1, 29, Nie. Damasc. p. 22 Or., auch nicht für die Giltig
keit der Leseart in unseren Handschriften entscheiden kann;
1 XIV, 614 c = I, 11 bietet er toormjoeia; vgl. das unmittelbar folgende
xaXXoxpta, wo wie oben alle Handschriften xa etch., GH 2 xa aXX. über
liefern.
Xonophontisclie Studien.
149
es liegt daher am nächsten suoeic o? ouy. zu schreiben, wiewol
Cobet N. Tu. p. 602 auch dies als unattisch verwirft, doch vergl.
Hell. V, 1, 3, an welcher Stelle freilich schon Weiske oaxis
hersteilen wollte, und Plat. Ale. I, 103 b, wo Proklos p. 94
Cr. nach o'jost; ein esxiv geradeso wie hier Athenäus ?jv ein
schiebt ; XV, 686, d = II, 3 aXXvj p,sv -(mav/.da, 8Xkt\ Se avopEi'a
y.rj'kr\, was Cobet N. L. p. 608 unter Streichung von y.aXi)
billigt; es lässt sich aber nicht wol begi’eifen, wie sich bei
dieser Leseart die Glosse xaXvj eingeschlichen haben sollte;
man wird daher vielmehr annehmen müssen, dass ■('r/ys/J. durch
eine Dittographie des folgenden a in -fiivocwM verderbt wurde,
was dann die Aenderung in ^uvaasta und des entsprechenden
avSpi in avSpeta nach sich zog; eben daselbst oüäeit; (codd. dv-}]p
cuSst?), von Cobet gebilligt; doch ist oüoeit; allein zu allgemein
und avvjp auch wegen des vorhergehenden ävopbs nicht un
passend ; IV, 188 d = IV, 19 tooXi) xwv 2siXtjvöv ahylb) Xe-pov
sivat, wornach man vermuthen könnte, dass er statt aic^icxo? das
allerdings ganz passende a!c/iojv gelesen habe. Freilich ist
diese Stelle eine sehr freie Paraphrase, aus welcher man auch
nicht ersehen kann, ob Athenäus VI, 1, wie es nach den Worten
TOpoTi'0Y)ai vnnjx^pia cptXijpaxa scheinen könnte, xa 'nv:r l ~r l p<.a <piXijpaxa
gelesen hat. Ebenso frei behandelt er V, 188 a = I, 9, wo
er espeXy.exat . . . e<p’ eauxo citiert, was eben so wenig Glauben
verdient wie gleich darauf <ji<iyrcY)X6xspoi, XIV, 614 c = I, 11
ßoöXerai, XV, 686 e = II, 3 Svsxsv, V, 216 e = VIII, 32
toxioixwv (ohne xe), 33 potXiox’ äv . . . «rooXticetv. Mehrfach stimmt
sein Text mit den verderbten Lesearten unserer Handschriften,
wie XV, 686 d = II, 3 ev£pwu, XI, 504 c und d = II, 25
xd xwv sv yÜ ?uo(xeva)v (mit DEFGH 2 ), Äyav aOpöwc, V, 216 e
= VIII, 33 aicr/üvovxai. V, 187 f bestätigt er durch y.axaxXtOsvxec
die Leseart y.axsy.Xi'0-rjcav I, 8, welche Form Mehler, Dindorf
und Cobet in wtxexXlvYjuav ändern wollen. XI, 504 c = II, 26
hat er ebenso wie Stob. Fl. XIX, 18 das Glossem peOusiv vor
uTxo xou o’ivou, während in den Handschriften es nach diesen Wor
ten überliefert ist. Aber auch seine eigenen Verderbnisse hatte
bereits der Text des Athenäus, so XV, 686, e = II, 3 dXXw;
xe äv toxi, 4 v.ai Kupouda. dvbpwv •<) (Lpou ^uvat^tv vjSEwv toxi äxouai'a
xoQeivoxEpa (die Entstehung der Corruptel erklärt treffend Cobet
N. L. 607), sXeuQsptai, XI, 504 c und d = II, 25 ävOp&ixous
150
Schonkl.
(ohne tsuc), 26 vopT.si'o'.c;! (ohne sv). Man sieht daraus, wie übel
zugerichtet die Handschriften schon in jenen Zeiten waren.
Pollux spielt VI, 30 (vgl. 20) auf ituxvä eukJhdwc&iwiv II,
26 an, indem er die Phrase xuzvov ixotpsx,äl(siv anführt, und zwar
wie es scheint aus dem Gedächtnisse; man kann daher daraus
auf seinen Text kaum einen Schluss ziehen; doch kann immer
hin in demselben die Form diezä^eiv gestanden haben, die auch
in B FII 2 überliefert ist, während die anderen und Stob. Fl.
XIX, 18 im Vindob. und Paris. A (letzterer hat s s. v., wie
der Codex A des Symposion) die Form 'i ay.'Ce<:> bieten. Wich
tiger ist die Stelle II, 10 toüXcp vsov ü-avOCW xapä m S>vx y.aGsp-
xovti •)) xspi ty)v uxyjvr,v ävepxo'ra, welche offenbar auf IV, 23 geht
ou)f opäc, cn toutm [j.sv tmpa tgc ü)Ta apti iouXo? icaOspxEi, KXeivta §e
xpo? to oxioGev ffi-q avaßai'vei. Um sich über diese Stelle klar zu
werden, muss man erst nach dem Zusammenhänge fragen.
Ilermogenes sagt: ,Aber, Sokrates, ich finde es nicht recht von
dir, dass du so gleichgültig gegenüber dieser Liebestollheit des
Kritobulos bist', worauf Sokrates ihn fragt, ob er denn glaube,
dass Kritobulos erst seit der Zeit, wo er mit ihm verkehre, in
diesen Zustand gekommen sei. Als nun hierauf Ilermogenes
verwundert die Frage stellt: ,Aber wann soll es denn geschehen
sein? { , antwortet Sokrates mit den angeführten Worten und
fügt hinzu, dass Kritobulos, als er mit dem Kleinias in dieselbe
Schule gieng, sich so heftig in ihn verliebt habe. Es musste
also Kleinias damals bereits über das Alter hinaus sein, wo
sich Jemand in ihn verlieben konnte. Vergleicht man nun die
bekannte Stelle im Eingänge des Protagoras, wo der Hetairos
zu Sokrates sagt: y.od p,oi y.A xpwvjv iSövti y.aXb- p.sv EcatvsTO
avyjp et:, avfjp pivTOi, u> Stöy.pccTsc, w? y’ sv auTot? v;|Ay eip^oGat, y.ac
xwywvo? TfO-q ü-oxip.xXap.Evot;, welche Worte einen, wenn auch
natürlich nur scherzhaft gemeinten Tadel enthalten, so sieht
man, dass dies die Zeit ist, wo sich der Bart am Kinne ein
stellt und das glatte Gesicht verloren geht (vgl. Plat. Symp.
181 d). Wir müssen daher die Worte xpo? to oxicGsv vjSvj
avaßatvEi auf Kleinias beziehen und damit fallen alle Versuche
in dem zweiten Gliede eine Bezeichnung des Kritobulos her
zustellen, wie die Conjectur Bornemann’s KXeivG p.sv . . . toutm
oe oder die Cobets (Prosop. Xen. p. 60) y.Eivw oe xpb? to oxigOev
rfl-q avaßai'vsi. Letztere Vermuthung wäre auch schon deshalb
Xenophontische Studien.
151
zu verwerfen, einmal weil die Beziehung des xoöxw auf Kleinias
und des y.ei'va) auf Kritobulos nicht klar wäre, und dann, weil xo6x«
(wahrscheinlich ist xouxwc zu schreiben), wie sich aus ouy öpag
ergibt, auf den anwesenden Kritobulos geht. Diesem Satze oxt
xoüxw .... yaöepxEi ist der zweite Satz coordiniert; im Deutschen
würde man sagen: Siehst du nicht, dass diesem da der Flaum
eben erst längs den Ohren herabschleicht, während er bei
Kleinias sich bereits (vom Kinne) nach rückwärts hinaufzieht.
Man sieht, dass unsere Stelle vollkommen heil und nichts zu
ändern ist. Was Pollux anführt xepi xrjv tbnjvyjv avepxovxi, ist sein
eigener nach xixpä xcc <bxa zccöspxovxi geformter Ausdruck, da
ihm das Xenophontische xpo? xo oxioOsv avaßalvei nicht bezeich
nend genug erscheinen mochte. Auch steht der Umstand, dass
bei Xenophon, wie die Worte xobxw pev xapa xd öxa apxi iouaoc
zaOepxsi (vgl. §. 28 xrplv av xo -/evsiov xp zscpaXp öpoi'ax; zop-japc)
anzudeuten scheinen, Kritobulos, obwol er schon verheiratet
ist, doch als der Jüngere gedacht wird, keineswegs im Wider
spruche mit Plat. Euthyd. 271b: zat pctXa xoXü, S> 2wy.paxec,
sxtocowzsvai poi sboijs (xo Xijtoyou psipdztov, d. i. Kleinias) zai xou
rjpexspou ou xoXu xt xrjv vjXizlav oia<psp£iv KpixoßoüXcu. aXX’ iy.ehog psv
azXvjcppop, oüxog de npotpepfg zai y.xAog zai dyaQbp x$]V b'ijnv; denn mit
ob xoX6 xi x. f. oiayspstv ist nicht bestimmt gesagt, dass Kleinias
der Jüngere war, sondern bloss, dass zwischen beiden nur ein
geringer Altersunterschied bestand. Uebrigens wäre, wenn jene
Worte anders ausgelegt werden müssten, bei der freien Be
handlung von derlei Dingen in den Dialogen auf einen solchen
Widerspr.uch kein grosses Gewicht zu legen.
Das Citat bei Diog. Laert. II, 49 = IV, 12 gibt die
richtigen Lesearten KXelvEou (codd. zstvou oder ey.etvou) und ayOopat
os; dagegen ist auf xdvxwv (codd. äxävxwv päXXov), obwol es an
sich nicht zu verwerfen ist, nichts zu geben.
Wir kommen nun zu Stobäus, dessen Text fast ganz
mit dem unserer Handschriften übereinstimmt; denn auch Fl.
XCV, 22 = HI, 9 gibt der Vindob. wie unsere Codices peya
<ppovfi> und xouxo yap, desgleichen XIX, 18 = II, 24 xou? av0pd>-
xou? (LVI, 17 freilich in einem ungenauen, aus dem Gedächt
nisse gemachten Citate &oxsp pavcpaycpa? avSpa). Er bietet
daher die gleichen Corruptelen, wie II, 25 crupxoota xaüxa, xd
xtov ev xrj '(fi <puopevü)V (dies mit ABH 1 ), 26 p.eOi=:v, aber wie
152
S chenkl.
schon bemerkt mit Ath. vor mb tou oivou. Richtig liest er
mit Ath. II, 25 toooutov und 26 worüber bereits ge
sprochen wurde; vortrefflich ist die Leseart aOpou? (II, 25)
ohne vorhergehendes ayav (dies lässt nämlich der Vindob.
fort, in B steht es von zweiter Hand über der Zeile, cod. A
hat «y«v äOpcwi;), wornach sich äyav als erklärendes Glossem
zu ctöpow? herausstellt, wie dies auch deutlich das folgende
ä0p6ov t'o totov zeigt. Was sonst an Varianten vorkommt, be
schränkt sich auf Schreibweisen (-/.ap.o'i II, 24) oder ist unbe
deutend und wenig glaubwürdig, wie ibid. ävSpe? (ohne &), 25
Sov.st y s jj.svToi, oder fehlerhaft, wie II, 26 ooaXXoviai und '(opyicic.
Darf man übrigens aus den Lesearten bei Ath. und
Stob, zu II, 25 Ta t£5v ev (t?)) yfj <poop.evwv verglichen mit II, 3
akXrj [Aev avopf, a'XXv; Se ^uvaal einen Schluss ziehen, so würde
der Codex des Ath. mit der zweiten, der des Stob, mit der
ersten Classe unserer Handschriften übereingestimmt haben.
An diese Erörterung schliessen wir einige Bemerkungen
über die Codices. Diese sind erstlich die drei uns schon be
kannten Parisini 1643 (A), 1645 (B) und 2955 (C); der letzte
enthält f. 108 a bis 110 b den Schluss des Symposion von
izkdovoq -Jj (VIII, 28) angefangen; die Worte 0? y.ai (VIII, 35)
bis xapä ool (39) sind von einer anderen Hand geschrieben.
Diese drei Codices hat nach Gail G. Sauppe verglichen; ich
selbst habe nochmals AC collationiert. Es folgen die zwei
Laurentiani LXXXV, 9 (D) und LXXX, 13 (E), wo das
Symposion f. 429 ff. und 132 ff. enthalten ist, beide von
H. Vitelli verglichen; 1 zuletzt kommen die drei Vindobonenses
CIX (V) (F), chart., saec. XV, den J. H. Chr. Schubart col
lationiert hat (vgl. G. Sauppe Quaest. Xen. part. III, Torgau
1841), weshalb mir bloss eine Revision übrig blieb, dann
CXV (G) und XXXVII. Diese Handschrift enthält zweimal
das Symposion, nämlich f. 112 b bis 124 b und von einer
zweiten Hand f. 148 b bis 163 b. Ich habe die beiden Ab
schriften, welche ich nebst G selbst verglichen habe, mit
H 1 und H 2 bezeichnet. Kaum der Erwähnung werth ist der
Leidensis e legato Vulcanii n. 2 chart. saec. XV, den Mehler
1 Die Collation von F verdanke ich der Liberalität der k. Akademie der
"Wissenschaften.
Xenophontisclie Studien.
153
eingeselien hat (vgl. dessen Ausgabe des Symposion Leiden
1850, Praef. p. IX). Er bezeichnet ihn als werthlos und hat
daher nur eine oder die andere Leseart mitgetheilt.
Wie beim Oikonomikos, so gebe ich auch hier eine Aus
wahl der Varianten, um darnach über die Gliederung und
den Werth der einzelnen Handschriften ein Urtheil sicher
zustellen.
ÄsvocpüiVTOS p^xopos aupuoaiov BD , EevcxptoVTCx; p^xopos xai cpiXoaocpou
aupoaiov F, SevocpcovTo? aup.Tcoaiov H 2 , apyyj xou EevocpcSvxo<; aup.~o<jiou E,
Supo'aiov G; in ACH 1 non est inscriptio.
p. 72, Dind., 2 xa om. G. —3 xa om. H 2 . — TzctiSdctiq A (i s. y.) B. —
10 ipjttjpaeT H 2 . — 11 et 14 atoxpaxrj F. — 12 §ppioydv7)v F. — avxiaGevrj FH 2 .
— 17 syxExaOappivon; Y. — 19 bmapyoi? A (a s. v.j E (ai s. v.) H 1 H 2 ,
i7t7capyais DFG, urcapyai? B. — arcouBap/ais A (o s. v.) cet. — 78, 6 cjooxpaxy)
F. — 10 yp7)<ra[j.EV0L A (cd s. v.) H 1 . — 13 ouv om. G. — 14 xo om. Y. —
16 XEXtfjxat D, xdxx7jxai cet. — 23 yopyo'xspo'v Y. — 24 (jcpoBporepot DEFH 1 ,
(KpoBpo'xspov cet. — 25 <pdpovxai F (cpa^vovxai s. v.). — 28 EXsuOsptoxEpov A,
eXsuOspuDxaxov GH 2 , sXEuQspcdxaxov cet. — 74, 3 xe Y. — 4 xa aXX. GH 2 . —
8 yE om. A, post [xsvxoi ponit G. — 9 BfjXovdxi G. — 16 euQu; xi ysXotov G.
— 19 8’ D, Bl cet. — 28 xai om H 2 . — xaXsT (ot s. v.) A. — 30 xou xe p
A (in mg. otfxs pv) cet. — 75, 1 Tcpoa^EpsaÖai Y. — 2 xe om. F. — 4
yEXaadp.svo? (oi s. v.) A. — 5 sijsxaxyacjEV G, Eijexdyyaasv cet. — 9 EOTCEi'aavxo
Y. — 10 spysxai xij DF (xi; post Supaxo'aio; omisso). — aupazoaiog DEH 2 ,
auppaxouaio<; F, aupaxodcrios cet. — 14 xai om. H 2 . — 20 p.upov DG, p.upov
cet. — 7)pv s. v. A. — 21 w acoxpaxe; F. — 23 dBp F. — 23. aXXrj p.'sv
yuvaixf, aXXrj Be avBpi F. — 26 v)v oxav A (3)v expuncto) cet. — xouBs om.
Y. — 27 i\ om. Y. — pivxoi Y. — 28 auxai Y. — 76, 1 [j-oa^cDV ABH 1 .
— 2 tjoXXou post ypdvou add. Y. — 6 ypfapia Y. — 7 xcov om. AEH 1 . — 10
au{j.[j.iy% Y. — 14 xo om. Y. — 15 xauQa (om. ev) D. — 16 auxco et Eup^asu;
ABEH 1 . — xouxou suprjaEi G. — 17 ou B, ouBsv F, ouBk cet. — 18 xouxo D,
xouxou cet. — 18 p.aOr]xdov Y. — 20 iaxi AB. — 22 et 23 aux?j om. H 2 . —
24 eveB^Bou H 2 . — 25 avsppiViEiv A (v eraso) B. — 26 Bovoupsvoui; Y. — 29
ysfccov F, ystpov cet. — 30 xij A (? s. v.) BEH 1 . — 77, 3 ypvj (in mg. ypi])
A. — 8 Buvavxai A (cd s. v.), Buvovxai H 2 . — 9 y^pfJaOai G. — 12 Br\ om. GH 2 .
— 13 ajio F, oiTzo cet. — e8ei£sv E (ei in o corr.) BGH 1 . — 14 opOwv i-i^cov H 2 .
— 15 e?s p.sv oüv DF. — 17 7:d0oi G. — 19 y£ xsOscDpivoui; G, ys om. B. —
avxiXs^Eiv x<x8e G. — 20 ou DFH 2 . — avBpia AEH 1 . — 21 ouxco om. F. —
’isxai DFG, o’iExai H 2 . — 22 auppaxouadcp F, aupaxouatcp A, aucaxoaafcD (a
eras.) E. — 23 ijci8sfi*avxa F. —24 txoi^o-el Y. — 27 es F. — 30 e’iBex’ A (in
mg. ’iBex’). — 31 6 om. Y. — 78, 3 7upo<j£vo'7]aa Y. — 6 sucpopcoxspov E (ep in
ras.), EuipopcDxaxov H 2 . — 7 pivxoi G. — auppaxouaiE F. — 8 yp^aEi A (yj s. v.),
H 2 , ypriGT] cet. — 12 ei om. A. — ßodXopa A (cd s. v.). — 15 xous B's
oSp.ous A, xous Be ojp.ous cet.; in D verba xa axdXrj p.'sv et xous B's <d(xou<;
scripta sunt in ras.; in B inde ab E7:i0up.cD (13) usque ad xou; pv oSpui; (16)
. «i
s
154 Solenlcl.
est lacuna. — 23 sv trxia 3) F, lv oxiöi ^ DEH 2 , lav axia ^ A (qui pro xo'Ss
in mg'. xi Sk) BGH 1 . — 79, 1 tpafvr) Y. — 5 . au(v s. Y^avxiaxotyw A. —
avxETvkSst^Ev B. — 13 xoüjuxpooOEv ABEH'. — 17 Oäxxov Y. — apuOjj.ov D,
apiOjiov G, d'ppoOjjov cet. — "ei DEFGIDH 2 , IV A. — lylo youv ABEH 1 ,
Eyioy 1 oüv cet. — 21 IvyEaxw A (y s. v.). — ipiäX7)V om. H 2 . — 28 xaüxa Y.
— xd xüjv iv y?) (lv Xfl y?j ABH 1 ) cpuoji/vtov Y. — 30 xa; aüpa; (in mg. xat;
aüpaip) A. — 31 o’ E, 8k cet. — xoaouxco Y. — nivEi ABEGH 1 . — 80, 5
rjjuv T) Jiat;. . . im'iaxdijcoaiv (e supra « et i) supra watv adscriptis) A, ImAs-
xd^touiv BFH 2 . — 8 jxaiSiwSs'sxEpov B. — 16 ouxw; ABEH 1 . — 17 aüxr) Y.
— 18 Sk H 2 . — 19 oüxco DF. — 23 efeov DFH 2 , Emav cet. — 27 aüxou Y.
— 29 ^Iprjxai G et (xe s. v.) H 1 . •— 31 k'ipr) om. H 2 . — 81, 3 IIo'xEpov DF,
IIoxE'pav cet. — 4 ei (ij s. v.) F, t) cet. — 6 avopia AEH 1 . — 8 jjiyvuxai G.
— 11 k'py] om. H 2 . — 12 6 post jiaxrjp add. Y. — 14 jiavödvEtv (in mg. yp.
fjaOsiv) G. — 19 k’Ovo; om. B. — vjXiOitöxepöv yE G. — 26 E<prj ö awxpdx7); A E,
e97) 2> oiÄxpaxE; BGH 1 , ti) awxpaxES k'fn DF, k'cpr). ’H . . . xxXXei om. H 2 .
— 27 <jä> om. A. — 30 jj.kv ydp orj A, Sk Srj B. — 82, 1 post TuoXVjv add.
Ecprj DF. — 4 ’Eyw oüv A. — 5 Eu'^apixip ABEGH 1 . — 10 p.aaxpoxia BEG.
— 11 auxov Y. — 14 xp'05 et 15 oxi om. Y. — 20 0x1 om. Y. — 22 Ipuflpiaoa?
G. — 25 oxi post ctjtEV add. DF GH 1 . — 26 oiaO’ G. — 28 lyw om. H 2 . —
30 k'cp7] EtX7)ij.v.xi H 2 . — 83, 1 dydXXj) Y. — 5 SrjXojoot DFH 2 , SriXwijEi G (01
s. v.) cet. — 10 xtov «vGptironv ABEH 1 . — 12 Sia G. — 15 ßaXXavxfto FH 2 ,
ßaXavxtw G (X s. v.). — 16 ßaXXavxiov FGH 2 . — 20 rj E (>j in mg. m 2 )
AB GH 1 . — 25 jjkv r.p b; Y. — av post Sixafou; add. Y. — 29 ratrjoai ex
jtoiouat F. — jj.hj0ü> aüxoli; AH 2 , jjuatko auxd? F, [J.iaOto aüxat; cet. — 84, 1
jxpoaayopsÜEiv BD. — 5 i;uvrjxE A. — ö op.7)p04 F. — 7 oüv av ^pxüv F. — 12
xapxEpoE G. — 18 jj-aXa G, u.d SP cet. — 19 xpojxjjiuov ABEFH 1 . — 20
xpo'jjuov DGH 2 . — 21 xoüxoo BEGI1 1 . — l'uEaflai G et (e s. v.) H 1 . — 27
oüxw; Y. — xpöfjLuov DGH 2 . — 85, 1 xpo'[j.uov DGH 2 . — 10 jj.ev ante yap
add. G. — avSpa; up.a? G. — 15 xaXXa ABEGH 1 . — 17 av SsSjaiprjV DFH 2 .
— sxefvou xai A, Ixsfvou H 2 , xei’vou cet. — 18 ayßop.a.1 xe Y. — 22 xd äyaOa
A. — 23 ys om. G. — 24 kytoy’ oüv DEFGH'H 2 . — 25 xd 0vxa KXEivfa
DFGH 2 . — 29 7:005 A (s deleto) BDEFH'H 2 . — 86, 6 xauxa G. — 8 oüv
Y. - 11 ys xaüxT) G. — 14 8k pro ydp Y, om. H 2 . — 15 <rujj.7capo(iapxouvxo5
H 1 , -xa; A (0 s. v.) E (a corr. in 0) cet. — 20 Xs'yEi; G (01 s. v.). — 25
[AE[xv7j<JEi H 2 , -37) cet. — 27 EjxaVE'XOwai A. — 29 !jti<jTp6[iai; A (x s. v.) B.
— 30 post ydp add. au ABEGH 1 . — r.mtsi] Y. — 31 "Av A. — 87, 1 aatpfi;
Y. — 12 xai post IjjLol add. G. — 13 xouxo (in mg. xoüxco) A. — 15 oüxo>5
Y. — 20 Xt0!vtos post xai add. Y. — oCoapou om. F, aTXTjst. om. H 2 . — 21 post
Sk add. 7J87) D, otj cet., om. B. — 23 Gp.Tv Y. — ouxoi Y. — 25 axtaxov F. —
27 k'pyiov D et (o corr.) G, k'pyov cet. — at.ou.axi Y. —■ 88, 1 [J.opu.oXuxx7] Y
(jj.oppi.uxxy), in mg. pop|j.oXüxx7] EH 1 ). — 3 IpßaxEÜEXE A (eve s. v.) cet. xij
xs-paXy ::po5 X7jv x.EtpaXvjv Y. — 8 'oSacov (in mg. toSa^ouv) A. —■ xvrju.a A, xai
xv7)ajj.a B, xvijajja cet. — 9 x( A (in mg. zol) cet. — 18 ü~o X7j5 naxoiooc in
ß' «'
mg. B. — 23 xaxw; om G. — 89, 1 jj-ev vuv AE, jakv vüv D, vüv om. B. —
5 oCiSe Y. — 9 EÜyyi Y. — 11 Bueic ADE, O6015 cet. — 16 M 7:Xouxco (pro
X0Ü5 avOptÖCTup, del. m u in mg. m 2 xiüv avOptixiov) F. — 22. XEpiaoEÜovxa Y.
Xenophontißche Studien.
155
— ante add. xa DFH 2 . — oüxco? aO DF GH 2 . — 28 aOpow? A. — 31
ayav ora. DF. — 90* 3 gpv ABGH’H 2 . — post eyw add. av Y. — 7
ptyoüv Y. — 10 fiixEaxi A (in mg. pi saxi) cet. — 11 xai om. ABEGH 1 .
— 13 eOeXslv auxai«; F. — 14 xofvuv om. G. — 15 ooxouaiv AB EH 1 . — 16
xouxcov Y. — 23 yfyvsxai D, y(vExai cet. — 25 T:ooacp^oop.ai A (to s. y.) BG.
— 26 Oaup.aai'tp ABEH 1 . — 28 aaxouvxai; (in mg. axo?:ouvxa$) F. — 91* 4
xotvuv B. — vuvi FGH 2 . — 6 xai ante xo om. H 2 , xo om. B. — axpoxaxov G.
— 8 OsaaaaOai FGH 2 , Oeai|| CT ^ ai (||| = ras. unius vel duarum litt.) E. — 9 ou
Y. — 12 ouxa); [J.EV ouv ouxo; AßEG PI 1 . — 17 8avsiGdp.svo<; Y. — 23 gol pro
xtai A. — 92* 5 xa ayaOa G. — 28 xi xaxov Y. — 98* 4 to s. v. D. —•
aupaxoais A (ou s. v.), aupaxouaiE B, auppaxouGis F, aupaxioais H 1 . — 7 M xiva^
•A-. — 8 xoaouxo AE. — 12 vop.iToii; EG, vo'j.(£el<; H 1 (oi s. v.) cet. — 14 ap’
FGH 2 . — 18 au ABEH 1 , a 01 (o<! in ras. m 2 ) D. — aXXa H 2 . — 19 p.s'ya
a^iov G. — 25 oiov DF. — 27 dx; (in ras.) G (in mg*, ouxco;). — 29 oxviJxE
DFH 2 . — 94* *1 sfaav ABEGII 1 . — xouxo (s. v.) G. — 8 xi iaxiv Y. — 10
saxi om. B. — 16 apfaxoui; A (in mg. ap^axovxa?) cet. — 19 oaxi<; pro oxt G.
— 23 spya^saOai A. — 26 p.oi öoxst dvxia0svr)$ ecp7] H 2 . — 27 7:apaÖ{6co<; scprj
ß a
ABEGIHH 2 . — tu aojxpaxs? ^apaStöws F. — 95* 2 Tspoayopsuovxa A (in mg.
TipoaytoyEuovxa), 7upoayopsuaavxa BEH 1 . — 6 xaxov A (X s. v.) cet. — 16 xe om.
B. — auxw Y. — oik'.y.c, A. — 26 sfas DF GH 2 , cet. — 96* 13 rjSr] om.
BG. — 15 xaxEuöu ADEH 1 . — 17 x.apxtvov ABEH 1 . — 20 sivai (oip.ai s. v.)
G. — 22 p(vac AB FH 2 . — 26 euOu; ia DF. — 97* 3 Xoyfci H 2 , -£r) cet.
— 7 aTtoxfoai Y. — 8 xpußrf ABEGH 1 , xpu^rj DFH 2 . — 15 r:a7;ai ABEGHHi 2 .
— 24 Ecprj post av add. F (in A desunt xavxauQa . . . 'Epp.o'ysvs;). — 26 o Y.
— dXX’ o Soxel F. — 29 et 30 3) Y. — 30 ou Y. — 31 rj|j.a$ DFGH 2 . —
98* 2 xi£ A (; eras.) BEH 1 . — 4 ei B, r) cet. — 6 6iaXs'yop.ai A (co s. v.)
BDEGH 1 . — 7 (o post s^rj add. BFH 2 . — 11 p-op^a^Ei; (oi s. v.) GH 1 . —
15 aupiap-bv G. — 16 aupaxbaio«; A (u s. v.), aupaxouaio<; B. — 17 auxou Y.
— 19 ouxouv (corr. ouxouv) A. — 26 ovxs<;, 28 tJjuXXa, 29 onziyzi Y. — 99* 7
ßsXxtav Y. — 9 OE H 2 , [j.7)Ss cet. — xouxojv Y. — 18 opyiaxpiöi AH 1 . — 19
xspauixiuv ADE, xspap.Eixtov cet. — Oauij-aaioupyrjaEiv Y. — 21 xivBuvsuto DF
et (yp. xivouvsuato in mg.) G, xtvöuvEuato cet. — 22 ouv Y. — 24 p.dXiax’
DFH 2 , p.aXiaxa (om. av) G. — 27 xe Y. — 28 avayiyvtoaxstv G, avayiv. cet.
— 30 xl Y. — 100, 4 xl Svj/ioxs ABEH 1 . — 6 auxw Y. — 7 ov om. A, in
H 2 lacuna. — 10 ettlx^Seuel G (in mg. yp. stulgtcsüSei). — 12 xe om. B, y£ cet.
— 21 p.EV om. Y. — 22 iaoup.svou Y. — post p.7) add. av Y. — 27 p.7)v xai
spcup-EVoi; B, jjltjv Exi (J.rjv xai Eptop-svoc cet. — 28 xai ante aXXwv add. F. —
101* 8 xai pro tu; H 2 . — 11 SiaXs'yEi G, 8iaXby7) cet. — 24 avSpiav AE FH 1 .
— 26 xai om. Y. — spcoptsvou Y. — 30 slgl xai vaoi DF. — 102* 13 xpEtxxov
AH 2 . — 16 töfa Y. — 19 xov EptopLEVov A (tov et w s*. v.) cet. — ap.<pbxspoi
et 22 rj (pro ’ip) Y. — 23 yivsxai AEH 1 . — 28 xouxo D et (corr. xouxou) F,
xouxou cet. — iroacppoBixorx^pa BEFH 1 , E7ia9po6ixoxs'pa A (to s. v.) cet. — 108*
1 p.oporj ABDEH 1 . — yEWai'a 4uyij vel yEwaia <]/uy'7j Y. — 6 xdyaObs E. —
9 riaxsuoi F, TTiGXEUEL G, t:lgxeu7] A (ol s. v.) cet. — 14 6e F. — 24 7:apa
DH 2 , Tzipa. cet. — 25 sipysiv A (puncto subter v posito) cet. — 26 p.r) Y. —
30 yE om. BF. — 104* 13 cpotvi? G, cpo(vi? cet. — 15 ale'l A, — xl A (in mg.
156
Schenkl.
toi), om. B. — 17 Xap.upu>TEpov G (in mg. rjy. avaiSfetEpov). — 17 öaupatYjTE
FH 2 . — 19 autff) Epwta H 2 . — 23 xaproocrrjTai F. — 24 ante XEZtrjpivw ras.
in E (fortasse scriptum erat EXTY][j.kvw). — 26 oaa av pkv Y. — 28 TäXXa
EGH 1 . — yiviuoxr] BDF. — 30 p.SXXov s. v. m 2 ut yidetur F. — 105, 1
apEtrjv ctoxEtv H 2 . — 7 Inde a verbis xaeiovo; i) tijv incipit C. — 8 oow (v
s. v. postea additum) F. — 10 post illoyal; add. ayaOaT; F (s. y.) cet. — 11
aüto'u; F. — 12 Sioaxopoi C, SioVxoupoi F, oioaxoupoi cet. — 15 xai ev au.r(pio
B. — 16 8’ axoucov Y. — 17 {jSet’ axoücov F, fjSexal t 1 cixoucov B, rj'SEtai t«8e
äxoutov C. — 24 i!>; y 1 co; BG. •—■ xaiBixw; Y. — 31 xai ante jioveTv om. F.
— 106, 2 te Y. — 7 tjiEyEiv t! F, <|) 2 y£iv te AH 1 (uterque correctus). — 8
xai ante a^povtiatEW add. Y. — 9 atayüvovrai Y. —-11 auyxaOEÜSovuE; A (o;
s. v.) cet. — 14 8’ DF, 8e cet. — 19 oo-co; AB CE GH 1 . — 22 cotoXweeiv B.
— 23 a?8ä) ABU 1 . — 24 eraaxo-wpEV Y. —■ 27 pkv om. F. — 107, 1 a8r)Xov
F (e’j s. v.). — 2 avkcry Etat C. — 5 raXEpitov H 2 , jioXe'pcov G, toXemv cet. —
19 autijv Y. — 21 an’ in ras. E. — 108, 1 [raatpojtEÜEi; AG. — 2 aptato;
F, äpEto? H 2 . — 12 avOpcorco; om. C. — 15 ujcsiotv G. — ts om. F. — 17
jtaijoüvtai A (in mg. radäjovtat) CGH'H 2 , jce^ouvrai B. — 20 otitto DF. — 24
oüS’ G. — 101), 1 ex 8k toutou B, ex oa) totitou F. — tE om. B. — 2 oßtto;
II 2 . — 3 u.7] pro ou C (s. v.). —■ 6 äuto'v A, auto'v GH 2 , aunjv EH 1 , aOtov
cet. — 7 Be Y. — tiSatE om. Y. — 8 Exopo'aai DF, ouvopdoat E (v eras.). —
^ FH 2 , ?) cet. — In CH 2 subscriptum tsO-o;, in B tdXos tou <jup.7;oij(ou tto Oeto
-Xetatrj ydpi;, in E m 2 tiXo; toö oup.j;o!j[ou, in D F Ijevotptovtos piytopo; aupraiaiov.
Aus diesem Variantenverzeichnisse ergibt sieb nun, dass
wir wie für den Oikonomikos, so auch für das Symposion
zwei Classen von Handschriften anzunehmen haben. Und da
die Codices, welche wir schon beim Oikonomikos besprochen
haben, sich ganz in derselben Weise in die beiden Classen
vertheilen, so ersieht man, dass die beiden Dialoge in der
Ueberlieferung eng miteinander verknüpft waren. Die erste
Classe umfasst die Handschriften AB EID und auch G, der
aber einen eigenen nach einem Exemplare der zweiten Gattung
revidierten Text bietet. Wie A und B, so stehen sich E und
H 1 am nächsten. Die zweite Classe enthält CD FH 2 , von
denen wieder F und H 2 unter einander sehr nahe verwandt
sind. Aus einem F sehr ähnlichen Exemplare ist die editio
Juntina geflossen (vgl. Sauppe a. a. O. p. II).
Die zweite Classe ist wie bei dem Oikonomikos jeden
falls die bessere und unter ihren Vertretern nimmt wieder F
eine hervorragende Stellung ein. So überliefert F mit anderen
Codices seiner Classe, besonders mit D richtig: II, 19 ev <r/.ia •)),
III, 2 eTrov, 4 xöxspov, V, 8 xpusv), VII, 2 •/.ivSuveüw, VIII, 15 touto,
16 (xoppyj, IX, 2 -a'.poDv-at, IV, 2 die Form ßaX/Gvuov. Auch III,
Xenophontisclie Studien.
157
13 slxsv oi'. und V, 1 sres. (statt £<pt]) haben viel Wahrschein
liches. Allein bietet F die guten Lesearten: II, 9 /Ei'ptov, 10
aTto, III, 4 si (x,aXoy.aya0Ea), IV, 42 daxoSvia?, VI, 1 ( ! 'E/ou; av,)
2<pv), VIII, 29 äyaGai; (s. v.), was nur durch eine Dittographie
aus dyaaOeiv; entstanden ist. Auch VIII, 2 -/.ai (aXXwv) hat viel
für sich, wie denn auch der Umstand, dass er fast durchaus die
Formen ü«-/.päTY], Av-ucrGevir] 1, 2; 7 ('Ep|j.oysvr ( v I, 2) überliefert,
bemerkenswert!! ist. Die Auslassungen von ys VIII, 21 nach
dTtep.-oXwv, p.sv VIII, 36 nach sy« können einem Corrector an
gehören ; wenigstens lassen sich beide Partikeln ganz gut er
klären. Was der Codex VI, 1 überliefert ’AXX’ o BoxeI toüt’ £®yj,
hatte auch Ileindorf vorgeschlagen und diese Leseart ist von
Dindorf (in der Ausgabe von 1823), der diese Conjectur elegan-
tissima nennt, unter Vergleichung von Plat. Men. 83 c und
dann von Sauppe aufgenommen worden. Aber es bleibt doch
sehr misslich den Imperativ eixe zu ergänzen. Vielleicht hat
Xenophon AXXd Boxet t! goi geschrieben. Gar nichts für sich
haben VIII, 29 au-ous für toutguc, 30 v;oeF äxc6«v. Was D an
betrifft, so gibt er richtig II, 6 touto, IV, 24 Be IjBy) (wahr
scheinlich o’ vjcr : zu sclireiben, woraus sich auch die Leseart
der übrigen Codices Be Bi] leicht erklärt), 26 epy«v (auch G),
VIII, 19 trapa (mit H 2 ). II, 22 führt seine Schreibweise Gä-rrov
apu0p.ov am nächsten auf Odrtova puGp.bv. Nicht uninteressant sind
einige Varianten in H 2 , nämlich II, 23 p.eyiXv)v (ohne <piaXyjv,
was auch Cobet streichen will), VIII, 24 au-« eporra, was ich
ohne Weiteres in den Text aufgenommen habe, da nur so
aür« seine richtige Stellung erhält, 1 endlich VIII, 38 ttoXe|A«v
(ttoXep,«v G). Auch hat er mitunter die echten Formen der
zweiten Person des Singulars im Medium erhalten, wie IV,
20 p.Ep,vv]cr£i, V, 7 boytTet. Dagegen werden die Varianten II, 1
s'üiBei/.vu? ohne v.a\ und 16 EÜoopw-aTov (so wie es scheint ursprüng
lich auchE) schwerlich auf Beachtung Anspruch machen können.
Wenig bietet das kleine Bruchstück in C, nämlich ausser
1 Umstellungen von Wörtern sind auch in den Codices unserer Schrift
nicht selten, z. li. IV, 3 psv r.p'os (Victorius richtig jEpo; psv), VIII, 19
Suhl a (Mehler ort SP a). So ist wol auch VIII, 2 mit Castalio Kpito-
ßouAoc ve p.r]v l'rt zat vuv (codd. eti p.r|V zal d. i. eti vüv zal, indem der
Schreiber irrthiimlich [j./jv wiederholte) zu schreiben, nicht aber dem Codex
B zu folgen, wo der Bevisor des Textes eti [j-tjv gestrichen hat.
158
Schenk!.
Aiooxo'poi VIII, 29 nur noch IX, 1 cov.v.c p.oi olme ävOpw-oc, was
man jedenfalls streichen muss, wenn man nicht etwa annimmt,
dass es aus Verwechslung des Compendium von ävQpwxoc mit
ävrjp entstanden ist (vgl. II, 25, wo Cobet xwv avöpti-wv für xöv
dvSpöv herstellen will, und die Variante avopa Stob. Fl. LVI,
17 gegenüber xobc dvOpw-ou? Fl. XIX, 18 = II, 24).
Viel weniger Gutes findet man in den Varianten der
zweiten Classe, wie III, 7 ecvj 6 2w/.päv^c (AE), VI, 2 (xcu) üp.ä?
(ABEH 1 ); III, 9 eu/aphu (ABEGH 1 ), wahrscheinlich richtig
(vgl. Oec. V, 10, VII, 87). Der Codex A bietet allein einiges
Bemerkenswerthes, nämlich I, 10 sXsuOepiÖTSpov (Schäfer sXsuOspul)-
TEpov), II, 17 xou? 3s (bp.ou; os, wornach Dindorf entsprechend
dem vorhergehenden xce oÜÜeXy; piv : xouc; wp.ouc; 81 geschrieben hat
(in D steht freilich xa gäeXy; p.sv und xob? 3s wp.o'Jc auf einer
Rasur), IV, 64 oi/dap, was viel für sich hat, VIII, 23 xi (mit
der Variante xot), wahrscheinlich richtig, wie auch Cobet be
merkt hat. II, 16 ist die Form ypi)<ret zu bemerken. Michael
Apostolios, der diesen Codex geschrieben hat, revidierte den
Text, wobei er nicht bloss mehrere dieser Handschrift eigen-
thümliche Fehler beseitigte, sondern auch an einigen Stellen,
wo alle Codices verderbt sind, das Richtige herstellte, so I,
15 ouxe p.Yjv (für xob xe p,v)), IV, 28 (vuv) xoi, 62 xaXov, VIII, 13
xwv epwpivwv, 19 EipyEi. Zweimal hat er Verbesserungen vorge
nommen, die sich auch in Handschriften derselben Classe finden,
nämlich IV, 15 xpb (so auch G), 17 aup.-apop.apxouvxo; (H 1 und
durch Correctur E). Mitunter ist er, wenn er auch das Richtige
nicht getroffen hat, doch demselben nahe gekommen, wie IV,
59 apsoxovxac (aus §. 57) statt apwxouc, wofür äpscxob? zu schrei
ben war (vgl. die Varianten zu VIII, 42), 62 ^poaywYEÜovxa
statt xpoayopeüavxa (eig. TrpoavwYeuaayxa). Daneben finden sich aber
auch mehrere schlechte und verkehrte Conjecturen, wie iSsx’
II, 15, EvsßaxEuexE IV, 59 und ähnliches, was wir hier auf
zuführen uns ersparen können (vgl. Dindorf in der Ausgabe
von 1823, p. IV ff.). Der sehr verderbte Codex B zeigt eben
falls in einigen Spuren die Hand eines Grammatikers, vgl. II,
6 ob otoor/.xbv, was auch Cobet vorgeschlagen hat, IV, 34 om.
3cv, was durch Dittographie aus dem folgenden a b xb? entstanden
ist, 64 om. xe (nach yiyvioozeiv) ; VIII, 30 e v ‘Op.^pw, wofür aber,
wie Mehler richtig bemerkt, der Sprachgebrauch xap’ fordert.
Xonophontisclie Studien.
159
IV, 29 hat er die Worte ö-'o tv;? tzo.-pioo? am Rande; allerdings
sind diese Worte hier etwas anstössig, besonders der Ausdruck
TCcptoo? statt xöXsw?, so dass der Verdacht eines Glossems nicht
ausgeschlossen bleibt. Fast nichts kann G aufweisen; einmal
IV, 7 liest er richtig p.aXa (p.dX’), während die anderen Codices
jj.d At’ überliefern, VIII, 5 hat er die Form StaXe-pEt; xdöot II,
11 (die anderen xdOp) ist nicht nothwendig.
Das Symposion ist uns beinahe eben so wie der Oikono-
mikos durch Interpolationen und Lücken entstellt überliefert.
Unter den grösseren Interpolationen sind zwei Randbemerkungen
von Lesern, nämlich IV, 19 die Worte 6 3s 2o3-/.pct~i;c y.a't i-uYxavs
Ttpoaep/psp})? toütoi? vjv (von Conrad Orelli gestrichen), IV, 26
law? Ss xal ota to pivov xaviwv Ipyojv t'o toi? axöp.aat aupAauetv
6p.wvup.ov Eival tw Tal? <jwyal? <piXeta6ai eviip-öxepov laxtv (wie Dindorf
richtig bemerkt eine ganz ähnliche Glosse, wie Comm. I, 3,
13 law? 36 y.a't . . . xtxpway.ouaiv). Zwei andere, nämlich IV, 37
xoXXa eywv y.a't (Lange) und 48 a T£ Set zat ä oü ypr; xoieiv (Cobet)
sind erweiternde und erklärende Glosseme. Ob auch oü otaXe-
yei p.ot VIII, 5 etwa als Erklärung von xotauxa -c'.elc hieher zu
ziehen ist, wie Cobet will, bleibt unsicher. Will man es halten,
so muss man wol yap nach piv einfügen. Gi’össer ist die Zahl
der kleineren Einschiebsel, welche Ausdrücke oder Construc-
tionen verdeutlichen sollen, wie I, 1 ep-pa, das wie schon
bemerkt bei Aristides fehlt, 15 xpaYp.zxa (Melder), II, 22 xpoyou?
(Bornemann), 25 ayav (fehlt im Stob. Vindob.), 26 p.sÖüetv (Con
rad Orelli; schon dui’ch die verschiedene Stellung in den Hand
schriften und bei Ath. und Stob, verdächtig), IV, 1 tw ypovw
(Mehler), 38 iyw (Cobet), VI, 1 «ptX^p.axa (Heindorf und Mehler),
VII, 5 xoXu (Cobet; Wiederholung des vorhergehenden xoXü),
VIII, 29 äyaOat? (F s. v., om. Aldina), IX, 1 6 Aüy.wv (Mehler).
Besonders bemerkenswerth ist die Stelle IV, 24 xpcaOev piv yup
öaxep ol Ta? Top^ova? (tewp.Evoi Xiötvw? 6'ßXexc xpb? aüx'ov y.a't XtOtvw?
cüSap.öu obGjSi ar.’ aüxoü. Hier hat Mehler richtig bemerkt, dass
der Plural xac l’opviva? dem Sp rachgeb rauche widerspricht,
ferner dass in allen Stellen, wo dieser Vergleich vorkommt,
immer nur die Person selbst, deren Staunen und Entsetzen
geschildert werden soll, als die Gorgo gleichsam schauend
gedacht wird, nicht aber von anderen Personen die Rede ist.
Darnach stellt er waxep Topyo'/a Gsaadp.ivo?, her, gewiss richtig;
ji
!
i
;! ,.
V ;'
]{■
I !i
tl
160 Schenkl.
nur bedarf es nicht des Aoristes 0£acap.£vog, da (kwp.£vog dem
Imperfectum axpsi entspricht, während es z. B. Eur. Orest. 1520
richtig heisst: [j.yj xexpog yevfi oeooiy.ag, &c~e Yopyäv’ dtuSeiv; Damit
ist aber die Stelle noch nicht in’s Reine gebracht. Zuerst be
fremdet AdJtvwg vor eßXexe. Denn abgesehen davon, dass man
sonst nirgends A'.GEvok ßXexeiv liest, hebt dieses Wort nicht den
Gedanken, der in dem Satze liegt, hervor, sondern verdunkelt
ihn eher; wie 6eü>p.evog dem sßkfexs, so entspricht ja Top^ova
dem ex’ auxöv. Daher ist XtGtvwg, wie schon Bremi erkannte, ein
Glossem, dazu bestimmt die Worte &ox£p Fop-fova Ocdip-evog zu
erklären. Das zweite AiGEvwc, welches Ernesti tilgte, ist entweder
eine gedankenlose Wiederholung des ersten oder es erklärt
sich dadurch, dass A'.OEvoic am Rande geschrieben, an zwei
Stellen in den Text gesetzt wurde. Es bleibt nur noch ouoap.oü
übrig, was ohne Zweifel verderbt ist; Mehler will es in oüSa-
p.6oe ändern, aber, wie mich däucht, genügt es oooap.vj, das
öfters mit ouoap.ou verwechselt wird, herzustellen. Weniger
sicher sind einige von Mehler und Cobet angenommene
Interpolationen, wie II, 10 v.od 6p.iXetv (Cobet), IV, 41 o’ivw, 57
ep^ov, 58 x'.vec (nach Etat §e), VIII, 9 Oüpavia xe v.cd IIavOY]p.og
(Mehler); denn zwingende Gründe lassen sich dafür nicht Vor
bringen. Ausser den genannten Fällen kommen nur noch
Formen des Artikels in Betracht, wie III, 5 6 vor sxip.sAoup.Evo;
(Bach), VIII, 25 xbv vor oixeTov (Mehler), 26 b vor xcö (Castalio),
dann Partikeln wie av vor xoieiv IV, 3 (Stephanus), (S’) äv VII, 2
(Mehler os, da die Wiederholung des oiv hier ganz unmotiviert
und lästig ist), av vor äp.v^p.ovijoat VIII, 2 (Stephanus, einereine
Dittographie), p.ev vor oüv I, 8 (om. Aldina; p.sv ouv Arist. II, 523,
21; ouv om. G; wie leicht sich ein p.ev vor ouv einschlich, zeigt ei;
p.ev ouv II, 11 in DF), y.ai IV, 48 (Mehler; es ist aus dem vor
hergehenden xpoeiSe v a t entstanden), wozu noch eE nach ÜY'.aivetv v)
II, 17 kommt, durch dessen Streichung wir zwei mit ei eingelei
tete Glieder erhalten, endlich das Wörtchen lyt\, welches auch in
diesem Buche, wenn auch nicht so oft wie im Oikonomikos, ein
geschwärzt ist, wie III, 12 nach zai og, IV, 28 nach apa (Mehler);
man vergleiche noch III, 8, wo D F 'iyq nach xokXvjv einschieben,
an sich nicht unmöglich, aber gewiss nicht zum Vortheile des
Ausdruckes. So wie es sich gerne einschlich, auch wol ein
sixs verdrängte (vgl. V, 1), so fiel es mitunter aus (vgl. VI, 1).
i
Xenopliontische Studien.
161
Wir kommen nun zu den Lücken, von welchen wir
wieder die grösseren zuerst besprechen wollen. Bevor wir aber
zu der ersten (I, 12) übergehen, scheint-es nothwendig die
Worte o guv KaXXtoc? ä-/.oüaa; xauxa etrav, AXXa pivxoi, a> avopsc,
aic^pbv ■(£. cpOovvjaat • dcko) ouv . y.ai ap.a äiciäßXei|>sv ei? xbv
AuxoXuxov, SijXov oxi eictaxoicüv xi exefvco Soijsts xb xy.wij.u.a sivai,
welche so viele verkehrte Erklärungen erfahren haben, kurz zu
behandeln. Philippos hatte im Vorhergehenden das, was er
wünschte, ganz offen ausgesprochen; er wollte für sich ein
Sswuvov. für seinen Burschen ein apiuxov, auch hoffte er bei dem
Seticvov noch ijevia zu erhalten; denn darauf deuten die Worte
ota xs xb ffispstv p.vjSbv hin. Kallias antwortet auf seinen Witz
wieder mit einem Witze: Es wäre recht schmutzig, wenn wir
ihm nicht einmal Quartier geben wollten; er möge daher nur
eintreten. Wir sehen, dass cxsyvi? eng mit sicixw zusammen
hängt. Quartier ist das Mindeste, was die Gastfreundschaft
gewährt. Die Sache wird gleich klar, wenn man das artige
Epigramm des Lukillios (Anth. Pal. XI, 391) vergleicht:
Möv ’Acy.A^Tuäov;? 6 cpiXapyupoi; etosv sv oixw,
y.ai Ti xoidq, tpvjatv, «tXxaxs p.ü, ratp’ sp.ot,"
yjou 8’ 6 [Xog yßXdmq, Mvjoev, ®£Xe, ®Y]a£, ^joßvjövj?*
ouy\ xpocpvji; -xapä aot •/pvj^op.ev, äXXa p.ovvj?.
Man sieht, was die Maus verlangt, nämlich bloss Quar
tier, nicht Zehrung, was um so begreiflicher ist, als der Haus
herr sich selbst nichts gönnt. Das ist also der Witz des
Kallias, der dabei den Autolykos anschaut, um zu sehen, ob
ihm dieser Witz ein Lächeln abgelockt habe. Denn obwol
Kallias seine Ilede an alle richtet (Ci avSpeg), so ist sie doch
eigentlich für Autolykos (ezslvw) berechnet, vor dem der eitle
Kallias um jeden Preis glänzen will. Es entsteht nun die
Frage, ob die folgenden Worte o oe amq e~i xtp ävopöyt . . . sich
passend an das Vorhergehende anschliessen. Da der Name
des Philippos in dem Satze y.ai äp.a . . . etvai nicht genannt ist,
so müsste man, um 5 oe auf ihn zu beziehen, annehmen, dass
jener Satz eine Art Parenthese bildet, um 6 ob auf eiotxio
beziehen zu können. Eine solche Annahme hat aber immer
ihr Missliches; ich möchte daher eher vermuthen, dass nach
elvat einige Worte ausgefallen sind, in welchen berichtet wurde,
wie die Diener den Philippos einführten, etwa y.ai ev xo6xw
Sitzungsber. d. pliil.-liist. CI. LXXXIII. Bd. II. Hft. 11
162
Schenkt.
sic^yayov o't Trafos? xbv tbtXwraov, woran sich dann 6 Ss trefflich
anfügen würde. Platon hat dieses Motiv im Symp. 212 d
benützt, wo der trunkene Alkibiades von den Dienern herein
geführt wird und ebenso an der Thüre stehen bleibt. — II, 4
hat Cobet richtig bemerkt, dass die Worte b p.sv 0soyvt? s<pvj
auffallend sind; Oft] kann nämlich nicht mit 0soyvt? verbunden
werden, da es sonst orp\ lauten müsste (vgl. Comm. I, 2, 20,
wo dieselben Verse durch p.apxupsl: 3s y.at xwv ttoiyjxöv b xe Xdywv
eingeleitet sind), sondern geht offenbar auf Sokrates. Daraus
ergibt sich, dass nach eckj etwas ausgefallen ist, etwa orp-aivet
Xsywv oder dergleichen. Auch p.sv ist befremdlich. Dass es sich
erklären lässt, wenn man annimmt, dass Sokrates nicht bloss
das Zeugniss des Theognis, sondern auch das eines anderen
Dichters anführen wollte, und dabei von Lykon mit den Worten
’Axoisi? xaöxa, £> uts unterbrochen wird, unterliegt keinem Zweifel.
Aber diese Annahme hat nach dem Ausdrucke der ganzen
Stelle eben nicht viel für sich. Daher wird man wol p.sv für
verderbt halten müssen. Denkt man sich die Worte also ge
schrieben : o ys 0soyvt?, sVpvj, cv)p.at'vst Xsywv, so würde man daran
wol nichts auszusetzen haben. Im Folgenden hat schon Weiske
bemerkt, dass die Worte ouv cot cy.E6otp.Evo? au (§. 5) nicht Integra
sein können, und Schneider hat nach cy.E4dp.svo? das Zeichen
einer Lücke angesetzt. Cobet von der richtigen Voraussetzung
ausgehend, dass die Lücke durch eine Abirrung von dem
ersten cy.E4dp.svo? auf das zweite deutlich durch au bezeichnete
entstand, ergänzt sehr ansprechend: (oy.s4dp.svo?) xoöxo y.a-s-pa^sv,
oxav 3s y.aXb? y.ayaOb? ysvsaOat s-tOop/fl, xpo? sauxov cy.s4dp.svo? (ao).
— III, 4 antwortet Kallias auf die Frage des Antisthenes
IIoxspov xs/vr,v xtvd ßavauouwjv v) y.aXoy.ayaOtav otodoy.tov mit den
Worten Et y.aXoy.dyaÖta scxtv •/; oiy.aioaövv). Mehler bemerkt mit
Recht, dass in dieser Antwort eben das fehlt, was man nach
der von Antisthenes gestellten Alternative erwarten muss, näm
lich y.aXoy.ayaOtav, da die Worte Ei . . . oty.atocüvT] nur eine Be
gründung enthalten. Er schlägt daher vor: KaXcy.dydOtav, st ys
y.aXoy.äyaQta, was sehr viel für sich hat; denn KaXokayaOiav
konnte ebenso leicht vor dem folgenden y.aXoy.dyaÖta ausfallen,
wie ys vor y, a Xoy.ayaQta verloren gehen. — IV, 60 müssen die
Worte 6 o’ s’uttOv oxt y.at xouxo öp.oXoyslxat etpvj befremden. Sokrates
will die Trefflichkeit der Kunst, auf welche er sich etwas zu
Xenophontiscke Studien.
163
Gute thut, nämlich der \mazpc7:da. erweisen. Er stellt daher
eine Reihe von Sätzen auf, welche bei den Tischgenossen
allgemeine Zustimmung finden. Als er aber mit der Frage
kommt: ,Ist aber der wol der Bessere, der nur Einem ge
fällig machen kann, oder derjenige, der dies auch Vielen
gegenüber zu Stande bringt', da theilen sich die Ansichten;
die Einen sagen: 'Offenbar der, welcher recht Vielen gefällig
machen kann', die Anderen: Ilavu [j.ev ouv, d. h. sie bejahen
den ersten Theil der Frage; 1 denn die Erklärung, welche man
gewöhnlich vorbringt, dass diese gedankenlos in der stereotypen
Weise, wie bisher, Ilavu [j.ev ouv sagen, ist doch zu abgeschmackt.
Müssten da nicht die Tischgenossen, wenigstens zum Theil
als Dummköpfe erscheinen, während sie doch offenbar nach
der Darstellung Xenophons feingebildete Leute sein sollen.
Wenn nun die oben bezeichneten Worte richtig überliefert
sind, müsste man sie so erklären: Sokrates geht auf die
Meinungsverschiedenheit nicht ein, sondern nimmt an, dass
man auch hier einerlei Meinung sei, und zwar wie sich aus
den folgenden Worten: ei oe tt? xai okv) vft rc6Xei apecrzovrac oüvaixo
dicöSsixvövai ergibt, jener, die in dem zweiten Theile seiner
Frage enthalten ist, indem er nämlich Ilavu pev ouv als Zustim
mung zu diesem Satze auffasst. Sollen wir aber dem Sokrates
wirklich ein solches Taschenspielerstück Zutrauen ? Auch wenn
er scherzt, hat er immer etwas Ernstes, das er durchführen
will, im Auge und hier hat er vollends keinen Grund, um zu
einem solchen Mittel zu greifen. Wollte der Schriftsteller den
Sokrates nach seinem wahren Wesen schildern, und diese Auf
gabe hat sich ja Xenophon gestellt, so musste er den Wider
spruch zwischen den Tischgenossen beseitigen und für den
jenigen Satz, welchen er als den richtigen erkannte, die völlige
Uebereinstimmung Aller erzielen, wie sie denn auf die Frage:
,Wenn es aber Einer machen könnte, dass man der ganzen Bürg
schaft gefiele, würde dieser nicht ein vollkommen guter Kuppler
sein', alle (itdvxes) zustimmend antworten. Ich glaube daher,
dass einige kurze Fragen des Sokrates mit den zustimmenden
1 Dass ein Theil der Tischgenossen sich dafür entscheidet: ,Der Bessere sei
der, welcher nur Einem gefällig machen könne 1 hat seinen guten Grund.
Sie gehen von dem Satze aus xaVov [Av ivl ^ap^saOai, ata^pov Sk jcoUof;.
11*
164
Sehen kl.
kurzen Antworten der Tischgenossen ausgefallen sind. In diesen
Fragen führte .Sokrates den Gedanken durch, dass derjenige,
welcher Jemand Vielen gefällig machen könne, den Vorzug
vor Jenem habe, der dies nur Einem gegenüber zu erzielen
im Stande sei. Vielleicht ist die Lücke nach ot äs anzusetzen,
so dass icavu piv oüv als Antwort auf eine verlorene Frage zu
betrachten und nach oi os etwa ogti? evt zu ergänzen wäre. Ist
dies nun richtig, so möchte ich die folgenden Worte also
schreiben: 6 ä’ ettsi >wtl xouO’ wp.oXÖYYjxo, Ei oe Tip, eepy), y.ai
Vielleicht regt diese Erörterung zu einer nochmaligen gründ
lichen Prüfung der Stelle an, die man offenbar viel zu leicht
genommen hat. — IX, 6 wore [j.vj p.övov fov Aiövugov d/Aa xai xoup
'irapovTap axavTap cuvopJcai av yj p.i)v xov Traioa y.ai tyjv itaiäa
akk-q/M'i ©iXetcGai lässt sich allerdings durch ein Zeugma er
klären. Da dies aber bei der Ausführung des zweiten Theiles
ziemlich hart ist, so wäre es immerhin denkbar, dass nach
Aiovucrov etwas ausgefallen ist.
Was kleinere Lücken betrifft, so erwähnen wir II, 4
)rpY)<jT(3v nach Ttpötov, das nur Athenäus erhalten hat, IV, 15
jxctXnjxa, das nach dem vorhergehenden p.dXiGxa ausgefallen ist,
von Cobet ergänzt. Die Stelle IV, 64 y.ai ttoAAcö av aiptop sivat
y.ai toXsui y.ai ciXoic y.ai cup-pAyoiq 'Asy.T7)o0at ist entweder verderbt
oder lückenhaft; denn toXXoü aijiop y.ey.-vjcOai ist an sich zu un
bestimmt, da es sich ja nicht um den Besitz, sondern um das,
was man an einem solchen Manne besitzt, handelt und daher
eine nähere Bestimmung zu y.siavjcOai erforderlich ist. Dazu
kommt, dass es nach Mehlers richtiger Bemerkung nicht ttoXeot,
sondern TrÖAst heissen müsste. Es ist daher nichts geholfen,
wenn Sauppe die Schwierigkeiten durch die Streichung von
y.ai Gup.p.r/oip beseitigen will. Sehr ansprechend schreibt Cobet
nach Mehler, der diese Conjectur bereits erwähnt, aber wieder
verworfen hatte, y.ai tcöXsi y.ai qi'ko'.q [y.ai] crjp.p.ay_op y.ey.T?j<j6ai.
Indessen hat auch die Vermuthung Finckh’s, die später auch
Mehler wieder vorgebracht hat, viel für sich, dass nach y.ai
txoAcC. das entsprechende Glied y.ai täuürcaip ausgefallen ist, wor-
nach dann natürlich [y.ai] oCkoq y.ai Gtip.p.ayop hergestellt werden
müsste. — II, 7 sagt Sokrates ipü yäp Sytoye v/jyBe vv^v opypqazpioa
efflscrrpLiav. Offenbar muss die Tänzerin auf einer Erhöhung
gestanden sein, da sie sonst nicht allen Tischgenossen sichtbar
Xenophontische Studien.
165
gewesen wäre. Auch ergibt sich dies, wie Panofka in Raumer’s
Ant. Briefen S. 73 bemerkt, aus dem folgenden äveäi'Sou, welches
in PI 2 keck in evsS£8ou geändert ist. Panofka meint nun, dass
das ausgefallene Wort ein länglicher Tisch (Tpd~e'C,a) oder ein
aufgespanntes Seil war. Der Schriftsteller hat es nicht der
Miihe werth gehalten die Vorrichtungen, welcher der Syrakosier
traf, um seine veuporaaoxa zu zeigen, näher zu scliildern. Er
wird also auch hier bloss die Andeutung gegeben haben, dass
die Tänzerin auf einem erhöhten Platze stand. Deshalb ver-
muthe ich, dass nach ife/mpyuiav am geschrieben war, was, wie
man sieht, leicht ausfallen konnte.
Oefters sind kleine Wörtchen durch die Nachlässigkeit
der Schreiber verloren gegangen; so Formen des Artikels, wie
II, 5 to vor xauxa (Stephanus), 15 6 nach v.aXbq (Schäfer)., III,
14 ty) töv vor oCktj)') (Hehler), IV, 26 xwv nach o'.A^p.äxuv (Conr.
Orelli), wahrscheinlich auch aüxir) fj (IX, 7), da hier wol der
Artikel am Platze ist; ferner Präpositionen, wie III, 11 icpb?'
vor xov (Brown), VIII, 1 sv vor (Mehler schreibt evtopu-
p.svoe); endlich Conjunctionen, wie Sxi III, 11 und III, 12 vor
sxi (Brown und Stephanus), dpa III, 13 (sehr wahrscheinlich
von Mehler nach aüxoiptopcp ergänzt), p.ev VIII, 1 nach g.syEOsi
(Schneider), 3 •)) vor ooy v (Heindorf), endlich 8 v.a\ vor xv)? und
IX, 6 uxjts vor p.Y) p.ovov (Stephanus).
Zum Schlüsse mögen noch einige Stellen, welche verderbt
überliefert sind, besprochen werden. I, 11 covscxs'jaap.svo;; ts
xapeTvat £©r ( xävxa xa sxixf/Osia. So die Handschriften, während
Athenäus os (für ts) liest, was man seit Zeune in den Text
aufgenommen hat. Zieht man aber das vorhergehende oiöxt
y.axäysaöai ßoiXo'.xo in Betracht, so ersieht man, dass bk unmög
lich richtig sein kann. Da nämlich Stoxt nicht etwa einem oxt
gleich ist, sondern so viel als ,weshalb* bedeutet, so darf der
folgende Satz nicht ein neues Moment bilden, sondern muss
vielmehr jenes Stört erklären. Darnach ist für ts : yap zu schrei
ben, was um so leichter angeht als ts, ye und yap häufig ver
wechselt werden. Für die Vertauschung von xs und ye Beispiele
beizubringen dürfte unnöthig sein; was ye und yap anbetrifft,
verweise ich auf I, 9, wo Mehler richtig ot \i.bi ^ap (die codd.
p.sv ye.) schreibt. Auch bk und yap werden von den Abschreibern
verwechselt; vgl. IV, 17, wo Castalio richtig OalXosopou? yap
166
Sehen kl. .
(codd. Bs) geschrieben hat. — II, 20 xäv ei toR ayopavigoti;
äipicTwrji; toairep aprou? Ta zaToi irp'oq tcc avio d£r)p.to<; av yevicOtxi. Um
den Scherz der Stelle zu begreifen, müssen wir mit Brown
annehmen, dass die Brode zu Athen aus zwei Lagen bestanden,
einer oberen und einer unteren, welche unter einander voll
kommen gleich waren, also dasselbe Gewicht haben mussten. 1
Darüber hatten die Agoranomen zu wachen und es stand ihnen
das Recht zu die Brode abzuwägen, wobei sie auch wol, um
das gleiche Gewicht der beiden Lagen zu constatieren, ein
oder das andere Stück zerschnitten und die beiden Lagen
gegen einander abwogen. Es werden also hier komisch genug
die beiden Brodlagen mit dem Ober- und Unterkörper des
Charmides verglichen. Philippos will nämlich sagen: Ob du
mit den Händen gesticulierst oder tanzest, kommt auf eins
heraus, da bei dir der obere und der untere Theil vollkommen
gleich sind. Kann nun aber hier Ta zaToi ohne einen näher
bestimmenden Genetiv stehen? Ich glaube kaum. Ohne ein zu
xa xaTw beigefügtes toü awp.aro? ist die Stelle kaum verständ
lich. Dazu kommt, dass die Agoranomen sich schwerlich die
Brode von den Verkäufern vorwägen Hessen, sondern, wie
dies ja auch unsere Marktpolizei thut, die Abwägung selbst
Vornahmen. So wird man von selbst auf die Conjectur st v.q
äyopavöjj.o? dtpioratY] 2 aou waitep ä'pTOUi; xa zaTW r.p'oq ict. avw geführt,
welche Baumstark in den Prolegomena zu seiner Ausgabe der
Rede des Demosthenes gegen Phormion (Heidelberg 1826) vor
geschlagen hat, nur dass er ganz unnöthig nach apxouq noch Ta
apGpa einfügen will. — IV, 8 otiov p.sv yap Syj ovtox; so«ev eivat w:
•/.pöggoov ye oü p.övov gtcov dcXXa zat xotov YjSivei. Xikeratos hatte den
homerischen Ausspruch ’Eici oe zpop.uov totw olov citiert und den
Kallias aufgefordert Zwiebeln bringen zu lassen; das Trinken
werde dann besser schmecken. Sokrates scheint nach dem ovtco?
dem homerischen Ausspruche beizustimmen und die Zwiebel
für ein passendes odov zu erklären. So viel erkennt man auf
den ersten Blick, aber die überlieferte Leseart gestattet keine
1 Herbst vergleicht Ath. IV, 128 d äp-05 fodxXarps, wie allerdings ein
Brod genannt werden konnte, bei welchem der obere Theil die gleiche
Breite wie der untere hatte.
2 Von ccpicjTtürjs sagt Cobet mit Recht: quae forma ne Graeca quidem est.
Xenopliontische Studien.
167
befriedigende Erklärung. Vor Allem fehlt in dem ersten Satze
das Subject; es mit Herbst (Bernburger Progr. 1827, S. 18)
aus dem Folgenden zu ergänzen halte ich für eine bare Un
möglichkeit. Es bleibt also nichts übrig als mit Weiske und
Wyttenbach (zu Plat. Phaed. p. 157 und Plut. VI, 1, 692)
zi'ica t'o xpäp.p.uov zu schreiben. Der folgende Satz enthält offen
bar eine Begründung des Vorausgehenden; er wird daher mit
Wyttenbach durch o ye angeschlossen werden müssen, wenn
man nicht etwa annehmen will, dass Xenophon das Subject
wiederholt und etwa w? t'o xpcpp.uov ye geschrieben hat. Nun
bleibt aber noch ein Bedenken, das Mosche, Lange und
Schneider angeregt haben. Wenn die Stellung von cttov und
xox'ov richtig ist, dann sagt Sokrates dasselbe, was in dem von
Nikeratos citierten homerischen Verse steht. Das ist aber un
denkbar. Bei Homer steht äjwv II. XI, 630 in einer eigen-
thümlichen Bedeutung ,Imbis‘, Sokrates aber fasst es hier in
seiner gewöhnlichen ,Zukost'. Er kann daher nicht sagen: ,die
Zwiebel sei in der That ein ciiov, weil sie nicht bloss das
Brod, sondern auch den Wein schmackhafter macht', sondern
umgekehrt: ,weil sie nicht bloss, wie Homer sagt, den Wein,
sondern auch das Brod schmackhafter macht'. Damit ist also
ein neues Moment eingeführt und ein passender Uebergang
zu den folgenden Worten: ei §s 8i] touto xai p.exa SeTxvov
Tpo)?op.eOa gebildet, aus welchem klar hervorgeht, dass hier nicht
xoxov, sondern ctfxov der betonte Begriff ist. Ueber die xpop.p.ua
als Zukost zum Brode vergleiche man Arist. Eq. 600, Ach.
1099 und andere Stellen bei Hermann Privatalt. 3, 12. Dar
nach muss man mit Schneider die beiden Wörter umstellen.
— IV, 45 kann sich oüxw xexaioeupevo<; nicht ohne eine begrün
dende Partikel an das Vorhergehende anschliessen. Cobet
schreibt daher o&tw yap xex. Vielleicht liegt noch näher w?
oüxw, da der Ausfall des <oc vor oüxw wol begreiflich ist. —
Die Worte IV, 57 Oüxoüv gv piv ti eaxtv ei; t'o äpeoxeiv ex xoo xpe-
xouaav e^siv ayjGVi za't xpi/wv zal eaOijxoi; können nicht richtig
überliefert sein. Man begreift weder die Construction xi ioxtv
zlq x'o . . für welche Niemand bisher eine Belegstelle beige
bracht hat, noch versteht man, warum Xenophon hier ex xou
geschrieben hat und wie sich dies zu den anderen Worten
fügt. Was den ersten Anstoss anbelangt, so wird nichts ge-
168
Sehen kl.
holfen, wenn man mit Mehler etc in icp'o; ändert; aller Wahr-
scheinliclikeit nach ist nach apeoxeiv ein Participium ausgefallen,
sei dies nun dyov, wie Schneider will, oder, wie mir wahr
scheinlicher ist, oüjjLtpepov gewesen (vgl. §. 59 tsc aupt/pepovTa et? to
äpeaxeiv). Für ex, ~oo wird man aber mit Schneider to schreiben
müssen; denn ev verlangt eine nähere Bestimmung, welche nur
durch eine Apposition gegeben werden kann, weshalb es auch
unnöthig ist sich nach Beispielen für ex tou . . . umzusehen.
Schneider hat allerdings auf eine Bemerkung Schäfer’s hin
seine Conjectur zurückgenommen und ex tou . . . durch Stellen,
wie Cyr. I, 4, 5, An. II, 6, 8, 9, zu rechtfertigen ge
sucht; aber Bornemann bemerkt mit Recht, dass auch diese
Stellen von der vorliegenden einigermassen verschieden sind.
— VI, 7 hat Madvig (Adv. crit. I, 359) statt des sinnlosen
twv ävwtpsXeaTaTwv vortrefflich tüv a'vw ev vstpeXat; t’ ovtwv ge
schrieben. Nur möchte ich lieber das lästige t’ weglassen. Wie
aus oc'vw ev vep£Xai$ ovtwv die Corruptel avwpieXeoTdTWv entstand,
ist auch ohne dieses t’ begreiflich. — VII, 3 xat p.vjv tö ys exl
tou Tpoyou ap.a xepioivoup.evou ypdostv ts xat avayiyvcooxetv Oaup.a [J.ev
ibü)? ti eoTiv ist xeptSivoupivou, wie Mehler nachgewiesen hat, un
haltbar. Ob aber xeptStvoupivou;, was Mehler und nach ihm
Cobet vorschlägt, passend ist, muss ich bezweifeln. Was soll
hier der Plural? Mehler will zwar an den Knaben und das
Mädchen denken; wie man aber aus §. 2 ersieht, verstand
sich nur die Tänzerin auf derlei Kunststücke. Ich habe daher
x£piotvo’j[j.£vov, was als Aenderung noch leichter ist, geschrieben.
Sokrates sagt ganz allgemein: ,dass man sich auf einer Scheibe
herumdrehen lassen und dabei schreiben und lesen kann . . . .‘
— VIII, 35 xbäv pw) ev tvj auTij xoXei Ta/Owo: tu epaor?). Da xoXet
offenbar sinnlos ist (denn jetzt wird wol Niemand mehr sich
der Erklärung Sehneider’s ,cum extra patriam urbi sociae suc-
curritur‘ anschliessen), hat man nach dem Vorgänge Lange’s
dieses Wort als eine Glosse gestrichen. Doch könnte man dann
nur etwa /wpa, was ganz unpassend ist, nicht aber wie Sauppe
will, Td^sc ergänzen, da sich Ellipsen dieses Wortes nicht nacli-
weisen lassen. Es bleibt daher wol nichts übrig als mit Dobree
(Adv. I, 138) und Cobet anzunehmen, dass Tai;et vor toc/0wc.v
ausgefallen, xcXei aber eine alberne Ergänzung ist.
Xenophontische Studien.
169
III. Apologie.
Die Apologie ist, wie ich in den Studien II, 136 f. be
merkt habe, ein rhetorisches Exercitium, welches etwa im
zweiten Jahrhunderte vor Christus in einer Rhetorensehule ent
standen ist. Der Verfasser benützte für seinen Zweck die
Apomnemoneumata, welche ihm bereits in derselben Gestalt
wie jetzt uns Vorlagen, und zwar für §§. 2—8 das unechte
Schlusscapitel, für 10—22 die beiden ersten Capitel des ersten
Buches, dann noch Platons Apologie, besonders cc. 14, 26 und
30. Aus Herodot I, 65 hat er die Notiz über das dem Lykurgos
gegebene Orakel entnommen (vgl. wq scnjie eq tb piyapov mit
§. 15 s!q T3V vabv ewiovTa), aus Platons Kriton die über den
Versuch den Sokrates heimlich aus dem Gefängnisse zu ent
führen (vgl. Crit. c. 4 mit §. 23 sw&stjiai). Im Ein
zelnen zeigt er sich meistens von Xenophon abhängig, den er
häufig wörtlich ausschreibt, noch häufiger aber paraphrasiert,
wobei er sich Ungeschicklichkeiten aller Art, besonders Ueber-
treibungen zu Schulden kommen lässt. Auch an solchen Stellen,
wo er nicht bestimmte Sätze nachbildet, zeigt sich das Be
streben den Stil Xenophons nachzuahmen. Daneben entlehnt
er mehrfach Phrasen und Wendungen aus Platons Apologie,
z. B. §. 2 biaipöq te rjv . . . -/.ai eqifyyeiXe aus c. 5 sxaTpo? vjv . . .
etatpoc te y.ai auvapuye, anderes scheint er aus Herodot und
Thukydides entnommen zu haben. Alles dies zeigt ihn uns
als einen Menschen von beschränktem Geiste und massiger
Lectüre. Wahrscheinlich haben wir es mit einem jungen Manne
zu thun, der sich hier zum ersten Male in einer grösseren
Schrift unter Anleitung eines Lehrers versuchte.
Dass es auf keine Fälschung abgesehen war, habe ich
am a. a. 0. gezeigt. Die Schrift kam ohne den Namen ihres
Verfassers ins Publicum und wurde dann eben wegen ihrer
vielfachen Uebereinstimmung mit den Apomnemoneumata dem
Xenophon zugeschrieben. Man that dies um so lieber, weil man
nach dem Titel SwzpotTouq am'kofia. zpbq -ob: Sixaercä? in ihr gerade
so wie im Symposion ein Gegenstück zu einem Platonischen
Dialoge zu haben glaubte. Jedenfalls war sie, wie aus Diog.
Laert. II, 6, 13 erhellt, schon um die Zeit des Demetrios von
mrm,s'"m säSiJr»: ^sJ?***^ m
170 Schenkl.
Magnesia, also um 60 v. Chr., in das Corpus der Xenophon-
tischen Schriften aufgenommen.
Dass der eifrige Leser Xenophons Dion Chrysostomos
auch diese Schrift sorgfältig gelesen hat, erhellt aus der Nach
bildung einer Stelle derselben (§. 6) im ersten Melankomas
(Or. XXVIII, 535 R). Dann citiert Athenäus V, 218 e aus
§. 14 die Worte Xatpeq>öS&o; . . . cwippovarrepov, aber bloss unter
dem Namen des Xenophon, ohne die Schrift zu bezeichnen,
gerade so wie er im Vorhergehenden die entsprechende Stelle
der Platonischen Apologie bloss unter dem Namen des Platon
anführt. Das Citat ist sehr ungenau, wie dies die Varianten uxsp
sp.oü, toXXöv icapövTUV nach ’AxöXXwv (was der Verfasser gewiss des
Missklanges wegen vermieden hat), endlich die Auslassung der
Worte p/ijxe eXsuQspuöxspov hinlänglich bezeugen. Man wird daher
auch der Variante exepwnfcavTo; kein Gewicht beilegen können.
Allerdings wäre diese Form auch bei einem Nachahmer Xeno
phons zulässig, da dieser rßfo-.rpy. neben ^p6p.Y)v gebraucht, vgl. Cyr.
IV, 5, 21, An. I, 6, 8; nun findet sich aber vjpdmov häufig als
allgemeines Präteritum bei Xenophon, z. B. An. I, 6, 7 (neben
vjptüxr^a), IV, 4, 17, Hell. IV, 3, 20, und so auch das Particip
epuxwv gleich sporofca;, epip.evo; Hell. III, 3, 6 und 7 (neben
epip.svoc), Epwxwp.evo; gleich Ipwr/jöel; An. IV, 4, 17, Plell. II, 2,
19. Man hat also nicht nöthig in epondwo; einen Verstoss
gegen den richtigen Gebrauch der Tempora zu sehen, wie sich
derlei Fehler in unserer 1 Schrift nicht selten finden.
Zwei längere Stellen aus der Apologie führt Stobäus im
7. Titulus des Florilegium an, nämlich unter n. 81 §. 25 &<jte
9aup,a<7Tov .... 27 a. E. euOup.vjTsov eTvxi und unter n. 75 die
§§. 28 und 29, beide Male mit dem Lemma ey. SwzpäTou;
dxoXoyi'a;. Sein Text bietet allerdings eine Reihe wichtiger Lese
arten, wie §. 25 oxw; (statt oxou) und tou (statt t'o tou), worin
er, wenn die mir vorliegende Collation richtig ist, 1 mit dem
von einem Grammatiker revidierten Texte in A übereinstimmt,
«ijiov ep.oi Eipyaqj.Evov (e|j.ol aijiov om. sip-paapivov AB), 26 om. yäp
(auch in A expungiert), 27 a/rip.om (statt cryqp.aoi), ort vor ei;
(was in AB fehlt), 28 p.sv & v, om. v) äSfauoq, 29 Sc oux.. Wir sehen
1 Freilich ist diese Angabe verdächtig, da die Reucliliniana otcou und to
tou Rietet.
Xenophontische Studien.
171
daraus, wie verderbt der Text in unserer handschriftlichen
Ueberlieferung ist. Wir haben zwei Interpolationen (yap und
aobuoc), drei Lücken (eipyaqiivov, ozi und fl>v), dann mehrfache
Corruptelen. Was 6 vor Oavatoc anbetrilft, so fehlt es im cod.
A des Stobäus und ist in B erst von zweiter Hand hinzugefügt.
Die anderen Varianten bei Stobäus sind ihrem Werthe nach
sehr zweifelhaft, wie 25 üpuv £<pocvrj, 28 om. äpa (was vor oXXa
leicht ausfallen konnte), 29 oos ye (ye om. AB) oder fehlerhaft,
wie 29 w (statt wc) , <7up,<pop<l>Tepb? xal xaXXt'wv . . . SiecTteirkacTai.
/eipojv Be euTiv 6 viv.üv, welche Leseart sich wol nur dann er-
klärt, wenn wir annehmen, dass diese Stelle in dem Codex
des Stobäus zum Theile unleserlich war und von ihm also her
gestellt wurde. Zweimal stimmt auch der Text des Stobäus
mit verderbten Lesearten unserer Codices, nämlich 26 o’ ezi
(statt Be xi'), 27 'q (statt tj).
W^as unsere handschriftliche Ueberlieferung anbetrifft, so
beruht dieselbe bloss auf zwei Codices, nämlich den beiden
Vaticani 1335 (B) und 1950 (A), zu deren Würdigung eine
etwas genauere Beschreibung unumgänglich nothwendig ist.
Der Codex B, eine Pergamenthandschrift in Quart, 1 besteht
aus zwei Theilen, einem ursprünglichen f. 1—237 (incl.) und
f. 246, im zwölften Jahrhunderte von zwei der Zeit nach un
gefähr gleichen Händen geschrieben, und einem später hinzu
gefügten f. 238—245, der eine dritte Hand saec. XV zeigt.
Die Handschrift enthält:
man. 1 l;evoipfiwo? Kupou xatSsi'a? Xoyoi bis V, 5, 36 /.aXöq Xeyetq •
y.ayd) outw TOwjato f. 1—68. Die Kehrseite von f. 68
ist nur mit vier Zeilen beschrieben; darunter steht
oüSev Xeficei.
man. 2 f. 69—116 a Fortsetzung der Kyrupaidie von den Worten
T! ouv • ep-q o Kupo? • vj x.ai p'X-qGU an bis zum Schlüsse,
116 b—205 b qe'/cpSynoq y.opou dvaßdcsw?,
206 a—208 b aisokoyia cwzpaTOuc xpo? zdbq Siy.am&q,
209 a—220 b ’Ay^ciX«o? csvoiOvto?,
220 b—229 b ijevofSvcos pqzopoq tspwv i) «wpawoto?,
1 Auf dem ersten Blatte der Handschrift steht: ,ex libris Fulvii Ursini 1 .
Von später Hand sind hie und da Capitelzahlen beigefügt.
im&txw&drm+s mna vfm ■&* *.. w
172 Sclienkl.
229 b — 237 b ijevoyüvxcc p^xopö? Xaxs§äi|xov(ü>v xoXsxeia, bis
XV, 5 xpoaeXeaOai • o? oyj,
man. 3 f. 238 a Schluss der Schrift von y.ai xuOio 1 . an,
238 b—241 a ’AGr/vai'uv itoXtxela, aber ohne Ueber-
schrift; der Anfang der Schrift ist bloss durch
einen grösseren Absatz bezeichnet,
241a—245 a Iläpoi ebenfalls ohne Ueberschrift (der
Anfang nur durch einen Absatz bezeichnet) bis
VI, 3 y.dXXujia y.ai,
man. 2 f. 246 enthält aus den Ilopoi die Worte üxapyopo? ecxi
(I, 5) bis dadyono za! (III, 5).
Der Codex A, in Octav, bombycinus, 1 ist von fünf Hän
den, welche dem 14. Jahrhunderte angehören, geschrieben. Er
enthält:
man. 1 f. 1—103 die Kyrupaidie; Buch I fehlt, II ist sehr
defect und unleserlich,
104—107 sind leer
man. 2 108—222 b wipcu ävaßäzsMc
222 b—226 a dxoXoyta cuxparou; xpo? xo'uc oty.acxa?
226 a—239 b ayYjaiXao? ^evoipövxo?
239 b—250 b Ijevofövxo? pvjxopo? tepwv fj xupavvizo?
250 b —259 b ^evo^ßvro? pnjxopo? AazeBatpovitov xoXixet'a
259 b—265 a ?evospövxo? pnrjxopo? X0r)vaitdv xoXixeia
265 a — 271b ijevo^övxo? pvycopo? xopoi •<) zept xpoaoSwv bis
VI, 3 y.aXXtaxa y.ai
271—279 leer
man. 3 280—340 b ijeyojpömo? pijxopo? dxop.vv)p.oveu|.idxü)v
341 a—392 b ohne Ueberschrift Marcus Antoninus phi-
losophus
392 b—399 b exwxv)xou ey/etpiowv
400 leer
401a—402 b ein Fragment beginnend cep.vöxrjxo? p.ev
6 Xoyo? dvxsyexai • ei? <jep,vöxY)xa 81 ouy. ei? aXa^ovuti^v
xiva oüos TOOxeivijv ouoe xepioStzrjv äyß’/jaevxi ....
401b—404 b exty.oupou zpoascovyjotc
1 Auf dem ersten Blatte liest man: ex legato Ill mi D. Abbatis Stephani
Gradis Patritii Ragusini et hu jus Bibl a « Vaticanae Primi Custodia ob. die
2 Maij 1683 Romae. In den Xenophontisclien Schriften ist die Capitel-
zahl beigeschrieben.
Xenopliontißchc Studien.
173
405-407 leer
man. 4 408 a u.a't'p.o'j xuptou xAaimviy.ou iptXoaöipou xiva!; twv Aoywv
aüxou twv xspie%op,svwv ev TpSs Tp ßtßXw
408 b—518 b p.a^i'p.ou Tupiou xXoctwv&ou aiXocoepou twv iv
pOp-p oiaXsijewv tv;i; xpwTv;<; ex'.OY)p.i'a<;
518 b—541 b aAy.ivöou ScBaaxaXix'os twv xXaTwvo? oovp.aTwv
(Unterschrift 541 b aAy.ivoou exixop,Y) twv xl^dTwvo?
ooyp.aTwv)
man. 5 542—545 b dpicTOTeXou? xspi £wwv y.'.v^aEws. 1
Aus diesem Inhaltsverzeichnisse und den mir vorliegen
den Collationen ergibt sich, dass B bis f. 237 b die Quelle
für A gewesen ist. Als A aus B abgeschrieben wurde, war
dieser Codex schon defect; auch war damals f. 246, das sich
von dem verlorenen Theile allein erhalten hat, nicht mit dem
Codex vereinigt, da der Schreiber von A es nicht berück
sichtigt hat; wir müssen daher annehmen, 'dass es erst später
aufgefunden und hinzugefügt wurde. Das Stück f. 238—245 in
B ist aus A ergänzt. 2 Somit erhellt, dass wir für die Apologie
eigentlich nur eine Handschrift, nämlich B, besitzen. Die Aus
gabe von J. Reuchlin (Hagenau 1520), die editio princeps, ist,
wie es scheint, aus A geflossen, hat also für die Kritik
keinen Werth.
Ich gebe nun die Varianten der beiden Codices nach
der von Dr. A. Mau gemachten Collation 3 und zwar mit Rück
sicht auf die Ausgabe von Dindorf. Die Uebereinstimmung
der beiden Handschriften bezeichne ich mit C. Die manus 2
in B gehört dem 14., manus 3 erst dem 18. Jahrhundert an. 4
1 Ich habe die Beschreibung der beiden Codices nach den Mittheilungen
R. Scliöll’s gegeben. Man vergleiche hiezu die Praefatio zu der Ausgabe
Xenoph. qui fertur libellus de rep. Ath. von A. Kirchhoff, Berlin 1874,
p. III f.
2 So urtheilen auch von Wilamowitz-Möllendorf und Kirchhoff (p. V) und
in der Abhandlung ,lieber die Schrift vom Staate der Athener', Abh. der
Berliner Akad. 1874, S. 30. Dagegen vergleiche H. Zurborg in der Aus
gabe Xenoph. de reditibus libellus. Berlin 1876, Praef. p. VII.
3 Auch diese Collation habe ich der Liberalität der k. Akademie zu
verdanken.
4 Dieses bemerkt ausdrücklich Herr Mau, fügt aber hinzu, dass die Hand
noch jünger sein könnte.
174: Schenk!
p. 304 levotpöivto; obtoXoyia ~pb; (-spy g. y. "pbc A) to'jc oixaaxix;
C. — 4 ouv om. A. — 11 TipETiouaav in mg. m 2 B. — 14 ctJioXoy^ar] B, -ar)
A. — 16 OTEixa 8’ C.— 21 Ttapa^Osvxas (e; s. v. m 2 ) B. — 305, 4 e! B,
y A. — 7 av om. C. — S yioiaxov B. — oaüo; [xsv C. — 10 auyyiyvopis'vous
(auy in ras. m 2) m, Evyiyv. ?) B. — 13 fjaaov C. — 16 ßuoxEuoip.1 C. — 20
xaxaxpifly (deinde ras. trium litt.: .ai) p.ou B, zarazpiÖr) p.oi A. — 23 imv
xeXeuxwv B et (qui supra xcöv: 5 et supra xsXsuxiov: xi add. m 2 ) A. — 25
xaxaXfrajxai C. — 28 xdxs pkv C. — 31 SrjXovo'xi A. — 306, 3 jcoXXtöv (m 2 s.
v. /.kXSv) xETuyrpcdva: B, XEXuyjyxEvai xaXwv A. — 8 oüxco; B. — eIjxeTv (m 2 s. v.
etxeiStj) B, eItssTv EJteiorj A. — 9 y plv C. — 13 oxw jto'xe B, oxw t.oze A. —
14 xaivat; (o s. v. m 2 ) B, xoivae; A. — 15 ol ante aXXoi om. B. — 20 xe-
xpafptovxai C. — 21 ßpovxaf; B (ß et at? in ras. m 2 ) et A. — 22 ei s. v.
m 3 ) B, ei (7) s. y.) A. — 23 auxy. (y\ litt. 1 erasa m 2 ) B. — 24 xai ante xo
add. m 2 B. — 27 aupßouXous (u eras. et 6 scr. m 2 ) B. — 307, 3 xaüxa B.
— 13 Eizoxw; EÜopußouv C. — awxpaxy c. — 14 aXXa C. — 16 XdyExai in ras.
A. — 18 eÜoictev (/. add. m 2 ) B. — 19 xoXXtov B. — 20 ei/.y C. — 22
ytraov C. — 25 vo|j.!cjeixe (y s. v. m 2 ) B, vopforjXE A. — auvyppoauE'vou (ouvyppo
in ras. duodecim fere litt.) A. — 29 oiö-Eutov C. — 308, 1 ^aopat (m 2 s. v.
ev) A. — 2 [J-'ev et 3 8s Qm. C. — 2 ijxioxa (om. av) C. — 5 EuspyEafa? C. —
7 oxi (m 3 e) B. — 8 Euoaipo'vEi A. — 19 ante Ix |j.£xpio:to'xo'j add. ojy C. — 20
‘yaayubvov C. — 22 ysvapdvot; B. — 23 awxpdxy B. — 26 om. jtavxcoy C. —
-avxEs oyxou ol ’AOrjvaioi C. — 29 jtpo ante bbsX'piov om. A. — 30 yyEtaÖE C.
— 309, 1 ouxouv B. — otoxpäxr) C. — 4 om. oxi C. — 11 xo'xe ]j.ev C. — 12
TtEpt add. m 2 B. — 16 sydvExo B. — EJtEizai y (oy supra xai m 2 ) A. —
StaiiyepfaOy (xaxs s. v. m 2 ) B. — 17 auxwv (05 eorr. m 2 ) B. — 27 zoXXy B. —
30 Eypd'lavxd B. — 32 xaxoTc (iv corr. m 2 ) B. — bvopa^cov A. — 310, 3
tspoauXtat, xoiyMpuyiai, avopaxoSiaig, tioXeio^ npoooata C. — 6 oteou B, oxto; A
(?). — 7 xo xou B, xou A (?) — spot ayiov (om. Eipyaapevov) C. — 10 yap
B. yap A. — 19 ayypaai C. — 21 oxi om. C. — 23 b add. m 2 B. — 24
ByXovoxi A. — 25 -/.axaXücov A. — 32 pal’ av B. — 311, 3 xüopos B. — 7 tu?
C. — 17 EjxipEXsxyv (r; m 2 ) B. — xiva (t m 2 ) B. — 21 aixqi C. — 22 auxo$
psv C. — 23 auxou 0. — 31 tEÖvävai B. — xpEiaaov C. — 312, 1 E7tiX£XE'aaxo
(m 3 e) B.
Aus diesen Varianten ersieht man, dass A zu der Zeit
aus B abgeschrieben wurde, als dieser schon von der zweiten
Hand corrigiert war. Ob der Corrector von B eine andere
Handschrift benützte oder bloss seinem eigenen Gutdünken
folgte, kann zweifelhaft erscheinen; doch hat die letztere An
nahme die grössere Wahrscheinlichkeit. Dies vorausgesetzt
haben wir als Emendationen des Correctors folgende Lesearten
zu betrachten, welche sämmtlich in A aufgenommen sind: §. 2
itpsitoucav ergänzt, 9 xaXtöv (es ist xaAwv xsxu/ry/.Evat zu schreiben;
in A sind die beiden Wörter willkürlich umgestellt), 10 exsiov)
(dem etxeiv liegt wol eitel näher; der Schreiber von A hat die
Xenopliontisclie Studien.
175
Correctur neben der ursprünglichen Leseart aufgenommen),
11 y.otvaic, 12 a'jrr 0 13 crup.ßoXcuc, 15 ebuwev, 22 itepl vor Qeou;
ergänzt, 23 xaTeijsqyfaOvj, oiixö aüxb?, 24 -/.atvoT?, 30 eictp.eXrj'rijv, tivi.
Nicht sicher ist die Ergänzung von y.ai 13 vor xo icpoeiSevat,
verfehlt 12 ßpovxal; für das richtige ßpovxä?, das wirklich über
liefert war, aber durch diese Correctur verdunkelt, erst wieder
von Gresner hergestellt wurde, 16 vo[j.!ct]xs (während doch voplasixs
deutlich auf vopicaixe führt), was sich Alles ebenso in A findet,
endlich 27 6 vor Ödvaxo?, das A nicht kennt und auch Stobäus
nicht bestätigt.
Die dritte Hand, nach Mau’s Bemerkung frühestens aus
dem vorigen Jahrhundert, wenn nicht noch jünger, zeigt sich
an drei Stellen: 12 vj über ei geschrieben (so auch A), 18 oxe
(e aus i, A oxe), 33 eTuexeXeoaxo (e aus t, A exex.).
Wie schon bemerkt, hat der Schreiber des A, als er B
copierte, Einiges verbessert, nämlich: 5 vj, 10 ouxw, 11 ol vor
aXXoi ergänzt, 15 ttoXXü, 12 rj, 18 cxe, euoaip-bvet, 20 Yswa[Jievoi?, 24
xoXXyjv, 25 Srao; und xoö (?), 26 väp expungiert, 28 p.aXXov oiv, 33
exexeXeaaxo. Einige seiner Conjecturen sind verfehlt, so wenn
er 20 Tcp'o vor aoeX^uv streicht, dann 24 eypäiiaxo, wofür das in
B überlieferte evpäiiavxb hergestellt werden muss, und eben
daselbst ovopai(wv. Zweimal findet sich in A die Spur einer
zweiten Hand, nämlich §. 23, wo dieselbe exel y.ai in exrsiovj
verbessert, und §. 7, wo sie die Correctur xw xeXeuxwvxi ein
getragen hat, in welcher die Participialform richtig erkannt,
der Casus aber verfehlt ist. Was der Corrector mit dem Dativ
wollte, ist nicht zu ersehen.
Aus der Collation von B lässt sich für den Text des
Schriftchens noch Einiges gewinnen. So ist §. 15 sbcoxto? söopu-
ßouv zu schreiben, nicht sOopußoov eizoxuo, wodurch auch Cobet’s
Annahme (V. L. 379), e!xoxoj? sei der Beisatz eines Lesers,
beseitigt wird; sr/ixco? gebraucht der Verfasser so wie §. 16,
um anzudeuten, dass die ungläubigen und neidischen Richter,
welche die Weise des Sokrates nicht zu würdigen wussten, in
Folge der Mittheilung desselben über den Delphischen Orakel
spruch natürlich noch mehr zu lärmen begannen. §. 16 ist
SieXstxbv herzustellen, was dem £8uv«|ay]v und stovouv entspricht,
20 xdvxe? Syjtvou ol AOrjvaToi; denn xävxioc ot AGyjvato'i Tcavxs? Svjixou
176
Schonkl.
ist nur eine willkürliche Aenderung Reuchlins, §. 23 s-fevexo. 1
Da der Verfasser der Apologie sonst immer die Form Ztoy.pdxr,
gebraucht (§§. 15, 20, 21), so wird man auch §. 14 diese
Form gegen die Handschrift aufzunehmen haben.
Bei der Feststellung des Textes muss man sich natürlich
vor Augen halten, dass derselbe nicht von Xenophon, sondern
von einem Schriftsteller des zweiten Jahrhundertes herrührt. Es
geht daher nicht an diesem die attischen Formen aufzudrängen
und seine Nachlässigkeiten und Fehler zu verbessern, sondern
man muss sich, so weit dies der allerdings stark entstellte
Text gestattet, an die Ueberlieferung halten. Ich sage dies mit
Rücksicht auf Cobet, der die Apologie suavissimum Xenophontis
scriptum nennt und darnach eine Reihe von Verbesserungs
vorschlägen gibt, die zum grossen Theile überflüssig sind.
Einige Stellen, welche uns verderbt überliefert sind, will ich
hier kurz besprechen. In den §§. 3, 4 und 5 ist dreimal aüx'o;
für aux'ov zu schreiben; denn da Hermogenes der Sprecher ist,
so wird hier der Nominativ gefordert, vgl. die Comm. IV, 8,
5 und 6, wo an der zweiten Stelle auch mehrere Codices (y.a't)
aircbv lesen. — 7 fügt Cobet xi? nach d-op,apawv;xG!i hinzu. Dass
dieses Pronomen, welches die Abschreiber gerne übergiengen,
ausgefallen ist, bedarf keines Beweises, nur möchte ich ihm
lieber den Platz nach xaxaXswnjxai anweisen. — 8 hat Reuchlin
das nach xöxe überlieferte p.sv in p.ou verbessert; richtiger ist
vielleicht p,si, das derselbe Reuchlin oben §. 8 für [j.ev her
gestellt hat. -— 14 schreibt Cobet ei xt? für ei y.ai; leichter
aber scheint mir die Umstellung ei cxapd Oewv x.ai p.ei$V(ov, wie
denn in B mehrfach solche Versetzungen von Wörtern Vor
kommen, so §. 3 y.y.'i o xt statt c xi -/.cd (Schneider), 10 r, p.ev statt
[j.ev -rj (Stephanus). — In dem Satze aocpov os xw; ... §. 16 ist,
wie Hirschig (Ann. crit. 105) bemerkte, spi ausgefallen. Ob
dies aber mit Hirschig nach e!'/.cxojc eingesetzt werden soll,
bleibt fraglich, jedenfalls lässt sich der Ausfall von epi, wenn
man es nach opyjaeiev stellt, viel leichter erklären.
1 Einiges davon ist schon in der Oxforder Ausgabe Dindorf’s hergestellt,
während die Leipziger noch die alten Lesearten festhält. Die Lesearten
ots'Xsuiov B und £uoai[j.ov£i A sind in meiner Ausgabe durch ein Versehen
nicht bemerkt.
Xenophontische Stadion.
177
Verzeichniss der behandelten Stellen.
Oeeonomicus.
I, 4 S. 138.
I, 11 S. 123.
I, 22 S. 105.
II, 6 S. 128 u. 129.
III, 9 S. 139.
III, 12 S. 136.
III, 15 S. 105.
IV, 3 S. 129.
IV, 5 S. 123.
IV, 7 S. 128.
IV, 21 S. 106 u. 129.
IV, 24 S. 132.
IV, 25 S. 123.
V, 1 S. 129.
V, 3 S. 107.
V, 4 S. 107.
V, 8 S. 108.
V, 9 S. 106.
V, 12 S. 107.
V, 13 S. 107 u. 108.
V, 18 S. 133.
VI, 4 S. 137.
VI, 6 u. 7 S. 125 f.
VI, 12 S. 108.
VI, 13 S. 108.
VI, 15 S. 139.
VII, 8 S. 133.
VII, 22 S. 133.
Vir, 35 S. 129.
VIII, 2 S. 123.
VIII, 4 S. 109.
VIII, 6 S. 139.
VIII, 10 S. 139.
VIII, 11 S. 139.
VIII, 18 S. 110.
VIII, 19 S. 130.
VIII, 21 S. 130.
IX, 3 S. 109.
XI, 1 S. 137.
XI, 5 S. 137.
XI, 6 S. 130.
XI, 13 S. 140.
XI, 16 S. 139.
XI, 18 S. 136.
XI, 22 S. 130.
XI, 24 S. 134.
XII, 10 S. 130.
XII, 11 S. 130.
XII, 14 S. 130 u. 140 f.
XIV, 5 S. 138.
XIV, 6 S. 132.
XV, 4 S. 126.
XV, 5 S. 130.
XV, 10 S. 137.
XVI, 13 S. 136.
XVII, 10 S. 123 u. 127.
XIX, 8 S. 141.
XIX, 11 S. 132.
XIX, 14 S. 132.
XX, 3 S. 130.
XX, 5 S. 134.
XX, 7 S. 130.
XX, 8 S. 134.
XX, 14 S. 135.
XX, 18 S. 122 u. 129.
XX, 24 S. 123.
XX, 29 S. 132.
XXI, 4 S. 128.
XXI, 7 S. 128.
XXI, 12 S. 135.
Symposion.
I, 1 S. 147.
I, 8 S. 147 u. 149.
I, 9 S. 148.
I, 11 S. 165.
I, 12 S. 161.
II, 3 S. 148.
II, 4 S. 162.
II, 7 S. 164 f.
II, 9 S. 148.
12
IX, 4 S. 136.
IX, 16 S. 140.
X, 9 S. 138.
X, 10 S. 137.
Sitzungsbor. d. phil.-hist. CI. LXXXIII. Bd. II. Hft.
178
Sclien kl. Xenopkontische Studien.
II, 17 S. 158 u. 160.
II, 20 S. 166.
II, 23 S. 157.
II, 25 S. 152.
III, 4 S. 162.
III, 13 S. 157.
IV, 3 S. 147.
IV, 8 S. 166.
IV, 19 S. 149.
IV, 23 S. 150.
IV, 24 S. 159.
IV, 29 S. 159.
IV, 45 S. 167.
IV, 57 S. 167.
IV, 60 S. 162 f.
IV, 64 S. 158 u. 164.
V, 1 S. 157.
VI, 1 S. 157.
VI, 7 S. 168.
VII, 3 S. 168.
VIII, 1 S. 165.
VIII, 2 S. 157.
VIII, 5 S. 159.
VIII, 24 S. 157.
VIII, 32 ff. S. 145 f.
VIII, 35 S. 168.
IX, 1 S. 158.
IX, 6 S. 164.
Apologie.
3 ff. S. 176.
7 S. 176.
12 S. 175.
14 S. 170 u. 176.
15 S. 175.
16 S. 176.
20 S. 175.
24 S. 175.
27 S. 175.
Berichtigung:
Seite 140, Zeile 8 v. u. ist statt lß: 14 zu setzen.
Zimmer mann. Perioden in Herbart's philosophischem Geistesgang.
179
Perioden in Herbart’s philosophischem Geistesgang.
Eine biographische Studie
von
Robert Zimmermann
wirkl. Mitglied der kais. Akademie der Wissenschaften.
Nebst einigen ungedruckten Beilagen.
Wer nur Herbart’s allbekannte Hauptscliriften im Auge
behält, wird zweifelhaft sein, ob bei ihm überhaupt von einer
allmäligen Entwicklung seiner Philosophie und von Perioden
derselben die Rede sein könne. Die Grundziige der theoretischen
Philosophie (Logik, Metaphysik und Psychologie) stehen in
dessen ersten Schriften bereits fertig da und haben in den
späteren ausführlichen Darstellungen zwar Durchführung und
Ausarbeitung, aber in ihren Principien keine bemerkenswerthe
Veränderung erlitten. Seine praktische Philosophie hat seit
ihrem ersten Erscheinen keine weitere systematische Dar
stellung erfahren. Nirgends wird zwischen den Jugend- und den
spätesten Schriften Herbart’s eine so weitgehende Spaltung offen
bar, wie sie z. B. zwischen Kant’s philosophischem Standpunkt
vor und nach dem Jahre 1770 (dem Zeitpunkte des Erscheinens
seiner Dissertation: de mundi sensibilis atque intelligibilis forma
et principiis), oder zwischen Ficlite’s sog. erster und zweiter
Periode, zwischen Schelling’s negativer und positiver Phi
losophie, zwischen Hegel’s schellingisirender und originaler
Periode wahrgenommen wird. Wer das Erste, was überhaupt
von Herbart zum Druck gelangte und was bezeichnend
genug weder ein Buch noch eine Abhandlung war, die Thesen
betrachtet, welche der damals Sechsundzwanzigjährige am
22. und 23. October 1802 zur Erlangung der Doctorswürde und
12*
180
Z im m e rlnan n.
der venia legendi zu Göttingen öffentlich an schlagen Hess, findet
darin bereits die Principien ausgedrückt, durch welche Herbart
vom transcendentalen Idealismus ,in jeder Form', von der
transcendentalen Aesthetik und transcendentalen Freiheitslehre
Ivant’s ebenso wie von Fichte’s Ichpliilosophie und Schelling’s
intellektualer Anschauung sich lossagt.
Wenn daher überhaupt in PIerbart’s Innerem eine Entwicklung
und ein Uebergang aus früher gewonnenen oder entlehnten Ueber-
zeugungen zu denjenigen stattfand, welche er bis an sein Lebens
ende als die seinigen festhielt, so müssen dieselben in eine Zeit
gefallen sein, in welcher derselbe es angemessen fand, die Kund
gebung derselben der Oeffentlichkeit zu entziehen. In diesem
Punkt wie in anderen erscheint er als charakteristisches Gegen
stück seines nur um ein Jahr älteren Zeit- und Fachgenossen
Schelling, der seine zahlreichen Wandlungen ebenso dreist an
gesichts des wissenschaftlichen Publikums durchzumachen liebte,
als Pierbart die seinigen, wenn solche vorhanden waren, vor
demselben rücksichtsvoll zurückhielt.
Es ist Hartenstein’s Verdienst, zuerst durch seine Aus
gabe der Kleinen Schriften (1842), dann durch jene der Sämmt-
lichen Werke (1850—52) schriftliche Zeugnisse aus dem Nach
lasse an’s Licht gezogen zu haben, aus welchen jene geheim
gebliebene Geistesentwicklung Herbart’s anschaulich hervorgeht.
Dieselben beginnen mit Herbart’s Universitätszeit in Jena (1794)
und währen bis zu dessen Auftreten als akademischer Docent
zu Göttingen (1802), mit welchem letzteren zugleich durch die
Rede bei Eröffnung seiner Vorlesungen über Pädagogik die
Reihe seiner gedruckten Schriften sich eröffnet. Es sind Auf
zeichnungen, Einwürfe, Kritiken, Entwürfe, welche zum Theil
während Herbart’s Aufenthalt als Student zu Jena, zum Theil
während eines solchen als Hauslehrer in der Schweiz entstan
den. Man entnimmt denselben die unmittelbare Wirkung, welche
Fichte’s mündliche Vorträge, wie dessen und Schelling’s erste
Schriften auf Pierbart hervorbrachten. Jenem, dem er persön
lich durch seine Mutter, eine durch Geist und Charakter be
deutende Frau, nahe stand, wurde ein Theil derselben direct
vorgelegt und von ihm mit Bemerkungen versehen, denen der
Jüngling Gegenbemerkungen im bescheidenen, aber entschie
denen Tone hinzufügte. Diesen, der damals von Fichte mit
Perioden in Herbart’s philosophischem Geistesgang.
181
sich identificirt wurde, machte Herbart zum Gegenstand einer
Beurtheilung, die eigentlich jenem galt. Die Bezugnahme auf
Fichte durchdringt alle aus jener Zeit herrührenden Schrift
stücke Herbart’s, zum deutlichen Zeichen, dass, wie er selbst
gesteht, der Idealismus der Wissenschaftslehre zum Ferment
seiner eigenen Philosophie geworden ist. Den Commentar zu
den Regungen, die in den theilweise höchst aphoristisch gehal
tenen Bruchstücken nur wie zerstreut an den Tag treten, bieten
die bei Herbart’s Unlust zum Schreiben nicht allzu zahlreichen
Briefe dar, welche von dem Herausgeber der ,Herbart’schen
Reliquien' (Prof. T. Ziller) in dankenswerther Weise (1871) ver
öffentlicht worden sind. Dieselben sind grösstentheils an Jugend
freunde Herbart’s, und unter ihnen vorzüglich an ehemalige
Mitglieder einer literarischen Gesellschaft gerichtet, welche
sich während dessen Studienzeit in Jena unter Fichte’s Auspi-
cien gebildet hatte. Die Wissenschaftslehre bildete das geistige
Band, welches die Theilnehmer verknüpfte, und die Versamm
lungen der letzteren boten zumeist die Veranlassung zu den
ersten Versuchen Herbart’s in philosophischer Kritik. In den
Briefen an diese gibt Herbart aus der Ferne Nachricht über
die Fortschritte und Veränderungen seines wissenschaftlichen
Nachdenkens, wie über die ersten Spuren seines eigenen Systems.
Durch die besondere Güte der verehrungswürdigen Witwe des
Verewigten, Frau Hofräthin Marie Herbart geb. Drake in
Königsberg, und des Gemahls ihrer Ziehtochter, Herrn Geh.
Justizrath Prof. Dr. Sanio in Jena, bin ich in den Stand gesetzt,
zu diesen Zeugnissen aus dem Nachlass einige weitere Berei
cherungen hinzufügen zu können, welche im Anhang enthalten
sind. Auf Grund jener Vorlagen soll das im Titel genannte
Thema erörtert werden.
Dass es eine Periode gegeben habe, in welcher Herbart
nicht blos Fichte’s eifrigster Schüler, sondern ein Anhänger
desselben war, bezeugt Hartenstein (Kl. Sehr. I. XVII.), zu
gleich aber auch, dass diese nur eine sehr kurze gewesen sein
könne (ebend. XXIII.). Denn um Ostern 1794, zugleich mit
dem eben berufenen Fichte selbst, war Herbart nach Jena ge
kommen und schon die von diesem 1796 verfasste Kritik der
beiden ersten im J. 1795 erschienenen Schriften Schelling’s weist
dasjenige auf, was Hartenstein bezeichnend ,die Revolution in
182
Zimmermann.
Herbart’s Denken' (a. a. 0. XXIV) nennt. Letztere führte zwei
Jahre darauf während Herbart’s Aufenthalt in der Schweiz zu
dem ,ersten problematischen Entwurf der Wissenslehre', den
Herbart’s Freund Böhlendorf in einem Brief an einen andern
Jugendfreund, Rist, als Herbart’s ,System 1 bezeichnet (II. Rel.
S. 87). Zeigt auch derselbe nach Ilartenstoin’s Ausdruck
(a. a. 0. XL1I) schon in seiner Ueberschrift noch eine gewisse
Abhängigkeit von Fickte’scher Denkweise und ,schimmern' die
Grundbegriffe seiner nachherigen eigenen Psychologie durch
die trüben und unklaren Elemente, die ihm von Fiehte’s Schule
her anhängen, ,gleichsam nur hindurch, so sind sie in ihren
Anfängen doch wohl zu erkennen' (Hartenstein S. W. Vorr. z.
XII. Band S. XI). Die Ostern 1802 aufgestellten ,Thesen' aber
erkennt derselbe Zeuge als den ,Ausdruck eines in seiner Sphäre
zur Reife gekommenen Denkens' an. ,Sie zeigen, dass, die
Principien der Ethik ausgenommen, Herbart damals schon über
das Verhältniss der verschiedenen Gebiete der philosophischen
Untersuchung sammt den Grundgedanken der Metaphysik und
Psychologie mit sich in’s Reine gekommen war.' (A. a. 0. XII.
Vorr. XI.)
Hiernach wären in Herbart’s philosophischem Geistesgang
drei Perioden zu unterscheiden. Die erste, mit Herbart’s Ein
treffen in Jena beginnend und durch die Ausarbeitung seiner
Kritik Schelling’scher Schriften begrenzt, wäre als dessen Fichte-
sche, die dritte, die durch die Aufstellung obiger ,Thesen'
eingeleitet und bis an sein Lebensende fortgesetzt wird, als
dessen originale, dagegen die zwischen beiden gelegene, deren
Beginn jene Kritik Schelling’s markirt, als dessen philosophische
Uebergangsperiode zu bezeichnen. Die erstgenannte würde
kaum volle zwei, die letztgenannte aber sechs Jahre, die
Periode seines selbstständigen Philosophirens dagegen sein
ganzes übriges Leben umfassen. Jene müssten als Lehr-, die
Zeiten des Uebergangs als Wanderjahre, schon die Jahre von
Herbart’s Auftreten als akademischer Lehrer in Göttingen an
dürfen als Meisterjahre gelten.
I.
Perioden in Herliart’a philosophischem Geistesgang.
183
an der Schwelle seiner Laufbahn in ihrer genialsten und
heroischesten Erscheinung entgegentrat. Vermochte er dem Idea
lismus in Fichte’s Heldengestalt zu widerstehen, so konnte
keiner der schwächeren Nachfolger desselben mehr einen ver
führerischen Reiz auf ihn ausüben. Als er um Ostern 1794
nach Jena kam, war Fichte eben an Reinhold’s Stelle berufen
worden. Am 26. Mai eröffnete er seine Vorlesungen über die
,Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre', welche zugleich
seinen Zuhörern bogenweise in die Hand gegeben wurde. So
begannen seine Lehrjahre unter günstigen Gestirnen. Zwar war
er, wie er selbst sagt, schon zu Hause und auf der Schule in
der Philosophie nach Wolff’schen und Kant’schen Principien
unterwiesen worden, ja er hatte, wie aus einem erhaltenen
Jugendaufsatze ,über die Freiheit des Willens' hervorgeht, sogar
selbst den Versuch gemacht, philosophische Gedanken zu Papier
zu bringen. In einer lateinischen Abiturientenrede verglich er
Cicero’s und Kant’s Gedanken über das höchste Gut und den
obersten Grundsatz der praktischen Philosophie. In Fichte trat
ihm eine Persönlichkeit entgegen, deren imponirende Anlagen
sie von Natur aus zum Volksredner und akademischen Jugend
lehrer bestimmt zu haben schienen. Für seine ganze Entwick
lung, seine philosophische, wie seine sittliche, muss es als eine
Gunst des Geschickes angesehen werden, dass er nach Jena
kam. Die Kant’sche Philosophie, durch Reinhold verkündet, war
bisher der Magnet gewesen, der Jünglinge aus allen deutschen
Gauen nach dieser Universität lockte. In Fichte erstand eine
Sonne, während jener nur ein Planet gewesen war. Es waren
fruchtbare Lehrjahre, die er im Ilörsaale Fichte’s fand. Er selbst
hat es bekannt, was er Fichte verdanke. Die Totalität seines
Geistes, die sich auch in seinem System so sehr zeigte, war es,
wie er an IJalein schreibt (28. Aug. 1795, PI. R. S. 21), was er
am meisten an ihm bewundern musste. Auch später noch, als
er längst schon der Meinung war, Fichte habe ihn hauptsäch
lich durch seine ,Irrthümer' belehrt, hob er ,das Streben nach
Genauigkeit in der Untersuchung' hervor, das Fichte ,im vor
züglichen Grade' besessen habe. ,Mit diesem Streben und durch
dasselbe', fährt er fort, ,wird jeder Lehrer der Philosophie seinen
Schülern nützlich werden; ohne Genauigkeit bildet der Unter
richt in der Philosophie nur Phantasten und Thoren' (S. W. VII.
184
Zimm ermann.
S. 152). Fichte’s Sohn hat die Zeugnisse gesammelt, die über
dessen Bedeutung als akademischer Lehrer vorliegen. Als ei
serne erste Vorlesung zu Jena hielt, war das grösste Audito
rium daselbst zu eng; die ganze Hausflur, der Hof war voll,
auf Tischen und- Bänken standen sie (nach Fichte’s eigenem
Ausdruck) übereinander. ,Fichte', sagt ein geistvoller Beobachter
aus jener Zeit, Forberg, ,hört man gehen und graben und suchen
nach Wahrheit. — In allen seinen Untersuchungen ist ein Regen,
ein Streben, ein Treiben, die härtesten Probleme der Vernunft
durchgreifend aufzulösen, Probleme, deren Existenz nicht ein
mal, geschweige deren Auflösung sein Vorgänger (Reinhold),
geahnt hat — er dringt in die innersten Tiefen seines Gegen
standes ein und schaltet im Reiche der Begriffe mit einer Un
befangenheit umher, welche verräth, dass er in diesem unsicht
baren Lande nicht nur wohnt, sondern herrscht' (Fichte’s Leben
und Lehre. 2. Aufl. I. 222.).
Dass ein solcher Lehrer anregend auf den Schüler wirken
musste, ist begreiflich. Zum Ueberfluss trachtete Fichte aus
drücklich nach Annäherung an die Studenten. Er war ,wirklich
gesonnen, durch seine Philosophie auf die Welt zu wirken'.
Den Hang zu unruhiger Thätigkeit, der in der Brust jedes
edeln Jünglings wohnt, suchte er sorgfältig zu nähren und zu
pflegen, damit er zu seiner Zeit Früchte bringe. Wie er das
rohe akademische Leben zu verbannen und das Ordenswesen zu
vernichten bestrebt war, so bemühte er sich, edlere gesellige
Vereinigungen zu wissenschaftlichen Zwecken unter den Stu-
direnden zu unterstützen und die besten von ihnen zu seinem
persönlichen Umgang heranzuziehen. An den Versammlungen
einer solchen, der ,literarischen Gesellschaft' oder ,Gesellschaft
der freien Männer', welche im Frühjahr 1794, kurz vor Fichte’s
Ankunft, von zwölf Studirenden, meist Norddeutschen und
Russen aus den Ostseeprovinzen, gestiftet worden war, nahm
er nicht selten persönlich Theil ; an den gemeinschaftlichen
Mittagstisch, den er, anfänglich ohne seine erst später nach
kommende Gattin in Jena lebend, mit seinen Collegen Niet
hammer und Woltmann verabredet hatte, liess Fichte auch
Studenten zu. Durch letzteren, einen gebornen Oldenburger und
Landsmann Herbart’s, so wie durch die persönliche Bekannt
schaft seiner Mutter, die ihn nach Jena begleitet hatte, einer
Perioden in Herbart’s philosophischem Geistesgang.
185
,seltenen und merkwürdigen Frau' (IT. R. S. 2), mit Fichte,
wurde auch Herbart an diesen persönlich herangezogen und
sowohl in jene Gesellschaft als an diesen Mittagstisch auf
genommen.
Die Mitglieder der ersteren, deren Genosse Herbart durch
die ganze Zeit seines Aufenthalts in Jena blieb, waren durch-
gehends Fichte’s Schüler. Dass sich unter denselben bedeutende
Männer befanden, geht aus der Aufzählung ihrer Namen bei
Hartenstein (Kl. Sehr. I. S. XIX) hervor, wo neben den Jugend
freunden Herbart’s Johannes Smidt (geb. zu Bremen 5. Nov.
1773, gest. als Oberbürgermeister das. 7. Mai 1857), Rist, Böhlen
dorf, Muhrbeck, dem Tassoübersetzer Gries u. A., auch der Phi
losoph Erich von Berger (geb. 1772 zu Faaborg auf Fünen, gest.
1835 als Prof, zu Kiel) und H. Steffens genannt werden. Ton
und Geist der Zusammenkünfte geht am klarsten aus dem Inhalt
der in denselben gehaltenen Vorträge hervor, von deren einem
(aus Herbart’s Feder) sich wenigstens ein Bruchstück erhalten
hat und von dem Herausgeber Hartenstein sowohl in die Samm
lung der Kleinen Schriften (I. S. XX—XXIII), als in die
Sämmtlichen Werke (XII. S. 4—7) aufgenommen worden ist.
Derselbe betrifft eine von (dem nachmaligen dänischen Conferenz-
rath zu Schleswig) Rist eingesandten Aufsatz ,über moralische
und ästhetische Ideale' und wird von dem Herausgeber
(a. a. 0. S. 4) in das Jahr 1794 gesetzt. Diese Datirung kann
aus zwei Gründen unmöglich die richtige sein. Erstens führt
der im Nachlass vorhandene, bisher ungedruckte Aufsatz von
Rist, der obige Uebersclirift trägt, ausdrücklich das Datum:
Mai 1796. Zweitens wird dieses Datum nicht nur durch einen
Brief Herbart’s an Smidt vom 30. Juli 1796 (H. R. S. 32)
bestätigt, in welchem er diesem meldet, Rist habe einen Auf
satz geschickt, sondern in einem Schreiben an Rist selbst vom
Sept. 1796 übersendet Herbart diesem einen Auszug aus dem
von ihm über dessen Aufsatz gehaltenen Vortrag (a. a. O.
S. 36). Mit demselben Schreiben aber sandte Herbart seinem
Freunde zugleich das ,kleine Blatt über Schelling', das der
Herausgeber kurz nach dem Erscheinen der Kleinen Schriften
aus der Hand dos Empfängers erhalten, und mit der Ueber-
schrift: ,Spinoza und Schelling. Eine Skizze' und der richtigen
Zeitangabe seiner Entstehung(1796) versehen, in den Sämmtlichen
186
Z i m ra ermann.
Werken (XII. S. 7—10) zum Abdruck gebracht hat. Nach
diesen Angaben kann kein Zweifel mehr sein, dass die Ab
fassung jenes Aufsatzes nicht in das Jahr 1794, wo Herbart
eben erst nach Jena gekommen war, sondern zwischen 30. Juli
und September 1796, jedenfalls nach Mai und vor September
dieses Jahres zu setzen ist.
Diese Berichtigung des Datums ist insofern für den vor
liegenden Zweck von Wichtigkeit, als damit für die Angabe
der Zeit, zu welcher Herbart als Anhänger Fichte’s betrach
tet werden darf, ein unbestreitbarer Anhaltspunkt gewonnen
wird. In dem Aufsatze Herbart’s erkennt der Herausgeber
der Kl. Sehr. (I. S. XXIII) mit Bestimmtheit ,die Grund
gedanken der altern Wissenschaftslehre in selbstständiger Form'
und sieht denselben als Beweis an, dass es eine Periode ge
geben habe — ,wenn auch nur eine sehr kurze' — in welcher
Herbart ,nicht blos ein eifriger Schüler, sondern ein Anhänger
Fichte’s' gewesen sei. (A. a. 0. XVII.) Kann nun die Abfas
sung desselben, wie aus den oben angegebenen Umständen
erhellt, nicht, wie Hartenstein angibt, in das Jahr 1794, sondern
muss sie jedenfalls nach dem Mai 1796, wahrscheinlich erst
nach dem 30. Juli d. J. gesetzt werden, so darf die Periode,
innerhalb welcher Herbart Fichteaner war, wenigstens bis zu
diesem Zeitpunkt hin ausgedehnt werden.
Das Zeugniss Hartenstein’s wird durch den Inhalt des
Aufsatzes bestätigt. Da sich derselbe durchaus auf den ,Ver
such' von Rist bezieht, und ohne denselben kaum verständlich
ist, so ist es vielleicht nicht überflüssig, zuerst den Inhalt des
letzteren, welcher im Anhang zum erstenmal abgedruckt er
scheint, kurz anzugeben. In einem früher der Gesellschaft vorge
legten Aufsatz hatte der Verfasser geleugnet, dass es ein bestimmtes
Ideal der Menschheit gebe; für den Menschen als eine durch Sinn
lichkeit in Bewegung gesetzte und erhaltene Intelligenz sei un
endliches Wirken höchstes praktisches Postulat und sonach einziges
Ideal. In seinem neuerlichen Versuch gibt er zu, es sei eine nicht
zu befriedigende Anforderung der speculativen Vernunft, dass sie
aus dem Wesen des reinen Ich sowohl den reinen absoluten Gehalt,
wie die reine Form desselben deducire, d. h. ein theoretisches
Ideal aufstelle: denn um menschlicher Gehalt, menschliche Form
und um beides neben einander zu sein, um die Bedingungen
Perioden in Herbart’s philosophischem Geistesgang.
187
der Menschheit streng zu erfüllen, müsse es ein gewisses reines
Wesen beider Bestandtheile geben, und müsse sich dieses un
widerstehlich gewiss und genau aufzeigen und bestimmen lassen.
Dagegen sei es unmöglich, ein praktisches Ideal aufzustellen,
denn ein solches würde als ,unübertreffliches' der Wechsel
wirkung zwischen Ich und Nicht-ich Grenzen setzen, entweder
dadurch, dass der Perfectibilität des Nicht - ich, oder dessen
Wirksamkeit auf das Ich Schranken gesetzt würden, während
wir uns das Wesen des Menschen, alle Bestandtheile und Kräfte
desselben doch nur ,praktisch' d. i. in steter Wirksamkeit nach
innen und aussen denken könnten und dürften. Darum — ,weg
mit den Idealen!' Herbart findet Rist’s Gedanken ,im Ganzen
richtig'. Er habe gesehen, dass (nach den Principien der Wissen
schaftslehre) ,das Vernunftwesen nur durch Anstoss von aussen,
und dass dieser Anstoss nur durch ein in’s Unendliche über ihn
hinausgehendes Streben denkbar sei'. Sobald dieser Anstoss auf
hört, entweder weil das Nicht-ich die äusserste Grenze seiner
Vervollkommnungsfähigkeit, oder weil die Fähigkeit des Ich,
über dasselbe hinauszustreben, ihr Ende erreicht hat, hört auch
das Vernunftwesen auf denkbarzu sein. Das aber schien ihm die
Folge der Aufstellung eines praktischen d. i. unübertrefflichen
Ideals zu sein und darum erschien der Begriff des Ideals ihm
,verdächtig und räthselhaft'. Jene Unendlichkeit des Strebens
und die in’s Unendliche veränderliche Mannigfaltigkeit des An-
stosses wollte er nicht beschränkt wissen. Um die Unendlich
keit zu erhalten, durfte sie seiner Ansicht nach nicht,begriffen'
werden. Aber gerade darin findet Herbart seinen Irrthum, der
aus seinem ,imvollkommenen Studium der Wissenschaftslehre'
zu erklären sei. Rist hat nicht gesehen, wie die Wissenschafts
lehre ihr Problem lösen werde, nicht deren ,strengen Beweis,
dass die Unendlichkeit in Einen Begriff aufgefasst werden
müsse'. Die Unendlichkeit, die zu dem Wesen des Ich gehört,
geht durch ihr Umfasst-, Begriffenwerden nicht verloren. Viel
mehr gehört das Begreifen der Unendlichkeit ebensogut zum
Begriff des Ich (als Vernunftwesen) wie die Unendlichkeit selbst.
Letztere ,kann nicht blosse Aufgabe bleiben, weil sonst das
Ich selbst nur Aufgabe wäre'. Die Erschöpfung der im Ver
nunftwesen gelegenen Unendlichkeit geschieht, ,indem sich das
Ich die Aufgabe selbst, die ganze Unendlichkeit in einem Begriff
188
Zimmormann.
vorstellt, indem ich es mir sage, dass ich mich selbst in einem
ewigen Cirkel als mich selbst vorstellend u. s. w. vorstellen
müsse. Das Begreifen, Umfassen der Unendlichkeit wird also
durch den Begriff des Ich postulirt; hat die Wissenschaft dies
Postulat erklärt, so ist ihr Problem gelöst. Der Wille, rein
gedacht, ist trotz der unendlichen Menge der Objekte, auf
welche er sich richtet, nur Einer, widerstreitet sich trotz der
Unendlichkeit seiner empirischen Bestimmungen (in Folge un
endlich veränderter Lagen und Umstände) nie; alle diese Be
stimmungen können als ein consequentes Ganzes aufgefasst
werden, obgleich sie eine Unendlichkeit enthalten. Einheit und
Unendlichkeit schliessen einander daher keineswegs aus; die
Reflexion auf den reinen Trieb als Einen, das ,theoretische
Ideal, von dem Rist redet', hebt dessen Unendlichkeit nicht
auf; diese geht also keineswegs ,verloren, sobald sie begriffen
wird'. Wird dagegen verlangt, dass alle diese unendlichen (em
pirischen) Bestimmungen, d. i. alle möglichen Objekte, auf die
sich der Wille richten, alle möglichen Lagen und Umstände,
in die er gerathen, und alle möglichen Einwirkungen, die er
erfahren kann, angegeben und deducirt werden sollen, so ,wider
spricht sich dies selbst, wenn man nicht etwa die Unendlich
keit der Natur leugnen wollte'. In diesem Sinn ist ein prak
tisches Ideal', wie es Rist leugnet, wirklich unmöglich, d. li.
die Unendlichkeit der empirischen Bestimmungen ist unerschöpf
lich, aber nicht weil sie unendlich, sondern weil sie empirisch
ist, während das Ideal als ,Idee der Unendlichkeit' diese zu
gleich enthält und begreift.
Wie Fichte’s Grundlage der Wissenschaftslehre (S. W.
S. 114), weist Herbart auf die Frage, ,in welcher Kant das
ganze Bedürfniss der Vernunft zusammenfasst': Wie sind syn
thetische Urtheile a priori möglich? Wie jener behauptet (a. a. O.)
es gebe überhaupt dem Gehalt nach keine bloss analytischen
Urtheile, man käme durch solche nicht bloss nicht weit, sondern
gar nicht von der Stelle, so behauptet dieser, auf Synthesis
gehe unser ganzes Streben aus, sowohl unser wissenschaftliches
Forschen, als unser Handeln in der Sinnenwelt, solche sei das
Wesen der Wissenschaft. Im dritten Grundsatz der Wissen
schaftslehre, lehrt Fichte, sei eine Synthesis zwischen dem ent
gegengesetzten Ich und Nicht-ich, vermittelst der gesetzten
Perioden in Herbart’s philosophischem Geistesgang.
189
Theilbarkeit beider, angenommen, über deren Möglichkeit sich
nicht weiter fragen, noch ein Grund derselben sich anführen
lasse; sie sei schlechthin möglich, man sei zu ihr ohne wei
teren Grund befugt. Herbart verlangt, dass, wenn überhaupt
Wissenschaft, ganz so wie sie gefordert wird, möglich sei, die
selbe von Einem Grundsätze aus zu durchlaufen möglich sein,
und dass sie in allen ihren Theilen synthetisch Zusammenhängen
müsse; jener Grundsatz werde ,die reinste Synthesis' sein und
zu allen anderen führen müssen. Fichte bezeichnet ausdrück
lich die Synthesis zwischen dem entgegengesetzten Ich und
Nicht-ich als diejenige, in welcher alle übrigen Synthesen, wenn
sie giltig sein sollen, gelegen sind. Herbart findet, dass jede
,einigermassen aufmerksame Betrachtung des Ich es klar vor
Augen stellen müsse, dass er und nur er allein die völlig reine
Synthesis, welche zu allen übrigen führt, enthalte'. Wie nun
nach Fichte keine Synthesis ohne vorhergegangene Antithesis,
also auch keine neue Synthesis ohne Aufzeigung Entgegen
gesetzter, welche vereinigt werden sollen, in der alten, möglich
ist, so muss nach Herhart auch jene erste aller Synthesen, das
Ich, eine Antithese enthalten, wenn eine neue Synthese aus der
selben hervorgehen soll. Da der Begriff des Ichs, rein gedacht,
nur den des sich selbst Vorstellens enthält, so sind die beiden
Verbundenen, das Vorstellende und das Vorgestellte, nothwendig
Eins und Dasselbe; eben darum müssen aber auch beide ver
schieden sein, denn ,es kann nichts zusammengesetzt werden,
wenn nichts verschiedenes da ist'. In der Synthese, welche den
Begriff des Ich ausdrückt: Ich stelle mich vor, muss daher
,dieses Mich, dieses vorgestellte Ich in einer gewissen Rück
sicht ein anderes sein, eine neue Synthese eingehen, in der die
vereinigten Glieder nicht eins und dasselbe sind'. Zur Erläu
terung fügt er hinzu: Ich stelle z. B. mich vor als denjenigen,
der hier sitzt und liest, so und so gekleidet ist, so alt ist u. s. w.
Damit aber das Ich beim Eingehen verschiedener Verbindungen
mit dem Nicht-ich seine Einheit mit sich selbst nicht verliere,
muss es die Wissenschaft auch wieder aus dieser Verbindung
(als einer ihm zufälligen) lostrennen und zeigen, wie ich dazu
komme, mich nicht bloss als den, der hier sitzt u. s. w., sondern
als Ich, als den sich selbst Vorstellenden zu setzen. Dass da
durch ein unendlicher Cirkel entsteht, macht den Verfasser so
190
Zimni ermann.
wenig wie jenen der Wissenschaftslehru irre, deren erste Grund
lage nur auf einem offen eingestandenen, aber ,unvermeidlichen'
Cirkel ruht. ,Ich kann mich setzen', sagt Herbart, ,als den, der
sich selbst — als sich selbst Vorstellenden vorstellt, und in
dem ich hievon rede, bin ich es wieder, der sich diesen Cirkel
vorstellt, ich falle also wieder in ihn hinein und indem ich davon
rede, bin ich noch einmal selbst der Vorstellende, und so in’s
Unendliche; die Synthesis läuft ewig in sich selbst zurück'.
In dem Begriff des sich sich (se sibi)-Vorstellens, wobei das
Vorgestellte abermals das Ich, d. i. das sich sich Vorstellen ist,
und so in’s Endlose fort, entdeckt er auch hier keinen ,Wider
spruch'. Vielmehr ,muss' jene Unendlichkeit erschöpft werden,
,indem das Ich sich die ganze Unendlichkeit in einem Begriff
vorstellt, indem ich es mir sage, dass ich mich selbst in einem
ewigen Cirkel als mich selbst vorstellend u. s. w. vorstellen
müsse'.
Damals hatte also Herbart, der Zuhörer Fichte’s, den
,herben Widerspruch' (contradictionem acerrimam) im Begriffe
des Ich noch nicht entdeckt, den er in der siebenten seiner
pro loco in philosophorum ordine rite obtinendo am 23. October
1802 vertheidigten Thesen als einen solchen bezeichnete, den
die Philosophie nicht anders, als nach Beseitigung des Idea
lismus ,von Grund aus' (nisi sic, ut idealismum funditus evertat),
aufzulösen unternehmen könne. Noch 1822 (in einer Anmer
kung zu seiner Schrift: Ueber die Möglichkeit, Mathematik
auf Psychologie anzuwenden, S.W. VII. S. 152) bezeichnete er die
Einsicht, dass die Ichheit schlechterdings nichts Primitives und
Selbstständiges, sondern das Abhängigste und Bedingteste sein
müsse, als die erste, die sich ihm enthüllt und ihn von Fichte
entfernt habe. In der vorliegenden Abhandlung zweifelt er nicht
im Geringsten daran, dass sie, dem ewigen Cirkel zum Trotz,
den sie einschliesst, die erste und ursprüngliche reine Synthesis
sei, welche zu allen folgenden führe. Hartenstein’s Behauptung,
es habe eine Periode gegeben, in welcher derselbe nicht bloss
Schüler, sondern Anhänger Fichte’s gewesen sei, ist daher ebenso
richtig, als dessen weitere, dass dieselbe ,nur sehr kurz' ge
wesen sein könne, durch die Berichtigung des Datums der Ab
fassung obiger Schrift selbst eine solche erfährt. Zu der letzteren
ist Hartenstein ohne Zweifel durch den Umstand vermocht
Perioden in Ilerbart’s philosophischem Geistesgang.
191
worden, dass eine andere Fichte betreffende Aufzeichnung- Her-
bart’s, welche aus dem ersten Semester von dessen jenenser
Universitätszeit (Sommer 1794) stammt, wirklich einen Kritik-
und Widerlegungsversuch Fichte’scher Sätze enthält. Da er
nun obige Abhandlung gegen Rist ausdrücklich ,in dasselbe
Jahr' (Vorr. XII. S. IX.) verlegt und mit der Zeitangabe:
1794 versieht, so wäre Herbart innerhalb eines und desselben
Halbjahres Gegner und Anhänger Fiehte’s, also das letztere wohl
kaum durch das volle erste Semester gewesen. Wird dagegen,
wie es jetzt unvermeidlich scheint, zugestanden, die Beurthei-
lung des Rist’sclien Versuchs sei erst in der Zeit vom Juli bis
September 1796 verfasst, so verschwindet der Widerspruch,
der zwischen Herbart’s Gegnerschaft gegen Fichte in der ersten
und dessen Anhängerschaft an denselben in der zweiten Schrift
besteht. Die Zwischenzeit vom Sommer 1794 bis zu den Ferien
monaten 1796, welche volle zwei Jahre beträgt, ist lang
genug, um es als möglich erscheinen zu lassen, dass Herbart
aus einem anfänglichen Gegner inzwischen zum Anhänger der
Wissenschaftslehre geworden sei. Auch scheinen die Bedenken,
die allerdings einen Hauptpunkt der Wissenschaftslehre an
gingen, entweder von Herbart selbst fallen gelassen, oder von
Fichte (mündlich) gehoben worden zu sein; wenigstens kommt
er auch später, da er sich von Fichte entfernte, nicht mehr
auf dieselben zurück.
Dieselben wurden Fichte persönlich überreicht und be
trafen den zweiten Grundsatz der Wissenschaftslehre, welcher
behauptet, dass unter den Handlungen des Ich ein Entgegen
setzen vorkomme und zwar seiner blossen Form nach als schlecht
hin mögliche, unter gar keiner Bedingung stehende und durch
keinen höheren Grund begründete Handlung. Derselbe schliesst
demnach ein, dass die Handlung des Entgegensetzens eine von
jener des Gleichsetzens, welche den ersten Grundsatz ausmacht,
wirklich verschiedene Handlung, dagegen aus, dass neben dieser
Handlung des Entgegensetzens noch eine oder mehrere andere
Handlungen des Entgegensetzens denkbar seien. Beides be
streitet nun Herbart in seinen Bemerkungen. Er behauptet, es
sei nicht erwiesen, dass die Handlung des Entgegensetzens von
jener des Gleichsetzens verschieden, und ebensowenig, dass sie die
einzige denkbare Handlung des Entgegensetzens sei. Denn der Satz:
192
Zimmermann.
—A nicht = A, welchen die Wissenschaftslehre als verschieden von
dem Satz: A = A und als aus diesem nicht ableitbar ansehe, sei
in Wirklichkeit ganz gleich dem Satze: — A = — A, in welchem
Subject und Prädicat gleich seien. ,!)ann würde aber', schliesst
Herbart, ,das unbedingte Zugestehen desselben nichts anderes
sein, als das Zugestehen von: A = A‘, d. h. der zweite Grund
satz fiele zusammen mit dem ersten. Ferner: das Entgegen
gesetzte sei ein Gesetztes nicht. Das Gesetzte sei A, so ist das
Entgegengesetzte = Nicht A. Nun aber sei Nicht A nicht
nothwendig —A, sondern es könnte auch sein -- 0 A (Null
mal A). ,Es gäbe also zweierlei Arten des Entgegensetzens,
die zwei verschiedene Handlungen des Entgegensetzens aus
machten', d. h. die Handlung des Entgegensetzens, welche unter
den Thatsachen des empirischen Bewusstseins vorkommt, wäre
nicht die einzige.
Bedenkt man, dass der zweite Grundsatz der Wissen
schaftslehre die Antithesis enthielt, ohne welche nach Fichte
keine Synthesis möglich ist (Grundl. d. ges. Wiss. S. W. I.
115) und dass in der ersten Synthese alle übrigen (also das
ganze System) enthalten sind (ebend. S. 114), so waren Her-
bart’s Einwürfe, welche, wenn sie begründet waren, entweder
die Antithesis überhaupt aufhoben, oder, was auf dasselbe
hinauskam, deren mehrere als möglich erscheinen liessen, gewich
tig genug. Der Wortlaut der Wissenschaftslehre schien aber
dem ersten Bedenken so wenig entgegenzustehen, dass Herbart
vielmehr durch ihn auf den Gedanken kam, dieselbe stimme
mit seiner eigenen Ansicht überein. Denn derselbe beweist nur,
dass sich für den Satz: —A nicht A kein Beweis führen
lasse; erbeweist aber nicht, dass derselbe von dem Satze: A A
verschieden sei, sondern eher das Gegentheil. Jenes beweist
die Wissenschaftslehre so, dass sie zeigt, wenn ein Beweis
möglich sein sollte, so könnte derselbe nicht anders als aus
dem Satze: A = A geführt werden. Ein solcher Beweis aber
sei unmöglich. ,Denn setzet das Aeusserste, dass nämlich der
aufgestellte Satz dem Satze: —A —A, mithin —A irgend
einem im Ich gesetzten Y völlig gleich sei (das ist Herbart’s An
nahme !), so wäre hier der gleiche Zusammenhang (: X) gesetzt
wie oben (bei dem ersten Grundsätze); und es wäre gar kein vom
Satze: A A abgeleiteter und durch ihn bewiesener, sondern
Perioden in Ilerbart’s philosophischem Geistesgang.
193
es wäre dieser Satz selbst'. Nach diesem Ausspruch durfte sich
Herbart wohl für berechtigt halten, zu glauben, seine Behaup
tung, unter der Annahme, dass der Satz: —A nicht A dem
Satze.: — A — A ganz gleich sei, sei auch das Zugeständnis
desselben völlig Eins mit dem Zugeständnis des Satzes: A = - A,
sei der Wissenschaftslehre eigene. Gegen das zweite Bedenken
würde sich einwenden lassen, dass die Annahme: Nicht A
könnte auch — 0 A (Null mal A) sein, aus einer Zweideutigkeit
entspringe. Die Handlung, von welcher die Wissenschaftslehre
redet, ist ein Entgegensetzen d. i. ein Setzen des Entgegen
gesetzten von dem, was gesetzt worden ist. Wurde also früher
A gesetzt, so wird nun das Entgegengesetzte von A d. i. —■ A
gesetzt. Durch die Annahme OA (Nullmal A) wird aber nicht
bloss A nicht gesetzt, sondern es wird überhaupt gar nicht
gesetzt. Es ist also nicht richtig, dass Nicht A auch 0 A (Null
mal A) sein könne. Denn jenes beruht auf einem wirklichen,
dieses dagegen auf dem Gegentheil des Setzens. A und — A
bedeuten zwei Entgegengesetzte, die beide gesetzt werden; A
und — A einer-, Nullmal A andererseits stellen den Gegensatz
zwischen Setzen überhaupt und Nicht-Setzen dar. Es würde daher
zwar ein Gegensatz zwischen Handeln (Setzen) und Nicht-
Handeln (Nicht-Setzen), nicht aber zwischen zweierlei Hand
lungen und noch weniger zwischen ,zweierlei Arten des Ent
gegensetzens' statthaben.
Gleichviel ob ihm Fichte Aelmliches oder Anderes er-
wiedert, oder Herbart seine Bedenken selbst fallen gelassen
haben mag, Tbatsache ist, dass letzterer auf dieselben, wie
schon gesagt, nicht wieder zurückgekommen ist. Da dieselben,
wie man aus ihrer Terminologie erkennt, gegen die erste Be
arbeitung der Wissenschaftslehre gerichtet waren, welche Fichte
seinen Zuhörern bogenweise, wie sie gedruckt wurde, in die
Hand gegeben hatte, so mag zu deren Beseitigung auch der
Umstand beigetragen haben, dass Fichte schon bei der zweiten
Bearbeitung der Wissenschaftslehre eine andere Gestalt gab.
Wenigstens schreibt Herbart, etwa ein Jahr, nachdem er jene
Ein würfe zu Papier gebracht hatte, am 28. August 1795, an seinen
väterlichen Freund, den Dichter v. Idalem: Fichte scheine wenig
an dem, was er einmal geschrieben, zu hängen. Selbst in An
sehung der Wissenschaftslehre, deren erste Bogen kaum ein
Sitzungsbor. d. phil.-bist. CI. LXXXIII. Bd. II. Hft. 13
194
Zimmermann.
Jahr alt seien, habe er ihn (Herbart) gewarnt, nicht an dem
Buchstaben des Einzelnen zu kleben, sondern alles aus dem
Gesichtspunkte des Ganzen anzusehen (H. Bel. S. 21). Fichte
war bekanntlich, wie sein Biograph bezeugt, Feind jeder fest
stehenden überall wiederkehrenden Terminologie; er selbst
schrieb an Reinhold, seine Theorie sei auf unendlich mannig
faltige Art vorzutragen (L. u. Lehre. I. S. 228). Die Form und
Terminologie jener ersten im Drucke erschienenen Wissen
schaftslehre, die sein Zuhörer Herbart, als er obige Zweifel
niederschrieb, allein im Auge haben konnte (Jena 1794), hat
er gleich nachher (wie durch obige Briefstelle bestätigt wird)
für immer verlassen. Die Methode, das ganze System als Ana
lyse dreier Grundsätze (den zweiten davon hatte Herbart eben
angegriffen!) zu behandeln, war nach des jüngeren Fichte Bemer
kung eigentlich nur ein Ueberbleibsel des damaligen durch
Reinhold eingeführten Formalismus, wo man einen ,höchsten
Grundsatz' suchte, um aus ihm die ganze Philosophie zu ent
wickeln. Derselbe, ebenso die Terminologie von Ich und Nicht-Icli,
der nur symbolische und desshalb ungenügende Ausdruck des
Anstosses des Ich vom Nicht-Ich, dies alles ist schon in den
gleich darauf geschriebenen Darstellungen (erste und zweite
Einleitung in die Wissenschaftslehre, ,Neue Darstellung der
Wissenschaftslehre v. J. 1797') so völlig verschwunden, dass
das Wort Nicht-Ich z. B. in Fichte’s späteren Schriften gar
nicht mehr Vorkommen möchte (a. a. 0. I. S. 228). Waren
durch diesen Umstand aber auch Ilerbart’s Einwendungen gegen
standslos geworden, so blieben sie nichtsdestoweniger ein Zeug-
niss für den Geist selbstständiger Prüfung, von welchem Her
bart selbst damals, als er Fichte am nächsten stand, ihm gegen
über erfüllt war. Derselbe ist um so mehr anzuerkennen, als
Fichte’s Ansehen zu jener Zeit auf dem Gipfel stand und Her-
bart’s persönliche Beziehungen zu ihm die günstigsten waren.
Reinhold, welcher vor ihm in Jena als Philosoph den höchsten
Ruf genossen, war seit Fichte’s Erscheinen völlig aus den
Köpfen der Studirenden verdrängt. An Fichte, bezeugt der
oben angeführte Beobachter, wurde geglaubt, wie niemals an
Reinhold geglaubt worden war. Von der Rolle, welche die
übrigen Professoren der Philosophie neben Fichte spielten, gibt
Herbart selbst in einem Briefe aus Jena (H. R. S. 24) eine
Perioden in Herbart’s philosophischem Geistesgang.
195
ergötzliche Schilderung. ,Während sich Fichte, schreibt er, in
seinem angefüllten Auditorium in den tiefsinnigsten Speculatio-
nen der Wissenschaftslehre verliert, singt Ulrich, um durch die
plattesten Spässe wenigstens noch eine Classe von Zuhörern
für sich zu gewinnen, im Collegium der Aesthetik auf dem
Catheder den alten andächtigen Weibern nach und lehrt für
einige selecta ingenia philosopliiam Kantianam alienis
pannis non deturpatam — die selecta ingenia sind dann einige
Ungarn, die nicht deutsch genug verstehen, um deutsch gele
sene Collegien gehörig zu benutzen*. Auch Damen studirten
Fichte’s Philosophie; Herbart nennt in demselben Brief die
Dichterin Sophie Mereau, die nachherige Gattin Clemens Bren-
tano’s, als Kant’s und Fichte’s Beflissene. Herbart’s eigene
Mutter, die ihm nach Jena gefolgt war, stand Fichte persön
lich nahe. Der Sohn erwähnt in demselben Brief, dass sie sehr
oft den Morgen in dem Hause des ,freidenkendsten Professors*
zubrachte; sie selbst nennt Fichte in einem Schreiben (Id. R.
S. 54) ihren ,Freund* der sie mit Freundschaft überhäuft, in
dessen Hause, auf dessen Studirstube sie sich wie zu Hause
gefühlt habe*. (Br. v. 9. Sept. 1797.) Als sie (25. März 1797)
mit ihrem nach der Schweiz abgehenden Sohne Jena für immer
verliess, wollte auch Fichte, die ersten Wochen wenigstens,
von dort abwesend sein. Nachdem er sie aus seinem Hause in
den Wagen geführt, stieg er mit Frau und Kind zugleich in
den semigen, nahm einen anderen Weg, ,und wir sahen uns
nicht wieder*.
Die Anführung dieser Nebenumstände mag zum Beweise
dienen, dass, wenn Herbart Fichte gegenüber seine Unab
hängigkeit wahren wollte, dies ihm durch die Verhältnisse
nicht leicht gemacht worden ist. Nicht dass er Fichte’s An
hänger wurde, ist zu verwundern, sondern dass er es nicht
blieb, und es auch während der Zeit seiner hingehendsten
Verehrung niemals mit Verzicht auf das eigene Urtheil war.
Aeusserungen, die hierauf deuten, finden sich schon vor dem
Zeitpunkt der Abfassung jener Kritik, die von Hartenstein mit
Recht als ein Schriftstück im Fichte’sclien Geiste betrachtet
wird. So schreibt er am 27. Juni 1796 an seinen Freund Smidt,
dass, ob er gleich ohne Fichte zu gar nichts gekommen sein
würde, er doch von dessen Buche, so weit es bis jetzt da sei,
13*
Z i m mormanii.
196
(Wissenschaftslehre von 1794), eigentlich nicht eine einzige
Seite als einen Gewinn für die Wahrheit ansehen könne. Dass
er dies einem Freunde wohl ohne Unbescheidenheit in’s Ohr
sagen dürfe, davon sei wohl der beste Beweis der, dass Fichte
selbst längst laut gesagt habe, er wolle nächsten Winter —
denn diesen Sommer sei das Collegium nicht zu Stande gekom
men — die Wissenschaftslehre nach einem neuen Manuscripte
lesen (Wissenschaftslehre von 1797). Schon einen Monat später
(30. Juli 1796) berichtet er demselben Freund, dass ihm gegen
Fichte’s Lehre von der Freiheit sehr grosse Zweifel aufgestiegen
seien. Und in demselben Schreiben, in welchem er an Rist die
Fichte’sch gehaltene Beurtheilung von dessen Versuche schickt,
(September 1796) erwähnt er, dass Fichte’s Raumtheorie in
der (ersten) Wissenschaftslehre ihn gar nicht befriedige, da sie
ihm auf einem viel zu hohen Reflexionsstandpunkt, also viel
zu spät, vorzukommen scheine, obwohl das Raisonnement selbst
wohl unter gewissen Einschränkungen richtig sei. Noch un
günstiger lautet in demselben Brief sein Urtheil über Fichte’s
Moral. Dieselbe, schreibt er an Rist, habe er sich nicht zu
eignen können, am wenigsten die Lehre von der Freiheit, ob
gleich es möglich sei, dass er sie ,unrecht gefasst' habe. Welchen
Eindruck aber Fichte’s Naturrecht, dessen theoretischer Theil
1796 erschien, auf ihn hervorbrachte, sieht man aus der Be
zeichnung, welche er Fichte’s Eherecht, das er aus dem Manu-
script oder aus mündlichen Vorträgen gekannt haben muss,
da der es enthaltende zweite Theil des Naturrechts erst 1797
herauskam, in demselben Brief ertheilt; er nennt es: sehr
sonderb ar!
II.
Jener Brief an Rist vom September 1796 bezeichnet den
Wendepunkt in Herbart’s Verhältniss zu Fichte. Derselbe wird
charakteristisch genug nicht durch Fichte’s eigene, sondern zu
nächst durch Schelling’s, der damals als Fichte’s Anhänger galt,
Schriften herbeigeführt. So gross ist der Einfluss, den Fichte auf
den um vierzehn Jahre jüngeren Schüler übt, doch, dass dieser
den Meister zunächst nur im Jünger anzugreifen wagt. Schelling,
damals noch Stiftler in Tübingen, war daselbst, ohne Fichte
Perioden in Herbart's philosophischem Geistesgang.
197
jemals gehört oder gesehen zu haben, 1 zu dessen begeisterten Pro
pheten geworden. In demselben Sommer, da Fichte zum ersten Mal
in Jena über die Wissenschaftslehre las und Herbart sein Zuhörer
war (Sommer 1794), schrieb Schölling in Tübingen seine erste (dem
Umfang nach sehr bescheidene) philosophische Schrift: ,Ueber die
Möglichkeit einer Form der Philosophie überhaupt' (S. W. Erste
Abth. I. S. 85—112). Die Nachschrift trägt das Datum: 9. September
1794. Alles, was Sehelling damals von Fichte’s Philosophie
kannte und kennen konnte, war dessen Antrittsprogramm für die
Jenenser Professur: ,Ueber den Begriff der Wissenschaftslehre
oder der sogenannten Philosophie' (1794) und etwa die ersten,
als Manuscript für die Zuhörer ausgegebenen Bogen der (ersten)
Wissenschaftslehre, nebst desselben ,vortrefflicher' Becension
des Aenesideinus (G. E. Schulze) in der Allg. Liter. Ztg. (Fichte’s
S. W. I. Band). Dass der neunzehnjährige Jüngling auf dieses
unvollkommene Material gestützt, sich nicht bedachte, in dem
beginnenden idealistischen Ausbau der Lehre Kant’s als Mit
kämpe aufzutreten und zwar nicht als Schüler, sondern als
ebenbürtiger Mitarbeiter, war eine Kühnheit, die aber ganz in
Schelling’s Charakter lag. Sehelling schickte seine Schrift an
Fichte mit einem Schreiben vom 26. September 1794, in dem er
sich einen ,belehrenden Wink' erbat. (Aus Schelling’s Leben I.
S. 54. Vgl. Fichte’s L. u. Briefw. II. S. 297). Obgleich eine
Antwort Fichte’s auf diesen Brief nicht bekannt, vielleicht nicht
geschrieben worden ist, knüpfte doch Fichte in der zweiten
Auflage seiner Schrift: ,Ueber den Begriff der Wissenschafts
lehre' (1798) ausdrücklich jene Schrift an die Anfänge der
Wissenschaftslehre und erklärte selbst Sehelling als denjenigen,
der mit an der Wiege der Wissenschaftslehre gestanden (a. a.
0. S. 57). Ende des Jahres 1794 und Anfang des folgenden
verfasste Sehelling seine zweite Schrift: ,Vom Ich als Princip
der Philosophie oder über das Unbedingte im menschlichen
Wissen'. Die Vorrede zur ersten Auflage ist zu Tübingen den
29. März 1795 unterzeichnet, die Schrift selbst von Sehelling
im Jahre 1809 nochmals zum Abdruck gebracht worden (S. W.
I. S. 149—244). Diese Schrift erschien zugleich mit der ersten Auf-
1 Fichte machte Schelling’s Bekanntschaft in Leipzig, wohin er in Berger’s
Begleitung von Jena aus zu diesem Ende gereist war (ungedr. Brief
Berger’s an Herbart vom 6. October 1797 im Nachlass),
198
Zimmer mann.
läge der Wissenschaftslehre (Ostern 1795), da die bogenweise Aus
gabe (vom Sommer 1794) nur für die Zuhörer bestimmt gewesen war.
Wie Schelling damals von Fichte dachte, geht aus seiner
Aeusserung in einem Briefe an Hegel, als er eben die ersten
Bogen der Wissenschaftslehre erhalten hatte (6. Januar 1795)
hervor: ,Fichte werde die Philosophie auf eine Höhe heben,
vor der selbst die meisten der bisherigen Kantianer schwindeln
würden* (A. S. L. 1. S. 73). Fichte schrieb darüber an Rein-
liold (2. Juli 1795), Schelling’s Schrift sei, so viel er davon habe
lesen können, ,ganz Commentar der seinigen* (F. L. u. B. II. S. 217.
Vgl. A. S. L. I. S. 58). Gegen letzteren Ausdruck hat der Bio
graph Schelling’s Verwahrung eingelegt und die Schrift viel
mehr als eine ,freie Studie über Fichte’s Princip* bezeichnet.
Die Worte in der Vorrede: ,Den schönen Tag der Wissen
schaft (wo aus allen Wissenschaften nur eine werden soll) her
aufzuführen, sei nur wenigen ■— vielleicht nur Einem — Vor
behalten*, sollen nach des Biographen Behauptung auf Fichte
gehen; dieselben stimmen allerdings zu der prophetischen
Freude' über diesen, welche der kurz zuvor geschriebene Brief
an Hegel ausdrückt. Das charakteristische Merkmal, welches
die Schelling’sehe Schrift, in welcher dieser noch 1809 die
,frischeste Erscheinung des Idealismus* anerkannte, mit Fichte’s
Lehre zugleich verband und von ihr schied, hat am frühesten
und scharfsinnigsten der Student Herbart herausgefunden.
Für diesen und seinen Kreis, der fast durchgehends aus
jungen Männern bestand, die eifrig Philosophie trieben, oder
doch wenigstens bei Fichte hörten (vgl. dessen Brief,an Smidt
vom 30. Juli 1796. II. R. S. 33), und die beide so eng mit
Fichte zusammenhingen, konnte eine philosophische Erschei
nung wie Schelling’s, die sich so rückhaltslos zu diesem be
kannte, nicht lange verborgen bleiben. Zwar findet sich die
erste Erwähnung seines Namens bei Iderbart erst in dessen
vorangeführtem Brief an Smidt, also fast zwei und ein Jahr
nach dem Erscheinen der beiden Schriften desselben, aber in
einer Weise, der man es anfühlt, dass sich der Schreiber schon
länger mit diesem Gegenstände beschäftigt hat. Herbart wünscht
von dem Freunde eine Prüfung dessen, was er nächstens aus
arbeiten werde, besonders gern ein ausführlicheres Urtheil über
Schelling, den der Freund aus seinen Briefen (über Dogmatismus
Perioden in ilerbart’s philosophischem Geistesgang.
199
und Kriticismus) in Niethammer’s Philosophischem Journal noch
bestimmter kennen lernen werde, und über Hülsen’s (des An
hängers Fichte’s, vgl. Leben und Briefw. I. S. 236) Prüfung der
Preisfrage der Berliner Akademie über die Fortschritte der Meta
physik seit Leibnitz und Wolf, worin der ,Schellingianismus‘eben
falls sein Wesen treibe. Aber schon im Sept. desselben Jahres legt
er dem Schreiben an Rist ,ein kleines Blatt über Schelling' bei,
durch welches er des Freundes Aufmerksamkeit auf Schelling
zu lenken und dadurch den Fehler wieder gut zu machen suchte,
den er begangen habe, indem er demselben bloss das, was
Schelling nicht leiste und sein Missverstehen der Wissenschafts
lehre darzustellen gesucht habe. Geht daraus hervor, dass
Schelling’s Schriften schon früher den Gegenstand des Gedanken
austausches zwischen den Freunden gebildet haben müssen, so
wird diese Vermuthung durch die Erwähnung (in dem Briefe
an Smidt, December 1796) seiner ,Unterhaltungen über Schelling'
mit einem anderen Freunde (Lange aus Bremen) bestätigt. Mit
demselben Briefe sendet Herbart an Smidt den ,versprochenen'
Aufsatz (vgl. den Brief an Smidt vom 30. Juli d. J., wo er ihn
,nächstens auszuarbeiten' sich vorsetzt), der, wie man aus der
Erwähnung der angehängten Noten Fichte’s sieht, kein anderer
sein kann, als die Beurtheilung der beiden Schriften Schel
ling’s : ,Ueber die Möglichkeit einer Form der Philosophie' und
,Vom Ich oder dem Unbedingten im menschlichen Wissen',
welche Hartenstein in die Sämmtl. Werke (XII. S. 10—37)
eingeriickt hat.
Die Kritik über Rist’s Ideale und das Blatt über Schel
ling bezeichnet Herbart im Schreiben an jenen, einige Bemer
kungen über die Pflicht des Staats, auf die Erziehung der
Kinder Rücksicht zu nehmen, ausgenommen, als den Gesammt-
inbegriff dessen, was er den Sommer (1796) in der Gesellschaft
vorgelesen. Mit der Uebersendung der Beurtheilung der Schelling-
schen Schriften im December 1796 an Smidt zusammengehalten,
ergibt sich daraus, dass er mit Ausnahme der Fichte’sch an
gehauchten Beurtheilung des Rist’schen Versuchs den grössten
Theil dieses Jahres dem Studium Schelling’s gewidmet hat.
Auf die erwartete (oder wirklich gethane) Frage des Freundes,
warum er an Schelling’s Schrift ,so viel Zeit gewandt', nennt
er Hülsen’s (oben genannte) Schrift, welche ganz in dessen
200
Z imra orra ann.
Geiste geschrieben sei, ohne ihn so vollständig und deutlich
erscheinen zu lassen, als nächste Veranlassung. ,Ueberdies',
fügt er hinzu, ,halte ich Schelling’s System, einige Kleinigkeiten
abgerechnet, für die möglichst consequente Darstellung des
Idealismus'. Schelling selbst hatte die Schrift, wie oben erwähnt,
dessen ,frischeste Erscheinung' genannt. Der künftige Be
gründer des philosophischen Realismus, der sich mit dem Vor
läufer des transcendentalen und absoluten Idealismus hier in
Fichte’s Sphäre zusammenfand, hatte mit sicherem Blick die
,consequenteste Darstellung des Idealismus' sich zum Angriff
ausersehen.
Demselben voran ging das ,kleine Blatt', dessen Inhalt
nicht sowohl eine einzelne Schrift, als die ganze philosophische
Eigenthümlichkeit Schelling’s scharfsichtig charakterisirte. Die
Skizze, ,Spinoza und Schelling' (S. W. XII. S. 7—10), traf schon
mit ihrer Ueberschrift den springenden Punkt in Schelling’s In
dividualität. Wie voll Schelling’s Seele noch im Tübinger Stifte
von Spinoza war, zeigen die Worte, die er ,am Ende des Jahres
1794' seinem Freunde Pfister in das Exemplar der Schrift:
,Ueber die Möglichkeit u. s..w.', das er ihm sandte, schrieb. Die
selben waren nicht nur aus Spinoza’s Ethik entlehnt, sondern
der Schreiber fügte hinzu: ,Was geht über die stille Wonne
dieser Worte, das sv zat xäv eines besseren Lebens ?' An Hegel
aber schrieb er (,am heil. Dreikönigsabend 1795'), er arbeite
,an einer Ethik ä la Spinoza', ein Ausdruck, welcher am
Schluss der Vorrede zu der Schrift vom Ich (21. März 1795)
wiederkehrt. Vier Wochen darauf (4. Febr. 1795) erwiederte
er Ilegel’n auf dessen Frage, die er von einem ,Vertrauten
Lessing’s' nicht erwartet zu haben versichert, ob Schelling glaube,
wir reichten mit dem moralischen Beweise nicht bis zu einem
persönlichen Gott? mit dem Bekenntniss: ,Ich bin Spinozist
geworden!' Ilerbart bezeichnet in seiner Skizze Schelling’s Sy
stem als , offenbares Gegenstück des Spinozismus'.
Schelling hatte vorausgesehen, dass dieses Bekenntniss
eines Idealisten bei Hegel Verwunderung erregen würde. Er
fährt daher in jenem Briefe fort: ,Staune nicht! Du wirst bald
hören, wie. Spinoza war die Welt (das Object schlechthin im
Gegensatz gegen das Subject) Alles, mir ist es das Ich. Der
eigentliche Unterschied der kritischen und dogmatischen Philo-
Perioden in Herbart’s philosophischem Geistesgang.
201
sopliie (derselbe, den er kurz darauf in seinen Briefen über
,Dogmatismus und Kriticismus' in Niethammer’s Jounial aus
führte), scheint mir darin zu liegen, dass jene vom absoluten
(noch durch kein Object bedingten) Iqh, diese vom absoluten
Object oder Nicht-Ich ausgeht. Die letztere in ihrer höchsten
Consequenz führt auf Spinoza’s System, die erstere auf’s Kan-
tische.' Letzteres in seiner Consequenz durchgeführt, sah Schel-
ling als sein eigenes an. ,Vom Unbedingten', fährt er fort,
,muss die Philosophie ausgehen'. Nun fragt sich’s nur, worin
das Unbedingte liegt, im Ich oder im Nicht-Ich. Ist diese Frage
entschieden, so ist Alles entschieden. Mir ist das höchste Prin-
cip aller Philosophie das reine absolute Ich, d. h. inwiefern es
Flosses Ich, noch gar nicht durch Objecte bedingt, sondern
durch Freiheit gesetzt ist — — dasselbe befasst eine absolute
Sphäre des absoluten Seins, in dieser bilden sich endliche
Sphären, die durch Einschränkung der absoluten Sphäre durch
ein Object entstehen (— Sphären des Daseins; theoretische
Philosophie). In dieser ist lauter Bedingtheit und das Unbedingte
führt auf Widersprüche. — Aber wir sollen diese Schranken
durchbrechen, wir sollen aus der endlichen Sphäre hinaus in
die unendliche kommen — praktische Philosophie. Diese fordert
Zerstörung der Endlichkeit und führt uns dadurch in die über
sinnliche Welt. Allein in dieser können wir nichts finden, als
unser absolutes Ich, denn nur dieses hat die unendliche Sphäre
beschrieben. Es gibt keine übersinnliche Welt für uns, als die
des absoluten Iclis.' (A. S. L. I. S. 77.)
So dieser merkwürdige Brief, der in nuce Schelling’s da
maliges System enthält. Gleichsam ein engerer Auszug aus
seinen bisherigen Schriften, den einzigen, welche den Gegen
stand von Herbart’s Beurtheilung ausmachen konnten. Inwiefern
Fichte Recht hatte, dieses System mit dem seinigen für iden
tisch anzusehen und Schelling’s Schrift vom Ich für einen blossen
,Commentar‘ der Wissenschaftslehre zu halten, mag hier un-
erörtert bleiben. Bekanntlich hat letzterer gegen die Einschrän
kung des Subjects der Wissenschaftsichre auf die Enge des
individuellen Ichs als eine Entstellung Protest eingelegt und
behauptet, er habe darunter nie etwas anderes, als das Ich
in seiner Absolutheit (wie Schelling) verstanden. Dass Schel-
ling von Anfang an Idealist in der Form des Spinozismus war,
202
Zimmermann.
geht aus dem Briefe an Hegel hervor. Herhart hatte wohl recht,
ihn mit Spinoza zusammenzustellen.
Auch auf ihn hat die Schrift einen imponirenden Eindruck
hervorgebracht. In dem , Brief an Smidt erklärt er dieselbe für
die möglichst consequente Darstellung des Idealismus; in der
Skizze ertheilt er dessen System dasselbe Lob und fügt hinzu:
,Consequenz mache jedes Denken aehtungswürdig“. Allerdings
des Idealismus, ,nicht des Kriticismus, wie Schelling selbst be
haupte“, fährt er fort. Dass er damit Recht hatte, bezeugt Schel
ling selbst; denn in der 2. Auflage der Briefe über Dogmatismus
und Kriticismus (1809) wird dem Ausdruck: ,System des Kriticis
mus“ stillschweigend der Zusatz ,oder richtiger gesagt, des Idea
lismus“ beigefügt. (Vgl. S. W. I. S. 302. Anhang.) Von dem
,Staunen“, das Schelling bei Hegel voraussetzte, ist Herbart
frei. Das Bekenntniss Schelling’s, Spinozist geworden zu sein,
würde ihn nicht in solches versetzt haben; er findet vielmehr,
dass ,die Art, wie derselbe auf sein System gerieth, sich leicht
begreifen lasse“. Schelling habe Spinoza sehr sorgfältig studirt,
das Irrige desselben eingesehen; was sei also natürlicher, als
dass er von einem Extrem philosophischer Einseitigkeit zum
andern überging, zudem da Kant und noch mehr Fichte einen
solchen Uebergang zu begünstigen schienen? Jede seiner Be
hauptungen sei ein Gegensatz gegen ein bestimmtes Theorem
des Spinozismus.
Gegen den letzteren legt Herbart kein Vorurtheil an den
Tag. Die Vollendung der systematischen Form nennt auch er
,das höchste Bedürfniss der Wissenschaft“. Die Befriedigung
desselben durch Eine allumfassende unbedingte Einheit in der
Art, dass die Mannigfaltigkeit der Welt zugleich als Ein Con-
tinuum und als Ein System dargestellt werde, dessen Theile in
so inniger Verknüpfung mit einander stehen, dass jeder ein
zelne ohne alle übrigen völlig unmöglich und undenkbar wäre,
dass nur in dem allgemeinen Eingreifen aller in alle, in dem
ewigen vor aller Zeit als nothwendig bestimmten Wechsel jedem
seine Existenz gesichert sei; dass das Ganze nur Eine abso
lute Substanz ausmache, in welcher alles Ausgedehnte in einen
Körper, alle Geister in ein einziges Bewusstsein zusammen-
fliessen: diese Befriedigung nennt er , eine grosse erhabene
Idee“. Aber dieselbe hat nach ihm den ,auffallenden Fehler,
Perioden in Herbart’s philosophischem Geistesgang.
203
dass man nicht begreift, wie wir denn zu der Erkenntniss
dieser Welt, die nur ausser uns Realität habe, dieses un
endlichen Alls, von dem wir selbst nur ein Theil, das nur
ausser uns Eins sein soll, wie wir eingeschränkten Wesen zur
Vorstellung dieser Unbeschränktheit gelangt sind?' Dieser
,Fehler 1 , fährt er fort, sei allem Realismus gemein; Schelling
,vernichte durch eine einzige kühne Wendung die ganze Schwie
rigkeit'. ,Jene Erkenntniss selbst, sage er, ist dies Weltall; wir
selbst, unser inneres Ich, das durch intellectuelle Anschauung
seiner selbst sich erzeugte, dieses nämliche Ich schafft auch
durch einen freien Act seiner absoluten Allmacht für sich selbst
dies weite Universum; das Ich selbst ist die absolute Substanz,
ist alle Realität, ist unendlich, ist untheilbar und unveränder
lich, ist auch schlechthin nur Eins, und wer von mehreren ab
soluten Ichs redet, weiss nichts vom Ich.' Die Schwierigkeit,
eine Welt zu erkennen, die ausser dem Ich Realität besitzt,
wird also dadurch beseitigt, dass nur das Ich Realität besitzt.
,Das Universum, welches das Ich sich entgegensetzt, ist durch
diese Entgegensetzung ein Nicht-Ich; d. h. ursprünglich absolut
nichts; wie das Ich unendliche Fülle, so muss sein Gegentheil
unendliche Leere sein.' Wie das Ich als alleinige Realität an
Fichte’s ersten, so mahnt die Entgegensetzung des Universums
(als Nicht-Ich) an dessen zweiten, d,as folgende aber an den
dritten Grundsatz der Wissenschaftslehre. Bliebe es dabei, dass
Ich und Nicht-Ich als Fülle und Leere einander entgegengesetzt
seien, so würde das Ich eins durch’s andere auf heben, sich
selbst widersprechen und sich selbst vernichten. ,Darum müsse
sowohl die Realität als die Negation ihre Unendlichkeit auf
opfern ; um den Kampf beider, in welchem sie sich gänz
lich aufreiben würden, zu stillen, muss das Ich durch einen
neuen Machtspruch Frieden gebieten und die Totalität unter
beiden theilen. So finden wir uns alle in der wirklichen Welt;
nicht unser absolutes Selbst ist es, welches das gemeine Be
wusstsein uns darstellt; wir haben uns beschränkt durch eine
Aussenwelt, die ewig die ihr gesetzten Schranken zu über
schreiten droht und ewig an der eigensten unmittelbarsten Kraft
des Ich einen Widerstand findet. Dieser letzteren widerstehen
den Kraft gilt der Zuruf des Moralgesetzes, sie ist das Ringen
der Tugend, ihr ursprüngliches Eigenthum, die Unendlichkeit
204
Zimmermann.
wieder zu erobern; und die höchste Aufgabe der Menschheit
durch die Vernichtung alles Objects, aller Aussenwelt zu lösen.'
Herbart stellt diesem ,merkwürdigen' System, dessen
nähere Prüfung er sich vorbehält, ,vorläufig' eine ,einzige Frage'
gegenüber: ,Wie kommt das Ich dazu, durch seine absolute
Macht einen Kampf in sich zu begründen, dessen Endigung
für die ganze Ewigkeit seine Beschäftigung ist?' Ein solcher
Kampf, da er nicht nur ein ,selbstgebotener', sondern der Feind
zugleich ein vom Ich ,selhstgeschaffener' sei, würde, setzt er
scharfsinnig hinzu, ,wohl mehr Spiel als Beschäftigung zu heissen
verdienen'. Ferner: ,Wie kommt das Ich dazu, sich selbst in
zwei streitende Parteien zu theilen; und warum blieb die ur
sprüngliche Negation nicht, was sie war, unendliche Leere d. i.
,unendliche Ohnmacht?' Und endlich: ,Wie wird Schelling seine
intellectuelle Anschauung von diesem Ich, das er nicht einmal
sein Ich nennen kann — denn das absolute Ich sollte ja nicht
Individuum, nicht der Geist eines einzelnen Menschen unter
den vielen, sondern schlechthin Eins sein — wie wird er, frage
ich, diese intellectuelle Anschauung irgend Jemandem mittheilen,
wie sie nur sich selbst, sich als Schelling, als Individuum, be
währen können?'
Letztere Frage galt Schelling allein, die übrigen konnte
auch Fichte an sich gerichtet glauben. Jene hat Herbart noch
lange nachher fast mit denselben Worten wiederholt (1813),
in einer Streitschrift: ,Ueber die Unangreifbarkeit der Schel-
ling’schen Lehre' (S. W. XII. S. 194). Bezeiehnete er es da
selbst als Fichte’s ,Grundfehler', dass er einer ,Selbstanschauung,
verbunden mit der Abstraction von allem Individuellen' ver
traut habe, obgleich die Auffassung derselben in Begriffen ihm
überall Widersprüche entdeckt habe', so räumte er dennoch
ein, ,Fichte’s Ichheit habe wenigstens ihren guten Grund und
Boden im Selbstbewusstsein gehabt'. ,Aber wo sei Grund und
Boden', fragte er, ,für die Anschauung des Schelling’schen Ab
soluten?' Statt einer Antwort darauf, fügt Herbart bei, sei das
,Geständniss' zum Vorschein gekommen, ,die intellectuale An
schauung sei nicht im geistigen Vermögen eines Jeden'.
Mit einem ,endlosen Spiel' verglich Schiller den Inhalt der
Ich-Philosophie, als er an Goethe (28. Oktober 1794) schrieb,
Fichte’n sei die Welt ein Ball, den das Ich geworfen hat und den es
Perioden in Herbnrt’s philosophischem Geistesgang.
205
bei der Reflexion wieder f'ilng-t. Schon damals, theilt er Goethe
mit, regten sich Gegner in Fichte’s Gemeinde (Weisshuhn), ,die
es nächstens lallt sagen werden, dass alles auf einen subjectiven
Spinozismus hinausläuft' (G. u. S. Briefw. I. S. 25). Durch Her-
bart’s Bemerkung, dass ein unendlicher selbstgebotener Kampf mit
einem selbstgeschaffenen Feinde weit eher Spiel als Beschäftigung
zu heissen verdiene und Schelling’s Idealismus ein Gegenstück
zum Spinozismus sei, konnte sich Fichte getroffen fühlen. (Vgl.
Br. an Reinh. a. a. 0. I.. S. 58.) Als jener seine Beurtheilung der
Schelling’schen Schriften, die er selbst ,das beste und ausgeführ-
teste' unter seinen philosophischen Versuchen nennt (an Smidt,
December 1796. H.R. S. 39) seinem Lehrer vorlegte, fügte dieser
zu Herbart’s Bemerkungen über die Schrift vom Ich ,Noten'
hinzu, welche jener seinerseits mit Gegenbemerkungen versah.
Beide sind in die Werke unter dem Text mit aufgenommen.
In seiner Erstlingsschrift ging Sclielling davon aus, dass
es im Grunde doch nur Eine Philosophie gebe; in dieser müsse
eine absolute Verbindung des Inhalts und der Form herrschen
und in Einem obersten Grundsatz ausgedrückt sein. Die Idee
der systematischen Form ist durch das Bedürfniss gegeben;
diese Form ganz auszufüllen ist der Endzweck der Philosophie.
Nach der blossen Idee dieser Form denjenigen Inhalt aufzu
suchen, von welchem aus sie nothwendig auf allen anderen
Inhalt übergehen müsste, — ein Princip für die Wissenschaft
zu erforschen wird das erste Geschäft des Philosophen sein.
Findet sich ein Inhalt, der dem Begriff des Princips entspricht,
so ist Hoffnung da, dass jenes Bedürfniss Befriedigung finden
werde, dass eine Form der Philosophie möglich sei. Damit
schliesst die Einleitung und das System beginnt.
An dieser Stelle beginnen auch Herbart’s Bemerkungen,
Derselben sind im Ganzen 27, wovon 13 gegen die erste, die
übrigen gegen die zweite Schrift Schelling’s gerichtet sind. Aus
dem Zweck, welchen Herbart seinen Bemerkungen vorsetzt,
,zu untersuchen, ob Sclielling seine Bahn ebenso glücklich
verfolgt als betreten habe', darf inan schliessen, dass er mit
dem Inhalt der Einleitung einverstanden sei. Die Auffindung
von Principien erscheint auch ihm als Aufgabe der Philosophie;
die Frage ist nur, ob er auch in dem Begriff dessen, was ein
Princip sei, mit jenem derselben Meinung gewesen sei.
206
Zimmer mann.
Schelling geht von der Ansicht aus, es könne nur Einen
obersten Grundsatz geben und dieser müsse als solcher einen
schlechthin unbedingten Inhalt haben. Er schliesst also einer
seits jede Mehrheit von Principien aus und erklärt andererseits
die Unbedingtheit des Inhalts für genügend zum Princip. Dem
gemäss definirt er einerseits die Wissenschaft, — ihr Inhalt sei
welcher er wolle — als ein Ganzes, das unter der Form der
Einheit steht (a. a. 0. S. 90), und folgert andererseits aus der
Unhedingtheit des Inhalts, dass ein schlechthin Unbedingtes
nur ein sich selbst Setzendes sein könne (a. a. 0. S. 96).
Gegen das erstere bemerkt Herbart, dass ,auch ein blosses
Aggregat' ein Ganzes sei und die Form der Einheit habe; ein
Aggregat aber ,soll die Wissenschaft doch nicht sein?' Eben
sowenig könne die blosse Aggregation, d. i. diejenige Handlung
des Geistes, durch welche ein Aggregat von Sätzen, ,das ganz
willkürlich sein kann', entsteht, ein wissenschaftlicher Grund
satz heissen. Ein solcher soll sich die abgeleiteten Sätze nicht
bloss ,unterordnen', er soll ,sie ganz und gar aus sich her
vorbringen 1 . Das Princip einer Wissenschaft kann nur ein
Inhalt sein, der nothwendig auf allen andern Inhalt führt d. h.
nicht bloss unbedingt, sondern allen andern bedingend ist. Käme
es bloss auf das erstere an, so dürften wir ,gar nicht verlegen'
sein; denn die ganze Sphäre unserer Empfindungen steht mit
unserem Selbstbewusstsein in jedem Moment unseres Daseins
völlig unbedingt in uns da. Aber ,keine philosophische Unter
suchung kann von einem Princip ausgehen, das nicht in sie
hineintreibt'. ,Jedes Princip muss an sich d. h. ohne das
System gewiss und dennoch ohne dasselbe unmöglich sein.
Aus der Auflösung dieses Widerspruchs muss sich das all
gemeine Princip ergeben.'
Weder die Einzigkeit noch die Unbedingtheit (dem Inhalt
nach) genügt Herhart als charakteristische Eigenschaft eines
Princips; vielmehr findet er dieselbe in dem ihm anhaftenden
Widerspruch, dass dasselbe zugleich ohne das System gewiss
d. h. nicht abzuweisen, und dennoch ohne dasselbe unmöglich
d. h. nicht zu behalten sei. Gegen die Forderung der Einzig
keit wendet er ein: es sei eine Frage, ob Ein einziger Grund
satz der Ableitung alles denkbaren Inhalts aus demselben ge
wachsen sei; ,mehrere schlechthin gewisse Sätze können sich
Perioden in Horbant's philosophischem Geistesgang.
207
auf einander beziehen, ohne sich in einander zu verlieren'. Ein
Princip aber, welches nur das Merkmal der Unbedingtheit hätte,
wäre kein Princip , sondern eine vollendete abgeschlossene
Thesis, aus welcher man weder rückwärts noch vorwärts könnte
und die (als solche) allemal ,das Ende der Speculation' ist. Die
widersprechende Doppelnatur, dass dasselbe an sich evident,
aber ohne ein anderes undenkbar ist, macht den Begriff des
Princips aus.
Der Stern der Herbart’schen Metaphysik, der treibende
Widerspruch in den gegebenen Erfahrungsbegriffen, leuchtet
zum erstenmal matt wie aus dunkler Ferne auf. Wenn der
Begriff des Princips in einem Widerspruche besteht, warum
sollten widersprechende Begriffe nicht Principe des Forschens
sein? Wenn ein Erfahrungsbegriff wie der des Dinges mit
mehreren Merkmalen, der Veränderung, der Materie, oder der
dem Schüler Fichte’s zunächstliegende des Ich, einen Wider
spruch in sich schliesst, so dass er zugleich als gegebener
nicht abgewiesen, als widersprechender nicht behalten
werden kann, so wird derselbe Princip, welches das metaphy
sische Denken über sich selbst zur Auflösung des Widerspruchs
d. i. zur Ergänzung des Gegebenen hinaustreibt.
Das Wesen des Princips liegt nicht darin, dass es selbst
gewiss ist, sondern dass es auch anderes gewiss macht. Schel-
ling setzt es darein, dass das Princip ,als Unbedingtes ein sich
selbst Setzendes seih Denn ,nichts kann schlechthin gesetzt
sein, als das, wodurch alles andere erst gesetzt wird, nichts
kann sich selbst setzen, als was ein schlechthin unabhängiges,
ursprüngliches Selbst enthält, und das gesetzt ist, nicht weil
es gesetzt ist, sondern weil es selbst das Setzende ist' (a. a.
0. S. 96). Den ersteren Theil dieses Beweises nennt sein Be-
urtheiler treffend einen identischen Satz: ,denn darin liegt das
Wesen des Grundsatzes, dass andere Sätze durch ihn, er aber
nicht durch sie bedingt sei'; zwischen demselben und dem
zweiten Theil aber herrscht ,ein ungeheurer Sprung', denn:
,etwas muss gesetzt werden können, ohne dass etwas anderes
voraus gesetzt werde, heisst das: etwas muss gesetzt werden,
ohne dass etwas anderes das Setzende sei?' Jenes ,das Ge
setzte, ohne dass ein anderes voraus gesetzt wird' bedeutet
nichts anderes, als das (von uns) unbedingt Gesetzte, das für
208
Zimmer mann.
uns an sich Gewisse'; dieses ,das Gesetzte, ohne dass ein an
deres das Setzende sei', bedeutet ein weder von uns noch
überhaupt von irgend einem anderen Gesetztes, also entweder
gar nicht oder durch sich Gesetztes, das absolut Seiende. Der
,ungeheure Sprung' ist kein geringerer, als einer von dem für
uns letzten Grunde im Denken zu dem an sich letzten Grunde
im Sein.
Die Aufzeigung der Verwechslung des letzten Erkennt-
nissgrundes mit dem letzten Realgrunde berührt eine der wun
desten Stellen in Schelling’s System ; Herbart verweist, da die
Schrift über das Ich in diesem Punkt ,klarer' sei, auf seine
über denselben an jene geknüpften Bemerkungen. ,Entweder' —
sagt Schelling dort (a. a. 0. S. 162) — ,Wissen ohne Realität,
oder ein letzter Punkt der Realität; und da wer etwas wissen
will, zugleich will, dass sein Wissen Realität habe, was folgt
daraus?'. Wenn jene Alternative richtig ist, allerdings das, was
Schelling will, nämlich ein ,letzter Punkt aller Realität', oder
,eine Realität, die allen anderen Realität ertheilt'. Aber ob sie
richtig ist? Herbart bemerkt zunächst, es lasse sich zu der
selben hinzufügen: oder — eine ebenso mannigfaltige Realität
des Wissens, als es ,Mannigfaltigkeit des Wissens gibt'. Denn
das Wissen als solches ist selbst eine Realität, und dessen
Mannigfaltigkeit stellt eine solche der letzteren dar. Dann
aber sei es ,sehr befremdend, wie hier, wo einem Princip
des Wissens d. h. einem Wissen schlechthin, von welchem alle
Gewissheit ausgehe, nachgeforscht werden sollte, von einer Rea
lität schlechthin, die alles Dasein begründe, die Rede sein
könne?' Der ,ungeheure Sprung' von dem letzten für uns Ge
wissen zu dem letzten sich selbst Setzenden wird hier vom
,Wissen schlechthin' zur ,Realität schlechthin' getlian, während
wir alle Sein und Wissen, also auch Sein schlechthin von un
mittelbarer Gewissheit unterscheiden'.
Zu obigem ,Sprunge' hat Fichte die Randnote beigesetzt:
,ungeschickt sei ein solcher Weg, aber nicht falsch'. Indem er
dadurch sein Einverständniss mit Schelling in diesem Punkt
zu erkennen gab, musste er die von Herbart gemachten Be
merkungen als eben so gut gegen sich, als gegen Schelling ge
richtet ansehen. Wenn daher dieser bemerkt, Schelling’s Aus
druck : ich will, dass mein Wissen Realität habe, könne nichts
Perioden in Herbart's philosophischem Geistesgang.
209
anderes bedeuten, als: ,ich will durch einen einzigen Schritt
aus dem Reiche des problematischen Denkens in jenes des
Seins (des nothwendigen Denkens) hinübertreten' (woraus aber
noch gar nicht folgt, dass dieser Schritt möglich sein müsse),
so erwiedert Fichte (ganz im Geiste Schelling’s), ,einen solchen
Uebertritt gebe es überhaupt gar nicht, denn das letzte (das
nothwendige Denken) ist früher als das erste (das problema
tische Denken)'. ,01me Zweifel', erwiederte ihm Herbart, das
nothwendige d. h. (im Sinne der Wissenschaftslehre) unwill
kürliche Denken geht dem problematischen (willkürlichen)
voraus; ,nur wird das nothwendige Denken erst in der Folge
durch den Gegensatz gegen das willkürliche Denken als
nothwendiges erkannt. Nun erst wird das Denken von dem
Gedachten unterschieden, nun erst entsteht ein Object, nun erst
bedarf der Mensch der Gewissheit, die er vorher hatte, ohne sie zu
kennen, weil er nur sie hatte; nun entsteht auch durch Schlüsse
ein nothwendiges Denken; nun fordert der Mensch eine Wissen
schaft, -deren Princip kein Schluss sei, wo das durch die
Reflexionsgesetze getrennte nothwendige und willkürliche
Denken sich von selbst verbinde — mehr sollte der Uebertritt
nicht andeuten.' Gibt es jedoch einen solchen, so, fährt Her
bart fort, ,springt es in die Augen, dass ich meine Forderung
selbst übertreten würde, wenn ich zugleich die Erkenntniss
verlangte: diejenige Realität, welche mit meinem Wissen in
absoluter Verbindung steht, ist auch ohne Rücksicht auf diese
Verbindung innerlich, im Reiche der Realitäten, selbst unbe
dingt'. Der wahre Sinn von Schelling’s erstem Satz ,ohne Sprang'
kann nur sein: ,wer etwas wissen will, will zugleich, dass sein
Wissen unwillkürlich und in allen seinen Bestimmungen notli-
wendig sei. Daher muss wenigstens Ein Gedanke sich unmittel
bar aufdringen, und sich so ankündigen, dass aller Verdacht
einer willkürlichen Erfindung, ohne alles weitere Nachdenken
völlig unmöglich werde. Das Gedachte soll also dem Versuche
es wegzudenken, Nothwendigkeit und Zwang entgegensetzen; —
folgt daraus, dass unter den Merkmalen, welche gedacht
werden, Nothwendigkeit, Unbedingtheit vorkomme?'
Herbart’s Gedanke ist klar. Schelling’s Satz, wenn er Sinn
haben soll, kann keinen andern haben, als dass unser Denken
nothwendiges und unwillkürliches sei. Nur ein solches ,hat
Sitzungsber. d. phil.-liist. CI. LXXXÜI. Bd. II. Hft. 14
210
Zimmermann.
Realität“. Beides ist ein Gedanke nur, wenn sein Gedachtes
dem Versuche es weg- d. i. nicht zu denken, Widerstand ent
gegensetzt, d. h. wenn es ein Nichtniehtzudenkendes, ein sich
dem Denken aufdrängender Gedanke ist (wie es z. B. die
widersprechenden Erfahrungshegriffe sind). Allein daraus, dass
ein Gedachtes nothwendig gedacht werden muss, folgt doch
offenbar nicht, dass ein Nothwendiges gedacht worden sei!
,Unser philosophisches Princip sei ein blosses, aber nothwen-
diges Product der Einbildungskraft oder 'es entspreche ihm eine
von ihm noch unterscheidbare Realität, ist es ein richtiger
Schluss: weil die Einbildungskraft unbedingt nothwendig pro-
duciren muss, oder weil eine*gewisse Realität unbedingt noth
wendig erkannt wird, darum ist oder enthält das Product
oder die Realität selbst Nothwendigkeit und Unbedingtheit;?“
Fichte setzte am Rand die Bemerkung hinzu: ,Beides sei
in der transcendentalen Philosophie Eins und Dasselbe. Iler-
bart’s Unterscheidung sei die ganz gewöhnliche des Dogma
tismus“'.. Herbart erklärt diesen Tadel aus (Missverstand“. Fichte
habe seine Scheidung für die zwischen Sein und Wissen ge
halten, da sie doch schlechterdings keine andere sei, als die
zwischen verschiedenen Reflexionsstandpunkten. Die Sache
verhalte sich so. Durch die absolute Thesis auf dem ersten,
untersten Reflexionspunkte komme vor ein mit Zwang und
Nothwendigkeit so und so bestimmtes Gefühl; und hier sei die
Quelle aller unmittelbaren, unbedingten Gewissheit. Allein diese
Unbedingtheit werde durch die absolute Thesis noch ganz und
gar nicht gesetzt (vgl. oben das ,notliwendige“ Denken, das auch
erst nachher als solches im Gegensatz gegen das willkür
liche erkannt wird); sondern erst muss auf einem höheren
Reflexionsstandpunkte Bedingtheit gesetzt sein, dann erst
wird auf einem noch höheren Reflexionspunkt jene erste
Thesis als unbedingt d. h. als jener Bedingtheit entgegen
gesetzt noch weiter bestimmt. ,Hierin liegt der Unter
schied zwischen unbedingtem Gedachtwerden und
gedachter Unbedingtheit“.
In der That zeigt jede aufmerksame Erwägung jener Stelle,
dass Herbart den Standpunkt der Transcendentalphilosophie und
jenen des ,Dogmatismus“ genau unterschieden hat. Es sei nun, sagt
er, unser philosophisches Princip ,ein blosses aber nothwendiges
Perioden in Herbart's philosophischem Geistesgang.
211
Product unserer Einbildungskraft' (Ficlite’s Standpunkt, der ja
eben darum von den ,Dichtern' so viel für die Philosophie er
wartete) oder ,es entspreche ihm eine von ihm noch unter
scheidbare Realität' (,Dogmatismus'), in beiden Fällen ent
steht ein unrichtiger Schluss. Im ersten Fall lautet derselbe:
Weil die Einbildungskraft unbedingt nothwendig produciren
muss, darum enthält ihr Product selbst Nothwendigkeit und
Unbedingtheit. Im zweiten Fall lautet derselbe: Weil eine ge
wisse Realität unbedingt nothwendig erkannt wird, darum hat sie
selbst Nothwendigkeit und Unbedingtheit. Die Unterscheidung
zwischen Transcendentalphilosophie und ,Dogmatisnrus' thut
hier nichts zur Sache.
In Iierbart’s Geist regte sich bereits der Keim einer Phi
losophie, welche sowohl über die Fichte’sche Transcendental
philosophie, wie über den von diesem als ,Dogmatismus' ab
gefertigten Standpunkt hinausging. Wenn überhaupt aus dem
,unbedingten Gedachtwerden' nicht auf die ,Unbedingtheit des
Gedachten' geschlossen werden darf, so darf ebensowenig (mit
der Transcendentalphilosophie) von der Nothwendigkeit des Pro-
ducirens auf die Nothwendigkeit des Products, oder (mit dem
gemeinen Realismus) von der psychischen Nothwendigkeit d. i.
Denknothwendigkeit oder Unabweislichkeit der durch die Er
fahrung dem Denken aufgedrängten (widersprechenden) Be
griffe auf deren logische Nothwendigkeit d. i. nothwendige
Denkbarlceit geschlossen werden. Weit entfernt davon, dass
wie Schelling es darstelle, ,die unbedingt gewusste Realität
selbst unbedingte Realität sein müsste', findet vielmehr das
gerade Gegentheil statt. Unbedingte Realität wäre schlechthin-
nige Abgeschlossenheit und als solche (vgl. oben) nicht An
fang, sondern ,Ende der Speculation'. Soll eine Vorstellung
wirklich ,Princip', d. h. (vgl. oben) einerseits ,für uns an sich
gewiss', andererseits ,anderes aus sich erzeugend', so darf sie
,nichts Abgeschlossenes' sein. Vielmehr muss eine solche den
Charakter ,der Unmöglichkeit und des Widerspruchs' an sich
tragen, welcher ,sich sodann in die Nothwendigkeit verwandelt,
fortzuschreiten zu Postulaten, welche den Widerspruch lösen'.
Die ,unabweislichen aber widersprechenden' Erfahrungs
begriffe, die ,gedacht werden müssen, ohne gedacht werden zu
können', liegen hier als Principien von Herbart’s künftiger
14*
i
d
212
Zimm ermann.
Metaphysik für jeden Kundigen klar genug angedeutet. Den
scharfsinnigen Tadel in Herbart’s Bemerkung, dass ein ,Ab
geschlossenes' niemals Princip sein könne, fühlte Fichte selbst,
denn er sucht durch die Anmerkung, die Ichheit sei abge
schlossen ihrem Sein, allein nicht ihren Bedingungen nach,
denselben vom Ich als Princip seiner Wissenschaftslehre ab
zuwenden. Herbart’s Frage: wie das Unbedingte, wenn sein
Charakter nicht Unmöglichkeit und Widerspruch wäre, dazu
käme, etwas zu bedingen, nennt Fichte ,gut gefragt'; dass er
sie selbst ,gerade so' wie Herbart selbst beantworte, wird von
diesem eingeräumt. Allein Fichte’s Unterscheidung zwischen der
Ichheit dem Sein und ihren Bedingungen nach, in Hinsicht auf
welches sie abgeschlossen, in Hinsicht auf welche dagegen sie
nicht abgeschlossen sein soll, erkennt Herbart nicht an. Nach
Fichtes ,mündlicher Erklärung', in welche sich dieser mit
Herbart ein- und in der er sich ,deutlicher' ausliess, betrach
tete dieser. das Ich in der That insofern als abgeschlossen, ,als
mit ihm, insofern es gesetzt ist und setzbar ist, zugleich das
ganze System gesetzt ist'. Allein ,insofern das Ich bloss als
Princip betrachtet wird (und so muss es der Wissenschafts
lehrer einzig und allein betrachten, insofern er nun anfangen
will, sein System allmälig aus dem Ich abzuleiten) ist es nicht
abgeschlossen, ja es ist gar nicht denkbar noch setzbar, es ist
unmöglich und widersprechend, und diesen ,Widerspruch
muss der Philosoph auf das sorgfältigste entwickeln, weil er
nur gerade so viel, als der Widerspruch beträgt, Recht
und Stoff zu Forschungen hat'.
Mit klaren Worten ist hier der Begriff, auf welchem das
System der Wissenschaftslehre beruht, als ein ,unmöglicher und
widersprechender', eben darum aber zugleich als ,Princip' be
zeichnet. Dem Begriff desselben gehört der Begriff des sich
selbst Setzens, des sich selbst Erzeugens wesentlich zu, dieser
selbst aber ist in sich widersprechend und darum ist es auch
der des Ich. Denn was sich selbst setzt, das ist zugleich be
dingend und bedingt, wird also unter widerstreitenden Prädi-
caten als identisch gesetzt, was ,ungereimt' ist. Durch die von
Schelling begangene ,Verwechslung' des Begriffes des Ich mit
jenem des absoluten Sein aber wird nicht nur jene Ungereimtheit
auf dieses übertragen, sondern es werden noch neue hinzugefügt.
Perioden in Herbart’s philosophischem Geistesgang.
213
Wenn das absolute Sein dasjenige ist, das sieb selbst bedingt,
so ist es bedingt und ,von einem Bedingtsein, sei es von welcher
Art es wolle, ist beim absoluten Sein gar nicht die Rede'. Wenn
Schelling durch den Satz: Nur das, was durch sich selbst ist,
-gibt sich selbst die Form der Identität, zu beweisen sucht, dass
das reine Sein, weil seine Form Identität (A — A) sei, durch
sich selbst sein müsse, so ist zu bemerken, dass die Idee: etwas
ist durch sich selbst, gar nicht zu der passe: es ist sich selbst
gleich. Denn im ersten Fall wird es unter widerstreitenden
Prädicaten, Bedingen und Bedingtsein, im zweiten unter den
selben Prädicaten doppelt gesetzt. Auch müsste, wenn das ab
solute Sein sich selbst bedingen sollte, es möglich sein, von
einem Bedingten zu reden, das nur Eine Bedingung habe, wäh
rend jedes Bedingen wenigstens zwei Bedingungen voraussetzt.
Wie viel unrichtiger wird es, wenn vollends Bedingtes und Be
dingung als identisch gesetzt wird. Die ,Verwechslung' des ab
soluten Seins mit dem Ich trägt auf das erstere, dessen Cha
rakter absolute Ruhe und Stille, jenen des letzteren über, der
ein ewig aus sich heraus und in sich zurückarbeitender Strudel
ist. Beide schliessen einander aus: absolutes Sein ist das feier
lichste Schweigen Liber der Spiegelfläche des völlig ruhenden
Meeres; niemand darf es wagen, diesen Spiegel nur durch die
kleinsten Kreise zu trüben. Gerade umgekehrt wäre Ruhe der
Tod des Ich, Thätigkeit ist sein einziges Sein.
Fichte bemerkt zu Obigem, von diesem Allem verstehe
er nur so viel: man habe sich nicht bei dem Sein des Ich auf
zuhalten, daraus werde nichts; man gebe zu seiner Thätigkeit
und damit sei er ganz einverstanden. Wie wenig er damit
Herbart’s Sinn getroffen, geht daraus hervor, dass er gleich
darauf einigen Ausstellungen, die derselbe an Schelling macht,
seinen Beifall gibt, ohne zu bemerken, dass er dadurch sehr
unconsequent erscheine. Indem Herbart Schelling’s Verwechs
lung des Ich mit dem absoluten Sein rügt, hat er keineswegs
die Absicht, Fichte’s Behauptung, dass das durch-sich-selbst
und das sich-gleich-sein Formen des Ich (in der Wissenschafts
lehre) seien, zu leugnen, sondern vielmehr (wie er gegen diesen
bemerkt) zu ,beweisen'. Allein da diese Formen sowohl unter
einander, als dem absoluten Sein widersprechend sind, so wird
dadurch zugleich klar gemacht, dass das Ich nicht nur (gegen
214
Zimmermann.
Schelling) nicht absolutes Sein, sondern (gegen Fichte) dass
es ,seinem Begriffe- nach gar nicht sei'. Dass dadurch auch die
,Thätigkeit' desselben aufhöre, braucht kaum noch gesagt zu
werden. Wird der Begriff des Ich mit dem absoluten Sein ver
wechselt, so sind alle jene Vorstellungsarten, die aus dem Be
griff des Ich hervorgehen, jene Form der Identität und jenes
Bedingtsein durch sich selbst, wie fruchtbar sie auch für die
Philosophie sein würden, für dieselbe so gut wie verloren; sie
sinken zu blossen genauem Bestimmungen herab, aus denen nichts
folgt, als was in ihnen unmittelbar enthalten ist. Schelling ver
mag daher sein Ich in der Folge nur durch eine Reihe von
Prädicaten hindurchzuführen; denn sobald jene widersprechen
den Begriffe den Stempel des absoluten Seins erhalten haben,
sind die Widersprüche in ihnen durch Machtsprüche vernichtet
und die philosophirende Vernunft hat ihr Recht verloren, ihnen
noch etwas zuzusetzen, wodurch sie erklärbar würden. Wer
kann denn das absolute Sein noch erklären?
Fichte begleitet die beiden letzten Ausstellungen mit der
Randnote: Sehr gut. Er scheint also in Herbart’s Tadel ein
zustimmen. Da nun der Tadel Ilerbart’s wesentlich die Ver
wechslung des Ichs mit dem absoluten Sein trifft, so müsste
Fichte consequenterweise auch diese verwerfen. Scheinbar
thut er dies auch, indem er aus Herbart’s Auseinandersetzung
,nur so viel' versteht, dass aus dem Sein nichts werde, und
man zu seiner Thätigkeit übergehen solle. Andererseits behauptet
er selbst, dass mit dem Ich das ganze System gesetzt, dasselbe
zugleich Princip, Verfolg und Resultat, daher durch die ,philo
sophirende Vernunft nichts zuzusetzen' sei. Herbart ist folglich
im Recht, wenn er diesen Beifall ,sehr inconsequent' findet.
Wenn aber Herbart dem Ich nicht nur das .Einssein mit
dem absoluten Sein, sondern das Sein selbst abspricht, so ist
er weit entfernt davon, ihm das Principsein abzusprechen. ,Ge
rade weil dessen Begriff in sich widersprechend ist und nur
inwiefern er dafür anerkannt wird, ist es möglich, eine Philo
sophie von ihm abzuleiten oder vielmehr an ihn anzuknüpfen'.
Wären jene Begriffe nicht unerklärlich, so bedürften sie keiner
Erklärung und riefen daher auch keinen Versuch einer solchen
hervor. Dass sie widersprechend sind, gibt der philosophiren-
den Vernunft das Recht, denselben etwas hinzuzusetzen, um
Perioden in Herbart’s philosophischem Geistesgang.
215
sie dadurch erklärbar zu machen. ,Wie sollte denn sonst das
Unbedingte dazu kommen, etwas zu bedingen?*
Freilich in ganz anderem Sinne als von Fichte und Schel-
ling wird der Begriff des Ich hier als Princip angewandt. Jenen
beiden ist derselbe, um ein scholastisches Wort zu gebrauchen,
das principium essendi, diesem dagegen das principium cognos-
cendi, jenen das Unbedingte im Sein, diesem ein Unbedingtes
im Denken. Der Uebergang von diesem zu jenem, wenn er
überhaupt möglich ist, kann nur durch einen ,ungeheuren Sprung*
erfolgen. Da,s Ich als Unbedingtes im Sein d. i. als Inbegriff
aller Realität aber einmal gesetzt, entspringt in Schelling’s (und
Fichte’s) System eine Inconsequenz, die ,zwar unvermeidlich*
ist, aber die ganze ,Unrichtigkeit desselben in sich concentrirt*.
Für’s Erste freilich zeigt Schelling’s System die höchste
Consequenz. Unser Wissen muss Realität haben — das heisst
in Schelling’s Sinn; es muss ein absolutes Sein enthalten. Da
dasselbe nicht wie in Jacobi’s unmittelbarer Offenbarung der
Dinge ,von Aussen durch das Fenster* in unsere Seele herein-
steigen soll, so muss das absolute Ich nur in unserem Wissen
stattfinden. Wissen und Sein müssen im strengsten Sinn zu
sammenfallen. Das gibt den Begriff des Ich. Die Realität weiss
sich selbst und da das Wissen als eine Thätigkeit gedacht wird,
die Realität ist in uns durch die Thätigkeit, sie erzeugt sich
selbst in ihrer Thätigkeit, sie ist nichts anderes als diese Thä
tigkeit. Folglich ist durch das Sich-selbst-setzen der ganze
Umkreis des absoluten Seins erschöpft. Das Sich-selbst-setzen
ist also Realität und die Kenntniss, die das Ich von sich
selbst hat, kann weder Begriff, noch sinnliche Anschauung, sie
kann nur eine unmittelbare Kenntniss des erkennenden Ver
mögens selbst (intellectus), eine intellectuale Anschauung heissen.
— Kann nun, fährt Herbart fort, nach allen diesen Bestimmun
gen, deren höchste Consequenz einleuchtet, etwas befremdender
sein, als plötzlich jene Allheit der Realität noch vermehrt zu
sehen? Denn nun auf einmal geht aus jenem absoluten Sein,
das sich in der einzigen Handlung des sich-selbst-Erzeu
gens erschöpfte, ohne weiteren Grund (vgl. Schell, a. a. 0.
S. 187 Anhang) noch eine zweite Handlung hervor; nun auf
einmal wird erst das Wissen grösser als das Sein, denn das
Ich setzt sich eine absolute Negation entgegen, die Nichts ist,
216
Z i m me rman n.
und dann zerreisst die Theilung des Wissens auch sogar die
absolute Eine Realität, denn das Nieht-Ich, welches, ob es
gleich Nichts ist, doch die Macht hat, das Ich aufzulieben, wird
nun selbst in’slch gesetzt, ihm wird, damit es nicht Alles verwüste,
und am Ende allein übrig bleibe? — ein Tlieil der Realität
abgetreten. Wenn zu diesem ganzen Kriegszustand sainmt dem
nothgedrungenen Frieden — der wie gewöhnlich selbst zu Folge
der praktischen Philosophie den Stoff zu einem ewigen Streit
enthält — der Grund, und zwar wie sich beim All der Realität
von selbst versteht — der ganze völlige Grund, in jenem ab
soluten Ich, in jenem ev y.ai mxv enthalten war; so musste doch
wohl Vielheit in demselben zu unterscheiden und durch einen
Begriff zusammen zu fassen sein; oder wenn ungeachtet und
neben dieser Vielheit doch auch nicht Vielheit, sondern ab
solute Einheit im Ich sein sollte, so musste doch wohl der
Satz: A = A seine Form nicht ganz erschöpfen, sondern die
Formel müsste heissen: (A — A) = (A> A). Denn das absolute
Ich, das A = A, soll es selbst sein, welches sich selbst durch
absolute Negation aufhebt, und dann zum Tlieil wieder her
stellt d. h. A > A ist. Behaupten, dass ein Widerspruch
kein Widerspruch sei (der Sinn jener Formel), das dürfte doch
die philosophische Kühnheit ein wenig zu weit treiben.
Dass Herbart dieses Raisonnement als sein kritisches Haupt
argument gegen die Ichphilosophie ansah, lässt schon dessen fast
wörtliche Uebereinstimmung mit der in der Skizze ,Spinoza und
Sclielling' aufgeworfenen ,einzigen Frage' vermuthen. Dasselbe
trifft mit der Frage, wie das Sich-selbst-setzen (des Ich) zu
gleich ein Sich-nicht- selbst-setzen sein könne, nicht bloss die
Schclling’sche Fassung, sondern wie Fichte’s Sohn und Heraus
geber bezeugt, auch die Wissenschaftslehre in ihrer ersten
Gestalt (Fichte’s S. VV. I. Vorr. S. VIII). Denn auch die letz
tere behauptet, dass das Ich, indem es sich als absolut setzt,
sich zugleich als beschränkt setzen müsse durch ein Nicht-Ich,
durch ein Anderes seiner selbst, dass seine Absolutheit darin
bestehe, diese Absolutheit in’s Unendliche aufzuheben, d. h.
dass (A == A) = (A > A) sei.
Fichte hat dieser Beweisführung eine Note beigefügt, die
wohl als die interessanteste in diesem unausgesprochenen Ringen
des Schülers mit dem Lehrer betrachtet werden darf. Dieselbe
Perioden in Herbart’s philosophischem Geistesgang.
217
rechtfertigt gleichsam Herbart’s Zusammenstellung Schelling’s
mit Spinoza, indem sie besagt: ,So erklärt verfalle Schelling
eigentlich in die Unerweislichkeit, die bei Spinoza stattlinde und
die Jacobi in’s Licht setze: woher dann die Beschränktheit des
Alls?' Darin eben bestand die Stärke von Herbart’s Argumen
tation, dass man bei einem System, welches sich selbst als
Gegenstück zum Spinozismus gibt und das Ich an die Stelle der
absoluten Substanz setzt, auch mit Recht fragen dürfe : woher
dann die Beschränktheit des Ich? Dieselbe zu entkräften, hat
Fichte nur die Bemerkung, er sehe nicht ein, warum man Schel
ling so erklären müsse. Das Richtige wäre gewesen zu zeigen,
dass man ihn so nicht erklären könne. Fichte setzt dazu an,
indem er behauptet, es bestehe wirklich ein Unterschied zwischen
Spinoza und Schelling. Letzterer nimmt bei dem Ich ein ,Streben'
an, das Spinoza bei dem ,Unendlichen' nicht annimmt. Und nun
folgt der Gegengrund, auf dem Ficlite’s ganze Vertlieidigung
gegen Herbart ruht: ,Wer auch nur ein Streben annimmt, der
nimmt ja wohl eine ursprüngliche Beschränktheit an. Sie
ist absolut und kann nicht weiter abgeleitet werden.
— Dass sie durch ein Nicht-Ich erklärt werde, davon liegt der
Grund im Ich, in seinen Reflexionsgesetzen'.
Dass durch diese Behauptung der Knoten zerhauen, aber
keineswegs gelöst sei, springt in die Augen. Durch die Behaup
tung der Ursprünglichkeit der Beschränktheit ist zwar jede
weitere Frage nach deren: Woher? mit einem Verbot belegt,
die Beschränktheit selbst aber ist nicht dadurch erklärt. Die
selbe soll als unerklärte und unerklärliche Thatsache hin
genommen werden. Durch die Einführung des ,Strebens‘ in das
,Unendliche' Spinoza’s wird daher wohl, da ,Streben und Be
schränktheit und Nicht-Ich Eins sind', dessen Beschränkt
heit erklärt, aber die Berechtigung jener Einführung der
selben als einer ursprünglichen bleibt unerklärt. ,Ich rede',
wendet Herbart gegen Fichte’s Note ein, ,nicht von Dogmen
und Resultaten, sondern von der Consequenz; nicht vom An
nehmen, sondern vom Folgern. Streben und Beschränktheit und
Nicht-Ich sind Eins; aber Schelling widerspricht sich durch die
Annahme desselben. Denn erst ist ihm das Sich-setzen alle Rea
lität, und dann besteht einige Realität von diesem sich-Setzen,
vom Ich, im Sich-nicht-setzen. —Die Beschränktheit (oder
218
Ziminermaun.
das gegenseitig einander beschränkende Ich und Nicht-Ich) ist
absolut, wird und muss und kann aber dennoch abgeleitet
werden; da hingegen das Ich nicht absolut ist und doch (NB.
vom Philosophen) absolut gesetzt wird und nicht abzu
leiten ist'.
Je mehr Fichte’s Gegenbeweis in der behaupteten ,Ur
sprünglichkeit' der Beschränktheit wurzelt, desto bedeutungs
voller erscheint, dass schon jene ersten schriftlichen Bedenken
Herbart’s gegen dieselbe gerichtet erscheinen. Die Handlung,
durch welche das Ich sich ein Nicht-Ich entgegensetzt, wird
in der Wissenschaftslehre (zweiter Grundsatz) als eine ursprüng
liche , unter den ,empirischen Thatsachen des Bewusstseins'
vorkommende bezeichnet. Herbart glaubte zu bemerken, dass
dieselbe entweder von der ursprünglichen des Setzens nicht
verschieden oder dass eine doppelte Handlung des Entgegen
setzens möglich sei. Im ersten Fall wäre dieselbe nicht ur
sprünglich, im zweiten gäbe es der ursprünglichen Handlungen
mehrere, als die Wissenschaftslehre zulässt. Herbart kommt auf
jene Bedenken nicht wieder zurück, aber der ganze Nachdruck
seiner Argumentation wider Schelling ruht auf der von diesem
und Fichte behaupteten Ursprünglichkeit der Beschränkt
heit. ,Weichen wir', sagt er, ,mit Schelling, von dem Haupt
gedanken, dass das Wissen, um Realität zu enthalten, in einem
Sicli-selbst-setzen bestehen (dass es das Ich sein) musste, dahin
ab, dass dies Sicli-selbst-setzen zugleich ein Sich-nicht-selbst-
setzen sei, so wird die Realität, die eben in ihrem Setzen bestand,
auch mit demselben wachsen'. Sie ist nun nicht mehr bloss,
inwiefern sie sich, sondern auch, inwiefern sie ihr Nicht-Sein
setzt. Nun wird der Begriff des Ich durch den des sich-Setzens
erschöpft; folglich ist jene Realität mehr als das Ich. Folglich
ist Schelling’s absolutes Ich noch etwas ausser dem Ich, folg
lich insofern ein Ding an sich'.
Darauf erwiedert Fichte:,Die Realität (sowohl alsSich-selbst-
setzen, als auch als Sich-nicht-selbst-setzen) ist doch nur, inwie
fern sie setzt'. Herbart hat diese Bemerkung nicht beachtet, obwohl
sie ein offenbares Sophisma enthält. Denn nicht im,Setzen' besteht
ja das Wesen des Ich, sondern im ,Sich-selbst-setzen'. Und eben
darin, dass das Ich zugleich ein ,Sich-selbst-setzen' und ein ,Sich-
nicht-selbst-Setzen' sein soll, ist dessen Widerspruch enthalten.
Perioden in Herbart’s philosophischem Geistesgang.
219
Man darf wohl Hartenstein beistimmen, wenn er bemerkt,
dass sich Herbart durch die Gegenbemerkungen Fichte’s nicht
für widerlegt zu halten brauchte. Auch ein unverdächtiger Zeuge,
J. H. v. Fichte, hat Herbart’s Einwendungen für die ,scharf
sinnigsten' erklärt, welche gegen die Wissenschaftslehre in ihrer
ersten Gestalt vorgebracht worden seien (a. a. 0. I. Vorr.
S. VIII). ,Man darf sagen', bemerkt Hartenstein (Kl. Sehr. I.
S. XXIX), ,dass der Schüler den Gedankenkreis des Lehrers
durchschaute, aber nicht umgekehrt'. Die widersprechende Natur
des Begriffs vom Ich lag ihm klar vor Augen, und damit die
Unmöglichkeit, denselben nach Schelling’s Vorgang an die Stelle
des absoluten Seins als einzige und Ur-Realität aller abgeleiteten
Realität zu Grunde zu legen. Daher konnte alles, was nach
dieser Zeit in der Richtung des Idealismus von Fichte, Schelling
und deren Nachfolgern hervorgebracht wurde, wie Hartenstein
treffend anmerkt, für Herbart ,kein eigentliches wissenschaft
liches Interesse' mehr haben. Sein Bruch mit dem Idealismus
war entschieden, das freundschaftliche Verhältniss mit Fichte
bestand noch eine Zeitlang fort. Im Nachlass ist ein ungedruckter
Brief Fichte’s an Herbart, der sich damals als Hauslehrer in
der Schweiz befand, vom 1. Januar 1798 aus Jena vorhanden,
der von der Fortdauer der wohlwollenden Gesinnungen des
Schreibers Zeugniss gibt. Eben daselbst findet sich das Concept
eines Schreibens an Fichte, das vielleicht nicht zur Absendung
gelangte, da es in Fichte’s literarischem Briefwechsel nicht
erscheint, vom 24. März 1799 aus Bern, das Fichte’s ,Befehl
gemäss' eine ,Probe, möglichst klein und kurz', offenbar von
weiteren Bemerkungen über Fichte’s Philosophie zu geben
bestimmt war. Wenigstens finden sich auf der Rückseite des
Blatts Anmerkungen zu S. 9 und S. 14 des Systems der Sitten
lehre. Beide Actenstücke werden im Anhänge mitgetheilt. Von
jener Zeit an erlischt jede Spur eines persönlichen Verkehrs
zwischen Beiden; doch erhielt Herbart während seines Aufenthalts
in der Schweiz von den in Jena weilenden Freunden (z. B. von
Erich v. Berger) Nachricht über Fichte.
Schon aus Herbart’s Beurtheilung Schelling’s geht hervor,
dass sich allmälig das Bedtirfniss in demselben entwickelt hatte,
seinen eigenen Weg einzuschlagen. In dem Sommer, welcher
der Abfassung derselben vorherging und während dessen er
I
220
Z i m m e r m a n n.
,stark' damit beschäftigt war, mit der Wissenschaftslehre ,auf’s
Reine' zu kommen, schreibt er seinem Freund Smidt (27. Juni
1796, H. R. S. 28), er sei, ,im Vertrauen gesagt, daran, sich selbst
eine zu machen'. Einen Monat darauf (30. Juli 1796) wiederholt
er demselben ,seine Philosophie oder vielmehr sein Philoso
phien gehe mehr und mehr seinen eigenen Gang' (H. R. S. 33);
im December desselben Jahres, bei der Uebersendung obiger
Beurtheilung an den Freund berichtet er: ,Ueber das Prineip
der Philosophie, über die vollständige Ansicht und den Gebrauch
desselben, und über einige naheliegende und wichtige Lehr
sätze sei er mit sich einig geworden' (H. R. S. 39). Seine Ab
weichungen von Fichte’s Lehre, über deren Bedeutendheit oder
Unbedeutendheit ihm dieser kein erhebliches Wort gesagt habe,
halte er für bedeutend und dessen jetzige ,sehr veränderte'
Darstellung der Wissenschaftslehre so gut wie die erste, für
,unmethodisch und undeutlich', seine darauf sich gründenden
Ableitungen im Naturrecht und in der Moral aber ,in den Haupt
sachen für falsch', und bezeichnet sich selbst diesem und Schel-
ling gegenüber als ,einen argen Ketzer'.
Am 25. März 1797 verliess Herbart Jena, um im Hause
des Landvogts v. Steiger in Bern eine Hauslehrerstelle anzu
nehmen. Die vorherrschende Richtung auf Pädagogik, welche
dadurch seine Gedanken nahmen und welche bei Herbart’s
strenger Gewissenhaftigkeit wesentlich dazu beitrug, dass vor
züglich die mit der Erziehungskunst in Bezug stehenden philo
sophischen Probleme sein Nachdenken beschäftigten, verhinderte
nicht, sondern bewirkte im Gegentheil, dass die Aufstellung
eines eigenen philosophischen Systems sein Hauptziel blieb.
In seinem Jenenser ,Burschenquartier', das er ,widerlich' nennt,
hatten er sich ausser Stande gefunden, ,seine' Wissenschaftslehre
,förmlich und ordentlich' fortzuführen. In dem behäbigen und
wackern Patricierhause, in der Ruhe des sommerlichen Land
lebens in der herrlichen Schweizer Natur, im Kreise gleich-
gesinnter Jugendfreunde (Steck und Böhlendorf), die gleich ihm
Hauslehrerstellen in Bern angenommen hatten, und mit denen
(ehemaligen Mitgliedern der literarischen Gesellschaft) er
wenigstens einmal wöchentlich zu philosophischen Unterhal
tungen zusammenkam, reifte dieselbe in der Stille zur Strenge
der schriftlichen Darstellung heran. Am letzten Juni 1798
Perioden in Herbart’s philosophischem Geistesgang.
221
schreibt er an seine über seine künftige Lebensstellung besorg
ten Eltern in entschiedenem Tone: eine innere Gewissheit erhebe
ihn über die Systeme der Zeit, das Fichte’sche so wenig wie
das Kant’sche ausgenommen (H. R. S. 62). Am 10. December
desselben Jahres berichtet sein Freund Böhlendorf an Rist in
überschwänglichem Ton: Herbart habe sein System gefunden,
auf dem Lande in einem anmuthigen Wäldchen bei Engisstein
unweit Hochstetten im Bernerlande, wo er in freier Natur drei
Wochen eremitisirte und wo ihm die ,Muse' begegnet ist (a. a.
O. S. 88). Herbart in einem Anschluss bestätigt den Bericht;
nur sollte der Freund statt eines Systems an einige erste Punkte
eines solchen denken, deren Unrichtigkeit, setzt er bescheiden
hinzu, er beim weiteren Auszeichnen noch nicht gefunden habe.
(A. a. 0. S. 89.)
Diese ,seine' Wissenschaftslehre enthielt der ,erste
problematische Entwurf der Wissenslehre' (Engisstein Ende
August 1798), die der Herausgeber seiner Kleinen Schriften
zuerst in diesen bruchstücksweise, sodann in den Särnmt-
lichen Werken unverkürzt sainmt ,den wahrscheinlich kurz
darauf niedergeschriebenen Anmerkungen' (Kl. Sehr. I. S. XLII
u. ff. S. W. XII. S. 38—57) mitgetheilt hat. Der Titel weist
auf Fichte zurück, dessen Wissenschaftslehre Herbart die
,eigene' entgegensetzt. Auch der Anfang verräth die bestimmte
Beziehung auf die Ichphilosophie. Das erste Wort des Ent
wurfs lautet: Ich, und dessen erste Frage: Was bedeutet das
Wort? Auch die Antwort lautet noch Fichte’sch: ,Ein-sich-
sein-Ich-Vorstellen.' Aber damit hört die Identität auf, um dem
entschiedenen Gegensatz Raum zu geben.
Schon in der Schrift gegen Schelling hat er das Ich, zu
dessen Begriff das Sich-selbst-setzen wesentlich gehört, für einen
widersprechenden Begriff, aber auch eben darum für ein Princip
erklärt. Hier wirft er demselben vor, dass seine Erklärung ,im
Cirkel läuft', ein Vonvurf, den er seitdem durch die ganze Ent
wicklung seines Philosophirens festgehalten und um deswillen
er das Ich für ein Problem erklärt hat. ,Ein Ich -— das ist
wieder ein Sich-sein-Ich-Vorstellen. Der Cirkel läuft immer
weiter in sich zurück. Eine Vorstellung soll die andere vor
stellen; aber Vorstellung weist endlich auf ein Vorgestelltes
hin, das nicht wieder Vorstellung von etwas Anderem sei.
u
,11
■■
222
Zimmermann.
Irgend ein Anderes setzt dieser Begriff Icli voraus, welches
von sich selbst vorgestellt wird, das aber, welches Andere es
auch sei, nie mit dem Denken seiner selbst Eins und Das
selbe wird werden können.
ln Klammern setzt Herbart hinzu: ,Man fühle die Kraft
des Wortes: ein Anderes'. Die Abkehr vom Idealismus ,von
Grund aus' liegt darin. Als Beurtheiler Schelling’s hat er dessen
entgegengesetzte Behauptung gerügt. Wenn, wie Schelling lehrt,
der Begriff des Ich darin besteht, dass Wissen und Sein im
strengsten Sinn zusammenfallen, so besteht es nach Herbart
vielmehr gerade darin, dass es ,ein Anderes voraussetzt, das
nie mit dem Denken seiner selbst Eins und Dasselbe werden
kann'. Aber nicht nur ein Anderes (ein Nicht-lch), sondern
ein mannigfaltiges Anderes (Nicht-lch); jedes einzelne
Bestimmte wird ihm zufällig durch die übrigen. In dem Sich-
setzen ist das Sich zugleich 1. das Setzen und 2. eine Ver
einigung mit mehreren Anderen. Aber das mit den Anderen
Vereinigen ist wieder nicht das Setzen selbst. Für sich selbst
ist es gar nichts (vgl. oben die gleichlautende Bemerkung gegen
Fichte; geschweige denn alle oder Ur-Realität wie bei Schel
ling); nur insofern es, mit den Uebrigen verbunden, von jedem
Einzelnen unterschieden, demselben zufällig gesetzt werden kann,
mag man es Tendenz zur Vereinigung nennen — — gleich
artige Thätigkeit, welcher, weil sie ein mehreres Thun in sich
fasst, Intensität zugeschrieben werden muss; nur Eine Thätig
keit . . . demnach müssen die Mehreren, mit denen es vereint
ist, nicht ineinander fliessen. Indem wir beide Betrachtungen
anstellen, denken wir das Ich zugleich als Eins und als Meh
reres; als Eins, insofern wir das Gesetzte der Reflexion als ihr
Product zueignen, als Vieles, sofern wir das Mannigfttltige,
welches sie behandelte, darin wieder finden wollen; Vielheit in
Einheit ist Grösse. Abstrahiren wir vom Mannigfaltigen, vom
Stoff, so wird die Grösse leere Form; denken wir den Stoff
hinein, so wird die Form davon gefüllt, denn sie ist nicht
weiter, als sie gerade sein musste, wir denken nichts mehr
hinzu; das Mannigfaltige ist also durch nichts getrennt, hat
darin Continuität; ist nicht in einander, aber an einander.
Wenn das Ich nicht (wie im Idealismus) das sich seihst
Setzende ist, durch welches das Nicht-lch, sondern welches durch
Perioden in Herbart’s philosophischem Geistesgang.
223
Vereinigung mit mannigfaltigen Nicht-Iclien, welche also den
selben vorausgesetzt werden müssen, entsteht, so besteht die
Aufgabe der , Wissenslehre' darin, diesen Entwicklungsgang
darzulegen. Der problematische Entwurf weist nach: der Re
flexion, die nur Eine Handlung ist, ist alles Gesetzte Eins. Die
Masse der Bestrebungen, Erinnerungen und gegenwärtigen Ge
fühle ist—wenn gleich in abwechselnden Intensionen — immer
beisammen; was immer mit ihr beisammen bleibt (der Leib)
wird mit ihr als Eins angesehen; das Uebrige, bald verbun
den, bald nicht verbunden, wird ihr zufällig gesetzt. Als Eins
verdient sie auch einen eigenen Namen; — sie heisse Peter.
Diesem Peter werden die besonderen Bestimmungen, durch die
er sich hindurchdrängt, aber zufällig gesetzt; sind diese Be
stimmungen als allgemeine Begriffe gefasst, so wird er unter
dieselben subsumirt. Da heisst es bald: Peter will, bald: Peter
denkt. Wann denkt er? Das muss unter das Denken subsumirt
werden. Antwort: Peter denkt an Peter. Und im nächsten
Augenblick, wofern nur die Frage vorherging: woran denkt
Peter jetzt? — Peter denkt, dass er an Peter denkt. Hier
haben wir das Ich.
Der Gegensatz zur Ficlite’schen Lehre liegt hier darin,
dass das Ich nicht wie bei dieser das Erste, sondern ein Letztes
ist, das erst nach einer langen Reihe von Vorstufen erreicht
wird. Das Pactum des Selbstbewusstseins bildet zwar hier wie
bei jener den Ausgangspunkt, aber nicht als ein solches, das
trotz seines Widerspruchs einfach hinzunehmen, sondern als ein
solches, dessen Widerspruch aufzulösen ist. Das Ich ist für
Herbart nicht nur nicht absolute, sondern seines Widerspruchs
halber nicht einmal Realität, sondern Problem, aus welchem
die zu seiner Auflösung erforderlichen Folgerungen gezogen
werden. Diese Stellung hat es in seiner Philosophie neben den
später von ihm entdeckten Problemen des Dings mit mehreren
Merkmalen, der Veränderung und der Materie fortan immer be
hauptet. Was er (Psychol. als Wiss. W. W. VI. S. 71) ausdrücklich
hervorhebt: ,Es gibt keinen gründlichen Realismus, als nur allein
den, welcher aus der Widerlegung des Idealismus hervorgeht'
ist aus der Entstehungsgeschichte seines eigenen abstrahirt.
Allerdings fehlt, bemerkt Hartenstein, einerseits noch die
Basis allgemeiner metaphysischer Begriffe, andererseits liegen
224
Zimmermann.
die Grössenbegriffe — der Keim der zukünftigen mathemati
schen Psychologie — noch in unbestimmter Ferne. Dagegen
entwickeln die oben erwähnten Anmerkungen den Begriff des
Ich, die NothWendigkeit, ihm ein mannigfaltiges und wechseln
des Nicht-Ich vorauszusetzen, die Zufälligkeit jedes einzelnen
Theiles dieses andern für das Ich, und doch die Nothwendig-
keit, dass das Ich, wie es auch wirklich die innere Erfahrung
lehrt, irgend einen Theil sich zueigne, deutlicher und klarer,
als der Aufsatz selbst. Die Bemerkung, dass ,das Denkende,
das, dem das Denken nur angehört, die (absolute) Reflexion
selbst als unbekanntes Etwas ist, das nicht bloss reflectirt,
sondern sich auch mit Andern vereinigt', verräth ,durch das
Bedürfniss eines realen Substrats des in allem seinem Wechsel
mit sich identischen Ich' die ,Beziehung der Psychologie zur
Metaphysik'. Auch die Grössenbegriffe, obgleich noch ,ziemlich
unklar und für genauere Bestimmungen unzugänglich', gewinnen
wenigstens insoferne schon eine schärfere Gestalt, als ,nachdem
einmal der Begriff des Gegensatzes unter dem Mannigfaltigen,
welches der Ichheit zu Grunde liegt, so wie der damit un
mittelbar verbundene der (hier zum erstenmal erwähnten) Hem
mung und des Strebens des Gehemmten gefunden war, sich
daran die Frage sowohl nach dem Quantum, welches gehemmt
wird, als auch nach dem Verhältnisse, in welchem sich dieses
Gehemmte vertheilt, knüpfen musste, eine Frage, die bekannt
lich der Mathematik den Eingang in die Psychologie öffnete'.
Auch hat Herbart wirklich (nach derselben Quelle) in einigen
,vielleicht ein paar Jahre jüngeren' Bogen sich in streng ma
thematischer Form die Aufgabe gestellt: ,Wenn x, a und b
gegeben sind, die Schwelle zu berechnen, welche x überschreiten
muss, um nicht ganz niedergedrückt zu werden', womit ein
Grundproblem der mathematischen Psychologie, die sogenannte
,Schwellenformel des Bewusstseins' gegeben war. (a. a. O. S.LIV.)
Ob letzteres, wie Hartenstein angibt, noch vor Herbart’s
Rückkehr aus der Schweiz (er verliess Bern und das Steigersche
Haus, wie aus dem Brief an Karl v. Steiger [II. Ii. S. 94] her
vorgeht, am 6. Januar 1800), oder erst nach demselben während
seines friedlichen Aufenthalts in Bremen, im Hause und auf dem
Landgut Zur Dunge seines Freundes Smidt geschah, ist ohne
genaue Datumbestimmung jener ,um ein paar Jahre jüngeren
Perioden in Herbart’s philosophischem Geistesgang.
225
(als 1798) Bogen'unmöglich, aber auch unwichtig. Herbart scheint
(nach dem Bericht im Leben seines Freundes Gries vgl. H. R. 98)
damals die Idee gehabt zu haben, vielleicht noch durch den
Werth bestimmt, den Fichte auf die producirende Einbildungs
kraft legte, ,die Philosophie poetisch' darzustellen. Dagegen
steht er zwei Jahre später, als er in Göttingen, wohin er An
fang Mai 1802 von Bremen übergesiedelt war, zu gleicher Zeit
und an zwei auf einander folgenden Tagen (22. u. 23. October
1802) sich um die philosophische Doctorswürde und die Auf
nahme in den Ordo philosophorum der Georgia Augusta be
warb, nicht als suchender mehr, sondern als fertiger Denker
da, dessen Ideen nach allen Richtungen des Nachdenkens hin
die volle Reife erlangt hatten. Aus seinen zu beiden Zwecken
aufgestellten und vertheidigten Thesen leuchtet klar hervor,
dass er in jenem Augenblick in allem Wesentlichen bereits
den Standpunkt einnahm, den er seitdem sein ganzes Leben
und Denken hindurch fast unverändert behauptet hat.
Die erste These zur Erlangung des Doctorats bestimmte
das Wesen der Philosophie im Allgemeinen als ,conatus repe-
riendi nexum necessarium in cogitationibus nostris', womit
die Beschränkung derselben auf das Denken und dessen Be
griffe und die Ablehnung jeder vermeintlichen Seinsphilosophie
klar ausgedrückt war. Die dritte These verneinte, dass die
Metaphysik, ja die Philosophie ein ,totum absolutum' sei. Die
vierte zog die bisher zugelassene Behauptung, ex uno eodem-
que principio an omnes metaphysiese veritates possint erui,
ernstlich in Zweifel. Die fünfte stellte die Behauptung auf, dass
der Satz vom zureichenden Grunde eines Beweises fähig sei;
cujus demonstrationis hoc est fundamentum, quod, quae res com-
mutata sit, tarnen ea una eademque remansisse judicanda est.
Die siebente hob die Freiheit, transcendentalis quam vocant, als
keine auf. Die achte bestritt deren Erforderlichkeit ad ethicam
constituendam. Die neunte vertheidigte, dass auch, wenn es
eine gäbe, wir uns derselben doch nicht bewusst zu werden
vermöchten. Adeoque ejus, qua in bono malove consilio eli-
gendo conscii nobis sumus libertatis, commercium nullum est
cum i 11 o philosophorum mytho. Die zehnte sprach das
Naturrecht, obgleich eine scientia perfecta atque absoluta, wieder
der Sitten- und Staatslehre als unabtrennbaren Bestandtheil zu.
Sit/.ungsber. d. phil.-hist. CI. LXXX1II. Bd. 11. Ilft. 15
226
Z i m in erm a n n.
Unter den Thesen pro loco drückt die vierte: Transcen-
dentali idealismo qualicunque refutato, rursus exoritur phy-
sicotheologia seine Stellung zur Religionsphilosophie, so wie der
trockene Zusatz, qua contenti esse debemus, seine bewusste
Verzichtleistung auf jode Art mittels der Schwingen des Idea
lismus auffliegender speculativer Theologie in prägnanter Weise
aus. Die fünfte macht durch den Satz, dass die transcenden-
tale Aesthetik Kant’s ein Irrthum sei, dessen ganzem System
ein Ende. Qui in hac parto Kantianae rationis latet error, totum
tollit systema. Die Unmöglichkeit, den Gedanken des Raumes
und der Zeit aus unserem Geiste zu beseitigen (ejicere), ist
kein Beweis, eas cogitationes natura nobis insitas esse. Die
sechste hebt durch die Leugnung der inteilectualis intuitio die
Basis des trauscendentalen und absoluten Idealismus auf. Die
siebente stürzt durch den ,allerhärtesten Widerspruch' (contra-
dictionem acerrimam), welchen das ,reingesetzte Ich' (Ego nude
positum) einschliesst, und welcher ,völlig gelöst werden muss,
nicht aber von einem Ort auf den andern verpflanzt werden
darf', den Idealismus (Fichte’s) von Grund aus (funditus) um.
Keine von diesen Thesen, sagt Hartenstein, deren Klar
heit und Bestimmtheit auffallend gegen die Mühe und Arbeit
des Suchens in den vorangegangenen Aufsätzen absticht, hat
Herbart später wieder zurückzunehmen sich veranlasst gefun
den, und mit ihnen kann die Periode der Vorbereitung als ab
geschlossen angesehen werden. Sie zeigen, dass, die Principien
der Ethik ausgenommen (die aber schon 1806 in seinem Geist
die Gestalt erhielten, die sie dann für ihn immer behalten
haben), er damals schon (als eben Sechsundzwanzigjähriger)
über das Verhältnis der verschiedenen Gebiete der philoso
phischen Untersuchung sammt den Grundgedanken der Meta
physik und Psychologie mit sich in’s Reine gekommen war.
(a. a. O. XII. Vorr. p. XI.)
Mit den Thesen ist Herbart’s philosophische Wanderzeit
zu Ende; sein Geist tritt in die Meisterjahre ein, deren
Darstellung, da sie in jeder Geschichte der Philosophie zu
linden ist, nicht mehr in den Rahmen dieser Studie gehört.
Perioden in Herbart’s philosophischem Geistesgang.
227
BEILAGEN.
1. Ueber moralische und ästhetische Ideale. Mai 1796. Von Rist.
2. J. G. Fichte an Herbart (Jena 1. Januar 1798).
3. Herbart an J. G. Fichte (Bern 24. Mäi-z 1799).
Ueber moralische und ästhetische Ideale.
Ein Versuch.
Mai 1796.
In einem vorigen Versuch, den ich der Gesellschaft mit
theilte, war die Rede einzig und allein von dem Ideal der
Menschheit überhaupt. Ich suchte nur die Frage zu beantwor
ten: Gibt es ein Bild von der höchsten Vollkommenheit der
Menschheit? Oder wie hat man sich diese etwa anders zu
denken. Nach meinem damaligen Ideengange glaubte ich die
Frage: Gibt es ein bestimmtes Ideal der Menschheit? vor
nehmen zu müssen — und glaube es noch. Der Wunsch ist
mir — eine durch Sinnlichkeit in Bewegung g'esetzte und er
haltene Intelligenz; als solche ist Unendlichkeit sein Wesen
und seine Bestimmung — unendliches Wirken, fürs erste also
auch höchstes praktisches Postulat, — einziges Ideal, für ihn.
Offenbar aber gibt es doch bestimmte Modificationen und
Richtungen dieser ursprünglichen und reinen Thätigkeit, die
ebenso nothwendig scheinen, als sie seihst, — die wir Grund
triebe nennen. Bis zur Untersuchung von deren praktischer
Bestimmung, und folglich von deren Idealen war ich damals
noch nicht gekommen, glaube aber, dass diese Untersuchung
sich nicht leicht von der ersten trennen lässt, wenn Beide ein
Ganzes bilden sollen.
Ich werde also meine Gedanken auch über diesen Gegen
stand, so wie er ist, erst mittheilen, — ohne aber im geringsten
zu wissen, was Kant, Fichte oder Schiller über denselben ge
schrieben haben, und ob ich nicht gegen einen derselben grob
anstossen werde.
lö*
228
mm
Zimmer mann.
Einzige Grundtriebe der Menschheit, neben dem höchsten
intellektualen Triebe, dem diese untergeordnet sind, — scheinen
mir der moralische und ästhetische Trieb, wie wir sie zu nennen
gewohnt sind, zu seyn; und es kömmt darauf an, zu unter
suchen, ob Ideale für beide möglich sind. Diess kann nur nach
vorausgegangener Bestimmung ihres Wesens und ihrer Ent
stehung geschehen.
Alle vorstellbaren Dinge haben als solche entweder einen
Gehalt oder blos eine Form. Nicht alle Beides. Gehalt ist mir
Daseyn durch Bewusstseyn, durch Vernunft, — selbstgegebenes
Daseyn: welches billig allein als wirkliches Daseyn anzusehen
ist. — Form, Daseyn in der Sinnenwelt, und ohne Bewusst
seyn. — Die ganze Sinnenwelt also, insofern sie nur auf
die Sinne wirkt und in Zeit und Raum da ist, ist blosse
Form. — Das ganze Reich der Vernunft, jede unverkörperte
Idee, hat Gehalt, ohne alle Form. — In der menschlichen Natur,
und so weit wir es wissen können, — in ihr allein ist Stoff, —
Gehalt und Form vereinigt, bilden beide, unzertrennlich, das
sinnliche Vernunftwesen. Ungeachtet dieser engen Verbindung
in einem Wesen, besteht doch Gehalt und Form jedes für sich;
äussert sich bei der Wirksamkeit, dem Streben des Ich in die
Sinnenwelt, jedes auf seine Art. Stoff — Gehalt sucht Gehalt,
Form Form, — oft beide beides, auf, um auf denselben einzu
wirken, von ihm auf sich einwirken zu lassen •— ihn sich und
sich ihm zu assimiliren.
Der Urtrieb, der sich im Ich auf Form, oder Schönheit
bezieht, oder vielmehr das natürliche und nothwendige Treiben
und Suchen des Gehalts und der Form nach bessern und höhern,
oder gleichen Gegenständen seiner Art — ist mir der ästhe
tische, der, welcher den Gehalt, die Güte, zum Gegenstand
hat, der moralische. Der erste beschäftigt sich ursprünglich
nur mit sinnlich angenehmen Gegenständen; der zweite nur mit
Vernunftideen. — In ihrem höchsten Interesse vereinigen sich
beide zum freien Spiel mit dem Vernünftigschönen, und der
schönen Vernunft, nur in der menschlichen Natur; beide suchen
dann nicht das Schöne und das Gute abgesondert, beide suchen
es wieder vereinigt auf, finden es nur in der menschlichen Natur
und in ihren edelsten Werken der Vernunftschönheit. — Woher
nun Ideale für ihre Wirksamkeit?
Perioden in Herbart’s philosophischem Geistes gang.
229
Der ästhetische Trieb äussert sich vor dem moralischen,
denn er beruht zunächst auf der Sinnlichkeit. Unbewusst des
selben, fühlt das Kind anfangs nur die Triebe der gröbsten
Sinnlichkeit: bald wird es sich, aber nur dunkel, einer Form
bewusst, denn mehr hat es noch nicht als Form, weil es sich
den Gehalt noch nicht selbst gegeben. Später erst wird sich
der Mensch erst seines Gehalts undeutlich bewusst. Beide werden
durch Umstände in ihm modificirt. Der Gehalttrieb durch po
sitive Belehrung und Erziehung — der Formtrieb durch um
gebende Gegenstände, Sinnlichkeit, Mode. — So kömmt es, dass
bei grossen, unter ungefähr ähnlichen Umständen, mit ähnlichen
Gegenständen aufgewachsenen Menschenklassen, oft eine ge
wisse Gleichheit in Rücksicht auf moralische und ästhetische
Gefühle herrscht; ja zuweilen sogar die Resultate häufiger Ein
drücke bei ihnen zu Grundsätzen geworden sind. Viel zu viel
Ehre aber thut man diesen klaren und baaren Empirikern an,
wenn man ihr Gefühl das reine, natürliche Gefühl für das Gute
und Schöne nennt. — Um zu beweisen, dass es ganz von um
gebenden Umständen und unvermeidlichen Eindrücken herrührt,
verweise man nur auf das eben so reine und natürliche Gefühl
mancher wilder und zahmer Völker, der Neuholländer und der
Chinesen, von denen die ersten schwarze Zähne und durch
bohrte Lippen, die letzteren spitze Köpfe und kahle Scheitel
für schön, und von denen die erstem Menschen tödten und ihr
Fleisch fressen für löblich, und letztere das Stehlen nicht für
böse halten. — Dieser Leute Gefühl und das unserer Empiriker
ist mir als Modification der Menschheit gleich wichtig; aber
als Norm gleich unzulässig.
Reines und wahres Gefühl also für das Gute und Schöne
dürfen wir unter dieser Menscbenclasse nicht suchen, wenig
stens ist es Zufall, wenn es sich findet, so wie es grösstentheils
dem Zufall überlassen ist, dem reinen und ächten Gefühl eine
ganz verkehrte und falsche Richtung zu geben. — An Ideale
ist hier noch weniger zu denken.
Nächst einer gewissen innern Fülle von Naturkraft oder
vielmehr von Menschheit, müssen wir also von der Theorie
reine Begriffe von unserm Gehalt und unserer Form, und,
wenn es solche gibt, auch Ideale für sie, erwarten. Nur durch
die Theorie kommen wir zum Bewusstseyn, und nur durch
230
Z immer mann.
Bewusstseyn sind und wissen wir, was wir sind und seyn
sollen.
Es ist eine, gewiss wold zu befriedigende Anforderung
an die speculative Vernunft, dass sie aus dem Wesen des reinen
leb auch den reinen, absoluten Gelullt, wie die reine Form
desselben deducire: denn um menschlichen Gehalt, mensch
liche Form und um beides neben einander zu seyn, um die
Bedingungen der Menschheit streng zu erfüllen, muss es ein
gewisses reines Wesen beider Bestandteile geben — und dieses
muss sich unwidersprechlich gewiss und genau aufzeigen und
bestimmen lassen.
Also ein theoretisches Ideal — ein Ideal der Urform, des
Gehalts und Formtriebs hätten wir; — wird uns aber die Ver
nunft auch ein praktisches Ideal, und billig sollte nur das,
Ideal heissen — aufstellen können?
Wir können und dürfen uns das Wesen, alle Bestand
teile und Kräfte des Menschen nur praktisch in steter Wirk
samkeit nach innen und aussen denken. — Also auch Gehalt
und Form des Menschen denken wir uns nur in steter Wechsel
wirksamkeit unter einander, und mit fremdem Gehalt, fremden
Formen, um diese mit sich zu vergleichen, sie aufzunehmen
in sich, sich überzutragen in sie, oder sie zurückzuweisen von
sich, sie zu entfernen, als ungleichartig. — Das ist die ewige
Wirksamkeit des Gehalts sowol als der Form, und nur durch
diese können wir uns unser bewusst werden. — Was wir uns
entgegensetzen sollen, muss in gewisser Rücksicht gleichartig
seyn, wir würden ohne Form uns nie von etwas's anderem,
das Form hat, unterscheiden; ohne Gehalt nie wissen, dass es
einen Gehalt gebe. Nur weil in uns beides vereinigt ist, können
wir auf alles reflektiren, alles mit uns vergleichen. Auf welche
Art nun sollte und könnte wohl für diese wirkenden Urbestand-
theile unseres Wesens ein praktisches Ideal aufgestellt
werden? — Doch wohl nur so, dass man den höchstmöglich
sten Gehalt, die höchste Form aufstellte, der sich das Ich, der
sich mein Gehalt und Form vergleichen, —• den sie sich assi-
miliren könnte und dürfte. Es müsste zu dem Ende gezeigt
werden, dass entweder im Nicht-Ich kein höherer Gehalt oder
Form möglich, — oder dass das Ich unfähig sei, einen solchen
in sich aufzunehmen. Beide anmassende Behauptungen werden
Perioden,in Herbart’s philosophischem Geistesgang.
231
niemandem einfallen. — Einfallen, der Perfektibilität, Güte und
Schönheit des Nicht-Ich oder dessen Wirksamkeit auf das Ich
Schranken setzen zu wollen. Soll aber diese nothwendige
Wechselwirkung ewig, so muss sie auch unendlich seyn, und
von einem menschlichen Geist können ihr nie, am wenigsten
izt schon Gränzen vorgeschrieben, ein unübertreffliches Ideal
gegeben werden. Und eine solche Beschränkung und Hemmung
der ewigen Wechselwirkung wäre doch jedes moralische oder
ästhetische Ideal, das mir also auch in diesem Fall ganz un
zulässig scheint. — Weg mit den Idealen!
Nein. — Vielmehr sei unser ganzes Bestreben nur — ab
gesondert von aller Empirie und den Eindrücken der Jugend,
die reine Form, den ursprünglichen Gehalt unseres
Wesens, und dessen offene Empfänglichkeit für alles ihm homo
gene, für alles acht Gute und Schöne, in uns herzustellen —
und so hinzutreten in die Sinnenwelt, in die moralische Welt
um zu geben und zu empfangen, aufzunehmen und zu ver
werfen. Unaufhörlich wird durch diese Wechselwirkung das
Ich fortschreiten, edler sein Gehalt, schöner seine Form werden,
grösser sein Bedürfniss nach Güte und Schönheit, grösser die
Menge heterogenen, grösser die des homogenen Stoffs. Zu un
erreichbar scheinenden Höhen, — zu izt noch undenkbar feinen
Genüssen wird unser stets erhöhtes Gefühl uns leiten. Die
jedesmalige höchste Stufe des moralischen und ästhetischen
Gefühls, und nur die, kann man vielleicht Ideal nennen. Eine
höhere folgt dieser vorhin höchsten Stufe, und so ist in ewi
gem Wechsel und Fortschreiten auch das Ideal. Nur als Ge
mälde, als Darstellung der höchsten Stufe dieses Moments kann
jedes Vernunftideal von Moral und Schönheit gelten; denn von
unerreichbar hohen Idealen kann nicht die Rede seyn — die
gibt es nicht. — Was ich hingestellt habe, das habe und bin
ich selbst, ich mag es üben können oder nicht. Mein reines
Ich wird es immer realisiren können, und hat es, indem es
dasselbe aufstellte. — Das an mir, was es nicht realisiren konnte,
was zu schwach und lahm ist, bin nicht Ich — ist das Ihier
an mir — mein Nicht-Ich!
Rist.
232
Zimmermann.
J. G. richte an Herbart.
Jena, den 1. Januar 1798.
Da Sie, mein würdiger Freund, mit meiner Lage näher
bekannt sind, so erwarte ich um desto eher Ihre Verzeihung
wegen der so lange verzögerten Beantwortung Ihres Briefes.
Es wird mir immer unmöglicher, ausser den Ferien eine
Zeile an meine Freunde zu schreiben.
Mit innigstem Vergnügen habe ich durch Ihre Frau Mutter,
und durch Ihre Freunde, die Fortdauer Ihrer vollkommensten
Zufriedenheit mit Ihrer Lage, und die Schilderung Ihres geistigen
Zustandes erhalten. (Das Letztere besonders durch die Letzteren.)
Ich glaube, dass die Lage, in die Sie versetzt worden,
die zweckmässigste für die Ausbildung Ihres, der vollständig
sten Ausbildung so würdigen Ganzen war; und freue mich,
dass alles sich vereinigen musste, um Sie in dieselbe zu bringen.
Dass Reinhold ganz zu meinem System übergetreten, wie
es die Kantianer nennen, wird Ihnen wohl bekannt seyn. Er
hat eine Recension meiner Schriften an die L. Z. eingesandt,
die ohne Zweifel in diesen Tagen wird ausgegeben werden. —
Seine Briefe an mich sind sehr verständig, und ich erwarte von
ihm allerdings viel; wenigstens vor’s erste. Ob er nicht später
hin wieder auf eine Missdeutung geräth, wie viele, die ihn genau
kennen wollen, befürchten, muss man von der Zeit erwarten.
Meine Sittenlehre wird soeben abgedruckt. Ich lege die
Subscriptions-Ankündigung bei, wenn etwa unter ihren Bekann
ten welche wären, die zu subscribiren gedächten.
Künftigen Sommer werde ich nicht lesen, sondern ihn
auf dem Lande zubringen, und ein populäres Buch über die
gesammte Philosophie ausarbeiten. Es scheint mir, dass so etwas
dem Zeitalter höchst nöthig ist.
Sie erhalten ohne Zweifel Briefe von Jena; ich schreibe
Ihnen daher keine Neuigkeiten.
Meine Frau ist wohl und griisst Sie herzlich. Der Kleine
lebt und gedeiht.
Erhalten Sie mir Ihr Andenken. Der Ihrige
Fichte.
Meine herzlichsten Grüsse an Steck und Fischer. Ich
bin so frei, einen Brief an Muhrbeck beizulegen. Man hat
Perioden in Herbart’s philosophischem Geistesgang.
233
mir seine Addresse gegeben, aber es würde mir Zeit nehmen,
sie erst zu suchen. Berger lebt in Jena, und studirt Chemie,
Anatomie, Mathematik. Von Hülsen, der in der Mark ist,
hören wir nichts.
Herbart an J. G. Pichte.
Bern, 24. März 1799.
Hier, mein verehrtester Lehrer, eine Probe; Ihrem Befehl
gemäss möglichst klein und kurz.
Der Anfang Ihres Briefes hat mich sehr geschmerzt. So
unwerth bin ich Ihnen geworden, dass Sie an Erklärungsgründe
meines Handelns nicht einmal mehr denken mögen! Ich würde
nach der Ursache fragen, wenn ich nicht zu vergesen scheinen
könnte, dass Ihre bisherige Theilnahme an mir bloss freye
Güte war.
Meine Ueberzeugungen sind mir klar, und ich halte sie
für wichtig. Darum schrieb ich an Sie. Nicht, wie Sie zu ver-
muthen scheinen, um mich zu einer liter. Fehde an Ihnen zu
versuchen. Für Ihre Erlaubniss einer schriftlichen Mittheilung
aber meinen verbindlichsten Dank; Prüfung und Antwort von
Ihnen wird mir ein kostbares Geschenk seyn, und mir zugleich
andeuten, ob ich jene Erlaubniss noch weiter ausdehnen dürfe.
Mit unveränderlicher Hochachtung
Ihr gehorsamer
H.
Syst, der Sittenl. pag. 9.
,Der Begriff des Ich wird gedacht, wenn das Denkende
und das Gedachte im Denken als dasselbe genommen wird'.
Dies ist unser gemeinschaftlicher Anfangspunkt.
pag. 14.
,Der Charakter des Ich ist der, dass ein Handelndes
und eins, worauf gehandelt wird, Eins sey und eben dasselbe'.
Dies ist ein höherer Allgemeinbegr., als der obige. Aber
jener, in seiner ganzen Bestimmtheit, und kein anderer, ist der
Begriff des Ich. Das Denken ist also nie aus dem Spiele
zu lassen.
234
Zimmermann. Perioden in Herbart’s philosophischem Geistesgang.
Nur insofern findet das Ich Sich — Sein Ich — inwiefern
es das Denkende als das Gedachte findet. Dieser Begriff, in
seiner Strenge beibehalten, giebt freylich einen endlosen Cirkel,
in welchem immer das letzte Object fehlt. Ein solches letztes
Object wird also durch den Begriff des Ich zwar gefordert,
aber keineswegs gegeben. Es wird immer etwas Anderes als
das Ich — ein N.-J. seyn. — Aber es soll zugleich das Ich
selbst seyn. — Das Problem muss gelöst werden, ohne eine
von den schon veststehenden Bestimmungen zu verlieren.
Da, wo die ideale in sich zurnckgehende Thätigkeit selbst
gefunden werden sollte, eine reale einschieben, ist eine unstatt
hafte Verwechslung der Begriffe, also die Deduction des Wollens
unrichtig.
Müller, Kitäb-al-Fark von Alasma'i.
235
Kitäb-al-Fark von Alasma'i.
Nach einer Wiener Handschrift herausgegeben und mit Noten verseilen
voa
Dr. David Heinrich. Müller.
Einleitung.
Zu den wenigen und werthvollsten Ueberresten aus der
Literatur arabiseh-lexicographischer Monographien, die sich bis
auf unsere Zeit erhalten haben, gehören einige Abhandlungen
des Alasma'i 1 und Kutrub, die in einer der ältesten Hand
schriften der kais. Hofbibliothek zu Wien (N. F. 61) 2 enthalten
1 Sein voller Name lautet: Abü-Sa'id 'Abd-al-malik ihn Kureib-al-Asma'i.
Er starb im Jahre 215 d. H. = 830 u. Chr. Vgl. über ihn Flügel an
der bald anzuführenden Stelle.
- Ueber diese Handschrift, deren Titel von späterer Hand geschrieben
also lautet:
^yd! ■—: LaS”~ Xa.?* to La5^ Xa.j p I
ijjj' viUJ! Aaä- obdlj Joih
ü. + a^.aJI Xaj wiJliA Lo i jLa5^ IaAjI XaI.
^IäS'La.sI XAi. vgl. Flügel, Die arabischen,
persischen und türkischen Handschriften der kais. Hofbibliothek in Wien
I, 320 ff. Nur ist zu bemerken, dass er zwei kleinere Abhandlungen,
die auf dem Titel nicht aufgezählt sind, aufzuführen unterlassen hat.
Nach Flügel soll nämlich die Schrift des Kutrub Fol. 59 b beginnen
und Fol. 97 b endigen. Das ist unrichtig. Sie schliesst schon 93 b . Von
Fol. 93 b —9G a folgt ein ohne Angabe des Verfassers.
Wahrscheinlich rührt es jedoch von Alasma'i oder Kutrub her, die beide
Schriften dieses Namens verfasst haben (vgl. Flügel, Gramm. Schulen
S. 67 u. 79). Von Fol. 96“—97 b stehen einige abgerissene Notizen über
Lautwechsel und Imäle, vielleicht aus einem
das dem Alasma'i zugeschrieben wird (vgl. Flügel a. a, O. S. 79),
236
M ü 11 e r.
sind. Diese Abhandlungen sind nicht nur literarhistorisch
interessant, weil sie uns über die Methode der Lexicographie
in der ältesten Zeit belehren, sondern auch sprachlich nicht
ohne Werth. Denn haben auch die Gesammtlexica das Material
für ihre Werke zum grossen Theil eben aus solchen Mono
graphien geschöpft, so haben sie dieselben, wie sich bei genauer
Prüfung ergiebt, doch nicht erschöpft.
Sie haben aber auch noch einen andern Nutzen. Indem
sie uns sachlich geordnet das älteste Sprachgut insbesondere
aus den alten Dichtern vorführen, erleichtern sie uns das Ver-
ständniss derselben, oder zeigen uns wenigstens, wie sie in
früher Zeit verstanden worden sind, und was in zahlreichen
compilirenden Commentaren gelegentlich immer wieder bemerkt
wird, das linden wir hier in übersichtlicher Form, wenn auch
nicht in erschöpfender Weise, von den ältesten Meistern
dargelegt.
Namentlich empfehlen sich auch derlei Monographien als
Grundlage für sprachvergleichende Untersuchungen. Wir können
gewisse Begriffe in den verschiedenartigsten sprachlichen Er
scheinungen verfolgen und oft den tiefem Zusammenhang
zwischen Begriff und sprachlichem Ausdruck erkennen. Freilich
müssen wir diese Monographien, die aus den Dichtern geschöpft
worden sind, auch mit den Dichtern in der Hand studiren.
In dem hier vorliegenden Specimen habe ich es versucht,
eine der kleinen Abhandlungen des Alasma'i zu bearbeiten,
nämlich das ,Kitäb-al-Fark‘ 1 (d. h. ein Werk über die Benen
nungen der verschiedenen Körpertheile und ihrer Functionen
bei Menschen und Thieren). Ich habe deshalb diese kleine
Schrift gewählt, weil ich auf eine Handschrift angewiesen,
1 Ausser den uns vorliegenden zwei Schriften des Alasma'i und Kutrub werden
noch acht gleichnamige von den arabischen Literarhistorikern angeführt.
Das älteste Kitäb-al-Fark rührt von Al-kiläbi, einem zur Zeit al-Mahdi’s
(reg. 158—169 H.) in Bagdad eingewanderten Beduinen her (Fihrist 44.
Flügel, Gramm. Schulen der Araber S. 46). Ferner wird erwähnt das von
Abü-'Ubeida (Fihrist 53, Flügel a. a. O. 70, HCh. V. S 129 , Nr. 10368)
und Abü-Zeid (Fihrist 54, Flügel a.a. 0. 72), beide Zeitgenossen des Alasma'i,
von Assagastäni oder Sigistäni (Fihrist 58, Flügel a. a. O. 88, Ibn Chall.
I, 408 ft’.), Az-Za*^äg (Fihrist 60, H. Ch. a. a. O., Flügel a. a. 0. 99),
Abu-Muhammad Täbit ibn Täbit (Fihrist 69, Flügel a. a. O. 149), Ibn-as-
sikkit (Fihrist 72, Flügel a. a. 0. 160) und Al-'A£läni (Flügel a. a. 0. 232).
Kitab-al-Fark von Alasma'i.
237
wenigstens die Parallelschrift des Kutrub zur Herstellung des
Textes benützen konnte. Aber auch die übrigen Abhandlungen,
welche in dieser Handschrift enthalten sind, wurden für ein
zelne Partien nicht ohne Vortheil verglichen. 1
Die beigegebenen Noten suchen das Verhältniss der An
gaben Alasma'i’s einerseits zu denen der Lexicographen, be
sonders des Sahäh, 2 andererseits zu dem wirklichen Sprach-
gebrauche bei den Dichtern zu bestimmen. Allerdings musste
hierin Maass gehalten werden, wenn nicht das Verhältniss
zwischen Text und Noten ein noch unnatürlicheres werden
sollte, als es zum Theil schon der Fall ist.
Es sei mir nur noch erlaubt, an dieser Stelle meinen
hochverehrten Lehrern, welche diese Arbeit unterstützt und
gefördert haben, den Herren Proff. Fleischer, Krehl, Nöldeke
und Sachau, meinen tiefgefühlten Dank auszusprechen, dem
Letztem auch dafür, dass er mir sowohl die von ihm ange
fertigte Copie des Alasma'i, als auch seine bei der Durch
sicht gemachten werthvollen Bemerkungen zu überlassen so
gütig war. Auch den löblichen Bibliotheksvorständen in Wien,
Leipzig und Strassburg sei hier für die liberale Verwaltung der
ihnen anvertrauten Schätze bestens gedankt.
1 Besonders das Kitäb-asmä-ul-wuliüs, das Kitäb-halk-ul-insän und das
Kitäb-ul-ibil, sämmtlich von Alasma'i.
2 Obwohl Gauhari öfter unter den im Kitäb-al-Fark vorkommenden Wör
tern den Alasma'i citirt, ja an vier Stellen sogar ausdrücklich sagt:
(jyäJi v > UcS^ j, xJls (s. v.
so hat er es dennoch höchst wahrscheinlich nur aus secundären Quellen
benützt. Denn er führt nicht nur unbedeutendere Gewährsmänner an,
wo er den Alasma'i nach dem Kitäb-al-Fark hätte anführen können,
sondern weicht auch in der Angabe der Bedeutungen öfters von ihm ab,
ohne seine abweichende Ansicht anzuführen, ja es fehlen sogar bei
Gauhari einige Bedeutungen, die im Kitäb-al-Fark Vorkommen (vgl. z. B.
Noten s. V. ^ v_>.üLo, fjuylOyj, SAAc-i kj|<A*..w, ^ u. a.).
Endlich kommt die unter bei G. angeführte Stelle nicht im
Kitäb-al-Fark dos Alasma'i, sondern in dem des Kutrub vor.
238
M ü 11 e r.
10
£ U1JI, jvjljl)! ^ ^1^31! au.i iwßJLi* Lo oLx5^ tcX~s^
" x ■" w „
|vi^ jvi JUw ^>IaJ aui^ ^LuO^I j*i JUü J^‘ 54,
|VÄJI ^3cXj y&y ^.®UL)f JLs e t5 ^i cU £ |vtJI yyrty J0>
2 Ui 1-g.äJb-MJ ^iÄJ LsUoi 'Uc^U-c. LgJ cu^
Li ^)yy i^?.'y y*y iXj} |*i IlX®> Jlib. ‘ Ui ' f &ol+,<kJ
Üli JCCas» Lgjl JL3 j*J v^A^it 131 £ £ \ä*JL>öyy Jo^
L+i xJ ojK 'iLJyi 3s! jvi Sl| ^.Xj |«J i^jOvil. uLo.3 pj
‘ Ia-w.^. li JLäj
^.äuUJ I |v3*
C sL&JLJI ^jLxÄawJI l+£&^ &2>yZJljO \JLuj
•jz L-W.4.J f I
x+a+JI, 4 J.iL^I ^-+il« ^Lx-lÄ^Lil L*jc, ^.ilUl vi^il«3 ^./o
5 (vUiLl^ ‘vy-«fl-ÜI^ ^aÖIj o3Uä3l| igjl^3 jjjo joo^+JI^
^-Ai’L+il ^jLbJI i3' /0 gL-Ul! ( 7^jo
sLa-"-^ SiX® (_>A*.J |*Ail L+J^JJ yMlX+Jly ^Lka+JI ^_gi jaLJ! ^Iaau
: JJ3 ^Jl ^.äL^JI yic.*5\ 131 (jiä*j pLii-o
1 Cod. ^j|; Kut. GO, a: ^j|
2 Cod. yiujj und L^.*laJiA4j. Kut. Ä,ij' und 1 ^ ö t-> ä 1 1
3 Cod. xrl ,<Ll ^
4 cod. (.ybjilfj
Kitäb-al-Fark von Alasma'i.
239
r 3
■ y % ^ ^ ^ ^ y
l —Ijjl d>cX*J! 1 —^ÜW ^LwjüH l—äj| ^_gi
, ^ , w ^ ( - o ^ 0 £
2Uv.iuU0 äJJI jvi^l (JLiü^ £^+it^ y&y O^-il
I li Jls 1 L»öjI
Lä^s-O • U=.li 5
? 0 (w 5 0 ^
^IaaLwU 1 jLuuiAiaÄÄj!^ ( Ljl^tX-U
Jlüi oL*3j 2 Uj!^ä! ,^1 1 ijw.^kLuJ!
4 lij^t yt^y^ Lg-k»*AialAi ^Is’"
0 i
yrnjl |VJ
tXj’^ ^.Ailiäl^^.iii>!^^Lftia! &».+=>« vi-ls ^..gi
15+Xui j^j! jX*) J_jj' x-i-f• <Xö
Ci ^ J ** y y Q ^ Q ^ ^ —■• ^ w ^ ^ «*-
1 jvi spLßib! tXxi xJ '^joLä/o SUJ1 ^.5^Lco lX.*wI ^cXi
v-JUsJI ^./JiJt ^La«w ^j.x> u ^xtaJf ^x» v^i^sJI^
dUi ^.aäj L_>l^jijl« vJLäJL «iXä. JLflj^
^LyL-U JLüj^ 4 y-1JaJI jeLaa; ^-y£-?. |tJ L*j£>
^-fiiö v_*^ÄÜ I j ^j-xi jv-g-ö-XJ Jli'. ^\ ; 2\
1 Cod. s.w»JaliJ!j
2 Cod. Lol^cl
4 JS' \y$' Lg_cüs Uw
¥ - > a „.
Ahlwardt, Suhair XVI, 37: oJJW und J^J
240
Müller.
1 |*£)t }***£ ^5^ &UhjkJJ JUb^
JX) l*XU |Va^a.+JI JIüj^ 1 [|V^Li+J! £+4^ ^a*aJI (v^.ä+JI^
‘^.ajuJJ JLüj 1+5^ Lflj!
J^-p! |*5
5 g4i, axXi* &Jjüo • (Jo*^ »
^Lwj^l ^jo ^xiLH ^Py* ii u*^Jf L ^»ItXi'l
xxiIäLU oii»! JUü^ oLai-l £^*4^ <—üsU^ ‘^il^Ü
‘ o^Uol »LJäJlj ^j[plj s'LchJt olliäJlj " LöjI
5 0 0 ,
^<XÖJI
r 5 ' v
10 l^oji ^XaÖJJ JljÜj ££+4^ ^(Xö jSüj
(jr> »-?>_; JL* ‘uV^S u* 1 ^^
4 u^r^ 1 i^*’ (5^
u*^ ü^°;^5 '\s44 (^4^
oc^. 5 U^ü - ü '
Jö L^-A-olv^Jtaji^Li oASl tö! ^-aLoJI ^LaawJ JL&j •
15 LXst ^LxiU *iU<> JUü^ &LäJ! ^X) i_saAO.äJI^ (jaJUI. ‘ Lj» jj
JU»yi ^x> vl)^.AJI^ 'XLaJL ‘^iLöki' yi>ljX.Ci ^50 vÜJ pül kSi (JLäj^
je! tob^ ^Aoj iüxXJ! (jajäJI^
Cod. ^1
|*A«X0
2 Cod.
3 Das Eingeklammerte fehlt in der Hs. und ist nach einer Randglosse
ergänzt.
4 Cod. ^yfy i lnd |*loftt; ^Lwj^l (3-L~> i__>La5^ 35, a:
6 Cod. äS^JIj
Kitäb-al-Fark von Alasma'j.
241
^ ^AXaJI i ^ » ^cXaäJ! ^.X.Ojf
‘ ütX-LiJI u^-wiJ! t^.x^ö^.+J Jliü. ‘ H jJLJI
^..eLäJ! (Jli 4 S^w jX ^.^0
1 ijjjjXx.0 u^lpl^ Lg-LXLLSj ^.ä3o
‘Lo^ 2 ‘ (5 ä.^JI L^J JIäj^ Xjfc\x*«JI s^5jXlU Jliüj 5
1 Loj! ^.aÜlJI äXojil^ (?)au XaIe (J^is
? 0 ^ 11
,c lXäJi
)y*~§" 10 )y~*~& J<> e ^XH vZax »I^Jt JLüj
*j^J i_iJLi> l+>o '’xXÜL IsLsJ Lc xjljJLUl^ 4 ^j.xx
^£cX-5 ^..*0 xvii^vLwJf ^l*.äaJI &.-.XXI * f ^tXjü! io
2k-oJt ol^.i y®) Lwäjf ol^-öJI LgJ JLiü. Jo^JI^
^yjdy gjjj..Ö £*4lj V_jLa~»Ü5i! ( J-C
tjl.ö £*4l 5 7 >—äJ^f «J Jlis v_*JlAl jJ
! jü.XÖI i-Lvlst^ u*^.Äjt i-LJa! JLäj sLaIoI ^.ilAt
15
üi)t.ö ^/o ‘^-j^aJI £V+4"*; ejXuöüM _j-g-s
^.axajt ^ys: s jvii+.M. ‘s^le^ -_aaüJI. 1 J.-yo!^.xJI £^*eU} ^-iXXl
> Cod.
2 Cod. sUyt
3 Cod. ^yc }
4 Cod. \j*-J<!
5 Cod. ^JCcJÜ
6 Cod. ^ jLÜAgJI^
’ Cod. oi&!
8 cod. jjÜJi;
Sitzungslier. der pliil.-hist. CI. LXXXIII. Bd. II. Hft.
16
242
Müller.
10
V—fiJ I I 8^
1 [j*yic\y k ^LylJ!^ v A.XÖI ^.x> 5LX-ß..*Jt^
i >LjiXJt ^jo dbcjl, icoLi» yjyijL)
y & r*
^.äLaJI JU> y=»3H^ v_*Ä*Öt^ ^^_sJ! LgJ JLüj
2 Lgl^äj’ L*i t^=Lpl itob Lg.*.=*t Lg^Jd-fcl jyjl=»
Lgx! (jj^-lJL LgjcÄ^^u iXs
JüSÖ^ü^
,^y iLuJäJlj 3 xaaä-I ££+^1^ oLa~.il| iiyl^3 ^y> LaU-!^
l + jl, L*ö_jI iyilXi JUjj ^uJLJi ^y 1 ^yL=» <^3 jb"
‘■gL^JU
isÜSsJI |*J
I
JI.JJI^- sLLH^ ^Jull ^y 0 (*Lcpl^ isüs 1 4 yc^
*Äi! ^3 JUb '’^iLLuJ! ^.AjJjl^ ‘wiLil ^£Ö ^y JUJf,
jjjO ^ ^ ^ J ^
‘^JaüJ! y&j 1*3^ p3y LLü3
ij-LIaJ! |vj
, ä-^*.~^yy ^1^4b ^jjLaäaJI^ IamaJIj I^aJI yay
r ÜüJt 5 ‘ x.ivx J.aa«j (3-*-=‘l JL&j. £yJt yß^ i jLatÄJ( ya,
1 ^-äil ^3 ^y j»L*JJI^
1 Cod. uM^isyül^ ; Randglosse: (j^kycJI^
2 Cod. x,ajU; richtig: Kut. 62, b.
h
3 Cod. SjwJoJI, Üaas.
4 Cod - <s»J
5 Cod. ^UyJI,
6 Cod. ^3^aawJI^
55, b
Kitab-al-Fark von Alasma'i.
1 iXzi JLüj Loj! <XfL)l l3j£. 1 JUu
^.äLccJI JLs 1 IlLs! <\säo
cXss.j iÜiLil lö SH u^llJt ^yo ’’’iLs.pjb ^j,jo lljlA LoULo o^jü
j-cUÜI Jlsj ‘j.il4t ^y/1 r \y£jl, 5
> cS — > ^ ^
I ^-ÜL) I LgXj L»_w I^C- J^/ftwJ 4 Uc>ik5^ XAX) 11> (J^ä-I LaaXä.
s^jf y^y 1 JLsls^ (li jyAt-vl xj JUü^
-Hi» (W^- 2 - ^x+4-^ Oy 411 iJpäM}
‘ ^ 07*^ 77^ |*-y£^-y
243
U"_jAAl (VJ
Jliu^ tiS *.*.i tX*.ÄJ 1 cXjliJ Lw^Jo» (jj^Xsl (J-jJo» JLftj
^~fJäXi Jliü. l Lö^ oäjyi ~iL=» (_5Ö JjJ,
U6 ’ a 7^*^AJ JLftJj 200 i_5tXJ! i0 £*öyJ\ J& ZyL&j Lo^La. j*as!
‘ &.»j 4^o iJo
1 God - ü>*
2 Cod. cXäj ^Lwj^H lX^
3 Cod. fehlt JO
4 So.. Gauh. s. v.
f" ^ und Kut. 64, b. Dagegen Cod. und Glosse bei
Gauh. das. ^aJUs*
5 So Cod. und eine LA. bei Gauh.; andere LA. des Gauh. ; Kut.
10
das.
6 Cod. p. += .
7 Cod. fehlt JLäj,
8 Cod - 077 £
0 Cod. Juj)
>o Cod
. £*syo, was aber wegen des darauffolgenden ^gjj) nicht möglich ist.
16*
244
Müller.
iOyJüJi |*J
1 li^io ! _iLis« 1 Ltsjjtj' ifijjLÄj Jjä^J! -io^xj JLäj
1 ^Jö ^_'y^ 7^; xÄio.j ,j, Xi^Je (j^.aj JLäj.
‘L+^ää+j LU! ^li L+^-jpc'J^Ä ^UiT ii>tX^\j J o-jcLLI ^
5 ^AxJ! XJ J “ ^ I» iy y\x! ^ *_>-»
JLäj^ 2 ‘L1ä£ ^äxj i5^ Ä *»«! ^jJjj ^7^
jccs.L^> ^oj löf Jä-jJI L=i JLäj. iJvö
, ^ ä^S &'
JajLiJ! 1 Jc^_«ij v_Äi^ö JLäj. ^.Lsiaj! Jj| jvjaJ! JLäj^
JLäj . C Ljj^ äj^n-J jjjU ^.iLs. ^£Ö JXJ. (jj^-LLJ JLäj^ ' ic .iÄJ.
0 loLi UäJ väaj jjjjäj Jö oiLJb^! ,1. 1 _aä-JI £
g-Lti.! «■*♦=»• ( _5^= > _ÄaJI Läj! xJ JLäj^ 1 UaXj -L-Laj -LJj
.' , o .
AÜ OAÄis. tXs
^.£.üül JLs I_jL>JJI ^JJO
^ xaIä i_AjJJ!
‘L.o^a fLjaJI |»Lao tXÄj ^ Laä~. <-\sj
o!<7Ut iaÄj X+AJj jjlS" 0 I<r Ä=» XaXc i_jLjJa.II ,*i, cVj.
15
X+JjJ! |VJ
jvisjt. 1 LäajÄ (J-yi (7-i. Lx> JaÄc! |V-LLäj J.sy.J! jvUac! JLäj
ijj!^ JJ JLäjj ‘ LLa-tx® g..g.j ^-bcj LJlaj' jJoäj ^jajlJ!
Cod. Lkj
T* J
2 Cod. LaÄe ^xj ^aUI (5^ • • • 15'®’*-!.
3 Cod.
4 Cod. yiJ!
5 Cod. |V^^5 Gauli. und Muli. s. v.
6 So Kut. 66 a; Cod. JaÄÄ
^ ü ^ ' __ — ^
7 Cod. LUai jviaÄj ^.aäaJ! jviai^
JüJ
56,
Kitäb-al-Fark von Alasma'i.
245
IüIlX-Aa^w! vj^Oöj'AjjjI lX-2> viL^-f
^ G ^8 ^ w '
JUj 5 l XXaaÖ Ri'tj . Ixaa5 *A_täj> xaXa.o tXi' jü'ÜJU J Läj.
(, , ^ O ^ J O ^ Ü -- w
2tX*Ä? &aA5 ^sß. ifu=»t vp/ulto.! Ai’ p U*JJ
t> O^ÄP« tXs &^»Ä«U Jlüj^ ’ sLciJI ” iPA/l^.p4 tXi" Jl&j^ 1 ^IaaÖJ!
1 IjIa® v JIaj^ 4 üwüL». I^ää. ^
C KIJ! r i
UP Jö. 1 Lp l+P*
^oup <_>-=• 1x14» Lg-*-ols!^ 2OL./21 pLp^sJI £X>lp» JIäj
Lfl-sl jLftJ« IsiUpj Jöl^ot Jo»Jt ^ip« cXi'^ IaaUP IjoÜÜü üjI^joI
\.xLp &XJ [ 4^ ^AA.^I ^^ ^ XUOcVr»! ^ ; X * JLxaJI —— ^'-A.LJ
(.!_>! Lgil Is2(5.*j ^äJI ^»Güill xjLLJI^ ■' j»^_> ^ Jls 10
X*..öIaXI L^PAsIaJ at J f^-X) I (Jo»üt ^«asLj JIäJ » ' Jl*J < XJ^-Ai, J.f\
r, £UiA.>! Lg.*! r+J-xa? cJ-^° £ JLäjj ‘IpLpjj
Lg*yo Lg.xib’ (jajJLU JLüj^ ‘ sIaJI ljiajuö <_L»^ JLäj »LJ! Loj!
0 ' 0". U 0 ö ^0
cXäaaO lX-B^ (j^y^Xi ^AivJpt Jä-jAJ JLftJ ^ : Lo^?
JJöLju JJöLp LapjI JLäj^ l IpL.5 p^.4j 10 Läa«j 15
^.AialJ JLäj^ f^jö jvaj <^s? ^55 J.X3 JLäjj " Silipp jÜJcLpuj
^li'. 1 PJ^aPJ 4Jj.aÖ JLäjj LIäaÜ ip+Üß t~l»•?
1 LL Laj ^^jü
o ^
1 Cod.
2 Cod.
3 Cod. tj=£
4 Cod.
5 Cod. r^'
6 Cod. Jl*j; richtig Gauh. s. v. ^ej
246
Mülle r.
JLüj^ »yt ^SS. lod.Üfj-t-jI <_}Lüj
v^Jjü'I 16t Jääx »yi JLäj. t^JS' e LZJ! AJjy. ’UXS'
L^-üaj |Jä^ 16! joIlLLI JIä^j £ JI*jU ^ l^jJaj ^iLt.
5 t6li ' ^AX) o.Ä£l tXi'j £j!o J^i-I
x-ötXxi äüLül ooDl tXi' Jlftjj ‘äÜÜI dJjS^ L^yij ^.-g. 4
£++=-! 16! jLydJt uy~i.£vol Jläj^ 2 1 ijIiXjo ££+d.l.
‘ ^^.Xx jo-ö JLäj^ 3 (jXj! (j«a<y.JJ JIäj^ LgiJaj ^ oäldt 57 ’
üoSi^JI (W
10 ii 4 [ JLs'jj cy*x.«jjj sLJI cyjJj] JUj
B " „a
uLiiJ^ JLäj^ ^j./o ^..gJaj *J Lo L^.AuLftj
UoLiLw| JaiLwö 0Ji2.ft.wl tXi‘ 1*1+3 ^.-ud LffijJj oftJ! I6i ülj+JJ
cX3^ I6| jültiJI o.sLj tXi^ * Jaö,wj JaÄAu^ JaA.w tXJ^-ü^
oJül I6fj £ o.s\j ki'LDl viUtX5^ i_flJI ^.wij Lg.Ä.s\j
15 oo-ciol^ o-l^l tXü pL*j ^.aäJ
LojI ^Ia-wJ! ^ JUj 5 ‘o*^äjj <Xi'^ ‘ Loj! sL-üJl ^
Ldj| iiULU JIäj^ ‘ o*.o^ iX'i &XS' Ijjc ^ )y^-) '^■*-«s} Jo
ä^*jo |V^JLj t_>L^J! ^j^JI « ^j^ sLti oji^o^ 161
‘ v-wwV.J Lj . s Lj>
l 3*j°
1 Cod.
2 Cod. ^jljoo
3 Cod. ur CJ I
4 Das Eingeklammerte fehlt im Cod. und ist nach einer Bandglosse ergänzt.
Kifcäb-al-Farjc von Alasma'i.
247
-uJ p-
^_g..Jt äütjüt Jjy Jlsü^ [•AjU! JLäj
^LÜI JUj iJLe 2 ( *a+=.j ä^U*.
j-6+J'j uf^
1 u^L^t ■ iLm.3~ (jä>.^! ^L+4-l lVJ^J lILöj^
^jyJj JLäjj £ plkiJ! r-AiJt J.^otj fj&i Ül 3 l ^DI l>J« ^.XaJI. 5
jJ^UI slÜJi tXJy Jtiü^ £iLi _j-U xÄ+iai lö! ^.-g-JI
^A4l y*J! ^yo JtU.J JLftJ^ ‘ x+^-j^ xI*? äcXraf^JI
^ ^ ^ 0 ^ j ' Q ^ o> 1 ,
1 ,j-j.ä*J! 0-J.j« ^jIää ^ajyI^ ^tcXil £^+4^
xi'LUI xÄao 1 jjI^aA! £y*=Lf^ x^L^JI tVJjJ JLcb^
^aULM Jls Ls><4J.^ jo
U4.L4t viAJta-wi xäXaö! v_*iLu/ J o>4.=*» l*i
^ ' * "
— 0 03 Q c» «-»
ä7 > b UjJ^ oaXaiI xilj Lo Jyij oUyl ^aä4.Ij
£A+4^ v_a> JlLw. J i ^ 5^ LAaaä*
jVJ iLyL^w ^j^.£l> LjliLw;
^ 10Li v^^/JLww f 15
tili jj^UCo gif, jx£jq ^SJI I^xjILw £ 11 c^o tili ^»}*
töü y$i £<op! ^-LäJ v^ 0 l “ 5 ^ 1 (ji-l
isf-Q*
2 Cod. ^*4!^; vielleicht muss jedoch gelesen werden Splg4j
yfr* £**4“*.J *^-8-®
3 Cod. J^J-I
1 Cod. jJLj La
3 Cod. £&yc } £\) y$S
6 Cod. ^iCCol
248
Müller.
5
y^i J«! töls y^i OftA.oJ! __ Ucj ^j.X ^
j (j j o ^ J i- 5 o ^
«JlLs» j»^Li 2 xXs&äXs »jo! |jli J.x^a.i
j Q (j yj j
y&) ,^-iJ ^5^9 x^f Cj31c !ÖÜ (jol^
|W XÄÄ. ^ä. lUJ&I pLxJI {jjo x/>f 4 olä3| tili
ö{5 -7 w -• ^ r ^ ^ ^0-
5 ( v " : Xxj.-'. jjXJ |*J (l X£lX.2>^j UÄa. \iUö iX*J ^oaj
)^4 u,Lb jo Li X-Llc IÖÜ ü«otX«j (jaolKau jv3’ 1 jHo&b^
löli ^-SXi jvJ |vS3ö jvJ JO Lj voöl£ I L>[ s 8 0 .-c. olc jvJ i_aljs?
xjL«J JLw löLi 1 i_*Jo ^_g.j »ujö '^oLaj'^ x-£=a.j ojLg.xu!
&AXv~C. y^S viljö ^y£. jcÄJsI üli Lo %--g-*i
9 0 0^9 f k.1 h. "f" f» > ? 9 ^ , ^*“' , o^ vL» -
(j4 JLä^ S^LJbt juäAj jüsLu oj^Ucüjl! oj!^5 ^yx
* ^Jl ^ ^|
"(wL^ 1 Jb" ^VO ^^i_gAj b^^Lbt^
cLj^-l ^ijii!. ^jiL+ii ^a+4-!, (_L + Li! (jLÄJ! o5!.! ^yx1 ^.SLLJJ JLüjj
cL^bt ^-4p! cXJ«J JLüj^ '■ '^!^.iJ! ^+4-!^ JLisyJ!
10
1 Cod.
2 Cod.
3 Cod.
I Cod.
5 Cod.
3 Cod.
7 Cod.
8 Cod.
3 Cod.
>o Cod.
II Cod.
Cod.
- 9
jLoL=* A^ti JHÄÄj^si
Jui
Lolo
(JuTä*.J!
5 \ - s r -
j^cL^
y£\s jvJ |vg.J (VJ (Vgo Job cjoL' toLi
ojbj.
o
12
Ivitab-al-FarV von Alasma'i.
249
58
x-u-laJI cXJ^J JIüjj *a4^ J Jlüjj xJ.=? ^aj^H^
$> " '■—' ■£. r
■' , JUüj JLüJj X.Jk.i: . Jl^.i
o*~ ^Ä*JI lX-*4 tJLüj^ ^ XÄ.W.Ä- ^jüHj L_liXC*.iLt
iJLaav! ^<A4^ (^AaO cXav^H i\} y} JUüj 1
jUjj ‘444 Lals^ pLaaJi ^ .v4-i ^.=*5 #44 ^41 j j^4-^ 5
«-aAxaJI t\J J JIäJ. J.ä!^ÄJ| ^»4-^ 2 J-C.^ÄJI ^Aa2.)I jJy!
£a*4-^ 0^41 txJ j jLäjj ‘jixxJl, 0 U4'I. jiääl
161 ^aLU JLftJ^ Ü-Ci-41 jJ«J JLäj« 3< OCUjl4l
»_AJ ^y-A tXJjJ Lo £+AV.Jt^ ‘ &au»9 Lav»A^
i\jjj JIajj (J^IjiLt
£^4f y && * aj^S) i jj j JLüj . £44 10
1 £v4^5 cU4l v (.aöJI lXJ«.J JLöj. ^4!^ \j°^ s^LaJI
JLäj ' J4 £**=4 JiyJt j*laÄÜ lXJy! JLäj. 1 kX-wJj
^.Xlw.Ai! ^.j
o .a G^ w ^ ^A ;J G ^ Q 5 a»
ilAÄAu JÜ^t> J4 pl &ÜÜ» l»§jD
?4 ^4-^ ii JLäj^ 1 ®i5'“ 1 (J4 ^ULtiäJI 6 fjjöjdJt^ 15
IälXs.1^ ^^4.9 jj^.üj jv-gjU &=»U=-l)J! ^ 5tl ^4 üJ-äI^J!
7 44-* (C;4ü ^4 Jlsj; LKiso|_j.lH (*Ui>l ^ vi.
1 Cod. .... yuJ!
2 Cod. J,ä|^.äJ| ^4)^ J.ÄJ.ÄJI
3 Cod. JuuaÄiLl
4 Cod. Lf «^
5 cod. xJLiAlj j4i.t
6 Cod. jjfyjJlj
1 Cod. ^1 (7 '
250
M ü 11 e r,
10
sIaaCpÜII ^UU=L £-U_wl
0 0
^.äaJI ^ u^LJ! ^x) aLcl+s». jLäj
^jdaJl ^ L^Ljl l^j^udl * |VLm«aJI^ ^LihJt
^Jü.äJ\ *3l*J|^ 2 Ha£J^ jjUjt Jjjo ^daüJI d^Lif!^ ‘y^
d£ ^^Ait ^aj L*J d*?^ JUü^ (jSIä^JI j“*’^*' ^' l °
£+xäJ [IÜ] ^5! 3 d^|. ^dJt JJ ^ddt J^+Jt £ JIäJj ldC jp&xJ|
2ol+-U JUü« *" ^.aaS^ c^ydßJI d^
ö 5 ^ J j^ow 5^ 0 ^,
Jlib^ (J^^yLäJI üxn_o.JI. SlXaää sjje LojI «jLJJ JLüj«
^.äaJIj Jo^I ^j.x ^JaüJ! ^.Xll. 200^ äd ciolS" Io! 1
^.ÄJ yC ^JojLÜ JLäj^ (V^iJ! yjO isyj' JLäj^ ££+=»!}
■ LojI t_5j.j^.J!^ oLväJ! ^j^jSLa ^t^_o.J|
|v3
15
viAJd^ Xi4^S.S» « S^A^-O (J*»wßJf d*^' 0
^ CI. 0 ^ ___ . J x ^ ^ ,
’ Lsä.^ (J.jü.JI y ^l+il jJJLjmJI v_aXIo toi
löl ^tX^j ^<Xs6j ®Lcj j^j?- ^■£*■*■11 Lfcj JL'bj < l»l^j
oaää. d3 IffXJj s.jI ^ Lgj'^_o cjlX/0 löl äi'LÜJ JIäj. 4 „Ls>
, : , , ** 5 ?w ^-- ^
' Kl*a~» ^«.il ^jüJI icj^Li. sljLi yju3 s‘L£j| ^yjt3 JLftJ^ ÜLaÄä.
' LaAAJ _^Aj (j*aAaJI _>3 (JliÜ. ' Loljij |V*-AJ |V*J ^ÜJÜ JUü ;
1 Das Eingeklammerte fehlt im Codex, muss aber dem Sinne nach ergänzt
werden. *» Cod. 8«»&JlJI
2 Cod. ^JaftJI^ mI*äJI^ LJoll ^.jo gJajiJI (J*s.ill^
3 Cod. «^Ä=»! ^( OjjJI jt O^öJ! yjo
? a ^
4 So Glosse; Cod.
5 Cod. Ls\^
58,
Ivitäb-al-Fark von Alasma f i.
251
ölyaI jvJ
V^JI SytOyjO yJ&ysCLl ySUoJj ^LJI yfOysß JLj£j
^Lä~il XJ,^ JLs C Lu.xj ^_a*.AJ v_A*j« LÄaäO (^joJLO
1 (J^axj ^ (jjj.ioLa ^«.Ä-lo 51
Lä^ JLäj^ öt^iil tAÄ &j«.ao -iäXä« ^,-wi 151 JLäj^ 5
JLs ' L^Läj| („sdiiAj xo*L=> Jjl • öLäxJI J ooodÄ jI JLäj. JojJI
:l (j LXäxJI (JOLAij L^jJo! UÄÄÄÖ OiLijf
^-el^cJt JLs ' oo-asI Axiül, ' ; |^xJ| j*LxäJI öj-asJ JLäj«
3 v_aÄ£J! ^ A Jb" ^/lA^ * üyjisif LcCO L/0 ^JwO
w 0 f ,, _
pU^U ^ ^(Xg..j yA® As JUb^ io
g JUb^ L ^U-il &&&& i)3 JL äj^ 1 5L? J.K JlX^o J J.jc Jo
C- ) ^avo jJI yiLaäJI^ ,UCJI : i. JLäj, l \yj>yo y^aj yjo Jö ^«jLojJI
'-’y*- <As eK+il JLÄJ^ ' L.AÄ.A2 yylOO y&.,<& tXs '' S^.+J.|«
j.c.LciJ! JLs ‘ I Jo vio O^-xj
^tJ^+Xl^ £=LäüJI J.£t (Jj^S \<0 • ^ ^v. A.Ä 1 (Sv., JI ytl I5| 15
pL.gJJ JLäj^ Laoo! ®Ls^ «.s>o Ls^ LaÄljI c-K+JI ^ JLäj^
^oLiaÄJI JLs, L~«Laao godj Jl,
1 Cod. ( 4.x. j i Randglosse ^..cLj. Das Metrum fordert ^jj.Axj
2 Cod. oAAiÄjl
5 5 °"
3 So Gauh. s. v. (jöiü; Cod. (jö.iLo
4 Cod. An beiden Stellen
5 Cod. da es sich aber gewiss auf das Weibchen (iLlüsfc) bezieht,
9
so lese ich
6 Cod. JöJLäj ä^iaXt, ^jij.X.1,
252
Müller.
Lgjo^j äLu*/oUs slXIj 3,
^cLo [JliLs.] ‘ Läaäj (JJij' tXS s_X^x=Ll- Mp! 3 JM
‘iko M p^jt
p La.LV.J f
5 l ' ! ^f £ -) v^ojJI £?£■}) £ ^7^) 7^)" 7!) JLjy
^llJ! ju 5 1 ' ^AaÖj IAaÖj
1 (XiiXUf ^ v_o3Jt k^ej olpU k*A.3_~». tj^ -
1 ^J^ÄÄÄJ ? ^ö.ä^vT.Jf J ^JÄÄi.1» ; Lo. LaaÖ Lpy-iO-' A-LjtJvJ^ ^~Lp ^^"7
Is-llj ^.ÄJ i_JXt| isüy.&j \£)\ |J«?t 1 C 8 ^- 515 ^]
cs^ ^ ^- ? ^- 0 — 5= ^ p. 0 ^ XS-^Ü-O^^,
10 01«? JLäj « 1 U-V-g-j jv-^-o JlaäJ! 1 LÄaaö j^aoö S^ÜJ! icjLi.
Üßck-Ls» tpjyo XapL1 • L.Cv.A^-A? (JÜ.X™3 k.^-1
1 LäLIö g_*ü' Liv-s? k^.| ^j.jo jS'iX^ vSC«
M-^- 1 u- £ o;^ 1
2 Das Eingeklammerte fehlt im Cod.
3 Co(1 - uM
Kitäb-al-Fark von Alasma*!.
Note n.
253
S.238 ; Z.4. ebenso Kut. 59, b. Ueber die verschiedenen
Schreibweisen dieses Wortes und über die Ursache der Schwan
kung' des ersten Vocales vgl. Fleischer, Beiträge zur arabischen
Spraehkunde II. Forts, p. 312—315 und Nöldeke, Mandäische
Grammatik S. 97. Das Schwanken des Vocales bei einsylbigen
Wörtern kommt im Arabischen noch anderweitig vor. So z. B.
O - . o l o i
ySi ? u. a.
Z. 5. Kut. 59, b: ^ jXf jv-öJ! ^>1 \_aa^ ^ p&j) ;
von der Taube, weiter unten; vom Löwen ein Beispiel bei
Kut. das. ^.iLcÜI Jls
1+aLJI aui iU"
,Er (der Löwe) öffnet zum Beissen einen schnell ver
schlingenden Hachen, gewundene Zähne enthüllend, als ob in
ihm Gift wäre'; von der Katze, 'Antara Muall'aka, 30. (Ahlw.
XX, 35).
Z. 6. Den Vers citirt Ku{. von lXa+s* 1 und fügt bei
)l=»t La JiXj ItXji L*i Jjis?
,Ich bewundere sie (die Taube), wie ihr Gesang so wohl
klingend ist, ohne dass sie bei ihrem Recitiren den Mund weit
aufsperrt'. Zu vom Girren der Taubdn vgl. Chalef el-
Achmar p. 109. Ücber ^ää. II und V vom Girren der Tauben
das. p. 110 u. 112 und Mutanabbi Div. 231.
Z. 12. ü£*i; Kut. 60, a: ^jI JUj
tjuljt XaÄäau £v.O Iau^Jä- U.AAi
,So sassen wir die Nacht hindurch bei unserem jungen
Rosse, indem wir von seinen Lippen die Speiseüberreste ent
fernten' und fügt bei:
1 Vgl. Ka.mil 501, 1 in einem Gedichte des jy'J . J
l+i Lä-äLa+j jjdl'j LßjlÄÄ L^J -oy-s?
254
Müller.
5.238, Z. 13. jSUüji; vgl.Muh. s. v. ^yi ^.äA*JI
U^LÜI^ J.xjA.J tXsj; yui*x von einem Kameele Tarafa
IV, 32; bei 'Alkama XIII, 10 haben die Handschriften beide
LA.; von einem thierischen Menschen, Freitag’, Darstellung der
arabischen Yerskunst S. 491.
Z. 14. so vom Wildesel Suhair XV, 15; vgl. Chalef
el-Achmar p. 343.
Z. 15. (mit ^-3 oder ^Ades Mim), ebenso Kul. 59, b;
dagegen Ta'lab nur mit Glaub, s. v. allgemein ^.äJI « y^Sl!L>;
Muh. s. v. t LJ I £-8-? iLv+Jf« und ebenso
Freitag, was unrichtig zu sein scheint.
; ebenso Kut. 59, b und Ta'lab; vgl. Glaub. und
Muh. s. v. und Chalef el-Achmar p. 134.
(neuheb. Diuin die Nase); ebenso Ivut. 59, b und
Ta'lab; dagegen Gauh. und Muh. s. v. ganz allgemein rAA
oüül; vom Schnabel des Adlers, Kämil 66, 9; von der Schnauze
des Hundes, Chalef el-Achmar p. 134.
Z. 16. ; UäJI; Ta'lab: ^LäÄ+il cXSLaJI y+s.
und im gleichen Sinne Gauh. und Muh.
s. v., womit unsere Stelle nicht in Widerspruch ist, indem
nach Alasma'i ^läÄ+J! von Vögeln überhaupt, also auch von
Raubvögeln, während ausschliesslich von Raubvögeln
gebraucht wird.
5.239, Z.2. OAjiJI = kJCäJ! vgl. t>L~wl uLxY
Jjtst und Kämil 50, 7. 160, 7.
238, 10. Statt dessen kommt auch vor OA-nJI jÜs! opp.
vgl. Kämil 260, 18.
Z. 5. Der Vers lautet ganz bei Gauh. s. v. und
18, .b:
L+ä-Ls«
Lä^^.a’* L+
Kitäb-al-Fark von Alasma'i.
255
,Und eine Stirne und dünne, länglich gezogene schwarze
Augenbrauen und eine gebogene NaseG
S.239, Z. 6. ü-w-vhiÄÄJI«: Grauh. s. v. vJ-. ä=L| Muh. s. v.
Z. 8. Ein sehr verstümmelter Vers, den wir übersetzen: ,Es
ist, als ob ihre (der Schweine) Schnauzen, die (kothigen) Brust
scheiben der Kameele wäre'.
Die iivS'vS ist- der vordere, her
vorstehende Theil der Brust des Kameeles, auf den es sich
beim Niederlegen zunächst stützt, der daher auch immer mit
einer Kruste von Schmutz bedeckt ist. Damit werden die
Schnauzen der Schweine verglichen, die im Kothe herumgewühlt
haben.
Z. 10. j-iE; vom Hunde, Imrulk. XIX, 22; metonymisch
von den Krallen des Todes, das. V, 12; vom Löwen, Mutanabbi
Div. 64, 18; vgl. auch Näbiga X, 8 und dazu Ahlwardt,
Bemerkungen p. 98; vom Vogel, Kut. 61, a.
Z. 14. ; Ta'lab: JoLtraJ!^ gL\..wJt
ebenso Grauh. s. v. und Kut. 60, b und 61, a; von den
Krallen des Todes, Mut. Div. 72, 2 und 173, 7.
Z. 15. von der Eidechse, Imrulk. XVIII, 3; vom
Löwen, Näbiga XI, 2 und Kämil 241, 3.
S.240, Z.l. j*£df; ebenso Kut. 60, b. Diese Bedeutung fehlt
bei Grauh., Muh. und Freitag.
ebenso Kut. 60, b. Diese Bedeutung fehlt bei
Grauh., Muh. und Freitag.
Z. 2. jvauJjo; Kut. 61, a: ^ k-eL*»»JJ jvuaÄ.« JUü^
; vom Hufe des Kameeles, Hamäsa 653, ob. Kämil 82, 15.
Imrulk. XX, 31. Sanfara 20. Agäni ed. Kosegarten S. 13 und
'Urwa ibn Alward ed. Nöldeke 22, 1; vom Strauss, Imrulk.
LIX, 13. 'Alkama XIII, 22. 'Antara XXI, 29. Ganz allgemein:
Suhair XVI, 50.
Z. 5. pAi"; Muh. s. v. Das Bein oder der untere Theil des
Fusses vom Knöchel abwärts vgl. ‘30, a.
Diese letztere, ursprünglichere Bedeutung scheint das Wort zu
haben Suhair XIV, 30 und Kämil 69, 5.
Z. 6. jiUll,; vgl. Imrulk. XIX, 26 und Chalef el-Achmar
p. 211.
ü
256
Müller.
S.240, Z.8. oLliö; Gauh. s. v. SvlaJuwt^
U^-äU; von dem Wildesel Imrulk. XXXI, 4.
Z. 11. vom Pferde, Suhair XVII, 16; vom An
fänge der Nacht, Hamäsa 150, unten.
Z. 12. ,Bis sie (die Frauen) zurüekgelässen haben die Brust
stücke des Opferthieres 1 . Bei der Abgerissenheit des Verses
kann weder die Richtigkeit der Lesung noch der Uebersetzung
verbürgt werden.
Z. 13. von der Brust des Strausses, 'Alkama XIII, 24
und 27; des Mutan. Div. 361, 3; vom Bruststücke des
erlegten Wildes, 'Alkama I, 41; vgl. Ahlwardt, Bemerkungen
p. 158; vom Pferde, Imrulk. IV, 29; vgl. Hamäsa 35, 14 und 704.
Z. 14. y, ebenso 35, b. Gauh.,
Muh. und Freitag haben diese Bedeutung nicht.
Z. 16. x5vj (so zweimal oLxS”" 108, a); vom Pferde,
Hamäsa 66.
; 35, a; * bi mi ^ ;
vom herannahenden Gewitter, Imrulk. XLVIII, 70 nach der
Ueberlieferung des Alasma'i (vgl. Mu'allaka ed. Arnold V. 75
Schöbe); von der drückenden Last der Zeit Hamäsa 145, 12 v. u.
^ o ^
S.241,Z.2. JXLT; vom Menschen in einem alten Gedichte
bei Ibn-ul-Athir V, 27, ZI. 8 v. u.; vom lvameele, 'Alkama II, 15;
vom Hunde, Mutan. Div. 203; vom Anfänge der Nacht, Imrulk.
XLVIII, 43; bei Dichtern kommt auch JJ3S vor. Vgl.
Gauh. s. v.
Z. 4. ,Sie befreite ihre Brust, während ihr Kopf noch
gebunden war.'
Z. 5. vom Menschen, Mutan. Div. 286, 11; pl.
in gleicher Bedeutung, Ham. 163, 10. |*j^Los*; Kämil 44, 7;
vgl. auch Ham. 35, 5 und Mutan. Div. 287, 21 Schöbe; vom
Strauss, Ham. 744, ob. (das tertium comparationis ist nicht
die Rundung, wie Freitag meint, sondern das Sieden); Brust
des Iyathaweibchens, Chalef el-Aehmar’s Qasside V. 38; Brust
des Reitthieres (jUla*Jl |*J^Lt=>) 'Urwa ibn al-Ward VI, 7;
ö->o .o^
1 Ueber jo vJ und
vgl. besonders Kämil 443, 6—10.
Kitäb-al-FarJc von Alasma*i.
257
Vordertheil des Schiffes, Tarafa IV, 5. Vgl. Gauh. s. v.
a-yLc y-*aj Lo. hjjjj und i«jLä5^
35, a: pxJ JUj xj Lo
S. 241, Z. 6. vgl. Chalef el-Achmar’s Qasside V. 43
und Ahlwardt’s Bemerkungen dazu S. 189. Kämil 37 und Ibn
HiÄam ed. Wüstenfeld 583, Mitte.
Z. 8. s.A-o; Gauh. s. v.: L^Jjf ^_aj Jü>
oj+tf 15t. I y^- (in dem
ioü von Ta'lab kommt diese Stelle nicht vor);
ebenso Muh. s. v. Danach ist Kut. 61, b zu verbessern. Vgl.
^jLwjbtt oLäS^ 36, a: ^oLikJt Lg_tl+cs.. iy+Qjo s.cXäaJIj
^<XoJt jv=L ^ Lo^
Z. 9. ebenso Kut. 61, b: aU-lila JoLs.1 Lo xjl<A*..wJly
kj|<A*..uJ! (jäIS 1 Lo L>r’ i—äJUs. LLo; Neswän
el himjari I, 307, a: Joty* yK ^IcXä^uI Lo kjliAs^wJty
äljJI Ja.JI ü.lU.j. Dagegen Gauh- und Muh. s. v.
ungenau Lg-lU^La. ä.AwtLlI sjltka^^.
z. ii. t>y ; vom Menschen ein Beispiel Kut. 61, b; vom
Kameele, Mut. Div. 139, 12.
Z. 12. ?wc; von einer Frau Kämil 85, 11 vgl. Muh. s. v.
i_äA=.; so Kut. 61, b vgl. Gauh. s. v. und Wright ojniscula
aräbica p. 18, unten.
o
Z. 13. (vgl. (Tin©: I, 1 sugere mammaS; 'S'-fl: subst.
mas. et fern. pl. (’/ü'll-: mamma, über.). Nach Kut. 61, b auch von
*_aiU cylyL, und ebenso Gauh. und Muh. s. v.; metonymisch
von der Wolke, Nöldeke, Beiträge 49, 11.
Z. 16. Jvgl. Kut. 62, a; Gauh. und Muh. s. v. JyOjjJt^
^SLkJI ; vgl. ^Lw.jhtt ^LaS^ 38, b: ^.SLkJI ^*
Q JLs ’ (J^otyjÜI J«.xvxjI aJ JliÜ »L*..uAj
y! JLs ^LsM J, JLy^J! J.-yo!^.i. ^iMl yi j+£- i^yjt
17
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. LXXXIIl. Bd. II. Hft.
258
Müller.
S.241,Z.16. ; Kut. 62, a: juaam yotdl |wl&Jly
dagegen Gauh., Muh. s. v. ^axaJ I i_aa*ü' i-Lfcj . und
ebenso Freitag, was aber unrichtig zu sein scheint.
S. 242, Z. 2. BtXÜÄ; ebenso Kut. 63, a, fehlt bei Gauh. und Muh.
so Kut. 62, b und Muh. s. v., fehlt bei Gauh.
ö. , so Ivut. 62, b statt zu lesen.
Z. 8. ^Ia=.; Kut. 62, b. Las. ya Loj! I^Jli^
ya.ÄJ yg_Axj Jläj <Ä*JIj —iiU |Ia4.| y Lll ^gö
xaa^! (so!) vgl. Gauh. s. v. ^x+as^I ( y£ xaa=>! £+4-!^ ,
jbu.Sa I4ut. 62, b I y) Li'j oLliäJ! ^gö ^yo saaIö LAjI KJ Li.
yl4-t £ iUli Iy\Li ur äyüJt iLuJö; vgl. Gauh. s. v. ^x+a:blI Jls
‘ xaIXU yß sJyüf JU'j yl=. üifiö JjCJ ^yß
Z. 9. ySd: lyut. 62, b ^IaamJJ J.aj!1H^ SyLjJJj äK + J.J JaS Jo
‘,U)t K+aü yÜ Laßt lyllij
Z. 11 u. ff. Dass die Nomina actionis der Form Jaxj und Jlxi
gebräuchlich sind bei Verben, welche einen Schall oder Laut 1
ausdrücken, die Form Jlxi bei solchen, welche krankhafte
Affectionen, und J.AXi bei Verben, welche ,gehen, reisen 12 be
zeichnen, ist längst erkannt worden; dass aber J»Axi und Jl*i
als Nomina actionis der Verba, welche ,spucken, Schleim aus
werfen 1 bedeuten, beliebt sind, ist meines Wissens noch nicht
bemerkt worden. Dass dem aber so ist, ersieht man aus den
Beispielen unseres Textes, die sich vermehren Hessen. Ich
glaube, diese sprachlichen Erscheinungen auf ein gemeinschaft
liches Princip zurückführen zu können. Obwohl die Semiten
keinen Unterschied machen zwischen activem und passivem
Infinitiv, so muss man dennoch zugeben, dass gewisse Infinitive
eine mehr passive oder zustandsmässige Färbung haben, und
dazu gehören sicher die Formen J.Axi und Jlxi, wie sich das
aus der Art ihrer Entstehung nach weisen lässt. Die Formen
1 Man vergleiche lieb. irip'-llT, JiW’BP, fTH’B] u. ii.
2 Vgl. den Objectsinfinitiv Tp"! in dem bekannten Ausdrucke: b’D'l “|bfl
259
Kitäb-al-Fark von Alasma*!.
J.A*i und Jljti ursprünglich Adjectiva mit passiver Be
deutung (von denen vielleicht mehr den passiven Zustand
mit Rücksicht auf das leidende Object, während Jl*i mehr
mit Rücksicht auf den Urheber dieses Zustandes gebraucht
wird) wurden leicht substantivirt und so bezeichnet Jl*i bei
Verben, die krankhafte Affectionen ausdrücken, eigentlich den
Gegenstand oder die Person, die mit einer Krankheit behaftet
. 9 -
ist, wie ja auch üyxi im selben Sinne häufig gebraucht wird.
Die passive Form ist bei krankhaften Affectionen auch in
anderen Sprachen beliebt und ist in den semitischen Sprachen
— nicht im Arabischen allein — ganz gewöhnlich. Ebenso
bezeichnen und JL*.i bei Verben, welche ,auswerfen,
herausziehen, hervorbrechen, ausschwitzen' bedeuten, eigentlich
,das Ausgeworfene, Herausgezogene' u. s. w. wie z. B. ,
iLw, -N° c h häufiger
tritt die substantivirte passive Bedeutung in der Form sJlxi auf.
Auch bei den Verben, welche ,gehen, reigen' bezeichnen,
mag ursprünglich ,das Gegangene, den zurückgelegten
Weg' bedeuten. Von den substantivirten Adjectiven aber zu
dem Nomen actionis ist der Uebergang sehr leicht und natürlich.
So wurde ja im Arabischen aus allen Particip. pass, der ab
geleiteten Formen Nomina actionis gebildet, und wahrscheinlich
sind die syrischen Infinitive der abgeleiteten Formen in der
selben Weise entstanden, wiewohl dagegen der Umstand spricht,
dass das a in den anderen aramäischen Dialecten stehen und
wegbleiben kann.
Während nun das Aethiopische die Form das Neu
syrische Jlsi — allerdings ohne Vocal des ersten Radicals —
das Neuhebräische sehr gern den Infinitiv der Form ihLuti an
wendet, gebraucht das Arabische meistentheils diese Infinitiv
form in den angeführten Fällen, wo augenscheinlich die passive
oder zustandmässige Seite der verbalen Erscheinung hervor
gekehrt werden soll, was bei den Verben die krankhaften
Affectionen, wie bei denen, die ,gehen und reisen' und ,aus
werfen, hervorbrechen' bedeuten, entwickelt -worden ist, bei
i 7 *
260
M ü 11 c r.
denen, die Laut und Schall ansdrücken, klar wird, wenn man
bedenkt, dass die Stimmenthätigkeit als ein Auswerfen oder
Hervorbrechen von Lauten aufgefasst wird (vgl. JäiJ ,das
Wort 1 von Ih..aJ ,werfen, auswerfen 1 und griechisch tevat tpwvvp)
und somit auch auf eine Stufe mit den erwähnten Verba zu
setzen sind.
Einen Beweis für die Richtigkeit dieser Auffassung gibt
der Umstand, dass auch die Verba, welche ,glänzen, leuchten 1
bedeuten, grossentheils dieselbe Infinitivform aufweisen, sobald
ihnen der Grundbegriff des plötzlichen Hei'vorbrechens — aber
nicht des andauernden Leuchtens, in welchem Falle
als Infinitiv häufig auftritt —• eigenthümlich ist. Vgl. 344, i,
fulsit, micuit res und dazu {Jjyi (s. Fleischer zu Lewy’s
chaldä'ischem Lexikon I, 424 und Barth, Kitäb-el-Fasih S. 30);
X Cu -«
oaj, (jäjuäj micuit splenduit res und exsudavit; i,
emicuit splenduit und Fut. u. emisit, proiecit;
splenduit, micuit (fulgur) und oculos aperuit (catulus), herbis
luxuriavit (terra), vgl. dazu tjä-ioj, ug-ajoj splenduit. Die Wurzel
bns, arabisch (Inf- und JLg_o), hat im Hebräischen
sowohl die Bedeutung des Leuchtens, als des ,hellen Tones 1
(während im Arabischen nur die letzte Bedeutung erhalten ist),
weil beide Begriffe in dem Grundbegriffe des Hervorbrechens
Zusammentreffen. Vgl. weiter unten s. v. (Jj-* 0 -?? X® u. a.
S.242,Z.ll. Kut. 64, a pLc. J! JuJI. SL&Jt ^.jo JLsj.
L'
r uyi^, vgi. r i*L
Damit verwandt scheint
auch die Wurzel oLcj, hebräisch ,träufeln 1 .
J!^; ebenso Kut. 64, a. Gauh. s. v. cy.-dt.uJ! ^j! JÜ5
4 xJS' £vji. Ji .Hi
Z. 16. (Jf-ioj. Auch in dieser Wurzel zeigt sich der Grund
begriff des Hervorbrechens in den verschiedensten Abstufungen.
Im Arabischen wechseln (Jj-** 3 -? und 3-"4 uiit einander
und das ist uns ein Fingerzeig, dass wir in den verwandten
Sprachen diese Wurzeln als ursprünglich identisch zu betrachten
Kitäb-al-Fark von Alasma'i.
261
haben. Grdb. ,hervorbrechen', daher pan ,anschwellen' vom
Fusse; ,Teig' wegen des Auf brechens im Gähren; pn der ,her
vorbrechende 1 Blitz. Im Arabischen hat neben der Be
deutung ,spucken', die allen drei Wurzeln gemeinsam ist, auch
die Bedeutung ,aufschiessen' (von der Palme); ,hervor
brechen, aufgehen 1 von der Sonne.
Ueber den Wechsel von j, und vor Gutturalen
vgl. Almufassal 176, 4 v. u. und Beidhäw! zu Sure 50, 10.
9
vom giftigen Speichel der Schlange, Chalef el-
Achmar S. 98, Mitte.
9
r l±n
'Alkama XIII, 10 kommt vom Kameel im
Sinne von r UJ vor; vgl. Socin zur Stelle.
Kut. 64, b: oüJäJ! Jliü.
‘ U'^JI
S.243.Z.2. i_#Ur45,b:
vVJ! ■ Gauli. s. v. IlW tXsxj iX=£ ( ^*. + x3ÜM
tX-sülj cP' 0 ü/ 2, v5^j vgl. Näbiga V. 46.
Z. 3. ,Ich habe mich auf einen gefahrvollen Standort
gestellt, einen solchen, dass, wenn einer der Menschen, den
hocherhabenen ausgenommen, sich auf ihn stellt, er in Schweiss
(Angstschweiss) geräth.' Die Ergänzung des fehlenden xj ist
eine Verbesserung des Herrn Professor Fleischer.
i_ajL~=-, von dem Orte selbst, statt von einem daselbst
sich befindenden Menschen, ist die bekannte rhetorisch-poetische
Figur, wonach man sagt: jvjLj J.aJ statt aui ^»Lo Mit
k.DU! wird wohl irgend ein uns unbekannter e * n
hocherhabener Fürst u. dgl. gemeint sein.
Z. 5. Grdb. ,spalten', daher ,spalten, vertrocknen'
(von Pflanzen); ,zerstreuen 1 (vom Haare); Schweiss ,hervor-
1 Die Wurzeln, deren zwei ersten Radikale ^*J oder sind, bezeichnen
im Semitischen vielfach eine Thätigkeit mit dem Munde. So z. B. ,
(apb), (wb), jxS (tpb), p^), oäjü, ^jjd (ppb), |**i>
ii, ia+*J, ,jjü (jj>b), (nyb) yjb und jbp und
arabisch auc ^ JJl 1 ? u * s * w *
262
Müller.
brechen' = schwitzen und in med. ^ ,Tönc, Laute hervor
bringen' = schreien, welche Bedeutung auch das Hebräische und
Aramäische erhalten haben. Vgl. Kut. 64, b und Gauh. s. v.
Iaa-Ls. J.Aiü |IAjI
S. 243, Z.6. ,Wir treiben die Bosse, deren Flanken bluteten
und auf deren Hufe der Schweiss niederrann.' Das Schwitzen
der Reitthiere wird oft von den arabischen Dichtern geschildert;
vgl. 'Alkama X, 1 u. 2. Chalef el-Achmar 157, und Mutan. Div.
213 und 406. Zu vom Treiben der Rosse, vgl. ‘Alkama
X, 1; Imrulk. XLIV, 6 und Mutan. Div. 145, 22. Zu RaMo
vgl. Chalef el-Aclimar’s Qasside V. 64.
Z. 7.|*a*=* (so! vgl. 'LaVIf), 11; 1 *)
s. Imrulk. LII, 18.
Z. 8. Kut. 64, b: liAi ^ u*j..äJI ^st ^a=*
!ö! «I ; vgl. Suhair XIX, 7 und Gauh. s. v.
Z. 11. Ueber den Unterschied zwischen ^*1=- und Juw
(dem der Bedeutung wie der Wurzel nach das syrische wohl
entspricht) vgl. Muh. s. v. iXx'i.
Z. 12. ; Kuf. 64,b (jAj^ £A.wJ! (jaojJ! ... I ^Jlsj;
vgl. Gawäliki ed. Sachau p. 72 und Muh. s. v.
I*as-, ebenso Kut. a. a. 0., vgl. Gauh. und Muh. s. v.;
vom Menschen, Kor’än 29, 36 und öfters, wozu Beidhäwi:
^AÄ-yo ^.a5)L ; von Kathavögeln, Fragmente des
'Antara 20; vgl. Chalef el-Achmar S. 198, unten.
Z. 14. Ai. vgl. (lawäliki ed. Sachau 68, 5 v. u.; Tarafa
IV, 87; 'Antara XXI, 37; vom Menschen, Ibn Hisäm 580, Mitte;
vom Elephanten, das. 35, u. II. von jungen Vögeln, 'Alkama
XIII, 23; vgl. Fleischer, Beiträge I, 160 und Socin zur Stelle.
VIII. von einer Stute, Suhair X, 12.
S. 244, Z. 5. (3'W- 2, a: ^.AJ> löli
lx> p-Aw!^ Lüft (5^*- (sc.
ijS' dJAV säjo j ebenso Kut. 65, a
und Ta'lab a. a. 0., vgl. Gauh. und Muh. s. v.
Z. 8. -kyAj (sic); vgl. Kut. 65, b: Jbydj v_aS>ö JIäj^
Ia.5 LiJ
Kitäb-al-Fark von Alasma'i.
263
S. 244, Z. 14. ; ebenso Kut. 66, a: vgl. Kanal 51, 12.
,Und es entleerten sich darauf die Fliegen, dass ihre Entleerung
gleich war Punkten von DinteJ
S.245,Z. 1. ijyOj (sic), vgl. Kut. 66, a:
y!\ X.AAJ
Z. 6. ^>£j; grossentheils vom Manne. So: Kor’an 2, 220;
24, 3; 33, 48 und 93 u.s.w. und im ^KaJI i~jLXbei Buhäri, wo
vom Weibe das Passivum gebraucht wird; aber auch vom Weibe
(= nubere) Imrulk. III, 1; Plamäsa 816; Kor’än 2, 230, wozu
Beidhawi: L*.-g.ÄA JS~ ^it Aäa^j
von Beidhawi II. Band, Seite 21, 26 citirten Vers, wo
sowohl vom Manne als vom Weibe gebraucht wird.
; vgl. auch den
.ISO
S.246, Z. 5. (Jjjw, Gauh. s. v. kiJ St i^J-xm JIäj
ytyjt ^x> KxjtSy zu vgl. Chalef el-Achmar 347, u.,
ferner die sprichwörtliche Ausdrucksweise:
,Du verlangst von mir einen schwarzweissen, schwän
gern Hengst'. So sagt man Jemandem, der etwas Unmögliches
verlangt. S. Kamil 400, oben.
Z.13. iaJuu, Kuf. 69,b ganz wörtlich: o.äJI löt 5^+JJ JIäj^
‘ lasijuüj JaÄMy JajLw UoAJy^ lo^JaÄAul Ai' |»L.J yy*-l L^AJj
Z. 15. j»l+JytAi ; vgl.^Lw.iiit (Jiio. i_>GX2,b: Ai Xi'A-* •
U**aJj . . . 1UI• o_äJillj *LAX. j»LA- OAJ • o^aj o.*J
^La-II JjJ• ^La- siA-h JIäj J-aJJI. oG.il A 5sH »LäJI jmsSLi
^.ycixi y^i Xvol+j ^tA.J JX Coli ^a> «Xj La J^Jbl
‘x/ol+J £<Ij. Xäs. (.US IA» JIäj
oo.J.^1; vgl. Kut. 70, a. Ausführlicher hierüber (^ä+as^I
im juüi ^ux, 99, b: J.y jmI+j Jy xääJI IöIj
oi^AA Jui j.l+J J-ö üUäJI Iiti Aa&Üw (5^*
LyoLc J.Ü J6 löli ^.jAA AJjJI^ ^^AAj lS^)
A*J Uä.ilj y 2 * JOoLI o.*j Aij äääJI tili 1 A-i? xib
264
Müller.
S. 247, Z.2. iü ; U ,die Läuferin'. Die Namen der Jungen
werden im Semitischen oft von der Beweglichkeit und Ganges-
o
weise derselben hergeholt. So z. Bjys* ,das Junge des Hundes'
oder der wilden Thiere überhaupt von ,laufen' (vgl. syrisch
J
genau entsprechend der Form jys* und hebräisch transp.
“113) ,der junge Löwe'; (heb. b:y, aram. xbjj?) ,das Kalb' von
,eilen' (syr. V^i»); jiji und ^Li ,das Junge der Wildkuh'
w " . 09
und heb. MB und MB Junger Stier' von yi ,fliehen'; y-$x ,das
Pferdefüllen' von “inö und “Oft ,eilen'; yi das ,Junge der Wild-
kuh' von yi (heb. MB) ,springen'; ^51)0* (syr. V*rv heb. na) von
,hüpfend aufsteigen'; ljuLä. ,das Junge des Hirsches' von
'-ä-cki-, festinavit in itinere, in incessu. Vgl. noch *ij», “i'Bit,
c-
gly, sjIcLä-und 1 Vielleicht ist das schwer zu erklä
rende b'N 3*iat (in der Opfertafel von Marseille Z. 9), das dem Sinne
nach ,das Junge des Hirsches' übersetzt wird, etymologisch mit
Oj-tö profectus est, celeriter abiit — von der ausschlagenden
Bewegung der Füsse so benannt — zusammenzustellen. 2 «iLLu,
pullus avis Lias kann möglicher Weise auch von \iLLw incessit,
ivit herkommen. Das wird nach der Erklärung von ^+,0^1
1 Kämil 420, 16: jlt Lo (jt AiyS'S
,Ich gedenke dein, wenn an uns eine Mutter einer jungen Gazelle vor
beizieht 1 , wozu Mubarrad bemerkt:
^jJt
' 0 TI
2 313C stimmt übrigens lautlich mit dem syrischen g enau überein, ein
Wort, das etymologisch schwierig, dessen Bedeutung aber gesichert ist.
Es steht für das griechische jrpdßarov und -poßetuov (vgl. Evang. Johannes
II, 14. 15). M\X würde also eine ähnliche Ausdrucksweise sein wie
das hebräische CMJ3 ilSt. Es darf aber nicht auffallen, dass es von der
••I ° ''
Gazelle gesagt wird, da ja auch shw und x i sowohl vom Schafe,
als dem yüj (einer Gazellenart), und 3*N, allerdings mit
leichter Vocaländerung, von dem Widder und der Gazelle, gebraucht
wird.
Kitäb-al-Fark von Alasma'i.
265
im JoiH so benannt, o £ xiN; 1 vgl. auch
Kut. 71, a: ßy & j Joui {£'Jj.si !<M^
Wir wissen wohl, dass einzelne der beigebrachten Belege
sich etymologisch auch anders ableiten lassen, halten aber
dennoch bei der grossen Zahl der Beispiele unsere Behauptung
für gesichert.
S. 247, Z. 2. Kut. 71, b: y&o y^i juoI zZxxhj löü
• • • y-$*
Jj-« vgl. Gauh. s. v. und Damm II, 39.
Von einem jungen streitbaren Rosse, Ihn Ilis. 569. 10. 'Urwa
ibn el-Ward XXVII, 2.
Z. 3. ,Vor innerem Wehe werfen sic die männlichen und
weiblichen Füllen*. 2 Aehnliche Verse Hamäsa 447:
yfyf^L) lXxcö joLäj ^ ^j! Ijo
^Lg.,oN(j IgjIvHijlj jjj’tXÄJ Ü.cbc
,Nicht sehe ich bei seinem Tode (einen anderen Rath)
für vernünftige Männer, als Lastthiere, auf denen Sattel ge
bunden werden
Und zur Seite geführte (Streitrosse), die kein Futter
kosten und weibliche und männliche Füllen werfen* (wegen
der Schnelligkeit ihres Laufes). Die Araber bedienen sich zur
Schlacht am liebsten der Stuten. Wenn die Rosse nicht be
ritten geführt wurden, ging es zur Schlacht. Vgl. eine in-
structive Stelle hierüber bei Ibn Hisärn p. 583.
1 Vgl. Kamil S. 469, Z. 9—11. Diese Stelle ist dem Kitäb-el-'Ibi'l entlehnt.
2 Ich konnte das Metrum dieses Verses nicht finden. Herr Prof. Nöldeke
schreibt mir hierüber: ,Es gäbe ja einen regelrechten Reges, wenn man
die eine Vershälfte mit schlösse und mit eine neue begönne
aber ein solcher Reges (noch dazu mit Unterdrückung des Endvocales)
wäre sehr auffallend, da ja hier das Reimen der einzelnen IIalbverse
üblich ist. Doch finden sich allerdings Beispiele davon. Freytag, Vers-
kunst 136, hat ganz so:
vo ; Jf J..Lo L^jLt yt-'i »jLs- y o
Es könnte allerdings auch Kämil sein, aber schon die Unterdrückung des
Endvocals im Reime spricht dagegen. Die Stellung der Praeposition am
Ende des Halbverses ist nicht ohne Beispiel.“
266
Mülle r.
Man Hess auch die Rosse abmagern, damit sie im Kampfe
leichter und streitlustiger wären. Einen ähnlichen Vers lesen
wir auch Suhair XVII, 17 :
fi.plJ tUykjo £ IsD^ikil Ä-AJ
,Sie (die Rosse) werfen an jedem Orte ihre Jungen, deren
Augen auspicken schwarze Adler und Geier. 1
S. 247, Z.4. Kut. 72, a: 1+X^yJU beul
^b_sJ JLiü vgl. dazu Gauh. s. v. und Kämil 66, 11; »b-wl iw>b5"
48, h: i_i.ci.iU (sc. xaaIsJ!)
iLyJhJt ^5ljj y&j ^ jU Jb> JjÄ® kiJ ^
^ «.ü y_g.i ^yMyJ Aii JtXil tylö jAwb
Vgl. zu diesem Verse Nöldeke, Beiträge S. 27, wo die
Leseart ^uAJI statt ^jAJI steht. Zu (j£3t vgl. Imrulk. XXXIV, 24;
Suhair XV, 16; Chalef el-Achmar 342, oben, und Kämil 38, 13.
Z. 5. u^A-lf (so, nicht J.+=», da vom Kameele erst
weiter unten die Rede ist und yXs auch vom Kameelfüllen
nicht gebraucht wird).
Z. 6. Kuf. 71, b: iki^ »^kit ^+4-!^ ; Gauh-, Muh. und
Freitag haben den Plural *-^ki nicht. Mir ist er nur einmal
vorgekommen und zwar Beladori, über expugnationis regionum
ed. De Goeje p. 350, 1. Z.; vgl. das Glossar s. v. Ueber die
Aussprache des Wortes yXj Gauh. s. v.: IAI Aj^ ^j!
JJCxi «.Xi kü*.Xüi fot. ^ Ioii AA ;
Pamiri s. v. Lj>LäJ! Vgl. IJam. 46
und Kämil 65, 3. 66, 10 u. 11; Suhair XVII, 17. XV, 10 und
'Amr ibn Kultum, Mu'allaka 79.
Z. 11. Der Vers steht 'Amr ibn Kulfum, Mu'all. V. 19 ,Und
nicht empfand Trauer gleich mir die Mutter eines Kameelfüllens,
die es verloren und (um das) sie wiederholt geseufzt hat/
Z.13. AL; Jjbfl 101,b: cbi" y^s kübJ! AJj töli
^jXAäJI ^b-wb|| <\A.b oos.i(j töli (XaXa« äwcLc ^kJ ^1
«..JLu JIäj « J.2 • ^JLu yTjJÜ Lyo bJI 5
‘Job» Vgl. (jrauh. und Muh. s. v., De Sacy, Chrest.
arab. II, p. 358, 'Alkama II, 33 und Kämil 4, 5 ff.
Kitäb-al-Fark von Alasma'i.
267
S. 247, Z. 16. (so!); vgl. Gauh. s. v. JU'
‘ xxilj yi xxi! ^£yS lö! ^-*+^1 und
cLf—^ l-aLaX 102, a: Aa-’' '-A.Xh * -*Li" fdli
£^1 !öli lyjLa Is>cXJj j»tO Laj J.Ala*J! (lies: y°j
J0o> iXi' 0 Li' xxt £A) 0^ xülis. ^Jf ^y
y*£ (Xb |V^ ^.A) (^AÄ/ XX>La.uj ^S, V£AAJ tili ^
4 ^!y. xX^ !tXS& ^ y^ yxXif! y&y
Aus dem Zusammenhänge ergiebt sich, dass dem Schlüsse
^ty- xJX IiXü> ^ y^ an unserer Stelle die Worte: Idli
8; ly- ls2 Jscj^L) entsprechen. Der Sinn ist somit gesichert, die
Lesung ist mir dennoch zweifelhaft. Vgl. Tarafal V, 92 und Gauh. s. v.
Z. 17. vgl. Johl! ybcX 102, b: yjJ! «.LäS W* 1 (J^ ^Xs
^ ’ “\tt G '’
€jy° r^bä) y^ a
S. 248, Z. 2. Jahll oLäX 103, a: xxijdj xä,w xaly y tili
I^AASXjlJ Üb J.A.1LJ! j»l*J| ^yjü XA)I J.+2* yl
uöliS’ (yt XäLJI XLLj J.;uaAJI xj^ yliä’ üäXi-
Lg.J ^LaOj X/ot i^a*.a3^ tili xaj! ^yaJ • • • yL^? f Jty> Ad
xäa*/ ^yJ y I Jfjj hhi (JyJ ,yf yi Sy£ ^y , ebenso
lvut. 72, b. Dagegen Gauh. s. v. (jads?: !öl <_L;yaAU JjlS xä/o^
A-*ad xiSl . . . . I^yl XAJ LaJ I ^ J JyLt t^XÄ-w!
‘^.Xj (J jt rdy ylsülj XjoI oddLt^ xao!
Z. 4. cLiiH uLäX 103, b: Aaj y-l XA)I 0.1£1avI tili
w w Q ' w w
^jX^- yd (Gl. xä=>) (jy X*j xäau xaAc oö'I IöLs (jy y-* d^l
(j«.aJ ^jLojdt yo od(j x.r.. tXX-l^ Lä!Ä=»| gby pbo» I Ai' JLäj
ydl Ai" JLftJj ^aj «.a.i xÄaaj t5 üJI• xaaj <ca4j tili ^j.au gyy
töU xac-L^ ^ajÜIxjcA.aLv ^üJt tili ®IäjI (5ÄA)
o /
^UcjÜ Xa^o<.X»w 5 Gauh. s. v.
. <m y \jj m. ^
abweichend: xiLäsLwId dUj-J Loj! (5^^^
^ 9 ^0 >
XJ yÄAj xaAc. J.4^ ,jl
268
Müller.
S.248,Z.4. (j«.j(Xm (so Cod.!). Vergleicht man aber
die soeben angeführte Stelle und berück
sichtigt ferner Johl) ojLi'' 104, a: J)LJI ^ J.+4-1. ki'UJI.
xa£U^.J| ^ ^L^Jf Ji^-tX-s^ wo also
i_ r .JtX* u nicht zu denen gezählt wird, die das s Fern, an-
uehmen, bedenkt man auch, dass Gauh. und Muh. s. v. juoju»,
nicht anführen, so wird es wahrscheinlich, dass auch in unserem
Text statt zu lesen ist.
Z.6. Johl! 103,b: o>UJ! J.aj Lg-Is^t -bwhlt S<Xgj
^1 J^-^J! J-ot Litj Jvlo y&y Jyi iXÄi Job tbli
I ö I tXTs. JjAj JLäj^ Jn.j <3Jü i_)Li.J! x+J. ijuij!
^»Iä OjUiS? y^S k\MJ J^y-J! JUtJ 8-oLc «öl
Jqolc. oöl 16Li ^yol.c ottAiS? yj§i jjlXXm XjuLä col töLs
1 ^1 ^c.| jüüo oLÜs?
T& r?*
! XaJo
Z. 7. öyS-, das. 104, a: OyXj OyC- Jj3 oGalj JoLi J.S4 löü
G WWW
0y£. y^i dUö L. löli (lies: !lXj^.jö Oyo b^c.) üt>y£-
JLäj^ ^SJi> J.+=* J-^ö k^ib x-fjy ^wli )»L=» tbli...8bj-fc
isosAi : vgl. Kut. 73, a: !<3I !lXj^-*ü JLiü.
^ai' Joö viDö ,j.£
ki'Li oolS’ töl (sic!). Der Abschreiber hat hier fälschlich
(nach Analogie des Vorhergehenden) töli gesetzt und musste
dann yjU oder ^i folgen lassen. Auch das |W®.ä ist durchaus
verdächtig; da weder die Lexica (mit Ausnahme von Freitag:
vetus et magnus camelus, equus Keiske ad Gol), noch Kut.
und Alasma'i im JoiM oLäS^ es unter den Altersstufen des
Kameeles aufführen. Auch xili! xüi XIV, 11 Laajjo ^ J-oi
^4-ohl! ^y£- yy+z. ^.axD! ^ kennt keine Zwischen
stufe zwischen C>yc. und jäj. Wohl kommt jväs bei den
Altersstufen des Menschen vor. So ^Lwjüt ^J-Ls. l_>Lä^" 3, b:
yj2J. -i/Jö ^y£. *iö\! liili; vgl. 'Urwa ibn Alward
IX, 3, Scholie.
Kitäb-al-Faik von Alasma'i.
269
S. 248, Z. 8. v—*Xj ; vgl. Kut. 73, a aUe-AJt aüü XIV, 11 und
Gauh.s.v. ^ JuLot
^ ^^C^° * &a>I3 &aj5 ^.ääj^
k ^ La5^ ^ L* Laa.IaJ! ^.aaaJ I &A/r
Z. 12. Der Vers kommt vor: Suhair XVI, 3.
S. 249, Z. 1. Lcv^, Kut. 75, U • ^V^.Cwuv.^G • L.wp j
dL^ssJI,. Dagegen Gauh. und Muh. s.v. vdovjsxJlo Jjii Li,JI;
vgl. 'Alkama XIII, 14 und 'Antara XXI, 17.
Z. 3. ^jü., vgl. Kut. 75, b und ^1x5”49, a.
Z. 7. tU X3; Freitag, türkischer Kamüs und Ahlwardt im
Texte der Mu'allaka des Imrulk. (XLVIII, 54) haben JüÜÖ mit
dagegen Gauh. s. v. JJl'J: jü, JoLaJI, ^ Joojl JL*
üAj!^ oIäJI, < 5Lx5^ 53, a heisst es:
jSlxji <J.ax> JjLxH« J.äaaJ! „i. jjt. UI (Xiyi Jlio, Kut. 76, a:
uol*J J'4äj, JoLo, JJÜo An
beiden zuletzt angeführten Stellen wird der Vers des Imrulk.
(XLVIII, 54) citirt. Auch der Dichter Mutanabbi muss in
seinem Exemplare des Imrulk. J>ÄXi' gelesen haben. Ich
schliesse dies in folgender Weise. Das Wort J.äaj kommt
meines Wissens noch bei Mutanabbi Div. 204, 18 in dem
lut oLvT..} JU, überschriebenen Gedichte vor. Sieht man
dieses Gedicht näher an, so wird man die Abhängigkeit des
selben von der Mu'allaka des Imrulk. gleich erkennen. Muta
nabbi hat in diesem Gedichte von 29 Versen nicht weniger
als 12 Reimwörter der Mu'allaka des Imrulk. entlehnt, darunter
einige selten vorkommende wie: J-aj^ü, JAä»., Jo jo
und unser J-äÄj. Ja mit manchem Reimworte hat er den Sinn
des Halbverses mit herübergenommen. So gleich im zweiten
Halbverse des zweiten Verses und im ersten des sechzehnten,
wo er ein sonst vom Pferde gebrauchtes Epitheton (Jy.c.1) auf
seinen Hund übertragen hat. Sind das Indicien genug, um das
Plagiat zu constatiren, so wird es bis zur Evidenz dargetlian,
wenn man den 18. Vers, in dem JjLo vorkommt, mit dem
betreffenden des Imrulk. vergleicht. Wir setzen beide hieher:
270
Müller.
Imrulk. XLVIII, 54:
jiH oJviJ. k/o l*j Li'Lw. iLLj! xj
Die Uebersetzung nach Rückert lautet:
,Er hat des Strausses Läufe und eines Hirsches Kroppe,
Ein alter Wolf im Strecklauf, ein Füchslein im Galoppe/
Mutanabbi, Div. 204, 18:
IS'
l&Jl RJui.
ppl Up pL. pJI J4S
Zu deutsch:
,Er erreicht den Wunsch, vollbringt des Jägers Streben,
Ist die Kette der Gazelle und vernichtet . Füchsleins Leben/
Mutanabbi hat augenscheinlich den viergliedrigen Vers
nachgebildet. Nun ist uns bei Mutanabbi keine andere Lesart
überliefert; er muss also JjL3 geschrieben und im Exemplare
des Imrulk. so gelesen haben.
Zum Schlüsse sei noch bemerkt, dass Damiri JjÜj über
liefert. Vgl. s. v. xLÜi+JI i>UÜ! ^yXLujy xJ.l ^UJI
AVas die Form betrifft, so ist es, wie Alasma'i richtig be
merkt (väjij J.Lo) als Imperfectbildung von JA3 anzusehen.
Das ey Fern, kommt auch in Denn vor, das = ,männ
licher Strauss 1 bedeutet. Vgl. auch pullus asini.
o 53
S. 249. Z. 8. ähnliche Bildungen, die Thiernamen
. o w o a
bezeichnen, sind J •.=£■, ^y^y-
Z. 10. (Jpj-A-, vgl. Kut. 76, b. pÄS'” 53, b.
Tarafa VI, 5 und Mut. Div. 336, 21.
Z. 11. \jo^, Iyut. 76, b und Muh. s. v. Der Plural 1
kommt in der Bedeutung von jjLjAfi vor: Imrulk.
XXXIV, 11.
Kut. a. a. 0. vgl. Ham. 283, 3 und Al-IIaderae
divanno ed. Engelmann p. 14, 5 — eigentlich ,das Geworfene 1 ,
vgl. JaJLw und ba:
Z. 12. jt ; , vgl. Kut. 78,b: JlSjJI x~p Jlib^
SpA- p L*jj LgJ ÜL pjw. jp äüoLjtj Jlib.
Kitäb-al-Fark von Alasma'i.
271
(So also ist der Name zu lesen, nicht Habra: vgl. Flügel,
Gramm. Schulen der Araber p. 48.) Vgl. Imrulk. LII, 46 und
Hamäsa 178, 1. Z.
S. 249, Z. 14. Mu'allaka V. 10 ,(Icli suche Hilfe gegen den
Kummer) auf einer schnellen Kameelin, die gleich ist einer
wüstengewohnten Straussenmutter, einer langen, gekrümmten.'
Z. 15. Kut. i 8, b i Jli ^LläJI
iIh-^ fd) dl
(Cod. Li' und ) Der Vers steht'Alkama XIII, 23.
Statt haben einige Hs. ^Jy=^, andere ; Gauh. s. v.
l*j^ JLäj ehaisNt
^yaJI g ^*^511 JU3 Jj^tf >Ls.aoJ
*+4-1^ <s™ ^ cf -0 ^LuöJI. Das Wort ist
wahrscheinlich aramäische Entlehnung, worauf schon der Um
stand hinweist, dass der Singular und Plural als Adjectiv zu
0 !jJj gesetzt wird. Es ist sogar zu vermuthen, dass die
Araber das Wort von den Juden überkommen haben. Im
Talmud ist es von kleinen Kindern sehr häutig gebraucht und
Gauh. hat hier mit feinem Gefühle die ursprüngliche Bedeutung
an die Spitze gestellt.
Z.17.;Lg3 (sic), vgl. Kut.:80, a: LtfXo Lo|^
; 5jJ! ^LgDI. und Gauh. s. v. ^yi
^vÄJ! («_)UcX 'Syi ö ^IaA)
S. 250, Z. 2 .^ior, ebenso Gauh. s. v. Dagegen Kut. 82, a:
Laj! Ju^I ^ys ., vgl. Näbiga II, 10 und Kamil 194, 17
(x-LsI
i^jyMj; Grdbd. ,wallen, gehen', daher uU die wallenden
Dünste (heb. 3“}tt?); oyM vom Wasser ,fliessen' (vgl. aeth. /tflZWl:
dejectus aquae, imbres), Oj-w ,Wandergenossenschaft* (wie iy*.w
von ^Lu, vgl. ,VVtt>, syr. 1 l^r*“ U11 d 'Tinx von mx, ferner
i'iC'B: ,copia, exercitus' von ( Sy*» und ,gens, stirps'
von
272
Müller.
MX: I, 1. peregrinatus est) von Vögeln und Gazellen gebraucht,
weil sie schaaren-, resp. rudelweise umherziehen (vgl. das
deutsche ,Flug und Flucht', syrisch familia gens, tribus);
eine Zusammenstellung von vielen Stellen, wo das Wort vor
kommt und in welcher Bedeutung, giebt Ahlwardt, Chalef
el-Achmar p. 142. (Zu dem daselbst citirten Vers aus Damiri
s. v. Katha vgl. Gauh. s. v. »
S.250,Z.3. Jo>l; vgl. oAtf' 47, b:
(JLs-iH *^.+41 j c LA2JI • ; demnach habe ich in den
Text väj gesetzt; vgl. auch Gauh. s. v. Jod , dagegen Kut. 83, a
^JUJI ^jc cL-iiJt — die Stelle ist
jedenfalls verderbt; denn von Straussen wird Jod sicher nicht
gesagt, ebenso wenig von Wildeseln. Es liegt daher sehr nahe,
iLolxi in xiLc zu verändern, wenn es nicht gestattet ist, noch
weiter zu gehen und folgende Verbesserung vorzuschlagen:
xjl*.Jt^ ^yo -La=L!^ äJfj jJüJI £^iaäJl
gJaJÜt, da es. sonst auffällt, dass ia-Ai* fehlt.
Nebstbei sei bemerkt, dass xi L^ ; das keine vernünftige Ety
mologie bat, möglicherweise aus dem aramäischen lü> (hebräisch
|X2£, arabisch ^Lä) ,Schaf heerde“ entlehnt und auf die Esel
heerde übertragen worden ist.
Z. 4. 0^5 (von olö pidit, repulit wie a.'ffkq von ä'yw; syrisch
5o;, commovit, agitavit), JoiH xjLäS^ 126, b J.aä.w y\ JLs
^i! O^jJt JÜbohl! ^yo (jSsOj Jj öa-Lj ^jOJ Lo O.tXJ!
Jof o.jJt ; ebenso Kut. 81, b und Gauh. s. v., anders Muh.
s. v. Vgl. Kämil 40, 15. 41, 7 u. 12; Imrulk. XXXV, 23.
X, 7; Hamäsa 237 unten und 467 oben; Koran 10, 7; 'Urwa
ibn Alward VI, 8, Schöbe und Buhary ed. Krehl p. 369 einen
Ausspruch des Propheten: ^ U"-d-
£ xi’J-o Jo^H ; das ist hier als Apposition oder, wie die
Araber sagen würden, als J Jo von aufzufassen — wenn
man es nicht als späteren Zusatz betrachten will — da von je
fünf Kameelen bis 25 exl. ein Schaf als Almosen entrichtet
werden muss.
Z. 7. x+4? 1 , vgl. Jo^SI ojIa5^ 127, a: xSl+Jt x+sx^J!^
L»lj|o Uo 5 , siehe dagegen 'Urwa ibn Alward VI, 8.
Kitäb-al-Fark von Alasma'i.
273
S. 250, Z. 8. iGya, vgl. Jo^lf oUcT 126, b: k*Jai' joo^aJt^
iö! j^yu jüu äj.A-C. Jj ^../.xj I Lo s-Lyli jciuÄi.
jöt JUI i-ä-yäi> (j h. Dagegen Kut. 81, b:
<_i! ^yüjdf. Vgl. öauh. s. v. und Hamäsa 609, 7 v. u.
637, 7 u. 753, 2.
Z. 9. Kut. 82, b: &3LJ! Lo ^yCf!
Z. 10. iSji‘, IJut. 82, b: j*äaJI (Cod. Jayd!) Jsyül, vgl.
^L+aw! i^jIäS^ 48, a: (sc. yüJI) Lg.-Oo ^LküJI y&y is^-äl!
Läjt jvää-H
z. li. y^«s, Kut. y«ua^ y^ - ^ ä iyis — vgl.
{jüy^-yJI ^Uwl oLS^: s'Lu.aJI L^-Oo ^yoJ\
yJI. Hier muss augenscheinlich y^-wJI statt ^I^aoJ! gelesen
werden, wie der Inhalt es fordert und der darauf als Beleg
angeführte Vers beweist.
XÄJ h JA« y |vl
,Nicht hat mein Auge gesehen einen Rudel, wie du ihn gesehen
hast/ Vgl. Imrulk. IV, 33 u. 68; Näbiga XI, 3 und öfters.
Z.13. vgl. Mu'allaka desHarit und Zuzeni dazu. Ueber
andere Bezeichnungen des Wieherns siehe Chalef el-Achmar
p. 216; vgl. auch Mutan. Div. 82,15. 160, 28. 231, 48 und 353 u.
Z. 14. (talmud. prra nen), vgl. y?* yJ\ & L+..wf oUr45,b:
^j-L^äJI^L^J JUü^
Chalef el-Achmar p. 346 und 'Unva ihn Alward XIII, 1 u. 2.
Z. 15. (Grdbd. ,aufschwellen“', daher önm ,loca tumida'
auf die Pflanzen übertragen, ,aufbrechen, wuchern' und auf
die Stimme ,laut brüllen, schreien' vom Kameel, der Taube u. a.
gesagt). Eine instructive Stelle für die Bedeutung ^axaJI ^As£
^.U !6! Mutan. Div. 152, 33.
l*iaji L^j Lo^ Lg.^i ^<x$3 »«Ly JjäM eL*
,Und die Wogen schäumend brüllen gleich Kameelhengsten
in ihm (dem See), ohne dass sie Geschlechtsbrunst treibt/
Sitzungsber. d. ph.il.-hist. CI. LXXX1I1. Bd. II. Hft. 18
*
274
M ii 11 e r.
S. 250, Z. 18. |*jü, Kuf. 84, a auch vom Kameele; V. von
der Eule vgl. Ahlwardt, Div. Appendix p. 190 v. I.
S.251, Z.2. ^Uf. Ueber die verschiedenen Schreibweisen
dieses Wortes vgl. Kut. 79, a: J.Lo ^L*Ji x-o I »J Lai ^Ld! Co!.
Jdo IA# Jyij üLdi' Jjbo
xJ-xä. jtiB’ J-üdo !<ÄS> Jli'j oL?
‘L ^L! RAüj Jd'. ü^äxi
Z. 3. ,Nicht weicht er zurück vor dem hervorstürzenden
Hirsch, noch vor dem Rufe des Raben' d. h. er ist muthig und
entschlossen und lässt sich durch böse Vorbedeutungen nicht
abhalten, sein Vorhaben auszuführen. Verse ähnlichen Sinnes
Chalef el-Achmar S. 45. Statt Lc sagt man sonst ^b.
Z.5. oäJüf, Kut. 85, a (Cod. LöLajü!) LöLäll uaiLto bjL&xJ!^
iboLidl kdüLc JU
jl.p! l*f kÄAÄij ^LftjL U.JI
La.jI j»LäaU xjLJüJtj (Cod.: ijöLaJiiiH) (jöLäjüt
Der von Kut. citirte Vers steht 'Alkama XIII, 26. Vgl.
auch Chalef el-Achmar 181, unten. Ahlwardt und Socin beziehen
das Suffix in l-gdl auf die früher (Vers 23) erwähnten Jungen
Es empfiehlt sich jedoch besser, das Suffix auf das
nachfolgende (V. 28) XJü® zu beziehen, die er also anspricht
und die ihm erwiedert. Die Vorwegnahme des Suffixes hat
bei Dichtern nichts Auffallendes. Vgl. Ahlwardt, Bemerkungen
S. 153, oben zu V. 46.
Z. 7. ,Es krachen ihre Hände wie das Krachen des schwarzen
Adlers'. ija^Äi für ^oLäjt vgl. Mufassal S. 16, 13 ff.; Gauh. s. v.
Ijajü citirt den Vers nach Alasma'i.
Z. 8. ; !^ wird von der Stimme der Straussenmännchen
(jva-Us) gesagt. Vgl. Hamäsa 139, Mitte.
,Sie hat den 'Irär geschmäht; aber wer den 'Irär schmäht,
bei meinem Leben, der frevelt.' Der Dichter spielt augen
scheinlich mit den beiden Worten und jvdJö.
Kitäb-al-Fark von Alasma'i.
275
8. 251, Z. 9. ,So oft er will, lässt er die Stimme erschallen
in seiner Wildniss; es antwortet ihm (ein Weibchen) gleich
einem glänzenden Leuchtkäfer', vgl. Chalef el-Achmar, Qasside
V. 6 und Anmerkungen dazu p. 59 ff. und Imrulk. IV, 19.
Z. 12—13. Vgl. Kut. 86, a; Hamäsa 72, 3 und 34, 1 und den
Vers bei Gauh. s. v. Da hier vom Sperling (yysua.r.) die Rede
ist und cISOo und oLti' der Gattung der Sperlinge angehören,
(vgl. Damiri s. v. so ist es wahrscheinlich, dass die
übrigen hier angeführten Vögel von derselben Gattung sind,
und so lese ich und 'iy*
welche beide ebenfalls der
und
Sperlingsfamilie angehören (vgl. Damiri s. v. s
dagegen passt nicht gut hierher.
Z. 15. Oj-c, ebenso Kut. 85, b; II. und V. F. vom Wildesel;
vgl. Imrulk. IV, 21, Suhair I, 25 und Kämil 63, oben. Damit
hängt sicherlich die Benennung des Wildesels im Hebräischen
und Aramäischen zusammen. I'i'-ip würde arabisch oLi ,der
Schreihals' entsprechen. Diese Form kommt zwar nicht vor,
aber Formen ähnlicher Bildung und Bedeutung, z. B.
0 ^
u. a., vgl. Chalef el-Achmar p. 346, oben.
Z. 16. ,Wenn der Mokavogel ausserhalb des Gartens singt,
so ist wehe den Besitzern von Schafen und Eseln.“ Der Vers
wird ebenso Kut. 85, b und Damiri II, p. 382 unten angeführt.
Es heisst daselbst weiter: ^ (JLj*
viU<3 jüLs i ^Ls^LM i-äJLj jü!
va+J.!. sLkJI 'iü-g.j viljö icjIaaJI ocXil
W Al ^ f- 1
Z. 16. plsi, die Nachteule entsteht nach der arabisch-heid
nischen Sage aus dem Schädel des Ermordeten, hält sich am
Grabe desselben auf, ruft um Rache und ruht nicht eher, als
bis sein Todschlag durch Blutrache gesühnt worden ist. Auch
im Talmud heisst sie Nnsp ns, vgl. Lewysohn, Zoologie des
Talmuds S. 175.
Z. 17. Vgl. das talmudisclie und targumische
18*
276
Mülle r.
S. 252, Z. 1. ,In einer Gegend, deren Wegzeichen verweht
sind, in der Nachteulen einander zuheulen.' Vgl. Verse ähnlichen
Sinnes beiAhlwardt, Chalef el-Achmar p.59und Kämil211,4.u.5.
Zu ihwjolis vgl. Chalef el-Achmar S. 174 ff.
Z. 2. Kut. 85, a: auch vom Elephanten und dem Skor
pion, vgl. Gauh. s. v. ^ H^.aJ! Jli
ljLcS'' xjli' jUj ^ jJo
Gauh. verwechselt hier Kutrub mit Alasm'ai; denn diese
Stelle kommt Kuf. 84, b, nicht aber bei Alasma'i vor.
Z. 5. ßy, vgl. Kut. 84, b; Näbiga V. 41; Mut. Div. 82, 14.
Z. 7. ,Als ob das brummende Geräusch im Bauche des
schnellen Rosses das Heulen des Wolfes in der Wüste wäre.'
Es folgen in der Handschrift noch einige abgerissene
Bemerkungen über den die aber eben ihrer Abgerissenheit
halber sicherlich nicht von Alasma'i herrühren, sondern von
irgend einem Abschreiber zugefügt worden sind, weshalb ich
sie nicht mit in den Text aufgenommen habe.
Kitäb-al-Fark von Alasma
Index.
jLd, 250, 4. 272 ob.
oLs?, <—äjf, ,jyl, 239, 1—3.
jjJp, 239, 14—16. 255 m.
dp, Hp, 240, 16. 17. 256 m.
ip, dp*, 243, 14. 262 u.
Jp, (jlp, 242, 16. 260 u.
J)Ij, 248, 6. 268 ob.
^3'Lw.j, 242, 16. 260 u.
(jjLoj 242, 16. 260 u.
£älj, 245, 11.
Jlp, 245, 9.
^*j, yw, 244, 10.
(V*J, |*Aaj, [.Uj, 250, 18. 274 ob.
sAJo, 241, 2.
|4* 3, 247, 7.
sL, 245, 13.
jiü|, 249, 7. 269 ff.
[»Lj, [»Li, 263 u. ,
JLAA3, 269 ff.
278
Müller.
(5<U, 241, 8.
L*j', 250, 17.
ojj, 242, 9. 258 m.
Jj&o, 246, 3.
vli, 248, 8. 269 ob.
JslLj, IoIaj, Ja-Ü, 244, 11.
241, 8. 257 ob.
45% 248, 3.
jUäj, 248, 5. 267 u.
JuS, 242, 1.
240, 13. 256 ob.
240, 11.
[»-Äs»} 24:3, 12. 13. 262
246, 3.
juo.Sc, (jilac, 247, 4. 266 ob.
siSat, jLilit, 238, 13. 254 ob.
jbltN^, 247, 7. 264.
£tX=», jlc(Xs., 248, 5. 267 u.
249, 5. 264.
o-L*=»t, ji-L*^?, 245, 3.
243, 11.
245, 7.
m
Kitab-al-Fark von Alasma*!.
jLtl+s-, 250, 2.
242, 5.
U240, 11.
240, 11. 256 ob.
246, 2.
cuo^.1, 245, 4.
241, 5. 256 u.
249, 12. 270 u.
JJoys., äbLo^s», 241, 6. 257 ob.
jila., 240, 6—7. 255 u.
jüiÄ, 248, 4. 267 u.
äCi=», 241, 10.
aU-^s-, 250, 13.
246, 2.
248, 13.
243, 7. 262 ob.
^.a-, 247, 12. 250, 16.
y.=d, y^>., jcül=*, 245, 5.
Joll, 247, 15.
247, 9.
CL, SudC 242, 8. 258 ob.
280
Müller.
JtL, 244, 11. 12.
CjioJi., 238, 15. 254 m.
(.3riybi 249, 10.
o
5, 249, 3. 264 m.
270 u.
(jLi, 238, 15. 254 m.
ui*, oLäi.1, 240, 7.
v j L^> 239, 13—14. 255 in.
*-*!&>, 241, 13. 257 u.
«iXL, 248, 2. 267 m.
249, 7. 270 m.
)7^i 250, 17.
'—43 Li., 261 u.
249, 15. 271 ob.
uo! ; o!, 249, 11. 270 u.
0)^5 04^’ 244, 7.
242, 13. 14.
250, 5. 272 m.
£
Jl ; , Jl3 ; , 249, 12. 270 u.
242, 12. 260 u.
250, 11.
/uj, 247, 17. 267 ob.
Kitäb-al-Fark von Alasina'i.
gib), jUclSj, 248, 6. 267 u.
ub^, 246, 18. 19.
244, 5.
" . 9 9
(jdjj, (jäjjJ, \jöy-?j, 243, 12. 262 m.
d^j) 240, 5.
241, 5.
jX>, JLy 248, 13.
(*d)7 ppy 242, 14.
239 > 4—6.
Us, 249, 2. 264 u. 269 ob.
£-Sy, 247, 15. 264 u. 267 ob.
? 0 9
265 ob.
d^, 242, 13.
r Uj 242, 12. 260 u.
ly &ly 250, 15.
äyo, 238, 15. 254 ob.
244, 9.
jfy 252, 5. 276 ob.
282
Müller.
jis?, 8, 247, 6.
U^uiX-w, s, u*cXw, 248, 6. 267 u. 268 ob.
250, 2—4. 271 u.
xSljJLl, 241, 5—9. 256 m.
iXfi-w, oL&au,
v^, yU«., 247, 13—15. 266 u.
■£.
oJaiLwl, JaüÄ«, 246, 12. 263 m.
'iLXw, 264.
Juli, 247, 14.
249, 9.
(Jfwj 244, 16.
ü, JLyit, 249, 4.
250, 14. 251, 5. 273 u.
264.
aLL&, pl. slixi, 238, 12. 253 u.
^aawjo, ^jLwjo, 238, 13. 254 ob.
^Uo, Lduo, 252, 2 und 10. 276 ob.
jdJc, ^,tXo, 240, 10.
275 u.
C ^ ^
^-^.5 yly6, 251, 12.
jjGjjGl 251, 2.
250, 8. 273 ob,
—o
ko
■i
Kitab-al-Fark von Alasma'i.
✓ > o
y-^ 00 : 251, 13.
JLg^o, J-g^a-s, 250, 13. 260 m. 273 m.
fya, 250, 11. 273 m.
243, 5. 261 u.
r lo, rr Aj, 244, 12.
^-«aj, 251, 16 und 17. 252, 8 und 12.
- 3 ^ - 5 „
£^ö, £yojj ^ya, &*yä, 245, 2.
yyäj, ol^ö, 245, 17.
Jo^ö, 244, 8. 262 u.
tT*' 241 > 12 ’
li^o, ^juöj, & ljbö, 252, 6.
{S lb, Lief, 241, 14. 257 u.
J>Ö, 245, 14.
^Jo, *ßT, 248, 10.
olia, o^o, 244, 2—4.
üIaIci, 242, 8. 258 m.
y&iolf ^ilial, 239, 10—12. 255 m.
oillfl, oÜsf, 240, 8. 256 ob.
s, Ju^.laf, 248, 14. 264 ob.
wl^l, 246, 15. 273 u.
S^tXe, 244, 5,
284
Mül 1 er.
251, 8. 274 u.
243, 2, 9. 261 m.
jü-w-e, 248, 9.
248, 9.
I*>ya..£, 243, 7—9.
U*JoLe, 274 m.
(jaJo.*/o, 239, 3.
JkU, 245, 15.
sJJLe, 242, 2. 258 ob.
5 vi 9 o 03
(jfyic, (Jj.**, 246, 5. 263 m.
t5 Äc, ^ähj, ^äa, 244, 5. 6. 262 u.
ijlp 8*
OjX, s, 248, 7. 268 m.
5oU, 250, 4.
Op, 251, 14. 275 m.
dyojs-i J«yop, 241, 16. 17. 251 u.
Jlp, ä, ^p, 249, 2.
, £-***£, , , ^.w , 245, 8.
^.ää, piat, 249, 3. 269 ob.
r Ü, 247, 2.
jJlZftJ, 244, 16.
JepS, 244, 2.
Kitab-al-Jj'ark von Alasraa'i.
285
£*¥1 252, 12.
cj? 249 ' I6 '
241, 16. 242, 5.
£■/, 249, 16.
yiyii 248, 14. 264 ob.
vi, 264.
242, 2. 258 ob.
cUj-i, 249, 6.
d-yai, 248, 2.
Jy*i. Infinitive der Form •— 258 ff.
„ „ „ — 258 ff.
5lj, jii, siLi, 247, 5. 6. 266 m.
,vi, 238, 4—10. 253 ob.
ibuyiaÄi, 239, 6. 8. 255 ob.
ji, 238, 7.
JsÜ, 248, 7.
,Uai, 248, 7.
r J^, r ljJl, 240, 5. 6. 255 u.
v-jjJLo, 246, 6.
0lJ, 241, 11. 257 m.
£7^’ £^’ 245j 15 ‘
243, 8. 262 m.
JL&i, 249, 8.
2 ^ Ö ^ -
oiS, (jOsas^ 240, 15.
u-udi, 242, 1.
286
Müller
I*%3, (Jaj' 5 244, 16. 17.
- 5 0 " 9
Juü>, Judü, 243 ? 11.
241, 17. 258 ob.
238, 14.
vii, 241, 17.
v_^JüLo, 240, 1. 255 m.
245, 17.
Jeji, 250, 10. 273 ob.
^ 241, 1.
252, 11.
242, 5. 258 ob.
, ^aaKx, 247, 16.
241, 2. 256 m.
; tyff, 250, 9. 273 ob.
jv5^ 240, 1. 255 m.
(*^ä? (‘7^7 245, 13.
248, 3.
v lJ, 242, 17. 261 ob.
r ÜÜ, 242, 17. 261 ob.
'ibjüo, 242, 3.
248, 9.
(joUs 1 ^1, 248, 3. 267 m.
JoÜp, 242, 12.
Kitäb-al-F&rk von Alasnia'i.
287
äbucXx, Ai, 246, 6.
242, 17.
o ✓x- S Q ? ^
S, ^L^jo, ä^Lgjo, ^.g^o, 247, 2 und 3. 264 ff.
Ü ^ ^
^j v^aaj^ 250, 18.
—--• 5 J
^“85 ^
gj, 246, 13. 14.
cXs!, i\säo, cXs!, 243, 1 und 2. 261 m.
Ü, Jdl 244, 7.
Ijj, ,^»o, 245, 16.
y^-^i 238, 16.
|V*«-Oo, jv^Lijo, 240, 1—3. 255 u.
w^»äj, v_ajuü, 251, 3.
(3*jj L9-*^’ 251, 3.
O 1(1/
246, 11.
,Löäx, ^jöLjo, 238, 16 und 17. 254 m.
UdXii, 251, 6. 274 m.
^
<3^i 252, 2.
(3-üü, 252, 8.
(j*3, 245, 14. 273 u.
250, 6. 263 ob.
j>Lg3, 251, 17. 271 u.
249, 17.
288
Müller. Kitäb-al-Fark von Alasma*!.
(V-g-s», 252, 10.
vIaJö, oyJß, 245, 5.
248, 11. 265 ob.
250, 7. 272 u.
^Joß, ^(Xgj, 250, 10. 15. 17. 273 u.
JJüo, JtX-g^O d^cV^ 251, 11.
lX^lVJC, 251, 11.
SJuOiß, 250, 8.
£:■&>> 244, 17.
piff, 275 u.
S 5 x ^ ^ — ü -- o .
Ü> -5’ Ü^J ’ 0^1^"-’ 245, 1.
246, 10. 16. 17.
Spj, t^, 245, 8.
0JJ5, 246, 10. 16.
jvaSj, 244, 12. 263 ob.
Ȁ, 252, 9.
niK ,nnnK, 271 u.
pi2 261 ob.
pxn 261 ob.
H3. XH3. 264 m.
niTOt. 258 u.
pns, 273 m.
nlü’tag, 258 u.
Hi?- 275 m.
iE- 264 ob.
Km??- 275 u.
bra 260 m.
ms, 262 ob.
=ns, 264.
’?"?> 258 u.
nmiö, 271 u. '
3“)'?- 271 u.
mprnö, 258 u.
XIII. SITZUNG VOM 10. MAI 1876.
HeiT P. Beda Schroll übersendet die Vorrede zu dem
von ihm bearbeiteten Urkundenbuch des Benedictiner-Stiftes
St. Paul in Kärnten.
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Accademia, R., di Scienze, Lettere ed Arti in Modena: Memorie. Torao XVI.
Modena, 1875; 4°.
Academie des Sciences et Lettres de Montpellier: Memoires. Section des
Sciences. Tome VIII. II" Fase. AnneelS72; Section des Lettres. Tome V.
— IV" Fase. Annee 1872. Montpellier, 1873; 4°.
Akademie der Wissenschaften, Kgl. Bayer., zu München: Abhandlungen
der pliilos.-philolog. Classe, XIII. Bd. III. Abtheil. (Der Reihe XLVI. Bd.);
der mathem.-physikal. Classe. XII. Bd. I. Abtheil. (Der Reihe XLIV. Bd.)
München, 1875; 4°.
Gesellschaft, allgem. geschichtsforschende, der Schweiz in Bern: DieChronik
des Hans Fründ, Landschreiber zu Schwytz, von Christian Immanuel
Kind. Chur, 1875; 8°.
— Deutsche morgenländische, in Leipzig: Abhandlungen. VI. Bd. Nr. 1.
Leipzig, 1876; 8. •
Halle, Universität: Akademische Gelegenheitsschriften aus dem Jahre 1875;
4« und 8».
Krön es, F., Handbuch der Geschichte Oesterreichs von der ältesten bis
neuesten Zeit. I. Lief. Berlin, 1876; 8°.
Sitzungslier. d. phiL-hist. CI. LXXXIII. Bd. II. Hft.
19
290
Kiinstlcrverein, Abtheilung für Bremische Geschichte und Alterthümer
in Bremen: Bremisches Jahrbuch. I.—VII. Band. Bremen, 1864—1874;
8°. — Bremisches Urkundenbuch. I. Bd. 1.—7. Lief. II. Bd. 1.—3. Lief.
Bremen, 1863—1875; 4°. — Die Bremischen Münzen. Von Hermann Jungk.
Bremen, 1875: gr. 8°.
Mittheilungen aus J. Perthes’ geographischer Anstalt. 22. Band, 1876,
Heft IV, nebst Ergänzungsheft Nr. 45. Gotha; 4°.
,Revue politique et litteraire* et ,Revue scientifique de la France et de
l’Etranger*. V e Annee, 2 e Serie, N os 44 et 45. Paris, 1876; 4°.
Society, The Asiatic, of Bengal in Calcutta: Journal. Part. I. N° 4. 1875.
Calcutta; 8°. — Proceedings. N° 10. December 1875. Calcutta, 1875; 8°.
Bibliotheca Indica. New Series, N os 330 & 331. Calcutta, 1875 & 1876; 8°.
XIV. SITZUNG VOM 17. MAI 1876.
Der Vicepräsident macht Mittheilung von dem am 8. d. M.
zu Bonn erfolgten Ableben des Ehrenmitgliedes im Auslande
Christian Lassen.
Die Mitglieder erheben sich von den Sitzen zum Zeichen
des Beileides.
Se. Excellenz der Herr Curator-Stellvertreter theilt mit,
dass Se. kaiserliche Hoheit der durchlauchtigste Herr Curator
der kaiserlichen Akademie die feierliche Sitzung am 30. Mai
d. J. eröffnen wird.
Das w. M. Herr Dr. Pfizmaier legt eine für die Denk
schriften bestimmte Abhandlung unter dem Titel: ,Der Nebel
der Klage. Ein japanisches Zeitbild' vor.
Das c. M. Herr Professor Dr. J. A. Tomaschek legt
eine für die Sitzungsberichte bestimmte kritische Studie über
,Die beiden Handfesten König Rudolfs I., für die Stadt Wien
vom 24. Juni 1278 und ihre Bedeutung für die Geschichte des
österreichischen Städtewesens' vor.
19*
292
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Accademia Pontifieia de’ liuovi Lincei: Atti. Anno XXVIII, Sess. 4 a , Roma,
1875 ; 4°.
— Reale, dei Lincei: Atti. Anno CCLXXI. Serie 2. Vol. I. 1873—74, Vol. II.
1874—75. Roma. 1875; 4°.
Akademie der Wissenschaften, Königl. Preuss., zu Berlin: Monatsbericht.
Februar 1876. Berlin; 8°.
Bonn, Universität: Akademische Gelegenheitsschriften aus den Jahren 1874
u. 1875; 4° u. 8».
Gesellschaft der Wissenschaften, Königl., zu Göttingen: Gelehrte Anzeigen.
1875. Band I u. TI. Göttingen; 8°. — Nachrichten aus dem Jahre 1875.
Göttingen; 8°.
— allgemeine geschichtsforschende, der Schweiz: Archiv für schweizerische
Geschichte. XX. Band. Zürich, 1876; 8 Ü .
Jahresbericht der Lese- und Rede-Halle der deutschen Studenten in Prag;
Vereinsjahr 1875—76. Prag, 1876; 8°.
Löwen, Universität: Akademische Gelegenheitsschriften aus den Jahren
1874—75; 8».
,Revue politique et litteraire“ et ,Revue scientifique de la France et de
l’Etranger 1 . V e Annee, 2 e Serie, N° 46. Paris, 1876; 4°.
Tomaschek. Die beiden Handfesten König Rudolfs I. für die Stadt Wien. 293
Die beiden Handfesten König Rudolfs I. für die Stadt
Wien vom 24. Juni 1278 und ihre Bedeutung für
die Geschichte des österreichischen Städtewesens.
Eine kritische Studie
von
J. A. Tomasehek.
Es gibt wenig Untersuchungen, die sich für die Wissen
schaft fruchtbarer erweisen, als die über Echtheit, Alter und
Entstehungszeit wichtigerer Rechts- und Geschichtsquellen.
Aus dem Widerstreit der Ansichten bricht sich die Wahr
heit allmälig siegreich Bahn. Es werden Resultate erzielt, die
als wissenschaftlich feststehend angenommen werden können.
So erhielt seiner Zeit die Controverse zwischen Homeyer und
Daniels über die Priorität des Sachsenspiegels vor dem Schwaben
spiegel unerwartet durch die Entdeckung des Deutschenspiegels
zu Gunsten der Ansicht des Ersteren einen endgiltigen Ab
schluss. Die Frage über die Echtheit der österreichischen
Freiheitsbriefe und die Zeit, in die die Fälschung des majus
fällt, unter Betheiligung von Wattenbach, Chmel, Lorenz,
Ficker, Stumpf, Huber kann als abgethan angesehen werden.
Siegel’s geistvolle Arbeit über die Entstehungszeit der älteren
österreichischen Landrechte traf bei Hasenöhrl auf Wider
spruch, während in neuerer Zeit wieder Luschin in die von
Siegel der Frage angewiesene Bahn einlenkte. Auch im Gebiete
der Geschichte des österreichischen Städtewesens gäbe es noch
manche Partien, die ihrer vollständigen Klärung erst entgegen
sehen. Wir erinnern an die von Rössler bekannt gemachten
Ottokarischen Stadtrechte, angeblich aus dem XIII. Jahrhundert,
294
Tomascliek.
an die Entstehungszeit des von Wurth herausgegebenen Stadt
rechtes von Wiener-Neustadt, an die des Wiener Stadt- oder
Weichbildrechtes, das die kritische Edition Schuster’s in neuerer
Zeit dem wissenschaftlichen Studium erschlossen hat, u. s. w.
An diese Fragen reiht sich in hervorragender Weise auch die
Frage über die Echtheit der Rudolfinischen Freiheitsbriefe vom
J. 1278 für Wien, deren Lösung auch heute noch eine kaum
befriedigende genannt werden kann. Diese Frage hat der Ver
fasser dieser Abhandlung sich zum Gegenstand seiner Unter
suchung gemacht. Veranlassung und Anregung dazu gab eine
an ihn vom Wiener Gemeinderathe ergangene ehrenvolle Ein
ladung zu einer kritischen Herausgabe und Bearbeitung der
Wiener Stadtrechte, die nothwendig auch zu einer Revision
und Prüfung der bisherigen Ansichten über diese Freiheits
briefe führen musste. Da nun der Druck dieser Arbeit zur
Zeit, als er diese Abhandlung schrieb, bereits begonnen wurde,
so konnte er auch bei Verweisungen auf einzelne Urkunden
und wörtlicher Anführung von Stellen sich auf den daselbst
mitgetheilten Text und seine Eintheilung berufen, da die Er
scheinung dieser Abhandlung und die Vollendung jener Arbeit
im Druck nahezu zusammenfallen dürften.
Gegenwärtiger Stand der Frage. Ihre Bedeutung für die
Geschichte des österreichischen Städteweseus.
Den ersten Zweifel an der Echtheit des vom 24. Juni
1278 datirten Privilegiums König Rudolfs I. für Wien hat
Böhmer in seinen im J. 1844 erschienenen Regesta imperii
inde ab a. 1246 usque ad a. 1313 angeregt, indem er bei dem
beti’effenden Regest nachweist, dass die im Privilegium ange
führten Zeugen mit seinem Datum nicht übereinstimmen,
namentlich einer von ihnen, Bischof Leo von Regensburg,
schon das Jahr zuvor im Juli verstorben war. Anfangs stellte
er, S. 94, blos die Vermuthung auf, dass die Urkunde nicht
unter diesem Datum, sondern wahrscheinlicher bald nach der
Besetzung Wiens, etwa im December 1276 oder im Januar
Die beiden Handfesten König Rudolfs I. für die Stadt Wien.
295
1277, ausgestellt worden sei. Später, S. 483, nennt er jedoch
diese Urkunde direct eine Fälschung der Wiener Bürger, die
es wohl verdiente, von Herzog Albrecht I. im J. 1288 cassirt
zu werden. Uebrigens scheint er an der in der Urkunde aus
gesprochenen Reichsunmittelbarkeit der Stadt Wien Anstoss
zu nehmen und meint, dass die Bürger wohl schon vorher auf
diese Reichsfreiheit und zwar freiwillig Verzicht geleistet hätten.
Dagegen nahm er die angeblich vier Tage früher, vom 20. Juni
1278, datirte zweite Urkunde K. Rudolfs für Wien (über die
Richtigkeit dieser Angabe später) als echt an oder äusserte
doch gegen sie keinerlei Bedenken. Gaupp, Deutsche Stadt
rechte des Mittelalters. II. 235 und Bischoff, Oesterreichische
Stadtrechte und Priv. 17G wiederholen einfach die Ansicht
Böhmer’s.
Dagegen ist Ottokar Lorenz in einer besonderen Abhand
lung: Ueber die beiden Wiener Stadtrechts-Privilegien, in den
Sitzungsberichten der k. Akademie zu Wien, XLVI. Band,
S. 72 ff., im Aprilhefte des Jahrganges 1864, welche auch in
seine im J. 1876 zu Berlin erschienenen ,Drei Bücher Ge
schichte und Politik' (Bibliothek für Wiss. und Lit. 4. 1.),
S. 508—546 unverändert überging, einen Schritt weiter ge
gangen. Wir werden Gelegenheit finden, im Laufe der Unter
suchung häufiger auf diese interessante Abhandlung zurück
zukommen. Hier genüge es blos, den Inhalt kurz dahin anzu
geben, dass, nachdem er den Nachweis geführt, dass aus
der Reimchronik des steierischen Ritters Ottokar für unsere
Frage wenig zu gewinnen sei, er es unternimmt, die Echtheit
beider Privilegien eingehend zu prüfen, dass er zwar zu dem
unbestreitbaren Resultate gelangt, dass es zwei echte Privile
gien K. Rudolfs für Wien gegeben haben müsse, von denen
das eine sich an das Stadtrecht Herzog Leopolds VI. für Wien
von dem J. 1221, das andere an das Privilegium Kaiser Fried
richs II. vom J. 1237 (erneuert 1247) angeschlossen habe, dass
aber eine genaue Prüfung des Inhalts der zwei uns abschrift
lich erhaltenen Formen augenscheinlich zeige, dass die echten
Privilegien unmöglich so gelautet haben können, dass jene
vielmehr von Seite des Rathes der Stadt Wien ausgearbeitete
Entwürfe seien, in denen derselbe seine Ansprüche und Wünsche
auf Grund der echten Privilegien formulirte und zusammen-
296
Tomascliek.
fasste und die er dem Herzog Albrecht I., als es sich um
dessen Stadtrecht vom J. 1296 handelte, zur Sanction vorge
legt habe. Er macht sodann den Versuch, die echten Urkunden
K. Rudolfs aus dieser von der Stadt ausgearbeiteten ,Rechts
aufzeichnung' zu reconstruiren, welchen Versuch er jedoch nur
rücksichtlich der von Böhmer angefochtenen Urkunde durch
führt. Die daselbst vorkommenden Zeugen überträgt er nun
auf die andere Urkunde und kommt zu dem Endresultat, dass
K. Rudolf zuerst, etwa Anfangs 1277, d. i. bald nach der
Uebergabe der Stadt in des Königs Gewalt, das Leopoldinum,
nachher — nach der Empörung Paltram’s — auch das Friede-
ricianum bestätigt habe. Seit Lorenz hat sich Niemand ein
gehender mit der Frage beschäftigt. Hasenöhrl, in seiner Her
ausgabe des österreichischen Landrechtes, obwohl ihm diese
Abhandlung von Lorenz bekannt ist, verwendet die Rudolfini-
schon Privilegien häutig bei seinen Ausführungen. Dagegen
bezeichnet sie Schuster in seiner Ausgabe des Wiener Weich
bildrechtes wiederholt im Anschluss an die Ansicht Lorenz’
geradezu als ,Privilegiumsentwürfe von 1278b
Das ist der gegenwärtige Stand der Frage. Er ist kaum
ein befriedigender zu nennen. Der Glaube an die Echtheit der
Rudolhnischen Stadtprivilegien für Wien ist gewaltig erschüttert.
Auf der anderen Seite ist die Annahme, die uns erhaltenen Formen
seien blos von den Bürgern ausgearbeitete Entwürfe, doch nichts
mehr als eine scharfsinnig durchgeführte Hypothese, die positiv
eigentlich doch durch Nichts bezeugt ist. Diese so wichtigen
Privilegien sind daher gegenwärtig für die Forschung so gut wie
verloren und werthlos für unsere Ivenntniss dos österreichischen
Städtewesens. Und doch ist eine befriedigende Lösung dieser
Frage von grosser Wichtigkeit für die Geschichte des städti
schen Rechtslebens. Ohne diese Urkunden haben wir gerade
für die Hauptperiode, in die die städtische Rechtsentwicklung
fällt, eine empfindliche Lücke, die mehr als ein Jahrhundert
umfasst, und die wir durch nichts auszufüllen vermögen. Denn
sehen wir ab von dem Stadtrecht II. Albrechts vom J. 1296
für Wien, das im Wesentlichen nur die Grundzüge für die
Verfassung und das öffentliche Recht der Stadt enthält, so
haben wir für die im Privatrecht und Strafrecht geltenden
Grundsätze keine einzige umfassende Rechtsquelle seit dem
Die beiden Handfesten König Rudolfs I. für die Stadt Wien.
297
Leopoldinum vom J. 1221, beziehungsweise dem sich an dieses
eng anschliessende Stadtrecht Herzog Friedrichs II. vom Jahre
1244 bis zum Jahre 1340, wo Herzog Albreeht II. ein sehr um
fangreiches Stadtrecht erliess. Ueber die dazwischen liegende
Entwicklung wissen wir ohne diese Urkunden so gut als gar nichts.
Ausserdem wurde das Wiener Recht, wie uns urkundlich
bezeugt wird, auf eine grosse Zahl von Städten übertragen.
Den grössten Theil seiner Satzungen hatte es selbst 1221
bereits aus dem Ennser Stadtrecht vom 22. April 1212 ge
schöpft. Das Wiener Judenrecht, beruhend auf dem Privile
gium Kaiser Friedrichs II. unter der goldenen Bulle für die
Juden in Wien vom J. 1238 und der Verordnung II. Fried
richs II. vom 1. Juli 1244, bildete die Grundlage vieler landes
herrlicher Judengesetze in Böhmen, Mähren, den schlesischen
Herzogthümern, Polen und Ungarn. Auf die Stadt Haimburg
wurde das Stadtrecht II. Friedrichs II. für Wien vom 1. Juli
1244 wörtlich übertragen. König Wenzel I. von Böhmen gab
der Stadt Brünn in Mähren im J. 1243 ein Stadtrecht mit
wörtlicher Hinübernahme der Bestimmungen des Wiener Stadt
rechtes vom J. 1221. Der grösste Theil dieses überging nun
wörtlich in das Stadtrecht von Iglau von 1249 und in das von
Prag. Das Iglauer Stadtrecht beherrschte die Bergstädte in
Böhmen, Mähren und einem Tlieile Schlesiens, wurde unter
Bela IV. wörtlich nach Schemnitz in Ungarn und die Zipser
Städte übertragen, drang von da nach Hermaunstadt und
Siebenbürgen vor. Brünn und Prag waren Oberhöfe für einen
grossen Theil der mährisch-böhmischen Städte. K. Rudolf I.
ertheilte am 21. August 1277 der Stadt Eggenburg, am 1. De-
cernber 1277 der Stadt Wiener-Neustadt, im September 1278
der Stadt Znaim das Recht der Stadt Wien. In Folge dessen
bildete ein urkundlich bezeugter Rechtszug der Stadt Eggen
burg nach Wien. H. Rudolf III. übertrug am 24. Juni 1305
die Wiener Rechte in ihrer ganzen Ausführlichkeit auf die
Städte Krems und Stein. Das Stadtrecht von Wiener-Neustadt
schliesst sich eng an die Wiener Stadtrechte, namentlich das
Leopoldinum und das Fridericianum an. Die Einwirkung des
Wiener Rechtes ist auch im Stadtrechte von Ofen und anderer
ungarischer Städte, in mehreren Stadtrechten von Steiermark
und von Kärnten nicht zu verkennen.
298
Tomascliek.
Wir überblicken demnach einen Rechtskreis, der an
Umfang und weittragender Bedeutung- jenem nordisch-sächsisch-
magdeburgischen durchaus nicht nachsteht, der zwar nicht in
ähnlicher Weise wie jener von Magdeburg von Wien aus als
gemeinsamer Mittelpunkt, etwa als Oberhof, beherrscht wird,
der aber mit dem Stadtrechte von Wien in unzertrennbarem
Zusammenhänge steht und durch die Phasen der städtischen
Rechtsentwicklung Wiens in einzeln nachweisbarer Weise be
einflusst wird. Wir sehen hier trotz der Mannigfaltigkeit der
individuellen Bildungen in den Hauptzügen ein gemeines öster
reichisches Stadtrecht in ähnlicher Weise sich bilden, wie dort
ein gemeines sächsisches im sächsischen Weichbildrecht, und
so finden wir lange bevor die politischen Grenzpfähle gefallen
sind und die Vereinigung der einzelnen Länder zu einem
staatlichen Ganzen erfolgt, hier die Ansätze und Vorboten
einer grossen Rechtsgemeinschaft.
Wenn wir es daher in dieser Abhandlung unternehmen,
den vollen Beweis für die Echtheit der beiden Urkunden in
den uns erhaltenen Formen zum Theile auf Grundlage noch
nicht benützten oder gänzlich unbekannten Materiales anzu
treten, so glauben wir, vorausgesetzt dass es uns gelingt,
unsere eigene Ueberzeugung zur allgemeinen zu erheben, der
Rechtsgeschichte Wiens und damit der Geschichte des öster
reichischen Städtewesens, die sich zu einem grossen Theile an
jene anschliesst, keinen unwesentlichen Dienst erwiesen zu
haben. Wir verkennen übrigens die Schwierigkeiten unserer
Aufgabe nicht. Es verhält sich mit dem Nachweise der Echt
heit von Quellen, gegen die der Verdacht durch wohlgegrün
dete Bedenken einmal rege gemacht wurde, wie mit dem Be
weise des Eigenthums, den die mittelalterlichen Juristen be
kanntlich eine probatio diabolica genannt haben.
Urkundliche Grundlage.
Die zwei Privilegien K. Rudolfs I. für die Stadt Wien
vom J. 1278 waren bisher nur aus Abschriften und älteren
Abdrücken bekannt. Die Originalurkunden selbst sind verloren
gegangen. Das Privilegium, das vom 24. Juni 1278 datirt ist,
Die beiden Handfesten König Rudolfs I. für die Stadt Wien.
299
findet sich in dem uns im Wiener Stadtarchiv erhaltenen
grossen Stadtbuche, das unter dem Namen des Eisenbuches
bekannt ist, in Abschrift im lateinischen Texte, f. 34—35',
und in einer deutschen Uebersetzung, f. 38'—41. Beide Texte
stimmen mit einander vollkommen überein, und die einzelnen
Artikel sind mit Ueberschriften versehen. Aus dem Eisenbuche
übergingen sie wohl in eine Reihe auf Grundlage dieses ent
standener Wiener Rechtshandschriften. Der deutsche Text
wurde darnach von Senckenberg, Selecta, tom. IV, fase. IV,
p. 413 und von Rauch, Script, rer. austr. III, 6 abgedruckt.
Da aber diesen Aufzeichnungen im Eisenbuche Eintragungen
von Urkunden bis zum J. 1360 vorangehen, so erfolgten jene
erst nach diesem Jahre, sind also für uns nur von geringerem
Werthe. Auch fehlt in beiden Texten, sowohl dem lateinischen
als dem deutschen, der Artikel über Paltram, ferner die
Zeugenroihe und das Datum. In unverkürzter Gestalt: mit
diesem Artikel, den Zeugen und dein obigen Datum (octavo
calendas Julii 1278, indictione sexta, regni vero nostri
quinto) wurde diese Urkunde zuerst von Lambacher, 1773, in
seinem ,Oesterreichischen Interregnum', im Urkundenbuch,
S. 158—167, Nr. XCI, mitgetheilt, und zwar, wie er S. 219,
Nota (b), sagt, aus einer Abschrift, die ihm P. Herrgott bei
seiner Abreise von Wien hinterliess, und die nach einer von
ihm gemachten Anmerkung aus einem alten Codex der Stadt
Neustadt entnommen sein soll. Diese Handschrift von Wiener-
Neustadt ist heutzutage verschollen. Nachforschungen nach ihr
erwiesen sich fruchtlos.
Auf diesem Abdruck allein beruhte bisher unsere Kennt-
niss dieser Urkunde.
Unsere Forschungen haben uns jedoch noch zur Auf
findung von zwei handschriftlichen Aufzeichnungen derselben
geführt, die bis auf unbedeutende Varianten sowohl unter
einander als auch mit dem Abdruck bei Lambacher überein
stimmen. Die eine findet sich in einer Pergamenthandschrift
der k. Hofbibliothek zu Wien unter der Signatur 352. Olim
Salisb. 416, f. 92—94, aus dem XIII. Jahrhundert, die jedoch
auch einzelne spätere Eintragungen aus dem Anfang des XIV.
enthält. Es finden sich in ihr neben anderen auch Eintragungen
von Wiener Rechtsurkunden aus dem XIII. Jahrhunderte,
300
Tomaschek.
darunter auch drei bisher unbekannte Babenberg'ische Rechts
aufzeichnungen.
Die zweite Handschrift, die diese Urkunde enthält, ist
ein Papiercodex der Stadtbibliothek zu Lübeck aus dem XV.
Jahrhundert (beschrieben bei Schuster a. a. 0., S. 3, und
Hasenöhrl, Oestorr. Landr. S. 4) und zwar f. 39'—42'.
Das zweite Privilegium K. Rudolfs I. für Wien kannte
man bisher blos aus dem Abdruck, den uns Lambacher a. a. 0.
S. 146—158, Nr. XC, angeblich nach einem Codex MS. Canon.
Tiernsteinensis, mitgethcilt hat. Es ist daselbst vom 20. Juni
(duodecimo calendas Julii) 1278, also vier Tage früher als das
erste Privilegium, datirt. Das ehemalige Stift der regulirten
Chorherren von St. Augustin zu Tiernstein (Dürnstein) wurde
im J. 1778 aufgehoben. Sein Archiv soll dem Stifte Herzogen-
burg einverleibt worden sein. Schon der Abdruck bei Lam
bacher zeigt, dass wir es hier mit einer lückenhaften, vielfältig
verdorbenen, von Missverständnissen strotzenden Abschrift zu
thun haben, die den Sinn mancher Stellen bis ins Unkennt
liche verstümmelt.
Es musste uns daher angenehm überraschen, als es uns
gelang, zuverlässigere Abschi’iften, und zwar ebenfalls in den
zwei obengenannten Handschriften, aufzufinden, und zwar in
der Handschrift der Hofbibi. 352, f. 94-—97 noch aus dem
XIII. Jahrhunderte und in der Lübecker Handschrift, f. 42'
bis 46'. Diese zwei letzteren Abschriften stimmen miteinander
überein, ergänzen die Lücken im Lambacher’schen Druck und
ermöglichen die Herstellung eines correctcn, von allen Lese
fehlern und Missverständnissen freien Textes.
Merkwürdigerweise stellte sich nun aus der Abschrift
der Hofbibliothek heraus, dass auch dieses Privilegium
K. Rudolfs so wie das erste vom 24. (octavo calendas
Julii) und nicht vom 20. Juni, somit von demselben
Tage datirt ist. Die minder zuverlässige Lübecker Hand
schrift aus dem XV. Jahrhundert datirt dieselbe zwar VII cal.
Julii, also einen Tag später, vom 25. Juni. Jedoch berechtigen
die im Texte vorkommenden häufigen Lesefehler zu der An
nahme, dass der Abschreiber der Lübecker Handschrift einen
Strich nach VII übersehen habe. In ähnlicher Weise scheint
auch das falsche Datum der Tiernsteinischcn Handschrift ent-
Die beiden Handfesten König Rudolfs I. für die Stadt Wien.
301
standen zu sein, indem der Schreiber statt VII fälschlich
XII las und dieses römische Zahlzeichen in Worte übertrug.
Wie dem auch sei, so viel stellt sich aus der ganz correcten
und noch aus dem XIII. Jahrhundert herrührenden Abschrift
in dem Codex der Hdfbibliothek mit Sicherheit heraus, dass
beide Privilegien von demselben Tage, dem 24. Juni
1278, datirt sind und somit wahrscheinlich zu gleicher Zeit
den Wiener Bürgern übergeben wurden. Dadurch beheben sich
zugleich die Bedenken, die man wohl hören konnte, dass es
befremdend sei, dass K. Rudolf der Stadt Wien binnen einem
Zeitraum von vier Tagen zwei so wichtige Privilegien ertheilt
haben solle.
Wir werden jedoch, um Verwirrung zu vermeiden, dem
Vorgänge Lorenz’ folgend, die angeblich vom 20. Juni da-
tirte, also frühere Urkunde fortan mit Urkunde a, die
vom 24. Juni datirte mit Urkunde b bezeichnen.
Gang der Untersuchung.
Der Untersuchung über unsere Frage hat schon Lorenz
eine fest bestimmte und zugleich die einzig richtige Balm an
gewiesen. Es muss vor Allem geprüft werden, ob es sich nach-
weisen lässt, dass K. Rudolf der Stadt Wien wirklich zwei
Privilegien ertheilt habe, von denen der Inhalt des einen sich
an das Leopoldinum, des anderen an das Friedericianum an-
schliesst. Ist dies constatirt, so muss sodann untersucht werden,
in welchem Verhältnisse die unter diesem Namen uns erhalte
nen Stadtprivilegien vom 24. Juni 1278 für Wien zu einander
stehen und ob sie als die echten Rudolfinischen Privilegien
anzusehen sind oder nicht. Zu diesem Zwecke muss die der
Rudolfinischen Zeit vorangehende Rechtsentwicklung Wiens ins
Auge gefasst, dann die Zeitverhältnisse unter Rudolf, endlich
die späteren Stadtrechte für Wien mit den uns vorliegenden
Aufzeichnungen verglichen werden.
Den Nachweis, dass es wirklich zwei echte Rudolfinische
Privilegien für Wien, und zwar mit dem erwähnten Inhalt,
gegeben habe, hat Lorenz (S. 22—27) in so unzweifelhafter
und überzeugender Weise geführt, dass wir uns hier blos darauf
302
T omaschek.
beschränken dürfen, seine Gründe kurz zu wiederholen und
nur Weniges hinzuzufügen haben.
1. Geht dies aus einer uns im Original im Wiener Stadt
archiv erhaltenen Urkunde des Grafen Albreclit vom J. 1281
hervor, worin er zwei Bestimmungen des früheren Rechtes
über das Niederlagsrecht der fremden Kaufleute zu Wien ab
ändert. Er sagt da ausdrücklich, der Rath der Stadt Wien
habe ihm bewiesen, dass er sich im Besitze alter Handfesten
von Kaisern und österreichischen Fürsten befinde, die ihm
K. Rudolf mit seinen Handfesten erneuert und bestä
tigt habe. Es werden sodann zwei Artikel wörtlich citirt, die
nichts als eine wortgetreue Uebersetzung zweier in der Urkunde a
vorkommender Satzungen sind. Dass diese Artikel in deutscher
Sprache citirt sind, während die Urkunde a lateinisch ist, be
rechtigt uns nicht zu dem Schlüsse, dass die echte Urkunde
Rudolfs ursprünglich deutsch gewesen sei, da die ganze Ur
kunde des Grafen Albreclit deutsch ist, und daher in ganz
natürlicher Weise auch die citirten Stellen ins Deutsche über
tragen wurden. Unter K. Rudolf kommen überhaupt öffentliche
Urkunden über städtische Verhältnisse in deutscher Sprache
noch nicht vor. Erst seit H. Albrecht werden sie häufiger, der
sich bei seinen Regierungsacten mit Vorliebe der deutschen
Sprache bediente.
In derselben Urkunde wird Wien als ,des Riehes haubt-
stadt in Oesterreich' bezeichnet, ein Ausdruck, der an der
Reichsunmittelbarkeit der Stadt unter K. Rudolf nicht zweifeln
lässt, somit die Existenz der Urkunde b bekundet, die Wien
zur reichsunmittelbaren Stadt erhob.
Beide Urkunden müssen daher neben einander bestanden
haben und schlossen sich keineswegs, wie Böhmer anzunehmen
geneigt war, gegenseitig aus (Lorenz, S. 26).
2. Ein zweites Zeugniss für das Vorhandensein der Ru-
dolfinisclien Briefe für Wien ist eine uns gleichfalls im Origi
nale im k. k. Staatsarchive zu Wien erhaltene Verzichtsurkunde
der Stadt Wien vom J. 1288 auf sämmtliche ihr vom König
Rudolf verliehene Privilegien, aus welcher Zeit uns zugleich die
Huldigungs- und Unterwerfungsbriefe der Stadt und zahlreicher
mächtigerer Wiener Bürger an H. Albrecht I. erhalten sind. Ce
dimus et renuntiamus omnibus et singulis privilegiis, cujuscunque
Die beiden Handfesten König tindolfs i. für die Stadt Wien. 303
tenoris existant, per serenissimum dominum nostrum Rudolfum,
Romanorum regem semper augustum nobis et civitati Wiennensi
traditis et concessis. (Hormayr, Wien. II. 38. Kurz, Urk. Nr. 20.)
Zu diesen schon von Lorenz geltend gemachten Zeugnissen
fügen wir noch zwei für die Beurtheilung unserer Urkunden
höchst wichtige, ihm unbekannt gehliebene Privilegien Herzog
Rudolfs III. vom J. 1305 für die Städte Krems und Stein
hinzu, von denen die eine eine wortgetreue Uebersetzung der
Urkunde a enthält, die andere sich an das Stadtrecht Herzog
Albrechts I. für Wien vom J. 1296 anschliesst. H. Rudolf III.
sagt nun in der Einleitung ausdrücklich, er verleihe hiemit den
Bürgern jener Städte die Rechte, die K. Rudolf, sein Grossvater,
und IT. Albreclit, sein Vater, der Stadt Wien gegeben hatten.
Steht es demnach unzweifelhaft fest, dass es zwei Rudolfi-
nische Stadtprivilegien für Wien dieses Inhalts gegeben habe,
so entsteht nun die Frage: sind diese uns in Abschrift erhal
tenen Urkunden a und b als jene echten Privilegien anzusehen
oder nicht. Da zweien sich nun unsere Ansichten. Lorenz hält
diese Urkunden für unecht, oder lässt sie vielmehr nur als
Entwürfe der Wiener Bürger gelten, während wir die Echtheit
beider Urkunden und ihre volle Identität mit den echten
Wiener Stadtprivilegien K. Rudolfs behaupten.
Uebrigens stimmen wir ihm darin vollkommen bei, dass
diese beiden Urkunden selbst in einem so innigen Zusammen
hänge mit einander stehen, dass sie entweder beide echt oder
beide unecht sind, dass eine die andere voraussetzt, und sie nur
neben einander und sich wechselseitig bedingend existiren
konnten. Die Urkunde a, die sich an das Leopoldinum an
schliesst, lässt nämlich die betreffende Bestimmung dieses
Stadtrechtes über die Organisation der Stadtbehörde aus, welche
letztere eben in der zweiten Urkunde b normirt ist, dann ferner
das Verbot der Heiraten zwischen Bürgern und Rittern ohne
Einwilligung des Herzogs, da der a. X der Urkunde b den
Bürgern die Standesgleichheit mit den Rittern ertheilt. Fügen wir
noch hinzu, dass, wie später erhellen wird, auch die Urkunde b
eine ausdrückliche Idinweisung auf die Urkunde a enthält mit
den Worten: jurabunt (der Rath) specialiter, quod formam in
privilegiis expressam, ipsis traditam et confectam (nämlich die
Urkunde a) integre et fideliter observabunt.
304
T omaschelf.
Auch darin stimmen wir ihm bei, wenn er, S. 16, näher
ausführt, dass die Reichsunmittelbarkeit der Stadt, die in der
Urkunde b ausdrücklich ausgesprochen ist, auf welche aber
auch schon das Proemium der Urkunde a eine nicht zu ver
kennende Hindeutung enthält, und an der Böhmer Anstoss
genommen zu haben scheint, es keineswegs sei, die den Inhalt
der Urkunde b verdächtig mache. Dass diese in der Verzichts
urkunde der Stadt an Herzog Albrecht wesentlich gemeint sei,
wird kaum bezweifelt werden können. Böhmer sagt selbst, die
Bürger hätten eine zeitlang als reichsunmittelbare Stadt den
Reichsadler in ihrem Siegel geführt. Wir fügen hinzu, dass
der einköpfige Adler mit ausgebreiteten Fittigen und aus
gespreizten Krallen mit der Umschrift Sigillum civium Winnen-
sium im rothen Wachs schon unter H. Albrecht I. einem
Adler mit einem Brustschilde im weissen Wachs weichen
muss, und dass wir uns nicht erinnern, dass Wien seitdem
das Recht erhalten hätte, mit rothem Wachs zu siegeln, wie
etwa die Städte Krems und Stein durch Kaiser Friedrich III.
(1463. 1. April. Kinzl, Chronik von Krems und Stein. S. 569).
Uebrigens will es uns scheinen, dass man die Bedeutung Wiens
zur freien Reichsstadt zu überschätzen geneigt sei. Die Zahl der
Reichsstädte in Deutschland war zu jener Zeit noch eine sein-
grosse, und eine solche Erklärung mochte dort allerdings eine
grössere Wichtigkeit haben als in Oesterreich. Es lag im Triebe
jener Zeiten, dass man den Schutz mächtiger Herren suchte,
um die aus diesem Unterwerfungsverhältniss entspringenden
Vortheile sich zu sichern. In anderen Theilen Deutschlands,
wo zahlreiche kleine Landherrschaften vorhanden waren, die
sich jeden Augenblick zerstückelten, umänderten, neubildeteu,
musste der unmittelbare Schutz des Reiches eine schwerer
wiegende Bedeutung haben. Anders in Oesterreich. Daher die
Leichtigkeit, mit der die Wiener sich wieder ihrem alten Ller-
zog Friedrich II. unterwarfen, ihrer neu bestätigten Reichs-
unmittelbarkeit zu Gunsten K. Ottokars entsagten, auf ihre
Reichsfreiheit gegen H. Albrecht I. Verzicht leisteten. Für sie
mochten weniger die ihnen von K. Rudolf in der Urkunde b
verliehene Reichsfreiheit, als die übrigen in ihr enthaltenen
Rechte und Freiheiten einen Werth haben. Uebrigens hat
K. Rudolf selbst mit der Ertheilung der Reichsunmittelbarkeit
Die beiden Handfesten König Rudolfs I. für die Stadt Wien.
305
und anderer reichsfreiheitlicher Rechte nicht gespart. 1277,
25. August, verlieh K. Rudolf der Stadt Bruck in Steiermark
alle Rechte, Freiungen und Gewohnheiten, die ,andere unsere
und des Reiches Städte* haben (Hormayr, Taschenbuch
1841. S. 113). 1278; im September (Cod. dipl. Moraviae. V.
S. 264), gibt er der Stadt Znaim in Mähren alle Rechte der
Stadt Wien und verspricht ihr quod cives nostros et civitatem
ipsam nullo unquam tempore a nobis alienabimus aut alteri
committemus, sed ipsos nostro et imperii dominio volumus re-
servare; erhebt in demselben Monat die Stadt Brünn zur freien
Reichsstadt (a. a. 0. S. 267) . . ita quod in ceterarum imperii
numero collocetur . . . omni ea libgrtate et gTatia g'audere et
perfrui . . ., qua ceterae civitates imperii de benignitate regia
sunt gavisae . . .; gibt der Stadt Olmütz (Böhmer, Reg. S. 96)
am 20. September 1278 zweijährige Steuerfreiheit und zehn
jährige Zollfreiheit im deutschen Reiche; nimmt die Stadt
Iglau in seinen und des Reiches Schutz; gibt am 20., 28. und
29. September den Städten Prerau, Leobschütz, Porlitz ähn
liche Rechte wie der Stadt Olmütz u. s. w. K. Rudolf mochte
wohl fühlen, dass es mit der Reichsunmittelbarkeit bei diesen
Städten keine Noth habe, dass sie sie gegenüber einer geschlosse
nen Landesherrliohkeit weder behaupten könnten noch würden.
Die Sache hatte doch eigentlich nur so lange Bedeutung, als
die Herzogthümer und Länder nicht zu Lehen ausgethan wur
den, die zur Zeit ohnehin in der unmittelbaren Regierung des
Reiches sich befanden. Bei Wien mochte ihm allerdings, be
sonders wenn er wirklich damals schon an die Verleihung des
Herzogthums an sein Haus dachte, die Sache ernster erscheinen,
daher er auch in der Urkunde b, worin er die Worte Kaiser
Friedrichs II. rücksichtlich der Verleihung der Reichsunmittel
barkeit sonst genau aufnahm, — bezeichnend genug — den
Nachsatz, dass die Stadt nie mehr vom Reiche getrennt werden
solle, wegliess.
Uie Rechtsentwicklung der Stadt Wien vor K. Rudolf
hatte sich bisher in zwei von einander divergenten Bahnen
bewegt. Den Ausgangspunkt des ganzen städtischen Rechts
lebens der Stadt bildete das Stadtrecht H. Leopolds VI. vom
,7. 1221, in dem die wesentlichsten Grundsätze, namentlich für
das Strafrecht und den Strafprocess, dann für das Privatrecht,
Sitzuugsber. d. phil.-hiut. CI. LXXXIII. Bd. II. Hft. 20
306
Toma« ohek.
endlich für die damalige Stufe der städtischen Entwicklung
auch die Grundzüge der Organisation der Stadtbehörde ent
halten wären. Im J. 1237 hatte Kaiser Friedlich II. die Stadt
zur reichsunmittelbaren erhoben und ihr ausserdem noch wich
tige Rechte öffentlicher Natur ertheilt. Nach dem Tode Herzog
Friedrich II. wiederholte er im J. 1247 sein Stadtprivilegium
für Wien. H. Friedrich II. hatte jedoch das Privilegium cassirt,
das goldene Siegel gebrochen und der Stadt im Jahre 1244
ihr altes landesfürstliches Stadtfecht erneuert. Dieses Stadtrecht
Herzog Friedrichs II., das Lorenz leider ganz ignorirt, stimmt
zwar grösstentheils wörtlich mit dem Leopoldinum überein, gibt
jedoch bereits Zeugniss von einem vorgerückteren Stadium der
städtischen Rechtsentwicklung. Namentlich sind die Gottes-
urtheile bereits aus dem Kreise der gerichtlichen Beweismittel
getreten; die Anschauungen über die Strafbarkeit gewisser
Handlungen haben sich geändert u. s. w. K. Ottokar, ein
warmer Beförderer des Bürgerthums, liess mit Ausnahme der
Reichsunmittelbarkeit, die durch die Unterwerfung der Stadt
unter seine Landeshoheit ohnehin gegenstandslos geworden
war, die Stadt im factischen und ruhigen Genüsse ihrer Rechte.
Privilegien von ihm für Wien, obwohl vielleicht ursprünglich
vorhanden, haben sich nicht erhalten, jedenfalls waren sie
nicht von grossem Belange und wurden durch die späteren,
viel wichtigeren habsburgischen Stadtfreiheiten ganz in den
Hintergrund gedrängt. Noch treten aber die Bürger, so weit
es aus den allerdings spärlichen städtischen Urkunden über
Rechtsgeschäfte ersichtlich ist, nur vereinzelt, nicht repräsentirt
durch einen geschlossenen und organisirten Rath, wie unter
K. Rudolf, nach aussen auf. Nach innen hatte die Rechtsgleich
heit der verschiedenen Bürger der Stadt, die rechtliche Ab
hängigkeit aller städtischen Bewohner von dem Stadtrathe als
Gerichtsbehörde noch keinen äusseren gesetzlichen Ausdruck
gefunden, wenn diese Verhältnisse gleich bereits vorbereitet
und angebahnt waren. Noch werden cives und burgenses unter
schieden. Die Erbbürger, die Freien, Ministerialen, die reichen
Kaufleute, Hausgenossen und Laubenherren regierten die Stadt.
Die Handwerker, obwohl seit K. Friedrich II. persönlich frei,
litten noch unter den Folgen der Hörigkeit, unterlagen der
Eigengerichtsbarkeit ihrer Grundherren, von denen sie ein
Die beiden Handfesten König Rudolfs I. für die Stadt Wien.
307
kleines Stück Land zu Erbrecht besassen, so wie überhaupt
die verschiedensten Jurisdictionen in der Stadt noch durch
einander liefen, und die meisten Einwohner innerhalb des Burg
friedens nur in Fällen der Blutgerichtsbarkeit als exemter
Bezirk nicht dem Landrichter sondern dem Stadtrichter unter
lagen. Schon regte sich aber unter Ottokar die Kraft der durch
K. Friedrich von den Fesseln der Unfreiheit befreiten Arbeit,
das Handwerk fing an, sich auch politisch als Macht geltend
zu machen.
Dies waren im Allgemeinen die rechtlichen Zustände, die
K. Rudolf bei der Besetzung Wiens am Ende des Jahres 1276
antraf.
Ueberblicken wir die Rechtsentwicklung Wiens nach
K. Rudolf, so treten uns bereits durch Originalurkunden ver
bürgte Stadtrechte: das von FI. Albreclit I. vom J. 1296, das
sich an das Friedericianum anschliesst, und das Stadtrecht
IF. Albrechts II. vom J. 1340, das dem Leopoldinum folgt,
entgegen. Wir befinden uns somit hier auf einem festen Boden,
wo uns eine genaue retrospective Vergleichung mit den Ru-
dolfinischen Urkunden möglich ist. Dazu treten noch die zwei
bereits erwähnten Kremser Urkunden von H. Rudolf III., die
für die Vergleichung von besonderer Wichtigkeit sind. Dabei
ist man wohl zu der Annahme berechtigt, dass Rechte, die
später durch die Landesherren der Stadt ausdrücklich belassen
und verbrieft wurden, ihr schon von K. Rudolf I. unbedenk
lich ertheilt werden konnten, das, was seine Nachfolger sich
nicht bewogen fühlten, im Interesse der Landeshoheit zu be
schränken, auch von K. Rudolf gewährt worden sei, um so
eher, als bei diesem noch das politische Interesse hinzutrat,
die Stadt Wien dauernd an sich und sein Haus zu fesseln
und die Anhänglichkeit an Ottokar und dessen Regierung zu
schwächen.
Innerhalb dieser bezeichneten Bahnen wird sich denn
auch unsere Untersuchung bewegen und zuerst die volle innere
Unbedenklichkeit der beiden Urkunden b und a nachzuweisen,
dann die verschiedenen äusseren oder formellen Bedenken,
namentlich das von Böhmer angeregte, zu entkräften versuchen.
20*
308
T omascliek.
Urkunde b.
In der Urkunde b lassen sich dreierlei Artikel unter
scheiden. 1. solche, welche sie mit dem Friedericianum vom
J. 1237 und zugleich mit dem Albertinum vom J. 1296, —
2. solche, die sie blos mit dem Albertinum gemeinschaftlich
hat, — endlich 3. solche, die ihr allein eigenthümlich sind,
also weder im Friedericianum noch auch im Albertinum Vor
kommen.
I.
Was zuerst die Eingangsformel betrifft, so kann es uns
nicht wundern, dass der Satz des Friedericianums ab improbis
et ingratis bis iniquorum, und ein zweiter Ausfall gegen den
H. Friedrich II. im Iludolfinum weggeblieben sind. Hiernach
treffen wir aber sogleich auf eine höchst bedeutsame Auslassung
im Iludolfinum. Nach dem Satze ut ammodo in nostris regum
et imperatorum, successorum nostrorum manibus teneantur ist
der Satz des Friedericianums et quod nunquam per concessionem
alicujus beneficii de nostra et imperii transeant potestate im
Iludolfinum ganz weggeblieben und durch den Satz ersetzt:
et ipsa civitas inter fideles et dilectas civitates imperii specia-
liter computetur, eine Aenderung, die nur im Hinblick auf
die bereits von K. Rudolf geplante Verleihung des
Herzogthums an seine Söhne als Lehen erklärt wer
den kann.
Obwohl sich daher K. Rudolf die Eingangsphrasen des
Friedericianums im Allgemeinen angeeignet hat, so sehen wir
schon hier Aenderuugen .hervortreten, die einen bedeutungs
vollen Sinn haben. Lorenz’ Behauptung, die Abweichungen des
Rudolfinums vom Friedericianum seien kaum etwas mehr als
Varianten, und sein darauf gebauter Versuch, die Urkunde
Rudolfs in ihrer wahren, echten Gestalt dadurch zu recon-
struiren, dass er das Friedericianum, mit einem cujus tenor est
hic: eingeleitet, wörtlich in den reconstruirten Text inseriren
will, erweist sich schon in der Eingangsformel als gewagt.
Anklänge an die lludolfiniscke Fassung des Proemium
finden wir nun auch im Eingänge des Albertinum, wobei
Die beiden Handfesten König Rudolfs I. für die Stadt Wien.
309
selbstverständlich alle Beziehungen auf das Reich weggeblieben
sind. Gehen wir weiter, so finden wir in dem Artikel I des
Rud. den a. 1 des Fried, wörtlich wieder mit der kleinen,
doch auch nicht ganz bedeutungslosen Aenderung, dass nach
dem Fried, der Richter vom König gesetzt und blos si necesse
fuerit der Rath der Bürger bei Wahl der Person eingeholt
werden soll, Rudolf hingegen diese Clausel ganz weglässt, daher
der seitdem fortgeschrittenen Stadtfreiheit eine Concession
macht. Albrecht freilich erwähnt a. 1 von einer solchen Zu
ziehung der Bürger bei der Wahl des Richters gar nichts,
sondern erklärt blos, den Richter bei Eingriffen in die städti
sche Freiheit nach dem ,rate des rates ze Wienne bezzern* zu
wollen.
Eben so ist der a. 2 des Fried, mit zwei kleinen unbe
deutenden Zusätzen in das Rudolfinum a. II wörtlich über
gegangen, bei Albrecht j edoch ganz weggeblieben. Der
neue Landesfürst konnte im Interesse der Wehrkraft seines
Landes die militärische Beihilfe der Bürger nicht entbehren
und wollte sich daher durch die Zusicherung, dass sie nicht
länger, als das Tageslicht währt, und nicht über eine Tages
reise für solche Zwecke in Anspruch genommen werden dürften,
nicht die Hände binden.
Den a. 3 Fried, finden wir bei Rudolf a. III wörtlich
wieder mit zwei Varianten, die, so unbedeutend sie sind,
den Beweis liefern, dass Albrecht in seinem Stadtrecht a. 5
nicht den Friedericianischen Text, sondern den Rudolfs vor
sich hatte, und die bei Albrecht mit Friedrich übereinstimmen
den Artikel nur durch das Medium der Rudolfinischen
Urkunde in das Albrechtinische Stadtrecht übergegangen sein
können. Das Fried, sagt excipimus (Judaeos ab officiorum
prefectura), Rudolf repellimus. Albrecht übersetzt vertreiben
wir, Friedrich blos suh pretextu prefeeture, Rudolf mit dem
Zusatz vel officii pubUci. Albrecht übersetzt mit ihm im Ein
klang unter den eren der herscliefte oder des offene amptes.
Wesentlich ist hingegen die Aenderung, die der a. 4
Fried, im a. IV Rud. bei sonst wörtlicher Aneignung erfahren
hat. Nach Friedrich soll der Bürger bei jeder Civil- und Kri
minalklage nur vor Bürgern zu Recht stehen, bei Rudolf
soll gegen den Beklagten blos das Zeugniss von Bürgern (und
310
Tomascliek.
nicht der extranei) zugelassen werden. An die Stelle des aus
schliesslichen Gerichtsstandes vor den Genossen wird daher
von Rudolf ein blos processualischer, den Beweis durch Ueber-
führung betreffender Satz eingeschoben, eine formale Aende-
rung, mit der es allerdings nicht so schlimm gemeint war, wie
der selbstständige a. XIX des Rudolfinums beweist. Im a. 6
des Albertinum wird jedoch im Anschluss an die processua-
lische Wendung, die Rudolf dem Fried. Artikel gegeben hat,
der Rud. Satz abermals wesentlich seinem Sinne nach ver
ändert. An die Stelle der Ueberführung durch Zeugen wird
die Reinigung durch den Eid (die beredung der Sache mit
seinem aide) gesetzt, wobei auch die sowohl bei Friedrich als
Rudolf vorkommende Ausnahme der Majestätsbeleidigung und
des Stadtverratlies nicht mein- erwähnt wird. In der Fassung,
die demnach Albrecht dem Artikel gab, wird zu Gunsten der
Bürger der Zeugenbeweis gegen sie in allen Klagen, die an
ihre Ehre und Treue gehen, ganz ausgeschlossen, während
Rudolf nur auswärtige Zeugen ausgeschlossen wissen wollte.
A. 5 Fried, stimmt mit a. V Rud. wörtlich überein. Der
Zusatz im Rud. de crimine sibi objecto ist irrelevant und doch
ist es, wie bei den Varianten des a. 3, für unsere Frage von
Bedeutung, dass Albrecht a. 8 ebenfalls den Zusatz auf
nimmt: solcher Sache, die gegen im gesprochen ist. Dem
II. Albrecht lag daher das Rud. und nicht das Fried, vor.
A. 6 Fried, und a. VI Rud. stimmen wörtlich überein.
Bei commodo studio macht Rudolf den Zusatz studentium, der
bei Albrecht ebenfalls erscheint: der lernten. Albrecht a. 10
spinnt jedoch diesen Artikel weiter aus, indem er die ganze
Ordnung der Schule zu St. Stefan daran schliesst, unterscheidet
sich jedoch wesentlich von Friedrich und Rudolf dadurch, dass
der Schulmeister nach ihm nicht vom Könige, respective dem
Landesfürsten, sondern von dem Rathe der Stadt gesetzt wird,
eine Begünstigung der Bürger, die bei Friedrich und Rudolf
noch nicht erscheint.
A. 7 Fried, und a. VII Rud. stimmen gleichfalls bis auf
kleine Zusätze bei Rudolf überein: omnes incole et advene,
cujuscumque conditionis fuerint — pro concivibus a concivibus etc.
Albrecht a. 11 lässt den auf das Reich sich beziehenden Ein-
Die beiden Handfesten König Rudolfs I. für die Stadt Wien.
311
gangssatz weg und fasst den ganzen Artikel überhaupt ein
facher als Friedrich und Rudolf.
So stimmt auch a. 8 Fried, mit a. VIII ßud. bis auf
unbedeutende Varianten wörtlich und dem Sinne nach, wenn
gleich mit einem anderen Satze eingeleitet, auch Albrecht a. 14
mit beiden überein.
Der a. 9 des Fried, ist in den entsprechenden Artikeln
Rudolfs, IX, und rücksichtlich der Strafsanction, a. XXXV,
bedeutend verändert, während sich Albrecht, a. 15, wörtlich
an Rudolf und nicht an Friedrich anschliesst. Könnte
man noch zweifeln, so müsste dieser Artikel bei Albrecht un
widerleglich zeigen, dass Albrecht bei der Abfassung seines
Stadtrechtes unsere Rudolfinische Urkunde und nicht dasFriederi-
eianum unmittelbar als Vorlage benützte. Während Friedrich blos
jede Verletzung des Privilegiums durch hohe oder niedere Perso
nen etc. mit einer Strafsanction bedroht, erklären Rudolf und
nach ihm Albrecht das Gericht des Stadtrichters als das aus
schliesslich competente für die Bürger in was immer für einer
Sache und nehmen blos die Hausgenossen, die Lehen und die
Weinberge aus. Der a. XXXV Rud. enthält dieselbe Straf
sanction von 100 Pfund Gold wie Friedrich, doch sind rück-
sichtlich der nicht dem Fiscus (der Kammer) zufallenden
Hälfte des Strafbetrages statt des unbestimmten Ausdruckes
passi injuriam ausdrücklich die Bürger genannt, denen sie zu
kommt.
Damit sind wir mit den aus dem Fried, in das Rud. und
Albrechtinum übergegangenen Artikeln zu Ende. Wir sehen
daraus, dass Lorenz ganz richtig, S. 37, bemerkt: ,So viel steht
also demnach jedenfalls fest, dass der Friedericianische Frei
heitsbrief vom J. 1237 (1247) Hauptquelle des Wiener Stadt
rechtes auch in der habsburgischen Periode geblieben ist', und
weiter, ,dass Rudolf I. eine echte Urkunde ausgestellt hat,
deren hauptsächlichster Inhalt Bestätigung des Fried, gewesen
ist, darüber kann wohl kein Zweifel obwalten'. Wir sehen
jedoch zugleich, dass es durchaus nicht angeht, so ohneweiters,
wie es Lorenz thut, in den Inhalt der von ihm ,reconstruirten'
echten Urkunde Rudolfs das Fried, einfach zu transsumiren
und ,getrost die kleinen Aenderungen, die unsere vorliegende
Urkunde b sich erlaubt hat, auf den Wortlaut des Fried.
312
Tomascliek.
zurückzuführen (S. 28)‘, oder ,die Unterscheidungen, die sich
zwischen dem Fried, von 1237 und der Rudolhnischen Bestä
tigung finden, als kaum mehr als Varianten zu erklären' (S. 14).
Sie sind im Gegentheil theils tief einschneidender und wesent
licher Natur, theils gewinnen sie; wenn auch anscheinend un
bedeutend, dadurch für unsere Frage der Echtheit eine hohe
Bedeutung, dass ihre Adoption durch Albrecht den zweifel
losen Beweis liefert, dass es unsere Urkunde und nicht das
Fried, ist, die H. Albrecht als Vorlage benützt hat. Sie be
weisen ferner, dass die Hypothese, als enthalte unsere Urkunde
blos ein Project der Bürger, das ihre Wünsche formulirt
habe, unhaltbar ist. Haben die Bürger wirklich auf die
Reichsunmittelbarkeit einen Werth gelegt, so konnten sie in
ihrem Entwurf nicht einen Satz weggelassen haben, durch den
die Reichsunmittelbarkeit für sie erst einen Sinn erhielt. Denn
was für eine Bedeutung hatte sie sonst für sie, wenn sie in
dem Augenblicke aufhören sollte, als Rudolf das Herzogthum
zu Lehen austhäte? Befand sich die Stadt bis dahin nicht
ohnehin bei Kaiser und Reich? Die Weglassung jenes Satzes,
so begreiflich, wenn die Urkunde von Rudolf selbst ausging,
ist vom Standpunkte der Bürger durchaus unerklärlich und
undenkbar. Konnten die Bürger ferner eine Freiheit von solch’
immenser Bedeutung, wie es der ausschliessliche Gerichtsstand
der Bürger vor Bürgern, das Genossengericht war, freiwillig
aufgeben und dafür den dürftigen Ersatz wünschen, dass das
Zeugniss Auswärtiger gegen sie ausgeschlossen sein solle. Ist
dies überhaupt denkbar?
H.
Uebergehen wir nun zu den Satzungen, die in gleicher
Weise bei Rudolf und Albrecht Vorkommen, und unterwerfen
wir sie einer eingehenden Prüfung. Da fällt es nun vor Allem
auf und kann gar nicht verkannt werden, dass man es bei
Albrecht mit einer blossen Uebersetzung aus einer lateini
schen Vorlage ins Deutsche zu thun habe, 1 und es ist kein
1 Z. B. daz sie sicli vraeün sentmaezziges rehtes und sentmaezziger gestalt —
gaudeant jure militum et militarium personarum; wir gepieten vleizzich-
lich und vleizzichlicher — stricto strictius precipimus et mandamus; an
Die beiden Handfesten König Rudolfs I. für die Stadt Wien.
313
Grund anzunehmen, dass diese von unserer Urkunde verschieden
gewesen sei. Die Fassung im Deutschen ist häufig so unbe
holfen und gewunden, dass Albrecht sich gewiss anders aus
gedrückt hätte, wäre er nicht an seine Vorlage in einer Sprache
gebunden gewesen, deren grössere Ausbildung es gestattete,
die Rechtsgedanken in eine Form einzukleiden, die der dama
ligen geringen Stufe der Ausbildung der deutschen Sprache,
namentlich bei ihrem Mangel an Ausdrücken für abstracte
Begriffe, noch so sehr widerstrebte. Am deutlichsten tritt dies
allerdings beim Proemium hervor. Wäre die Urkunde ursprüng
lich deutsch gedacht und concipirt worden, so wäre die Aus
drucksweise sicherlich viel einfacher. Es ist ferner nicht zu
verkennen, dass nicht blos in der Diction, sondern auch in
der Reihenfolge der Artikel Albrecht sich genau an seine Vor
lage anschliesst, und dass diese nur hie und da durch Ein
schiebung von Zusätzen oder neuen Bestimmungen an schick
lichen Orten unterbrochen wird. Allerdings wird es unsere
Aufgabe sein, hier etwaige Abweichungen und Modificationen
strenger und eingehender zu prüfen, als es bei den aus dem
Fried, zugleich in das Rud. und Albr. übergegangenen Satzun
gen der Fall war.
Der Eingang des Albrechtinischen Stadtrechtes ist wesent
lich durch die veränderte Stellung der Stadt Wien und in
Folge ihrer Unterwerfung unter die Landeshoheit des Herzogs
modificirt. Während Rudolf die Treue und die Innigkeit preist,
mit der die Bürger Wiens allgemein seine und des Reiches
Herrschaft umfangen haben, hebt Albrecht die Treue der
Wiener gegen K. Rudolf und ihn hervor. Die Stadt Wien sei
von den Vordem gefreit und gefeiert ,als ein haupt und be-
hälterinne unsers fürstentums'. Doch findet sich derselbe Gang
wie im Eingang Rudolfs. Statt nobis et imperio blos ,uns‘,
statt in nostrum et imperii ditionem blos ,in unsere gnade'.
Der Satz: sicut ammodo u. s. w. fehlt natürlich bei Albrecht
ganz. Den Schluss bildet hier blos: Wir bestätigen alle die
andern islichen haeftigen (ehehaftigen) geschaeften -— et quibuslibet aliis
legitimis actibus exercendis; daz dem chaufaer und dem verchanfer nach
der gestalt der zeit und auch der duorftichait werde behalten — ut
ementi et vendenti juxta necessitatis et temporis exigentiam cavea-
tur etc.
314
Tomaschek.
Rechte und die guten Gewohnheiten, die die Stadt Wien her
gebracht hat.
Der erste nach den aus dem Fried, aufgenommenen
Artikeln bei Rudolf folgende a. X handelt von der Ritter-
mässigkeit der Bürger. A. 17 bei Albrecht ist eine wört
liche Uebersetzung desselben. Allerdings ist der Ausdruck
militaris mit sendmässig übersetzt, aber beide Ausdrücke
bedeuten in der Sprache des XIII. Jahrhunderts dasselbe.
Die Abschrift des Albertinums vom J. 1296 in der Hand
schrift der Wiener Hofbibliothek, Suppl. 404 f. 215—222', die
das Stadtrecht in Paragraphe theilt und diese mit Ueberschriften
versieht, überschreibt den a. 17: Das die burger gezeugen
mugen sein an ritterlichen rechten auch lehen zu empfahen
und in andern hefftigen gescheften ze tuon. Durch die Speci-
ficirung der darin liegenden Befähigungen wird uns dieser
etwas dunkle und seltenere Ausdruck in willkommener Weise
erklärt. Es war vor Allem die active und die passive Lehens
fähigkeit, die den Ritter machte. Dass ,rittermässig' und ,send
mässig' nur verschiedene Bezeichnungen eines und desselben
Standes bildeten, nämlich für die niedrigste lebensfähige Classe,
ist für Oesterreich zweifellos. Der Ausdruck miles deutet viel
fach bestimmt auf das Lehensverhältniss hin (vergl. Ficker,
Vom Heerschilde. S. 180). Das ältere österreichische Land
recht, a. 41 (vergl. Hasenöhrl, Oesterr. Landr. S. 250), sagt:
Es ensol niemant dhain volg haben nach rechtem lehen nur
ain sentmessig man und ain erbpui-ger, der sein recht wol
herpracht hat (vergl. überhaupt über diese Ausdrücke Hasen
öhrl a. a. 0. S. 81 ff. und Ficker a. a. 0. S. 147). Wenn
ferner das Landrecht, a. 12 (S. 241), sagt: Es sol auch nie
mant nindert kamph vechten, denn der rittermessig ist, und
a. 10 (S. 240): Es sol auch niemant kemphes waigern, so
Hesse sich die Rittermässigkoit der Bürger sogar aus a. 5 des
Fried, folgern, der die Bürger befähigt, sich von der kämpf-
lichen Ansprache durch den Eid metseptimo zu befreien. Wie
dennoch trotzdem die den Bürgern von Wien ertheilte Ritter-
mässigkeit als ein Verdächtigungsgrund der Echtheit der Ru-
dolfinischen Urkunde geltend gemacht werden kann (Lorenz,
S. 16), ist nicht zu begreifen. Hatte ja derselbe Rudolf den
Bürgern von Wiener-Neustadt im vorigen Jahre (1. Dec. 1277.
Die beiden Handfesten König Rudolfs I. für die Stadt Wien.
315
Pez, Cod. dipl. II. 132) noch viel weiter gehende Begünsti
gungen ertheilt: feoda tenere, proprietates et feoda emere et
vendere et legitime possidere. Sie waren dadurch zu ,Genossen
des freien, echten Eigens' geworden (proprietas im Gegensätze
zu hereditas und feudum), was die Bürger von Wien (lediglich
als solche) nie waren. Denn die Sendmässigkeit oder Ritter-
mässigkeit verlieh ihnen blos das Recht, rechte Lehen zu
besitzen. So schenkt z. B. 1304 ein Bürger und Fleisch
hacker von Wien die ,Eigenschaft' (proprietas) eines er
kauften Weingartens dem Schottenkloster in Wien, da weder
er noch seine Frau Genossen der Eigenschaft des Wein
gartens sind, und empfängt ihn von dem Kloster zu rechtem
Burgrecht gegen den jährlichen Zins von 6 Pfennigen zurück
(Urkb. des Schottenklosters 94).
Uebrigens sind dergleichen Begünstigungen der Bürger
im XIII. Jahrhundert und in der Rudoliinischen Zeit auch
ausserdem nicht selten. In der Handfeste von Freiburg im
Uechtlande vom J. 1249, 28. Juni (Gaupp, D. Stat. II. 70),
erscheinen bereits alle Bürger als lehensfähig. 1277, 4. Nov.
(Böhmer, Reg. S. 89), ertheilt K. Rudolf den Bürgern von
Lueern die Gnade, dass sie nach Art der Edlen und Ritter
Lehen tragen dürfen. 1279, 9. Juni (Böhmer, Nr. 491, Gaupp,
I. 190), gibt er den Bürgern von Eger unter anderen das Pri
vilegium, dass sie Reichslehen von dem Stadtgerichte empfan
gen können, und dass kein Fremder einen Bürger auf Kampfes
recht an sprechen kann. In dem Rechte der Stadt Winterthur
(Gaupp, I. 141) sagt K. Rudolf: 1. Dü erste genade, die wir
inen gegeben und gesezzet liain, ist, das sie nach edler lüte
sitte und rechte lehen suln enphahen und haben und ander
belehennen nach lehenz recht. Es mag den Vorstellungen der
Gegenwart widersprechen, sich Gevatter Schneider und Hand
schuhmacher in ritterlicher ,Gestalt' zu denken. Denkt man
sich jedoch an der Hand der Quellen in jene Zeiten zurück
und gibt sich Mühe, die Vergangenheit als Gegenwart zu em
pfinden, 1 so hat es damit keine Notli. War ja das Stadtrecht
zunächst den durch Reichthum, Ansehen, Freiheit der Geburt
1 Mit welchen Worten Collega Maassen bei irgend einer Gelegenheit die
Aufgabe des Historikers eben so fein als treffend bezeichnet hat.
Tom a sehe k.
316
hervorragenden Geschlechtern, ,den Erbburgern, Laubenherren,
Hausgenossen u. s. wJ, den ,meliores et potiores cives' gegeben,
neben welchen die kleinen Handwerker, ,die Armen', ,der
PoveP, wenn wir uns eines Ausdruckes des Reimchronisten
bedienen wollen, blos als communitas et Universitas civium
mitzählten. Der kleine Handwerker, der ein Stück Boden von
den mächtigen und reichen Bürgern, vom Schottenkloster oder
anderen Stiftern und Grundherren zu Burgrecht gegen einen
massigen Grundzins besass, sich da sein kleines Haus, soweit
es zum Betriebe seines Gewerbes nothwendig war, gebaut
hatte, dachte gewiss nicht daran, gleich seinem Grundherrn
Lehen zu erwerben oder sie wohl gar zu verleihen. Der Ritter
stand befand sich im XIII. Jahrhundert noch auf der Ueber-
gangsstufe vom Berufsstand zum Geburtsstand. Ritterliche
Art und Sitte galt wohl nur für den Waffengeübten. Der ge-
werbsfleissige Handwerker war dem Waffendienst und der
Waffenübung fremd.
A. XI Rud. und a. 18 Albr. über die Zusammensetzung
des Rathes stimmen wörtlich überein, nur will Albrecht den
Richter auch in die Zahl der 20 Rathmannen (consules) ein-
schliessen. Den Eid an das sacrum imperium lässt er selbst
verständlich aus. Es ist dieser Artikel an die Stelle des a. 28
im Leopoldinum vom J. 1221 (beziehungsweise a. 27 ira Stadt
rechte H. Friedrichs II. für Wien vom J. 1244) getreten, somit
auch in der Rudolfinischen Urkunde a, da diese jene Stadt
rechte zur Grundlage hat, weggefallen und in die Rudolfinische
Urkunde b aufgenommen worden. Jene Artikel Hessen die
Gemeindebehörde aus 24 der prudentiores cives bestehen, Ru
dolf und Albrecht restringiren jedoch die Zahl der Consuln
auf 20.
Wie kann Lorenz, S. 35, demnach sagen: ,Das Privile
gium Albrechts stelle sich statt der ausgedehnten Gerechtsame,
die bei Rudolf dom Stadtrath zuerkannt werden, ganz auf den
Standpunkt des ursprünglichen Babenbergischen Stadtrechts,
nehme die bezüglichen Bestimmungen fast wörtlich aus dem
§. 56 (id est nach uns a. 28) des Leopoldinums von 1221, mit
dem einzigen Unterschiede, dass im Leopoldinum 24, in Al
brechts Privilegium 20 Consuln jährlich zu wählen sind. Man
sehe demnach, den Ansprüchen des Rathes habe Albrecht die
r
Diu beiden Handfesten König ltudolfs I. für die Stadt Wien. 317
alten Bestimmungen sorgsam wieder hervorgezogen' u. s. w. ?
Albrecht sagt ja wörtlich dasselbe wie Rudolf, freilich
mit deutschen Worten und nicht lateinisch.
Hieran schliesst sich der a. XII bei Rudolf, der bei
Albrecht nicht vorkommt, sondern durch a. 19, der eine
neue Bestimmung über die Stellung und Theilnahme des Rich
ters im Rathe enthält, ersetzt wird; dieser Artikel wird
demnach später besprochen werden.
A. XIII Rud. entspricht wörtlich dem a. 20 Albr.
A. XIV Rud. correspondirt wörtlich mit Albrecht 21, der
jedoch im Interesse der verstärkten Landeshoheit zwei Be
stimmungen hinzufügt: 1. dass die durch den Rath erfolgte
Vermehrung oder Verminderung mit dem Wissen, Rathe und
Willen des Landesfürsten geschehen solle; 2. dass nur ge
sessene Leute in der Stadt in den Rath genommen werden
sollen.
A. XV Rud. und a. 22 Albr. stimmen wörtlich zusammen.
Doch ist bei Albert von dem dem h. Reiche geleisteten Eide
natürlich nicht die Rede.
A. XVI und a. XVII Rud. in gleicher Weise mit a. 23
Albr. Nur ist die Strafsanction Rudolfs: bei Vermeidung un
serer (nostre majestatis) Ungnade bei Albrecht weggeblieben.
Statt a. XVIII Rud., der bei Albrecht fehlt, daher später
besprochen werden wird, schiebt Albrecht zwei neue Bestim
mungen ein, von denen die erste, nämlich a. 24, eine sehr
lange Satzung über Excesse, durch Söhne und Freunde eines
Bürgers begangen, und ihre Bestrafung die zweite, a. 25,
eine Satzung über die Ungültigkeit einer vom Richter vor-
genommenen eigenmächtigen Handlung enthält und an den
a. 1 bei Rudolf und Friedrich mahnt. Hierauf schliesst sich
bei Albrecht an der a. 26, der wieder dem a. XXVI bei
Rudolf entspricht, jedoch als Strafe ausdrücklich die Strafe
des Zungenausreissens und der Stadtverbannung statuirt, wäh
rend Rudolf blos im Allgemeinen sagt, dass ein solcher Ver-
läumder (Albrecht übersetzt botwarer) nach dem Gutdünken
der Consuln bestraft werden solle. Auch lässt Albrecht die
Anwendung derselben Satzung auf ein Weib und die Motivi-
rung der ganzen Bestimmung, wie sie bei Rudolf Vorkommen,
weg. Es ist dies der einzige Fall, wo die bei Rudolf beob-
a
318
T o m a 8 c h e k.
achtete Reihenfolge der Satzungen in Albrechts Stadtrechte in
nicht sehr logischer Weise unterbrochen wird. Bei Rudolf ist
dieser Artikel zweckmässig an die Bestimmung über die Wit
wen angereiht, bei Albrecht ganz unmotivirt an diesem Platze
eingeschoben.
Es folgt der so hochwichtige a. XIX bei Rudolf, wodurch
die Consuln und der geschworene Rath der Stadt als aus
schliesslicher Gerichtsstand für alle bürgerlichen und pein
lichen Klagen der Bürger erklärt wird. Wir erinnern uns hier
gleich an den a. IV Rud. und an das dort Gesagte. Die Be
stimmung des Freiheitsbriefes K. Friedrichs II. für Wien vom
J. 1237, dass die Bürger nur von Bürgern gerichtet werden
sollen, die im a. IV Rud. durch eine Satzung über den Zeugen
beweis ersetzt wird, erhält hier eine ausführliche Normirung.
Man hat sich darin gefallen, die hier ertheilte Freiheit
als ein privilegium de non appellando zu bezeichnen, und
schon Lambacher, Interregnum S. 219 n. (6), sagte: Ein so
unumschränktes Privilegium de non appellando finden wir
nicht, dass jemals einer andern Reichsstadt wäre verliehen
worden u. s. w. Lorenz (S. 16) bezeichnet es richtiger als ein
Privileg de non evocando et non appellando, führt es aber als
einen Hauptgrund an, ,der unser Privileg in einem so
hohen Grad verdächtig macht'.
Dem gegenüber weisen wir einfach auf den a. 27 des
Albrechtinischen Stadtrechtes von 1296 hin. Niemandem kann
entgehen, dass Albrecht diesen Artikel Rudolfs hier wörtlich
seinem vollen Inhalte nach übersetzt hat, mit der Abweichung,
über die wir weiter keine Worte zu verlieren brauchen, dass
die Motivirung Rudolfs ex imperiali nostra munificentia durch
von unserre fuorstlichen herschefte ersetzt ist, und dass der
magister monetae, von dessen Ausnahmsgericht ohnehin bereits
im a. 15 die Rede war, nicht erwähnt wird. Soll aber die
Freiheit, die H. Albrecht mit denselben Worten der Stadt Wien
wirklich und unzweifelhaft verliehen hat, im Munde Rudolfs
unwahrscheinlich und verdächtig erscheinen? Wir dürfen nicht
unbeachtet lassen, dass die geschlossene Organisation, die
K. Rudolf in diesem und anderen Artikeln dem Rathe gegeben
hat, auch abgesehen von dem Stadtrechte in den Rechtsurkun
den jener Zeit seit Rudolf, wo der Rath als Gerichtsbehörde
Die "beiden Handfesten König Rudolfs I. für die Stadt Wien.
319
oder als oberste Verwaltungs - und Polizeibehörde oder als
Zeuge fungirt, hervortritt, während früher selbst in den Ur
kunden der Ottokarischen Zeit die Bürger nur als Einzelne,
höchstens mit dem Beisatze: et oeteri cives oder et Universitas
civium Wiennensium, nicht als geschlossene Einheit die Rechts
geschäfte beurkunden. Erst seit Rudolf erscheint neben dem
judex und gleich nach ihm der magister civium et juratum
consilium civium Wiennensium bei der officiellen Beurkundung
über Rechtsgeschäfte.
An diesen Artikel 27 knüpft II. Albrecht noch zwei neue,
28 und 29, die Rudolf noch nicht hat; 1. dass der Rath jede
Rechtssache binnen einem Monate entscheiden soll, widrigens
die Parteien an den Landesfürsten sich berufen können, und
2. dass kein Rathsmitglied sich bestechen lassen darf.
Hierauf folgt a. XX Rud. und die damit vollkommen
übereinstimmende Uebersetzung in dem a. 30 bei Albrecht
über den Eid vor ergriffener Berufung.
Wir fügen hinzu, dass das Stadtrecht Herzog Rudolfs III.
vom J. 1305 für Krems und Stein, das sich ausdrücklich an
das Stadtrecht von Wien anschliesst und in der zweiten Ur
kunde dem Wortlaute des Albertinum folgt, die Zusätze Al-
brechts in den a. 28 und 29 in dem einfachen Satze zusammen
fasst : Ob ein mann, der an den rat dinget, sich versieht, daz
im nicht mug volles recht geschehen vor dem rat, der sol
sicherlich an uns dingen und haben vrei wal. Swer darüber
anderswo dinget, daz hab nicht kraft.
Wir sehen in diesen Satzungen die Grundlage der städti
schen Freiheit und ein abschliessendes Stadium im städtischen
Rechtsleben.
Damit werden zuerst die verschiedenen disparaten Ele
mente, aus denen die Einwohner der Stadt zusammengesetzt
waren, zu einer Einheit vereinigt. Das Princip des modernen
Staates: Die Gleichheit Aller vor dem Gesetze, findet sich
hier in den Städten, als Vorläufer und Spiegelbild der Staats
entwicklung, wenn auch nicht verwirklicht, doch zum ersten
Male principiell anerkannt. Der Grundsatz, den schon das
Fried, ausgesprochen hatte, dass alle Bürger der Stadt persön
lich frei sein sollen, erhielt dadurch erst seine eigentliche Ver
wirklichung. Die Einheit des Gerichtsstandes, neben der nur
320
T o ui a s c li e k.
wenige Sondergericlite stehen bleiben sollen, das Lehen-, das
Berggericht, das des Münzmeisters für die Hausgenossen,
schliesst um alle Einwohner, so verschieden sie durch Gehurt,
Stand, Reichthum sein mögen, ein einheitliches Band, lässt sie
nach innen als gleichberechtigt, nach aussen als geschlossene
Einheit erscheinen. Von da an erst erscheinen die Bürger als
ein eigener Stand, die Stadt als Gemeinde, als vom Staate
und der Gesellschaft anerkannte und berechtigte Corporation.
Es war eine Folge der Freiheit und ein charakteristisches
Merkmal im deutschen Rechtsgange, dass der Freie nur vor
seinen Genossen zu Recht stehen solle, dass der Richter nicht
selbst richte, sondern nur das Schöffengericht leite, das Urtheil
der Urtheilsfinder ausspreche und ausführe. Die Ueberschrift
des a. XIX Rud. lautet daher ganz bezeichnend: De judicio
consortum. Vom Genossengericht. Dies und nichts Anderes ist
der Sinn dieser Freiheit und sie kann daher nur sehr ungenau
als privilegium de non appellando bezeichnet werden. König
Rudolf freilich bedient sich in seiner überall sichtbaren Vor
liebe für das römische Recht des römischen Ausdrucks appel-
lare, wofür H. Albrecht den deutschen Ausdruck: dingen an
den rat braucht. Wird ja doch das Recht der Berufung an
den König, respective an den Landesherrn, sei es durch die
Schöffen, sei es durch die Parteien, ausdrücklich gewahrt, um
ein besseres Urtheil zu linden. Richtiger wird daher der Inhalt
dieser Freiheit durch den Ausdruck priv. de non evocando,
durch die Freiheit vor fremden Gerichten bezeichnet werden
können. Der eigentliche Kern ist jedoch die Erklärung des
städtischen Rathes zum ausschliesslichen Gerichtsstand für alle
Bürger, als Genossengericht. Diese zwanzig Bürger, die früher
blos als Marktbehörde, höchstens als Verwaltungsbehörde der
Stadt erscheinen, selbst noch unter K. Ottokar, treten seit
K. Rudolf als Schöffengericht für alle Bürger ohne Unterschied
auf, als ,Rath‘, als eigentliches Haupt und Regierung der Stadt.
Diese liegt nicht mein- ausschliesslich in den Händen der
landesfürstlichen Beamten, namentlich des Richters, des Münz
meisters , Kämmerers, Hausgrafen u. s. w., sondern in der
autonomen Gemeinde und ihrem Ausdrucke, dem städtischen
Rathe. Freilich sind es die potiores cives, die divites, die
Frbbürger, aus denen der Rath gebildet wird. Bis tief ins
Die beiden Handfesten König Rudolfs I. für die Stadt Wien.
321
XIV. Jahrhundert 1 hinein hat die Regierung der Stadt noch
dieses aristokratische Gepräge, und dem demokratischen Ele
ment der Handwerker und Zünfte gelingt es erst spät, den
Antheil an dem Stadtregiment mühsam zu erringen. Hier ist
es wieder die Staatsgewalt, die über den Sonderinteressen der
Classen stehend, die Ausgleichung immer mehr zu verwirklichen
bemüht ist. Doch schon im XIII. Jahrhundert sehen wir un
verkennbare Spuren, dass die Arbeiter und die Handwerker
anfangen sich ihrer Bedeutung bewusst zu werden und sich
als politisches Element zu regen, dass ihre gemeinsamen Inter
essen sie zu Vereinigungen drängen, die die Geschlechterherr
schaft eifersüchtig überwacht, daher auch das Verbot der Eini
gungen unter den Handwerkern in der Urkunde a. Einen
Einblick in diese Verhältnisse gewährt uns die lebendige Schil
derung des Aufstandes der Stadt Wien gegen H. Albrecht I.
durch Ottokar den Reimchronisten.
Uebrigens kann nicht verkannt werden, dass sich die
dieser Satzung Rudolfs und Albrechts zu Grunde liegende
Idee, die Herstellung eines gemeinsamen Rechtes für alle
Bürger, die Einsetzung eines gleichen städtischen Gerichts
standes mit Ausschliessung aller Sondergerichte in der ganzen
städtischen Rechtsentwicklung von Wien bis auf die im Jahre
1849 vorgefallenen Veränderungen nie in ihrem vollen Umfange
verwirklicht hat. Abgesehen von der peinlichen Rechtspflege,
der Blutgerichtsbarkeit, erhielten sich bis auf die neueste Zeit
neben der Jurisdiction des Richters, des Rathes, später des
städtischen Magistrates, zahlreiche Sondergerichte, so dass die
Gerichtsbarkeit des Richters und Rathes sich nur auf den ver-
hältnissmässig kleineren Theil der Stadt beschränkte. Nament
lich war es die Jurisdiction der Grundherrschaften, welche sich
für den vermögensrechtlichen Verkehr mit Immobilien, für das
Erbrecht, für die Rechtsgeschäfte der freiwilligen Gerichtsbar
keit, theils in Folge ausdrücklicher Exemtionen, theils in her-
1 1396, 24. Febr., troffen die Herzoge Wilhelm, Leopold und Albrecht IV.
Bestimmungen über die jährliche Wahl des Bürgermeisters und des
Rathes aus den Erbbürgern, Kaufleuten und Handwerkern, und ordnen
an, dass künftighin nicht Idos Väter und Söhne, Eidame, Vettern oder
blos lötige Erbbiirger, lötige Kaufleute und lötige Handwerker im
Rathe neben einander sitzen sollen.
Sitzungslier. der pliil.-liist. CI. LXXXIII. Bd. II. Hffc.
21
322
Tomaschek.
gebrachter Weise fortwährend erhielten. Begabte und strebende
Herrscher, die im Sinne einer sich über die Classeninteressen
erhebenden ausgleichenden Macht den Staatsgedanken im Wider
spruche mit den thatsächlichen Zeitumständen durch tief ein
greifende Reformen zu realisiren trachteten, — wir erinnern
an Rudolf IV. den Stifter, an seine Aufhebung der Grundzinsen,
der Jurisdiction der Grundherren mit ihrer Uebertragung an
den städtischen Rath, die von ihm ausgesprochene Ablösbar
keit der Zinsen und Ueberzinsen, ein frühzeitiger Vorbote der
Grundentlastung unserer Zeit — erfuhren das Schicksal aller
Reformatoren. Ihre Reformen erwiesen sich als fruchtlos,
strandeten an der Macht der thatsächlichen Verhältnisse. Stifte,
Klöster — besonders das Schottenkloster — zahlreiche geist
liche und weltliche Grundherrschaften übten bis zum J. 1848
ihre Jurisdiction ungehindert fort, hatten ihre eigenen Grund-
und Satzbücher, ihre Richter, Amtsleute, Officiales, später
Justiziare, als ausschliessliche Gerichtsbehörde in ihren Bezirken
für ihre Grundsassen, wenigstens für das Privatrecht. Erst der
neuen Ordnung der Dinge seit dem J. 1848, der Uebertragung
aller Rechtspflege an den Staat und seine Organe als Staats
hoheitsrecht war es Vorbehalten, in unseren Tagen dieser Zer
fahrenheit der Jurisdiction in einem und demselben städtischen
Kreise ein Ende zu machen.
Dieser Umschwung im städtischen Rechtsleben erfolgte
bei vielen Städten in der Grundlage schon im XII., namentlich
aber im XIII. Jahrhundert. In den älteren Städten, besonders
den bischöflichen, und in allen, wo verschiedene Jurisdictionen,
so z. B. geistliche und weltliche, sich durchkreuzten, vollzog
en sich schwieriger als in neugegründeten, wo dem Stadtrath
gleich von Anfang diese Organisation gegeben wird. Es wäre
ein Leichtes, Belege dafür zu häufen. Gengler’s und Gaupp’s
Stadtrechte liefern überall Beweise genug. Es möge genügen,
hier nur auf einige naheliegende Stadtrechte hinzuweisen. —
Schon in dem Privilegium K. Ottokars für Tulln (Lorenz,
Deutsche Geschichte. S. 4GG und 468) vom 27. October 1270
finden wir eine ähnliche Organisation der zwölf Geschwornen
(jurati) als städtische Gerichts- und Verwaltungsbehörde, noch
mein- aber in dem Privilegium Iv. Rudolfs vom 1. Dec. 1277
für Wiener-Neustadt (Pez, Cod. dipl. II. 138), die in ihrem
Die beiden Handfesten König Rudolfs f. für die Stadt Wien.
323
Inhalte ein Seitenstück zu unserer Wiener Urkunde bildet.
Cives respondebunt coram Nobis vel suo judice secundum
forniam juris civitatis Wiennensis. Preterea dubie questionum
sententie in pretorio sepe dicte civitatis suborte, per juratos
civitatis et capitaneum vel a nobis interpretationem vel requi-
sitionem recipient. Die jurati haben ferner die facultas ordi-
nandi de foro rerum vendibilium. Einen schärferen Ausdruck
kann man der Gleichheit aller Bürger vor dem Rechte nicht
geben, als es Rudolf in dieser Urkunde thut: Preterea volumus,
ut nullus civis vel incola civitatis predicte super alios cives
privilegio libertatis specialis utatur, sed una et pari lege gau-
deant et fruantnr singuli, cum ejusdem loci incole non debeant
jure diverso censcri. Vielen deutschen Städten wird von Rudolf
um dieselbe Zeit die Freiheit von auswärtigen Gerichten be
stätigt, so 1278, 25. Mai (Böhmer, S. 92), den Bürgern von
Schaffhausen, 1 1276, 31. Juli (Böhmer, S. 77), denen von
Rheinfehlen, 2. August denen von Solothurn, 1290, 16. April
(Böhmer, S. 146), denen von Mühlhausen, 1285, 26. Juni
(S. 127), gebietet er dem königlichen Ilofrichtcr, keine Klagen
gegen die Bürger von Worms anzunehmen, sondern die Kläger
an ihn selbst zu weisen, worauf er sie weiters an die Stadt
Worms weisen und nur im Falle der verweigerten Justiz selbst
Recht schöpfen werde. Eben so bei den Städten Mainz und
Speier.
Diese Beispiele mögen genügen, um gegen die Verfassung,
die K. Rudolf dem Stadtrathe gab, jeden Verdacht zu ent
kräften.
A. XXI und XXII Rud. und Albr. 31 und 32 decken
einander wörtlich ohne den geringsten Unterschied (Verbot
von Befestigungen im Weichbilde der Stadt). Lorenz, S. 15,
bemerkt dazu, dass hier mit einem Male, recht im Gegensätze
zu den reichsstädtischen Freiheiten, an die österreichischen
1 Als ein Beispiel geben wir aus Hugo, Die Mediatisirung der deutschen
Reichsstädte, S. 372, das Privilegium für Schaffhauson: . . . quare nemo
civinm predicte Scaphunensis civitatis utriusque sextus extra civitatem
ipsam stare judicio compellätur, sive realis sive personalis seu alia que-
cnmque contra ipsum actio attentetur. Imrao si quis contra quemcumque
civium predietorum quicquam habuerit actionis, illam coram sculteto sive
judice civitatis ejusdem juris ordine prosequatur.
21*
324
Tomasch ek.
Landesfürsten erinnert wird, von denen dieses Vorrecht her
rühren soll. Nun würde dies wohl auch von Albrecht gelten.
Wir weisen hei dieser Gelegenheit hin auf den Landfrieden
K. Rudolfs von 1276 (Lanibacher a. a. 0. S. 117), dem auch
mehrere österreichische Städte ihre Siegel anhängten: Item
imperiali providentia strictissime inhibemus, ne quisquanx in
prejudicium alterius infra leucam (deutsch Rast) castrum edi-
ficet vel munitionem, et si factum fuerit, per nostros judices
precipimus demoliri u. s. w. K. Ottokar hatte den milites et
cives von Neustadt, 29. April 1253 (Hormayl’, Archiv 1828,
S. 321), ein Privilegium gegeben, in dem er alle ihre vom
Reich oder von ihren Landesfürsten ei'haltencn Pi’ivilegien be
stätigt. ,Tertio, quod nullas unquam munitiones infra muros
civitatis, ne videamur in ipsorum fide habere diffidentiam,
erigemus sed et portas civitatis in eorum potestate semper
consistere concedemus, nec ab aliquo infra terxninos judicii
civitatis munitionem aliquam erigi permittemus, et que erecta
est infra rastam a tempore vite clare memorie ducis Friderici
secundi, antecessoris nostri, dirui faciemus. Ein ähnliches Privi
legium hat Ottokar der Stadt Wien gewiss auch ertheilt, und
Rudolf scheint hier, obwohl es der habsburgischen Herrschaft
und Politik gelungen ist, fast alle Spuren der Regierung Otto
kars bezüglich Wiens zu verwischen, darauf hinzudeuten. Wir
verweisen endlich noch auf das östei’reichische Landrecht,
a. LIII b : Wir seczen und gepieten, was purg oder vesten in
zwainczig jarn gepaut sein, das man die preche, und das, was
Luschin, die Entstehungszeit des österreichischen Landr., S. 34,
darüber sagt.
Die Artikel XXIII und XXIV Rudolf fehlen bei Al
brecht. Davon später.
Artikel 33 Albrecht ist eine wörtliche Uebersetzung ohne
jede Abweichung von a. XXV Rudolf.
Ueber Artikel XXVI Rudolf und sein Vei’hältniss zu
Albrecht haben wir schon gesprochen.
Artikel XXVII Rudolf ist im a. 34 Albrecht wörtlich
übei-setzt.
Artikel XXVIII so auch a. XXIX fehlen bei Albrecht.
Davon später.
Die beiden Handfesten König Rudolfs I. für die Stadt Wien.
325
Artikel XXX und XXXI Rudolf sind wörtlich übersetzt
in Albrecht a. 35 und 36. Nur statt regio largitate: mit fuorst-
licher miltichait, statt sub imperii Romani protcctione et jiaee:
in den scherm und in den vride fuorstliches schermes. a. 36
Albrecht fügt eine Ausnahme hiezu bezüglich der Räuber,
Diebe, Fälscher, Brandstifter u. s. w.
Artikel XXXII Rudolf stimmt mit Albrecht a. 37 wört
lich überein.
Eben so Artikel XXXIII Rud. mit Albrecht a. 38. Nur
statt mutas et thelonea in civitate Wienu que nos et Imperium
respiciunt blos diu da zu der stat gehoeret.
XXXIV Rud. und 39 Albr. stimmen wörtlich überein.
Sie enthalten ein Verbot aller Verletzungen ,dieser Hand
vesten' (bis privilegiis; man beachte den Plural), von wem
sie auch ausgehen mögen, doch mit dem bedeutungsvollen
Unterschiede, dass sich Rudolf selbst dabei ausnimmt falva
tarnen imperiali seu regia potestate, que juris vinculis non ligatur,
was Albrecht nicht thut. Es entspricht dies ganz der hohen
Meinung, die Rudolf von der Würde der königlichen Gewalt
hatte und der er häufig einen Ausdruck gibt. So hat er sich
auch den Satz des römischen Rechtes, für das er eine grosse
Vorliebe zeigt, angeeignet, dass der Gesetzgeber, somit der
König, über dem Gesetze stehe. In dom Belehnungsbriefe seiner
Söhne Albrecht und Rudolf mit dem Herzogthum Oesterreich etc.
vom J. 1282 (Lambacher a. a. 0. S. 196) sagt er ganz über
einstimmend mit unserer Urkunde: Romani moderator imperii
ab observantia legis solutus, legum civilium nexibus, quia legum
conditor, non constringitur, und später ... et nos, licet in ex-
cellenti specula regle dignitatis et super leges et jura simus
positi etc. Diese und andere charakteristische Merkmale
unserer Urkunde sind doch untrügliche Zeichen ihrer Echt
heit. Zugleich ergibt sich hieraus die Unhaltbarkeit der
Ansicht, dass wir es, hier mit einem von den Bür
gern ausgegangenen Entwürfe zu thun haben. Wie
hätten die Bürger einen solchen Satz spontan in diesen auf
nehmen können, der ihre ganze Handfeste und die darin ge
währten Freiheiten rein precär und illusorisch und ihre Auf
rechthaltung von dem blossen Gutdünken des Königs abhängig
macht. Schwebte das Damoklesschwert des Privilegiumsbruches
dadurch nicht fortwährend über ihren Häuptern?
Artikel XXXV Rud. wurde bereits besprochen.
Das Resultat der bisherigen sorgfältigen Untersuchung
ist also das, dass das Stadtrecht H. Albrechts vom J. 1296
sowohl im Inhalt als in der Reihenfolge der Satzungen nichts
Anderes ist, als eine wörtliche Uebersetzung des Rudolfmischen
Freiheitsbriefes, wenn man von einigen eingeschobenen neuen
Satzungen und einigen Zusätzen absieht. Wenn dessenunge
achtet viele von diesen Satzungen als Verdachtsgründe gegen
das Rudolfinum ins Feld geführt worden sind, so muss man
den Wienern nur Glück wünschen, dass H. Albrecht diejenigen,
die sie ausgesprochen haben, nicht als seine Rathgeber zur
Seite hatte, als er sein Stadtrecht erliess, denn da hätte die
Stadt Wien das, was ihr Albrecht anstandslos gewährte, wohl
nie erlangt.
HI.
Es erübrigt uns jedoch noch, jene Artikel, die bei Rudolf
Vorkommen, bei Albrecht aber fehlen, genau zu prüfen und
ihre Glaubwürdigkeit nachzuweisen. Ihre Zahl ist eine sehr
geringe. Der Grund der Weglassung ist in den meisten Fällen
augenscheinlich, überall leicht zu erklären und zu begreifen.
Es sind dies, abgesehen von den auch im Friederieianum
vorkommenden a. II und XXXV, von denen schon gesprochen
wurde, die a. XII, XVIII, XXIII, XXIV, XXVIII, XXIX.
Der a. XII sagt: Alle der Stadt nützlichen und der Ehre
des Reiches nicht abträglichen Beschlüsse und Massregeln der
Bürger wolle Rudolf aufrecht erhalten, sie dürfen von Nie
mandem verletzt werden; der Richter solle sie bereitwillig in
allen ihren nützlichen Anordnungen unterstützen, sonst wolle
ihn Rudolf wie einen Verächter der Reichsstatute schwer
büssen.
Es wird liier die Autonomie der Bürger in einem Grade
anerkannt, der uns auf den ersten Blick den Richter gewisser-
massen in gänzlicher Abhängigkeit von dem Stadtrathe und
nur als dessen ausführendes Organ erscheinen lässt. Doch darf
nicht übersehen werden, dass ausdrücklich der Nutzen der
Die beiden Handfeeten König Rudolfs I. für die Stadt Wien. 327
Stadt und die Ehre des Reiches als die Schranken erklärt
werden, innerhalb welcher sich diese Autonomie bewegen soll,
und dass das Urtheil, ob diese Schranken im einzelnen Falle
beobachtet wurden, dem Richter überlassen erscheint. Schon
das Leopoldinum von 1221 hatte die Bestimmung enthalten:
quicquid iidem (cives) in hoc (de mercatu et de universis,
que ad honorem et utilitatem civitatis pertinent) agant et dispo-
nant, judex civitatis ntillo modo audeat irritare, sed quicumque
in aliquo contra illorum XXIV statuta fecerit, solvat judici
penam ab ipsis institutam. Es erscheint demnach diese Satzung
K. Rudolfs nur als eine Ausführung des a. 28 des Leopoldi-
nums und des damit übereinstimmenden a. 27 des Stadtrechts
Herzog Friedrichs II. vom J. 1244, und somit vollkommen
unbedenklich. Dieses Recht der statutarischen Gesetzgebung
wurde vielen Städten ausdrücklich verliehen. K. Rudolf ge
stattete 1276, 9. März (s. Gengier, Codex jur. munic. Germ.
S. 76), den Bürgern zu Augsburg die Anlage eines Statuten
buches : Supplicantibus nobis dilectis fidelibus nostris civibus
Augustensibus, ut cum ipsi quasdam sententias sive jura pro
communi utilitate omnium in unum collegerint ac scripturarum
memorie comendaverint et adhuc ampliova et utilia cum prio-
ribus velint reponere et exinde codicem conlicere, nos tarn
scripta quam scribenda velimus autoritatis nostre munimine
confirmare, nos ipsorum precibus benignum prebentes jura sive
sententias scriptas et scribendas sub debito juramento confir-
matas presentis decreti munimine roboramus. Es ist möglich,
dass die Form und die Fassung dieses Artikels dem Herzog
Albrecht als fähig Missverständnisse zu erzeugen und bedenk
lich erschien und er ihn deshalb wegliess. Der Sache nach
sagt er im a. 1 dasselbe mit den Worten: und swa der richtaer
der stat reht und iren vreitum, diu sie von uns habent und
herbracht habent, angreifen oder uobergreifen wolde, des suoln
wir in bezzern .nach dem rate des rates ze Wienne. Factisch
befand sich die Stadt seit K. Rudolf in der Ausübung dieses
Rechtes. Viele Statuten geben davon Zeugniss und K. Fried
rich gestattete 1320, 21. Jänner (Rauch, Script. III. 15) der
Stadt Wien, in gleicher Weise wie K. Rudolf der Stadt Augs
burg, die Anlage eines Rechtsbuches, um daselbst einzutragen
alle die recht, die sie mit gemainem rat und pei dem aide,
328
T o m a s c li e k.
den sie uns gesworn habent, erfunden — zu einer ewigen
vestigunge aller der rechten, die daran gescliriben stent und
noch geschriben werdent (vergl. übrigens darüber auch Toma
sch ek, Deutsches Recht. S. 200). 1
Nach dem a. XVIII Rud. soll die tota communitas et
Universitas civitatis dem Richter und den Consuln mit Gut
und Blut bei der Erhaltung ihrer Privilegien, Rechte und
Freiheiten beistehen. Lorenz (S, 15) findet eine solche Bestim
mung in einer königlichen Urkunde sehr sonderbar — es sei
gerade so, als ob man schon vorher gesehen hätte, dass in
Bezug auf die enorme Machtstellung des Rathes allerlei Streitig
keiten und Schwierigkeiten entstehen könnten. Dieser Satz
erscheine bei den hohen Ansprüchen des Rathes wahrhaft ver-
rätherisch. Dagegen ist anzuführen, dass das Albrechtinische
Stadtrecht von 1296, wie wir oben nachgewiesen haben, dem
Rath ganz dieselbe Machtstellung mit denselben Worten ein
räumt, wie sie ihm Rudolf gegeben hat, dass aber Rudolf aller
dings Grund hatte, die gesammte Bürgerschaft, worunter hier
wohl die Armen, das ist die Handwerker und Innungen, zu
verstehen sind, aufzufordern, dem Rathe und dem Richter in
der Erhaltung dieser ihrer Handfesten beizustehen. Denn der
Schwerpunkt des ganzen durch die Privilegien verbrieften
Stadtrechtes und damit der Regierung der Stadt lag nach ihnen
in den Händen des Richters und des Stadtrathes, der aus den
cives potiores, den Erbbürgern und somit den Geschlechtern
gebildet wurde. Diese Mahnung an die Handwerker, die sich
bereits als politisches Element zu fühlen begannen, von jedem
Antheil an dem Stadtregiment aber noch ausgeschlossen
werden, erscheint mit Rücksicht auf die noch vielfach unge-
ordneten Zeitverhältnisse unter K. Rudolf durchaus nicht als
überflüssig, wie es vielleicht unter H. Albrecht der Fall sein
mochte, wo die landesherrliche Gewalt sich bereits stark genug
1 Darin liegt der Ursprung des in früherer Zeit sogenannten grossen Stadt
buches, das jetzt allgemein unter dem Namen Eisenbuch bekannt ist
und uns noch heutzutage im Wiener Stadtarchive erhalten ist. Noch im
J. 1819 wurde ein Je. lt. Hofkaramerdecret auf ausdrückliche Weisung
als authentische Interpretation des Privilegiums H. Albrechts III. von
1383, 2. Februar, über das Heimfallsrecht der Stadt Wien 1 , neben den
anderen Freiheiten und Privilegien daselbst eingetragen.
Die beiden Handfesten König Rudolfs I für die Stadt Wien.
329
fühlte, gewaltsame Störungen der Ruhe der Stadt durch poli
tische Bestrebungen wirksam zu unterdrücken (Vergl. auch
damit das S. 321 Gesagte). Diese Satzung klingt daher nicht
sonderbar, sondern ist eine natürliche Folge der Zeitverhält
nisse unter K. Rudolf.
In ähnlicher Weise ist auch der a. XXIII bei Rudolf
charakteristisch für die stürmischen und noch ungeklärten Ver
hältnisse, wie sie unter Rudolf herrschten. Er verspricht darin
binnen vierzehn Tagen jode von einer hohen oder niedrigen
Person den Bürgern zugefügte notorische Gewaltthat auf ihre
Bitte wieder gut zu machen (retractare); tliäte er es nicht, so
sollen sie das Recht haben, innerhalb und ausserhalb der Stadt
das ihnen angethane Unrecht nach der Eigenschaft des Ver
letzers selbst zu rächen. Die geordneteren Rechtsverhältnisse
unter II. Albrecht machten eine solche Sanctionirung der
Selbsthilfe überflüssig, wie sie unter K. Rudolf noch immer
Vorkommen musste und wirklich vorkam. So gab Rudolf den
Wiener Bürgern ausdrücklich das Recht, sich an den Bürgern
von Wels, Steier und Linz, die ihnen unrechtmässig Güter
und Sachen weggenommen hatten, dadurch eigenmächtig zu
regressireu, dass sie Güter und Sachen derselben, wo sie sie
träfen, sich aneignen und zu ihrem Nutzen verwenden dürften. 1
Wir hätten also hier eine praktische Illustration der deii
Wiener Bürgern ertheilten Begünstigung. Eine ähnliche Be
stimmung enthielt schon der Freiheitsbrief K. Ottokars für die
Stadt Tulln (Lorenz, Deutsche Gesell. I. 466). 2 Unter Herzog
1 Bo'dmann. Cod. epist. Kudolfi 238: universitatis vestrae uotitiae teuere
presentium volumus esse notum, quod nos dilectorum fidelium nostrornm
civium Wiennensium bonis et rebus eorum per cives et homines de
Welsa, Styra et Linza contra justitiam ipsis notorie et evidenter ablatis
indempnitati eonsulere cupientes eisdem plenam et liberam damus pre-
sentibus facultatem res, possessiones et bona civium et hominum civitatum
jam dictarum, ubicumque locorum illa cives nostri memorati repererint,
occupandi ac suis tamdiu juribus et usibus applicandi, quousque de
prefatis bonis ipsis ablatis indebite sufficientem acceperint recompensam.
Stratae tarnen regiae et communes transitus libertate, quam tarn in terris
quam in aquis ab omni violentia et illaesam esse praecipimus, semper
salva.
2 Quibus (juratis) etiam . . . damus firmiter in mandatis, ut ad nostras
aures personaliter deferant, si quos invenerint, qui jura prefate civitatis
330
T o ra a s c li e k.
Albrecht I. waren durch die Erstarkung der landesherrlichen
Gewalt solche Ausnahmsbestimmungeu wohl schon überflüssig,
die unter Rudolf die Ohnmacht der Staatsgewalt, dem Unrecht
zu steuern, noch nothwendig machte.
Der Artikel XXIV handelt von dem Verbote der Herbei
ziehung fremder Leute als Mundmannen. Auch er steht mit
den Verhältnissen im innigen Zusammenhänge. Da das Gesetz
noch nicht die Kraft hatte, den Einzelnen genügend zu schützen,
so hatte er den Trieb, seine Macht, auf die er allein ange
wiesen war, durch alle Mittel zu erhöhen. Man vergleiche da
mit den Landfrieden K. Rudolfs vom J. 1276 (Lambacher
a. a. 0. S. 119): Item districtissime inhibemus, ne quisquam
teneat homines alterius titulo, qui dicitur muntman (id est jure
protectionis), et si receptor per dominum requisitus non absol-
verit vel dimiserit sic reeeptum, solvet domino V libras, et äd
solutionem talis poenae et libci’ationem ipsius recepti receptor
per judicem compellatur.
So auch das Privilegium für Tulln (a. a. 0. I. 468). Item
nullus incola ejusdem civitatis alicui se debet subjicere eo
nomine, quod muntman vulgariter nuncupatur. Oesterr. Land
recht, a. 48: Es sol auch niemant dhaiuen muntman haben,
und wer si darüber hat, der sol si lassen, wenn er des er-
mauet wirt von seinem rechten herren, oder er müs geben
fünf phund, und sol der richter dem herren das gut intwingen
und sol auch darnach den mundman ledigen (Hasenöhrl a. a. 0.
S. 252. Vergl. darüber S. 97). Diese in den verschiedenen
Landfrieden (von 1325 c. 6. Mon. Germ. 4. 576. Oesterr.
Landfrieden Ottokars von 1250, Archiv für K. ö. G. I. 1, 57)
wiederholten strengen Bestimmungen gegen die Mundmann
schaft mochten doch endlich zur Ausrottung dieser Sitte ihre
Früchte getragen haben, so dass es Albrecht nicht mehr nöthig
fand, diesen Artikel in sein Stadtrecht aufzunchmen.
Im a. XXVIII gibt Rudolf den Wiener Bürgern das
feierliche Versprechen, alle Privilegien, die er ihnen übergeben
habe, nachdem er mit dem kaiserlichen Diadem gekrönt sein
werde, erneuern und mit der goldenen Bulle versehen zu wollen.
violare presumpseriut vel turbare, quorum lemeritdtem forsitan non suffi-
ciunt propriis viribus refrenare, ut hec nos.tra regalis potentia intercipiat,
prout necesse fuerit, remediis opportunis.
Die beiden Handfesten König Rudolfs I. für die Stadt Wien.
331
Lorenz (S. 15) macht die Bemerkung dazu, dass er sich
einer ähnlichen Bestimmung in einer Urkunde liudolfs nicht
zu erinnern wisse, und führt später ausdrücklich unter den
Bestimmungen, die unsere Urkunde in so hohem Grade ver
dächtig machen, auch dieses Versprechen über die Erneuerung
des Privilegs an.
Um die richtige Ansicht darüber zu gewinnen, ziehen wir
zwei Rudolfinische Urkunden herbei. Erstens ein Schreiben
Iv. Rudolfs vom 25. April 1278 (Böhmer, Reg.; Rymer I b ,
S. 169), worin er verspricht, bis er selbst mit dem kaiserlichen
Diadem geziert sein werde, alle Mühe anwenden zu wollen,
damit sein Sohn Hartmann mit Einwilligung der Wahlfürsten
zum römischen Könige genommen werde, dann einen mit der
Goldbulle versehenen Lehenbrief des Burggrafen Friedrich von
Nürnberg mit der Burggrafschaft Nürnberg (Böhmer, Reg. 109)
vom 4. April 1281, worin Rudolf ausdrücklich sagt, dass er
ihm dieselben Rechte, die er ihm früher unter einem wächser
nen Siegel verliehen hatte, nunmehr unter der goldenen Bulle
erneuere.
Daraus lassen sich folgende Schlüsse ziehen. Vorerst,
dass K. Rudolf im April desselben Jahres, in dem er zwei
Monate später unsere Urkunden ausgefertigt haben soll, sich
lebhaft mit der Absicht trug, sich zum Kaiser krönen zu lassen,
dann dass er Fragen von besonderer Wichtigkeit für das Reich,
die mit der Verfassung so innig Zusammenhängen, wie die
Wahl eines römischen Königs, sich nur nach Erlangung der
Kaiserwürde zu entscheiden für berechtigt hielt, endlich dass
er wirklich Privilegien, die er früher unter wächsernem
Siegel gegeben hatte, nachdem er später den Gedanken der
kaiserlichen Krönung aufgegeben hatte (über die Ursachen
siehe Böhmer’s Regesten, S. 54), unter Anhängung einer
goldenen Bulle erneuert habe. Nun mochte ihm die Frage
über die Reichsunmittelbarkeit der Stadt, über ihre dauernde
Lostrennung von dem Herzogthume Oesterreich und ihre Ein
verleibung ins Reich wichtig genug erscheinen, um ähnliche
Bedenken in ihm wach zu rufen, wie die in der angeführten
Urkunde. Angeregt durch die Tradition des Freiheitsbriefes
des Kaisers Friedrich II. für Wien vom J. 1237 mochte er
ferner die Rechte der Stadt Wien in derselben feierlichen
332
Tomascliek.
Weise haben bekräftigen wollen, wie es sein Vorgänger zu
wiederholten Malen gethan batte, z. B. in dem Privilegium für
Wien, für die Juden in Wien, für die Stadt Wiener-Neustadt (?).
Vielleicht wollte er auch Zeit gewinnen, um die Bürger für
den Gedanken der Belehnung seiner Söhne mit Oesterreich zu
gewinnen und sie zu bewegen, selbst der Reichsunmittelbarkeit
zu Gunsten seines Hauses freiwillig zu entsagen. Wie dem
auch sei, K. Rudolf hat auch später, als er den Gedanken der
Kaiserkrönung dauernd fallen liess, von der goldenen Bulle,
mit der sein Vorgänger im Reiche, K. Friedrich II., nicht ge
spart hatte und auch seine Nachfolger in ähnlichen Fällen
nicht sparten, 1 einen höchst mässigen Gebrauch gemacht. Unter
den sehr zahlreichen Urkunden, die uns von K. Rudolf er
halten sind, haben wir ausser den angeführten Fall nur noch
einen einzigen entdecken können, wo er Urkunden unter der
goldenen Bulle ausgestellt hat, und zwar in demselben Jahre
1281 (siehe Böhmer’s Reg. 1281, 4. April, S. 118). Fs ist dies
der Brief, mit dem er seine Söhne Albrecht und Rudolf mit
dem Herzogthum Oesterreich etc. belehnte, ein offenbarer Be
weis, dass der Gedanke, dass nur ein gekrönter Kaiser dazu
berechtigt sei, sich der goldenen Bulle bei seinen Ausfertigun
gen zu bedienen, noch immer seine Nachwirkung auf ihn
äusserte, als er den Gedanken an die Krönung schon längst
aufgegeben hatte. Das Versprechen der späteren Erneuerung
der Privilegien unter der goldenen Bulle ist daher so charak
teristisch für die persönlichen Ansichten K. Rudolfs über die
Rechte der königlichen Würde, dass es anstatt gegen die Ur
kunde b vielmehr für ihre Echtheit zu sprechen scheint. Ausser
dem liegt darin, wie wir später sehen werden, zugleich ein
wichtiger Anhaltspunkt, der uns über die einzige wirkliche
Schwierigkeit — der Unvereinbarkeit mehrerer Zeugen mit
dem Datum der Urkunde — in ungezwungener Weise hinüber
zuhelfen geeignet ist.
Wir kommen endlich zu dem a. XXIX über das Verbot
jedes Verkehrs mit dem wegen des crimen laesae majestatis
1 So gab K. Friedrich III. am 5. Juli 1460 der Stadt Wien, und am
13. Jänner 1493 den Städten Krems und Stein Stadtreclite unter der
goldenen Bulle.
Die beiden Handfesten König Rudolfs I. für die Stadt Wien.
333
und des Hochverratlies geächteten Paltram und seiner Familie
hei sonstiger ipso facto eintretender Ungültigkeit aller der
Stadt ertheilten Privilegien und Freiheiten. Das Factum ist
aus der Geschichte bekannt. Die ausführlichen Daten, die unser
Artikel darüber enthält, stimmen bis aufs Kleinste sowohl mit
dem, was wir über das Factum selbst aus Rudolfmischen Ur
kunden wissen, als auch mit der Form des über Paltram ge
schöpften Urtheils überein (man vergl. Böhmer, Urk. von 1278,
16. Juni, S. 93, und die Huldigungsbriefe vieler Wiener Bürger
von 1281, 12. Juni. Kurz, Oesterreich unter Ottokar, S. 194).
Auch hier kann uns die Vorliebe nicht entgehen, mit der
K. Rudolf sich an Anschauungen und Sätze des römischen
Rechts anzulehnen pflegte. Zugleich spricht die Aufnahme
dieser Bestimmung mächtig für das Datum unserer Urkunde,
da die Verurtheiluhg Paltram’s im Mai 1278 erfolgte und ihre
Einschaltung wohl dem frischen Eindruck über die Gefährlich
keit dieses Parteigängers verdankt, zugleich für die Umstände,
die zu einer vollkommen förmlichen und kanzleimässigen Aus
fertigung der Stadtprivilegien drängten.
PI. Albrecht I. hat diesen Artikel in seinem Stadtrecht
von 1296 bereits weggelassen. Der rastlose Freund K. Ottokars
und unversöhnliche Feind K. Rudolfs, der alte dominus Paltra-
mus ante cimeterium sancti Stephani, war in diesem Jahre
bereits todt. Seine Söhne hatten sich mit dem neuen Regimente
versöhnt und waren von Albrecht begnadigt zu ihren Be
sitzungen und Erbgütern in und um Wien zurückgekehrt. So
stiftet 1294, 1. Sept., Pilgreim, herrn Paltram’s sun, bereits in
der Abtei Heiligenkreuz einen Jahrgang, auch wird sein
Bruder Heinrich in der Urkunde erwähnt (Urkb. des Stiftes
Heiligenkreuz. Fontes XI. 272). Im J. 1297 bestätigen der
judex Perhtoldus consulesque jurati civitatis Wiennensis, dass
dominus Pilgrimus miles, concivis noster, filius quondam dom.
•Paltrami ante cimeterium sancti Stephani in ehehafter Notli
der Herzogin Elisabeth von Oesterreich 8 Talente jährlicher
Gülten in Gumpendorf verkauft habe (Stiftungsbuch des Klosters
St. Bernhard. Fontes VI). Es erklärt sich daraus auch, dass
im Eisenbuche und in den meisten Wiener Rechtshandschriften
dieser Artikel weggelassen ist, da, wie gesagt, die Eintragung
der Urkunde b in jenes erst nach dem J. 1360 erfolgte.
334
Tomascliek.
So erklärt sich demnach die Weglassung der blos bei
Rudolf und nicht bei Albrecht erscheinenden Artikel in natür
licher Weise; statt die Glaubwürdigkeit unserer Urkunde zu
schwächen, bekräftigen sie sie vielmehr durch ihren innigen
Zusammenhang mit den Zeitverhältnissen unter K. Rudolf und
sind zugleich ein sprechender Beweis gegen die Annahme,
dass wir es hier mit einem Entwürfe der Bürger zu thun haben.
In Form und Inhalt sind sie so charakteristisch nur im Munde
Rudolfs denkbar, enthalten so unverkennbar das Gepräge seiner
eigenen, individuellen und persönlichen Entscheidung, dass sie
unmöglich von den Bürgern ausgegangen sein konnten.
Durch diese eingehende Untersuchung hoffen wir den
überzeugenden Beweis erbracht zu haben, dass alle gegen die
Urkunde b und ihren Inhalt geltend gemachten sachlichen
Bedenken ungegründet sind, dass sic grösstentheils in ihr
Gegentheil Umschlagen und die Kraft positiver Beweise für
ihre Echtheit erlangen. Wir sind zuweilen vielleicht ausführ
licher gewesen, als es nothwendig war. Allein es lag uns daran,
den gänzlichen Ungrund derselben in ein so klares Licht als
möglich zu stellen und uns zugleich dadurch einen sicheren
Boden zu schaffen, von dem aus wir nunmehr ohne Anstand
diese wichtige Urkunde als Grundlage für die Erkenntniss des
städtischen Rechtslebens Wiens und damit auch eines grossen
Theils des österreichischen Städtewesens in diesem Jahrhundert
zu betrachten berechtigt sind.
Urkunde a.
Leichter gestaltet sich unsere Aufgabe rücksichtlich der
Urkunde a. Diese Urkunde, deren Inhalt eigentlich eine Rechts
ordnung für die bürgerliche und peinliche Rechtspflege, eine
wahre ,forma juris' ist, bewegt sich ganz auf Grundlage des
Leopoldinums vom J. 1221, hat jedoch, was Lorenz nicht
beachtet hat, nicht mehr dieses, sondern das auf derselben
Grundlage ausgearbeitete, jedoch bereits wesentliche Aende-
rungen enthaltende Stadtrecht II. Friedrichs II. für Wien zur
unmittelbaren Vorlage. Diesen beiden Stadtrechten gegen
über enthält sie allerdings bedeutende Modificationen im Sinne
der Stadtfreiheit. Das städtische Rechtsleben war unter relativ
Die beiden Handfesten König Rudolfs T. für die Stadt Wien.
335
günstigen Umständen für seine Entwicklung in diesen sechzig
Jahren eben nicht stille gestanden. Die in dem bürgerlichen
Elemente ruhende Triebkraft hatte an Selbstständigkeit ge
wonnen, und das, was im' Anfänge dieses Jahrhunderts statt
fand, war gegen Ende desselben bereits ein überwundener
Standpunkt in den Stadien der städtischen Rechtsentwicklung.
Es darf uns daher nicht wundern, wenn dem Rathe der Bürger,
dessen Theilnahme an der Gerichtspflege eine immer ent
schiedenere und geordnetere Gestaltung gewinnt, auch ein ver-
hältnissmässiger Antheil an den Gerichts strafen, Wandeln und
Bussen gesetzlich zuerkannt wird, während die gerichtlichen
,Wandel (emendae)' früher ausschliesslich dem Richter zufielen.
Es ist dies eine ganz natürliche Entwicklung, von der wir im
XIII. Jahrhundert fast in allen Stadtrechten Spuren antreffen,
und man hat daher gar keinen Grund, die Urkunde a deshalb
für noch bedenklicher zu halten, als die Urkunde b, ,weil sie
die weitaus empfindlichsten Einschränkungen der landesfürst
lichen Rechte enthält, weil durch sie eine Anzahl von Buss
geldern der herzoglichen Kammer entzogen wurden, und Be
träge , auf welche der Fiscus Anspruch hatte, ohneweiters in
usum civitatis zuerkannt werden'.
Aber abgesehen von dieser Erwägung befinden wir uns
auch in der glücklichen Lage, durch unläugbare und urkund
lich constatirte Beweise den positiven Nachweis bis ins Kleinste
zu führen, dass diese Urkunde 1. von K. Rudolf ausgegangen
sei, und 2. dass die in ihr enthaltenen Satzungen gegen das
Ende dieses Jahrhunderts als praktisches Recht in Wien ge
golten haben.
Da ist es zuerst die im Wiener Stadtarchive im Originale
erhaltene Urkunde des Grafen Albrecht von Habsburg vom
J. 1281, 24. Juli (abgedruckt unter anderen bei Lambacher,
Interr. 189), worin er als primogenitus Rudolf! regis Romano
rum und vicarius generalis per Austriam et Styriam ,gewaltiger
und gemainer Verweser über Osterrich und über Steir' nach
dem Rathe der Landherren und unter Herbeiziehung der Bür
ger von Wien die Niederlagsrechte fremder Kaufleute in Wien
ordnet. Do beweist uns der rat von der stat ze Wienen,
daz sie alt hantfeste habent gehabt von cheisern und
von den fürsten ze Osterrich, die in unser herre und
336
Tomasclie k.
unser werder vater chunich Rudolf erneuet und be-
staetet bat mit sinen hantfesten; an denselben hantfesten
do stunt an under andern saetzen und under andern artikelu,
das weilen ein niderleg da ze Wienen ist gewesen, deu also
gemacbet was und gescbriben von wort ze wort.
Hierauf folgt eine wörtliche Uebersetzung der A. 50 und
51 der Urkunde a, die wir hier zur Vergleichung sowohl mit
den Rudolfinischen Artikeln selbst, als auch mit den betreffen
den Artikeln des Leopoldinums von 1221 und des Stadtrechtes
Herzog Friedrichs II. für Wien vom Jahre 1244 in Gegenüber
stellung folgen lassen.
Leopold 1221 und
Friedrich II. 1244.
a. 23. a. 23.
Nulli civium de Swevia vel
de Ratispona vel de Patavia
liceat intrare cum mercibus
suis in Ungariam.
Quicumque contrarium fe-
cerit, solvat nobis duas
raarcas auri.
Nemo etiam extraneorum
mercatorum moretur in ci-
vitate cum mercibus suis
ultra duos menses, nec ven-
dat merces, quas adduxit,
extraneo, sed tantum civi.
Et non emat aurum neque
argentum. Si habeat aurum
vel argentum, non vendat
nisi ad cameram nostram.
IC. Rudolf 1278.
a. 50.
Item nulli ho min um de
Suevia vel de Ratispona
vel Patavia vel d-e terris
aliis quibuscumque li
ceat intrare cum mercibus
suis in Ungariam; sed via
regia in Viennam pro
cedat tantummodo et
deponat ibi per singula
m e r c e s s uas. Quicumque
non fecerit, solvat civitati
duo talenta auri.
a. 51.
Nemo etiam extraneorum
mercatorum moretur in
civitate cum mercibus suis
ultra duos menses, nec ven-
das merces suas extraneo,
quas adduxit, sed tantum
civi; ita si civis easpro
foro emere voluerit
competenti. Si habet aurum
vel argentum, non vendat
nisi ad camcram nostram.
Graf Albrecht 1281.
.... Ez enschol deheinem
men sch en urlaublich sein
von Swabcn, noch von Re-
genspurch, noch von Pazzau
noch von andern landen
ze varen mit sinem cliouf-
schatz hinz Ungern; sie
scliuln mit ir chouf-
schatz varen die rehten
lantstrazze an Wienne
und schulen doircliouf-
schatz allen niderle-
gen; swer do engegen taet,
dersolder statzeWienne
ze puoz geben zwai phunt
goldes.
.... Ez schol ouch deh ein
vromder choufman ze Wienen
lenger beleihen mit sinem
choufschatz denne zwen ina
nen und sol sinen chouf
schatz niemen verkaufen,
denne einem purger ze
Wienen; also ob der pur
ger mit im zeitlich
choufen welle. Er en
schol ouch nilit choufen golt
noch Silber; hat er golt oder
silber, daz schol er ver-
choufen ze unser chamer.
Die beiden Handfesten König Rudolfs I. für die Stadt Wien.
337
In den durch gesperrten Druck hervorgehobenen Stellen
und Zusätzen weicht dennoch Rudolf wesentlich von Leopold
und Friedrich ab, und Albrecht scliliesst sich ihm hierin
aufs Genaueste an.
Wie kann demnach Lorenz S. 26 sagen: ,Man sieht, es
ist diess die wörtliche .Uebersetzung von §. 49 und 50 (nach
Gaupp’s Eintlieilung, bei uns a. 23) des ältesten Leopoldinischen
Stadtrechtes, deren Bestimmungen auch in die uns vorliegende
Urkunde König Rudolfs übergegangen sind?'
Damit wäre nun allerdings nur die Echtheit eines ver-
hältnissmässig kleinen Theils der Rud. Urkunde a, nämlich
der a. 50 und 51 erwiesen, und der Beweis für die Echtheit
der übrigen Artikel noch zu ergänzen. Diesen bieten uns in
einer Vollständigkeit, die nichts zu wünschen übrig lässt, zwei
im Originale im Kremser Stadtarchive erhaltene, unzweifelhaft
ächte Urkunden Herzog Rudolfs III. vom 24. Juni 1305, worin
er seinen Bürgern in Krems und Stein dieselben Rechte ertheilt,
die sein Grossvater König Rudolf und sein Vater König
Albrecht der Stadt Wien verliehen haben. Wir müssen
auf diese merkwürdigen Urkunden, die bisher so gut wie gar
nicht, trotz ihrer ungemeinen Bedeutung für das Wiener Recht
beachtet wurden, näher eingehen.
Es sind dies zwei auf übergrossen Pergamentbogen (auf
einer Seite) geschriebene Urkunden in deutscher Sprache, wie
gesagt vom Herzog Rudolf III., beide von demselben Tage
1305 an sand Johanestach zu Sonnewenten, somit vom 24. Juni
datirt — demselben Tage, an dem auch die entsprechenden
zwei Urkunden König Rudolfs I. für Wien erlassen sind (Ist
dies Zufall oder Absicht -— jedenfalls ein merkwürdiger Zufall!)
mit den hängenden wohlerhaltenen Reitersiegeln H. Rudolf’s
in Wachs, von denen die erste sich Artikel für Artikel
in einer ganz treuen Uebersetzung an die Urkunde
König Rudolfs I. für Wien, die wir mit a bezeichnet
haben, anschliesst, während die zweite die Handfeste
II. Albrechts vom Jahre 1296 zur Grundlage hat. Rauch,
Script. III., 359 ff. theilt aus einer Bestätigung mit wörtlicher
Inserirung derselben in dem Stadtrecht K. Friedrichs III. für
diese Städte von J. 1493, 13 Jänner unter der goldenen Bulle
nur den Eingang und die Schlussformel mit, während er für
Sitzungsber. d. phil.-liist. CI. LXXXIII. Bd. II. Ilft. 22
338
1' o in a s o li e lc.
die erste Urkunde auf das Stadtrecht H. Friedrichs II. für
Wien vom J. 1244 verweist, indem er der irrigen Ansicht ist,
sie sei blos eine Uebersetzung- dieses Stadtrechtes ins Deutsche.
Doch schon Würth, Stadtrecht von Wiener-Neustadt S. 15, er
kannte ihren richtigen Charakter als eine Uebersetzung der
von K. Rudolf I. der Stadt Wien in dem Privilegium vom 20.
(recte 24.) Juni 1278 verliehenen Rechte, also unserer Urkunde a.
In neuerer Zeit hat Ivinzl in seiner sonst verdienstlichen Chronik
der Städte Krems und Stein S. 482—491 sehr lückenhafte Bruch
stücke aus beiden Urkunden mitgetheilt. 1 Die Urkunden selbst
sind in extenso noch nicht gedruckt, und wir haben sie wegen
ihrer hohen Bedeutung für das Wiener Stadtrecht unsere]- Heraus
gabe und Bearbeitung desselben einverleibt.
Es fehlen darin blos jene Artikel des Privilegiums König-
Rudolfs I., die sich speciell auf Wien, namentlich als Stapel
platz und auf den Verkehr mit fremden Kaufleuten beziehen,
also die Artikel 49, 50, 51, 62, dann der Artikel 58 über
Massenexcesse (davon später), dann Schlussformel und Datum
a. 63 und 64. Lorenz hat S. 18 diejenigen Punkte richtig
hervorgehoben, in denen die Urkunde a K. Rudolfs I. für Wien
von dem Leopoldinum von 1221 abweicht, aber in dem darin
dem Rathe und den Bürgern eingeräumten Einfluss auf die
Gerichtsbarkeit und dem ihnen gewährten Antheil an den
Gerichtsbussen unerhörte Ansprüche des Stadtrechtes erblickt,
die ihnen K. Rudolf unmöglich zugestanden haben konnte, und
die daher für die Unechtheit der Urkunde als Rudoliinum
sprechen. Sie könnten daher nur den Ausdruck der Wünsche
und Ansprüche der Bürger enthalten, somit eine Vorlage der
Bürger an PI. Albrecht, der ihnen aber dieselben in keiner
Urkunde bestätigt habe.
1 Zu welch komischen Missverständnissen oft die einseitige Betrachtung
einer Urkunde Anlass gibt, beweist Kinzl, indem er in dem Artikel 57 der
zweiten Urkunde: Swer an uberhuer mit eines andern manes chann
begriffen wirt, daz sol der richter nicht richten, nur der techant oder
der pfarrer von den steten (Rudolf I. Urk. a. Art. 57: Quicumque depre-
hensus fuerit in adulteris cum uxore alterius viri, secularis judex non
judicet sed plebanus illius civitatis) fälschlich für uberhuer — uberfuer
liest und den Artikel S. 18 so erklärt: ,Wer mit einem fremden Kahn
überfährt, werde nicht vom Richter sondern vom Pfarrer oder Dechant
gestraft 4 .
l)ie beiden Handfesten König Rudolfe 1. für die Stadt Wien.
339
Dieser Behauptung gegenüber können wir uns einfach
darauf beschränken, die entsprechenden Artikel in der Rud.
Urkunde a für Wien und in der Kremser Urkunde, welche
erstere Lorenz ausdrücklich so bedenklich findet, gegenüber
zu stellen. Sie sollen zugleich als Proben dafür dienen, dass
das Gesagte, dass die letzteren sich treu an die ersteren an-
scliliessen und nur eine Uebersetzung sind, richtig ist.
a. 3. K. Rudolf I. Wien.
(Vgl. §. 5. Leopold nach der
Eintheilung Gaupp’s II. 238.)
. . . Si autem homicida deces-
serit, antequam in proscrip-
tionem deveniet, ita quod de
rebus suis nichil disponat, omnes
res sue per ordinationem con-
sulum civitatis reserventur an-
num et diem.
K. Rudolf I. a. 6.
(Vgl. §. 8. a. a. O.)
. . . res autem sue sub testi-
monio virorum idoneorum a
judice civitatis et considibus sub
interdicto ponantur —
a. 10. (Vgl. §. 11 a. a. 0.)
. . . nichilominus ejiciatur de
civitate et a terminis civitatis,
nullo unquam tempore sine licen-
tia consulum reversurus.
a. 23. (Vgl. §. 23 a. a. 0.)
. . . persona et res stent in
ordinatione et potestate con
sulum et judicis civitatis.
a. 3. Krems. H. Rudolf III.
. . . Ob aber der manslecke
entweichet, e daz er in die
echt chom und sines dinget
nicht enschaffet, alles sein
gut werde behalten nach
dem gescheffte des rates
der stett jar und tach.
H. Rudolf III. a. 6.
. . . und sol sein gut werden
gezogen van dem richter
in vrongewalt 1 mit urchund
dreier erber manne —
a. 10.
. . . und er sol dannoch die stat
raumen und bei dem ende
ninder beieiben, also daz er
nimmer darwider chom an Ur
laub und än willen des
rates der stet.
a. 23.
. . . sein leib und sein gut beste
in dem gescheft des rats und
des richtersvan den steten.
Hier ist allerdings nur von der Frolmgewalt des Richters die Rede. Die
Frohngewalt des Richters ist aber die des Gerichtes. Das Gericht be
stellt aus dem Richter und den Consuln.
22*
340
Tomaschek.
a. 26. (Vgl. §. 25 a. a. O.)
. . . volumus, ne (communes
muliei;es) ab aliquo indebite
offen dantur, sed offen's'or pro
qualitate offense ad arbitrium
consulum corrigatur.
a. 28. (Vgl. §. 27 a. a. 0.)
. . . quorum quinque talenta
judex recipiat, alia vero quin
que in usus civitatis redigantur.
a. 30. (Vgl. §. 28 a. a. 0.)
. . . det judici decem talenta
et in usus civitatis similiter de
cem libras.
a. 37. (Vgl. §. 36 a. a. 0.)
. . . decem talenta det judici
et. usibus civitatis.
a. 40. (§. 39 a. a. 0.)
. . . judici et civitati det decem
libras vel manum amittat.
a. 47. (§. 46 a. a. 0.)
. . . si autem nemo venerit,
medietas bonorum suorum in
usus civitatis et alia medietas
pro sua anima impendatur.
a. 46. (§. 43 a. a. 0.)
. . . si vero pueri annos dis-
cretionis nondum habeant, con- I
a. 26.
. . . Swer seu (die gemeinen
Weiber) aber laidigt, der sol
werden nach der laidigung mit
der wal des rates gebuzzet.
a. 28.
. . . der nemt der richter fum-
feu, und deu andern fumfeu
werden getan zu dem nutze
der stat.
a. 30.
... so geb dem richter zehen
pfunt und zu der stat zehen
pfunt.
a. 37.
. . . der geb dem richter zehen
pfunt und ze nutz den steten
zehen pfunt.
a. 40.
. . . der geb dem richter und
den steten zehen pfunt oder
er verlieze ain hande.
a. 47.
. . . Chumt aber niemen, so
sol man halben tail seines gutes
zu nutze der stat vertuen
und daz ander halb tail seiner
sele willen geben.
a. 46.
. . . Und habent aber die chind
ir beschaiden jar nicht, so sol
Die beiden Handfesten König Rudolfs I. für die Stadt Wien.
341
sules civitatis ipsos pueros et
ornnia bona eorum assignent
alicui amicorum suorum idoneo
et fideli, qui bonis presit et
pueris provideat pulchro modo.
der rat van derselben stat
dieselben chinde und als ir guet
emphelhen ainem irem vreunde,
der erber und getreue sei, und
der den chinden vor sei und
sei besehe treuleich und schon.
Kann man nach den hier mitgetheilten Proben an der
Aechtheit der Rud. Urkunde a noch zweifeln?
Jedenfalls war sie am Schluss des XIII. Jahrhunderts in
Wien geltendes Recht.
Schon der Eingang der Urkunde H. Rudolf III. stimmt
im Ganzen und in einzelnen Sätzen mit jenem der Urkunde a
wörtlich überein.
König Rudolf I. Wien.
Cum vota fidelium gratiose
prosequitor regie benignitatis
applausus, ipsius famosius in-
signitur immensitas et in cultu
continuo principalis honoris ac-
cenditur rutilantius fides et de-
votio subditorum; excellentia
namque principum eo potius
proficit et ascendit ad culmina
potestatum, quo largius pro-
fectui populorum consulit libe-
ralitas et munificentia pre-
sidentis.
Herzog Rudolf III. Krems.
Swenne die gnaden und die
gunst furstleichen eren der ge
treuen undertan gebet und
willen genedigleichen erhöret,
so wirt ir werdichait dester
baz gehohet und gebreiset, und
der undertan treue und andacht
wirt dester leichter enzundet
an steter fuedrung fuerstlicher
eren, w‘and der wertleich ane-
vanch cliumt und steiget dester
mechtichleicher zu der hohe
des gewalts, swenne des fürsten
vreitum und milt des volches
vreitum liepleich sterchet unde
meret.
Weiter sagt Rudolf III. ausdrücklich:
. . . Wir erneuern und bestetigen denselben allen unsern
lieben purgern, armen und reichen, von Chrems und von Stain
alle die recht und alle die genad, die sie gehabt habent unz
an uns, und ze wirden ir gerden (für geernten = verdienten)
treuen van unsern sunden genaden so geben wir zu den alten
rechten denselben steten andere neue recht, die Wienner
342
Tomasche k.
habent und in gegeben sint von unserm enen cbunicb
Rudolfen und van unserm vater chunicb Albrecbten
von Rome. Und am Schlüsse der Urkunde . . . als sei unser
purger van Wienne herbracht haben van uns er n
vordem und van uns. Und am Schlüsse der zweiten Ur
kunde: als seu unser erbern purger von Wienne her
bracht habent von alten furstep, van unsern vordem
und auch van uns, und auch noch habent.
Der a. 54 Rud. a kommt in der Kremser Urkunde nicht
vor. Da dieser Artikel in dem bisher blos bekannten Lam-
bacherischen Abdruck dieser Urkunde äusserst lückenhaft und
entstellt ist und daher auch zu Missverständnissen Anlass
gegeben hat, so lassen wir ihn hier in seinem correcten aus
der Handschrift der Wiener Hof bibliothek und der der Lübecker
Stadtbibliothek verbesserten Wortlaut folgen.
De magnis causis. Statuimus etiam, ut omnis excessus
summe nocivus 1 et enormis, qui nobis in Austria constitutis in
potiores a potioribus perpetratur, correctioni regie juxta nostre
discretionis arbitrium post emendam judicis debeat subjacere,
nobis vero extra limites Austrie positis, hujusmodi correctionis
et pene vallatio juxta decreta consulum usibus civitatis pleno
plenius impendatur.
Der Sinn dieses Artikels ist einfach der, dass Massen-
excesse, grosse durch Fehden der mächtigeren Bürger in der
Stadt herbeigeführte Störungen der inneren Ruhe nicht blos
dem Richter gebiisst sondern auch nebenbei noch vom Könige
bestraft werden sollen, so lange er in Oesterreich sich befindet.
Ist dies nicht der Fall, so soll die Grerichtsbarkeit der Bürger
in derselben Weise eintreten wie bei andern Verbrechen.
Er steht daher ganz mit den aufgeregten und noch un
geordneten Rechtszuständen unter König Rudolf im Einklänge
und musste endlich wegfallen, als mit der Kräftigung der
Landeshoheit geordnetere Rechtszustände eintraten, und zugleich
die Macht des Stadtrathes über die Bürger erstarkt war. Im
Leopoldinum und im Stadtrecht H. Friedrichs II. v. J. 1244
hatte sich noch in einer Reihe von Fällen, besonders wenn es
1 Es ist allerdings nicht recht klar, ob summe als Genitiv von excessus
abhängig oder als Dativ zu nocivus gehörig aufzufassen sei.
Die beiden Handfesten König Rudolfs I. für die Stadt Wien.
343
sich um mächtigere und Bürger höheren Standes handelte, der
Landesfürst seine höchst persönliche Gerichtsbarkeit Vorbehalten
z. B. a. 2. Si talis persona fuerit (bei schweren Verwundungen)
ipsum etiam volumus judicare — Si magne et honestiori persone
id acciderit, nostrum etiam non desit judicum — Si talis
persona fuerit, nostram etiam obtineat gratiam. a. 4. Si honestiori
persone acciderit, obtineat etiam gratiam nostram. a. 9. (Bei
der Heimsuchung), et nostrum super hoc experiatur judicium
a 13. (bei Injurien). Si vero tanta ac talis persona fuerit, nostro
etiam ipsum volumus astare judicio. a. 26. (Bei falschem Masse.)
Si talis persona fuerit, nobis volumus, ut emendet. Alle diese
Fälle sind in dem Privilegium K. Rudolfs I., das die Gleich
heit aller Bürger vor dem liechte herzustellen bestrebt ist,
bereits weggefallen. Nur in diesem einzigen Falle, bei massen
haften und gefährlichen Ruhestörungen in der Stadt, hat er
sich noch ausnahmsweise persönlich die Judicatur Vorbehalten.
Aber auch in diesem Falle ist bereits der Uebergang zur aus
nahmslosen Gerichtsbarkeit des Stadtrathes über alle Einwohner
der Stadt angebahnt.
Es ist daher nicht gerechtfertigt, wenn Lorenz S. 20
allerdings auf Grundlage des verstümmelten Textes über diese
Stelle bedenklich den Kopf schüttelt und findet, dass sich nicht
leicht eine fatalere Bestimmung für den nachherigen Landes
fürsten denken lässt als eine solche Verzichtleistung des Königs
auf die hohe Gerichtsbarkeit, und dass sic recht im Gegensätze
gegen Albrechts Regiment gemacht worden zu sein scheine.
Auch in dem Stadtrecht H. Albrechts II. vom J. 1340
finden wir in den Artikeln 77, 78 und 80 noch Fälle, wo er
sich seine persönliche Jurisdiction vorbehält. Namentlich hat
a. 78 Albr. mit dem a. 54 Rud. eine grosse Aehnlichkeit.
Aber vielleicht haben diese bösen Bürger von Wien auch
H. Rudolf III. zu täuschen gewusst, haben ihm ihre Rechts-
projecte als die ächten Urkunden K. Rudolfs I. vorgelegt. Es
ist kaum nötliig, diesen Gedanken ernsthaft zu ventiliren.
K. Albrecht, der Vater FI. Rudolfs III. lebte noch, nahm auch,
als er als deutscher König die Verwaltung von Oesterreich
seinem Sohne Rudolf gab, auf die Regierung des Landes häufig
einen unmittelbaren Einfluss. Er musste wohl die echten Ur
kunden K. Rudolfs I. vom J. 1281 her kennen, auf die die
344
Tomasch ek.
Stadt 12S8 feierlichst Verzicht geleistet und die er gewiss
1296 bei Abfassung seines Stadtrechtes im Auge hatte. Wenn
daher H. Rudolf III. im J. 1305 den Inhalt der Kremser Ur
kunden als ein den Wienern von K. Rudolf I. und von
Albrecht I. gegebenes Recht bezeichnet, so ist es doch wohl
nicht denkbar, dass er das Opfer einer von den Bürgern aus
gegangenen frechen Impostur gewesen sei. Oder ist es glaublich,
dass die Landherren, die auf den Kremser Urkunden als Zeugen
erscheinen, von denen einige zugleich Zeugen des Privilegium
H. Albrechts I. vom J. 1296 waren, z. B. Graf Berchtold von
Hardeck, Leutold von Chunring der Schenk, Stephan von
Meissau der Landesmarschall (welche zwei letzteren sogar auch
in dem Privilegium K. Rudolfs I. vom J. 1278 b aufgeführt
sind — auch das Stadtrecht Albrechts von 1296 hat mit dieser
Urkunde Otto von Haslau den Landrichter, Otto von Perch-
toldsdorf den Kämmerer und Konrad Pilichdorf gemein) sich
so leicht hätten täuschen lassen, ohne den H. Rudolf III. darauf
aufmerksam zu machen?
Die Kremser Urkunden liefern uns daher durch ihre
vollkommene Uebereinstimmung mit der Urkunde a einen
unwiderleglichen Beweis, dass die Satzungen der letzteren in
Wien als Recht galten und der Stadt von K. Rudolf I. verliehen
worden sind. Die oben bezeiclineten Artikel der Urkunde a,
die in den Kremser Urkunden weggeblieben sind, beziehen
sich auf die specifischen Verhältnisse der Stadt Wien als Stapel
platz, und überdies ist uns die Zugehörigkeit zweier von
diesen Artikeln, nämlich der a. 50 und 51 zu dieser Urkunde
durch die Urkunde des Grafen Albrechts vom J. 1281 bezeugt.
Damit ist jedoch ihre hohe Bedeutung für die Rechts-
geschichtc Wiens noch nicht erschöpft. Es lassen sich aus
ihnen noch zwei andere Schlüsse ableiten, die denen, die wir
bereits aus ihnen gezogen haben, an Wichtigkeit nicht nachstehen.
Die Kremser Urkunde a sagt nämlich ausdrücklich, dass
nicht blos K. Rudolf I., sondern auch Albrecht den Wienern
diese Rechte gegeben habe. Das Stadtrecht H. Albrechts
vom J. 1296 schloss sich in seinem Gange an die Urkunde
K. Rudolfs I. b an, die wieder eine Erweiterung des Friederi-
cianum enthielt. Von einem Privilegium H. Albrechts, das sich
aber an das Leopoldinum respective die Urkunde a K. Rudolfs I.
Die beiden Handfesten König Rudolfs I. für die Stadt Wien.
345
anschlösse, ist uns nichts bekannt. Keine Aufzeichnung weder
im Originale noch in Abschrift hat sich uns erhalten, und es
scheint fast darin eine Bestätigung der Erzählung des Reim
chronisten zu liegen, dass H. Albrecht alle Privilegien der
Wiener, die eine Beeinträchtigung der herzoglichen Kammer
auch nur um 10 Pfennige enthielten, ihnen ins Angesicht
zerrissen habe (Pez. Script, rerum austr. S. 571).
Die bantvest man all laz:
Und waz der waz,
An den man macht gechiesen,
Daz daran mocht verliessen,
Der Fürst mit ainem ding
Gegen zehen phening,
Der liez er dhain nicht,
Er zart sey zu ir Angesicht,
Die ander gab er in wider.
Schon Lorenz hat nachgewiesen, wie unzuverlässig die
Erzählung des Reimchronisten über den Aufstand der Wiener
sei, und wie wenig sichere Anhaltspunkte sich aus ihr für die
Geschichte der Wiener Stadtrechte gewinnen lassen. Halten wir
uns jedoch an das Stadtrecht H. Albrechts vom J. 1296 selbst, so
weist schon dieses nach seinem Vorbiide, der Rud. Urkunde b auf
eine Rechtsordnung (forma juris) hin, die den Wienern über
geben worden sei a. 18. Sie (die ratgeben) suoln auch swercn
besunderlich, daz sie gaenzlich und getreuelich den orden
und deu rechtichhait behalten, die in beschaiden,
gegeben und zusammengevuoget hintan den hau tvesten.
(Eine wörtliche Uebersetzung von Rudolf b a. 11 et jurabunt
specialiter, quod formam in privilegiis expressam, ipsis traditam
et confectam integre et fideliter observabunt.) Dass damit bei
Rudolf nicht der Inhalt der Urkunde b selbst gemeint war,
sondern vielmehr eben die Urkunde a, geht aus der Vergleichung
der oben bereits S. 322 angeführten Urkunde K. Rudolfs vom
1. Dez. 1277 hervor, die für Wiener-Neustadt ungefähr dieselben
Freiheiten enthält, wie die Urkunde b für Wien, bei dem
betreffenden Passus über die Verfassung des Stadtrathes aber
sagt: Cives respondebunt coram Nobis vel suo judice secundum
formam juris civitatis Wiennensis; womit offenbar das Privile
gium K. Rudolfs für Wien und zwar a gemeint ist. Daraus
346
T o m a 8 c li e k.
lässt sich beinahe mit Gewissheit schliessen, dass H. Albrecht
der Stadt Wien nicht blos das uns bekannte Privileg vom
J. 1296, das sich an die Urkunde b Rudolf anschloss, sondern
noch ein zweites Privileg auf Grundlage der Urkunde a Rud.
und zwar beide in deutscher Sprache wahrscheinlich an dem
selben Tage übergeben habe, das sich übrigens viel getreuer
an seine lateinische Vorlage (Urk. a) anschloss, als das uns
von ihm erhaltene Stadtprivilegium an die Urkunde b.
Bringt man nun die Kremser Urkunde a damit in Ver
bindung, die ausdrücklich von einer Verleihung der darin
enthaltenen Satzungen durch H. Albrecht spricht, und ergänzt
man die wenigen aus der Urkunde a Rudolf nicht aufgenom
menen Artikel, die sich auf Wien als Stapelplatz beziehen,
aus dem Stadtrechte H. Albrechts II. für Wien vom J. 1340,
so hat man wohl wörtlich den vollständigen Inhalt des Privi
legiums H. Albrechts I. H. Albrecht hat demnach beide
Privilegien K. Rudolfs a und b ins Deutsche übertragen,
sie bestätigt und mit mehreren neuen Bestimmungen
und Freiheiten vermehrt. Es könnte auffallen, warum wir
von diesem zweiten Stadtrechte H. Albrechts nicht die mindeste
Kunde haben. Schon aus der Lage der Verhältnisse lässt sich
von vorneherein schliessen, dass II. Albrecht die Stadt Wien
nicht ohne irgend eine Rechtsordnung gelassen, sei es auch
nur, dass er ihr auf Grundlage ihrer praktischen Rechtspflege
das alte Leopoldinum bestätigt habe, dass es aber nicht dieses
sondern die Urkunde a K. Rudolfs gewesen sei, geht eben aus
den Kremser Urkunden hervor. Uebrigens lässt es sich auch
erklären, wie dieses Privilegium in Vergessenheit gerathen ist.
Herzog Albrecht II. bestätigte und ,verschrieb' nämlich am
24. Juli 1340 den Wiener Bürgern auf ihre Bitten ,ir statrecht,
als hernach van wart ze wart geschriben stet'; und die Ver
gleichung mit den Kremser Urkunden zeigt augenscheinlich,
dass sein Stadtrecht nicht etwa ein neues Wiener Stadtrecht
enthalte, sondern nur das alte Wiener Stadtrecht wörtlich
verzeichnet. Durch diese neuerliche Aufzeichnung und Bestä
tigung seinem vollen Inhalte nach wurde demnach das alte
Privilegium PI. Albrechts I., abgesehen von seinem historischen
Werthe, praktisch ganz werthlos und wir finden es daher auch
in dem im J. 1320 angelegten Eisenbuche, dem die meisten
Die beiden Handfesten König Rudolfs I. für die Stadt Wien.
347
Wiener Rechtshandschriften folgen, und in welches die Ur
kunde b K. Rudolfs’ I. und das Stadtrecht Albrechts I. vom
J. 1296 erst nach dem H. Albrechts II., also nach dem J. 1340
eingetragen ist, nicht aufgenommen. Auch die Originalurkunde
wurde nicht mehr beachtet und ging auf irgend eine Weise
verloren, wie dies ja bei mehreren andern wichtigen Urkunden
H. Albrechts I., z. B. den für die Laubenherren und die
Münzgenossen der Fall ist.
Es lässt sieh endlich noch eine dritte Folgerung von
grosser Bedeutung für die Rechtsgeschichte Wiens aus diesen
Kremser Urkunden ableiten.
Die Kremser Urkunde a enthält nämlich noch eine Reihe
von Artikeln, die in der Urkunde a K. Rudolfs I. noch nicht
Vorkommen. Schon zwischen dem a. 46 dieser letzteren, der
das Erbrecht der Wiener Bürger normirt und den nächsten
über den Nachlass eines Fremden findet sich eine wichtige
Bestimmung eingeschaltet, die eine Beschränkung der Ver
gabungen von liegenden Gütern an Kirchen und Klöster enthält.
Nach a. 56 (Verbot der Einigungen von Handwerkern) folgt
eine Reihe von Bestimmungen über die verschiedenen Hand
werker, die Handschneider, Bäcker, Fleischhacker. Sodann
schliesst die erste Kremser Urkunde aus offenbar graphischen
Gründen, da der obwohl riesig grosse Pergamentbogen bis an
den untern Rand bereits vollgeschrieben war und für weitere
Aufzeichnungen keinen Raum mehr bot. Die zweite Kremser
Urkunde, die auf einem viel kleineren Pergamentbogen geschrieben
ist, entspricht nur dem Stadtrecht II. Albrechts vom J. 1296
für Wien, schliesst jedoch mit dem Verbote der Erbauung
neuer Festen innerhalb des Burgfriedens (a. 31). Nun folgen
aber ganz unvermittelt Handwerker- und Marktbestimmungen,
die offenbar auf der ersten Urkunde nicht mehr Platz hatten
und daher in diese Urkunde übertragen wurden: über die
Fischer,. Saitkäüfer, über das Weinmass. Hierauf folgen die
a. 60 und 61 der Rud. Urk. a, letzterer mit einem Zusatze,
endlich die a. 57 und 59, die den Schluss bilden.
Vergleicht man diese in den Kremser Urkunden zu der
Rud. Urkunde a neu hinzugekommenen Artikel und ihre Reihen
folge mit dem erwähnten Stadtrechte PI. Albrechts II. vom
24. Juli 1340, das in der Originalurkunde auf einem colossalen
348
Tomasch ek.
Pergamentbogen geschrieben im Wiener Stadtarchive erhalten
ist, so sieht man, dass sie wörtlich in diesem und in derselben
Ordnung erscheinen. Schon Bischoff, österr. Stadtr. und Priv.
195—198, spricht sich über dieses Stadtrecht mit folgenden
Worten aus: ,Dieses Stadtrecht ist zum grossen Tlieile eine
wörtliche Uebersetzung des Rudoltinischen vom J. 1278, unter
scheidet sich aber von diesem durch nicht wenige und wichtige
Modificationen seiner Bestimmungen, durch Wiederaufnahme
von Bestimmungen des Friedericianischen Stadtrechtes vom
J. 1244, welche im Rudoltinischen weggelassen wurden, endlich
durch ganz neue Bestimmungen', worauf er diese Stadtrechte
eingehend vergleicht. Dagegen hat Lorenz die Bedeutung dieses
Stadtrechtes für die Beurtheilung der Rud. Urkunde a S. 38
ganz kurz mit den Worten abgefertigt: ,Dass aber dieses von
uns als Entwurf bezeichnete Recht keinen Eingang gefunden
hatte, beweist das Stadtrecht Albrechts II. vom J. 1340 (Rauch,
Scr. III, 37), der sich ganz an das ursprüngliche alte Baben-
bergische Stadtrecht anschliesst und die zu Gunsten des Stadt-
rathes lautenden Bestimmungen unserer Rechtsaufzeichnung
durchaus unberücksichtigt lässt. Er verzichtet daher von vornc-
lierein auf jeden Versuch die Urkunde a in derselben Weise
aus der uns vorliegenden Form zu reconstruiren, wie er es
rücksichtlich der Urkunde b getlian hat.
Wohl haben sich nun sowohl Bischoff als Lorenz zu der
Behauptung, das Id. Albrecht II. in seinem Stadtrecht in manchen
Bestimmungen zu dem Friedericianum vom J. 1244, beziehungs
weise zu dem Leopoldinum zurückgegriffen habe, durch den
durchaus lückenhaften und incorrecten Text der Urkunde a
verführen lassen, so wie er bisher in dem Lambacherischen
Abdruck allein vorlag. Nach einer Einsicht in den von uns
nach einer besseren handschriftlichen Grundlage gegebenen Text
dürften sie nun selbst ihre Ansicht ändern. Indessen müssen
wir doch unser Bedauern aussprechen, dass Lorenz sich dadurch
von einer näheren Prüfung des Albertinums vom J. 1340 ab
halten liess, denn nur so lässt sich seine Behauptung erklären,
dass sich Albrecht II. wieder ganz an das ursprüngliche alte
Babenbergische Stadtrecht anschliesst. Schon die eingehende
Prüfung dieses Stadtrechtes führt zu einem anderen Resultate
rücksichtlich der Urkunde a.
l)ie beiden Handfesten König liudolfs I. für die Stadt Wien.
349
Wir können das Urtheil darüber getrost einem Jeden
überlassen, der sich die Mühe geben will, beide genau zu ver
gleichen. Er wird finden, dass Wortlaut und Reihenfolge der
Artikel in der Regel hei Albrecht II. und Rudolf I. dieselben
sind. Einzelne Abänderungen erklären sich natürlich durch
die mittlerweile eingetretenen Veränderungen, z. B. die ver
schiedene Fassung des a. 58 in Folge der Veränderungen in
dem Niederlagsrecht durch die Urkunde des Grafen Albrecht I.
vom J. 1281. Die Bestimmungen des Friedericianischen Stadt
rechtes vom J. 1244, die angeblich Albrecht II. in sein Stadt
recht wieder aufnahm, erscheinen ebenfalls in dem corrigirten
Texte des Rudolfinum. Die neuen Bestimmungen endlich
kommen grösstentheils wörtlich bereits in den Kremser
Urkunden von 1305 als Wiener Recht bezeichnet vor.
Daraus geht hervor, dass das Stadtrecht vom J. 1340 kein
neues Recht schuf, sondern dieses Recht, das H. Albrecht II.
neu verzeichnen liess, bereits zu H. Albrechts I. Zeiten, also
am Ende des XIII. Jahrhunderts verzeichnet war. Sagt jener
doch selbst in seiner Handfeste: Wir nemen auch den ob
genanten unsern purgern ze Wienn mit der hantfest nicht ab
die recht, die in irr alten hantfest geschriben stent.
Diese bisher ganz unbekannte Thatsache wird uns durch die
Kremser Urkunden erschlossen. Wenn sich auf diese Art aus
unseren Kremser Urkunden mit Sicherheit ergibt, dass die uns
vorliegende Urkunde a das echte Privilegium K. Rudolfs I.
für Wien ist, dass sie II. Albrecht I. bestätigt, ins Deutsche
übersetzt und mit neuen Bestimmungen versehen hat, dass das
Stadtrecht H. Albrechts II. vom J. 1340 kein neues Stadtrecht
sondern blos eine Bestätigung und Erneuerung des verloren
gegangenen Stadtrechtes H. Albrechts I. ist, so erhellt hieraus
die ungemein grosse Wichtigkeit, die sie für die Rechts
geschichte Wiens und des ganzen Rechtskreises, der durch das
Stadtrecht von Wien beherrscht wird, somit für die Geschichte
eines grossen Theils des österreichischen Städtewesens haben.
Sie verbreiten dort erst ein klares Licht, wo wir bisher im
Dunkeln herumtappten, sie schaffen uns erst einen festen
Boden, auf dem wir fortan bei der Darstellung des städtischen
Rechtslebens sicheren Schrittes fortzuschreiten im Stande sind.
350
'f omasoli ok.
Formelle Bedenken.
Nachdem, wie wir glauben, aus dem bisherigen Gange
unserer Untersuchung mit überzeugender Kraft hervorgeht,
dass beide uns erhaltenen Formen der Rudolfinischen Urkunden
die wahren Privilegien K. Rudolfs I. für Wien sind, dass aus
ihrem Inhalt keine sachlichen Gründe gegen ihre Echtheit
geschöpft werden können, viele der geäusserten Bedenken viel
mehr in positive Beweise für die Urkunden sich umgestalten,
dass auch ausserdem directe Gründe für ihre Echtheit ein-
treten, übergehen wir zu den äusseren oder formellen Bedenken.
Allerdings könnten wir uns vielleicht damit zufrieden stellen,
wenigstens ihre innere Unbedenklichkeit zur Anschauung ge
bracht zu haben und in irgend einer Weise versuchen über
die aus der Form der Urkunden abgeleiteten Verdachtsgründe
hinwegzuschlüpfen. Auch Lorenz geht bei seiner Hypothese
über die in dem Datum und den Zeugen liegenden Schwierig
keiten eigentlich doch hinweg. Doch glauben wir damit unsere
Aufgabe nur unvollkommen gelöst zu haben. Denn ursprünglich
wurden die Zweifel an der Echtheit unserer Urkunde doch
nur durch die von Böhmer ausgesprochenen formellen Bedenken
hervorgerufen. War der Argwohn einmal geweckt, dann bekam
er allerdings Argusaugen, es wurde an ganz unverfänglichen
Bestimmungen so lange gedreht und gedeutelt, bis sie zu un
erhörten Ansprüchen des Stadtrathes, unmöglichen Concessionen
Rudolfs an die Bürger anschwollen. Gelänge es uns daher
nicht auch die formellen Verdachtsgründe in plausibler Weise
zu beseitigen, so müssten wir wohl auf die Hoffnung ver
zichten den einmal wachgerufenen Verdacht zum Schweigen
gebracht zu haben. Damit wäre aber auch der Werth dieser
Urkunden nur ein precärer für die wissenschaftliche Forschung,
und man würde es kaum wagen dürfen sich auf sie als eine
zuverlässige Grundlage und als unbedenkliche Quellen zu be
rufen.
Gehen wir daher in die formellen Bedenken ein, so wurde
zuerst als befremdend hervorgehoben, dass K. Rudolf der Stadt
Wien in dem Zeiträume von vier Tagen zwei so wichtige Privi-
Die beiden Handfesten König Rudolfs I. für die Stadt Wien.
351
legien gegeben haben solle. Dies behebt sich nun, seitdem aus
einer zuverlässigeren -handschriftlichen Grundlage das Datum
der Urkunde a dahin rectificirt wurde, dass sie an demselben
Tage wie die Urkunde b, somit beide Urkunden am 24. Juni 1278
ausgestellt wurden. Dass aber an demselben Tage einer und
derselben Stadt mehrere Urkunden gegeben wurden, erklärt
sich bei Schriftstücken von solchem Umfange, wie es die Stadt
rechte gewöhnlich sind, aus graphischen Gründen von selbst,
indem der Raum eines Pergamentbogens, der übrigens sowohl
in der kaiserlichen als auch in den landesfürstlichen Kanzleien
im XIII. und XIV. Jahrhundert nur auf einer Seite beschrieben
werden durfte, zur Aufnahme des ganzen Inhalts nicht aus
reichte. Erst im XV. Jahrhundert wurde es gewöhnlich Stadt
rechtsurkunden nicht mehr auf einem oder mehreren nur auf
einer Seite beschriebenen Pergamentblättern auszufertigen,
sondern auf mehreren von einer Schnur durchzogenen Pei-
gamentbogen, an der sodann das Siegel angehängt wurde, so
dass sie die Gestalt förmlicher Hefte annehmen. Das erste
uns bekannte Beispiel dieser Art ist für Wien das Stadtrecht
K. Friedrichs III. vom 5. Juli 1460, das ein Heft von 18 Per
gamentblättern bildet, an denen die goldene Bulle hängt. Ebenso
das gleichfalls mit der goldenen Bulle versehene Sadtrecht
desselben Kaisers vom 13. Jänner 1493 für die Städte Krems
und Stein. Dies wurde denn auch unter den nachfolgenden
Kaisern Sitte. Das Stadtrecht K. Maximilians I. für Wien
vom 20. November 1517 bildet ein Heft von 8, die Stadt
ordnung K. Ferdinands I. ein Heft von 30, die K. Maximilians II.
vom 26. September 1564 sogar von 55, das Burgfriedenspri
vilegium K. Leopolds I. vom 15. Juli 1698 von 10 Pergament
blättern. Im XIII. Jahrhundert aber hielt man noch daran fest,
das Pergament nur auf einer Seite zu beschreiben. Die Bürger
von Breslau hatten sich im J. 1283 erlaubt, eine Rechtsmit-
theilung von Magdeburg auf der Rückseite des Pergaments
fortzusetzen. II. Heinrich IV. bestätigte sie zwar, äussert sich
jedoch sehr ungehalten über das eigenmächtige Vorgehen der
Breslauer Bürger, schreibt aber die Schuld davon der Nach
lässigkeit oder Trägheit der ursprünglichen Ausfertiger der
Urkunde zu, die wegen der Kürze des Pergamentblattes einige
nothwendige Artikel wegliessen, was die Breslauer Bürger ver-
352
T o m a s c h e k.
leitete unerlaubter Weise die fehlenden Artikel auf der andern
Seite des Pergaments nachzuholen, und erklärt schliesslich die
Bitte der Bürger erfüllen und die auf beiden Seiten geschrie
benen Artikel in den Räum einer einzigen Urkunde einschliessen
zu wollen (omnia jura ipsorum, que ab utraque parte inscrip-
serat, unius litei-e continentia concludere). (Siehe Gaupp, das
alte Magdeburgische und Hallische Recht, S. 50 If.) Das Stadt
recht K. Wenzels I. für Brünn vom Jänner 1243 ist in zwei
im Brünner Stadtarchiv befindlichen Urkunden von mässigem
Format enthalten. Das Pergament ist bloss auf einer Seite
beschrieben, doch heisst es am Schlüsse der ersten Urkunde:
Sunt et alie leges, libertates et jura necessaria civitati, que,
quoniam omnia presens pagina fuit insuffieiens continere, in
hoc etiam dilectorum civium nostrorum de Bruna de gratia
speciali preces decrevimus admittendas, ut ea, que restant, sub
nostris possint sigillis in alio volumine plenius annotare. Die
andere ebenfalls datirte Urkunde fängt an: Hec sunt libertates,
leges et jura, que in majori privilegio non poterant contineri,
que tarnen nihilominus volumus per omnia rata esse et firma
et ut prescripta inviolabiliter observari. So gab K. Ottokar
der Stadt Tulln an demselben Tage, den 27. October 1270 zwei
Stadtrechtsprivilegien mit demselben Eingang und denselben
Zeugen (Lorenz, deutsche Gesell. I. 467 u. 469), und wie wir
gesehen haben auch H. Rudolf III. den Städten Krems und
Stein zwei Privilegien mit verschiedenem Eingänge aber den
selben Zeugen. So gab auch K. Rudolf I. selbst am 24. März 1277
dem Schottenkloster zwei Privilegien, in deren einem er ein
eingerücktes Privileg H. Friedrichs II., in dem andern ein
früheres Privilegium H. Leopolds bestätigt. (Urkb. für das
Schottenkloster. Fontes XVIII. 65, 66.) Am 18. Mai 1277 gibt
K. Rudolf dem Stifte Freising mehrere Privilegien, Tags darauf
abermals mehrere, am 21. und 23. Mai abermals (Siehe Cod.
dipl. Austriaco-Frisingensis bei Zahn. Fontes XXI, S. 349,
351, 352, 353, 354, 355, 356, 357, 359, 361). Waren es daher
nicht graphische Gründe, die die Kanzleien nöthigten mehrere
besondere Urkunden zu derselben Zeit auszustellen, so konnte
der Grund auch in der Verschiedenheit der in ihnen enthal
tenen Gegenstände liegen.
Die beiden Handfesten König Rudolfs I. für die Stadt Wien.
353
Ein weiteres formelles Bedenken wenigstens gegen die
Urkunde a hat Lorenz S. 21 hervorgehoben. Er legt ein
solches Gewicht darauf, dass er es allein für hinreichend an
sieht um auch der Urkunde a jeden Grad von Glaubwürdigkeit
in der vorliegenden Form abzusprechen. In dem Eingänge
der Urkunde a sagt nämlich K. Rudolf innovantes et confir-
mantes eisdem (den Bürgern von Wien) cmtiqüäs quaslibet liber-
tates et omnia jura, que sibi a dive memorie Friderico Roma-
noruvi imperatore, predecessore nostra concessa comperivius,
etiam ex plenitudine regie potestatis adjicientes hiis alia nova
veteribus, juxta quod in sequentibus elucescit. Wie müsse man
aber, sagt Lorenz, höchlich erstaunen in der Urkunde die modi-
ficirten Statuten H. Leopolds VI. und nicht, wie er in diesem
Eingänge sagt, das Privilegium K. Friedrichs II. zu finden?
Es sei dies also ein offenbarer Widerspruch.
Allein es ist nicht schwer dieses Bedenken vollständig
zu zerstreuen. Es konnte vielleicht befremden in einer Urkunde
vom 20. Juni 1278 schon eine Hinweisung auf eine erst vier
Tage später ausgestellte, vom 24. Juni zu finden. In einer
an demselben Tage (24. Juni) mit einer andern, wahrscheinlich
den Bürgern zu gleicher Zeit übergebenen Urkunde enthält
eine solche allgemeine Hinweisung auf den Inhalt der letzteren
nichts Befremdendes. Beide Urkunden, obwohl aus graphischen
Gründen von einander getrennt, bilden doch nur ein grosses
Ganze, das in zwei Theilacte zerfällt. Allerdings ist es wahr,
dass die Urkunde a sich durchaus dem Gange der Leopoldi-
nischen Statuten anschliesst. Das meint auch K. Rudolf, wenn
er sagt, er habe den Wiener Bürgern 1. antiquas quaslibet
libertates, also ihr altes Gewohnheitsrecht, das in den landes
fürstlichen Pi'ivilegien eine Aufzeichnung erhalten hatte, be
stätigt und erneuert. Dasselbe hat er aber auch 2. mit den
vom K. Friedrich den Wienern ertheilten neuen Stadtfreiheiten et
omnia jura etc., gethanund hat sie noch mit einigen neuen Frei
heiten vermehrt, die in dem Friedericianum noch nicht enthalten
waren. Diese bilden nun den Inhalt der Urkunde b, wie
wirklich aus der Betrachtung beider Urkunden hervorgeht.
Wahrscheinlich bezog Lorenz beide Ausdrücke antiquas quaslibet
libertates ebenso wie et omnia jura etc. auf das Friedericianum,
während die ersteren Worte doch offenbar getrennt aufzufa'ssen
Sitzungsber. d. pkil.-hist. CI. LXXXIII. Bd. II. Hft. 23
354
Tornas chek.
und auf die von den Landesfürsten (Leopold VI, Friedrich II.)
verliehenen Freiheiten der Stadt zu beziehen sind. 1
Eben so leicht ist es ein zweites von Lorenz (S. 27) be-
zeichnetes Bedenken zu beseitigen, das sich auf die Urkunde b
bezieht. Er findet es ,in dem gewohnheitswidrigen Abgang
jeder Eingangsformel und der formlosen Adoption des Wort
lautes des Friedericianum^ Nun enthält der Eingang der
Urkunde b allerdings die Eingangsformel des letzteren mit
einigen Abweichungen. Rudolf hat sich also diese angeeignet.
Es wäre offenbar eine Fälschung gewesen, hätte Rudolf sich
darauf beschränkt das Friedericianum selbst sammt der
Eingangsformel etwa mit der Einleitung priv. Frid., cujus
tenor est hic einfach zu transsumiren, denn, wie wir schon
oben nachgewiesen haben, sind die Abweichungen, obwohl
selten, doch keineswegs Varianten, sondern sehr wesentlicher
Natur. Dann ist es ja gar nichts Ungewöhnliches und kommt
oft vor, dass die Aussteller der Urkunden bei Bestätigungen
und Erneuerungen von Stadtrechten, ohne des früheren Ver
leihers namentlich zu gedenken, was K. Rudolf übrigens
schon in der Urkunde a getlian hatte, sich die Eingangsformel
des früheren Stadtrechtes wörtlich aneigneten. So ist z. B.
der Eingang des sich an das Leopoldinum von 1221 an
schliessenden Stadtrechtes K. Wenzels I. für Brünn von 1243
genau derselbe, wie bei diesem. Dasselbe ist der Fall bei dem
Stadtrechte H. Friedrichs II. für Wien vom J. 1244. Auch
die Stadtrechte H. Albrechts I. für Wien vom J. 1296 und
H. Rudolf III. für Krems adoptiren im Allgemeinen abgesehen
von den nothwendig gewordenen Veränderungen den Eingang
der Rudolf. Stadtprivilegien. Es kann daher nicht auffallen,
wenn K. Rudolf sich des Einganges des Friedericianums be
dient, um so mehr als er dasselbe nicht wörtlich wiederholt,
sondern allerdings kleine aber höchst wichtige Abänderungen
an diesem vornimmt.
Viel ernsterer Natur ist das von Böhmer (Reg. S. 94)
erhobene Bedenken wegen der Incompatibilität der Zeugen mit
Uebrigens scheint der Ansdruck comperimus darauf hinzudeuten, dass
die Bürger den König Rudolf nicht die Originalurkunde des Friedericianum,
ändern blosse Abschriften vorgelegt haben.
Die beiden Handfesten König Rudolfs I. für die Stadt Wien.
355
dem Datum. Wir können uns nicht verhehlen, dass in ihm der
eigentliche Angelpunkt über die ganze Frage der Echtheit
oder Unechtheit der Rudolf. Privilegien liegt. So lange dieses
'Bedenken besteht, fühlen wir, dass alle Mühe vergebens ist,
die man auf den Nachweis der inneren Unbedenklichkeit
der Urkunden verwendet. Zwar bezieht sich dasselbe blos
auf die Urkunde b. Aber schon Lorenz hat gezeigt, wie
innig beide Urkunden Zusammenhängen, dass mit der Ur
kunde b zugleich die Urkunde a stehe oder falle, beide ent
weder acht oder unächt sind. Dieses Bedenken war es, das
eigentlich alle Zweifel an diesen Privilegien angeregt und
genährt hat.
Seite 94 sagt Böhmer zu dem Privilegium b wörtlich
Folgendes:
,Allein es ist nach den Zeugen gewiss, dass die fragliche
Urkunde so nicht heute (am 24. Juni 1278) ausgestellt werden
konnte, sondern wahrscheinlicher bald nach der Besetzung-
Wiens, etwa im December 1276 oder im Jänner 1277 aus
gestellt worden ist. Denn von den genannten Zeugen schlossen
vier gerade am heutigen Tage mit den rheinischen Städten
einen Landfriedensbund, war des Königs Erstgeborner noch
sieben Tage früher zu Bruck im Aargau (Hormayr, Archiv
1819 S. 408) und war der Bischof Leo von Regensburg
schon am 12. Juli 1277 gestorben'.
In den Regesten TI. Albrechts I. erklärt er S. 483 bei
seiner Erzählung des Wiener Aufstandes nach Ottokar den
Reimchronisten, den er in das Jahr 1288 versetzt und mit dem
Unterwerfungs- und Verzichtsbriefe der Stadt auf ihre Rud.
Privilegien in Verbindung bringt, ausdrücklich bereits die Ur
kunde b als ein elendes Machwerk der Bürger, das es nicht
anders verdiente, als von H. Albrecht cassirt zu werden, somit
als eine unechte Urkunde, als eine Fälschung der Bürger. Wir
erlauben uns hiezu gleich die Bemerkung, dass es doch höchst
sonderbar wäre, wenn II. Albrecht die Urkunden, die er in
seiner Niederlagsurkunde vom J. 1281 feierlichst für echt und
anstandslos erklärt hatte, nun auf einmal im J. 1288 als eine
Fälschung erkannt haben sollte, und fügen zugleich unsere
Ansicht hinzu, dass es uns unstatthaft erscheint diesen Auf
stand gegen die ausdrückliche Erklärung des Reimchronisten,
23*
356
Tomasch ek.
dass er in dem Jahre 1296 vorgefallen sei, 1 in das Jahr 1288
zu versetzen und mit dem erwähnten Verzichtsbrief in Ver
bindung zu bringen. Die ausdrückliche Angabe der Zeit so
wie auch die ganze Erzählung des Wiener Aufstandes von 1
einem Zeitgenossen und in einer der vorzüglichsten geschicht
lichen Quellen jener Zeit ist, wenn wir auch zugeben wollen,
dass seine Erzählung viel poetische Ausschmückung und auch
manches nicht leicht zu Erklärende enthält, doch nicht so
gering zu achten. Lorenz S. 7 hat bereits seine Bedenken
gegen die Einreihung dieses Factums in das Jahr 1288 ge-
äussert und wir fügen hinzu, dass es uns gar nicht unwahr
scheinlich dünkt, dass angesehene Wiener Bürger, die mit
den unzufriedenen Landherren in Verbindung standen, die
Zögerung H. Albrechts sein den Bürgern im Jahre 1288 (Be
stätigung und Vermehrung ihrer Stadtfreiheiten) gegebenes
Versprechen bei ihrer freiwilligen Unterwerfung unter ihn
und ihrem Verzichte auf die Rud. Privilegien in Ausführung
zu bringen, benützt haben um die niederen Classen zu
einem Aufstand gegen Albrecht zu gewinnen, der in der
bekannten Weise endigte. Albrecht hat sodann das freiwillig
gethan, was er sich von den Bürgern nicht abtrotzen lassen
wollte. 2
Sehen wir nun dem Bedenken Böhmer’s scharf ins Auge.
Es lässt sich nicht im Mindesten daran zweifeln, dass die an
geführten Zeugen am 24. Juni 1278, dem Datum der Ur
kunde b nicht zusammen in Wien gewesen sein konnten, dass
daher Zeugen und Datum der Urkunde sich gegenseitig aus-
zuschliessen scheinen. Andererseits, wie schon Lorenz betont,
1 Pez. Script. 572. Wie lankch da derzeit war
Ergangen seit Christ Gepurd
Ez geschach recht, do man spurt
Tawsent und zway hundert Jar
Vnd sechs und newnczkch furwar.
2 Vergl. Luschin, die Entstehungszeit des österr. LR. S. 32. ,Es war in
Albrechts Charakter gelegen, dass Drohungen ihm nichts abzuzwingen
vermochten; hatte er aber seinen Gegner mit der überlegenen Macht des
«Herrschers gebeugt, dann zertrat er ihn nicht, sondern liess ihm häufig
als Gnade zu Th eil werden, was kurz zuvor als Recht gefordert, dem
Untergebenen war verweigert worden 4 .
Die beiden Handfesten König Rudolfs I. für die Stadt Wien.
357
weist der Artikel von der Verurtheilung Paltram’s, die in der
Mitte Mai 1278 stattfand, und was Böhmer und Lorenz noch
nicht beachtet haben, die Aufnahme Stephans von Meissawe 1
als Mar sc hall von Oesterreich unter die Zeugen aus
drücklich auf dieses Datum hin oder schliesst wieder die An
nahme eines früheren Datums mit denselben Zeugen aus. Der
bereits im Jahre 1277 verstorbene Bischof Leo von Regens-
burg und der ,Marschall von Oesterreich' Stephan von Meissau
scheinen sich nun einmal absolut gegenseitig und nebeneinander
als Zeugen auszuschliessen.
Wenn nun vielleicht auch allenfalls angenommen werden
könnte, dass der Landfriedensbund auch mit Abgeordneten der
rheinischen Städte abgeschlossen sein könne, als die vier Zeugen
in Wien beisammen waren, dass ferner der erstgeborne Sohn
K. Rudolfs binnen sieben Tagen Angesichts des Ausbruchs
des Krieges mitten im Sommer immerhin aus der Schweiz
schon in Wien angelangt sein konnte, daran lässt sich nicht
rütteln, dass Bischof Leo von Regensburg, einer der treuesten
Anhänger und Rathgeher K. Rudolfs, der am häufigsten in
seinen Urkunden vorkommende Zeuge, 2 zwischen dem 13. und
27. Jtlli 1277 gestorben ist. 3 Gegen solche Thatsachen, scheint
es, lasse sich nichts einwenden, und damit scheint das Urtheil
über die Unechtheit der Urkunde b und am Ende auch der
damit zusammenhängenden Urkunde a unwiderleglich gesprochen
und besiegelt.
Dessen ungeachtet wollen wir den scheinbar hoffnungs
losen Versuch unternehmen der Sache eine andere Seite ab-
1 Bekanntlich wurde der frühere Marscliall von Oesterreich Heinrich von
Chunring, der sich noch in einer Urkunde vom 16. April 1278 (Kurz,
Oesterreich unter Ottokar, S. 192. Vergl. S. 193 ,quondam‘) so nennt,
im Mai wegen Verschwörung verurtheilt. Sein Nachfolger war Stephan
von Meissau.
2 Darüber scheint er sogar die Angelegenheiten seines eigenen Bisthums
vernachlässigt zu haben. Wenigstens beklagt sich 1278 14. Juni sein
Nachfolger Bischof Heinrich bitter darüber, dass jener dem Bisthum
eine unleidliche Schuldenlast aufgewälzt habe. (Urkb. für ob der Enns.
III. 483.)
3 Vgl. Thomas Ried, Cod. dipl. Katispouensis. Urkunden LXXV, DLXXVI,
DLXXVII.
358
Tomaschek.
zugewinnen. Vor Allem wollen wir bemerken, dass die in der
Urkunde b erwähnten Zeugen in den Urkunden K. Rudolfs
aus den Jahren 1276 und 1277 und mit Ausnahme Leo’s 1278
und 1279 theils einzeln theils mehrere von ihnen zusammen
als seine gewöhnlichen Rathgeber und Zeugen erscheinen, dass
also nicht in der Aufnahme dieser Personen als Zeugen, die
vielmehr durch zahlreiche Urkunden als die gewöhnlichen be
stätigt werden, sondern in ihrer Zusammenstellung mit Be
ziehung auf das Datum die Schwierigkeit liegt.
Zuerst dachten wir an die Möglichkeit eines Verstosses,
sei es eines Irrthums im Namen seitens der k. Kanzlei, sei es
einer irrtliümlichen Ausfüllung des Namens durch einen Copisten.
Geistliche Würdenträger pflegten sehr häufig als Zeugen nicht
mit ihrem vollen Namen, sondern blos dem Anfangsbuchstaben
oder nur mit ihrem Amtssitze bezeichnet zu werden. Selbst
in unserer Urkunde b sind einige Bischöfe blos nach ihrem
Bischofssitze benannt. In dem Reichsabschiede vom 20. No
vember 1274 (Böhmer S. 66) sind nicht weniger als zehn
Bischöfe blos nach ihren Bischofssitzen bezeichnet angeführt.
In dem Stadtrechte II. Albrechts I. vom J. 1296 ist für den
Namen des Abtes von Zwettel eine offene Lücke gelassen, die
auch in der Originalurkunde nicht ausgefüllt ist. Diess be
weist, dass man weder in der kaiserlichen noch in den landes
fürstlichen Kanzleien ein besonderes Gewicht auf die Namen
geistlicher Zeugen legte. Wie leicht konnte ein Copist den
vielleicht in der Originalurkunde blos mit dem Anfangsbuch
staben H(enricus) oder am Ende gar nicht bezeichnten Namen
durch den des ihm bekannten Leo ausgefüllt haben. Es ist
diess leicht möglich — aber eine solche unverbürgte Möglich
keit, die der übereinstimmenden Angabe der drei Manuscripte,
die die Urkunde vollständig mit Datum und Zeugen enthalten,
widerspricht, durfte kaum geeignet sein unsere Zweifel ge
nügend zu zerstreuen.
Eine zweite mögliche Annahme bot sich uns dar bei
der Betrachtung der Urkunde b selbst. Mit dem Artikel
XXVIII, der das feierliche Versprechen K. Rudolfs enthält,
den Wienern die ihnen gegebenen Privilegien nach seiner
Kaiserkrönung unter der goldenen Bulle erneuern zu wollen,
erscheint die Urkunde b selbst als geschlossen. Es folgt nun
Die beiden naudfenten König Rudolfs I. für die Stadt Wien.
359
noch der Artikel XXIX über den geächteten Paltram und
darnach von dem Artikel XXX ab eingeleitet durch die Worte:
Ad hec nimia u. s. w. eine Reihe von Marktfreiheiten, die mit
den früheren Bestimmungen in gar keinem Zusammenhänge
stehen, worauf die Strafandrohung gegen den Verletzer, Zeugen
und Datum den Beschluss machen. Es hat ganz den Anschein,
als ob eine frühere selbstständige Urkunde, die mit der feier
lichen Eingangsformel begann: Nimia regia largitate volentes
etc., vielleicht durch die angegebenen Zeugen bestätigt jedoch
ohne Datum wörtlich dem bereits fertigen Privilegium auf
Bitten der Bürger hinzugefügt wurde. Allein auch diese An
nahme erschien uns bei näherer Betrachtung nicht frei von
aller Willkührlichkeit, überdiess unverbürgt und wäre ohne
Unregelmässigkeit seitens der Kanzlei nicht denkbar, da die
Einreihung Stephans von Meissau unter die Zeugen sich nur
in künstlicher Weise erklären Hesse.
Dagegen erscheint uns eine andere Erklärungsart so
natürlich, dass sie eben durch ihre Einfachheit und durch ihre
vollkommene Harmonie mit den damaligen Zeitverhältnissen
eine geradezu überzeugende Kraft gewinnt.
Untersuchen wir zuerst die Art und Weise, wie ähnliche
städtische Privilegien und Freiheitsbriefe zu Stande kommen.
Schon das Leopoldinum vom J. 1221 sagt im Eingänge: Hinc
est, quod nos civium nostrorum Viennensium devotionem pe-
titionemque affectuosam animadvertentes donavimus ipsis ac
posteris eorum et juxta consilium et ammonitionem fidelium ac
ministerialium nostrorum perpetua statuimus donatione jura etc.
Am Schlüsse erscheinen die Herren und Ministerialen als
Zeugen angeführt. In gleicher Weise auch das Stadtrecht
H. Friedrichs II. vom J. 1244. Die Bürger gaben demnach
die Anregung, und die Summe der zu ertheilenden Rechte und
Freiheiten wurde vom Fürsten nach einer Berathung mit seinen
Käthen und den Landherren festgestellt und formulirt. So sagt
auch die Urkunde K. Friedrichs vom 21. Jänner 1320 (Rauch
III. 15), die dem Wiener Stadtrathe die Anlegung eines eigenen
Rechtsbuches, des Eisenbuches, gestattete: Do beriten wir uns
mit unsern lantliern und auch mit in selben (den Bürgern),
wie wir in daz bestetigeten und bevestigeten also, daz die
recht, der sie von unsern gnaden gerten, mitsamt den rechten,
360
T o m a s c h e k.
die sie emaln von uns und unsern vordem gehabt liabent,
staet und unzerbrochen beliben. Do verdacht wir uns des mit
unserm rat und auch mit in selben, daz u. s. w. Am aus
führlichsten beschreibt diesen Vorgang Graf Albrecht als Ver
weser über Oesterreich in der Urkunde vom 24. Juli 1281:
Darnach do unser lierre und unser vater von uns gefuer, do
sazze wir mit unserm rat, den lantherren, die unsern rat ge-
sworn babent vor unserm lierren dom Komischem cliunich . . .
(es werden nun ihre Namen mitgetbeilt) und wurden mit in
enein, wie wir allez lant sazten in guoten vride und in guot
gewonheit, die lant und leuten guot were. Und wurden enein
umb ein niderlege, daz deu ze Wienen in des rieh es haupt
stat in Osterrich wurde. Do besant wir der stat rat von
Wienne, daz die saezzen zu denselben lantherren, die unser
rat sind in Osterrich, und mit den enein wurden umb dieselben
niderlege, wie deu wurde nach got und nach des landes fruomen.
Der Rath der Stadt Wien legt sodann seine Rud. Urkunden
vor, aus denen die oben angeführten zwei Artikel mitgetbeilt
werden. Wand aver uns und unsern den vorgenanten rat, die
lantherren ze Osterrich und unsern rat ouz den purgern ze
Wienen der vorgenanten satz und der artikel den choufleuten
gesten ze swer doucht, so ändert er sodann diese Artikel ab.
Daraus ergibt sich, dass städtische Privilegien nicht das
Product eines einzigen Momentes waren, sondern das Resultat
reiflicher Ueberlegung und Erörterung sowohl mit den Bürgern
als den Rathgebern der Fürsten, und diejenigen Männer,
die an diesen Berathungen Theil nahmen, zugleich als
Zeugen der Urkunden angeführt wurden, wohl ohne
Rücksicht darauf, ob sie gerade im Momente der Expedition
des ,Aufsatzes' gegenwärtig waren oder nicht. Einen ähn
lichen Vorgang hat K. Rudolf gewiss auch bei diesen zwei
Stadturkunden beobachtet. Gewiss waren ihnen, wo so wichtige
Landes- und Reichsinteressen ins Spiel kamen, länger dauernde
Berathungen nicht blos mit den Bürgern sondern auch mit
den Rätlicn des Königs : den Fürsten und Grafen aus dem
Reiche, dann den österreichischen Landherren vorausgegangen,
ehe es zu einem definitiven und zu einem kanzleimässigen Ab
schluss der Urkunden kam. Wien hatte bekanntlich seine
Treue gegen K. Ottokar dadurch bewährt, dass es dem heran-
i
Die beiden Handfesten König Rudolfs I. für die Stadt Wien.
361
ziehenden K. Rudolf nicht bereitwillig seine Thore öffnete,
sondern geleitet von Paltram vom 28. September bis 26. No
vember 1276 dem Belagerungsheere tapferen Widerstand leistete.
Der Einzug Rudolfs erfolgte noch vor Abschluss des Friedens
mit Ottokar, wie die Quellen einstimmig melden, gegen die
feierliche Versicherung der Stadt Wien ihre Freiheiten und
Privilegien bestätigen zu wollen. Die Berathungen über diese
mögen nun Ende des Jahres 1276 oder Anfang 1277 begonnen
und noch vor August d. J. zu Ende geführt worden sein. An
diesen Berathungen nahmen nun unstreitig die in der Ur
kunde b genannten Zeugen insgesammt Antheil, denn sie er
scheinen in gleichzeitigen Rud. Urkunden theils einzeln theils
cumulativ als die gewöhnlichen Zeugen, unter ihnen in hervor
ragender Weise der treue Anhänger Rudolfs Leo, Bischof von
Regensburg, wohl auch der Landmarschall von Oesterreich
Heinrich von Kunring, wahrscheinlich auch als Landherr sein
späterer Nachfolger Stephan von Meissau. Dass diese Be
rathungen am Ende Juli 1277 bereits zum Abschluss gekommen
waren, darauf deuten unverkennbare quellenmässige Zeugnisse.
Am 21. August 1277 (Böhmer, S. 87. Herzog. Germ. Franc.
383) ertkeilte K. Rudolf den Bürgern von Eggenburg- dieselben
Rechte und Freiheiten, wie sie die von Wien haben. S.o all
gemein diese Hinweisung ist, so viel geht doch aus ihr hervor,
dass Rudolf bereits die Rechte von Wien kannte, und dass sie
bereits von ihm in einem öffentlichen Acte anerkannt gewesen
sein mussten. Bestimmter aber weist das Privilegium K. Rudolfs
für Wiener-Neustadt vom 1. December 1277 auf unsere Ur
kunden und zwar namentlich auf die Urkunde a hin, indem
es die Bürger in ihrer Rechtspflege auf die forma juris civi
tatis Wiennensis verweist, die demnach bereits verzeichnet und
der Stadt Wien übergeben sein musste. In welcher Form die
Urkunden den Bürgern übergeben wurden, datirt oder un-
datirt, mit oder ohne Zeugen, darüber lassen sich allerdings
blos Vermutlmngen aufstellen. Doch enthielt die Urkunde a
sicherlich noch nicht ihr Proemium, in dem Rudolf ihre Treue
preist, sondern vielleicht nur die einfache Uebcrschrift: Ilaec
est forma juris civitatis Wiennensis, wie wir aus der Baben-
bergischen Zeit drei bisher noch nicht gedruckte formae be
sitzen: eine forma institutionis für den Marktverkauf von
362
Tomascliek.
Lebensmitteln, eine forma mute, que purchmaut dicitur, und eben
so auch eine für die Wagenmauth. Die Urkunde b hingegen
enthielt noch nicht den Artikel über Paltram und die nach
folgenden Jahrmarktsprivilegien sondern schloss mit dem Ver
sprechen der Erneuerung unter der goldenen Bulle. Es wäre
auch höchst sonderbar, dass die Stadt Wien, gegen die König
Rudolf sich doch bei der Uebergabe besonders dazu verpflichtet
hatte, und die er aus politischen Gründen für sich gewinnen
musste, zu einer Zeit ohne Bestätigung ihre Rechte und Frei
heiten geblieben wäre, wo K. Rudolf mit Bestätigungen der
Rechte anderer österreichischer und deutscher Städte so frei
gebig war, wo die benachbarte Stadt Wiener-Neustadt genau
dieselben Rechte verbrieft erhielt, die den Inhalt der Ur
kunde b bilden. So gestattete K. Rudolf 1276, 9. März der
Stadt Augsburg (Böhmer S. 75) die Anlegung eines Statuten
buches, bestätigte am 31. Juli d. J. die Freiheiten von Rhein-
felden (S. 77), am 2. August die von Solothurn, am 15. October
(S. 79) die Rechte und Privilegien IJ. Leopolds und Fried
richs II. für Enns; 1277, 19. Jänner in gleicher Weise die
für Judenburg (S. 81), am 22. April d. J. den Bürgern von
Oppenheim (S. 84), am 5. Juli der Stadt Dieburg (S. 86), am
26. Juli den Bürgern von Freistadt (S. 87), die Privilegien
H. Leopolds und Friedrichs, verlieh am 21. August den Bürgern
von Eggenburg die Rechte der Stadt Wien (S. 67), erhob
am 22. August die Stadt Bruck in Steiermark zur freien
Reichsstadt (Hörmayr, Taschenbuch 1841, S. 113), gab am
24. November den Bürgern von Lucern die Rittermässigkeit
(S. 89), eben solche Freiheiten am 1. December der Stadt
Wiener-Neustadt sammt dem Rechte der Stadt Wien;
bestätigte am 25. Mai 1278 (S. 92) den Bürgern von Schaff
hausen die Freiheit vor auswärtigen Gerichten, gab am
20. September der Stadt Porlitz in Mähren (96), am 28.
der Stadt Prerau, am 29. der Stadt Leobschütz, den
Bürgern von Iglau, am 20. September der Stadt Olmütz
verschiedene Freiheiten u. s. w. Die Bestätigung der Rechte
der Hausgenossen in Wien, ferner der Judenordnung H. Fried
richs II. durch K. Rudolf fällt ebenfalls in das Jahr 1277.
Die Bürger Hessen anfangs sich mit dieser Form der
Urkunde genügen. Hatten sie ja die feierliche Versicherung
Die beiden Handfesten König Rudolfs I. für die Stadt Wien.
363
K. Rudolfs, dass er ihnen alle Privilegien nach seiner Kaiser
krönung unter der goldenen Bulle erneuern werde. In Hin
blick auf Kaiser Friedrich II. hielt es Rudolf der Würde der
königlichen Gewalt angemessen, die Urkunden mit der goldenen
Bulle zu versehen, damit sie als würdiges Seitenstück sich an
das Friedericianum anreihten. Vor seiner Kaiserkrönung hielt
er sich dazu für nicht berechtigt. Zur selben Zeit trug er
sich lebhaft mit dem Gedanken eines Zuges nach Italien, um
sich zum Kaiser krönen zu lassen. Die Ordnung der Herzog-
thümer, vielleicht ein geheimes, nur zu sehr gerechtfertigtes
Misstrauen gegen Ottokar liess ihn die Ausführung dieses Vor
satzes von Tag zu Tag verschieben. Die Erklärung der Stadt
Wien zur reichsunmittelbaren musste für ihn ein Gegenstand
der ernstesten Erwägung sein. Vielleicht mochte Rudolf auch
bereits den Gedanken nähren, Oesterreich und die Herzog*
thümer dauernd an sein Haus zu bringen und auch die Bürger
von Wien nach und nach für seinen Plan zu gewinnen. Daher
die verrätherische Auslassung des oben erwähnten Passus über
die Ausschliessung der Trennung Wiens vom Reiche für alle
Zukunft, daher auch noch im letzten Augenblick die Schluss-
clausel der Urkunde b, wodurch er eigentlich die ganze Ur
kunde fraglich und prekär machte. Unterdessen ging die Ver
schwörung Paltram’s und seiner Freunde in Wien, die Heinrich
von Kunring’s im Lande ihren stillen Weg. Paltram mochte
wohl den Zweifel, ob ihre Rechte auch vollkommen formell be
glaubigt seien, in den Bürgern anfachen und ihn als Hebel für
seine Pläne benützen. Wie dem auch sei, die Verschwörung wurde
im Mai 1278 entdeckt. Der Aufstand misslang, die Verschwörer
wurden verurtheilt und geächtet. Nun stand der Krieg mit
Ottokar vor der Thüre. K. Rudolf musste fühlen, wie ge
bieterisch es sein Interesse und das des Reiches erheischten,
die mächtige Stadt Wien, in der sein Feind Ottokar ohne
hin einen so starken Anhang hatte, dauernd für sich zu ge
winnen. Auf der anderen Seite mochten die Bürger in Hin
sicht auf den bevorstehenden Krieg, der die Erfüllung der
versprochenen Erneuerung der Privilegien in eine unbe
stimmte Ferne rückte, dahin drängen, an die Stelle der er
haltenen Urkunden, mit denen sie sich bisher begnügt hatten,
formell beglaubigte und von der königlichen Kanzlei regel-
364
Tomasche k.
massig ausgefertigte, mit dem königlichen Siegel versehene
Urkunden zu erlangen. Unter diesen Umständen erfolgte denn
unmittelbar vor dem Auszuge K. Rudolfs ins Feld die Aus
fertigung unserer beiden Urkunden mit Zeugen, Datum und
königlichem Siegel. Die Urkunde a wurde mit dem Proemium
versehen, wie wir sie jetzt besitzen. Zur Urkunde b kam der
Artikel über Paltram, so auch die mittlerweile ertheilten Jahr
marktsprivilegien. Was war natürlicher, als dass die könig
liche Kanzlei jene Männer als Zeugen nannte, die an der
Berathung über diese Rechte im Sommer des vorigen Jahres
theilgenommen hatten, und unter deren Mitwirkung der Ab
schluss und die Aufzeichnung erfolgt war? So erscheint auch
der Regensburger Bischof Leo als Zeuge, obwohl er bereits
verstorben war. War Heinrich von Kunring, als Marschall,
wie es wahrscheinlich ist, bei der Berathung ebenfalls gegen
wärtig, so wurde sein Name nach seiner Verurtheilung nun
mehr natürlich weggelassen, dafür aber durch den seines Nach
folgers Stephan von Meissau, der wohl früher als Landherr
auch an jener Berathung theilgenommen hatte, ersetzt.
So erklären wir uns den Vorgang ganz einfach und
natürlich. Diese Erklärung dürfte nur diejenigen nicht be
friedigen, die keine andere Macht als die der äusseren Form
anerkennend, sich derselben blindlings beugen. Wir wollen
diesen Schwärmern für Alles, was mit dem Königthum im
Mittelalter wenn auch nur äusserlich zusammenhängt, wie die
königliche Kanzlei, in ihren Gefühlen nicht nahe treten, wir
wollen ihnen sogar zugestehen, dass die Bureaukratie unserer
Tage, bei welcher Verstösse und Unregelmässigkeiten zuweilen
auch Vorkommen sollen, der königlichen Kanzlei jener Tage
weit nachstehe, aber war es überhaupt eine Uncorrectheit
eine Person als Zeugen anzuführen, die jedenfalls bei der Con-
fection der Urkunden eine hervorragende Thätigkeit entwickelt
hatte, am Tage der Ausfertigung aber bereits einige Zeit todt
war? Dass aber ähnliche Unregelmässigkeiten viel schlimmerer
Natur, ja arge Verstösse wohl auch in der kaiserlichen Kanzlei
vorkamen, ohne dass sie berechtigen, dergleichen Urkunden
desshalb für unecht zu erklären, dafür hat Sickel jüngst in
einem Vortrage vor der kais. Akademie vom 9. December 1875
über drei unzweifelhaft echte Originalurkunden Otto’s 1. für
Die beiden Handfesten König Rudolfs I. für die Siadt Wien.
365
das Bisthum Chur ein merkwürdiges Beispiel mitgetheilt. An
der ersten Urkunde zeigte er, dass auch in der königlichen
Kanzlei und von erster Hand ganz falsche Jahreszahlen (976
statt 956) gesetzt wurden, was er durch die Unbeholfenheit der
Schreiber, mit den römischen Zahlzeichen umzugehen, erklärt.
Die zweite und die dritte haben nun mit unserm Fall eine
auffallende Aehnlichkeit, nur tritt bei ihnen die Sache noch
greller hervor. Es wird nämlich in der unbeholfenen Er
zählung, die er dadurch zu erklären sucht, dass blos der Ein
gang von einem Mitgliede der damaligen kaiserlichen Kanzlei
geschrieben, die weitere Ausführung aber wahrscheinlich einem
Gerichtsnotar überlassen wurde, ein bereits im Jahre 965 ver
storbener Bischof Hartbert von Chur in der Urkunde vom
J. 972, somit nach sieben Jahren noch lebend und so
zugleich mit seinem Nachfolger Hildibald angeführt.
Und doch sind die Urkunden echt!
Schlusswort.
Ist es nun gelungen, durch eine eingehende, wie wir
glauben, nach keiner Seite hin befangene Untersuchung die
sachlichen und formellen Bedenken gegen unsere zwei Ur
kunden in der vorliegenden Gestalt zerstreut und ihre Echt
heit auch durch positive Gründe nachgewiesen zu haben, so
haben wir uns damit einen sicheren Boden geschaffen, auf dem
es allein möglich ist, eine klare Einsicht in die Rechtsgeschichte
Wiens und damit auch des österreichischen Städtewesens zu er
langen. Dann erscheint uns K. Rudolf als der eigentliche Begründer
des städtischen Rechtslebens in Wien und vielen österreichischen
< Städten. Auf der von ihm geschaffenen Grundlage schreitet
dieses nunmehr durch mehr als zwei Jahrhunderte unverändert
fort, bis die neuere Zeit und ihre Aenderungen auch eine
andere Grundlage schafft für eine neue Ordnung der Dinge, die
aber mit dem Verluste der städtischen Autonomie und dem
Uebergewichte der Staatsgewalt die städtische Entwickelung
als selbstständiges Element des Staatslebens und somit ihr
Hauptinteresse in den Hintergrund treten lässt. Alle nach-
366
Tomascliek.
folgenden österreichischen Fürsten von TT. Albrecht I. ange
fangen bis auf Kaiser Ferdinand I., der durch seine Stadt
ordnung für Wien vom J. 1526 eine neue Ordnung der Dinge
inaugurirte, bewegen sich blos in den Bahnen, die in den Rud.
Urkunden vorgezeichnet sind. Nur wenig Neues, beinahe nichts
Bedeutendes kommt dazu. K. Rudolf I. war es, der anknüpfend
an bereits gegebene doch zerstreute Elemente den beiden
disparaten Richtungen, in denen sich bis auf ihn das städtische
Rechtsleben bewegt hatte — die Landesfürsten anerkannten
nicht die kaiserlichen Privilegien, der Kaiser nicht die der
Landesfürsten — eine einheitliche Bahn anwies, der durch
seine Organisation der städtischen Verfassung die Stadt erst
zu einem eigentlichen städtischen Gemeinwesen umschuf, dem
Stadtrechte eine feste Grundlage für seine Weiterbildung durch
Jahrhunderte gab. Mit Recht pries ihn daher die Tradition
als den Begründer der Stadtfreiheit, sein Stadtrecht als Aus
gangspunkt der ganzen späteren Rechtsentwickelung. Daher
lässt es sich erklären, dass viele Wiener Rechtshandschriften
selbst das Albrecht. Stadtrecht von 1296 ausdrücklich als von
K. Rudolf der Stadt Wien gegebenes Recht bezeichnen. So
heisst es in der Handschrift der Lübecker Stadtbibliothek
(626. Jurispr. fol. Schuster, Wiener Stadtr.-B. S. 3 fol. 10) aus
drücklich : Hienach sind vermerkt meniger artikel und recht
der geczirten und wirdigen stat ze Wyenn, als die gevestigt
und bestatt sind von dem Römischen Kunig Rudolfen seins
reiclis im fümften Jar. Nach Christes gepurd Tauseut Jar
czway hundert lxxxvm, vni° July. Jndicione sexta, worauf
aber nicht das Rud. Privilegium b, sondern das Stadtrecht
PI. Albrechts von 1296 folgt. Mit denselben Worten in der
Berliner Handschrift der königl. Bibliothek ms. germ. Bl. 70
(Schuster S. 8), wo letzteres Stadtrecht dieselbe Uebersclirift
trägt. Daher auch der Verfasser des Wiener Weichbildrechtes
a. 90 (Schuster a. a. 0. S. 94) ausdrücklich eine Bestimmung,
die bei König Rudolf noch nicht, wohl aber im Stadtrechte
PI. Albrechts von 1296 vorkommt, dem ersteren zuschreibt:
und haben auch das bestettet pei chunig Ruedolfen, daz
man umb alles erb nicht antwurten schob an ewenteur u. s. w.
Es sei dem Verfasser am Schlüsse noch eine persönliche
Bemerkung gestattet. Das Verdienst, den Boden für die Unter-
Die beiden Handfesten König Rudolfs I. für die Stadt Wien.
367
suchung durch seine kritische Abhandlung über die Rud.
Stadtprivilegien geebnet zu haben, gebührt unstreitig dem
Geschichtsschreiber des XIII. und XIV. Jahrhunderts, seinem
geschätzten Freunde Ottokar Lorenz. Wenn die Untersuchung
aber in dieser Abhandlung zu einer anderen Ansicht gelangt,
daher zuweilen Lorenz’Argumenten entgegentritt und dieBeweis-
führung gegen ihn kehrt, so ist er, dessen Neigung zu freier,
selbstständiger Forschung die Wissenschaft so manches Re
sultat verdankt, wohl am wenigsten der Mann dazu, zu ver
kennen, dass es dem Verfasser nicht um Rechthaberei, sondern
darum zu thun wax - , eine Frage zum Abschluss zu bringen,
die nicht blos ein locales Interesse hat, ohne deren endgiltige
Lösung vielmehr die Kenntniss des östei'reichischen Städte
wesens im Mittelalter zum grossen Theile eine lückenhafte
und unsichere bleiben wird.
SITZUNGSBERICHTE
DER
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE CLA.SSE.
LXXXIII. BAND, III. HEFT.
JAHRGANG 1876. — JUNI.
SitzungsW. d. phil.-hiBfc. CI. LXXXIII. Bd. III. Hft.
24
Ausgegeben am 16. November 1876.
XY. SITZUNG VOM 14. JUNI 1876.
Der Vicepräsident tlieilt mit, dass am 29. Mai, an dem
Tage, an welchem die Gesammtakademie ihr Beileid über das
Ableben Franz Palacky’s aussprach, das Ehrenmitglied Friedrich
Diez in Bonn starb, und am 2. Juni die Nachricht von dem
am 10. Januar d. J. bereits erfolgten Tode des c. M. Charles-
Edmond-Henri de Coussemaker in Lille eingelangt ist.
Die Mitglieder erheben sich zum Zeichen des Beileids
von ihren Sitzen.
Die Direction der k. k. Oberrealschule auf der Land
strasse spricht den Dank aus für die Ueberlassung akademischer
Publicationen.
f
Das c. M. Herr Professor Dr. Heinzel legt in seinem
und des Mitherausgebers Namen die Pflichtexemplare der im
Drucke vollendeten, von der Akademie subventionirten Aus
gabe der ,Psalmen Notkers nach der Wiener Handschrift' vor.
24*
372
Die Weisthümer - Commission übergibt den Bericht des
c. M. Herrn Prof. Dr. Bischoff in G-raz über Weisthümer-
Forschungen in Steiermark zum Abdrucke in den Sitzungs
berichten.
Das w. M. Herr Dr. Pfizmaier legt eine für die Denk
schriften bestimmte Abhandlung unter dem Titel: ,Die Ge
schichte einer Seelenwanderung in Japan' vor.
Das w. M. Herr Regierungsrath Höfler in Prag über
mittelt eine Abhandlung des Herrn Privatdocenten Dr. Jaroslav
Goll, welche den Titel führt: ,Kritische Untersuchungen über
die Echtheit der „Ambassades et negotiations de Monsieur le
Comte d’Estrades“ (Amsterdam 1718)', um deren Aufnahme in
die Sitzungsberichte angesucht wird.
Herr Professor J. Loserth in Czernowitz überreicht eine
Arbeit unter dem Titel ,Beiträge zur Geschichte der hussitischen
Bewegung. 1. Der Codex epistolaris des Erzbischofs von Prag
Johann von Jenzenstein' mit dem Ersuchen um Aufnahme der
selben in das Archiv für österreichische Geschichte.
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Academie des Inscriptions et Belles-Lettres: Comptes-rendus de seanees
de Tanne« 1876. IV“ Serie. Tome IV. Bulletin de Janvier-Fevrier-Mars.
Paris; 8 °.
Academie Royale des Sciences, des Lettres et des Beaux Arts de Belgique:
Bulletin. 44 e Annoe, 2 e Serie, Tome 40, N°“ 7—12. 1875; 45 e Annee,
2 e Serie, Tome 41, N os 1—7. 1876. Bruxelles; 8°.
373
Akademie der Wissenschaften zu Amsterdam: Verhandelingen. XV. Deel"
Amsterdam, 1875; 4°. Verhandelingen, Afdeeling Letterkunde. VIII. Deel.
Amsterdam, 1875; 4°. — Verslagen en Mededeelingen. Afdeeling Natuur-
kunde: II. Reeks. IX. Deel. Amsterdam, 1876; 8°. —Jaarbock voor 1874.
Amsterdam; 8°. — Processen-Verbaal. Afdel. Natuurkunde 1874—1875;
8°. — Carmina latina. Amsterdam 1875; 8°.
.. o 0
— — Königl. Schwedische: Ofversigt. XXVIII. & XXIX. Argangen
1871 & 1872. Stockholm; 8°.
— — und Künste, Südslavische, zu Agram: Rad. Knjiga XXXIV & XXXV.
U Zagrebu, 1876; 8°.
Biblioth feque d’Ecole des Chartes. XXXVII. Annee, 1876. 1° & 2° Livraisons.
Paris; 8°.
Central-Commission, k. k. statistische. Statistisches Jahrbuch für das
Jahr 1873. 10. Heft. Wien, 1876; 4«.
Erlangen: Akademische Gelegenheitsschriften aus dem Jahre 1875. 4° & 8°.
Genootschap, Bataviaasch, van. Künsten en Wetenschappen: Tijdschrift
voor indische taal-, land- en volkenkunde. Deel XXI, Aflev. 5—6; Deel
XXII, Aflev. 4—6; Deel XXX, Aflev. 1. Batavia, s’Gravenhage, 1874—1875;
8°. — Notulen. Deel XII. 1874, Nr. 4. Deel XIII. 1875, Nr. 1—2;
Batavia, 8°. — Verliandelingen. Deel XXXVII. u. XXXVIII. Batavia,
1875; 4».
Gesellschaft für Schleswig-IIolstein-Lauenburg. Geschichte: Zeitschrift.
VI. Band. Kiel, 1876; 8°. — Kieler Stadtbuch aus den Jahren 1264—1289.
Herausgegeben von P. Hasse. Kiel, 1875; 8°.
— — k. k. geographische, in Wien: Mittheilungen. Band XIX (neuer
Folge IX). No. 5, 1876; 8«.
Giannone, Pietro: II Triregno. Napoli, 1876; 8°.
Goll, J.: Der Convent von Segeberg (1621). Prag, 1875; 4°. — Die Franzö
sische Heirath. Frankreich und England 1624 und 1625. Prag, 1876; 8°.
Institut, k. k. Militär-geographisches, in Wien: Die astronomisch-geodätischen
Arbeiten desselben. IV. Band. Wien, 1876; 4°.
Jena: Akademische Gelegenheitsschriften aus dem Jahre 1875. Jena; 4° & 8°.
Krones, F.: Handbuch der Geschichte Oesterreichs von der ältesten bis
neuesten Zeit mit besonderer Rücksicht auf Länder-, Völkerkunde und
Culturgeschiclite. Bibliothek für Wissenschaft und Literatur. 5. Band.
Ilistor. Abtlilg. 2. Bd. 2. u. 3. Lieferung. Berlin; 8°.
Lüttich: Akademische Gelegenheitsschriften aus dem Jahre 1875. Lüttich;
8°. — Bibliotlieque de l’Universite de Liege: Catalogue des nianuscrits.
Mittheilungen aus J. Perthes’ geographischer Anstalt. 22. Band. 1876
Heft V., nebst Ergänzungsheft Nr. 43, Gotha; 4°.
,Revue politique et litteraire“ et ,Revue scientiiique de la France et de
l’etranger 1 . V e Annee, 2° Serie, N os . 47 --50. Paris, 1876; 4°.
Society, The Royal of London: Philosophical Transactions for the Year
1874, Vol. 164. Part II, 1875, Vol. _165. Part I. London, 1875; 4°. —
Proceedings. Vol. XXII & XXIII. Nrs. 151—163. March 1874 — June
1875; 8°.
I
■■■■
374
Verein, siebenbiirgischer, für romanisclie Literatur und Cultur des romani
schen Volkes: Anulu IX, No. 6—11 (1876). Kronstadt, 4°.
— — für Hessische Geschichte und Landeskunde: Studirende der Jahre
. 1368 — 1600 aus dem Gebiete des späteren Kurfürstenthums Hessen.
Zeitschrift, herausgegeben von Dr. A. Holzel. 5. Supplement. Kassel,
1875; 8».
— — Militär-wissenschaftlicher in Wien: Organ. XII. Band, 4. Heft. Wien,
1876; 8°.
Bischoff. Bericht über Weisthümer-Forschungen in Steiermark.
375
Erster Bericht
über Weisthümer-Forschungen in Steiermark.
Erstattet von
Dr. Ferdinand Bischoff.
Vorbemerkung.
Forschungen nach steiermärkischen Weisthümern haben
selbstverständlich im steirischen Landesarchive, dieser reich
haltigsten Fundgrube steirischer G-eschichtsquellen, ihren Aus
gang zu nehmen. Referent hat zwar schon vor längerer Zeit
das steirische Landesarchiv, in welches das Joanneumsarchiv
aufgenommen wurde, behufs Anfertigung eines Verzeichnisses
der daselbst befindlichen Rechtshandschriften (gedruckt in den
Beiträgen zur Kunde steirischer Geschichts-Quellen 6. Jahr
gang) speciell auch nach Weisthümern durchsucht und hiedurch
eine Anzahl solcher Rechtsquellen kennen gelernt. Seitdem
sind aber namentlich in Folge der archivalischen Bearbeitung
der von der steirischen Landschaft übernommenen Acten und
Handschriften, worunter sehr viele Urbarien, nicht wenige neue
Stücke benützbar geworden, und war somit eine abermalige
Durchforschung des Archivs vor weiterer Bereisung des Landes
zur Ergänzung, und theilweise auch zur genaueren Feststellung
der früheren Untersuchung geboten. Vollständig erschöpfend
war aber auch diese neuerliche Archivsausbeutung nicht, da
sie sich — abgesehen von einigen Ausnahmen —- nur auf die
bereits repertorisirten ,Handschriften' beschränken musste,
und zu einer Durchforschung der ,Urkunden' die Zeit mangelte.
Wenn dennoch in dem folgenden Verzeichnisse einige Mit-
tlieilungen aus der Urkundenabtheilung des Archives zu finden
376
Bischof f.
sind, so sind solche auf Rechnung- früher unternommener For
schungen zu setzen, und können keinen Anspruch auf Voll
ständigkeit machen. Bei fortschreitender Auftheilung der grossen
Massen noch nicht geordneter Archivalien und hei erneuerter
Umschau in der Urkundenabtheilung dürfte sich demnach noch
mancher Zuwachs ergeben. Andrerseits hat Referent, dem
Beispiele seiner Vorgänger auf dem leid- und freudvollen Wege
der Weisthümersammlung folgend, in den Kreis seiner For
schungen auch Schriftstücke gezogen, welche nicht Weisthümer
sind, aber auf solchen beruhen, oder mit solchen enge Zusammen
hängen, oder fehlende Weisthümer zu ex-setzen geeignet schienen.
Was hievon seinerzeit zum Abdruck zu bx-ingen sein wird,
muss späterer Bestimmung Vorbehalten bleiben.
Indem Referent nxxn zunächst ein alphabetisch geox-dnetes
Verzeichniss der im steiermärkischen Landesarchive gefxxndenen
Weisthümer und sonstigen für die Weisthümersammlung
vielleicht brauchbaren Matei-ialien folgen lässt, kann er nicht
umhin, dem Herrn Landesarchivar xxnd sämmtlichen Archivs
beamten für ihre seine Ai-beit ungemein föi-dernde Unter
stützung verbindlichsten Dank zu sagen. Diesem Vei-zeichnisse
soll der Beidcht über die Forschungen in andern Archivexx
und weiters die Angabe der bisher gedruckten steii-ischen
Weisthümer folgen.
A. Steirische Weisthümer etc. im steirischen Landesarchive.
1. St. Dionisen bei Bruck.
Die Papierhandschrift 2612 enthält: 1. ,Beruef oder
stiftai'ticl, so den vndterthonen der pfarr st. Dionisien ob Prugg
iärlich nach alter gwonhait in der stifft verlosen werden*.
23 Artikel, 16. oder 17. Jahrhundert.
2. ,Verxnerckt das vi-ban-egister der rennt gult vnd zixge-
horung sand Dyonisien pfari-kirchen ob Prüfeg gelegen, be-
schriben aus zwain eitern derselben kirchen pergamenein re-
gistern dxxrch herrn IJannsen Greczer pfarrer hie in dem 1431.
iare*. 11 Artikel, 15. Jahx-hundex-t.
3. , Vermeidet das pymei-kch* etc. 15 Absätze.
4. ,Vermei'kt das stifftrecht auf der kirchen freyen güettern*.
8 Absätze, 15. Jahi’hundert.
Bericht über Weisthiimer-Forschungen in Steiermark.
377
5. Nach den Verzeichnissen der ,drimantlehen' und ,hof-
stetter' und dessen ,wass man den holden schuldig ist zu geben'
und ,was die huebleuth vnd trimantlechen dem herrn schuldig
sindt zu timen', und ,wer die füehrer sein, die das liey u. a.
fiiehren sollen', steht: ,Volgende Articl sind im alten vrbar vnd
handlbuech de a. 1460 am dritten blat geschriben' 10 Artikel
über Sterbrecht u. a. Abgaben und 9 Artikel über des ,ambt-
mann gerechtigkeit'. 16. oder 17. Jahrhundert.
Dieser Handschrift sind noch Abschriften dieser Stücke
von anderer Hand des 16. oder 17. Jahrhunderts beigeheftet.
Dieselben Stücke enthält auch die
Papierhandsehrift 3680 mit Vidimus vom Jahre 1585,
aber, wie scheint, dem 17. oder 18. Jahrhundert angehörig. Nach
des ,ambtmanns gerechtigkeit' steht hier: ,Mehr ain vralt vrbar
mit plettern von pröttern gemacht auf gepapten papier de a. 1462'.
2. Fischbach (Waxeneck).
Papierhandsehrift 3378, 16. Jahrhundert. ,Pandeding zu
Vischpach. Das lanndtgericht zu Waehsenneckh fecht sich an'
etc. 28 Artikel. Hierauf: ,Wer pannhelbling oder gerichtshaller
dem landtrichter gen Waehsenneckh in Vischpacher pfarr vnd
ambt zu geben schuldig ist'. — Der Handschrift liegt eine
jüngere Ausfertigung, aber auch noch aus dem 16. Jahr
hundert, bei,
3. F r i e d b e r g.
Papierhandsehrift 3594, 19. Jahrhundert. ,Berainung des
landgerichts der stadt Friedberg, Vermerktt liebn purger wie
der Fridwerger landgrichtt inhallt'.
,Vermerckt wass der Sawrer gerechtikatt hat'.
,Dy selbig freyhat der richter zu F.‘ 22 Artikel, von einer
,uralten Abschrift'.
4. St. Grallen.
Neue Papierhandsehrift 3678. ,Ruegung des pontayding
zu sand Gallenn vnd aufgeschriben klag'. 90 Artikel. Beilage
von 1485 nebst Protokollen über Banntaiding-e bis zum
Jahre 1518. Der Abschrift sind Varianten von zwei andern
Handschriften hinzugefügt. Die Originale sind im Stift Admont.
Fine Abschrift hievon besitzt auch die Weisthiimer- Commission.
378
Bischof f.
5. Gamlitz.
Neue Papierhandsehrift 3204. Gemeindebuch von Gamlitz
vom Jahre 1584 enthält Banntaidingsartikel (12), Protokolle
über Richterwahleu, Gemeindebeschlüsse u. s. w. Herr Ober
lehrer Ferk hat mir zwei Originale dieses Gemeindebuches
vom Jahre 1584 und 1629 zum Gebrauch überlassen.
6. Gschaidt bei Birkfeld.
Papierhandschrift 249,16. und 17. Jahrhundert. ,Panbuech‘
Original. ,Das hoffthaydingbuech, darinen wirdt vermeldt vnd
begriffen alle die freyheytten vnd gerechtigkhait, so herr Wolff
von Stubenwerg . . . hat ann dem Gschaidt bey Pirchfeldt
gelegen'. Banntaiding von Birkfeld zu Kapfenberg gehörig
vom Jahre 1570, 32 Artikel. Ferner:
,Georg Plasen hofthaitung', 16 Artikel, 17. Jahrhundert.
Eine Abschrift dieser Handschrift ist im Besitze der Weis-
thümer- Commission.
7. Heiligenkreuz.
Gerichtsweisthum über die alten Rechte des Seckauer
Landgerichtes zu Heiligenkreuz, ausgesprochen von früheren
Richtern dieses Gerichtes, vom 18. Juni 1340. Copie. Ur
kunde 2162\
8. Hoheneck.
Stockurbar vom Jahre 1585, Fase. 32, Kr. 82. ,Margkhts
Hohenegg vnnd der burgerschafft daselbst recht vnd freyhaiten'.
11 Capitel. Ferner finden sich darin, wie in den Stockurbaren
gewöhnlich, Landgerichtspidmerk, Malefizrechtensbeförderung,
Wildbann, Kirchenvogtei, Kirchtagbehüthung, Strafen und Ge
ld chtswändel, Anleit, Sterbrecht, Täfern-Metzger-Handwerks
recht u. a.
9. Köttulach in Kärnten.
Stoekurbar 69/158 der Herrschaften Schönstein und Katzen
stein enthält nach der ,Khottalacher Robot' die ,Khottalacher
freyhait, so aus dem reform. vrbar, welches im 24. iar (1624?)
aufgericht, daher gezogen, wie volgt: Zaigen an' u. s. w.
6 Artikel. Ferner: ,Khöttalacher viscliwaid, straff vnd puess' etc.
Bericht über Weistlmmer-Forschungen in Steiermark.
379
10. L e m b e r g.
Stockurbar 52/128 von Plankenstein beil. vom Jahre 1587.
,Markht Lemberg vnd der buergerscliafft daselbst recht vnd
freyhaith 5 Artikel.
11. Marktl.
Papierhandsehrift 2758, 18. Jahrhundert. ,Panthaydings-
protokoll von anno 1737 angefangen bei dem hochgr. Paar-
schen herrschafftl. Stainer landtgericht in MärckhtP; enthält
kein eigentliches Banntaiding, aber einige Anweisungen an die
Dorfrichter und Amtleute bezüglich der Banntaidinge, deren
Eidesformeln u. a.
12. Monpreis.
Stoekurbare 48/115 und 46/116 beil. aus dem Ende des
16. Jahrhunderts enthalten u. a. ,des landgerichts pydmarkh
beschreybung, pranger vnd hochgericht, markhts Mompreis
gewonhaiten', 8 Artikel,
13. Obernburg.
Kundschaft alter Leute über die Rechte des Klosters
Obernburg von St. Michaelstag 1430; im Registrum mon.
Obernburg. conscriptum sub a. 1426, fol. 146 b fg. lateinisch.
Die Handschrift ist noch nicht numerirt.
14. St. Peter bei Judenburg.
Papierhandschrift 3379, 17. Jahrhundert. ,Der gmain zu
s. Peter bsuech 4 und Banntaiding des Klosters h. Kreuz in
St. Peter. 60 Artikel.
15. Pischk (Pischberg).
Stockurbar 8/12 der Stadt Bruck a. d. M. vom Jahre 1646
und Stockurbar 8/15 des zum Schloss Landskron gehörigen ,
Amtes Pischberg vom Jahre 1617. Blatt 39—110 enthalten
ein sehr umfassendes Banntaiding, darin auch ,die Ordnung im
landtgericht auf der Mhuer allenthalben beder lants von Leoben
vntz gen Fronleuthen als von alter herkhombenh
380
B i s c li o f f.
16. Pöllau.
Papierhandschrift 2344 vom Jahre 1851. ,Vermerkt das
gerichtshandlung oder bou buch, wie es vor 45 jarn vnd auf
die heitige stundt vnd auf das 91 jar ordenlieh erhaltenn ist
worden'.
,Gemaine markhtordnung im jüngst gehaltenen pantaiding
. . . beschlossen . . . anno 1541'. 25 Artikel. Hierauf folgt
eine ,Feuerordnung ... in selben prothocol aufgeschrieben'.
17. Proleb.
Papierhandsehrift 895, 16. Jahrhundert. Gösser Urbar
enthält auf Blatt 19 fg.: ,Item. Hie ist vermerekht all vnd
yedlich vnsers gotssluiuss freyliait vnd gerechtigkhait in dem
ambt zu Prellepp'. 21 Artikel.
18. Piirg.
Papierhandsehrift 3738 neu. ,Ponthättung zu der herr-
schaft Pürg, welche alle jar zu der gewondlichen stüfft ver-
lessen werden soll'. 44 Artikel.
19. Ratten.
Papierhandsehrift 3684, c. 1717. ,Ponthaidung im Ratten
das der herrschaft Cranichberg zuegehörig ist. Vermerkht die
freye Strassen' u. s. w. 25 Artikel.
20. Reichenau in Nieder Österreich.
Papierhandsehrift 1886, 16. Jahrhundert. ,Das pantaiding
der herschaft Reichenaw vnd der gantzen gegnt genant die
Prein mit freihait von den durchl. hochgeb. fürsten von
Oesterreich hochl. gedechtnuss begnadet vnd begabet, von
newem abgeschriben an sand Margarethentag . . 1537 jar'.
70 Artikel zwischen welchen verschiedene Privilegien des
Klosters Neuberg stehen, die ebenfalls im Banntaiding verlesen
wurden. Weiters folgt der Richtereid.
Papierhandsehrift 1878, 15. Jahrhundert, enthält ein Bruch
stück des Reichenauer Banntaidings. 47 Artikel.
Papierhandsehrift 1106, 16. Jahrhundert Reichenauer
Urbar u. a. vom Abt Thoman von Neuberg aus alten Urbaren
Bericht über Weisthümer- Forschungen in Steiermark.
381
zusammengestellt anno 1596, enthält auf den 15 ersten Blättern
das Neuberg-Reichenauer Banntaiding wie in Handschrift
1886 u. a.
21. Rem sehnig.
Urkunde, Copie 2049, vom 21. Juni 1333. Gerichtsweis
thum über Gerichtsrechte von St. Paul auf dem Remsnig.
Urkunde, Copie 2048 enthält die landesfürstliche Bestäti
gung dieses Spruches.
22. Romatschachen.
Cod. mixt. 367, 15. oder 16. Jahrhundert. ,Ain pergk vnd
grundtzinspuech zu Romatschachen vernewt vnd aufgeschriben
a. d. mcccc sexag. secundo'.
Blatt 13\ ,Vermerkt das richter recht so etlich geben dem
lanndtrichter gen Guetenwergh 4 Artikel und Beschreibung der
,pymerkung zu R'.
Blatt 17 fg. , Vermerkcht das recht vber das perkchrecht
vnd wie man das beseczen schol'. 12 Artikel.
23. Rotenstain.
Gern. Handschrift 894, 15. Jahrhundert enthält u. a. auf
Blatt 41fg.: ,Vermerkt ist dy gerechtikait vnd pimerkung
vnsers vnd vnsers gotzhaws (Goss) lanntgerichts in dem ambt
zu Rotenstain/. 13 Artikel c. 1460.
24. St.. Ruprecht a. d. R.
Neue Papierhandschrift 2436. ,Statuta vnd alt löblich
Ordnungen des marckhts s. Rueprecht an der Raab, die man
in öffentlichen panntädungen iärlich pflegt zu riernb 46 Capitel
c. 1641. Dieselben enthält auch die neue
Papierhandsehrift 3737.
25. Schönstein.
Stockurbar 69/158 der Herrschaft Schönstein vom Jahre
1578. ,Markt Schönstein. Der Markt Schönstein dient' . . . .
,Der burgerschaft daselbst recht vnd freihait', 6 Capitel.
Ferner Landgerichtspimerk von 1524, Vogtei, Strafen und
382
B i s c h o f f.
Grerichtswändel u. s. w. wie gewöhnlich in den reformirten Stock-
urbarien aus dieser Zeit.
Denselben Inhalt hat auch das
Stoekurbar 68/157 a. 1575.
26. Seiersberg-.
Gern. Handschrift 894, 15. Jahrhundert enthält u. a.
auf Blatt 50: ,Nota das sind dy rechten, dy wir (Aebtissin
von Gross) auf vnsern guetern zu Seyrsperg, zu Abtessendorf,
zu Wuremtschach vnd zu Prunn von alter herpracht haben
vnd nach innhalltung des alten latinischen vrbar. Des ersten
muessen all vnser suppan sweren, das sy ainsten in dem jar
ruegen schullen' ... 4 Artikel c. 1460.
Blatt 65. ,Item es ist in der stifft (zu S.) verlassen, das
khainer hollc.z slachen soll'. . . 3 Artikel.
27. Spital am Semmering.
Papierhandschrift 1887, 17. Jahrhundert. Blatt 14 fg.:
,Pontaiding zu Spittal am Semmering'. 55 Artikel. Vorher
Privilegien.
Papierhandschrift 1203, 17. Jahrliundei't. Urbar der Neu
berger Herrschaft Spital von 1671, enthält Blatt 5 fg. ebenfalls
das ,Pondtaydung zu Spittällh
28. Stralleck und Miesenbach.
Pergamenthandschrift 251, 16. Jahrhundert. ,Die gerechtig-
keit, die herr Christof Stadler hat in seinen ambtern zw
Strallegkh vnd Miesenpach, vnd das classter zu Pöllaun, die
man järlich besiczt vnd verlisst in dem pandäding'. 55 Artikel
von 1573. Original.
Papierhandschrift 3603 enthält eine neue Abschrift des
selben Banntaidings.
29. Strölzhof bei Willendorf.
Papierhandschrift 2972, 17. Jahrhundert. Bergtaiding des
Dompropstes etc. des Stiftes zu Seckau am Strelzhof bei Willen-
- dorf. 45 Artikel.
Bericht über Weisthümer-Forschungen in Steiermark.
383
Papierhandsehrift 261, 16. Jahrhundert. Banntaiding des
Dompropstes zu Seckau ,im Aigen zu Willendorf bey Streltz'.
c. 44 Artikel.
30. Thal.
Stoekurbar 76/180 vom Jahre 1569. ,Purckhfridt, paann
vnnd percksthaidung zu der herrschaft Thall gehörig zusambt
dem panthaidung vnd freyhait auch khirchtagbehuettung zu
Payrdorff'. Beschreibung des Burgfrieds u. s. w., aber keine
Banntaidingsartikel.
31. Träglwang.
Papierhandsehrift 3409. Abschrift der , Gerechtigkhait
der freyung zu Träglwang, so auf pärgament geschrieben', vom
Jahre 1545. ,Vermerekht die gerechtigkhait der freyung zu
Träglwang a. 1445'. — Als Vorlage dieser Abschrift dürfte die
Urkunde vom 19. Deccmber 1445 Z. 5999 zu betrachten sein.
32. Tüffer.
Stoekurbar der Herrschaft Tüffer 79/187 vom Jahre 1582
enthält: Landgerichtspidmerkhu. s. w. Malefizrechtensbeförderung
u. s. w., wie gewöhnlich; ferner: ,Markt Tiffer freyhaiten'. —
Desselben Inhaltes ist
Papierhandsehrift 544, Urbar des landesfürstlichen Amtes
Tüffer vom Jahre 1621.
33. Unzmarkt.
Papierhandsehrift 2039. Neue Abschrift des ,pantaiding'
von Unzmarkt. ,Vermerckht den purkhfridt' etc. ,Verzaichnus
vnd aufmerckhung etlich vnd nachuolgenter articl, so N richter
rath vnd gemain am Vncztmarckht zu erhaltung gerechtigkhait
alten herkhomen vnd iustitien demselben nachzukhomen wissen,
welche articl nach orwöllung. aines jeden richters zur pandaittung
allen vnd jeden in marckht haussässigen bürgern vnd innwoh-
nern alle declariert fürgehalten vnd ordentlich verlesen werden,
wie folgt'. 34 Artikel ausser der Beschreibung des Burgfrieds,
Richterrecht etc.
384
Bi sch off.
34. St. Veitsberg bei Leoben.
Papierhandschrift 463, 16. Jahrhundert, Urbar der Pfarre
St. Veitsberg. ,Aussgeben der speiss, die dann auf die arbeter
geeth . . ,Beruef oder stifftarticlb 25 Artikel. ,Des ambtmans
gerechtigkaith . .
35. W e i t z.
Papierhandsehrift 32, 17. Jahrhundert. Gemaines marckhts
Weitz marckhtbuechh Blatt 25 fg.: Die drei järlichen Bantai-
dinge. 85 Artikel.
36. Wolkenstein.
Papierhandsehrift 2843; neue Abschrift des ,Lanndtsbriue
der herrschaft Wolckhenstain'. Derselbe findet sich auch noch in
andern Archivshandschriften, namentlich in den Landtags
handlungen V, 251“ und VI, 284“. Die Weisthümercommission
besitzt eine Abschrift hievon. S. unten Verzeichniss C. am
Schlüsse.
Die Papierhandsehrift 3545 aus dem Ende des 15. oder
Anfang des 16. Jahrhunderts, ein Bruchstück eines Urbariums,
enthält S. 1 Folgendes:
jVermerckcht wann ain yeder hübmaister das percktay-
ding järlich besiczen sol in den hernach geschriben dörfern
als von alter herkomen ist.
Von erst an montag in den osterfeirtagen zu Zerlach,
vnd das verkhünden lassen in der pliarre zu Kirchpach.
Das ander perckchtaiding besitzt er auch am montag
in den osterfeirtagen zw Wolfperg, vnd das verldiundt man
in der pharre daselbst.
Das dritt perkhtaiding besitzt er am erichtag in den
osterfeirtagen zw Mäyming, vnd das lasst man zw sand Jör
gen verkliunden.
Das viertt perkhtaiding besiezt er auch am erichtag in
den osterfeirtagen zu Velkusch, vnd lasst das verkhünden
zum heylligen Creuz.
Bericht über Weisthümer - Forschungen in Steiermark.
385
Das fünfft perkhtafpng besitzt er am mittichen in den
osterfeirtagen im Newndorffl, vnd lasst das verkhunden zu
sand Fetter vnd zu sand Lienhartt.
Das sechst perkhtaiding besiczt er am phynntztag in den
osterfeirtagen zu Eykherstorff vnd lasst das verkhunden in
der pharre daselb/
Das ,Bergrecht in SteieF in verschiedenen Formen
enthalten die Pergamenthandschrift 367 aus dem 15. Jahrhundert
auf Blatt 17—19, und die neue Papierhandschrift 2645, deren
Vorlage der Codex des k. k. Staatsarchivs 141 in Wien gewesen
zu sein scheint. Es unterliegt keinem Zweifel, dass diese Berg
rechte in den Bergtaidingen verkündigt wurden.
B. Reisebericht.
Nach dieser recht ergiebigen Umschau im Landesarchive
begann Referent die Durchsuchung anderer Archive während
der Osterferien 1876 und begab sich zunächst nach dem alten
Markt Gradwein. Gleich hier begegnete er ängstlicher Besorg-
niss des Bürgermeisters vor möglichem der Gemeinde Schaden
drohendem Missbrauch anvertrauter Archivalien, wie solche
namentlich den Vorständen der Landgemeinden sehr häufig
eigen zu sein scheint. Nachdem er zuerst das Vorhandensein
älterer Schriftstücke in Abrede stellte, gab er nach einigen
Auseinandersetzungen zu, es wäre Manches doch noch vor
handen — was Referenten auch schon von Graz aus bekannt
war — aber er dürfte nicht sagen, wo es sich befände, und
könnte auch dermals nichts herausgeben, da der Besitzer der
erforderlichen Schlüssel abwesend wäre. Uebrigens versicherte
er nach Banntaidingen, Gemeindeordnungen u. s. w. suchen,
und falls sich etwas finden sollte Nachricht davon geben zu
wollen. Bisher scheint sich nichts gefunden zu haben. Vielleicht
erzielt ein neuer Besuch ein besseres Ergebniss, obwohl nach
Mittheilungen von Personen, welche vor Jahren das Marktarchiv
besichtigten, ausser ILexenprocessacten nichts Bemerkenswerthes
darin sein soll.
Nicht glücklicher war Referent in dem benachbarten
St. Stefan, da der Bürgermeister veiTeist war, der erst seit
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. LXXXIII. Bd. III. Hft. 25
386
Bischof f.
kurzer Zeit amtireude Gemeindeschreiber nichts über alte
Archivstücke anzugeben wusste und die Frau des Bürger
meisters mit anerkennenswerthem Pflichtgefühl allen Ver
suchungen sie zum Oeffnen der Kanzlei zu bewegen tapfer
widerstand.
Auch die Kirchenarchive dieser beiden Orte boten nichts.
Im Stiftsarchive zu Reun, welches Referenten wie schon
früher wiederholt so auch diesmal vom Herrn Prälaten freund-
lichst geöffnet wurde, fand sich jenes ziemlich junge Banntai-
dine, von welchem die Weisthümer-Commission bereits eine
Abschrift besass, deren Vergleichung mit dem Originale sich
übrigens nicht als unnöthig erwies. Die Hoffnung ein älteres
Weisthum oder eine Ordnung jener zahlreichen Gemeinden zu
linden, welche unter der Herrschaft des Stiftes standen, hat
sich nach Durchsicht sehr vieler Urbarien und Herrschaftsacten
nicht bewährt. Nur einige Spuren abgehaltener Bergtaidinge
konnten verzeichnet werden und mögen hier Platz finden.
Eine Handschrift bezeichnet als Zins- und Bergrecht zu Eibis-
wald, 1595, enthält S. 2 vom Jahre 1596 folgenden ,Gedenkh-
zedl zum pergktayding gen Eybiswald'. ,Nota das pergktayding-
puech. N. alte schuld zu melden. N. zins im dörflein Few-
stritz. N. zins im dörflein bei St. Merten'. Ein Eintrag in
einem Urbarium lässt ersehen, dass das im Jahre 1468 in
Geld veranschlagte Eibiswalder Bergrecht jährlich am St. Mer-
teinstag zu entrichten war. Aus Bergrechtsacten aus der Mitte
des 17. Jahrhunderts ward ersichtlich, dass damals zu Reun
am Kreuzerfindungstage (3. Mai) Bergtaiding gehalten wurde.
— Einen Beleg für ein Bergrecht zu Söding fand Referent
in einem Bruchstücke eines Copialbuches aus dem 16. Jahr
hundert. ,Abschidt in perkrecht. 1544 mittich post pentec.
Seding'. In einer Streitsache einen Weingarten in der Söding
betreffend ,ist nach genuegsamer verhör beeder thail redt vnd
widerredt vor mein Cristoff Stubenfal römisch königlicher Maje
stät diener, derzeit anwaldt zu Rein, als ich auss Verordnung
. . meins gnäd. Herrn M. aht zu Rein das perktaiding in der
Seding besessen, durch den mehrer thail der perkgenossen, so
bei mir ain perkrecht besessen, erkhennt: der' . . . Eine ge
nauere Durchsicht der Herrschafts- und Gerichtsakten, die
aber mindestens zwei Wochen in Anspruch nehmen dürfte,
Bericht über Weistliüjner- Forschungen in Steiermark.
387
würde wolil manche für die Weisthümeredition brauchbare
Stücke zum Vorschein bringen.
Im Marktarchive zu Peggau zeigte sich eine ganz er
staunliche Leere. Das Archiv der ehemaligen Herrschaft Peggau
befindet sich, laut Angabe des Herrn Prälaten von Vorau, im
Stifte daselbst. Mit einiger Hoffnung, etwas zu finden, wanderte
Referent, bei abscheulichem Wetter über die Berge nach dem
uralten Semriach hinüber, fand aber-auch hier in der bereit
willigst geöffneten Gemeindelade nichts, als einige Markt
privilegien und neuere Schriften landesfürstlicher Behörden.
Auch das Pfarrarchiv bietet nichts, da alle älteren Archivalien
nach Reun gebracht wurden. Dasselbe gilt auch vom Pfarr-
archive zu Feistritz. Auch das Feistritzer Gemeindearchiv
enthält keine in’s Mittelalter zurückreichende Stücke, auch
kein eigentliches Weisthum, jedoch einige beachtenswerthe
Zeugnisse der Abhaltung von Banntaidingen noch im achtzehnten
Jahrhunderte; nämlich Gerichtsprotokolle aus den Jahren 1739
und 1743. Im letzteren findet sich folgende Notiz: Zumahlen
noch A. 1725 das bei hanndten gehabte gerichtsprothocoll in
markht Feystritz sambt villen bürgerlichen hewsern in aschen
gelegt worden, hat man vor nothwendig erachtet, ein dergleichen
von neuen verfassen zu lassen, damit die vhralten gewohn-
heiten bei solchem marckht nicht genzlich erleschen, sondern
souill wissentlich alles und jedes bei der alten observanz ge
halten werden solle, die neuen begebenheiten aber ordentlich
eingetragen werden sollen. Also ist altem gebrauch nach in
monath November des abgewichenen 1728. jahres eine ordent
liche banntliättung gehalten worden'. . . etc. (Richterwahl u. a.).
— Weiters findet sich darin S. 13 fg.: ,Anno 1739 ist die
bannthätung in gerichtshauss bescheehen, worbey die pann-
pfening eingenomben vnd naehvollgende vortrag bescheehen'
(folgen sechs verschiedene Gemeindebeschlüsse und die Wasser
leitungsordnung). Sodann erfolgte am 18. Mai die Berainung
der Grundstücke u. a. Auf S. 33 fg.: ,Volgen ein und andere
articul, so jenem, der zu einem burger an vnd aufgenomben
würdt, vorzutragen seindt'. (10 Artikel) S. 37 fg.: ,Volgen
vnterschiedtliche Vortrag bey der pandatung, so geschehen in
beysein des wohl edl gestrengen herrn Verwalter zu Waldtstein
den 25. Jenner 1743'. Es folgen wieder mehrere (6) Beschlüsse
388
Bischof f.
über Gemeindeangelegenbeiten. In dem ersten derselben wird
denjenigen, welche ordentlich vorgeladen im Gerichtshause
nicht erscheinen, eine Strafe ,laut pannbuech per 72 den',
gedroht. Falls sich nicht noch vielleicht ein eigentliches Weis-
thum findet, dürften diese wenig umfassenden Stücke der Auf
nahme in die Weisthümersammlung vielleicht für würdig be
funden werden und wurden deshalb mit Bewilligung des Herrn
Bürgermeisters J. Maierhofer copirt.
Im benachbarten Markte Uebelbach hat sich die Ab
haltung von Banntaidingen bis in die neueste Zeit hin erhalten
und noch heute bewahrt die Gemeinde einen zierlichen Kelch,
der seit vielen Jahrzehnten hei dem auf das Banntaiding
folgenden Festmahle herumgereicht wurde und noch jetzt dabei
gebraucht wird. Der Herr Prälat von Beun erinnert sich noch
aus seiner Uebelbacher Amtszeit her eines Banntaidingsbuches,
worin aber schon damals jene Blätter fehlten, worauf die
Banntaidingsartikel geschrieben waren. Im Gemeindearchiv,
dessen Durchsuchung Herr Bürgermeister Franz Müllner bereit
willigst gestattete, fand Referent nur ein Handlungsbuch (Ge
richtsprotokoll) vom Jahre 1583 fg., und ein Protokoll über
die Gemeindealpen vom Jahre 1788. Ersteres bezeugt die Ab
haltung von Banntaidingen am ersten Montag nach heiligen
drei König durch Richter, Rath und eine ganze ehrsame Bürger
schaft in den Jahren 1594—1604, wobei über Gemeindesachen
Beschlüsse gefasst, mannigfache Beschwerden verhandelt und
erledigt, Gewerbsbefugnisse u. dgl. verliehen, verschiedene
Abgaben entrichtet wurden, während die Richterwahl später
in einer andern Versammlung stattfand. Das Gemeindealpen-
Protokoll enthält Blatt 1 fg.: ,Die von alters gepflogenen
alpenrechtern deren von beden ämtern Nendorf und Kleinthal
henanden eigenthümlichen gemeindalpen', welche obwohl jämmer
lich textirt, als bisher einzig bekanntes Beispiel steirischer
Alpenrechte zur Abschrift erbeten wurden.
Am Wege zwischen Feistriz und Uebelbach besuchte
Referent das leider auch nur ganz oberflächlich geordnete,
übrigens sehr gut situirte und dermal sorgfältig gehütete
Archiv der Herrschaft Waldstein und war so glücklich in
demselben ein Bergrechtsverzeichniss und Mostregister der
fürstlichen Herrschaften Waldstein und Stübing vom Jahre 1G86
Bericht über Weisthümer- Forschungen in Steiermark.
389
zu finden, welches inmitten von Verzeichnissen der Bergrechts
dienste und Abgaben das Waldsteiner Banntaiding zu Feistritz,
Artikel für alle Banntaidinge dieser Herrschaft und den
Anfang eines Banntaidings zu Prenning enthält und dessen Be
nützung dem Referenten durch gefällige Vermittlung des fürstlich
Oettingen-Wallerstein’schen Forstmeisters Herrn Vinzenz Hess
ermöglicht wurde. Eine auf Blatt 14 b befindliche Notiz mag
gleich hier angemerkt werden. Sie lautet: ,Perkrecht zu Graz.
Die Perkhtaidung würdet am tag Georgi zu Gräz in der
Windischgräzerischen behausung gehalten. Darzue seindt alle
perkholdten zu erscheinen vnd dass verleggelt zu geben schuldig
vnd dienen perkhrecht alss hernach volgth . . Obwohl auch
diesem Archive mittelalterliche Handschriften auffallenderweise
fast ganz zu fehlen scheinen, dürfte eine gründlichere Durch
forschung vielleicht doch noch ein oder das andere für die
Weisthümer-Sammlung brauchbare Stück ergeben.
Das Archiv des Marktes Fronleiten birgt von älteren
Sachen neben den Marktprivilegien einige Marktgerichtsproto
kolle aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Eines derselben aus
den Jahren 1631—1634 enthält Blatt 6 folgenden Eintrag:
,Handlung, so am Sonntag Reminiscere in der fasten, als auch
den tag negst darnach nach alten lebl. gebrauch die gewohnd-
liche bonthädtung gehalten vnd abgehandlt werdt. Heut den
17. tag Martii a. 1631 seind zu gehaltner ponthaidung von
dem erseczten herrn ordinari markhtrichter herrn Hanssen
Dillipauli in der versamblung rath vnd gmain dem alten lebl.
gebrauch vnd herklmmen nach volgende handlungen fiirge-
noinen worden. Erstlichen wierdt dem herrn markhtrichter der
gewondliche ponpfoning neben dem prun- vnd wachtgelt erlegt.
— Dan werden der burgerscliaft gemainess markhts freyheiten,
dess purckh- vnd landtgerichts confinen verlessen'. Hierauf
folgte die Besetzung der Marktgemeindeämter, ausser denen
des Richters, Rathes und der Führer, welche am St. Erharts-
tag stattfand. — ,Item wegens graben vor der mauer soll wie
alzeit gehalten werden'. — Dann Verhandlungen und ,Rath
schläge' über Gesuche und Beschwerden u. a. — Die Ab
haltung eines Banntaidings mit der angedeuteten Tagesordnung
am Montag nach Reminiscere wird auch noch in späteren
Protokollen (1639—1641) bezeugt. Besonders wird die Verlesung
390
Bisehoff.
der Marktfreiheiten wiederholt erwähnt. Im Protokoll vom
Jahre 1641 heisst es aber: ,vnd bissweilen werden auch ge-
inaiuess markhts freyheiten wegen der jungen bürg-er verlessenh
— Eine andere allgemeine Versammlung, bei welcher dem
Marktrichter der gewöhnliche Hofzins entrichtet und gleichfalls
auch die Marktfreiheiten vorgelesen wurden, die aber in den
Protokollen als ; IIandlung vnd Gerichtsverfalirung' bezeichnet
ist, fand regelmässig am Tage nach St. Marcus (26. April)
statt. Die Gemeinde hatte von Kaiser Ferdinand nach Verlust
der meisten Privilegien durch Feuer auf Grund glaubwürdiger
Verzeichnisse u. dgl. und des factischen Besitzstandes am
28. Februar 1619 eine Confirmationsurkunde ihrer alten Rechte
und Freiheiten erlangt und wird es wohl diese gewesen sein,
deren Verlesung in den späteren Banntaidingen stattfand. —
In den Protokollen aus dem 18. Jahrhundert ist von ,Bann-
taiding' keine Rede mehr.
Beim Bezirksgerichte und im Grundbuchsamte fand sich
nichts Bemerkenswerthes.
Erfreuliches Resultat brachte die Durchforschung des
kleinen hübsch geordneten Pfannberger Schlossarchivs des
Barons Maier von Meinhof. Zwar fehlen auch hier iu’s Mittel-
alter zurückreichende Stücke fast ganz; aber schon nach kurzer
Durchsicht einiger von den vielen hier noch vorhandenen Ur
barien aus dem 16. und 17. Jahrhundert fand sich ein umfang
reiches Banntaiding und bald auch eine separate Aufzeichnung
desselben in einem sogenannten ,Panbuech‘ vom Jahre 1599 und
in einer spätem Abschrift. Referent erbat sich vom Herrn Schloss
verwalter Friedrich die Bewilligung, die beiden Exemplare des
Bannbuches zur Copierung nach Graz mitnehmen zu dürfen, was
auch in dankenswerthester Weise gewährt wurde.
Einige Enttäuschung ergab die Durchsuchung der wenigen
Reste des Schlossarchivs zu Peru egg. Referent hat zwar nicht
viel daselbst zu linden gehofft, fand aber gar nichts für seinen
Zweck und hält sich für berechtigt zu bezweifeln, dass eine
sorgfältigere Untersuchung der ordnungslos aufeinander ge-
stappelten Acten und Bücher ein günstigeres Ergebniss er
zielt hätte.
Gleich wenig Erfolg hatte eine Anfrage bei dem Gemeinde
amt zu Kirchdorf, beziehungsweise Pernegg, da daselbst, nach
Bericht über Weisthümer-Forschungen in Steiermark.
• 391
Angabe des Gemeinde Vorstandes, gar nichts aus älterer Zeit
vorhanden ist. Die Archivalien der Kirche zu Kirchdorf waren
wegen Abwesenheit des Pfarrers unzugänglich, hätten übrigens
auch kaum etwas geboten, da die Kirche niemals grösseren
Grundbesitz hatte.
In Bruck an der Mur hat Referent das Stadtarchiv,
und die Archive der Bezirkshauptmannschaft und des Bezirks
gerichtes vergebens durchsucht. Die Forschung in den beiden
letzten Archiven konnte freilich nur eine sehr oberflächliche
sein, da Register oder Repertorien über die vielen Tausende
von Urkunden, die daselbst in zahllosen Fascikeln aufbewahrt
werden, nicht vorhanden sind, und somit nur einzelne Fascikel,
welche ältere Stücke zu enthalten schienen, näher angesehen
wurden; aber wie oberflächlich auch immer diese Untersuchung
war, so genügte sie doch zur Bekräftigung der Angabe dies
falls wohl unterrichteter Personen, dass über die letzten De-
cennien des vorigen Jahrhunderts hinaufreichende Schriftstücke
kaum zu finden sein dürften.
Zwar nicht ein eigentliches Weisthum, aber ein Bann-
taidingsprotokoll fand sich unter den ebenfalls ganz unge
ordneten Afchivalien der Propstei zu Bruck. Dasselbe enthält
die Protokolle und ,Bannbriefe' über fünfundvierzig Bann-
taidinge, wovon sechzehn mit den Unterthanen der Propstei und
Stadtpfarre, bez. mit der Gemeinde zu Kirchdorf, eben so
viele mit denen von Zlatten und dreizehn mit denen von Tra-
föss in den Jahren 1676 — 1777 im Pfarrhof zu Kirchdorf, oder
zu Pernegg, oder ,auf der Linden', oder in des Lindenwirths
Behausung zu Zlatten, oder ,beim Egger zu Traföss' u. s. w.
auf Anordnung der Grundobrigkeit gehalten wux-den. Diese
Protokolle verzeichnen die Bitten und Beschwerden der Unter
thanen und deren Erledigung durch die Obrigkeit, die ,Auf
lagen' (Anordnungen) derselben, die Yertheilung des Zahlholzes
u. s. w., die Resignation der ,Forstner‘, sowie deren Confir-
mation oder Erwählung neuer, u. a. Ueber alles dieses wurden
den . Unterthanen von der Obrigkeit Bannbriefe zur Darnach-
achtung hinausgegeben. Von den ,Auflagen' wurden einige
immer wieder verkündigt und diese dürften der Weisthümer-
Sammlung einzuverleiben sein, daher diese Handschrift mit
392 •
B i s c li o f f.
gütiger Erlaubniss des Herrn Propstes zur Abschriftnahine
nach Graz mitgenommen wurde.
Das Marktarchiv zu Kapfenberg besitzt ausser Privi
legien und mannigfaltigen älteren Acten noch eine beträchtliche
Menge von Gerichtsprotokollen vom Jahre 1600 an; die Ab
haltung von Banntaidingen aber liess sich nicht nachweisen.
Im Schlosse Wieden erfuhr Referent, wie schon früher in
Graz und in Kapfenberg, dass vor mehreren Decennien das
Archiv der Stubenbergischen Landgerichtsherrschaft Wieden-
Ober-Kapfenberg zwangsweise von Amtswegen nach Bruck
gebracht worden sei. Dort wurde dem Referenten auf seine
Erkundigungen über das Schicksal dieses jedenfalls sehr wichtigen
Archives auf das Bestimmteste versichert, es sei dasselbe in
ein Magazin im Hofe des ehemaligen Kreisamtsgebäudes ge
bracht worden, später aber als nach Aufhebung der Kreis
ämter dieses Gebäude einer andern Bestimmung zugeführt
wurde, aus dem Magazine hinausgeworfen worden und, da jeder
davon nehmen konnte was er wollte, schmählich zu Grunde
gegangen. Einige wenige diesem Archive angehörig gewesene
Stücke sind seitdem zufällig bei Bauern oder anderwärts ge
funden worden; was im Schlosse Wieden zurückgeblieben,
wurde vor nicht langer Zeit in das Landesarchiv gebracht.
Vergeblich wurden das Gemeinde- und Pfarrarchiv zu
Marein, das Decanats- und das Schlossarchiv zu St. Lorenzen,
sowie das Schlossarchiv zu Spiegelfeld durchsucht. Unzugäng
lich war das Schlossarchiv zu Nechelheim, da die Besitzer
nicht anwesend waren und der Schaffner keine Archivsschlüssel
in Händen hatte.
Ganz unerwartet war Referenten die Mittheilung des
Schlossverwalters zu Oberkindberg, dass daselbst gar nichts
mehr von älteren Archivalien vorhanden sei; sehr erfreulich
dagegen der Fund der s. g. Landtafel im Marktarchiv zu
Kindberg, einer unter Glas und Rahmen verwahrten Auf
zeichnung der Gerichtsgrenzen, alter Rechte und Satzungen,
welche im Banntaiding verlesen wurde. Die Abhaltung solcher
bezeugen die leider nur mehr in geringer Anzahl und aus
verhältnissmässig später Zeit vorhandenen Gerichtsprotokolle.
Die älteste Nachricht hierüber fand Referent im Protokollbuch I
vom Jahre 1655—1667. Darin heisst es: ,Den 16. October 1666
Bericht über Weisthümer- Forschungen in Steiermark.
393
ist nacli alten löbl. gebrauch die erste pandtättung gehalten
. . . Erstlichen ist der burgerschaft zu ihrer nachricht die
zusamben gezogene khayserl. vnud lanndtsfürstl. freyheit vnd
landttaffel abgelessen worden*. . . . Am selben Tage wurde
auch eine ßathsversammlung gehalten, von der das Protokoll
sagt: ,Für dissmal ist nichts gehandlet worden*. — ,Den
29. October ist nach löbl. gebrauch die andere pandtatnung
gehalten*. . . ,Anderten ist der burgerschaft zur information
die landtafel abgelessen worden*. — Die Richterwahl fand
nicht in diesen Banntaidingen, sondern in einer Versammlung
des Rath es, der Vormünder (Führer) und der Gemeinde am
St. Blasiustage (3. Februar) statt.
Von Kindberg ging Referent, die weitere Durchforschung
der Archive im Norden Steiermarks auf später verschiebend,
nach Bruck zurück und von da weiter nach Leoben. Obwohl
daselbst vom hochw. Herrn Director Gregor Fuchs bestens
gefördert und überall freundliclist aufgenommen, fand Referent
weder in den Archiven der Stadt- und der Vorstadt- (Wasen)
Pfarre, noch in denen der Bezirkshauptmannschaft, des Kreis-
und Bezirksgerichtes, noch im Grundbuchsamt, welches übrigens
einige ziemlich alte Grundbücher birgt, irgend etwas für seine
Zwecke Dienliches. Gleiches ist zu berichten von den Herr
schaftsarchiven zu Goess, aus welchem aber viel im Landes
archive sich befindet, zu Donawitz, bez. Schloss Lorberau,
zu Freienstein und vom Decanats- und Marktarchive zu
Trofaiach. Vergeblich waren auch die Nachforschungen in
Knittelfeld und Schloss Spielberg; jedoch dürfte sich bei
genauerer Untersuchung am letzteren Orte vielleicht etwas
finden. Obgleich dem Referenten aus berufenem Munde schon
zu Graz mitgetheilt worden, dass im Schloss zu Grosslobming
nichts mehr von Archivalien vorhanden sei, scheute derselbe
doch nicht den Marsch dahin und fand zwar keine Weisthümer,
aber ein Urbarium von Reiffenstein mit Aufzeichnungen
über das ehemalige Offenburger, später Reifensteiner Land
gericht, Mauten, Reissgejaid, Fischerei u. s. w., über fremder
Herrn Burgfrieden, die in diesem Landgerichte liegen, etc.,
welche vielleicht für die Weisthümer-Sammlung zu brauchen
sein werden. Weiter wurden in dieser Richtung noch das
Stadt- und Schlossarchiv zu Murau und das Archiv und die
394 Bischoff.
Registratur des Stiftes St. Lambrecht neuerdings durchforscht.
Das Murauer Stadtarchiv bot keine Spur von Banntaidingen.
Das Schlossarchiv daselbst, wohl das reichste im Lande zu
nächst dem Landesarchive, konnte nur zum Theile und nach
Anleitung der vorhandenen Repertorien geprüft werden; eine
grosse Menge von Herrschaftsacten ist da noch ungeordnet.
Auch da fanden sich keine Banntaidinge, sondern nur urbarielle
Aufzeichnungen, worunter manche für unsere Zwecke verwertli-
bare. Mehr bietet vielleicht das fürstlich Schwarzenberg’sehe
Centralarchiv in Wien, wo vermuthlich auch das Wasserleon
burger Bann taiding zu suchen sein dürfte, welches auf der im Jahre
1873 veranstalteten Ausstellung in Wien zu sehen war. Zur
Entlehnung oder Copirung von Archivalien aus diesen wohl
gepflegten Aufbewahrungsorten bedarf es der besondern Er-
laubniss des Fürsten selbst, welche Referent dermals noch nicht
erlangt hat. Das Lambrechter Stiftsarchiv steht unter der
unmittelbaren Obhut des Herrn Prälaten, der dem Referenten
auch diesmal die Benützung desselben in dankenswertester
Weise gestattete. In den grossen Urbarien, die da liegen, Anden
sich umfangreiche Stiftartikel. Auch bewahrt das Archiv eine
separate kürzere Ausfertigung der , Artikel der Warnung',
welche gewöhnlich in der Stift gemeldet wurden. Die Regi
stratur, worin nur neuere, nicht bis in’s Mittelalter hinauf
reichende Stücke anzutreffen sind, ist fast gänzlich ungeordnet.
Dennoch fand Referent daselbst, allerdings erst nach langem
Suchen, ein Banntaiding aus den ersten Decennien des 16. Jahr
hunderts in zwei verschiedenen einander ergänzenden Aus
fertigungen. Ferner fand sich eine Waldordnung vom Jahre 1749
heil, und ein Band mit Schriftstücken über streitige Land
gerichtsgrenzen aus dem 17. Jahrhundert, worunter manche
(Spuren und Bruchstücke fehlender Banntaidinge, oder Surrogate
solcher. Ein ebenfalls in der Registratur gefundenes Land
gerichtsprotokoll enthält u. A. folgenden Eintrag: ,Den 6. Juni
1686 Paanthaidtungs Verlessung in der Perchau. Ist bey ge
haltener jährlicher viemärkh vnd ausslassung des holzes in
dem Grienwaldt wegen der darfür zu laisten schuldiger robath
nach dem gschlos Stain die paanthaidtung den purkhfridts-
leüthen in des purkhrichters hauss zu meuiglicher nachricht
durch mich landtgerichts Verwaltern M. Wolff Balthasarn
Bericht über Weisthümer- Forschungen in Steiermark.
395
Vellern mit allen articuln vorgelessen worden, in beysein vnd
anhörung des purkhrichters Lorenz Zeehners, Mathäusen Schauers
Stainer ambtmans, Christof Zeehners, Mörthn Hundtpichlers,
Thoman Stirgels vnd fast der gesambten purckfridtsleitheu alda'.
Im Wesentlichen gleichlautend ist ein Eintrag vom 14. Juni
1689, jedoch mit dem Beisatze: ,aber auf bescheehene anfrag
khein clag oder beschwär wider den purkhrichter eingewendet
worden'. — Im Marktarchive von St. Lambrecht ist nichts und
auch die in die Stiftsregistratur überkommenen Marktarchivalicn
boten keine Ausbeute.
Es .erübrigt noch über die Ergebnisse eines nach Deutsch-
Landsberg und Umgebung gemachten Ausfluges zu berichten.
In Deutsch-Landsberg liess sich merkwürdigerweise die Ab
haltung von Banntaidingen nicht constatiren, obwohl zahlreiche
Gerichtsprotokolle, Acten und Privilegien durchgesehen wurden.
Eine erschöpfende Untersuchung war leider unthunlich, weil
auch hier, wie fast in allen bisher gesehenen Marktarchiven,
die Archivalien ungeordnet sind, und ein beträchtlicher Theil
derselben am Dachboden lieber dem sichern Untergang durch
Feuchtigkeit, Mäuse u. s. w. preisgegeben, als dem Landes
archive überlassen wird. Weit schlimmer aber war die Wahr
nehmung, dass in den sämmtlich fürstlich Lichtensteinischen
Herrschaften in dieser Gegend kein Weisthum und überhaupt
fast gar keine älteren Urkunden oder Schriften mehr vorhanden
sind. Referenten erging es hier ähnlich, wie dem Sammler
der niederösterreichischen Weisthümer in den betreffenden
Lichtenstein’schen Archiven. In Schloss Holleneck wurde
Referent an die herrschaftliche Oberverwaltung zu Frauen thal
gewiesen. Hier zeigte der Herr Verwalter mit grösster Ge
fälligkeit, was er von älteren Sachen mit Mühe und Notli aus
den verschiedensten Winkeln und Aufbewahrungsorten zu
sammengebracht hatte, was aber kaum über ein Dutzend von
Urbarien und Grundbeschreibungen, zumeist erst aus dem
18. Jahrhundert, beträgt. In den andern herrschaftlichen
Schlössern, zu Deutschlandsberg, Holloneck, Limberg,
Burgstall, Kirchberg u. a. versicherte er, sei gar nichts.
Auch hier wie anderwärts scheint besonders die Uebergabe der
Acten der Patrimonialgerichte an die landesfürstlichen Behörden
und die Grundentlastung ziemlich Alles vernichtet zu haben,
396 Bis cli off.
was bis dahin dem sein- gewöhnlichen vandalischen Verfahren
mit alten Acten u. dgl. noch entgangen war. Referent hätte
übrigens gern die Richtigkeit jener Versicherung des in dieser
Beziehung wohl gut unterrichteten Herrn Verwalters durch
eigene Augenscheinsnahme geprüft, fand aber nur zu einem
Besuche des Schlosses in fechwanberg Zeit, und da einen
Haufen von Archivalien, deren älteste, einige Geschäfts- und
Gerichtsprotokolle von Holleneck und Schwanberg aus der
zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, nichts Brauchbares lieferten.
Ein besseres, kaum gehofftes Ergebniss erzielte die Durch
suchung des Schwanberger Marktarchives, worin die Archivalien
zwar nicht geordnet, aber doch ziemlich gut verwahrt sind.
Hier fanden sich nicht nur Marktgerichtsprotokolle, welche
die Abhaltung von Banntaidingen noch im 18. Jahrhundert
bezeugen, sondern auch eine ausführlichere im Jahre 1661 er
neuerte Marktordnung. Aus den ersteren ergab sich für die
Jahre 1717—1720, dass am 25. Jänner (Pauli Bek.) die Richter
wahl stattfand, und hierauf in der zweiten Hälfte des Februar,
oder zu Anfang des März das erste Banntaiding, vierzehn
Tage später das ,Nachbarintakling', und im December noch ein
Banntaiding gehalten wurde. Auch für Eibiswald fand sich
ein Beleg der Abhaltung von Banntaidingen, das einzige in
der Marktlade vorhandene, stark vermodernde Buch, ein Ge
richtsprotokoll von 1682—1782, laut welchem die Banntaidinge
daselbst regelmässig zu Mitfasten, Georgi und Michaeli statt
fanden. Im Schlossarchive blieb alles Suchen, wobei der Herr
Besitzer desselben eifrigst mithalf, ohne Erfolg. Auf dem Wege
hieher frug Referent beim Gemeindevorstand in Wies nach,
ob etwa die Gemeindelade irgend etwas Altes berge, worauf
dieser nach einigem Zögern einige Staatsrente-Obligationen vor
wies. — Schloss Welsberg war wegen Abwesenheit seines Be
sitzers unzugänglich, soll übrigens nach Aussage des Schloss-
wartes keine alten Documente enthalten. Auch im Schlosse
zu Stainz fand sich nichts, und im Gemeindearchiv nur Belege
für Abhaltung von Banntaidingen während des 17. Jahrhunderts.
Als ,erster pontag' erscheint hier gewöhnlich der Quatember-
Mittwoch in der Fasten, über acht Tage war wieder Banntai
ding und dann noch zu Michaeli. In manchem Jahre finden
sich aber in der Fasten drei Banntaidinge, oder zwei in der
Bericht über Weisthümer- Forschungen in Steiermark.
397
Fasten, das dritte zu Pfingsten. 1637 war der ,erste pontag'
zu Michaeli, an welchem Tage das Richterjahr begonnen zu
haben scheint. — Ein Abstecher nach Gams und Nieder
gams blieb erfolglos; ebenso einige inzwischen und seitdem
abgesendete schriftliche Anfragen an Vorstände von Archiven.
Referent lässt nunmehr das alphabetisch geordnete Ver
zeichniss jener Orte oder Herrschaften folgen, von welchen
sich Banntaidinge oder andere für die Weisthümersammlung
vielleicht brauchbare Stücke fanden. Die Numerirung der
selben schliesst sich der im Verzeichnisse A an.
37. Arndorf.
Papierhandschrift, 17. Jahrhundert, in der St. Lamb-
rechter Registratur mit dem Titel: ,Pümörckh des landtgrichts
zu Aerndorff', enthält S. 1 ,die pymerkh des landgerichts zu
Aerndorff nach anzaigen vnd erkanndtnuss der gerichtsleuth
im gesessnen pantadung-recht A. D. 1515h . . . Ferner: ,Dass
malefizrecht soll man besitzen' u. s. w. — S. 2: ,Pymerckb
des purgfrid zum Stain a. 1505'. . . S. auch unten St. Lamb
recht.
38. Bruck an d. M. Propst ei.
Papierhandschrift, 18. Jahrhundert. ,Panthaittung Protho-
coll yber die Zlättner, Kürchdorffer vnd Trafösser gmain, in
jahr 1676 biss 1777', im Propsteiarchive, enthält u. a. ,Auf
lagen', welche öffentlich verlesen wurden.
39. Feist ritz bei Peggau.
Marktgerichtsprotokoll vom Jahre 1737 u. fg. im Markt
archiv. S. 13 fg.: ,Bonnthätung in gerichtshauss beschechen,
worbey die pannpfenning eingenomben vnd nachvollgende vor-
trag beschechen'. 6 Artikel, und die ,Wüssen wasser laidungs-
ordnung'. — S. 33 fg.: ,Volgen ein vnd andere articul, so
jenem, der zu einnen burger an vnd auffgenomben würdt, vor
zutragen seindt'. 10 Artikel. — S. 37 fg.: ,Volgen vndterschiid-
liche vertrag bey der pandatung, so geschehen in beysein des
wohl edl gestrengen herrn Verwalter zu Waldtstein den 25. Jenner
1743'. 6 Artikel. — S. auch Waldstein.
398
Bis chof f.
40. Fronleiten.
Pergamenturkunde, im Marktarchiv. Privilegium von
Kaiser Ferdinand vom 28. Februar 1619, enthält die Confirma-
tion der Marktfreiheiten und Rechte, die in den Banntaidingen
daselbst gemeldet wurden.
41. Kindberg.
Pergamenturkunde, 17. Jahrhundert im Marktarchiv.
,Gemaines marlcts Khindtberg von uralters hcro zusamben ge-
schribne freiheiten burkfridt und landtafel, auch aigentliche
verzaichnus der burkfridt bidmarchen und anrainungen, auch
andere gmaines markts alte Statuten und freiheiten mit wol-
hergebrachten gewohnheiten, wie sollicbe hernach mit mehrern
zu vernemben: Erstlichen wan man zu der pandätung ansagt'. . . .
18 Artikel.
42. St. Lambrecht.
Papierhandsehrift im Stiftsarchiv. Grundbuch des Stiftes
vom Jahre 1494, enthält eine sehr interessante Angabe der
Motive der Errichtung der Grundbücher, ferner 15 Artikel
über die Art der Führung derselben, und die correspondirenden
Verpflichtungen der Unterthanen, und weitere 29 Artikel,
Normen für die Stiftsholden.
Papierhandsehrift, 15. Jahrhundert im Stiftsarchiv. ,Ver-
merchkt die artikel der Warnung des wirdigen gotshaws sand
Lambrecht, die vnser gnädiger herr oder sein anwald gwönleich
vnd järleich in den stifften erczellet vnd meldet allenthalben'.
32 Artikel.
Papierhandsehrift vom Jahre 1523 in der Registratur
dos Stiftes. ,Vermerckht das panthaidtung dos lanndtgerichts
des löbl. stiffts ... St. Lamprecht zuegehörig, so aus beuelh
des hochwierdigen herrn herrn Valtin abbten . . durch den . .
herrn Policarpen von Teuffenbach dieser Zeit seiner gnaden
hofrichter zu Ahrndorff vnder der linden am Montag vor
St. Georgtag . . . 1523 . . besessen vnd gehalten worden'.
9 Blätter; aus der Mitte fehlt etwas. Ergänzung bietet.
Papierhandsehrift, 17. Jahrhundert, in der Stiftsregistratur:
,I J anthädung zu St. Lamprecht Anno 1528, wie auch anno 1515
Bericht über Weistlmmer - Forschungen in Steiermark.
399
vnd 1531, wie auch die landtgerichtsbereitung von a. 1649 ! ,
beil. 40 Artikel.
Papierhandschrift, 18. Jahrhundert, daselbst: Wald-Holz-
und Grasregister vom Jahre 1749—1755, (enthält eine grosse
Menge von Holzmarken). S. 1: , No tan da vel etiam proponenda
zur holtz und grässausslassung'. 13 Artikel.
43. Neuhof und Kleinthal.
Papierhandschrift im Marktarchiv zu Feistritz: ,Protho-
coll über die von beeden ämtern Neuhof und Kleinthal eigen-
thümlichen gemeind alpen. Anno 1788'. — S. 1 fg.: ,Folgen
die von alters gepflogenen alpenrechtern deren von beeden
amtern Neuhof und Kleinthall benanden eigenthümlichen gmaind
alpen'. Dann S. 5 fg. eine jährlich gepflogene Ordnung über
die Bestellung der Alpenherrn, Zahl des aufzutreibenden Viehs,
Zins u. a. — S. auch unten: Uebelbach.
44. Pfannberg.
Papierhandsehrift im Schlossarchive daselbst: ,Der herr
schafft Pfanberg panbuech, Nr. 78'. Hinter drei leeren Blättern:
,Hernach volgen die pigmarch der h. Pfannberg purckhfridt'
3 Seiten; sodann: ,Volgen die pantättings articl, wie dieselben
in haltenden pantätting in jedem ambt der herrschaft Pfann
berg von alters herr verlessen und vermeldt werden, zuuer-
hüettung vnfridt, vngehorsamb, vnd anderer schändlichen laster,
zu hey- vnd erziglung aller erbarkheit vnd zu erhaltung guetter
erbarer manszucht'. 32 Artikel auf 6 Seiten. — Hierauf:
, Voigt welche im purckhfridt vnd gerichts freyhaiten des ambt
Strohs . . . gmaingerechtigkhait zu haussnotturfft zu gebrauchen
haben', 2 S. — ,Recht vnd freyweg des ambt Strobs', 2 S. —•
Sodann desgleichen im Amte Laufnitz, dazwischen: ,Freyhaitten
des amt Lauffnitz, 4 Artikel — alles auf 5 S. — Sodann:
Amt Schrembs 8 S. — Dann : ,Malefitz personen zu antwortten,
Vogt obrigkhait vber die khirchen, Khirchtagsbehiiettung,
Geiaidt, Vischwaszer', 4 S. — Schloss Pfannberg. Wähler und
Wiesmad. Robot, 37 S. — ,Volgen etliche articl, darnach sich
die inhaber diser herrschaft zu richten' . . . (die bekannten
Additionalartikel) vom 19. October 1599. — Endlich nochmals:
m
400
Bischof f.
,Malefizpersonen zu antworten' und ,Vogtöbrigkhait über die
khürchon'.
Papierhandschrift, 17. Jahrhundert daselbst. ,Panbuech
der herrschaft Pfanberg'. S. 1 fg.: ,Volgen die panthaidungs-
artickhl', wie in vorher bezeichneter Handschrift. — Sodann:
der Burgfrid der H. Pfannberg: a) des Amtes Strobs Burg
fried. Recht und Freiwege des Amtes Strobs; b) Amt Lauf
nitz ; c) Amt Schrems. — Malefiz Personen zu antworten.
Vogtobrigkeit über die Kirchen. Kirchtagsbehuetung. Ver-
muthlich von der obigen Handschrift abgeschrieben.
45. Reifenstein.
Papierhandschrift vom Jahre 1663 im Schlosse Gross-
lobning. Urbarium des halben Gutes Reifenstein,' enthält am
Ende.: das Urbarium über das Landgericht: dessen Grenzen,
Bruck und Wegmauth, Reisgeiaid, Vischwasser, Vogtei, Brücken,
Kirchtagbehüthung, Vogteiholden, fremder Herrn Burgfrieden
im Landgericht, Faschingtänze.
46. Reun.
Papierhandschrift, 17. Jahrhundert. ,Panthaidunngsord-
nunng Nr. 85' im Stiftsarchiv. 13 Blätter. ,Hernach volgen
die panthaidungs articl, wie dieselben von alter her jedes jabrs
in des stüfft Rhein heldenten allen panthaidung in gegenwart
der ganzen gemain . . . öffentlichen verlessen vnd hinfüro jähr
lichen verneuert vnd der gemain fürgehalten sollen werden'. —
46 Artikel.
47. Schwanberg.
Papierhandschrift vom Jahre 1661 im Marktarchiv:
,Statutten gemaines marckts Schwannberg, welche durch Ma-
thiassen Dorann, derzeit marklitrichtern alhier, neben denen
hernach benenten rathsherren .... dann beede viertlmaister
. . . neben zwen gemainer diss zu endt stehente jahr verneuert
vnd alless fleiss vberschriben worden, den 2. Januari a. 1661'.
— Seite 3: ,Anno 1598'. Vorwort des Richters u. s. w.,
sodann die Gemeindeordnung, bestehend aus 66 Artikeln.
14 Blätter.
Bericht über Weisthümer-Forschungen in Steiermark.
401
48. U e b e 1 b a c h und N e u h o f.
Papierhandschrift vom Jahre 1576, Z. 26/7 im fürstl.
Schwarzenbergischen Archive zu Murau. Urbarium über den
Markt Uebelbach und das Amt Neuhof. Nach dem Urbarium
,vo!gen die gewendlichen panthäding vnd pygmerkh des markhts
Vblpach, 'welche jährlichen vndterschiedlich zu zwaymallen,
nämblichen am Montag nach St. Erhardts tag vnd am Montag
nach Egidi durch die von Vblpach in gerichtshauss daselbst
gehalten werden. Also auch die panthäding vnd pidmerkh im
ambt Neuhoff werden im ambthauss auch jährlichen zwaymal
. . . gehalten'. Folgen 6 Artikel.
49. Waldstein.
Papierhandschrift, 17. Jahrhundert im Schlossarchiv zu
Waldstein, bez. ,Pergreclit vnd zünssmosst register der fürstl.
herrsehaften Waldstein vnd Stübing von anno 1686', enthält:
,Vertzaichnuss des gewendlichen panthädung, wie ess jährlichen
alters hero von der herrschaft Waldstein zu zwaymallen in
jahr, nemlichen Erchtag vor St. Georgen tag vnd Erchtag vor
St. Geilgen tag zu Feistritz im gerichtshauss gehalten vnd
noch hinfüro ferers gehalten werden solle, wie nachuolgent
particulariter zu ersechen' . . . ,Gerichtspidmarchen' . . ,Ver-
zaichnuss, welche in die panthädung ... zu erscheinen schuldig
sein in Mai'. . . ,Ruegämbter' . . . ,Verlegpfenning' . . . ,Frag-
stuckh buess vnd wandl, so jährlichen von der herrschaft
Waldtstein in allen panthadungen den gerichts vndterthanen
fürgeholten werden' ... 27 Artikel. . . Folgt: ,Einnembung
des (gerichts) getraidts'. . . Dann: ,Verzaichnuss der gewöhn
lichen panthädung, wie es alters hero von der herrschaft
Waldstein an St. Leonharts tag zu Prenning in ambtshauss
gehalten vnd noch hinfüran gehalten solle werden, nachuolgendt
particulariter zu sechen vnd ain jeder ain pfening zu erlegen
schuldig ist'. . . nur ein Artikel und Verzeichnisse von Rüg
meistern und Abgaben.
Des Originales des Gemeindebuches von Gammlitz wurde
bereits im Verzeichnisse A gedacht.
Zum Schlüsse dieses Reiseberichtes mögen einige allge
meinere Bemerkungen gestattet sein. Von beiläufig sechzig
Sitzungsber. d. phil.-bist. CI. LXXXIII. Bd. ILI. Hft. 26
402
B i s c h o f f.
besuchten Archiven haben nur eilf mehr oder weniger Brauch
bares geliefert, wovon nur sieben Banntaidinge. Gänzlich
im Stiche Hessen die landesfürstlichen Archive und die der Land
gemeinden, desgleichen die des Fürsten Franz Lichtenstein und,
ausgenommen die Stiftsarchive, fast alle Kirchenarchive, in
denen übrigens, wie auch in den städtischen, von vornherein
kaum etwas zu erwarten war. Keine einzige der gefundenen
Urkunden, abgesehen von den vielleicht noch ins 15. Jahr
hundert reichenden Artikeln der Warnung von St. Lambrecht
und den Stiftsartikeln daselbst, ist noch im Mittelalter ge
schrieben worden, und besonders die benutzten Archivalien
der Marktgemeinden reichen höchst selten über das 17. Jahr
hundert hinauf. Gerade diese aber bezeugen, was bisher ganz
unbeachtet geblieben ist, dass die Abhaltung von ,Banntaidingen‘
in und von steierischen Marktgemeinden sehr verbreitet war
und bis gegen das 19. Jahrhundert hin in Uebung blieb, und
die über diese Banntaidinge geführten Protokolle sind zweifels
ohne die lehrreichsten Quellen der Erkenntniss des Wesens
und der Gestaltung der in Rede stehenden Einrichtung im
16.—19. Jahrhundert, woraus wohl auch über die Entstehung
von Weisthümern in früherer Zeit u. s. w. Manches zu lernen
sein dürfte. Bei weiteren Bereisungen des Landes, behufs der
Sammlung von Weisthümern, wird daher auf die Marktarchive
besonderes Augenmerk zu richten sein.
c.
Ohne erschöpfende Vollständigkeit anzusprechen folgt
noch ein Verzeichniss der bereits gedruckten steirischen Weis-
thümer und sonstigen für die Weisthümer-Ausgabe dienlich
erscheinenden Stücke, wobei die in dem 1. Bande der Oesterr.
Weisthümer, und schon vorher in Chmel’s Friedrich III.
(Beilage VI) und theilweise in Kumar’s Grätz, S. 314 veröffent
lichten Rechte von Salzburg bei Leibniz und Graz, auch in
einem Codex s. XIV der Finanzprocuratur vorfindig, nicht
weiter angeführt werden.
50. Ennsthal.
Riegungsartikel der propstei des oberen Ennsthaies, eilf
Artikel, aus einem Admonter Urbarium vom Jahre 1434 von
Bericht über Weisthümer- Forschungen in Steiermark.
403
P. Jacob Wichner mitg'etheilt in den demnächst erscheinenden
Beiträgen zur Kunde steierm. Geschichtsquellen, XIII, 97 fg.
51. Gasthof in der Fritz.
,Das sind die frag in der stifft ze Gasthof in der friczh
13 Artikel aus einem Admonter Urbar von 1448, unter Weg
lassung einiger sich aus der Antwort ergebender Fragen, mit-
getheilt von J. Wichner in den Beiträgen für Kunde steierm.
Geschichtsquellen XIII, 95 fg.
52. Haus und Grobming.
,Vermerkt die rechten, die die hofmarchen ze Haus und
ze Grebming habenth Bruchstück in Chmel, Friedrich III,
Bd. I, 462 fg.
53. Obdach.
,Ruegung vnd stifftrechten, auch straff der ruegung in
vnserer propstey vnd ambt zw Obdach als man zaelt vnsers
herrn geburde 1391h c. 50 Artikel meist vollinhaltlich mitge-
theilt von J. Wichner in Beiträgen für Kunde steierm. Ge
schichts-Quellen XIII, 101 fg. aus einem Admonter Urbar von
Admontbühel vom Jahre 1528. Daraus auch a. a. 0. 107 fg.:
,Vermerkht die Ordnung vnd alten gebrauch hei - , wie
sich vnser bropst vnd vnsere vrbarsleut, auch ain marckht-
richter mitsambt den bürgern gegen einander halten sollen'.
6 Artikel.
54. R i e g e r s b u r g.
,Herrschafts Riedtkherspurg Freyhaiten A. 1603h 13 Ar
tikel in: Gallerin auf der Rieggersburg, !,* Urkundenbuch S. 10.
55. Sölk.
Weisth m über die Freiung in der Selick, bestätigt von
Herzog Friedrich am 14. September 1435, in Chmel, Fried
rich III, Bd. I, 275 Note.
26
404
B i s c h o f t\
56. Weinberg bei Feldbacli.
,Freyhaitten des dorffs zu Weinperg, zur Herrschaft
Riedtkherspurg gehörig' etc. 8 Artikel in: Gallerin auf der
Rieggersburg, I, Urkundenbuch S. 11.
57. Z ei ring.
,Nota was vncz her rechten sind in dem anipt auf der
Zeyrigk', von J. Wichner mitgetheilt in Beiträge für Kunde
steierm. Geschichtsquellen XIII, 99 fg. aus einem Admonter
Urbarium vom Jahre 1434.
Herr Stiftsarchivar P. Jacob Wichner hat Referenten
seine vollständigen Abschriften der hier unter Z. 50, 51, 53
und 57 angeführten Stücke freundlichst zur Verfügung gestellt
und etwaige weitere Weisthümerfunde im Admonter Stiftsarchiv
bekannt zu geben zugesagt.
Der im Verzeichniss A unter Z. 36 angeführte Wolken
steiner Landbrief von 1478, wurde auszugsweise von War-
tinger in der Steiermärkischen Zeitschrift VIII, 147—149, und
ausführlicher, aber mehrfach abweichend von den Handschriften
des Landesarchives, mitgetheilt von Chmel, Monumenta Habs
burg. II, 692, 695.
Wenn auch, nach den vorstehenden Ausweisen zu urtheilen,
in Steiermark keine so reiche Ausbeute an Weisthümern zu
hoffen ist, wie sie Niederösterreich und Tirol lieferten, so ist
doch durch dieselben der Beweis reichlich erbracht, dass auch
in Steiermark, und zwar in allen Theilen des Landes, das
Institut der Banntaidinge seit Jahrhunderten bis nahezu in die
Gegenwart bekannt und verbreitet war.
Die Orte, von welchen für die Weisthümer-Edition ver
wendbare Materialien oben verzeichnet wurden, liegen alle in
Steiermark, ausgenommen Gasthof, Köttulach, Strölzhof bez.
Willendorf und Reichenau. Von Ratten hat Kaltenbäck in seine
Sammlung ein mit dem oben im Verzeichnisse A angeführten
grossentheils übereinstimmendes Banntaiding aufgenommen;
Bericht über Weisthümer-Forschungen in Steiermark.
405
doch scheint das im Landesarchiv aufbewahrte (wie auch das
in Kaltenbäclc’s Sammlung) auf das steirische Ratten bezogen
werden zu müssen. Die Herrschaft Kranichberg, zu welcher
Ratten gehörte, liegt aber in Oesterreich unter der Enns.
Unter fremder Herrschaft stand auch das unter Z. 14 A ange
führte Banntaiding zu St. Peter bei Judenburg.
Schliesslich folgt das alphabetisch geordnete Verzeichniss
aller jener Orte.
Arndorf, s. St. Lambrecht.
Bruck, Propstei, s. auchPischk.
St. Dionisen ob Bruck.
Ennsthal (oberes). S. auch
Wolkenstein.
Feistriz, s. auch Waldstein.
Fischbach - Wachseneck.
Friedberg.
Fronleiten.
St. Gallen.
Gamlitz.
Gasthof in der Fritz.
Goess, s. Rotenstein, u. Seiers-
berg.
Gröbming, s. Haus.
Gschaidt bei Birkfeld.
Haus und Gröbming.
Heiligenkreuz.
Hoheneck.
Köttlach, s. auch Schönstein.
Kindberg.
Kirchdorf, s. Bruck.
St. Lambrecht.
Landskron, s. Pischk.
Lemberg.
Märktl.
Miesenbach, s. Stralleck.
Monpreis.
Neuberg, s. Reichenau.
Neuhof und Kleinthal.
Obdach.
Obernburg.
St. Peter bei Judenburg.
Pfannberg.
Pischk.
Pöllau.
Prenning, s. Waldstein.
Proleb.
Pürg.
Ratten.
Reichenau.
Reifenstein.
Remschnigg.
Reun.
Riegersburg.
Romatschachen.
Rotenstein.
St. Ruprecht a. d. Raab.
Schönstein, s. auch Köttlach.
Schwanberg.
Seiersberg.
Sölk.
Spital am Semmering.
Stralleck und Miesenbach.
Strölzhof bei Willendorf.
Thal.
Traföss, s. Bruck.
Trösrlwane-.
Tüffer.
Uebelbach.
Am.m
1
;
:
406 Bis cli off. Bericht über Weisthümer - Forschungen in Steiermark.
Unzmarkt.
St. Veitsberg.
Waldstein.
Weinberg bei Feldbach.
Weitz.
Wolkenstein.
Z eiring.
Zlatten, s. Bruck.
Indem Referent die aufgefundenen Urkunden zunächst
seinem geehrten Freunde und Mitarbeiter, Professor Dr. Anton
Schönbach, behufs der Bearbeitung des Textes übergiebt, hofft
er nach weiterer Bereisung des Landes während der Herbst
ferien dem oben ausgewiesenen Vorrath an steirischen Weis-
thümern neue Stücke zuführen zu können.
■Ir
Pruslk. Possess. Adj. auf -uj u. -ovt>, u. die possess. Pronom. moj, tvoj, svuj. 407
Wie sind die possessiven Adjectiva auf -uj und
-ovl und die possessiven Pronomina moj, tvoj,
svoj im Slavischen zu deuten ?
Von
Pr. Prusik.
§. 1. Auf speciell slavischem Boden haben sich gegen
über den übrigen Ärja-Sprachen eigentlnimliche Adjectiva auf
-uj und -ovu. gebildet, die zum Zwecke der Besitzanzeigung
verwendet werden.
Man hat sich schon mannigfaltig mit deren Erklärung
befasst, doch da man die erstangesetzte Endung uj ganz ausser
Acht gelassen hat, verfiel man auf einen unrichtigen Erklärungs
weg, und wurde, da besonders die Aehnlichkeit der Endungs
silbe der poss. Adj. -ovu> mit dem demonstr. Pronomen ovt>
auf den ei'sten Anblick auffiel, zu einer verbreiteten Ansicht
verleitet, als ob jene Endung ein pronominales Element wäre,
wozu man wol Analogien anderswoher holen konnte, wie ülo-
veöb aus cIovek['b] -f- ju., ovböt aus ovi>c[a] -j- ju. udgl.
Hätte man sich jedoch die Frage gestellt, warum die
poss. Adj. auf -ovt. ursprünglich nur von jenen Subst. gebildet
werden, welche
1) männlichen Geschlechtes sind,
2) auf -u> (=a, u) ausgehen,
3) im Sing, stehen,
4) meistens lebende Wesen bezeichnen —
so hätte man einen ganz anderen Weg einschlagen müssen,
um zur Deutung derselben gelangen zu können, und würde
gewiss auf die richtige Bahn gerathen sein, besonders wenn
man auch das syntaktische Moment in die Erklärung mit
einbezogen hätte.
Die Lösung der aufgeworfenen Frage wird bedeutend
erleichtert, wenn man die poss. Adj. auf -uj zugleich in Betracht
408
Prusik.
nimmt. Dieselben finden sich nun zwar selten, aber doch viel
häufiger, als es auf den ersten Blick scheinen würde; da sie aber
für uns von grosser Wichtigkeit sind, so wird es wol nicht
unstatthaft sein, ihr Vorkommen in der oder jener slavischen
Sprache nachzuweisen.
§. 2. Im altslav. also kommt nur voluj (bovis) vor: mech'B
voluj, voluj trigu., dagomt voluimt; voluje mesto, voluje igo,
popranije voluje, stada voluja; voluje 2ily (s. Mild. Lex. s. v.);
russ. voluj (agaricua emeticus) ist wol nichts anderes als ein
Adj. poss., wozu gribu. zu verstehen ist; dem sloven. ose-
bujek und osebujni liegt wol ein *osebuj zu Grunde, das wieder
ein Adj. poss. ist, gebildet von einem masc. *oseb oseba,
osoba, cf. altsl.: osobu, (Mild. Gr. II, 50, 28), altöech. osob,
m. (Saf. poö. stc. ml. §. 37). Das pol. bietet wiekuj (Mikl.
1. c. 84).
Doch reicher als alle diese ihre slav. Schwestern sind
das serb.-kroat. und das böhmische. In jenem findet man
unter anderen: voluj, ovnuj, orluj, wovon wieder volujski, vo-
lujara, ovnujski udgl. gebildet werden. Das böhm., das Mikl.
1. c. 84. wol nur aus dem Grunde, da die Adj. auf -uj (uji)
bisher nirgends in Betracht gezogen, ja vielmehr für eine dia
lektische Abart von -uv (= -ovn>) gehalten wurden, ganz
ausser Acht gelassen hat, weist zwar in der Schriftsprache nur
zwei Beispiele auf: hoduji, stfeduji, denen hoduj, stfeduj von
hod, stfed zu Grunde liegt, aber dialektisch sind solche Formen,
jedoch mit unbestimmter Endung, ganz gewöhnlich, und
zwar in dem Streifen, der sich von der mährischen Westgrenze
über Pocätky, Mühlhausen (Milevsko) bis an Pfibram, also bis
an das Brda-Gebirge hinzieht, z. B. souseduj dum, bratruj
kabät, Pepikuj statek, tatinkuj syn u. s. w. (Vgl. Listy filolog.
a paedag. 1875, 231).
Dass uns aus der Schriftsprache bisher bloss zwei genannte
Beispiele bekannt sind, ist wol nur ein Zufall, und es ist kein
Zweifel, dass mit der Zeit mehrere zum Vorschein kommen
werden, und zwar bei ebendemselben Töma ze Stitneho, der
uns jene zwei erhalten hat, dessen Geburtsort Stitne unweit
von Poöätky, also gerade in dem erwähnten uj-Streifen liegt;
finden wir ja bei ihm viele dialektische Eigentümlich
keiten.
Possess. Adjectiva auf -uj und oui, und die possess. Pronomina moj, tvoj, atoj. 409
Wir müssen noch bemerken, dass im böhm. die Adj. auf
-uj nicht mehr declinirt werden und bloss im noin. sing. masc.
Vorkommen, wogegen man wol annehmen muss, dass sie früher
wie in anderen slav. Sprachen (im serb.-kroat. ist wenigstens
der notn. sg. für alle Geschlechter gebräuchlich: voluj jezik,
voluje meso, orluja pandza, meso ovnuje -— Mild. Gr. IV, 11)
der Declination für alle Geschlechter fähig waren, also wol:
hoduj, e, a, stfeduj, e, a, gen. hoduja, e, stfeduja, e, u. s. w.
Die Adj. mit der bestimmten Endung werden natürlich regel
mässig declinirt; bei Stitny kommen nun folgende Formen,
jedoch bloss im sing., vor:
a) masc.: nom. stfeduji 1 (ob. v. 119, 26),
b) neutr.: acc. hoduje (sic!) und hodujie (Rozb. 199. Vyb.
I, 1220); stfedujie pfepüstie (nauc. kr. 301, 11—12),
c) fern: a) nom. hodujie (statt -jia) mera (nauc. kf. 194.
28); hodujie vöra (ob. v. 8, 9. 11, 38),
ß) gen. hodujie mery (nauö. kf. 194, 27. 201, 9);
hodujie smernosti (ibid. 201, 8. 203, 36),
y) loc. v sve hoduji smernosti (ibid. 227, 29);
v hoduji veci (ob. v. 103, 36).
Uebrigens findet sich bei Stitny die Endung -öv, -ovo, -ova,
der auch die bestimmte Form nicht fehlt: -ovy, -ove, -ovd, z. B.
bläznovy, muüenikovy, mistrovy, oräcovy, ja sogar bei leblosen :
piestovy, siidovy, trhovy, korabovy, nozovy und ähnlichen, freilich
mit einer gewissen Modification der Bedeutung, die jedoch die
possessive nicht verkennen lässt.
§. 3. Wie sind denn nun die poss. Adj. auf -uj gebildet?
Die Beantwortung dieser Frage liegt ganz nahe, wenn man
dieselben näher betrachtet: sie sind nämlich nichts an
deres als ein ungunirter Dativ sing, auf -u, dem zur
Bildung eines Attributs die gewöhnlichen Adjectiv-Endungen für
die drei Geschlechter angefügt sind, also masc. -u -f- z, neutr. -u + o,
1 In Erben’s Ausgabe der Schrift Stltny's ,knlzky sestery o obecnych
vecech krestanskych* (= ob. v.) steht stredmij, was wol in stfeduji zu eorrigiren
ist. Ueberhaupt sind seine Ausgaben in linguistischer Beziehung unkritisch,
wir erwähnen das merkwürdige probymcnj = profuturus, das Erben in der
selben Schrift Stitny’s in probytecmj geändert hat, verleitet wol durch das gleich
bedeutende uzitecnj! Noch ärger ist die StockholmerKatharina-Legende daran.
— Viel besser ist Vrtätko’s Ausgabe der anderen liier citirten Schrift Stitny’s.
410
P r u s i k.
fern, u + a, wobei zur Vermeidung des Hiatus zwei Wege möglich
waren und wirklich auch je nach der Disposition benützt wurden;
es wurde nämlich a) entweder zwischen die Dativendung -u und
das Genusmerkmal ein j eingeschoben, also: masc. -u-j-tL, -u-j,
neutr. -u-j-e statt -u-j-o, fern, u-j-a; b) oder die Dativendung -n
zu -öv gesteigert, daher: masc. -ov- r L, neutr. -ov-o, fern. -ov-a.
Es sind also offenbar beide gleichbedeutende Formen, sowol
die auf -ovz, als auch die auf -uj, eines und desselben Ur
sprungs, geschieden bloss ihrem äusseren Aussehen nach durch
die verschiedene Art, wie der Hiatus vermieden wird:
u -f- r i>, o, a
u-j—[t], e, a ov-b, o, a
Eine passende Analogie zu diesem Vorgänge, wo unmittel
bar aus einem fertigen Casus ein Adj. auf -z, o (e), a und zwar
bloss vermöge des hiatischen j gebildet wird, bietet das asl., 1
wo aus bez't-obi.da ein Adj. bezobtdaj, e, a statt bezob'Lda-j-'t,
—j—°, -j-a wird; auf gleiche Weise entsteht bezratij, besposagaj,
besporokaj, bescinaj oder bestinaj, bezumaj, beskontcaj, utrej
aus bezi-rati, bezu-posaga, bez r i-poroka, bez't-öina, bez't-uma,
bezt-kontca, utre (Mild. Gr. II, 50). So ist auch das sloven.
bogmej aufzufassen, es ist nämlich aus dem kroat. bogme
(= bog me)! gebildet. 2
1 Das lith. Szucüjis (= Stfelcovic; cf. Schleich, lith. Gramm. §. 60) ist
nicht wie das slav. voluj, bratruj etc. aus dem dat. sg, sondern aus
dem gen. pl. sziicü durch Anfügung des Pronomens jis, fern, ji (= slav.
i, ja) gebildet, also auf dieselbe Weise, wie müsu-jis, -ji, slav. nash,
jiisu-jis, -ji, slav. vass>, aus dem gen. pl. müsu, nass, jüsu, vass; so
ist auch jöjejis (= slav. jegovs) entstanden, wobei mir jedoch das je
dunkel ist, falls es nicht als eine nominale Weiterbildung des Gen.
durch ursprüngliches ia (— ias, ians) anzusehen ist, wie etwa sg. loc.
fern, töje, jöje auf ein tö-j-äm, jö-j-äm zurückgeht. (Cf. Mikl. Sitzgsber.
d. k. Akad. 78, 145). Aus einem Gen. ist ja auch slav. jegovs und
ähnl., jedoch auf eine andere Art entstanden.
2 Als Analogie zur Bildung adjeetivischer Formen aus fertigen Casus von
Subst. kann auch das dienen, dass der gen. eines attrib. Pronomens zur
besseren Handhabung oft wie ein Adj. mit gleicher Endung declinirt wird;
so der böhm. gen. sg. fern, jeji (ejus), jejiho, jejimu etc.; ebenso vulgär
Possess. Adjectiva auf -uj und -ovt>, und die possess. Pronomina moj, tvoj, svoj. 411
Der syntaktische Gebranch des Dativs im Slavisehen
widerstreitet nicht unserer Auffassung, sondern stimmt mit ihr
auffallend überein; kommt ja dem Dativ im Slavischen in weit
höherem Grade als in irgend einer anderen Arja-Sprache gerade
die Bedeutung zu, die den betreffenden Adjectiven auf -uj und
-ov% zu Grunde liegt, nämlich die possessive in attributiver
Geltung, worüber man Mikl. Gr. IV, pag. 605—609. 105 — 107.
nachsehen kann.
Auch das darf nicht beirren, dass die possess. Adjectiva
zu sich ein Attribut im Genitiv nehmen: aöech. lträlöv Baby-
lofiskeho podkonie. Pass. asl. Vu> domu Davidovü, otroka svojego.
nicol. = V domu Davidove, detiete svefio. 2. W. (Mikl. Gr. IV,
18 ff.) Dies erklärt sich ganz natürlich daraus, dass man, da
schon frühzeitig im Slavischen wie in den übrigen Arja-Sprachen
die possessive Function auch dem Genitiv zugewiesen wurde,
die possess. Adj. auf -uj und -ov r L, nachdem bei ihnen das
Bewusstsein vom dativischen Ursprung erloschen war, in der
selben Geltung wie die immer mehr und mehr überhand neh
menden possess. Genitive fühlte.
§.4. Durch den Nachweis, dass -ujund -oua aus einem Dativ
sing, auf-u entstanden ist, wird eigentlich nur die dritte von den oben
gestellten Fragen beantwortet; die erste und die zweite, auf die
wir das meiste Gewicht legen, bleiben jedoch ungelöst, denn auf
-u endigt sich der dat. sing, auch bei den neutralen o-Stämmen.
Sollen wir also zu einem befriedigenden Resultate ge
langen, so wird es nötig sein den Charakter des Dativs genauer
in Betracht zu ziehen.
Die nahe Verwandtschaft des Dativs mit dem Locativ in
den Arja-Sprachen lässt sich am wenigsten im Slav. und Li
tauischen verkennen, indem beide Casus durch ein und das
selbe Suffix -i gebildet werden. Daher hat die Oekonomie der
Sprache schon frühzeitig dafür gesorgt, dass beide Formen durch
irgend ein Merkmal geschieden werden.
Sehr belehrend ist in dieser Hinsicht das Sanskrt, wo
die erwähnte Scheidung durch am durchgeführt wurde; der
(in Prag) jejicli (eoi'Um, earum), gen. jejichho, dat. jejichmu, instr. pl.
jejichma; slovak. jejin, o, a, jehov, o, a; über die übrigen slav. Sprachen
vergl. Mikl. Gr. IV, 71. II. 130. 150. 229. ff.
412
Prusik.
vedische Local d 1 lautete nämlich vollständig di (vgl. Lud
wig Inf. im Veda §. 12 ff. 39), was recht gut zum zend. locat.
aja passt, das aber schon um die Scheidungssilbe am vermehrt
ist (wobei jedoch m wegfiel) und also mit dem Skrt. dativ di
in tasm-äi, später äj-a (statt äj-am) vollkommen übereinstimmt.
Der Unterschied hat sich endlich auf skrt. di, ai — e für den
Loc. (zend. di für den Dativ) und auf skrt. cija für den Dat.
(zend. aja für den Locativ) festgestellt.
Das Slav. und Lit. haben noch in der slavo-lettischen Pe
riode einen anderen Weg eingeschlagen, um die Scheidung des
dat. vom loc. sing, durchzuführen. Durchgreifend wurde sie
jedoch nicht durchgeführt, sondern bloss in den a-Stämmen
und meistens auch in den t«-Stämmen, selten in einigen so
genannten consonantischen, wie dbni und dtne, kameni und ka-
mene u. ähnl., wo jedoch auch im loc. dtni, kameni als blosser
Stamm (Ludwig Inf. §. 9) vorkommt. Beim Streben nach der
Scheidung der beiden Casus nahmen im dat. die w-Stämine, im
loc. aber die a-Stämme ein Uebergewicht. Bei diesen geht also
im loc. die Endung i mit dem Stammvocal a im Lit. in e und
im Slav. in e regelmässig über, also aus vilka-i, vkbka-i, slo-
va-i wird vilke, vl%ce (statt vlike), slove, welches dem skrt.
vrke aus vrkai und dem zend. vehrke aus vehrkai vollkommen
gleichkommt. Bei den »«-Stämmen hat sich im Slav. die Loca-
tivendung i abgestreift, aus synu-i entstand daher synu, was
aber mit syne wechselt, d. h. die ««-Stämme überspringen häufig
in die a-Stämme; etwas ähnliches bietet das Skrt., wo die
1 DieseLocativendung ist um so bemerkenswerther, als sie zweislav.Formen zu
Grunde liegt, mit denen man sich gewöhnlich keinen Rath weiss, nämlich:
doma und Vbcera. Genitive können es syntaktisch auf keinen Fall sein, jenes
müsste ja auch domuheissen. Der syntaktische Gebrauch erheischt bloss einen
Locativ, und sie sind es auch in der That, nur dass sich donvE (vgl. weiter
unten) nach der Analogie der a-Stämme richtete. Bei diesen war, wie gesagt,
die Locativendung ursprünglich äi, das durch Einbusse des i zu ä wurde.
Es verhält sich nun dieses & zum Skrt. loc. e (ai) = w (dat.): oi (loc.) = ö
(lat. dat.): I (loc. cf. Ludwig Aggl. §. 7), und consequent auch wie slav
a (loc.): oj (dat.; über die letztere Endung und über die Abstreifung des
i siehe weiter unten). Demnach sind domo, un d vbcera, gerade so wie lettisch
zima (zimai)und wakkaraja (mit der vollen Endung ai erweitert um a statt am,
cf. zend.), sehr alte Locative, die sich desto eher erhalten konnten, als
sie gleichsam fossile Organismen sind, wie domoj, doloj. Sie beruhen auf
der stärkeren, o’ixoi, doml, herl (*hesi, (k?) auf der schwächeren Endung.
Posbgbs. Adjeciiva auf -vj und -out., und die possese. Pronomina moj, tvoj, avoj. 413
/-Stämme sich im loc. nach den »(-Stämmen richten. Das Lit.
bildet bei diesen den loc. durch je (sunu-je), wo e allerdings
nur ein Nachschlag' ist, aber kein unorganischer, wie Bopp
meint, sondern ein Scheidungselement wie Skrt. und Zend. a
statt am, um den loc. sunu-j-e, statt sunu-i, vom dat. sunu-i zu
unterscheiden; ebenso ranko-j-e gegen ranka-i u. a.
Im dat. sind im Slavo-lettischen die «.-Stämme vorherr
schend, daher sunu-i, synu-i; wie aber die w-Stämme im loc.
häufig den a-Stämmen folgen, so richten sich wieder die a-Stämme
im dat. nach Analogie der «.-Stämme, daher vilku-i, vl'tku-i,
slovu-i statt vilka-i, vtaka-i, slova-i, um eine Scheidung des
dat. vom loc. zu erzielen. Nur das russ., ober- und nieder
serbische doloj und domoj scheint mir den a-Stamm behalten,
resp. erhalten zu haben (wie altpr. wirdai, verbo), indem a
regelmässig in o iibergieng: * dola-i, * doma-i wurde zu doloj,
domoj. Auf gleiche Weise sind, glaube ich, die ober-serb. dat.
auf -ej entstanden, indem eine Schwächung des o in e eintrat.
Während aber im Litauischen das Suffix -i sich erhalten
hat, trat im Slav. eine Aenderung ein, und zwar:
a) das Suffix -i streifte sich entweder ab gerade so wie
bei den u-Stämmen im locativ; daher: synu, vliku, slovu;
damit ist zu vergleichen der vedische loc. tanti, camfi;
b) oder indem es bei den % (a, u)-Stämmen verblieb, ver
ursachte es im vorhergehenden u eine Gunirung in ov, wie
im Skrt av: ovi = (avai) ave; daher synovi, vkrkovi; Skrt.
srrnave;
c) in sehr seltenen Fällen schwächte es sich bei denselben
t> (a, u)-Stämmen nach der Gunirung in t ab, in Folge dessen
ovb gemäss dem Charakter des Slavischen in ovi verlängert
wurde; hieher gehören bloss die beiden fast adverbiell ge
brauchten Dative der Richtung: domövi>, neben domovi, und
dolövt, böhm. domöv", dolö^, domuov, doluov, domuv, dolüv,
domü, dolu, — das über die Länge des -övt keinen Zweifel
auf kommen lässt.
d) Auf Grund eines avi, das im vedischen sowol in dieser
gunirten als auch in seiner einfachen Form, jedoch mit Abfall
des i, als u nicht selten den Locativ bildet (cf. sünävi, vis-
navi; mädhu, sänu, cäru u. dgl. Ludwig Inf. im Veda §. 10),
entstand im Slavischen ovi, ovt, das
"
414 Prusik.
a) entweder zu *-LVb herabsank, wie im polabischen
bog r tvb, drug'bvb, vi>n r bVL (bidyäf, drauggäf, wannäf);
ß) oder nach Abfall des b zu ou wurde; hieher gehört
das böhm. k vecero«, 1 k viderow (= k veceru, gegen Abend), das
sloven. und das slovak. domcu« (= domöv; cf. Kollar zpiev. 1,195,6,
5. pov. 134). Eine sehr zutreffende Analogie zu diesen Formen bietet
uns das altpr. au: sirsdau (loc. — * srbdou) und das Skrt. durch
sein säno, das neben sanavi (von sänu) im Sämaveda (Ludwig
Inf. §. 10) als loc. vorkommt; denn slav. ou = skrt. au, 6.
Uebrigens ist Skrt. du, Zend. du, äo auch analog, nur dass das
Yrddhi auffällt; falls es nicht durch den Wegfall des i in am verursacht
wurde, wo es dann zum slav. domövt, dolovb genau stimmen
würde. Bei säno übte das i freilich keinen solchen Einfluss aus.
Aus dem Gesagten erhellt, dass es ganz unstatthaft ist,
mit Bopp die dat. auf u als auf einem Umwege entstanden zu
erklären, als ob nämlich das gunirte ovi nach Verlust des ov in
u zurückgesunken wäre; denn abgesehen davon, dass das loc.
-u im Slav. wie im Skrt. auch auf keinem Umwege, sondern
durch blossen Abfall des i zur Endung wurde, es läuft erstens
dem Charakter des Slavischen zuwider, indem der einmal gu
nirte Laut nicht ohne Ursache in den einfachen zurückkehrt,
1 Diese Form ist sehr instruetiv, denn aus ihr erschliessen wir, dass wenigstens
schon im XVI. Jahrhunderte, wo sie nach Jungmann zuerst vorkommt, das
au, in welches das lange ü zu Ende des XIV. Jahrhunderts übergeht (es ist
also eigentlich ein Guna von u), als ou gesprochen wurde; der dat. k vecerou,
wo gewiss ein ou gesprochen werden musste, wurde der damals herrschenden
Schreibweise angepasst und, da man kein ou in der Schrift hatte, k veceraa
geschrieben. Noch deutlicher sehen wir denselben Vorgang an dov/ati, das,
obgleich austZo-ufati entstanden,eZaufati(dreisilbig)geschrieben wurde; wobei
jedoch an eine Aussprache daufaXi nicht im entferntesten zu denken ist. Eine
Annahme, als ob das u nach Abfall des i (u-i) in n oder au (wie: buditi-vzbüzeti
vzbauzeti) gunirt wurde, lässt — abgesehen von allem anderen — das slovak.
domou nicht zu, da es dann notwendig domü geschrieben werden müsste;
aus domöv, domuov (= domuv) ist domou auch nicht entstanden, sonst
müsste es domo, domuo (= domü) lauten. Uebrigens ist der Uebergang
des v am Ende einer Silbe in u im Slovakisclien nicht gar selten: leu,
seu, dieuöa, diouea, seucousky statt lev, sev, dievca, diovca, sevcovsky
u. ähnl. Im böhm. findet sich dialektisch (um Jitcin herum) etwas ähnliches,
da wird jedoch das v nicht bloss am Ende, sondern auch zu Anfang einer Silbe
wie das englische w, und keineswegs als reines u, wie man gewöhnlich angibt,
ausgesprochen: krew, mrkew, kawka, dewka, wejce, wrata statt krev u. s. w.
Posßess. Adjeutiva auf -uj und -owu, und die puBßeßß. Pronomina moj, tvoj, avoj. 4:15
sondern eine andere Umwandlung vor sich geht, wie aus c)
und d) zu ersehen ist. Ausserdem lässt das Skrt. über die Ent
stehungsweise des dat. u keinen Zweifel aufkommen, indem es
dieselben Endungen im local-dativ bietet, wie das Slavische;
der Rgveda liefert nämlich merkwürdiger Weise die Endung
u im local: mädhu, sänu, arend, väsu, cäru, die natürlich nur
durch Einbusse des i entstanden sein kann, da das gunirte
avi, wenn es um sein i kommt, nicht wieder als u, sondern
als 6, vrddhirt du erscheint. Es verhält sich daher * ui (zend.
vi): u avi: 6 (Ludwig 1. c.) ; und wenn man nun des nahen
formellen und syntaktischen Zusammenhanges wegen die beiden
Casus von einander nicht trennt, so erhält man folgende Pro
portion, worin immer das zweite Glied die slavische Endung
des Dativs bezeichnet:
u (ü — loc.): u avi (loc.): * ovb (polab. r LVb) - 6 (loc):
ou äu (loc.): ovl ave (dat.): ovi [ e (loc.): oj (ej)].
Uebrigens — und das scheint uns das wichtigste Beweis
moment für das Slav. zu sein — wenn der dat. auf u auf einem
Umwege mittelst der zweiten, wirklich gebrauchten Endung
ovi entstanden wäre, so müsste notwendig nicht nur bei
den n eutralen'o - Stämmen, sondern auch bei den Ad-
jectiven, welche zu den a-Stämmen gehören, die ur
sprüngliche Form auf ovi gebräuchlich sein; da es aber
nicht der Fall ist, so hat sich offenbar die Gunirung des u in
ov (ou) bei ihnen nie entwickelt, was insofern zum Skrt. voll
kommen stimmt, als es bei den neutralen u-Stämmen ebenfalls
nie gunirt.
§. 5. Aus dem Gesagten ersieht man daher, dass nur die
t> (a, wJ-Stämme ihr u im dat. sing, in ov guniren können, was
im Litauischen, das zur Scheidung des loc. und dat. einen ganz
anderen Weg als das Slavische (§. 4) eingeschlagen hatte, als
überflüssig ausser Gebrauch kam, und nur vereinzelt als Rest
sich erhielt; wie im altpr. au (§. 4).
Und da nun wirklich die poss. Adj., welche neben -uj
zugleich -ov't theils wirklich hatten oder wenigstens haben
konnten, theils noch jetzt haben (cf. böhm. dial.), nichts an
deres sind, als ein dat. sing, auf -u, das zur Vermeidung des
Hiatus, welcher durch Hinzufügung adjectivischer Endungen zu
Prusik,
416
dem attributiven Dativ entstellen würde, meistens in ov gunirt
wird, so werden sie nur von solchen Stämmen gebildet werden
können, welche die erwähnte Gumrung gestatten; und das sind,
wie eben gesagt, bloss die t. (a, u)-Stämme, die durchwegs
masc. sind. Daher erklärt es sich auch, dass im Litauischen
solche adj. possess. nicht Vorkommen, wogegen es doch, wie
wir §. 8 sehen werden, eine dem slav. possess. Pronomen gleich
kommende Form aufweist, was sich daraus erklärt, dass hiebei
keine Gunirung durchzuführen war.
Man könnte nun gegen unsere Hypothese über den Ur
sprung der possess. Adjectiva vielleicht das einwenden wollen,
dass wenigstens die Adjectiva auf -uj auch von den neutralen
o-Stämmen gebildet werden müssten. Es ist jedoch immer vor
Augen zu halten, dass die Adj. auf -uj von denen auf -ovrt
nicht getrennt werden dürfen, indem sie erst auf speciell sla-
viscliem Sprachgebiete ihren Ursprung nahmen, wo die Gu
nirung des in ov in eine viel ältere Periode fällt. Von der
engen Verbindung der beiden Adjectivformen zeugt auch die
Erscheinung, dass jene von diesen immer mehr und mehr ver
drängt werden (§. 7). Dadurch wäre also, wie ich glaube, die
erste und zweite von den oben gestellten Fragen, die da zu
sammenfallen, genügend gelöst worden.
Daher bilden masc., die zu den ä- und i-Stäinmen ge
hören, ihre adj. poss. wie die fern, derselben Art, z. B. voje-
vodini, Luöini., papinu., slushmi, sotonin r t, junoshrt; zverimt,
golabim»; cf. Königinhofer Handschrift: v junosino srdce (pg.
26 fotogr.), placem holubinym (pg. 20); volanie pastusino (pg.
5 extr.) u. a. Interessant ist ossletinx vom neutr. osble, das
für einen vocalischen Stamm auf -i, und somit für Ludwig’s
anticonsonantische Ansicht zeugen würde.
Die Bildung der poss. Adj. auf -uj und -ovz geht also
Hand in Hand mit der Bildung der dat. auf -u und -ovi, und
sobald ein Subst. aus dem regelmässigen Geleise kommt und
neben dem ihm in den meisten Fällen nicht zukommenden dat.
auf -u einen sonst nicht zulässigen gunirten auf -ovi zu bilden
anfängt, hat es von dem Augenblicke an ein Recht auf ein
poss. Adj. auf -uj und -oos; und das gibt für ein und denselben
Ursprung der beiden Formen ein sehr gewichtiges Zeugniss ab.
Das Gesagte gilt im Böhm, von Wörtern wie sluha, vojevoda,
Possess. Adjertiva auf -uj und -ovb, und die possess. Pronomina moj, tvoj, avoj. 417
liest, oder von Eigennamen Dite, Kämen, Styblo, Lomidfevo
und älinl., die sich als masc. im dat. sing, jetzt nach den
t-Stämmen richten und sluhovi, vojevodovi, hostu oder hostovi,
Ditetovi, Kamenu, Kamenovi, Styblovi, Lomidfevovi etc. bilden,
was notwendig ein jetzt gebräuchliches sluhuv, vojevodüv, ho-
stftv, Ditetuv, Kamenuv, Stybluv, Lomidfevuv (Lomidfevovym
rodiöom. slov. pov. 93) zur Folge hat.
§. 6. Auf Grund unserer Deutung der poss. Adjectiva
auf -uj und -ovz wird die vierte Frage von selbst beantwortet,
wenn man bedenkt, dass den gunirten Dativ von den ^-Stämmen
nur diejenigen Subst. bilden, die etwas belebtes bezeichnen;
im Böhm. z. B. wird jetzt diese Regel ausnahmslos beobachtet,
wie ja auch im asl. sehr wenige Ausnahmen Vorkommen. Dass
aber dieser Grundsatz im älteren Zustande der Sprache nicht
durchgehends Geltung hatte, davon zeugen erstens Formen wie
domovi (domovr, domov, domü), domou, dolövi. (dolu), k ve-
cerou, ferner solche, wie asl. Sionovi (Sionis), d'Ezdev'i, (plu-
viae), jugovi, (vötou), Ierusalimovt (Idierosolymae), gromovt (to-
nitrüs); dabovn. (quernus), sipovn., trinovL u. a., denen ähn
liche in allen übrigen slav. Sprachen sowol mit unbestimmter
als mit bestimmter Endung zu finden sind (cf. Mild. Gr. IV,
8 ff. II, 229 ff.), und endlich solche, wie domovsky, denen ge
rade so ein domovi, zu Grunde liegt, wie einem otcovsky,
bldznovsky, serb. volujski neben volovski, ovnujski (neben
ovnov-ina) u. älinl. ein otcovi. etc., wo hskz, sky eben so als ein
zweites Element zur Bildung von poss. Adj. fungirt, wie -jz in
synovlt, sloven. sinovlji, bratovlji, davidovlji, serb. drozgovlji,
kosovlji, muzevlji, osovlji, pruzevlji, sinovlji, övorkovlji u. a.,
oder in umgekehrter Ordnung (jx-ovi,) pavljevn, otLÖevi. u. a.
§. 7. Dass nun, um auch das zu berühren, die Formen
auf -ovz das I Jeberge wicht, über die auf -uj, wenigstens in der
Schriftsprache, bekommen haben, ist nur dem Umstande zu
zuschreiben, da im Laufe der Zeit das Guna ovi im dat. sing,
in manchen slav. Sprachen so beliebt wurde, dass es wie z. B.
im Polnischen fast ausschliesslich bei belebten wie leblosen,
im Böhm, wenigstens bei jenen gebräuchlicher wurde als u,
so dass es sogar in den locat. sing, hinübergetragen wurde.
Uebrigens spielt ja die Freiheit der Sprache wie überall, so
auch hier eine grosse Rolle.
Sitfcungsber. d. pliil.-liist. CI. LXXXIIT. Bd. III. Hft.
27
418 P rusik. Possess. Ädjectiva auf -uj u. -otn>, u. die possess. Pronomina moj, tvoj, svoj.
§. 8. Man wird nun nach dem Gesagten darüber kaum in
Zweifel sein, wie die poss. Pronomina moj, e, a, tvoj, e, a,
svoj, e, a, zu deuten. Sie sind gleichfalls aus dat. sing, mi,
*tvi (cf. Skrt. thve, Zend. thvoi), *svi (Prakrit se statt sve,
Zend. hoi st. hvoi) entstanden, indem das i in oj gunirt wurde,
um den Hiat zu vermeiden, der durch Anfügung der adjec-
tivischen Endungen a, o, a entstanden wäre, daher:
mi * tvi * svi
.1 I. I.
moj-i, o, a tvoj-T>, o, a svoj-t., o, a
I I. I.
moj, e, a tvoj, e > a svoj, e > a -
Aus einem übrigens für das Slavische unnachweisbaren
Ablativ für Skrt. mat, tvat, *svat, sind die possess. Pronomina
nicht entstanden, indem der abl. im slav. zwar, wie Bopp will,
mo, tvo, svo (wenn nicht lieber, to, so, cf. dat. ti, si) gelautet
hätte, da das t am Ende hätte müssen wegfallen; sobald es
aber eine Stütze bekommt, erhält es sich, 1 und es müsste also
das poss. Pronomen lauten: mot-ja., tvot-jx, svot-jA mostt,
böhm. moc, tvostt, böhm. tvoc, svosts, böhm. svoc. Für unsere
Annahme zeugt auch das Litauische mit seinem män-as, täv-as,
säv-as, das ebenfalls, wie ich dafür halte, aus dem dat. sing,
man, tav, sav hervorgegangen ist.
Man würde daher erwarten, moj, tvoj, svoj, durch nomi
nale Suffixe gebildet, werde auch nominal declinirt werden.
Dass es jedoch nicht stattfindet, ist entweder dem Umstande
zuzuschreiben, dass es als Pronomen der pronominalen Decli-
nation gefolgt ist, oder es hatte darauf die Endung jz — i einen
Einfluss, indem darin das demonstr. i, je, ja gefühlt wurde.
Mag es sich aber damit verhalten, wie es wolle, Thatsache ist,
dass auch das ähnlich gebildete serb. njej, e, a (ejus f.) in
Nationalliedern pronominal declinirt wird.
1 Cf. dobrej statt dobrejüs; das .<? erhält sich aber, in dobrejsL statt do-
brejfcsL aus dobrejts-jü.
XVI. SITZUNG VOM 21. JUNI 1876.
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Ac.cademia, R., delle Scienze di Torino: Atti. Vol. X, disp. 1“ S a . Torino:
1874—1875; 8°.
— Pontificia de’ Nuovi Lincei: Atti. Anno XXIX, Sess. III“. Roma, 1876; 4°.
Akad emie der Wissenschaften, königl. bayer., in München: Sitzungsberichte
der philos.-philolog. und histor. Classe. 1875. II. Bd. Heft III und (Sup
plement-) Heft III, Heft IV. München; 8°.
— — königl. Preuss., in Berlin: Monatsbericht. März 1876. Berlin; 8°. —
Abhandlungen aus dem Jahre 1874. Berlin; 4°. — Fortsetzung der
mikrogeologischen Studien von Christian Gottfried Ehrenberg. Berlin,
1875; 4°.
Bern, Universität: Akademische Gelegenheitsschriften aus den Jahren 1874—
1875; 4» u. 8°.
Gesellschaft, gelehrte Estnische zu Dorpat: Verhandlungen. VIII. Bd.,
з. Heft. Dorpat, 1876; 8°. — Sitzungsberichte 1875. Dorpat, 1876; 8°.
— der Wissenschaften, königl., zu Göttingen: Abhandlungen. XX. Bd. Vom
Jahre 1875. Göttingen; 4°.
— — Oberlausitzische: Neues Lausitzisches Magazin. LII. Bd. Görlitz,
1876; 8».
Greifswald, Universität: Akademische Gelegenheitsschriften aus dem
Jahre 1875; 4<> u. 8°.
Helsingfors, Universität: Akademische Gelegenheitsschriften aus den
Jahren 1874 u. 1875; 4« u. 8».
Istituto R., di studi superiori di Firenze: Pubblicazioni. Sezione di Filosofia
e Filologia. Repertorio Sinico-Giapponese. Fascicolo 1°. Firenze, 1875; 4°.
Jena, Universität: Akademische Gelegenheitsschriften aus den Jahren 1874
и. 1875; 40 u. 8°.
Luxardo, Dr. Girolamo Carlo: Sistema di Diritto internazionale in correla-
zione all’Impero Austro-Ungarico. Vol. 1°, Parte 1“, Innsbruck, 1876; 8°.
Marburg, Universität: Akademische Gelegenheitsschriften aus den Jahren
1874 u. 1875; 4» u. 8».
420
,Revue politique et litteraire 1 et ,Revue scieutifique de ln France et de
l’etranger 1 . V' Annee, 2° Serie, N° 51. Paris, 1876; 4°.
Society, The Royal of Dublin: Journal. Nr. XLIV. Vol. VII. Dublin, 1875; 8°.
— The Royal of Edinburgh: Transactions. Vol. XXVII. Part III. Por the
Session 1874—1875; 4°. — Proceedings. Session 1874—1875. Vol. VIII.
Nr. 90; 8°.
Strassburg, Universität: Akademische Gelegenheitsschriften aus den Jahren
1874 u. 1875; 8°.
Verein für Geschichte und Alterthum Schlesiens: Zeitschrift. Herausgegeben
von Dr. C. Grünhagen. XIII. Bd. I. Heft. Breslau, 1876; 8°. — Regesten.
I. Lieferung bis zum Jahre 1200. Breslau, 1876; 4°.
— für Kunst und Alterthum in Ulm und Oberschwaben: Correspoildenzblatt.
I. Jahrgang. Nr. 5. Ulm, 1876; 4°.
Würzburg, Universität: Akademische Gelegenheitsschriften aus den Jahren
1874—1875. 8°.
SITZUNGSBERICHTE
DER
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE CLASSE.
LXXXIII. BAND. IV. HEFT.
JAHRGANG 1876. — JUL I.
m
XVII. SITZUNG VOM 5. JULI 1876.
Die Vorbereitungs-Commission des am 1. September d. J.
zu Budapest abzuhaltenden neunten internationalen statistischen
Congresses ladet die kais. Akademie zur Entsendung- einiger
Mitglieder ein.
Herr P. Leopold Janauschek, Mitglied des Siftes Zwettl
und Professor der Kirchengeschichte und des Kirchenreehtes
zu Heiligenkreuz, übersendet den im Drucke nahezu vollen
deten ,Originum Cisterciensium Tomus P mit dem Ersuchen um
eine Subvention zur Bestreitung der Herstellungskosten.
Herr Professor Dr. Savelsbergin Aachen überschickt den
zweiten Theil seiner ,Beiträge zur Entzifferung der lykischen
Sprachdenkmäler' und ersucht um Bewilligung einer Subvention
für die Drucklegung.
Herr Dr. Häutle, k. bair. Reichsarchivrath und Vorstand
des Kreisarchives Bamberg, übersendet die mit einer Einleitung
versehene ,Reise des Fürstbischofs Johann Gottfried von
Bamberg als ausserordentlichen Gesandten des Kaisers Mathias
nach Italien und Rom im Jahre 1612/3' und ersucht um Auf
nahme des Manuscriptes in die Schriften der Akademie.
Das w. M. Herr Hofrath R. von Miklosich legt vor eine
Abhandlung des kais. russischen wirklichen Staatsrathes Herrn
424
J. F. Golowatzkij in Wilna über ,Sweipolt Fiol und seine
kyrillische Buchdruekerei in Krakau vom Jahre 1491' mit dem
Ersuchen, dieselbe in die Sitzungsberichte aufzunehmen.
An Druckschriften wurden vorgelegt;
Academy, The American of Arts and Sciences: Proceedings. Vol. III. New
Series. (XI. Whole Series). Boston, 1876; 8°.
California Academy of Natural Sciences: Proceedings. Vol. V. (1873—1874),
Part 3. (1874). San Francisco, 1875; 8°.
Gesellschaft, Deutsche Morgenländische: Zeitschrift. XXX. Bd., I. Heft.
Leipzig, 1876; 8°.
I-Iortis, Attilio: Alcune Lettere inedite di Pietro Metastasio. Trieste,
1876; 8°.
Institute, Anthropological, of Great Britain and Ireland: Journal. Vol. V.
Nr. 1 and 2. Juli and October 1875; London; 8°. — List of the Memhers.
Juli 1875; 8°.
Institution, The Royal of Great Britain: Proceedings. Vol. VII. Parts V—VI.
Nrs. 62—63. London, 1875; 8 n . — List of the Members and Lectures in
1874. London, 1875; 8°.
,Revue politique et litteraire 1 et ,Revue scientifique de la France et de
l’etranger 1 . V° Annee, 2° S<5rie. N° 52 et Index. VI" Annee, N° 1. Paris,
1876; 4°.
Santiago de Chile: Akademische Gelegenheitsschriften aus den Jahren
1871 —1874. Santiago; 4° u. 8°.
Städtler, J. Pli.: Briefwechsel zwischen dem Grafen von Mirabeau und
dem Fürsten von Arenberg, Grafen von der Mark, während
der Jahre 1789, 1790 und 1791. I.—III. Bd. Brüssel und Leipzig, 1851 —
1852; 8°.
Troppau, Handels- und Gewerbekammer für Schlesien: Industrie Schlesiens
im Jahre 1870. Troppau; 8°.
Verein, Historischer für Niederbayern: Verhandlungen. XVIII. Bd. 3. u. 4.Heft.
Landshut, 1875; 8°.
— — von Unterfranken und Ascliaffonburg. XXIII. Bd. 2. Heft. Würzburg,
1876; 8».
1
Golowatzkij. Sweipolt Fiol und seine kyrillische Bnchdruckerei in Krakau. 425
Sweipolt Fiol und seine kyrillische Buchdruckerei
in Krakau vom Jahre 1491.
Eine bibliographisch-historische Untersuchung
von
Jakow riodorowitseh Golowatzkij
in Wilna.
Die Buchdruckerkunst breitete sich ziemlich frühe unter
den Slaven aus. Nicht bloss lateinisch schreibende Slaven,
namentlich die Cechen, 1 machten von den bereits fertigen
Lettern Gebrauch und passten dieselben ihrer Schrift und
Sprache an, sondern auch die kyrillische und glagolitische
Druckschrift kam bei den Slaven zeitlich zum Vorschein,
nachdem dieselbe durch eigene Künstler geschnitten oder ge
gossen worden war. Am frühesten erschienen die so seltenen
glagolitischen Typen, nämlich in dem Missale vom Jahre 1483,
in Rom oder Venedig. Acht bis zehn Jahre später entstanden
die ersten kyrillischen Buchdruckereien. Sie entstanden gleich
zeitig an zwei von einander weit entlegenen Punkten: in Krakau
1491 für die nördlichen und in Venedig und Cetinje 1493 für
die südlichen Slaven.
Wenn die Erstlinge der typographischen Erzeugnisse bei
den Südslaven durch ihre Seltenheit und durch den inneren
Werth des Textes, in dem sich die altslavische Sprache in
einer localen serbischen Varietät deutlich abspiegelt, für die
Slavistik von grossem Werthe sind, so verdienen auch die
wenigen und höchst raren Krakauer Ausgaben der slavischen
Kirchenbücher ihrer nicht minder grossen Seltenheit und der
in ihnen fixirten Sprache und Orthographie wegen desto mehr
1 Das erste böhmische Buch, Historie Trojanskä, wurde schon im Jahre
14G8 in Pilsen gedruckt.
426
Golo watzkij.
Aufmerksamkeit, als dieser Gegenstand der slavisehen Sprach
forschung bis nun keinen Bearbeiter gefunden hat.
Die kyrillischen Krakauer Drucke rühren vom Jahre 1491
her (sie sind also zwei Jahre älter als die venetianischen), und
somit gelten sie zugleich für die ältesten kirchenslavischen
Druckwerke. Simeon Starowolski schreibt zwar, dass er in
Russland viele von Johann von Glogau ins Slavische übersetzte
Bücher der heiligen Schrift gesehen habe, welche zu Krakau
im Drucke erschienen sind, und zwar bei dem dortigen Bürger
Haller, der sein ganzes Vermögen dazu gewidmet hatte, um
in verschiedenen Sprachen und mit verschiedenen Lettern
Kenntnisse und Wissenschaften unter den nördlichen Völkern
zu verbreiten, 1 und Kasimir Chrominski behauptet, derselbe
Johann von Glogau, Professor der Krakauer Akademie, welcher
vor dem Jahre 1490 als Erzieher des jungen litthauischen
Fürsten Gastold fungirte, sei nach Moskau berufen worden
behufs der Übersetzung verschiedener Werke in die russische
Sprache. 2 Da jedoch bis jetzt von diesen vermeintlichen
Hallerischen Drucken und Übersetzungen des Krakauer Pro
fessors nicht die mindeste Spur entdeckt worden ist, so bin
ich berechtigt die Nachricht des Starowolski für eine Faselei
anzusehen, wiewohl Sopikov der Aussage des Starowolski
einigen Glauben schenkte und sogar Michael Wiszniewski
in seiner Geschichte der polnischen Literatur (III. Bd. 55) die
Möglichkeit jener slavisehen Übersetzungen zulässt.
Von den obengedachten Krakauer Ausgaben kirchen-
slavischer Bücher sind bloss vier bekannt, nämlich: Oktoich,
Casoslov, mit der Bezeichnung: gedruckt in Krakau 1491,
ferner Triod’postnaja und Triod’ cvjetnaja, sine loco und
sine anno, wesswegen die zwei ersteren Werke für die ältesten
mit kyrillischen Buchstaben gedruckten Bücher angesehen
werden.
Der Krakauer Oktoich ist eine bibliographische Selten
heit; bis jetzt sind davon bloss vier Exemplare bekannt: zwei
1 Sim. Starowolski, Scriptorum polonicorum hekatontas, seu centmn illu-
sfcrium Poloniae scriptorum clogia et vitae. Venet. 1627. Francf. 1625.
Vratisl. 1734.
2 Kazim. Chrominski, Rosprawa o literaturze polskiej, mianowicie Zygmun-
towskicli. Dziennik Wileiiski 1806.
Sweipolt Fiol und seine kyrillische Buchdruckerei in Krakau
427
mangelhafte gehören eines der kaiserlichen 8t. Petersburger
öffentlichen Bibliothek und das zweite der Bibliothek des
Rumjancov’sclien Museums zu Moskau; das dritte gleichfalls un
vollständige befand sich in der Büchersammlung des Carskij, und
das vierte, einzige vollständig erhaltene Exemplar, ist im Be
sitze der Rediger’schen Bibliothek in Breslau. Im Jahre 1874
wurde dieses vollständige Unicum nach St. Petersburg aus
gebeten, um für die kaiserliche öffentliche Bibliothek zur Ver
vollständigung der vom Anfang, in der Mitte und am Ende
fehlenden Blätter einen phototypischen Abdruck zu veran
stalten, so dass jetzt auch in der öffentlichen Bibliothek zu
St. Petersburg ein ganzes Exemplar dieses höchst raren Werkes
zu sehen ist.
Die erste Nachricht von dem Krakauer Oktoich linden
wir bei dem Kijever Archimandriten Zacharij Kopestenskij,
der in seiner ungefähr ums Jahr 1620 verfassten polemischen
Schrift Palinodija von diesem Buche Erwähnung macht:
„OkTOHX'X dGO OüTAti KpaKOKCKdl'O r \p$ K $” (kn. 3.
pa3A* 1* ap r. 2). Derselbe ehrwürdige Mönch schreibt in
der Widmung seiner Ausgabe der Predigten des h. Johannes
Chrysostomus dem Fürsten Svjatopolk Cetvertenskij, Kijev
1623, dass die polnische Königin Hedwig mit der Lectüre der
slavisclien Bibel und der h. Väter in slavischer Übersetzung
sich befasst habe, und dass zur Zeit des Königs Kasimir des
Jagellonen in Krakau slavische Kirchenbücher im
Drucke erschienen seien. 1 Im Allgemeinen war die Kenntniss
der kyrillischen Schrift und russischen Sprache am Hofe der
polnischen Könige gang und gebe. Die Jagellonen, bis auf
Sigismund August, schrieben die meisten Privilegien und sonstige
1 Hjk KopoAEßa M^ßnra HiiTORAAa Fiikaiio caarchckSio, a ,a,o
Rkip03i>A\CHkA CH AfkAA ßklKAd,/k,kl C0lJ,CK’K CTkiy’ CAAßCNCKHAt
A3MKC/U , KOTOpkIH 3’ ElKAICIO HHTdAA. y\p8riH MpllKAA,lj: 3A
Ka3ii/V\iipa Kpo/tA b’ KpaßOß’k ,.\,pSi:oi’.aiio 110 caabcnckü Kiiiini
R'kpkl II HAKOJKCHCTKA TAKOBOrO, lilKOHOC AMvl 110 CIH INI
Kcyv,Ai>rA mhhS npKßc Kc\-o,ymi 3a\'obSca\o. 17 eck ki Io ah ha
3aAT08CTAT0 HA nOCAAHi'/ft AII 0 CTO A A ÜAKAA. Ki'CßX.
1623.
428
G o 1 o w a t z k i j.
Urkunden in russischer Sprache. 1 Stau. Sarnicki bemerkt, dass
erst unter den Söhnen des Königs Kasimir, welche in Polen
erzogen waren, die polnische Sprache statt der russischen Hof
sprache wurde. 2 In ganz Litthauen war die russische Gerichts
und Amtssprache und die russische Schrift durch Gesetze und
Tractate garantirt. 3 In der Handbibliothek des Sigismund des I.
(Alten) zu Wilna befanden sich ums Jahr 1510 ein Trefologion
auf Pergament und andere slavische Bücher. 4
In neuerer Zeit machte Georg Sam. Bandtke in seiner
in Krakau 1812 gedruckten Abhandlung ,De primis Cracoviae
in arte typographiea incunabulis dissertathd eine Erwähnung,
er habe in der Rediger’schen Bibliothek in Breslau einen
Oktoich (Osmoglasnik) gesehen, der im Jahre 1491 zu Krakau
bei Sweipolt (Swietopelk) Fieol gedruckt worden sei. Der
Aussage Bandtke’s nach ist das Buch vierundachtzig Blätter
stark und enthält auf seinem ersten Blatte einen Holzschnitt,
die Kreuzigung Christi darstellend; auf seinem zweiten Blatte
beginnt der Text: Gä KI'OMb nO'llWc WCMOI'AflNHKb,
TKOpEHIE npuGNAI'O OiiA HUJEIO IwdHd ^ArtMCKklNd,
d. i.: Mit Gott beginnen wir den Oktoich, ein Werk unseres
seligen Vaters, des Joannes Damascenus u. s. w. Ungefähr
dasselbe wiederholte Bandtke in seiner Geschichte der Krakauer
Buchdruckereien (Historya drukarn Ivrakowskich) 1815. Felix
Bentkowski (O najdawniejszych ksiazkach drukowanych w
Polszcze. Warsz. 1812), Joacli. Lelewel (Bibliograficznych
ksiag dwoje. Wilno. 1821, I. Bd.) u. A. wiederholen bloss die
Nachricht Bandtke’s, ohne irgend einen Umstand hinzuzu
fügen. Dasselbe fand auch bei den russischen Schriftstellern
statt. K. Th. Kalajdovic im Vjestnik Jevropy 1819 CVI
u. CVI1; V. S. Sopikov, Opyt rossijskoj bibliogralii, St. Pet.
1821, V. Bd.; P. J. Koppen, Bibliografißeskije listy, St. Pet.
1825; Mitropolit Eugenij, Slovar’ istoriceskij o pisateljach
duchovnago cina. 2. Aufl. St. Pet. 1827, I. Bd.; P. M. Strojev,
1 J. S. Bandtkie, Histor. drukarn Krakowskich. Krak. 1815. — Krölewska
kaneellarya wiecej niekiedy miala do expedyowania aktow ruskich, a-
nizeli lacinskich lub polskicli. Dzien. Warsz. T. VI. S. 221.
2 Stan. Sarnicki, Annales, vom J. 1492.
3 Volumina legum II. 752—759.
4 J. Lelewel, Bibliograficznych ksiag dwoje. Wilno, 1821—1823. II. 97.
Sweipolt Fiol und seine kyrillische Buchdruckerei in Krakau.
429
Opisanije staropecatnych knig slavjanskich. Mosk. 1841; J. P.
Sacharov, Russkije clrevnije pamjatnild, 8t. Pet. 1842, und
desselben Obozrjenije slavjano - russkoj bibliografii. St. Pet.
1849 u. dgl. geben dieselben Daten wieder, ohne dass sich
einer bemüht hätte, das Buch selbst in Augenschein zu
nehmen, um wenigstens die falsche Angabe der Blätterzahl
oder des Umfanges des Werkes zu rectificiren.-
Strojev legte seinem Werke ein Facsimile vom letzten
Blatte des Oktoich bei. Desgleichen wurden in der Biblioteka
Warszawska 1867 dem Artikel des Carl Estreicher ,über Günter
Zainer und Swietopelk FioP drei Facsimile, der Kreuzigung
Christi, dann des zweiten und des letzten Blattes, beigefügt. 1
Prof. Michael Wiszniewski, in seiner Geschichte der polnischen
Literatur, Krakau 1841 (III. Bd. S. 80), theilt zwar einige
interessante Umstände von dem Leben und Wirken des Kra
kauer Buchdruckers Viol mit Beigabe zweier Documente mit,
erwähnt aber nur nebenbei, dass Viol im Jahre 1490 (?) und
1491 die ersten slavischen Bücher, den Osmoglasnik und den
Caslovec, gedruckt habe. J. Dobrovsky, P. J. Safafik, Casopis
ceskeho Museum 1842, machen auch bloss kurze Erwähnungen
von diesen Büchern. Also nicht einmal der Umfang des ersten
mit kyrillischen Buchstaben gedruckten Buches wurde mit
gehöriger Treue berechnet. Bandtke, der das erste Mal
das Breslauer Exemplar zu Gesichte bekam, zählte irr-
thümlich 84 Blätter; ihm folgten alle Bibliographen. Der erste,
V. M. Undolskij, Ücerk slavjanorusskoj bibliografii, s do-
polnenijem A. Th. Byökova i A. Viktorova. Mosk. 1871, be
zeugte, dass der Oktoich oder Sestodnev im Jahre 1491 in
Krakau gedruckt, 168 Folioblätter zählt. Schon im Jahre 1829
hatte P. J. Safafik (Jahrb. der Literat. XLVIII. Bd. Anzeigcbl.),
ohne das fragliche Exemplar gesehen zu haben, bemerkt,
dass die Krakauer Ausgabe des Oktoich im Vergleiche mit
der Cetinjer Auflage viel umfangreicher sein dürfte. Ebenso
behauptete, wenn gleich nur muthmasslich, der bekannte Biblio
graph J. P.Karatajev,in seiner Chronologiöeskajarospis’cerkovno-
pecatuych knig. Mosk. 1861, dass der Krakauer Osmoglasnik
mehr als 167 Blätter enthalten müsse.
Auch besonders abgedruckt. Warsch. 1867.
430
Go 1 o watzkij.
Hiernit ist das Wenige geschlossen, was die Bibliographen
in einen) Zeiträume von ungefähr sechzig Jahren über den
Krakauer Oktoich oder Osmoglasnik zu Tage gefördert haben.
Und doch ist dieses Buch, dessen einziges vollständiges und
reines Exemplar sich in der Rediger’schen Bibliothek in Breslau
erhalten hat, wie auch die anderen gleichzeitigen Druck
erzeugnisse des Viol, von ungemein grosser Wichtigkeit. In
sprachlicher Beziehung stellen sie das Bild jener lexikalisch-
grammatischen Modification oder Sprachfärbung vor, die sich
auf Grund der altslavischen Kirchenbücher bulgarischer und
südrussischer Varietät consolidirt hatte, und aus welcher durch
fernere Reinigung von bulgarischen Eigenheiten und durch eine
besondere Regelung mittelst der slavischen Grammatiken des
Laurentij Zizanij, 1596 in Wilna, und des Meletij Smotriskij,
zu Jevje 1619, sich jene slavische Kirchen- und Schriftsprache
entwickelt hatte, welche allen späteren Ausgaben der Kirchen
bücher von Süd- und Westrussland zu Grunde lag und in die
jetzt, allgemein verbreitete slavische Kirchensprache überging.
Auf Grundlage der uns communicirten umständlichen,
vom Breslauer Professor H. Nehring verfassten Beschreibung
des Krakauer Osmoglasnik vom Jahre 1491 und anderer uns
zu Gebote stehenden Materialien wollen wir eine möglichst
vollständige Notiz über die ersten slavischen Drucke und über
den Krakauer Buchdrucker Sweipolt Viol vorlegen.
Das Breslauer Exemplar des zu Krakau im Jahre 1491
gedruckten Osmoglasnik ist vortrefflich erhalten: mit Aus
nahme der ersten zehn Blätter und einiger Blätter in der Mitte,
die etwas fleckig sind, ist das Buch wie neu. Auf der Kehr
seite des ersten Blattes ist ein Holzschnitt, die Kreuzigung
Christi darstellend, rechts vom Kreuz, auf dem der Heiland,
nach morgenländischen Vorbildern, mit beiden Füssen, jeder
besonders, angenagelt ist, stehen rechts zwei männliche Figuren
mit Heiligenschein, links vier weibliche, darunter eine mit dem
Heiligenschein, die mater dolorosa. Die Tafel über dem Haupte
Christi auf dem Kreuze hat keine Inschrift. Dieses erste Blatt
hängt mit dem ersten Hefte zusammen und gehört dazu als
erstes, aber mit einem Zeichen nicht versehenes Blatt (sein
Zusammenhang mit dem achten Blatt des ersten Heftes ist
augenscheinlich); das zweite, dritte und vierte Blatt des ersten
Sweipolt Fiol und seine kyrillische Buchdruckerei in Krakau.
431
Heftes haben die Signatur Ä; E. l' ? darauf folgen vier Blätter
ohne Signatur; das zweite Heft hobt mit der Signatur e an
und diesem Zeichen schliessen sich dann die folgenden drei
des zweiten Heftes JS; 3 und H an, worauf wieder vier nicht
signirte Blätter folgen; das dritte Heft hat auf den ersten vier
Blättern die Zahlzeichen £ < i, dl; El und auf den nächsten
vier Blättern wieder keine Zeichen, und so geht es gleichmässig
bis zum XXI. Hefte, welches auf den vier Blättern die Signa
turen aufweist nd; HE. flP; ll r \,. Die Hefte sind alle Tetraden
und die Signaturen sind alle gleichmässig unter dem Texte
unten rechts verzeichnet. Nach dem XXI. Hefte, wovon die
letzten vier Blätter mH keiner Signatur versehen sind, folgen
noch vier nicht signirte Blätter, von denen bloss das erste
Text und Bild hat, die übrigen drei (also die letzten des Bres
lauer Exemplares) weiss sind. Somit folgen nach der letzten
Signatur nA noch fünf Blätter, die drei letzten weissen nicht
mitgerechnet. Das letzte gedruckte Blatt hat auf der Vorder
seite folgenden Text:
TO eCTb AHMEd TOM KHHI'kl raKO HAAdlOTk T£Tpd,A,li
EklTH. W flOMdTKOy EONIIjd» VV^Nd TCTpd/ljFi
no^,A/Ä e/t,HHo r h. A Tkiwt w^hnl ahcte iio^,aa apoy-
roro, ä'3t r \o konij,a.
bilAklH (der Anfangsbuchstabe ist nicht deutlich).
A £
K
i ; di
A E'
6 AI' und so weiter, durch vier senkrechte Colonnen werden
^ noch einmal die Zahlzeichen wiederholt .... bis iij^,
■ ■
■ "
1^
Auf der Kehrseite des letzten gedruckten Blattes ist in
einem Oblong das Stadtwappen von Krakau: Eingangsthor mit"
432
Golowatzkij.
drei Thürmen, ein Band schlängelt sich links und rechts davon,
mit den Buchstaben KPfl und KOKfl} wovon das erste
Fragment links, das andere rechts auf dem Bande zu lesen ist;
dazu scheint ein Schnörkel 3 über KPfl zu gehören, so dass
das Ganze zu lesen wäre 3 KpdKOBA (z Krakowa). Oben in
den Ecken des Oblongs ist links S und rechts V (Sweipolt
Viol?), unten in den beiden Winkeln des Oblongs ist das
Zeichen oder Anagramm dessen Bedeutung unbekannt ist.
Unter diesem Holzschnitt stehen die Worte:
J\,OKON l iaNa C HA KNHIV1 $ B£AHKOA\h l'pd r \,'ti oy
KpdKor.'h iiph AepHcatrfe beahkato KopoAA rioACKaro
Ka3HA\Hpd. A A 0K0NHa NA KW AA+.LpdNHNO KpdKOBb-
CKklAMi IIIB.dllllOATCAMi. ^i’liOAh, H3 N'fcA'tEll.b NE-
A/\CU,KOrO pO r \0\f, ^jipAHKK. A CKONMAUJA nO ROJKHEAA
NdpOttCENHEAAK. CÄTK. AEEATb^ECA A A A’tiTO.
In dem Buche von Estreicher: ,Günter Zainer i Swieto-
pelk Fiol, Warszawa 1867^ ist ein ziemlich getreues, allerdings
nicht colorirtes Facsimile der Abbildung beigegeben, wie schon
oben bemerkt wurde, nur hat hier unerklärlicher Weise Christus
sowoid als die das Kreuz umgebenden Personen je sechs Finger
an den Händen; in dieser Beziehung ist das Facsimile sehr
ungenau, und diese Ungenauigkeit hat auch im Texte des
Buches — durch Schuld des Zeichners — Ausdruck gefunden.
Ob die Coloratur des Bildes durch den Rubricator erfolgt oder
eine spätere Zugabe ist, muss man vorderhand unentschieden
lassen: an Christus sind bloss die Haare schwarz, die Dornen
krone grün und die Blutstropfen roth colorirt, die Gewänder
der Maria, des Johannes u. s. w. sind roth, grün, grau u. s. w.
(Die Titel- und Anfangsbuchstaben, hie und da auch einige
Lettern im Texte des Oktoichs sind zinnoberroth.) Es muss
besonders hervorgehoben werden, dass in der Abbildung der
Kreuzigung Christi die. Füsse nicht übers Kreuz angenagelt
sind, wie es auf den Crucifixen Europas, somit auch in Polen,
gebräuchlich war, sondern beide Füsse erscheinen nach dem
Gebrauche der morgenländischen Kirche abgesondert durch-
Sweipolt Fiel und seine kyrillische Buchdruckerei in Krakau.
433
bohrt. Diese Abbildung wurde also nach byzantinisch-russischen
Vorbildern eigens dazu in Holz geschnitten. Im Allgemeinen
kann diese Zeichnung als Material zur Geschichte der Kirchen
malerei des XV. Jahrhunderts dienen, und diess um so mehr,
wenn die Colorirung des Holzschnittes in dem Breslauer Exem
plar als eine gleichzeitige oder als eine vom folgenden Saeculo
herrührende angenommen wird.
Was das erste Blatt betrifft, so hat, das Buch keinen
eigentlichen, mit Uncialbuchstaben gedruckten Titel, sondern
es ist bloss eine einleitende Überschrift des ersten gedruckten
(überhaupt aber des zweiten) Blattes, wie diess in den da
maligen Incunabeln der ersten europäischen Buchdruckereien
üblich war. Es beginnt somit das Buch mit folgenden Worten:
OT. BrOML nOHIMÄ (xKirfllO-
rAamiKi.. TKopENie npnENaro ou,a hu eto iwaNa r v»-
^ . *7^ '? >v (V\ ■>-* * /M
a^acKKiHa. ex c* Ee. Na ih Bx3Ea no eh. c. h. h noe
Crplvl. EXCKpNkl 3. nOBTOpH 1 6AHN$. H ai|IE HMa EX
mhh. CTpw noe' Na a CTpia ExcpiiM Na s. h e mhh
A* aijje an % eeankhh ctuih. no? ExcKpscNki. A‘
H CTOAAOy. Na. s. CTpkl. PAaCh. d!
Das Breslauer Exemplar des Oktoich enthält somit 169
Blätter oder 337 Seiten in Folio, die drei letzten weissen nicht
mitgerechnet. Auf jeder Seite sind 25 Zeilen, mit Ausnahme
der ersten Seite (15 Zeilen, davon die 7 der oben angegebenen
Überschrift), und die letzte Seite, wo unter dem Krakauer
Wappen 6 Zeilen Text sind.
Es ist auffallend, dass an zwei von einander weit entlegenen
Punkten nicht bloss zu gleicher Zeit slavisclie Buchdruckereien
entstanden, sondern auch an beiden Orten dieselben Werke in
Druck gelegt wurden, nämlich: in Krakau der Oktoich und
Casovlov 1491, und in Venedig der Casoslov 1493 und in
Cetinje der Oktoich 1493—1494, später, 1536—1537, in
Venedig neu aufgelegt. Die Triodien, postnaja und cvjet-
naja, wurden erst 1561—1562 in Venedig und 1589—1591 in
Moskau in neuen Auflagen gedruckt.
Sitzungsber. d. pbil.-liist. CI. LXXXIII. Bd. IV. Hft.
28
434
Golo wa tz kij.
- Wichtig wäre es zu ermitteln, ob unter diesen gleich
zeitigen Buchdruckereien oder den Verlegern der ersten Kra
kauer und venetianischen kyrillischen Ausgaben irgend welche
Wechselbeziehung bestanden, oder aber die Thätigkeit der
Schriftschneider, Schriftgiesser, Drucker und Verleger an beiden
Orten ganz unabhängig und selbständig war.
Bei dem gänzlichen Mangel an historischen Daten und
Belogen kann diese Frage vielleicht durch umständliche Ver
gleichung beider Auflagen der Lösung näher gebracht wer
den ; es wäre daher wünschenswerth, dass die Liebhaber der
slavischen Literatur, denen die Producte der ersten kyrillischen
Buchdruckereien zugänglich sind, diesen Gegenstand bearbeiten
und die Schlussresultate zur weiteren Nachforschung in dieser
Richtung veröffentlichen möchten.
Zuvörderst wollen wir zu diesem Behufe die bis jetzt
bekannten Daten von dem Krakauer slavischen Buchdrucker
Sweipolt Viol zusammenstellen, um dadurch eine Basis zu
weiteren Erörterungen zu gewinnen und den Weg zu anderen
möglichen Entdeckungen anzubahnen.
Bei dem Mangel an zuverlässigen Nachrichten über seinen
Geburtsort, Erziehung, Beschäftigung u. dgl. müssen wir zu
erst seine eigenen Worte im obenangeführten Epilog zum
Oktoich, als die zuverlässigste Aussage, besonders hervorheben.
Es heisst darin:
,Vollendet wurde dieses Buch in der grossen
Stadt Krakau zur Zeit der Regierung des polnischen
Königs Kasimir, und zwar vollendet durch den Kra
kauer Bürger Schwaypolt Fiol, aus Deutschland,'von
deutschem Geschlechte, einen Franken; beendet ist
es nach Gottes (Christi) Geburt im 14 hundert neun
zig und l on Jahre.'
Aus diesen Worten leuchtet ein, dass Sweipolt Viol, ein
Deutscher aus Franken, seine Herkunft aus Deutschland her-
leitetc, wiewohl er sich vorderhand Krakauer Bürger nennt.
Wo und wann er geboren, erzogen ist und wo er die Buchdrucker
kunst erlernt hat, ist uns unbekannt.
Der Name Schwaypoldt Fieol (Sweipolt Viol), den er
auch in dem Epilog beibchält, weist schon auf seine deutsche
Abstammung hin. Schwaypolt ist ein alterthümlicher deutscher
Sweipolt Fiol und seine kyrillische ßuchdruckerei in Krakau.
435
Personenname, welcher in vielen alten Urkunden und Chro
niken vorkommt: Suidebold im IX. Jahrhundert in den
Annales Quedlinburgenses; Suitbald im Necrolog. Fuldense
a. 855; Suitbold bei Wigand, Traditiones Corbejenses, p. 361;
Suapold im IX. Jahrhundert, Stiftsbuch von Sanct Peter;
Swabolt und Suabolt in Goldast, Rer um Allemanicarum
scriptores II. a. 1008 u. a. m. In den unten in der Bei
lage angeführten Urkunden wird er Svayboldus, impressor
librorum de Crocovia, und Sweyboklus Feyol, sonst auch
Szwantopol Feol, Ve;yl (Wiszn. III. 80) genannt. Die letztere
Benennung scheint Herrn Bandtke Anlass gegeben zu haben,
dieselbe in den polnischen Namen Swietopelk zu übertragen,
welchen die Russen in Swjatopolk umwandelten. Übrigens war
die Familie Fiol unter dem polnischen Adel des XV. Jahr
hunderts bekannt. 1
Nebstdem iinden sich noch einige, wenn auch fragmenta
rische Nachrichten von Sweipold Viol, die wir hier anführen
wollen, ohne jedoch für ihre Zuverlässigkeit Bürgschaft leisten
zu können, mit Ausnahme derjenigen Daten, welche durch
Documente bewiesen sind. Nach A. Grabowski und Michael
Wisznicwski war Viol aus Lublin (in Kleinpolen) gebürtig,
wo er mit den dortigen Russen (z Rusinami) in näherer Be
ziehung gestanden haben mag. Er war von Profession kein
Buchdrucker, sondern ein Seidenhafter, und da kam er auf
den Gedanken kirchenslavische Bücher zu drucken, mit welcher
Kunst er vermuthlich während seiner Wanderungen in Deutsch
land sich vertraut gemacht hatte. 2 Noch im Jahre 1489 hat
er, wie das ihm von König Kasimir dem Jagellonen ausgestellte
Privilegium bezeugt, neue Wasserschöpfmaschinen in den Blei
bergwerken zu Olkusz eingeführt. 3
1 Cacterum Fiolos gentem nobilem in Polonia fuisse docet Paprocius
anno 1584 in libro Herby rycerstwa polsk. p. 506, ubi Suetos laus
Pliiol testis a. 1467 in privilegio, quod oppido Zerniki datum fuit. Seb.
Girtler, Index lectionum univ. Cracov. 1821.
2 A. Grabowski, Starozytnosci S. 450. — Mich. Wiszniewski, Histor. literat.
polsk. III. S. 81.
3 Consensus regiae majestatis datus provido Sweiboldo Feyol, civi Craco-
viensi, super plumbifodinas montium in Ilkusz.
28*
436
Golowatikij.
Drei Jahre später befasste er sich schon mit der Druck
legung slavischer Kirchenbücher. Einen Beweis dafür liefern die
oben angeführten Druckwerke und Viol’s Vertrag mit Rudolph
Borsdorf aus Braunschweig, welcher für ihn slavische Lettern 1
nach seiner, Sweipolts, Anleitung schnitt, wobei er sich ver
pflichtete, die ganze Sache geheim zu halten. Im Jahre 1491
wurde der Druck des Oktoich, des Casoslov und ohne
Zweifel auch der beiden Triodien beendigt, denn schon
am 21. November wurde Sweipolt Viol vors Gericht des
Krakauer Bischofs citirt und musste zwei Krakauer Bürger
und Stadträthe stellen, welche mit Tausend ungarischen Gulden
für ihn bürgten, dass er vor dem Gerichte des Gnesner Electen
(Friedrich, Sohn des Königs Kasimir, Primas und Cardinal)
sich stellen und bis zur Beendigung des Processes die Stadt
Krakau nicht verlassen werde. Nichtsdestoweniger wurde
der arme slavische Buchdrucker in Haft gebracht und am
8. Juni 1492 war er gezwungen, vor seiner Entlassung aus
dem Gefängnisse, einen Eid ahzulegen, dass er jede Irrlehre
gegen den katholischen Glauben verabscheut, mit Mund und
Herz verflucht und musste feierlichst bekennen, dass er in
allen Glaubensartikeln nur dasjenige glaubt und für wahr hält,
was die heilige allgemeine römische Mutterkirche glaubt und
für wahr hält; insbesondere aber musste er bezüglich jener
Artikel, wegen welcher er verdächtiget wurde, erklären, dass
ausserhalb der heiligen christkatholischen Kirche in keiner
Secte das Seelenheil zu finden sei; wenn er aber je etwas
dawider behauptet hätte, so habe er diess aus Leichtsinn geredet,
durch Übereilung oder* Aufregung, und nicht von freiem
Herzen. Desgleichen musste er betheuern, dass in dem Sacra-
mente des Abendmales Gott zugegen und dass die Communion
unter der Gestalt des einzigen Brodes zum Heile des Volkes
hinreichend ist. Sollte er künftighin etwas dieser Aussage zu
wider behaupten, so unterwirft er sich aller Strenge der
h. Kirchencanones. Zu diesem Eidscliwure musste er noch hin
zufügen, dass er, aus Anlass des mit ihm vorgenommenen ge
richtlichen Verfahrens, niemals sich weder beklagen, noch an
1 Rcwsche Schrift, Buchstaben, heisst es in dem zwischen beiden
Krakauer Bürgern gescldossenen Vertrage, dessen Abschrift in den
Acten des Krakauer Magistrates vom Jahre 1491 sicli erhalten hat.
Sweipolt Fiol und seine kyrillische Buchdrucker ei iu Kr.akau.
437
Jemand Rache nehmen, ja vielmehr jeden Lästerer gegen
den katholischen Glauben aus vollem Eifer den Canonicis und
Prälaten denunciren werde. Diese Punkte bekräftigte Viol,
unter einer Strafe von Tausend Gulden, mit seiner eigenen
Unterschrift, worauf er von den strengen Richtern frei
gesprochen wurde.
Wenn man auch annimmt, dass Sweipolt Viol vor Jemand
im liberalen Sinne sieh ausgesprochen habe, so war doch gewiss
auch die Drucklegung der slavischen Bücher, wodurch er der
griechischen Kirche, die in den Augen der heiligen Inqui
sition für eine Secte gehalten wurde, Vorschub leistete, die
nächste Veranlassung und die Hauptursache seiner Arretirung
und Stellung vor das geistliche Gericht. Unter solchen Auspicien
wurde ohne Zweifel auch die Viol’sche Buchdruckerei von
der Krakauer heiligen Inquisition confiseirt und die vor-
räthige Auflage der Bücher vernichtet. Viol, um sein Hab
und Gut gebracht, war bemüssigt, die polnische Hauptstadt zu
verlassen und sich hinter die Karpathen, nach Leutschau
(Levoca) in der Zips, zurückzuziehen, wo er in der ungarischen
Bergstadt unter den Deutschen mehr Sympathie und Gewogen
heit gefunden hatte als unter den Polen. Jedoch hatte er
weder den Muth noch die Mittel das Buchdruckergeschäft weiter
zu betreiben. Laut einem am 5. December 1511 durch Ver
mittlung des Krakauer Stadtrathes Johann Kirling abge
schlossenen Vertrage wird er, Schweypoldt Feyl, Bürger
aus der Lewtza genannt. In demselben Jahre besuchte er noch
in seinen Vermögensangelegenlieiten die Stadt Krakau, und der
Leutschauer Magistrat nennt ihn in seinem Geleitschein ,den
ehrsamen, weisen Schweypoldt Fcyel, unseren Mit
bürger'. Seit dieser Zeit findet man von Viol keine Erwäh
nung mehr, nur in den Acten des Krakauer Magistrates finden
sich unzweifelhafte Beweise, dass Sweipolt Viol im Jahre 1525
in Leutschau starb. 1
Das sind die sämmtlichen Nachrichten, welche wir von
dem ersten kirehenslavischen Buchdrucker und seinen Schick
salen mit Mühe zusammenbringen konnten.
1 Mich. Wiszniewski, Hist, liter. polsk. III. S. 83.
438
Golowatzkij.
Vor Sweipolt Viol und gleichzeitig mit ihm existirten in
Krakau mehrere lateinische Buchdruckereien. Günther Zeiner
druckte schon im Jahre 1465, Johann Haller und Kaspar Hoch
feder ums Jahr 1505. Viele Buchdrucker, deren Namen ihre
polnische Herkunft verrathen, trifft man zu der Zeit in Spanien
und Italien an, wie Ladislaus Polonus, Stanislaus Polonus,
Adamus Polonus. 1
Beachtenswerth ist die Bemerkung Bentkowski’s von
einem berühmten Buchdrucker in Rom, Namens Eucharius
Silber alias Franck, der vom Jahre 1480 angefangen viele
Bücher in Druck gelegt hatte. Wenn man in Panzeri Annales
typograph., II. Bd. S. 474—519, die von ihm herausgegebenen
Werke durchsieht, so rindet man ihn mit verschiedenen Be
nennungen bezeichnet: bald nennt er sich Eucharius Silber alias
Frank, bald wieder E. S. alias Frank natione Allemanus,
oder Eu. Silber Allemanus, dann wieder Eu. Frank oder
Eucharius Argenteus, manchmal auch Eucharius Archirion
(Argirion?): apppiov bedeutet im Griechischen Silber oder eine
kleine Silbermünze. Zuweilen fügt er noch zu seinem Namen
den Beisatz dioecesis Plerbipolensis hinzu.
Wenn man diese verschiedenen Benennungen mit ein
ander vergleicht (sagt Bentkowski), so bin ich geneigt, zu
vermuthen, dass der Buchdrucker Eucharius Silber (Arehirius,
Argenteus), alias Frank natione Allemanus, dioecesis Herbi-
polensis, seinen Namen noch einmal umwandelte und sich in
Krakau Schwantopol Viol nannte. In dieser Voraussetzung
würde der Name Frank so viel bedeuten, als aus Franken,
d. i. aus dem fränkischen Kreise gebürtig, worin Würzburg
die Hauptstadt ist. Slavische Fachmänner mögen erklären, auf
welche Art der Name Eucharius durch Schwantopolt und der
Zuname Silber durch Viol übersetzt werden kann. Ich (Bent-
1 Siehe: Alphonsi Palentini de Synonymis, impressum Hispali per Meynar-
dum Ungut Alemauum et Ladislaum Polonum, soeios. A. D. 1491.
— Aegidii Romani de legimine principum, impress, per M. Ungut et
Stanislaum Polonum 1491—1500. — S. Antonini Florentini con-
fessionale, Neapoli apud Nicolaum de Luciferis et Adamum Polonum
1478. — Maittaire, Annales typograpliiae T. I. P. II. p. 537. — Panzer,
Annales typograph. T. II. p. 159.
Sweipolfc Fiol und seine kyrillisclie BucMruclcerei in Krakau.
439
kowski) will nur bemerken, dass im neugriechischen Wörter -
buche das reine Silber durch phinon (?) übersetzt wird. 1
Auf jeden Fall wäre es wünschenswerth, über den Buch
drucker Eucharius Silber oder Argirius Frank natione Alle-
manus in Rom und in Würzburg eingehende Untersuchungen
anzustellen, ob nicht eine Blutsverwandtschaft oder vielleicht
wenigstens eine Gemeinschaft mit seinem gleichzeitigen Lands
mauno Sweipolt Viol sich nachweisen Hesse, welche uns zur
näheren Bestimmung der Thätigkeit des letzteren im Buch-
druckereibetriebe führen würde.
Aus diesen kargen Nachrichten, die uns von Sweipolt
Viol geblieben sind, können wir ersehen, dass er nach
dem Abdrucke der vier auf uns gekommenen Bücher: Ok-
toich, Casoslow und den zwei Triodien, die weitere
Drucklegung slavischer Bücher nicht bloss gänzlicli aufgeben,
sondern auch die Stadt Krakau verlassen und nach Leutschau
in Oberungarn übersiedeln musste, wo er als ehrsamer Bürger
lebte und im Jahre 1525 starb.
Der Ansicht M. Wiszniewski’s nach war er ein Seiden-
häl'ter, hatte sich die Buchdruckerkunst ungeeignet und nicht
geringe Fertigkeit in diesem Fache schon dadurch an den
Tag gelegt, dass er dem gedungenen Schriftschneider Bors
dorf Unterricht ertheilte, sondern auch als Setzer oder
Druckleiter die gleichzeitigen Handschriften haarklein nach
zuahmen vermochte. Die Ausführung der Krakauer slavischen
Druckwerke zeugt von einem erfahrenen Meister, der die
technische Seite der gleichzeitigen Buchdruckerkunst sich voll
kommen eigen gemacht und auf die Erzeugnisse seiner Ofiicin
angewendet hatte. Nebstdem war Viol ein geschickter Mecha
niker, der die Maschinen in den Bergwerken zu Olkusz ein
richtete. Im Allgemeinen war er ein kenntnisreicher, allgemein
gebildeter Mann, den der Leutschauer Magistrat nicht ohne
Ursache ,den ehrsamen und weisen' Schweipoldt Feyel
nannte. Wir haben schon oben bemerkt, dass seine Buch
druckerei , vermuthlich auch der ganze Büchervorrath, auf
Anstiften der katholischen Geistlichkeit, von den Magistrats-
1 Bentkowski, 0 najdawniejszych ksiazltach drukowanych w Polszcze.
Warsz. 1812.
440
Gol o watzki j.
behörden vernichtet wurde, da unter den gleichzeitigen und
späteren kyrillischen Druckwerken ähnliche Lettern weder
zu Ende des XV. noch zu Anfang des XVI. Jahrhunderts
zum Vorscheine kommen. Die meiste Ähnlichkeit, was die
äussere Form anlangt, haben die Lettern der aus dem
XVI. Saeculo herrührenden, in Kronstadt oder Ugrovlachien
gedruckten Bücher. Ob diess dem Umstande zuzuschreiben
ist, dass dieselben Handschriften bulgarisch-russischer Familien
beiden Druckereien zum Vorbilde dienten, oder ob irgend
welche Wechselbeziehung unter den Buchdruckern, vielleicht den
Jüngern des geächteten Viol, wirklich stattfand, diess mögen
spätere Nachforschungen endgiltig entscheiden.
Wiewohl Swcipold Viol der Nationalität nach ein Deutscher
war und eigentlich aus Franken stammte, so ist es möglich, dass
er, wie Grabowski und Wiszniewski nachzuweisen suchen, in
Lublin geboren oder ansässig war. Hier, in diesem Grenz
lande von Kleinpolen und Wolhynien, konnte er schon früh
zeitig die slavische Schrift und Sprache erlernt haben, da die
Umgegend seit jeher von Kleinrussen bewohnt war und selbst
in Lublin noch 1600 ein orthodoxes Kloster, zwei griechisch
russische Kirchen und eine Kirchenbruderschaft bestanden
und die russische Schrift und Sprache in der Admini
stration der russisch-polnischen Provinzen gang und gebe war.
Dass Lublin wirklich der Geburtsort des Viol sein konnte
und dass er in dieser Gegend viele Bekannte oder Genossen
hatte, bestätigt auch die Verbreitung seiner frühzeitig unter
drückten Ausgaben namentlich in Podlachien, Wolhynien
und Rothrussland (Galizien). Der oftgedachte Archimandrit
Zacharias Kopestenskij erwähnt in seinem Werke Palinodija
(III. Th. I. Cap. 2. Art.) mehrere Orte, an welchen ums Jahr
1600 (also ungefähr nach einem Jahrhunderte) viele Exemplare
der Viol’schen Druckwerke vorfindig waren. ,Die Triod’ (sagt
er) befand sich in vielen Kirchen und Klöstern des Lemberger
Gebietes, im Dorohobuzischen Kloster, in Horodok, einem Gute
des Pecerskischen Klosters, in Wolhynien und Podlachien, in
dem Bielsker Bezirke in Botki bei der Maria - Himmelfahrts
kirche auf dem Gute des Bogdan Sapieha, Wojwoden von Minsk,
und an anderen Orten. Der Oktoich befand sich dazumal in
Smiedyn bei Turijsk in Wolhynien, in Kamenec Litowskij bei
Sweipolt Fiol und seine kyrillische Buclulruckerei in Krakau.
441
der Kirche des h. Simeon. Der Casoslov in dem Kijevo-
Peüerskischen Kloster, in der Lubliner Kirche, im Hause
(li'K ^KOjrk) neben der h. Kreuz-Kirche in der Licakover oder
Halicer Vorstadt (in Lemberg'?), in Brest’ Litowskij. Auf diese
Art waren die meisten Exemplare in Podlachien und den um
liegenden Provinzen verbreitet, wohin Viol Zeit gewonnen
hatte, Exemplare zu schicken, bevor die Auflage von dem
bischöflichen Gerichte sammt allen Druckvorrichtungen in
Beschlag genommen und dem inquisitorischen Autodafe preis
gegeben wurde, aus welchem Viol selbst nur durch die
Bürgschaft seiner Mitbürger und seinen Eidschwur sich ge
rettet hatte. Augenscheinlich äusserte sich die orthodoxe
Geistlichkeit mit vieler Gewogenheit gegenüber den Violischen
Buchdruckererzeugnissen, und das Volk nahm seine Bücher
mit sichtbarem Wohlwollen auf, da nach Verlauf eines
Jahrhunderts diese Exemplare in allen Kirchen unangetastet
geblieben sind und der orthodoxe Archimandrit derselben
mit Achtung erwähnt. Aus derselben Quelle gelangten auch
einige Exemplare der Violischen Ausgaben nach dem fernen
Russland. Ein solches Exemplar des Krakauer Casoslov vom
Jahre 1491 befand sich in den Händen des Patriarchen Nikon
und wurde von ihm mit seiner Namensfertigung im Jahre 1658
der Bibliothek des Neu-Jerusalim’schen Voskresenskischen
Klosters zugewendet. 1 Der Nizegoroder Erzbischof Pitirim er
wähnt in seinem Buche Prascica protivo voprosov ras-
kolniceskich (St. Petersb. 1721, vopr. 140) einer Psaltyr’
sljedovannaja vom Jahre 1491. Wahrscheinlich ist hier
der Krakauer Casoslov gemeint, oder aber es wurde bei
Viol damals auch ein Psalter gedruckt, wie manche Biblio
graphen auch wirklich behaupten, wiewohl bisher Niemand ein
Exemplar dieses Buches zu Gesichte bekam. Es ist aller
dings möglich, dass die ganze Auflage dieses Werkes von der
Krakauer h. Inquisition vernichtet ward. — So viel wissen wir von
dem Bestehen der Viol’schen Krakauer Ausgaben in russischen
Landen noch im XVII. und XVIII. Jahrhunderte. Anderwärts
kamen bis jetzt von Viol’s Druckbüchern die wenigsten zum
Vorschein: z. B. in der bischöflichen Klosterbibliothek in
1 K. Kalajdovic. Vjestnik Jevropy. 1819. CVTI. Th. Nr. 18.
442
Golo watzki j.
Munkaö in Oberungarn war ein Exemplar des Krakauer Ca-
soslov, den ich aber bei meinem Besuche im Jahre 1839
nicht mehr gefunden habe.
Man kann die Frage aufwerfen, welches von den be
kannten vier oder fünf Büchern der Viol’schen Ausgaben zu
erst in Druck gelegt wurde, oder aber welches kyrillisc-h-
slavische Buch soll als das erste gedruckte Werk betrachtet
werden? Zwei der genannten Bücher, nämlich die Triod’
postnaja und cvjetnaja, sind ohne Datum abgedruckt. Der
Epilog des Casoslov und Oktoich zeigt an, dass diese Bücher
im Jahre 1491 beendet wurden. Im November desselben Jahres
wird Yiol schon gerichtlich verfolgt, im nächstfolgenden Jahre
vom Gefängnisse befreit und im Jahre 1511 wird er schon als
Bürger von Lewcza (Levoca, Leutschau) in der Zips angeführt.
Die Drucklegung der Krakauer Kirchenbücher dürfte somit
ein paar Jahre früher begonnen und sicherlich im Jahre 1491
beendet worden sein, worauf auch die Worte des Epiloges:
r \,0K0NHdNd BKICTb CIA KNill'd deutlich hinweisen. Nach dem
Jahre 1491 verschwindet die slavische Buchdruckerei in
Krakau, und weder bei Sweipold Viol noch bei jemand
Anderem in Polen und Russland wurde irgend ein slavisches
Buch gedruckt.
Bei eindringlicher Untersuchung und Vergleichung der
in den bekannten vier Büchern gebrauchten Letternform,
Orthographie, Interpunktion u. s. w. könnte man vielleicht den
etwaigen Entwicklungsgang der slavischen Buchdruckerkunst
ausmitteln und mit einer gewissen Zuversicht ersehliessen, in
welcher Folgereihe die ofterwähnten Bücher nach einander
gedruckt wurden, denn man muss allerdings zugeben, dass
die Viol’sche Buchdruckerei in ihrem Beginne weder einen
so grossen Vorrath an Druckschrift, noch gehörige Arbeits
kräfte zur Verfügung gehabt hat, um gleichzeitig die vier
ziemlich umfassenden Werke in Satz und Druck zu bringen,
und desswegen musste Viol einige Jahre vorher, nach Zurich
tung seiner Typographie, die Drucklegung dieser Bücher nach
einander begonnen haben, welches Geschäft er mit seinem
Schriftgiesser geheim hielt, bis er im Jahre 1491 den Druck
beendiget hatte und dann diese Werke zum Verkaufe
brachte, nach Veröffentlichung deren auch die unselige Ein-
Sweipolt Piol uucl seine kyrillische Buehdruckerei in Krakau.
443
mischung der geistlichen Censur erfolgte, welche seine ge
meinnützige Thätigkeit hemmte und den Verleger zum völligen
Ruin brachte. Man pflegt zwar den Osmoglasnilc als das
erste mit kyrillischer Schrift gedruckte Werk anzusehen, jedoch
scheint es, dass die beiden ohne Datum abgedruckten Trio
dien wenigstens ein Jahr früher den Druck verliessen, wie
wohl ihre Drucklegung nicht veröffentlicht wurde.
Da uns die Exemplare der Viol’schen Ausgaben nicht
frei zu Gebote stehen, so können wir weder eine erschöpfende
Detaillirung der vom Herausgeber gebrauchten Anzahl der Buch
staben, noch eine vollständige Evidenzdarlegung des Buch
stabengebrauches in der Lautlehre, Wortbildung, Formenlehre
und Orthographie zusammenstellen, um daraus zu erklären,
was eigentlich aus alten Handschriften in die Redaction auf
genommen und für die künftigen Druckwerke als stabil bei
behalten worden ist. Bekanntermassen findet man in ldrchen-
slavischen Druckwerken mehr Uniformität, als in den gleich
zeitigen und sogar späteren Handschriften. Boi allem dem
können wir nicht unterlassen, einige Eigenthümlichkeiten her
vorzuheben, welche uns eine flüchtige Einsicht in die Drucke
vom Jahre 1491 möglich machte.
In Viol’s Druckausgaben kommt der Buchstabe 0 in ver
schiedenen Formen, namentlich 0; 0« 0. W. @. VV und G
vor. Das bekreuzte© gebrauchte der Drucker immer in dem Worte
®Kp£CT‘Ä, und das O mit zwei Punkten in den Worten
OHH, OMIK), OMIIMd, MNOi'OOHHTdd. Diese bildliche Buch
stabenform © und G trifft man übrigens auch, mit dem ge
wöhnlichen 0 untermischt, in dem 1561—1562 in den südlichen
Buchdruckereien gedruckten Evangelium und Triodion an.
Sonst sind die Lettern der Krakauer Druckwerke nichts
Anderes, als die in den gleichzeitigen Handschriften gebrauchte
kyrillische Schrift, mit allen damals üblichen diakritischen
Zeichen und Abkürzungen, oder den sogenannten Titla’s,
Slovotitla’s, Dobrotitla’s, Chiertitla’s, Jerik’s, Pajerik’s u. s. w.
Bemcrkenswertli ist es, dass in diesen Ausgaben im Aus
laute nach Consonauten das l> statt X gesetzt wird:
KCAKb N£A$l'k, TUOHML, IIOEMI,, CAtUIllAW.« YOLIJEMb,
444
Golo watzkij.
Ndttth. was dem Einflüsse cler vom Metropoliten
Kyprian ins Land gebracliten serbisch-slavischen Manuseripte
zugeschrieben wird.
Der schwache Vocal '/> wird häuflg im Inlaute statt des
russischen E und 0 gebraucht: KpKCTOMh) CÄMp'ÄTH, B'ACA'lh-
Cliaa. l IÄCT7»NOMO\|*5 dann und wann steht il anstatt A!
pd3 A'td'fe A! manchmal /’S? A statt 8; Oy oder la! lipErt/LR-
ApOCTH, C/RBOTOy; £ r V,HN0C0^l|JtN^A, *3 MIR.. doch in der
Kegel nach russischer Art °v und A (ld).
Was die Sprache der in Frage gestellten Bücher an
langt, ist sie in lexikalisch-grammatischer Hinsicht die kirchen-
slavische; es ist der Text derselben altslavischen Übersetzung
aus dem griechischen Originale des h. Damascenus, welche
zur Zeit der Bekehrung der Slaven durch Kyrill und Method
oder ihre Jünger veranstaltet worden ist. In der Folge wurden
für den täglichen Kirchengebrauch zahlreiche Abschriften ge
macht, ' die sich zufolge der weiteren Ausbreitung des Christen
thums durch nationale Abschreiber verschiedener slavischer
Länder bis ins Unzählige vermehrt hatten. Wesentliche Ab
weichungen bezüglich der Laut- und Formenlehre verursachten
die Entstehung der drei Sprachfamilien, der russischen, bulga
rischen und serbischen, welche sich durch gewisse mehr oder
weniger consequent durchgeführte Laut- und Formenmodiflca-
tionon unterscheiden. Aus der Vermischung der bulgarischen
und südrussischen Handschriften entstand die bulgarisch-russi
sche Varietät, welche in vielen in der Moldau, Bukowina und
Galizien geschriebenen liturgischen Kirchenbüchern den Aus
druck fand und zum Thcile auch in den Druckausgaben von
Dolhopole, Stratyn, Lemberg u. s. w. wiedergegeben wurde.
Nach und nach verlieren sich die meisten Bulgarismen, und
die slavischo Sprache, nach den Regeln des Melctius Smotriskij
zugerichtet, gewinnt die volle Herrschaft in der griechisch-
slavischen Kirche. Es wird die Aufgabe der slavischen Lin
guistik sein, den Entwicklungsgang dieses ganzen Sprach-
processes zu erklären. Das beste Substrat zu dieser Arbeit
können die Erstlinge der kirehenslavischen Buchdruckereien
liefern, und zwar zuförderst dadurch, dass in diesen von den
selben Personen veranstalteten Druckbüchern mehr Einförmig-
Sweipolt Fiol und seine kyrillische Buchdrückerei in Krakau.
445
keit und Consequenz bezüglich der grammatikalischen Regeln
zu linden ist, als in den zerstreuten Manuscripten, die von
verschiedenen Individuen herrühren, ferner auch dadurch, dass
uns die Ausgaben derselben Werke, die gleichzeitig bei den
Nordslaven (in Krakau) und bei den Südslaven (in Cetinje)
im Drucke erschienen sind, 1 ein reichliches Material zur paral
lelen Entgegenstellung in solchem Maasse liefern, dass bei
fleissiger Excerpirung eine durchaus genügende vergleichende
Laut-, Formen- und Wortbildungslehre zu Tage gefördert wer
den kann.
Man kann wirklich in diesen Büchern die bereits formu-
lirte Grammatik des Kirchenslavischen finden oder eigentlich
dieselbe als den Ausgangspunkt der sogenannten kirchen
slavischen Sprache betrachten. Wenn die altslavischen Manu-
scripte vom XI. bis XIV. Jahrhunderte das erste Glied der
slavischen Sprachforschung bilden, so können die ersten kyril
lischen Druckwerke das mittlere Glied genannt werden, ohne
welches die Lösung des Problems über die kirchenslavische
Sprache auf keinen Fall erzielt werden kann.
Was den von Seiten der Viol’schen Buchdruckerei bei
gesetzten Epilog anbelangt, so spiegelt sich in demselben die
zu der Zeit in Polen und Litthauen übliche Büchersprache der
gleichzeitigen Urkunden und Documente ab; es ist eine mit
Zugrundelegung der localen russischen Volkssprache ausgebil
dete conventionelle Sprache, welche mit einigen Polonismen
untermischt war und lange Zeit irrthümlich die weissrussische
oder polnischrussische genannt wurde. Wenn hie und da
kirchenslavische Sprachformen Vorkommen, so wurden sie dem
damaligen Geschmacke zufolge als Floskeln eines erhabenen
Stiles betrachtet.
Behufs einer Zusammenstellung des Sprachmaterials führen
wir als Probe einige Auszüge aus dem Krakauer Osmoglasnik
vom Jahre 1491, und daneben entsprechende Excerpte aus der
Cetinjer Ausgabe 1493—1494, und aus dem Brasever oder
Kronstadter Evangelium des Hans Biegner vom Ende des
XV. oder vom Anfänge des XVI. Jahrhunderts an.
1 Der Oktoich, Öasoslov und wahrscheinlich auch der Psalter er
schienen im Jahre 1491 bei Viol in Krakau, und eben diese Werke
wurden 1493—1495 in Cetinje und Venedig gedruckt.
Aus allem oben Angeführten leuchtet hervor, dass Swei-
polt Viol ein ausserordentlicher Mann war, der als geschickter
Künstler und Mechaniker weit verzweigte Verbindungen in
Polen, Russland, Deutschland und Ungarn hatte und bei
seinen vielseitigen Kenntnissen und seinem regen Unter
nehmungsgeist zur Entwicklung der Cultur Vieles beitrug.
Es wäre der Mühe werth, allenthalben, wo nur Spuren der
Werkthätigkeit dieses ungewöhnlichen Mannes zum Vorschein
kommen, umständliche Nachforschungen anzustellen und die
bekannten Daten näher zu prüfen. Es ist leicht möglich, dass
in den Archiven von Lublin, Krakau, Olkusz, Leutschau und
vielleicht auch in Braunschweig und Würzburg sich Acten-
stücke linden, welche die Geschichte dieses merkwürdigen,
rührigen und vorurtheilsfreien Mannes näher beleuchten könnten;
desswegen legen wir allen Liebhabern der Geschichte ans Herz,
nach unseren Andeutungen möglichst eindringende Unter
suchungen anzustellen und die Resultate davon dem gelehrten
Publicum mitzutheilen.
Ans dem Krakauer Osmoglasnik
von 1491.
Ex c;keot$ r.t’iepi. cTpki
EXCh'pXCHkb l'AACb. V. CA-
MWrAACNki:
TeOHAAE KpXCTOMb Xe
CllCt. CXAftpXTH ^pXHCaEA
pA3ApO\*IBHCA. H AI.AI’.OAA
AECTb CüfnpaSANH ca. po^ce
■lAWE'fe'JLCKklH Ellpow Cll-
CAETCA. nllCHh TH EXCEr’Ad
flpHNOCHTI.:
ripOCÄirbTHUJACA EX-
CAMbCKAA EXCKpXCEHIEAAb
Aus dem Cetinjer Oktoich
von 1493—1494.
Eä C$E0t8 EE'IEpb HA
AAAAEH EEHEptlkl HA PH E03“
EAX'b • • •
TEOHAIU. KpCTOME JfE
CI1CE, CbAApbTH
pA^ApO^UJHCE. H r \IAE0AIA
AhCTb 0^npA3ANHCE. pÖ^f-
/KE HAHbCKkl EllpÖlO Cll-
CAGMb. IVtlCHb TH EbCEf'A^
npHHOCHTb!
IIpOCE'hTHUIECE EhCA'lb"
CKAA. EbCKpCEHi6Af\b TEO-
Sweipolt Piol und seine kyrillische Buclidruckerei in Krakau.
447
teonmi, in. pan nahui
VVEp7.3ECA. TEapbWE EZCA
E7.CyBaAAlOL|JH TA. H'I.CIH.
TH P/ACtl’^a npHMOCHTL.
G-aaea wiVa h cna h cha8.
CTAI'O t \XA IIOA EAAAbl'lh-
cteo nepa3 r vl’.Aiio h necx-
3Aam.NO bxteo. rpoNiyy
6AHN0C0»fl|JhNXA. LI,pTEÖK5-
I|l8 E'hltkl E'kKWMh. Kpx-
CTOy TEOEMOy M7CT7.N0-
Moy iiokaanaemca ye. h
I'.'ACnpCENIE TBOE IIOEMI. H
caabhau,. paNOA evv tboga
BACH AUvl HCII/l'.AHyWMh.
IIoEMh Cll'ca H7KE vi> A'tbhl
B7.nAAi;iarocA. Nach ew
pa^H pacnATCA. ii TpcTiH
ANb B7Cltp7.CE. A^P 0, T A
NaMl. BEAHA MNAWCTh.
HMh rH. n pan naithi wi:pi.-
3 ECE. EhCATKE TEAph EhC-
yBaaraioi|jH te. rrkcNh th
BhCEI'AA npHNOCHTh. Gaa-
eak) wii’a n cna diaoy. ii
Aya cfro rioio baamctbo.
NEpa3A'kaN0 N£Cb3AaNN0
BHCbCTBO. TpOHII,Oy 6AHN0-
cBipNoy. ii’pcTBoyioi|ioy Bb
B'I.Kkl E r liKWA\h. Kpcroy
TBOICMOy HCTNOMOy NO-
KAaNiaieMcE yt. h BhcitpcE-
NiE TBOie noeMb ii caabhau..
paNOW BÖ TBOeiO Mhl BbCll
AciyfeA'feyoMh. IIoeMb ciica
HAT W Alibi EhllAhl[lhlllA-
rocE. NacBÖ paAÜ paciiETce.
H TpETH ANb BhCKpCE. r \A-
poyc NaMl. BEAilO MACTb.
Aus dem Krakauer Osmoglasnik
von 1491.
Matth. X. 1—2; 5. 8.
Ex BpEMA VV, npN3Ba
1c oßaNaAECA Bmnka ceoa.
n „r
H A d HMh BAa Na AoycT.yh
■SN
NEMThl. ÜCN/IjAATH BCAKh
Aus dem Braaever (Kronstädter)
Evangelium vom Ende des XV. oder
Anfang des XVI. Jahrhunderts.
Ex Ep'ftMA WNO npN3Ba
lc WBA NaA^CETE oyiENNKa
ceoa, AacTi. hmi. haacti.
Na AOydiyi. NEMNCThl, raito
448 Golowatzkij. Sweipolt Fiol und seine kyrillische BucMruckerei in Krakau.
Ne r \Ört., A ECAK$ A3K> ex
lUOAtX’E. A CHA OEdNd^CCA
nOCAd lc‘ i'AA. NA iiSte
^3klKb NC H r \'l'iTC. A EX
rpd r \E CdAAdpCHCKb NC EX-
NH^iiTC» H^TOKC ndHC KX
VVEU,dAAb IIOrklEUJHAU. A 0-
AAO \r IHACEd. X’OrVALliCHJKC
iiponoE^AaHTC rdWLyc. rano
lipHEAH/KHCA U,pTB0 NCECC-
NOC. E0AAL|JdA AdJ/fedAArC.
AApXTEklA E'ÄCKp'feUldHTC.
lipOKd/KCNklA OU,'bL|JdHTC.
TOy-NC npHACTC, T$NC /KC A
r \d r \HTC.
r \d H3IONATE Ap.. Acu/fe-
AHTH ECliliX NC/yirb H EX-
C’fcK-K E0Ali.3Nb. CI Id WEdNd-
r \eccTe riocAd Ic, 3dnoE'h-
AdEb AmE I'AA. Nd NXTb
Av3lvlKE NC H/ybTC. A EX
rpd r \b CdAAdpiiNCKkl NC EX-
NH,A,'llT6. H/yfeTCXC ndHC KX
WEU,dAAb riOI'klBLUHMb r \0-
aaS TapdHACEd. pA^™ 6
NponOEliA^HTC i'AAI|IC. IdKO
lipilEAH'/KMCA N,pTEiC NE"
CNOCi EOAAL|J/RA Acil,'feA r kH-
TC. lipOKd^KCNklA O'INLIJdN-
TC. B'l’iCH A3I ONHTC. TO^NC
Np'l'ACTC TOlfNC A^A HTe *
XVIII. SITZUNG VOM 12. JULI.
Das w. M. Herr Hofrath Robert Zimmermann legt
,Ungedruckte Briefe von und an Herbart' der Classe mit dem
Ersuchen vor, dieselben in ihre Schriften aufzunehmen oder
deren Publication durch eine Druckkostensubvention zu unter
stützen.
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Akademie der Wissenschaften, königl. bayer., in München: Sitzungsberichte
der philos.-philolog. und histor. Classe, 1876, I. Heft. — Sitzungsberichte
der mathem.-pliysikal. Classe, 1875. III. Heft; 1876, I. Heft; 8°.
— — königl. dänische in Kopenhagen: Oversigt. 1874, N° 1; 1875, N° 3;
8°. — Memoires. 5““ Serie. Classe des Sciences. Vol. X. N° 7—9; Vol. XI.
N° 1; Vol. XII. N° 1; Kopenhagen, 1875; 4°.
Amari, Michele: Le Epigrafi arabiche di Sicilia. Part I. Palermo, 1875; 4°.
Ileidelbe rg, Universität: Akademische Gelegenheitsschriften aus den Jahren
1S75 u. 1876; 4» u. 8°.
Mittheilungen aus J. Perthes’ geographischer Anstalt. 22. Bd., 1876,
VI. Heft, nebst Ergänzungsheft, Nr. 47, Gotha; 4°.
Museum-Verein, Vorarlberger in Bregenz: XV. Rechenschafts-Bericht.
Jahrgang 1874; 4°.
Museum, Germanisches für Kunde der Deutschen Vorzeit: Anzeiger, N. F.
XXII. Jahrgang, 1875, Nr. 1 —12, Nürnberg; 4°.
,Revue politique et litteraire“ et ,Revue scientifique de la France et de
l’etranger 1 . VI C Annde, 2° Serie, N° 2. Paris, 1876; 4°.
Sitzungsber. d. pkil.-hist. CI. LXXXIII. Bd. IV. Hft.
29
450
Society, The E. Asiatic of Great Britain and Ireland: Journal. Vol. VIII.
Part II. April, 1S76. London; 8°.
— The E. Asiatic, Bombay Branch: Journal. Vol. XI. Nr. XXXII. 1875.
Bombay; 8°.
— The E. Geographical of London: Proeeedings. Vol. XX. Nr. III and IV.
April and June 1875. London-Journal. Vol. XLV. 1875. London; 8°.
— The American Philosophieal: Proeeedings. Vol. XIV. Nr. 93 and 94.
Philadelphia, 1874; 8°. — Transactions. Vol. XV. Part. II. Philadelphia,
1875; 4°.
XIX. SITZUNG VOM 19. Juli 1876.
Herr Ernst Marno sendet einen Bericht ein über seine
mit Subvention der beiden Classen der kaiserlichen Akademie
unternommene Forschungsreise nach den Nil-Gegenden, welcher
in dem ,Anzeiger der mathematisch - naturwissenschaftlichen
Classe 4 veröffentlicht werden wird.
Das w. M. Herr Dr. Pfizmaier legt eine für die Sitzungs
berichte bestimmte Abhandlung unter dem Titel: ,Die Ein
kehr in der Strasse von Kanzaki' vor.
Das w. M. Herr Hofrath Bitter von Miklosich legt
zur Aufnahme in die Sitzungsberichte vor: ,Beiträge zur Kennt-
niss der Zigeunermundarten. III'.
Das c. M. Herr Professor Dr. Gomperz überreicht eine
für die Sitzungsberichte bestimmte Abhandlung: ,Beiträge zur
Kritik und Erklärung griechischer Schriftsteller III'.
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Academie Imperiale des Sciences de St. Petersbourg: Memoires in 8°.
Tome XXVI. l ro & 2° Partie. St. Petersbourg, 1875.
Akademie der Wissenschaften, Kön. Preuss. zu Berlin: Monatsbericht. April,
1876. Berlin, 1876; 8°. — Zeller, E., Ueber teleologische und mechanische
Naturerklärung in ihrer Anwendung auf das Weltganze. Berlin, 1876;
4°. — Harms, F., Ueber die Lehre von Friedrich Heinrich Jacobi.
Berlin, 1876; 4°.
— — Kön. Schwedische: Handlingar. Ny Följd. IX. Bd. (1870); X. Bd.
(1871); XII. Bd. (1873); Stockholm, 1872—75; 4». — Biliang, I. Bd. 1. u. 2.
29*
452
Hft. II. Bd. 1. u. 2. Hft. Stockholm, 1872—75; 8°. — Öfversigt XXX,
XXXI u. XXXII. Ärgängen, No. 1. Stockholm, 1873 — 76; 8°. Lefnad-
steekningar. Bd. I. Hft. 3. Stockholm, 1869—73; 8°. — Meteorologislca
Jakttagelser i Sverige. XII.—XIV. Bd. 1870 — 72. Stockholm, 1872—74;
Quer-4°. — Mitglieder-Verzeichniss für die Jahre 1872—75. 8°. —
Ham iltou,’H., Minnesteckning öfver Jacob August von Hartmansdorff.
Stockholm, 1872; 8°. — De Geer, L., Minnesteckning öfver Hans
Järta. Stockholm, 1874; 8°.
Ackerbau-Ministerium, k. k., in Wien: Statistisches Jahrbuch für 1875.
IV. Hft. Der Bergwerksbetrieb Oesterreichs im J. 1875. I. Lieferung,
Tabellarischer Theil. Wien, 1876; 8°.
Berlin, Universität: Akademische Gelegenheitsschriften aus dem J. 1875. 4°.
Gesellschaft der Künste und Wissenschaften, Provinzial Utrecht’sehe:
Verslag. 1874. Utrecht; 8°. — Aanteekeningen. 1874.Utrecht; 8°. — A cquoy,
J. G., Het Klooster te Windesheim. I. Deel. Utrecht, 1875; 8°. — Van
Riems dijk, Th. & Pleyle, W., Peintures murales de l’Eglise St. Jacques
k Utrecht. Leide, 1874; fol.
Kiel, Universität: Akademische Gelegenheitsschriften aus dem J. 1874; 4°.
Krones, F„ Handbuch der Geschichte Oesterreichs. 4. Lief. Berlin; 8°.
Leiden, Universität: Annales academici. 1870 — 71. Lugduni-Batavorum.
1875; 4».
Miklosich, F., Vergleichende Grammatik der slavischen Sprachen. III. Bd.
Wortbildungslehre. Vom französischen Institute gekrönte Preisschrift.
Zweite Auflage. Wien, 1876; 8°.
Museum, kais., in Wilna: Gedenkbuch des Wilnaer Unterrichtsbezirkes für
das Jahr 1876. Wilna, 1876; 8°. — Akten. Herausgegeben von der Wilnaer
archaeologischen Commission. VIII. Bd. Wilna, 1875; 8° (Russisch).
Ouvaroff, A., Etüde sur les peuples primitifs de la Russie. Les Meriens.
Mit Atlas. St.-Petersbourg, 1875; 8° u. fol.
,Revue politique et litteraire* et ,Revue scientifique de la France et de
l’etranger 1 , VI e Annee, 2 e Serie, N° 3. Paris; 1876; 4°.
Rosenberg, von C. B. H., Reistochten naar de Geelviukbaai of Nieuw-
Guinea in de Jaren 1869 en 1870, ’s Gravenhage, 1875; 4°.
Verein von Alterthumsfreunden im Rheinlande zu Bonn: Aus’m Weerth, E.,
Der Grabfund von Walet-Algesheim. Fest-Programm zu Winckelmanns
Geburtstag am 9. December 1870. Bonn, 1870; 4°. •— Das Siegeskreuz
der byzantinischen Kaiser Constantinus VII., Porphyrogenitus und
Romanus II. und der Hirtenstab des Apostels Petrus. Zwei Kunstdenk
mäler byzantinischer und deutscher Arbeit des 10. Jahrhunderts in der
Domkirche zu Limburg a. d. Lahn. (Zur Doppelfeier des 25jährigen
Bestehens des Vereins, und des Geburtstages Winckelmanns.) Bonn,
1866; fol. — Wilmowsky, D., Die römische Villa zu Nennig und ihre
Mosaik. Bonn, 1865; fol.
Verein, Militär-wissenschaftlicher in Wien: Organ der Militär-wissenschaft
lichen Vereine. XII. Bd. 5. Heft, Wien 1876; 8°.
Pfizmaier. Die Einkelir in der Strasse von Kanzaki.
453
Die Einkehr in der Strasse von Kanzaki.
Von
Dr. A. Pfizmaier,
wirkl. Mitglied der k. Akademie der Wissenschaften.
Die von dem Verfasser gelieferte Arbeit besteht in einer
Reibe japanischer Lebens- und Sittenbilder aus dem vierzehnten
Jahrhunderte, dem Zeitabschnitte der in dem Werke Tai-fei-ki
,Geschichte des grossen Friedens' ausführlich geschilderten
grossen Bürgerkriege. Das Glanze entwickelt sich aus der
Erzählung von der Einkehr eines Bonzen in einer verrufenen
Strasse von Kan-zaki in dem Reiche Setsu, wovon die übrigen
in der Abhandlung vorkommenden Gegenstände: der eigen
artige Betrug dieses Bonzen, eine gerichtliche Untersuchung,
das häusliche Leben eines japanischen Kriegers und der Aus
gang der genannten Untersuchung, die Fortsetzungen bilden.
Das hier Mitgetheilte wurde dem von Herrn Professor
Dr. J. J. Hoffmann in Leiden freundlichst übersandten, im
Anfänge dieses Jahrhunderts 1 in Japan erschienenen Werke
# #>' R8 M $ M kumo-no taje-ma ama-jo-no tsuki ,Der
Zwischenraum der Wolken, der Mond der Regennacht', welches
noch weitere Fortsetzungen bringt, entnommen. Hinsichtlich
des Titels dieses stark buddhistisch gefärbten Buches werde
bemerkt, dass derselbe, wie dieses bei vielen anderen Werken
der Fall ist, zu dem Inhalte gar nicht in naher Beziehung steht.
,Mond der Regennacht' mag gesagt werden, weil später einmal
von dem Umherirren des Bonzen in einer Regennacht die Rede
1 Das Buch enthält eine von dessen Verfasser -ü ^ Ba-kin als zweite
Gezeichnete Vorrede aus dem zu dem vorhergegangenen Zeitkreise Bun-
kua gehörenden Jahre Tei-bö (1807).
454
Pfizmaier.
ist. ,Zwischenraum der Wolken' ist ein Wortspiel mit einem
Namen. j(p Taje, die Tochter des Kriegers Take-akira, er
hielt, als sie eine Nonne ward, den Klosternamen ® jEj^
Miö-un-ni ,die Nonne der wundervollen Wolken'. ,Zwischen
raum' soll durch die Zeichen ^ ^ Pilj taje-ma ausgedrückt
werden. Statt taje ,zertrennt' wird jedoch, um ein Wort
spiel mit dem Namen zu haben, taje ,wundervoll' gesetzt,
wobei zu erinnern, dass dem letzteren Worte, wie aus dem hier
beigefügten Katakana zu ersehen, ursprünglich und richtiger
Weise die Aussprache und Schreibung tafe zukommt.
1$ tut, Kan-zaki in Setsu, von dem gleichnamigen Kreise
Kan-zaki in Omi zu unterscheiden, liegt in dem Kreise ^pj" v||
Kawa-be und findet sich auf der. im Jahre 1871 in Japan er
schienenen grossen Karte in der Gestalt eines gelben Ovales,
wodurch eine Post, ein Markt, bisweilen auch ein Einkehrhaus
bezeichnet wird.
* m O-o-tsu und Kusa-tsu liegen in dem
Kreise Kuri-moto in Omi und werden auf der erwähnten Karte
ebenfalls durch ein gelbes Oval bezeichnet.
Se-ta findet sich westlich von Kusa-tsu, aber nur in
Katakanaschrift und ohne Bezeichnung. Das Gebirgsdorf Mu-sa
in dem Kreise E-tsi fehlt.
Das Kuan-on-Ivloster liegt in dem Kreise Kuri-moto; Mori-
jama, das durch ein Oval bezeichnet wird, in dem Kreise Ja-su.
* « Fako-ne, durch ein gelbes Oval bezeichnet, liegt
in dem Kreise Asi-kara-no simo in dem Reiche Sagami, an
der Gränze des Reiches I-dzu.
Das Gebirgsdorf Soko-kura liegt nördlich von Fako-ne,
ebenfalls in dem Kreise Asi-kara-no simo und hat an der Spitze
seines nur in Katakana ausgedrückten Namens einen kleinen
schwarzen Ring, wodurch eine heisse Quelle bezeichnet wird.
Die Ueberschriften der vier bearbeiteten Abschnitte lauten
im Japanischen:
Kanzaki-no kari-no jado. ,Das entlehnte Nachtlager von
Kan-zaki'.
Tabakari-no usi-ivo oja ,Der Betrug den Ochsen zum
Vater'. Diese Worte sind eine nicht ganz klare Ellipse.
Sigururu jado-no nure-ginu. ,Das benetzte Kleid der Ein
kehr bei Rieselregen'.
Die Einkehr in der Strasse von Kanzaki.
455
Adzuma-dzi-no juki-no jama. ,Der Schneeberg des Weges
der östlichen Gegend'. ,Schneeberg' ist hier der Name eines
Falken.
Faioaso-ga jeda-no mino-musi ,Die Regenmantelinsecten
der Aeschenäste 1 . Der Name des genannten Insectes wird sonst
durch die Zeichen 7j^ ^ ,Baummuschel‘ ausgedrückt. Es
ist eine kleine Raupe oder auch Larve. ^ Mino-musi
,Regenmantelinsect' ist gemeine Schreibart.
Die Einkehr in der Strasse von Kan-zaki.
Omi-no kuni (e-tsi)-köri kuan-on- (zi)-no
siro-wa | (sa-sa-ki) fl W (fan-guan) ^ ^
(udzi-jon) tosi fadzuka-ni ziü-issai nari-keru. Ken-mu san-nen
sore-no tsuki \ fazimete kore-wo (reo) - se - si-jori | 111
(mori-jama) (e-tsi)-gawa-no awai iß m (min-oku)
amata täte - tsudzuki | ^ (fan-zib) wosa-wosa mijako-ni
otorazu. Kono koro onazi-kbri-naru \ (mu-sa)-no jama-
zato-ni | ppj |JJ (ama-da) .Ä ¥ (mu-fei)-to iü kari-bito
ari-keri. Moto-jori ~X M (dai-joku) ffi jg£ (mu-zan) -no
sire-mono nari-si-ka-ba \ tsuju-bakan-mo omowazu \ tada akete-
mo kurete-mo ke-mono-gari-wo koto-to site \ mono-no inotsi-ivo toru
koto iku-so-balcu-so-to iü-wo sirazu. So-ga mukui-ni-ja | tosi-no
jowai isodzi-to iü faru \ asiki jamai-ni okasare | # m (ku-nb)
nanu-ka-bakari-ni site | foje-sini-ni-zo si-si-tari-keru.
In derFeste des Kuan-on-Klosters in dem Kreise E-tsi, Reich
Omi, war Udzi-jori, richtende Obrigkeit von dem Geschlechte
Sa-sa-ki, kaum eilf Jahre alt. Seit der Zeit, in welcher er
sie (die Feste) zuerst verwaltete, einem gewissen Monate des
dritten Jahres des Zeitraumes Ken-mu (1336 n. Chr.), erhoben
sich an der Gränzscheidung der Flüsse von Mori-jama und
E-tsi viele Häuser des Volkes und standen an Mannigfaltig
keit Mijalco nicht um vieles nach. Um die Zeit lebte in Mu-sa,
einem Gebirgsdorfe desselben Kreises, ein Jäger Namens
Ama-da Mu-fei. Da er im Grunde ein sehr gieriger, unbarm
herziger Wicht war, hatte er nicht die geringste Rücksicht,
beschäftigte sich am Morgen und am Abend nur mit der Jagd
auf wilde Thiere, und man wusste nicht zu sagen, wie vielen
456
Pfizra aier.
Wesen er das Leben genommen. Vielleicht zur Strafe dafür
wurde er in dem Frühlinge, in welchem er fünfzig Jahre alt
war, von einer bösen Krankheit befallen und starb nach sieben
tägigem schwerem Leiden an dem Brülltode.
Sore steht für nanigasi ,ein gewisser'.
Bu-fei-ga tsuma-wa saki- datsi-te (jo)-wo fajb si |
— ^ (issi) ^ ^ ka-ta-ro jbjaltu ziü-ni-sai-ni nareri.
Sore-wo mi-tsugu-beki sin-zoku-mo arade | ije-wa kiwamete madzusi-
kari-tsurn fodo-ni \ tsikakifito \ ka.-ta-rb-wo aware-mi | naki tsitsi-
fawa-no w (go-se)-wo-mo fj} (to) i \fata ono-ga mi-no
oki-clokoro-ni-mo se-jo tote \ mu-sa-no (tsib-kub-zi)-
ni ite \ kare-wo & m (fo-si)-ni se-ma-fosi-ki josi-wo tanomi
kikoje-si-ka-ba | it ^ (dziü-dzi) kokoro-joku uke-fiki-te \ kono
fi-jori tera-ni jasinaioasi \ tsugi-no tosika-ta-rb-ni JTlÄ ft (siilku-
fatsu)-sasi-te I & (fo-mib) jg ^ (sai-kei)-to tabi-te-keri.
Die Gattin Bu-fei’s war früher aus der Welt geschieden,
sein einziger Sohn Ka-ta-rö wurde kaum eilf Jahre alt. Es
gab keine Verwandten, welche ihn unterstützen konnten, und
das Haus gerieth in die äusserste Armutli. Ein Mensch in der
Nähe hatte mit Ka-ta-rö Mitleid. Indem er ihn um die in der
anderen Welt befindlichen Aeltern trauern und sich einen
Ruheplatz bereiten hiess, führte er ihn zu dem Kloster Tsiö-
kuö in Mu-sa und trug die Bitte vor, dass er ihn zu einem
Bonzen machen wolle. Der Vorsteher willigte mit Freuden ein
und liess ihn seit diesem Tage in dem Kloster ernähren. Im
nächsten Jahre liess er Ka-ta-rö das Haupthaar scheeren und
gab ihm den Klosternamen Sai-kei.
Kaku-te sai-kei-wa \ tsio-kub-zi-ni aru koto mu-tose-ni ojobi j
it (rlo-sin) masu-masu ken-go-ni. site | tsuru-no fajasi-no
sigeki-wo waki \ wasi-no taka-ne-no tnknki-wo awogi-te [
(siütsu-n) gt (sed-si)-no ^ j|f (jo-do)-wo -jj^ (siju)-
suru koto | ito (setsu)-nari-to ije-domo | tsuku-dzuku-to waga
vje-wo kajeri-mire-ba | tsitsi-wa ijasi-ki kari-bito-nite | sono sini-
£ (su - zio) - wo
sama sage jorosi-karcme-ba \ fito waga
ijasimete | (ki-kib)-suru ko tona-karan-ni-wa \
(kua-tsi) ^ ||jj (fo-kaku)-no ura-ni (za)-site amata-no
ßfi (to-tei)-wo $ (fu-dzio)-si issai-siü-zeo-ivo
(sai-doj-sen koto tajete kanb-be-karazu.
Die Einkehr in der Strasse von Kanzaki.
457
So wurden es sechs Jahre, dass Sai-kei sich in dem
Kloster Tsiö-kud befand. Sein dem Wege ergebener Sinn
wurde immer mein- befestigt, er zertheilte die Dichtigkeit des
Storchwaldes, blickte empor zu dem hohen Berggipfel des
Adlers. Er übte sehr eifrig den erforderlichen Weg der Tren
nung von Leben und Tod. Wenn er aber aufmerksam auf
sich selbst zurückblickte, so war sein Vater ein niedriger
Jäger, der keines guten Todes gestorben war. Die Menschen
verachteten sein Geschlecht, und da sie ihn nicht hochschätz
ten, sass er auf der blumigen Erde, innerhalb der kostbaren
Schwelle, und war durchaus nicht im Stande, die vielen Schüler
zu unterstützen, sämmtliche Geborene zu retten.
Sara-ha furu-sato-wo fanarete koso \ fl n (silcu-guan)-
wo-mo fatasame- j to omoi-tatsi \ Icanete omo mune-wo I ffi (si)-no
ffj (bö)-ni. tsugete \ mi-no itoma-uoo tarnawari | sitasi-kari-tsuru
sato-bito-ni-mo wakare-wo tsuge | (jen)-wo motomete tsu-no
kuni-naru I II Ult kan-zaki-no m n (rin-son) i a v m
(ku-ku-tsi)-no ja. =y (sin-gon-in)-to iü o-o-tera-rii itari-te
ff (siü-gib)-si | —* ^ (itsi-nen) ^ >|<. (ke-ku)-no
kokoro-zasi masu-masu okotaru koto-naku | koko-ni aru koto mcita
nana-tose-ni nari-nu.
Es kam ihm daher der Gedanke, dass er seine Heimat
verlassen und einen langgenährten Wunsch erfüllen werde. Er
meldete seinen Vorsatz früher in dem Hause des Meisters und
erhielt seinen Abschied. Er zeigte auch den Menschen deä
Dorfes, mit denen er befreundet gewesen, seine Abreise an.
Eine Verbindung suchend, gelangte er zu dem grossen Tempel,
dem Wohngebäude des wahren Wortes in Ku-ku-tsi, einem
Dorfe in der Nähe von Kan-zaki in dem Reiche Setsu. Er
übte den Wandel, versäumte nichts in den Vorsätzen des
seltenen Strebens des ganzen Denkens und verblieb hier wieder
sieben Jahre.
Sare-ba |j=jj ffj (dd-siku)-no 0|jj (fo-si)-bara \ jori-
jori koso-ioci \ H|| (ta.n-sed)-site \ kono fito jxiku su-e-wa \
Jjji] f/ll (ju-ga)- g| (zid-ziü)-no ff fg- (gib-zia)-tavu-
besi-to ijeru-mo ari. Mata sono (soje) - no take - tarn - wo
netasi-to omö-mo ari-keri. Sore fazime-ari wowari-aru mono-wa
| tada A (sei-zin) nomi \ waki-te jjj (siilkke) - wa
458
P f i z ra a i e r.
siükke- (go)-no siülcke-wo ken-go-ni se-jo-to ijeru \ köre
J\^ (ko-zin)-no ==f (kin-gen) nari. Sai-kei-wa fito
ma-no atari onore-wo ^ (sed-bi)-suru fodo-ni \ mi-dzukara
jurusi-te \ jaja man-sin okori | notsi-ni-wa fito-wo fito-to-mo
omowazu \ kari-some-no [ÜJ (mon-dd)-ni-mo [ (kio-
mon)-wo fiki-te i-i-korasi | ware-jori tosi-no masi-taru kata-ni-mo
] katsi-ioo akasum koto na-kari-si-ka-ba j fazime-ni-mo nizu IpL
(kio)-samete | mina nikusi-to omowazaru-wa nasi.
Indessen bewunderten ihn die in dem nämlichen Hause
einkehrenden Bonzen von Zeit zu Zeit und es kam vor, dass
sie sagten: Dieser Mann kann in Zukunft ein Pilger von voll
endeter Uebereinstimmung sein. Es geschah auch, dass man
die Grösse seiner Begabung beneidete. Es wurde gesagt: Die
Dinge, die einen Anfang haben, die ein Ende haben, blos
höchst weise Menschen unterscheiden sie. Wer aus dem Hause
tritt, bewahre nach dem Austritte aus dem Hause den Austritt
aus dem Hause fest. Dieses ist ein goldenes Wort der Menschen
des Alterthums. Sai-kei, als die Menschen ihn in seiner Gegen
wart lobten, liess sich freien Lauf, wurde hochmüthig und hielt
später die Menschen nicht für Menschen. Bei oberflächlichen
Erörterungen führte er den Text der Bücher an und strafte
mit Worten. Da er auch Diejenigen, welche mehr Jahre hatten
als er, den Mund nicht öffnen liess, verloren sie, unähnlich
dem, was sie anfänglich gewesen, die Freude, und unter
Allen war Keiner, der ihn nicht verabscheute.
Koro-si-mo naga-tsuki-no su-e-tsu kata sai-kei fo-si-wa \ aru-fi
ff. m lip* (fu-to-gaku) jjjpj (rib)-wo tatsi-idete | tsikaki jama-
no kosi-wo suzuro ariki-suru-ni I* V (lci-gi)-no fa joki fodo-ni
some-nasi-te \ ni-si-ki-wo ori-kake-taru gotosi. Kano o-muro-no tsi-
go-wo sosonokasi-te | wari-go-wo udzume-usinai-ken \ josi-nasi-goto
saje omoi-iderare \ nawo ivotsi-kotsi-wo w m (fai-kuai)-suru-ni
aki-no fi fajaku nisi-ni katafuki \ ivo-no fe-wo fedatete sa-ioo-
sika-no | tsuma-jobu ko-e-mo kikoju nari. Ko-wa omoi-no foka-ni
asobi-sugusi-tsu. Ima-ica makari-nan-to fitori-gotsi-te | usiro-wo
lci-to mi-kajeru-ni | tatsi-matsi kusa-no fa-no sara-sara-to ugoku-
wo | nani-zo tote tsura-dzura mire-ba | kusa-mura-gakure-ni sa-
wo-sika-no \ jaja sono tsuma-wo sitai leite | taivaren-to suru-ni-zo
ari-keru. Makoto-ni # m (zen-se)-no ßfj (gd-inj-ni-ja
Die Einkelir in der Strasse von Kanzaki.
459
ari-ken \ mata tsitsi-ga W £ (sessed)-no jjS (aku-fo)-
ni-ja jori-ken \ sai-kei-wa kono ari-savia-ico to mi ko mite \ tosi-
gor0-110 db-sin tatsi-tokoro-ni use-fate \ (jokkua)
(to-ri)-ni moje | (siün-sin) br m (gan-tei)-ni ugoki
omowazu o-o-iki-tsuki-te iü jb.
Um die Zeit, in der letzten Dekade des neunten Monats,
verliess der Bonze Sai-kei zufällig die Herberge und wandelte
ohne Absicht um den Gürtel des nahen Gebirges. Die Blätter
der Bäume waren in ihrer Schönheit, als ob man sie gefärbt
und Brocat an sie gewebt hätte. Er lockte die Kinder aus
jenem O-muro an sich, und indem er den Speisekorb ver
graben oder verloren haben mochte, dachte er lauter unnütze
Worte aus. Während er noch immer hier und dort umher
schritt, neigte sich die herbstliche Sonne bereits nach Westen
und man hörte die Stimme des Hirschbocks, der, von der Berg
hohe getrennt, die Gattin rief. Hiermit vergnügte er sich wider
Erwarten die ganze Zeit. Er sagte zu sich selbst: Jetzt werde ich
fortgehen. — Als er dabei aufmerksam nach rückwärts blickte,
bewegten sich plötzlich die Blätter der Pflanzen mit Gerassel.
Um zu wissen, was es sei, sah er genau hin, als in dem Verstecke
des Pflanzendickichts ein Hirschbock, von der Hirschkuh an
gezogen, herbeikam und ihr nahen wollte. Wird es eine Be
ziehung der früheren Welt gewesen sein, oder war es in der
Strafe für das Böse der durch seinen Vater verübten Tödtung
des Lebens begründet? Als Sai-kei diesen Umstand auf jede
Weise sah, ging das durch Jahre gehegte Herz des Weges auf
der Stelle gänzlich verloren, das Feuer der Begier brannte in
seinem Inneren, das Frühlingsherz regte sich auf dem Boden
der Augen. Unbewusst holte er einen tiefen Seufzer und sagte:
Ame-tsutsi firake-some-si-jori \ iki-dosi ikeru mono \ ivotoko-
iva wona-wo omoi \ wona-wa wotoko-wo sito. Kore in-jö si-zen-no
kotowari-ni site \ ivosijezare-domo ono-dzukara siru. Sikaru-iuo
waga
(siakkib)-ni . kore-ra-no koto-ico
7ÜC
(kin)-zite j
koto-no (zio)-ni motoreru-wa ika-ni-zo-ja. Ware ^js*
(fu-kö)-ni site minasigo-to nari-si-jori \ kokoro-ni-mo aranu jjj
(siukke)-site \ kono (bon-n'o)-ivo nasu-ni Icoso \ jo-no koto-
waza-ni 5f'tl (o-seö)-wa & 4« (siki-tsiü)
nari-to ijeru-zo ube-naru \ josi na-ja-na =£ LÜ (
■ M. (ffa-ki)
mei-zan) |||
460
Pfizraai e r.
(rei-tsi)-ni a n (dziü-dzi)-site | ( i-sioku-dzity-no
mi-tsu-ni tomu-to-mo j -p. (ko)-to iü mono-no na-kari-se-ba | tare-
ni-ka nokosi \ tare-ni-ka atajen.
,Seit Himmel und Erde sich zu eröffnen begonnen haben,
denkt unter den athmenden lebendigen Wesen der Mann an
das Weib, das Weib sehnt sich nach dem Manne. Dieses ist
die von selbst entstandene Ordnung des Yin und Yang. Wenn
man sie auch nicht lehrt, weiss man sie von selbst. Jedoch in
unserer Buddhalehre verbietet man diese Dinge: wer kann
dem inneren Wesen der Dinge sich widersetzen? Seit ich zu
meinem Unglück eine Waise ward, bewerkstelligte ich den in
meinem Herzen nicht vorhandenen Austritt aus dem Hause.
Indem ich diese sündhaften Gedanken hege, sagt das in der
Welt übliche Sprichwort wohl mit Recht: Der Bonze ist bei
der Lust der hungerige Dämon. Auf berühmten Bergen, auf
reingeistigem Boden ein Vorsteher, mag ich in Bezug auf drei
Dinge: Kleider, Speise und Wohnung reich sein, wenn ein
Sohn nicht vorhanden ist, wem werde ich es hinterlassen, wem
werde ich es geben?'
Mukasi ten-dziku-ni fitori-no sia-mon avi-keri. No-ni ide
kan-zuru tokoro ari-te | sonn (sei)-ioo morasi-tsu. Sono
(sei) kusa-no fa-ni kakareri. Toki-ni me-sika kitari-te kam
kusa-wo fami-nu. Kono sika tsui-ni mi-komori-te umeru mono-
iua | katatsi fito-ni site \ itadaki-ni fito-tsv tsuno oi-tari-to fi-i-te
(hib-mon)-ni ari. Jo-ni iü —■ (ikkaku) f|]|
(sen-nin) köre nari. Kakare-ba mitsi-no ito takaki-mo \ mata
jowai- no katabuki - tarn - mo | tada kono majoi-aru-ni koso \
^ (ta-mon)-no bi-ku-ga Jsf (kua-fu)-ni j|ff
(sen-t.siakuj-se-si furu-köto-wa | (toi)-te ^ (dai-seo)
JÜ fiffi (gon-ron)-ni mije | (sei-sui)- ^ (zi)-no fff
(so)-ga ^ (sin)-no -jfjj mib-fu-ni ^41 (ke-sb)-se-si
koto-no josi-ioa \ nosete yjfj (u-dzi) siü-i-ni ari.
vD ^ (Si-ga)-dera-no (tsib-kuan) \ o-o-wara-no-no
ama-ga gotoki | mina köre satori-no utsi-ni mcijoi-wo £ (seo)-zi
majori-kiioamari-te sara-ni satori-no mon-wo firakeri,. Sa-mo
ara-ba are | siranu notsi-no jo-wo tanoman tote | (kon-
zio)-wo ada-ni sugusan-wa \ ito oroka-naru voaza nari-to.
Die Einkelir in der Strasse von Kanzaki.
461
,Einst war in Indien ein Bonze. Derselbe ging in das
freie Feld hinaus und liess an einem Orte, den er bewunderte,
Samen fallen. Dieser Same legte sich an die Blätter der
Pflanzen. Um die Zeit kam eine Hirschkuh und verzehrte die
Pflanzen. Dieser Hirsch ward sofort trächtig. Das Wesen, das
er zur Welt brachte, war von Gestalt menschlich und auf seinem
Scheitel wuchs ein einzelnes Horn. Dieses wird in dem Texte
der Bücher angeführt. Es ist das, was man in dem Zeitalter
den einhörnigen unsterblichen Menschen nennt. Indessen findet
sich auf dem höchsten der Wege und in dem sich neigenden
Alter nur diese Verirrung. Das alte Vorkommniss, dass ein
Bonze des vielen Hörens durch eine Witwe verdorben wurde,
wird erklärt und ist in dem grossen Verborgenen und den
strengen Erörterungen zu sehen. Dass ein Bonze des Klosters
Sei-sui seine Gedanken an ein aufsteigendes Weib des Befehles
hängte, ist eingetragen und in dem Auflesen des Hinterlassenen
von U-dzi enthalten. Gleich der Tsiö-kuan des Klosters von
Si-ga, der Nonne von O-o-wara-no, brachten hier alle mitten
in dem Verständnisse Verwirrung zuwege. Wenn die Verwirrung
den Gipfel erreichte, öffneten sie wieder das Thor des Ver
ständnisses. Wenn es so ist, so sei es. Um auf eine spätere
Welt, die man nicht kennt, hoffen zu können, das gegenwärtige
Leben nutzlos verbringen wollen, ist ein sehr thörichtes Be
ginnen.'
Ono-ga ri-Jcon-ni madowasarete \ (ta-nen)-no
(i-geö)-wo bö-giaku)-si \ ^ jjk (san-se)-no 'jjj',
(sio-butsu)-wo (ß-fb)-site \ J^f (ma-go)-no ^
(kua-kö)-ni otsi-iru koto-ioo sirazu \ tomi-no joku-nen-ioo
fatasan-to \ omoi-tatsi-ke.ru koso asamasi-kere. Sai-kei-wa kaku
omoi-tsuisu | tokoro-mo sarade ari-keru-gn \ mata omoi-kajesu jo
| ko-wa asamasi \ ware-ni-wa ten-ma-no nori-utsuri-te \ kono mö-
nen-wo okosase-keru-ni-ja. Geni loasure-tari iff. (Mu-dziü)-
fo-si-ga [Jj ^ (san-kio)-no uta-ni-mo.
Durch den eigenen Scharfsinn irre geführt, vergass er
die Gedanken vieler Jahre, lästerte die Buddha’s der drei
Geschlechtsalter, und ohne zu wissen, dass er in die Feuer
grube der bösen Dämone fällt, kam es ihm blos in die Ge
danken, ein augenblickliches Gelüste zu befriedigen, es mochte
462
1* f i z m a i e r.
thöricht sein. Während Sai-kei also dachte, verliess er nicht
den Ort. Er überlegte nochmals und sagte: Dieses ist thöricht.
Ueber mich ist vielleicht der böse Dämon des Himmels ge
stiegen und hat diese Unrechten Gedanken erweckt. In Wahr
heit sind sie vergessen. Auch der Bonze Mu-dziü sagt in dem
Gedichte auf das Wohnen in dem Gebirge:
Kiku-ja ika-ni tsuma-jobu sika-no ko-e-dani-mo Iftl
;jig (kai jo zitsu-sa-u) Jf* ^ (fu-sa-u-i-fai)-to.
Hör’ ich es? Wie er | die Gattin ruft, | des Hirsches
Stimme nur. | In allem wirklich zur Seite stehen, | kein Ent
gegenstehen, kein Widersetzen hier ist.
Iiaku (jei)-ze-si-koso | t'ötoki do-sin nare. Ware ajamateri
wäre ajamateri. jöj jjjg (Kd-so)-dai-si jurusase-tamaje
obojete \ juke-domo-juke-domo tera-ni itarazu. Ko-wa kokoro-mo
jenu. Tsune-ni-iva nare-taru mitsi-no | nado-te kaku-wa juki-
ajamatsi-ken-to ibukasi mi- \ to mire-ba siba-kaki takaku fiki-
matoi-taru utsi-ni \ kaja-fuki-no ja-no mune mije \ tsikaku koto-
no tsuma-oto kikoje \ towoku fito-no warb ko-e-su.
So sang er, und es ist das geehrte Herz des Weges. Ich
habe gefehlt! ich habe gefehlt! Hoher Ahnherr, grosser Meist'er,
verzeihe! Ni-da-butsu! Ni-da-butsu!— Also betend, enteilte er
mit schnellen Schritten. Mit einem Gefühle, als ob er noch
immer auf den Wegen des Traumes einhertappte, ging er fort
während weiter, doch er gelangte nicht zu dem Kloster. Er
bemerkte dieses auch nicht und als er, nicht begreifend, wie
er auf einem gewohnten Wege sich so verirrt haben mochte,
vor sich hinblickte, zeigten sich innerhalb eines hohen ver
schlungenen Reisigzaunes die Balken eines mit Riedgras ge
deckten Hauses. In der Nähe hörte man die Saitenklänge der
Cither, in der Ferne erscholl Gelächter der Menschen.
Sai-kei-wa \ koko-ni fazimete
(tsio)-ga ije naru-wo satotte | kokoro-no utei masu-masü ajasimi-
nagara \ saki-no m % (joku-kua)-no mada kije-jarane-ba
koi-suru fito-no te-buri mi-ma-fosi-ku-te \ anata konata-to tatsi-
megure-ba \ kita-omote-naru moro-wori-do-no \ naka-ba firaki-taru
ari-keri. So-ko-jori faruka-ni mi-iruru-ni \ midzu-ni tomi-taru
tokoro tote | ike-wo forazu \ niwa-wa ^ Ajt (siba-fuj-nite \ -fjJ -
Die Einkehr in der Strasse von Kanzaki.
463
* (ki-seki) joki fodo-ni \ olci-narabe \ ciki-no kusa-bana-wa
minci sugare-ni-tare-do \ tokiwa-gi-no awai-ni fadzi-no momidzi
iro-koku somete | jü-baje-mo mat.a josi. Tsuki-jama-wa kiiocimete
taka-karane-do | ^ ^ ^ (si-ko-mafu)-ga ^ |Jj
(su-mi-sen)-wo utsusi | aki-no momo-wa sara-ni kurenai-ni-site \
[JEj ^ -f^r (sai-wb-bo)-ga (mi-tsi)-tose-wo urajamazu.
Sai-kei, welcher erkannte, dass hier anfänglich das Haus
des Aeltesten von Kan-zaki gewesen, war im Herzen immer
mehr verwundert, und da das frühere Feuer der Begier noch
nicht erloschen war, wünschte er das Benehmen liebender
Menschen zu sehen. Als er hier und dort im Kreise umher
ging, war die an der Nordseite befindliche Flügelthüre zur
Hälfte geöffnet. Von dort blickte er aus der Ferne herein.
Weil es ein wasserreicher Ort war, hatte man keinen Teich
gegraben. Der Vorhof war ein Rasenplatz und waren wunder
bare Steine in gutem Ausmasse in Reihen gelegt. Die Blüthen
der Herbstpflanzen sassen sämmtlich fest, doch in den Zwischen
räumen des Immergrüns färbten die rothen Blätter des Sumachs
tieffarbig, und der Abendglanz war auch schön. Der gemauerte
Berg war nicht überaus hoch, doch es war der Berg Su-mi
mit dem Rund des Pfeilkorbes nachgebildet. Die Herbst
pfirsiche waren nochmals roth und beneideten nicht die drei
tausend Jahre der Königsmutter des Westens.
lka-naru tsuki-fi-no sitn-ni umare-taru mona-ka | kono
S # (jokkai)-no fiil % (sen-kutsu)-ni-wa asobi-akasu-ran |
iä: (jo)-nifo-si bakari | adziki-naki mono-wa arazi- | to tsubujaki-
tsutsu | omowazu asi-no susumu mama-ni \ jamora wori-do-no utsi-
ni iru-ni | tatsi-matsi fito-no keivai-suru jo nare-ba | tsu-ide asi-
kari-keri- \ to omoi-te j fasiri-iden-to suru wori-si-mo | me-no
warawa futari | tsuki-jama-no kage-jori tsu-to kitari-te | sai-kei-
ga koromo-no sode-wo fiki-todome | ||| (fatsi-su-ba)-no
mom se-to faberi \ ko-joi-ioa sctsu koto-no are-ba | motomete-mo
ft m (fu-se)-su-beki wori naru-ni \ fakarazu-mo iPff (011-
sd)-no tatsi jorase-tamai-nuru-zo uvesi-ki \ magete izanai-ma-irase-
jo-to aru-ni | on-mukai-nima-ivi-tsu | izatamaje-toiü-mowari-nasi.
,Unter welchem Monde, welcher Sonne mag der Mensch
geboren sein, der innerhalb der Gränze der Begier in diesem
Felsenhause der Unsterblichen bis zum Morgen sich vergnügen
464
Pfizmaier.
wird? In der Welt soll der Bonze allein der Unglückliche nicht
sein/ — So flüsternd und während unvermuthet sein Fuss
vorwärts schritt, trat er leise durch die Flügelthüre herein.
Plötzlich war es, als ob Menschen sichtbar würden. Er dachte
sich, die Gelegenheit sei ungünstig gewesen, und wollte hinaus
eilen. In diesem Augenblicke kamen zwei kleine Mädchen
aus dem Verstecke des gemauerten Berges rasch herbei, zupften
Sai-kei an dem Aermel des Kleides und hielten ihn an. Sie
sagten: Fatsi-su-ba hat etwas zu sagen. Da sie heute Abend
einen Vorsatz hat, sucht sie, und es ist die Zeit, wo sie
Almosen geben soll. Ohne Verabredung kam der hohe Bonze
in die Nähe. Sie war erfreut und befahl, ihn jedenfalls herein
zuführen. Wir sind Euch entgegen gegangen. Wohlan, be
liebet! — Mit diesen Worten nöthigten sie ihn.
Sai-kei ldki-te o-oki-ni odoroki \ gu-sö-wa saru mono-ni
arazu | fito-tagaje naru-besi- \ to iraje-mo ajezu \ furi-fanatsi-te
nigen-to suru-wo \ me-no warawa-wa tome-taru (te) dani
jurubezu \ niko-niko-to utsi-jemi-te | sa-nomi na-imi-osore-tamai-
so. Kano fatsi-su-ba-no kimi-to mosu-wa \ kono sato-ni ± &
(zen-xei) tagui-naku | inisi-je-ni sono na kikoje-taru | P
(je-kutsi)-no kimi-ni-mo otori-faberazu. Saru-kara-ni jo-goto-ni
kajo (kiaku)-no kazu-wa | fama-no masago-jori o-oku \ ikka-
to sadamete ki-maseru sura j ö se-wa ito mare-mare-naru-ni j kanata-
jori koioaVe-tamb-wa | suku-se joku koso owasu nare | jo-no naka-
ico ito made koso kata-karame. Kari-no jadori-wa wosimu-ni
tarazu \ t.oku-toku.
Als Sai-kei dieses hörte, war er sehr erschrocken und
sagte: Ich bin nicht der so beschaffene Mensch. Man wird
mich verkennen. — Ohne ganz zu antworten, schob er sie weg
und wollte entfliehen. Die kleinen Mädchen Hessen die Pland,
mit welcher sie ihn hielten, nicht einmal los und sagten lächelnd:
Fürchtet euch nicht so sehr! Die Gebieterin Fatsi-su-ba lebt
in dieser Strasse in unvergleichlicher Pracht. Sie steht der
Gebieterin Je-kutsi, deren Name in der alten Zeit berühmt
war, nicht nach. Weil es so ist, so sind die Gäste, welche
jede Nacht verkehren, zahlreicher als der Sand des Meerufers.
Einige Tage vermuthlich sind die Zusammenkünfte selbst der
Angekonnnenen sehr selten. Indem ihr von ihr gebeten werdet,
Die Einkehr in der Strasse von Kanzaki.
465
mag 1 es iu der früheren Welt gut stehen. Es wird unmöglich
sein, endlich der Welt überdrüssig zu werden. Ein geliehenes
Nachtlager ist des Sparens nicht werth. Schnell! schnell!
To tawarete \ jagate utsi-ni kasidzuki-iruru-ni \ ko-datsi-wo
fedatete mukai-no kata-ni | ito kijora-naru za-siki ari. A-zi.ro ten-
zib-m ja-no ura-wo tsutsumi-te \ nagesi toko-no ma-no mijahi-
naru \ mina B * (kara-ki)-mote tsukureri. Tsi.b-
do mata (zoku)-narazu-site ■ (Mn) tjl ( h '■) # ( sin )
l)Jf| (kua) | tokoro-seki made kazari-tate-taru. Ki-rei ^ m
(so-kua,n) iü-beku-mo arazu. Säte m.e-no warawa-doihö-wa | sai-
Jcei-wo kami-kura-ni orasi | fitori-wa madzu tsia-ico ma-irasi j
fitori-wa | kono lcoto m'ösan tote \ oku-ni fasiri-juki-nu.
Mit diesen Worten scherzend, führten sie ihn sogleich dienst
fertig herein. Durch Baumreihen getrennt, befand sich auf der
gegenüberliegenden Seite eine sehr reinliche Halle. Durch die
Decke aus Flechtwerk war das Innere des Daches verhüllt, das
Deckenbrett und der zierliche Bettraum waren sämmtlich aus
chinesischem Holze verfertigt. Auch das Hausgeräthe war
nicht gemein, Cithern, Schachbretter, Bücher und Gemälde
waren bis zur Beengung des Platzes als Schmuck aufgestellt.
Die Schönheit und Pracht waren unaussprechlich. Die kleinen
Mädchen Hessen jetzt Sai-kei den obersten Sitz einnehmen.
Die eine brachte früher Thee. Die andere sagte, dass sie es
melden werde und lief in das Innere.
Sibasi ari-te | sa-to jiraku musi-busuma-to tomo-ni \ ^
jgj- (tome-ki) je-narazu haworcisi | ito fare-jaka-ni josoivoi-
te | tosi-iva fat.atsi uje-wo | jito-tsu-to i-i-te futa-tm-to-wa sugi-
zi-to mijuru ukare-me 1 sai-kei-ga fotori tsiko ide-kitari-te | nare-
nave-si-ge-ni tfifi jjlp (e-siaku)-si | warawa-ica fatsi-su-ba-to
jobare-faberi. Totoki fiziri-wo | kakaru musiro-ni mukaje-mn-
irasure-ba. | sa-zo-na mono-uku obosan-ga j fotoke-no A&
(dzi-fi)-wa ± (ei-to)-wo kirai-tamawazu-to-zo idce-tamawo.ru.
Negavjahu-wa jurvjaka-ni öwasi-te \ yjgj (ziokv.se) * Ü
(sb-o)-no (jo-rnon) \ bon-bu siütsu-ri-no jj" (dziki-
ro)-to jaran-wo-mo | simesi-tamai-ne tote | utsi-jemeru kawo-hase-
wa | nio-rai-no san-ziü-ni (so)-ni-vio | faruka-ni masaru
kokbtsi-si-t.su.
Sitzungsber. <1. phil.-liist. CI. LXXXIU. Bd. IV. Hft.
30
466
Pfizmaie r.
Nach einer Weile verbreitete mit dem geräuschvollen
Oeffnen einer Dunstdecke zugleich Aloeholz ausgezeichneten
Wohlgeruch, eine sehr glänzend aufgeputzte Buhlerin, welche
angeblich ein Jahr über zwanzig alt war und nicht zwei
darüber zu sein schien, kam nahe an Sai-kei heran und ent
schuldigte sich im vertraulichen Tone, indem sie sagte: Ich
werde Fatsi-su-ba genannt. Dass ich dem geehrten Heiligen
auf einem solchen Teppiche entgegen ging, darüber wird er in
der That gleichgültig denken. Doch ich habe gehört, dass das
Wohlwollen und Erbarmen Buddha’s die unreine Erde nicht
verabscheut. Meine Bitte ist, dass ihr ungezwungen seid und
das entsprechende Thor des Erfordernisses des trüben Zeit
alters, das, was der gerade Weg der Lossagung des gemeinen
Mannes ist, mir zeiget. — Dabei machte ihr lächelndes Angesicht
den Eindruck, als ob es die zweiunddreissig Gesichtszüge
Niorai-Buchlha’s bei weitem überträfe.
Tome-ld ist soviel als Kija-ra oder Ki-tan ,Aloeholz'.
Sa-zo-na steht für sa-zo-aran ,so wird es sein' und hat
die Bedeutung von ge-ni-mo ,in der That'.
Sai-Jcei-wa aja-niku-ni | mime nomi fita-to todorold-no fasi-
naku-mo irajezu. Siba-siba sogai-vi mi-jari-tsutsu \ gern iwarum
gotoku | IJp |5ip: (zai-seo)-fiikaki mi-wö siri-te | ^ JtP (go-se)-
110 itonami aran koto-iva \ ito ari-gaiaku Jcoso-to ije-ba | fatsi-su-
ba-ino ito uresi-to omö ke-siki-nite | toku-tolcu mono-ma-irasn-jo-to
iü. K0110 told fi-mo kwre-ni-kere-ba \ me-no warawa-ioa Ff T
(zib-zi) t.ate-komete | ig* (kiku-td-dai)-ni fi-100 tmiosi
jagate ted-si sakadzvki-wo mote ide-tari. Kalcu-te fatsi-su-ba-wa
mi-dzultara sakadzuki-wo agete nengoro-ni susumure-ba | sai-lcei-
mo inami-gataku \ suzuro-ni jeo-te zen-go-wo sirazu | sode kata-
siki-te fusi-tari-keru.
ISai-kei, bei welchem zum Unglücke die Brust allein keine
laut tönende Brücke hatte, antwortete nicht. Häufig den Rücken
kehrend und die Blicke entsendend, sagte er: Indem ich in der
That, wie man sagt, mich selbst, auf dem ein schweres Hinder
niss der Sünde liegt, kenne, ist es mir schätzbar, dass ich eine
Beschäftigung mit der späteren Welt haben werde. — Fatsi-su-ba,
in ihrer Miene grosso Freude bezeugend, sagte: Ich werde die
Sache sehr schnell Vorbringen! — Da es um die Zeit dunkel
geworden war, stellten die kleinen Mädchen ein Schubfenster
Die Einkehr in der Strasse von Kanzaki.
467
herein, entzündeten das Licht einer Goldblumenlampe und
nahmen sogleich Weinkanne und Becher heraus. Fatsi-su-ba
erhob jetzt eigenhändig den Becher und reichte ihn freundlich
dar. Sai-kei konnte sich unmöglich weigern. Er berauschte
sich unwillkürlich, breitete, Vergangenheit und Zukunft nicht
kennend, eine Seite des Aermelkleides und legte sich nieder.
Saru fodo-ni sono jo-mo jaja ake-ni-kere-do | sai-kei-ga
(siku-sm) imada samezu | fatsi-su-ba mi-dzukara sono
makura-be-ni tatsi-jori-te | fizivi oki-ide-tämawazu-ja | jo-iva faja
ake-faberi-nu-to iü ko-e-no | ne-mimi-ni-ja iri-lcen sai-kei ga-ba-to
oki-te mi-kajere-ba, \ ware-ni-mo arade \ asamasi-ja 3^ jj|| sui-
tnb [jpj (kd-kei)-no utsi-ni fusi-tari. Ko-ioa ika-ni-to \ akire-
fate | bo-zen-to site iü tokoro-ivo sirazu.
Der Tag war allmälig angebrochen, aber Sai-kei hatte
sich von dem alten Weine noch nicht ernüchtert. Fatsi-su-ba
trat zu seinem Kissen und rief: Steht der heilige Mann nicht
auf? Der Tag ist bereits angebrochen. — Als dieser Ton in
das Ohr des Schläfers gedrungen sein mochte, erhob sich Sai-kei
rasch und blickte um sich. Es war nicht bei ihm zu Hause,
er lag, welch’ eine Thorheit! hinter einem Vorhänge des Eis
vogels, in einem hochrothen Schlafgemache. Höchst verwundert,
wie dieses zugegangen, wusste er vor Staunen nicht, was er sagen
sollte.
Fatsr-su-ba kono ari-sama.-wo mite | fiziri-no a.jasi.-mi-tamb-
mo kotoioari nari. Amari-ni tsnmi-fiikaku oboje-fabere-ba \ ima-ica
koto-no moto-100 sirasi-mbsu-besi. Jü-be kokoro-zasu jrljj
(butsu-zi) ari-to mbse-si-wa itsuwan-nite | makoto-wa fito-wo saken
tame-ni jatoi-ma-irase-taru-nite faberi. Kaku nomi-nite-wa nawo
ajasi-to-mo obosan-ga \ kono Icoro waraioa-ga kata-je \ fita-to ki-
maseru tabi-bito ari. Kono fito-wa kama-kura jeC dr (bu-si)-
nite | katatsi ® T (mu-ge)-ni mi-nikulcu \ tosi sage ito oi-
tan | sore-wo itö-ni-wa arane-do j takara-aru mi-wo fokori-lca-ni |
fito-no imn-beki-to-no kagiri | iwaruru-mo kutsi-wosi-ku \ lceo-wa
sika-sika-no jarnai ari \ asu-wa jakv-soku-no ^ (Iciakn) ari,
tote | iku-jo sa lcajese-do kori-zu-ma-no \ jü-be-wa nogaruru mitsi-
nasa-ni \ fiziri-100 koko-ni tome-ma-irase \ firu-jori i-masuru kiaku
nari-to | i-i-kosirajete kano fito-wo \ jbjäku Icajese-si wo-da-maki-
no ito-mo kurusi-lci tabalcari nari. Fito-wo sukü-wa mi-fotoke-no
tsikai-ni morenu-to kiku mono-wo \ moto-jori fitori fusi-tamaje-
30*
468
Pfizmaier.
ba | jo-ni fabakari-no [||j (seki)-mo arazi \ tokn-toku liujeri-
tamai.-ne-to.
Fatsi-su-ba, diesen Zustand bemerkend, sagte: Der heilige
Mann verwundert sich mit liecht. Da ich mir einer zu grossen
Sünde bewusst bin, so werde icli euch jetzt die Ursache bekannt
geben. Dass ich gestern Abend sagte, ich beabsichtige eine
Sache Buddha’s, war eine Lüge, die Wahrheit ist, dass ich,
um einem Menschen auszuweichen, euch gemiethet habe. Dass
es nur dieses war, wird euch noch sonderbarer Vorkommen.
Um die Zeit kam zu mir geraden Weges ein Reisender. Dieser
Mensch, ein Kriegsmann aus Kama-kura, ist von der aller
hässlichsten Gestalt und selbst sehr alt von Jahren. Um dieses
brauchte man sich nicht zu kümmern, doch bei seinem Stolze
auf die Güter, welche er besitzt, ist man in Verlegenheit, es
auszusprechen, bis zu welchem Grade ihn die Menschen ver
abscheuen. Indem ich sagte, heute habe ich dieses oder jenes
Leiden, morgen habe ich einem Gaste das Versprechen ge
geben, schickte ich ihn einige Nächte zurück, doch er liess
sich nicht absehreeken. Gestern Abend hatte ich kein Mittel,
zu entkommen. Ich liess den heiligen Mann hier aufhalten
und gab vor, es sei ein seit Mittag anwesender Gast. Der
Knäuel, durch welchen ich diesen Menschen mit genauer Notli
zurückgeschickt habe, ist ein sehr mühevoller Betrug. Möchte
ich doch hören, dass dem Menschen helfen, dem Eide Buddha’s
nicht entfallen ist! Da ihr eigentlich allein gelegen seid, so
ist es in der Welt keine Abschliessung durch Unehre. Kehret
schnellstens nach Hause!
Fokori-lca ,stolz' ist von foltoru abgeleitet. Man sagt auch
foltorasi-M.
— 1L — h (Itsi-bu si-ziü)-ioo mono-hatare-ba \ sm-
kei Jcatsu' ndoroJd Jcatsu alcirete \ amata-tabi tan-solcv-si | waga
tera-no fatto Jj|| (gen-dzm) nare-ba | intoi fito-jo sa-nan-
to iü-to-mo | (zokka) ni (si-silm) - se-si fb-si-
wa | futa-tabi # H (zi-mon)-ni irerarezu \ saru-ivo Imruwa-
ni fusi-taru-wo-ja \ Jco-wa nani-to sen tote ko-huai-su.
So erzählte sie ausführlich. Sai-kei, bald erschrocken, bald
erstaunt, seufzte mehrmals und sprach: Die Gesetze meines
Klosters sind streng. Ein Bonze, der, sei es auch nur über eine
Die Einkehr in der Strasse von Kanzaki.
469
Nacht, in einem weltlichen Hause einkehrt, wird nicht wieder
bei dem Thore des Klosters her eingelassen. Wie ist es dann
erst, wenn er sich in einer verrufenen Strasse niedergelegt hat?
Wie wird dieses ausfallen? — Er empfand Reue.
Fatsi-su-ba-mo sono koto-ico kiki-te | ima-sara-ni itamasi-
ku \ jJEj ff (sai-gib) fosi-no je-kutsi-ni judori j (sed-
kü) ± A (sio-nin)-no |gf (muro-dzumi)-ni kqjoi-tamai-
si-ico-ba | jo-no fito-mo joku siri-te fanberi. Josi-ja Icuruwa-ni
fusi-tamo-to-mo \ kokuro kijoku-wa fit.o-mo togamezi | sa-nomi na-
urami-tamai-so-to \ sama-zama-ni i-i-nagasamure-ba | sai-kei kbbe-
ivo utsi-furi-te j ware-ni oi-te otsizu-to ije-domo \ tare-ka kore-wo
makoto-to su-beki | jami-nan-nan | ima-wa ika-ni küru-to-mo kai-
nasi. Faja makaru-besi | tote iden-to sure-ba \ fatsi-su-ba-mo
nägusame-hanete \ neri-ginu ippiki-to kagami itsi-men-wo tori-
idasi | ko-wa kazu narane-do kokoro-bakari-no fu-se-ni faberi.
Saru koto ari-to-wa omoi-mo kakezu \ fizim-iuo kurusime-ma-
irasuru koto | mina loaga mi-no tsumi-ni site | notsi-no jo itodo
obotsuka-nasi. Joki-ni mitsi-biki-tamaje \ tote kinu-to kagami-wo
okuri-keri.
Fatsi-su-ba, welche dieses hörte, war jetzt wieder betrübt.
Sie tröstete ihn auf allerlei Weise, indem sie sagte: Der Bonze
Sai-gib übernachtete bei Je-kutsi, der hoch würdige Seö-kü ver
kehrte mit Muro-dzumi, die Menschen der Welt wussten dieses
gut. Seid ihr auch in einer verrufenen Strasse gelegen, wenn
das Herz rein ist, zeihen euch die Menschen keiner Schuld.
Kränket euch nicht so sehr! — Sai-kei schüttelte das Haupt
und sagte: Wenn ich für meine Person auch nicht falle, wer
wird dieses für wahr halten? Es ist geschehen! Ich mag jetzt
wie immer bereuen, es nützt nichts. Ich werde schnell fort-
gehen. — Hiermit wollte er hinaustreten. Fatsi-su-ba, nicht
im Stande, ihn zu trösten, nahm ein Stück gebeizten Seiden
stoffes und einen Spiegel hervor. Sie sagte: Dieses ist zwar
nicht vieles, doch es ist ein Almosen, das vom Herzen kommt.
Eine solche Sache mag es geben, doch dass ich unbedachter
Weise den heiligen Mann in Pein versetzte, ist alles meine
Schuld, und die spätere Welt ist immer ungewisser. Seid der
Führer auf dem Wege zum Guten! — Hiermit übergab sie
ihm den Seidenstoff und den Spiegel.
470
Pfizmaier.
Sai-kei-wa futa-tabi mi-tabi incmi-te notsi \ kano futa-sina-
■wo uke-oscime | koto-no koko-ni ojobu koto \ mina saki-tsu jo-no
IjS ||| (aku-go)-to koso omoje \ ika-de on-mi-wo uramu-beki \
jeni-si ara-ba mata-mo b-besi-to i-i-kakete wakare-si-ga | kore-
jori kata-mi-ni svte-gatciki omoi ari-te | fatsi-su-ba-mo nani-to
naku | kano fö-si-no jnku-je ito-wosi-ku \ na-ivo-mo kiki \ tokoro-
mo towazari-si-wo \ nokori-oboje-omoi-keri.
Sai-kei weigerte sich zweimal, dreimal und nahm daim
diese zwei Gegenstände zu sich, indem er sagte: Dass die
Sache bis hierher sich erstreckt, dieses ist alles für die böse
Beschäftigung der früheren Welt zu halten. Wie kann ich
gegen euch Hass empfinden? Wenn eine Beziehung be
steht, werden wir uns noch treffen. — Hiermit trennte er
sich. Seit dieser Zeit bestand zwischen ihnen ein gegenseitiges
unabweisbares Denken, und auch Fatsi-su-ba bedauerte ohne
irgend welchen Grund die Entfernung dieses Bonzen. Indem
sie seinen Namen hörte, aber nach seinem Aufenthalte sich
nicht erkundigte, hatte sie ihn nachträglich in ihren Gedanken.
Kore mina ju-e-aru koto-ni site \ sai-kei fito-tabi P^
(butsu-mon)-ni iru-to ije-domo \ tsitsi-ga (sesseb)-no
ihi ^ (aku-fd)-ni jotte \ tsuma-kd sika-ni mb-nen okori \ sara-
ni kan-zaki-no sato-ni jei-fusi-te | ijo-jo bo-dai-no kokoro use-tari.
Sare-ba £ A (ko-zin)-mo \ siükke-wa siilkke (go)-no
siükke-wo | lcen-go-ni se-jo-to ijeru naru-besi. Kegare-wo arb-ni
midzu o-o-karazare-ba \ midzu nomi nigori-te sono Icegare otsizu.
Suku-se-no JLi (aku-go)-wo (mes) sen tame-ni siükke-
suru mono | (sio-zin) _p| (jü-mo) narazare-ba
tsui-ni jJjjj (bon-nö)-no alca-ioo otosu koto kanawazu \ sono
tsumi kajette (zoku-si)-ni masaru koto an | kanasi-
karazu-ja.
Dieses waren lauter Dinge, die eine Ursache hatten. Sai-
kei war zwar einmal in das Thor Buddha’s getreten, jedoch als
Vergeltung für das Böse des Vaters, der das Leben getödtet,
fasste er bei dem die Gattin begehrenden Hirsche unordentliche
Gedanken, sclilicf dann wieder berauscht in der Strasse von
Kan-zaki und ward immer mehr des Herzens des Heiles ver
lustig. Indessen mussten auch die Menschen des Alterthums
sagen: Der aus dem Hause Austretende (der Bonze) befestige
Die Einkehr in der Strasse von Kanzaki.
471
nach dem Austritte aus dem Hause den Austritt aus dem Hause.
Wenn beim Wegwaschen des Schmutzes Wasser nicht viel ist,
wird das Wasser nur trüb und der Schmutz geht nicht weg.
Wenn der zur Tilgung der bösen Beschäftigung der früheren
Welt den Austritt aus dem Hause Bewerkstelligende nicht
enthaltsam und muthig ist, gelingt es ihm zuletzt nicht, den
Schmutz der Sinnlichkeit hinweg zu bringen. Seine Sünden
sind im Giegentheil ärger als diejenigen des Laien: ist es nicht
traurig?
Der Betrug macht den Ochsen zu seinem Vater.
Sate-mo sai-kei-wa \ tera-no fatto-wo okasi-te | i-i-toku-ni
kotoba-naku \ josi-ja kara-u-zite kajeru koto ari-to-mo \ siükke-no
tsutome-mo mono-usi tote \ sin-gon-in-je-ioa tatsi-mo jorazu \ nawo
m El 0 (futsu-mi-ka)-wa taka-bata-no (zai-ke)-
ni kakure-ite \ juku m-e (ko)-si-kata-no koto-ivo omoi-tsu-
dzvkuru-ni-mo | tni-no ajamatsi-wa kujasi-karade \ tada sono fito-
no omo-kage nomi wasure-gcitaku n ~)j (sai-fö) p. ±
(dzib-do)-no ||| (ren-dai-wa) negb-ni ito-mo faruka nari.
Kore-wa nagare-no sato-ni oru fatsi-su-ba koso koi-si-kere-to \ aku-
nen sara-ni ijamase-domo | wäre nomi kaku-wa omoi-kogarure
kare muta ware-wo omd-ni arane-ba | to-bakari-ni site sore-mo
kai-nasi. Namazi-i-ni mi-ioo fadzi-te \ i-i-mo sirasezu itcidzura-
ni | wakare-taru # Ü (fo-i)-nasa-jo-to | faka-naku-mo omoi-
midare-si-ga \ ki-to kokoro-tsuki-te j ko-wa ware-nagara oroka
nari \ tare-wo matan tote \ takuwaje-mo naki-ni | itsu-made kaku-
tu avu-beki \ fito-tabi ko-kib-ni tatsi-kajeri-te \ to-mo ko-mo seme-
to si-an-si \ fatsi-su-ba-ga ataje-taru neri-ginu-wo uri-te ^ ^
(ro-jd)-t.o si | omi-wo sasi-te isogi-keru.
Sai-kei, der die Gesetze des Klosters übertrat, hatte kein
Wort, um sich zu erklären. Unter solchen Umständen mag die
Rückkehr schwerlich stattfinden, und in Erwägung, dass auch
der Dienst des Bonzen traurig ist, brach er nach dem Wohn
gebäude des wahren Wortes nicht auf. Er blieb noch zwei bis
drei Tage in den abseitigen Häusern der hohen Felder versteckt,
und indem er die bevorstehenden Dinge der Zukunft nach
einander bedachte, bereute er seinen Fehler nicht. Er konnte
nur das Bild jenes Weibes nicht vergessen, und die Lotus-
472
Pfizmaier.
Terrasse der reinen Erde der westlichen Gegend war seinem
Wunsche sehr fern. Hierbei nahm der böse Gedanke, dass er
die in der Strasse der Ausschweifung wachsenden Blätter der
Wasserlilie (fatsi-su-ba) geliebt habe, überhand, doch da er allein
so von Sehnsucht verzehrt sein mochte, sie aber nicht wieder
an ihn dachte, war er auch hier alsbald rathlos. Unschlüssig
und in Gedanken verwirrt, sagte er sich: 0 wie ist es gegen
meinen Wunsch, dass ich mich vorläufig geschämt und ohne es
durch Worte kundzugeben, unnützerweise mich getrennt habe!
— Plötzlich besann er sich und sagte: Dieses ist von meiner
Seite Thorheit. Wen werde ich erwarten? — Indem er keine
Ersparnis hatte, würde es immer so sein. Wäre er einmal in
die Heimath zurückgekehrt, würde es so oder auch anders sein.
Dieses überlegend, verkaufte er den gebeizten Seidenstoff,
welchen ihm Fatsi-su-ba gegeben, verschaffte sich dadurch
Reisegeld und eilte in der Richtung des Reiches Omi fort.
Josi-ja ist soviel als ]j^ josi-jci ,es sei gestattet* und
hat den Sinn von sa-mo ara-ba are ,wenn es so ist, so sei es'.
Sin-gon-in-ni-ioa \ kano ß sb.i-ke.i-ga kajevazaru-ivo ibukasi-
rni | tsufji-no fi fito-wo idasi-te \ sono juku-je-wo tadzune-toivasuru-
ni j ^4 (aku-zi) * M (sen-ri)-ivo fasiru-to iü | koto-
waza-ni mgrezu \ kudan-no fd-si-wa \ kan-zaki-no sato-ni jei-fusi \
jo-no kikoje-wo fabakari-te \ tsiku-ten-si-tari-to fu-bun-su. [gj 'ßfa
(Db-siku)-no fo-si-bara | fajaku-mo kono fü-bun-ivo kiki-te azakeri-
warai \ kano awo-dö-sin \ amari-ni a t! (ga-man)-no fana-
wo ugo-mekasi-te \ tsui-ni ma-go-ni otsi-keru-zo-ja \
asamasi-asamasi-to sasajaki-ai-si-ka-ba I dziü-dzi-mo susi-oki-
gataku-te | jagate bnri-no tsib-kub-zi-je seö-soko-site ] Icoto-no josi-
ivo tsuge-si-ka-ba \ kano (tsi)-no (do-zoku) tsutaje-
kiki-te | sitasi-ki-mo utoki-mo ' nabet.e niga-niga-siku-zo oboje-keru.
In dem Wohngebäude des wahren Wortes wunderte man
sich, dass Sai-kei an jenem Tage nicht nach Hause kam. Am
nächsten Tage schickte man Leute aus, damit sie Seinen Auf
enthaltsort erfragen. Mit dem Sprichworte: ,Eiue böse Sache
läuft tausend Weglängen* geht man nicht fehl. Es verbreitete
sich das Gerücht, dass dieser Bonze in der verrufenen Strasse
von Ivan-zaki betrunken gelegen und beschämt darüber, dass die
Welt es erfuhr, entlaufen sei. Die in demselben Einkehrhause
wohnenden Bonzen, denen dieses Gerücht bald zu Ohren kam,
Die Einkehr in der Strasse von Kanzaki.
473
lachten spöttisch und flüsterten unter einander: Dieser Mann
des grünen Herzens des Weges rümpfte zu sehr die stolze Nase.
Er ist zuletzt wohl in die Beschäftigung der bösen Dämonen
verfallen. 0 wie thöricht! — Auch der Vorsteher, der die Sache
nicht auf sich beruhen lassen konnte, schickte sogleich eine
Botschaft in das Kloster Tsiö-kuö in Omi und meldete die
Umstände. Die Priester und Laien jener Gegend erfuhren dieses
und Alle, sowohl die Nahestehenden als die Fernstehenden,
empfanden ein Unbehagen.
Kaku-te sai-hei-wa tsu-no kuni-wo tatsi-te \ ihka-mo aranu-
ni | bmi-dzi-ni iri-ni-keru. Mata omo jo \ wäre saki-ni furu-sato-
wo idzuru toki | mosi —* [_jj (issan)-ni dziu-dzi-site \ ni-si-ki-
110 he-sa-ioo liakuru-ni arazu-ioa | futa-tabi kajerazi-to jj§| ==f
(ku'o-gon)-sesi \ koto-mo äru-ni \ ima kono ari-sama-nite ome-
ome-to tatsi-kajeri \ usiro-jubi-sasaren-iva omo-buse nari. Sare-ba
tote ro-gin-mo sude-ni tsuhi-tare-ba | nawo towoku, fasiran-mu
omo-ni makasezu. To-sen kahu-sen-to \ sin-tai koko-ni kiioamari-
nure-do | sasu-ga-ni fadzi-te mu-sa-je-ioa tatsi-mo kajerazu.
Sai-kei, somit von dem Reiche Setstu aufbrechend, betrat
nach wenigen Tagen das Reich Omi. Er dachte ferner: Als ich
vordem meine Heimath verliess, prahlte ich und sagte: Wenn
ich nicht über einen Berg Vorsteher bin und eine Schärpe von
Brocat umhänge, kehre ich nicht mehr zurück. Wenn ich jetzt
in diesem Zustande niedergeschlagen zurückkehre, wird man
hinter meinem Rücken auf mich mit dem Finger zeigen, und
es wäre eine Schande. — Da auch sein Reisegeld zu Ende
gegangen war, dachte er nicht daran, noch weiter zu entfliehen.
Er mochte thun, was er wollte, bei Vorwärtsgehen und Zuriick-
gehen war es hier auf das Aeusserste gekommen. Doch er
schämte sich in der That und kehrte nicht nach Mu-sa zurück.
O-o-tsu kusa-tsu zai-ke-ni ^ (ko-ziki) - site | j'ojaku
uje-wo sinogi-tsutsu fi-ivo okuru-ni j aru fi j_|j (viori-jama)-
jori siwo-wo oioasi-te kajeru, ame-usi ari. (ja-su)-gawa-
too watasan tote \ usi-kai-wa \ kcisiko-no kisi-ni fikisute \ tada-
ima kogi-modos'u fune-wo matsu-ni \ kano usi siba-siba usi-kai-ga
asi-wo neburi-te jamazu. Kono told sai-kei-mo \ onazi migiwa-ni
tadazumi-si-ga | kono arisama-wo ibukasi-mi \ sono ju-e-ivo toje-
ba | usi-kai kotajete \ köre betsi-ni si-sai aru-ni arazu \ kono usi
msm
474
P f i z ni a i e r.
fisasi-ku ware-ni nare-taru-wo mote kaku-no gotosi. Ojoso 3^
E0 AR
(tsiku-rui) \ kokoro-odajaka-nare-ba \ sono tomo-wo neburu mono
nari. Kono usi ware-ico mote tomo-to suru-ni koso-to iü.
In den abgelegenen Häusern von O-o-tsu und Kusa-tsu
bettelnd und zuletzt Hunger leidend, verbrachte er die Tage. Eines
Tages kehrte ein mit Salz beladener gelber Ochs von dem Berge
Mori-jama zurück. Der Hüter des Ochsen zog ihn, weil er den
Fluss Ja-fu-gawa übersetzen wollte, an das Ufer, und während
er auf das eben jetzt zurückrudernde Schiff wartete, hörte dieser
Ochs nicht auf, die Fiisse des Hüters zu lecken. Um diese
Zeit schritt Sai-kei an demselben Ufer auf und ab. Er wunderte
sich über dieses Vorkommniss und fragte um die Ursache.
Der Hüter des Ochsen antwortete: Dieses hat keinen besonderen
Grund. Weil dieser Ochs lange Zeit an mich gewöhnt ist,
benimmt er sich so. Jedes Thier, wenn es im Herzen ruhig
ist, leckt seinen Gefährten. Dieser Ochs hält mich nur für
seinen Gefährten.
Sai-kei unadzuki-te | geni saru koto aran. So-mo-so-mo kono
usi-wa | idzutsi-je juki-te | idzutsi-je-ka kajeru-ni-ja-to to-ni \ usi-
kai kasanete | kore-wa e-tsi-gawa-no anata-naru | |j^ (100-
hata)-no m % toi-maru) \ % Akt (tomo-sada mono)-e ■
mon-nusi-no usi nari. Kano fito siwo-wo fisagi-tamb ju-e-ni \ käku
fi-goto-ni siwo-wo owasete \ kusa-tsu mori-jama-jori faru-baru-to \
fiku nam- | to iraje-mo ajenu-ni [ watasi-mori tsu-to fune-ivo sasi-
tsukure-ba \ naka-naru fito-wa kuga-ni nobori. | kuga-naru fito-wa
okure-zi-to nori-kawaru-ni | usi-kai-mo usi-wo fune-ni fikt-nosi |
sai-kei-mo kono kawa-ioo watasi-te | ono-ga sama-zama-ni nari-
mote juki-nu.
Sai-kei nickte mit dem Kopfe und sagte: Es wird wirklich
so sein. Doch wohin geht dieser Ochs und wohin kehrt er
zurück? — Der Hüter des Ochsen antwortete wieder: Dieses
ist der Ochs des Herrn Tomo-sada Mono-e-mon aus dem auf
der anderen Seite des Flusses E-tsi-gawa liegenden Toi-maru
in Wo-bata. Weil dieser Mann mit Salz handelt, lasse ich den
Ochsen auf diese Weise täglich Salz tragen und treibe ihn
weit von dem Berge Mori-jama in Kusa-tsu herab. —• Er hatte
noch nicht ausgoredet, als der Fährmann plötzlich das Schiff
anlegte. Die darin befindlichen Menschen stiegen an das Land,
die am Lande befindlichen Menschen stiegen ungesäumt an
Die Einkehr in der Strasse von Kauzaki.
475
ihrer Stelle ein und auch der Hüter des Ochsen zog den Ochsen
in das Schiff. Sai-kei setzte ebenfalls über diesen Fluss und
ging, auf verschiedene Weise sich geberdend, weiter.
Sikaru-ni kono ß sai-kei-wa mitsi-sugara omo jo \ saki-ni
ame-usi-ga usi-kai-no asi-wo neburi-si-wa | kare-ga kija-fan-ni
simi-tsuki-taru | siwo-no ke-wo namu.ru naru-ni | kam satorazu-
site | nare-taru ju-e nari-to ijeri. Ware kore-ni tsuki-te fakari-
goto ari. Ta-jasuku kano usi-wo jete ro-jb-to si \ kama-hura nado-
je omomuka-ba | kasiko-wa moto-jori juta-keld tokoro nari-to kike-
keri. Kanarazu nari-idzuru fi-mo aru-besi. Kaku furu-sato-tsikaku
samajoi-te \ sireru fito-ni omote-wo aivasi | jatsu -jatsu -siki- wo
siraren-wa | ito kutsi-wosi-to ßt.ori-gotsi | koko-ni fazimete
(zoku-sin) okori \ tsugi-no fi fisoka-ni j ono-ga kbbe-jori te-asi-ni
itaru made \ koto-goto-ku siwo-wo nuri-tsuke | jagate wo-bata-ni
omomuki-te \ mono-e-mon-ga ije-ni otonai \ gu-sb-wa tsu-no kuni-
jori kitareru mono nari. Aruzi-ni soto kikoje-tate-matsuru-beki
koto ari. Kono josi mosase-tamaje-to iü.
An diesem Tage machte sich Sai-kei unter Weges Gedanken
und sagte zu sich selbst: Indem vorhin der gelbe Ochs die Flisse
des Ochsenhüters leckte, kostete er das in die Strümpfe dieses
Mannes eingedrungene Salz. Doch der Mann merkte dieses
nicht und sagte, es sei, weil er an ihn gewöhnt ist. Ich habe
demgemäss einen Plan. Ich erlange auf leichte Weise diesen
Ochsen und verschaffe mir dadurch Reisegeld. Wenn ich nach
Kama-kura und dessen Umgebung gehe, so hört man, dass
dort ursprünglich wohlhabende Orte sind. Es wird gewiss ein Tag
sein, an dem ich hervortrete. So in der Nähe der Heimath umher
irren, mit den bekannten Menschen von Angesicht Zusammen
treffen, indess mein Elend offenkundig wird, wäre sehr zu be
dauern. — Er fasste hier zum ersten Male verderbliche Gedanken.
Am nächsten Tage bestrich er sich heimlich von dem Scheitel
bis zu den Händen und Füssen gänzlich mit Salz. Er ging
sogleich nach Wo-bata und rief vor dem Hause Mono-e-mon’s
mit lauter Stimme: Ich bin aus dem Reich Setsu gekommen
und habe dem Gebieter des Hauses im Geheimen etwas mitzu-
theilen. Lasset mich es melden!
Wori-si-mo mono-e-mon tada-fitori | fasi-tsiltaku ari-si-ka-
ba | mi-dzukara ide-mukajete | madzu sono fito-wo miru-ni | koromo
nado-mo mu-ge-ni aka-tsuki jaret.e | miru-no gotoku kaki-tare
476
Pfizmuier.
mono-fosi-ge-naru fö-si nare-ba \ kokoro-ni fukaku ajasi-mi | aruzi
mono-e-mon-wa sunawatsi warn nari. Nani-goto-no ari-te towaruru-
ni-ja-to toje-ba \ sai-kei thtsi-matsi fara-bara-to (rultu-
rui) - si.
Da sich Mono-e-mon eben allein nahe dem äussersten Ende
des Hauses befand, trat er selbst' hinaus und ging ihm ent
gegen. Als er zuerst diesen Menschen betrachtete, waren dessen
Kleider äusserst beschmutzt, zerrissen und hingen lückig gleich
Wasserfichten herab. Da es ein Bonze war, der etwas begehrte,
gerietli er in tiefes Staunen und sagte: Mono-e-mon, der Ge
bieter des Hauses, bin ich. Um was werde ich befragt? •— Sai-
kei vergoss auf der Stelle einen Strom von Thränen und sagte:
Koto-no moto-ioo mbsane-ba \ ibukasi-to obosu-mo kotoivari
nari. Moto gu-so-ioa | mu-sa-no jama-zato-naru kari-bito \ ama-
da bv.-fe.i-to iü mono-no —• (issi) nari. Tsitsi-wa tosi-goro
(sessio)-no mukui-ni-ja \ ima-wa ziü-san-si-nen-no mu-
kasi | ajasi-ki jamai-ni kakari-te mi-makari \ ivaga mi-wa itoke-
naki-jori jjj ^ (siiikke)-site | tsu-no kuni-naru nanigasi tera-
ni ari. Sikaru-ni inuru (jo)-no jume-ni \ tsitsi-no bu-fei tsu-
guru jb \ irnre jo-ni ari-si toki \ mono-no inotsi-ioo tori-taru mukui-
nite | tsiku-sio-do-ni otsi-taru-ga \ tsui-ni £ (sid)-wo kajete \ usi-
no ko-to umare | ima ü (gen)-ni go-siü ivo-bata-no toi-maru
tomo-sada mono-e-mon-ga ije-ni ari. Sare-ba tsuki-ni ajegi simo-
ni uso-buki \ asita-jori kururu made \ omo-hi-wo 6te juki-ki-suru |
sono kurusi-sa tagujen-ni mono nasi. Nandzi isogi kasiko-ni itari
ware-wo koi-jete
(ku-no)-ivo sulmje-to ijeri. Sono mi-si
tokoro maza-maza-si-kere-do | fito-ni-wa sore-mo katararenu
knkoro-no utsi-no kanasi-mi-wa \ iwazu-to-mo ^ (sas) si-tamaje.
Tsitsi-no % & (sen-do)-wo min tame-ni \ fisoka-ni tera-wo
ide-nagara \ ijjjl (sija-mi)-no mi-nite-wa ro-jö-ni atsu-
beki | takuwaje-mo arazare-ba | mitsi-sugara kotsu-ziki-si-tsu.
Kara-u-zite koko-ni kitareri. Negaioakn-wa Jfjjf (se-siju)
köre
*
m m (dai-tan-na) \ tsitsi-wo jurusi-te tabi-tamaje
Jpf ^ (baku-tai)-no ££ |)J^ (dzi-fi) naran-to.
Ihr fandet es sonderbar, als ich die Sache nicht meldete,
und es hat einen Grund. Ich bin eigentlich der Sohn eines
Jägers aus dem Gebirgsdorfe Mu-sa, eines Mannes Namens
Ama-da Bu-fei. Mein Vater wurde, vielleicht zur Vergeltung
Die Einkehr in der Strasse von Kanzaki.
477
für seine durch Jahre geübte Tödtung des Lebens, vor dreizehn
• bis vierzehn Jahren von einer sonderbaren Krankheit befallen
und starb. Ich bin seit meiner Jugend ein Bonze und befinde
mich in einem gewissen Kloster des Reiches Setstu. In einer der
verflossenen Nächte sagte mein Vater Bu-fei zu mir im Traume:
Zur Vergeltung dafür, dass ich zur Zeit meines Aufenthaltes
in der Welt den Wesen das Leben raubte, verfiel ich dem
Wege der Thiere. Ich wechselte alsbald das Leben und wurde
als ein Kalb geboren. Gegenwärtig befinde ich mich zu Toi-
maru in Wo-bata, Reich Omi, in dem Hause Tomo-sada Mono-
e-mon’s. Indessen bei Mondlicht keuchend, bei Reiffrost pfeifend,
wandle ich vom Morgen bis zum Abend, schwere Lasten tragend,
hin und zurück. Diese Mühsal lässt sich mit nichts vergleichen.
Gehe eilig dorthin, bitte mich aus und errette mich von meiner
Pein. — Dieser Traum war zwar ganz richtig, doch ich erzählte
es nicht den Menschen. Denket euch die Traurigkeit in meinem
Herzen, wenn ich es auch nicht sage. Um das Lebensende
meines Vaters zu sehen, verliess ich heimlich das Kloster. Da
ich als Novize die dem Reisegeld entsprechenden Ersparnisse
nicht hatte, bettelte ich auf dem Wege. Mit genauer Noth kam
ich hierher. Meine Bitte ist, dass der Vorgesetzte des Almosens,
der grosse Gebieter meinen Vater freigebe und ihn mir schenke.
Dieses würde das allergrösste Wohlwollen und Erbarmen sein.
Makoto-si-jaka-ni nobe-si-Jca-ba | mono-e-mon ki.ki-te o-oki-ni
odoroki \ kakaru (ki-dan)-iva | mono-no 2fV (fon)-
nit.fi koso mire. Ima ma-no atari kono fjkj (m-enj-wo kiku-
knra-ni | ika-de ippiki-no usi-wo toosimu-beki. Waga waka-kari-
si koro | m.u-sa-no fotori-ni ama-da-to ije.ru kari-bito ari-te | jo-
karanu n (si)-ico nase-si-to kiki-si-ga \ sate-wa on-mi-wa sono
fito-no ko nari-keru-ka. Waga ije-ni-wa usi mi-tsu-mo jo-tsu-mo
ari | idzure-ka on-mi-no isitsi naru-beki \ mi-dzukara kokoro-mi-
tamaje tote \ jagate usi-ko-ja-ni izana.je.-ba | sai-kei-wa si-o-ose-
tari-to kokoro-ni jemi | kano ame-usi-wo fito-me mirn-jori \ köre
nan jume-no tsuge-ni tagawazu. pj^j (Nb) natsulcasi-ki waga tsitsi |
asamasi-ki on-mi-no fate-ja tote \ isogawasi-ku fasiri-jori | o-o-
lco-e agete naki-i-tari.
So erzählte er auf eine Weise, als ob es Wahrheit wäre.
Mono-e-mon, der dieses hörte, war in hohem Grade überrascht
und sagte: Solche wunderbare Erzählungen findet man nur in
478
Pf izmaier.'
Büchern. Weil ich jetzt vor meinen Augen von diesen Be
ziehungen Kunde erhalten, wie könnte mir da um einen
Ochsen leid sein? In meiner Jugend hörte ich, dass in der
Gegend von Mu-sa ein Jäger Namens Ama-da lebe und dass
derselbe keinen guten Tod genommen habe. Also wäret ihr
der Sohn dieses Mannes? In meinem Hause sind drei oder
vier Ochsen. Untersuchet selbst, welcher von ihnen euer Vater
sein könne. — Hiermit führte er ihn sogleich in den Ochsen
stall. Sai-kei lachte innerlich, dass ihm dieser Auftrag wurde.
Sobald er jenes gelben Ochsen mit einem Blicke ansichtig
wurde, sagte er: Dieser ist von dem, der zu mir im Traume
gesprochen, nicht verschieden. 0 mein geliebter Vater, wie
elend ist euer Ende ! - Hiermit lief er eilig auf ihn zu, erhob
ein lautes Geschrei und weinte.
Usi-wa sono 'W: (sei) siwo-wo tasime-ba. \ tatsi-matsi »mo
no (ki)-wo kaide \ naga-jaka-naru sita-wo idasi \ sai-kei-ga
kbbe-jori j unazi mimi-no ne Icirai-naku \ name - mavxisi-name-
mawase-ba \ mono-e-m.on ^ (kan-rui)-iüo todom.e-ka.ne \ geni-
geni katatsi usi nare-do | £ (siö)-ioo kajete-mo sono Ico-rco omo J
on-ai-no jaru-kata-nasa-wa \ kaku-made.-niaru-ka.-to \ mäme-datsi-
fe | futa-tabi sai-Jcei-wo omo-ja-ni tomonai. \ tsnm.a-m.-mo fisolia-ni
koto-no moto-wo toki-sirasi | * m (fu-fu) te-dzukara ’|j5j
(siil-sioku)-ivo % m (an-bai)-site | atsuku mote-nasi j
säte zmi sit.si-kuan-mon tori-idete \ kore-wo sa.i-kei-ni torase | ko-
10a, kokoro-bakari-no ffy tjfoj (se-mono) nari. Kore-wo mote
sibasi-no / §gj (kai.-rib)-to-mo si \ joku ^ (keb-jb)-wo
tsukusi-tanmje tote \ ito nengoro-ni kihoje-tsutsu | kano usi-wo fiki-
idasi-te at.aje-si-ka-ba \ sai-kei ^ ^ (gassio)-sit.e aruzi fü-
fn-wo jjjffi ifji (rai-fai)-si | kndan-no zeni-wo kata-ni si-tsu \
usi-wo Ji-i-te ide-sari-nu. Ja-utsi-no /t (ro - niaku) - wa \
not.si-ni kono koto-wo kiki-te | mina odoroki-ajasimi-keri.
Der Ochs, da dieses Thier ein Freund des Salzes ist,
roch plötzlich das Salz. Er streckte eine lange Zunge heraus
und umleckte fortwährend, von dem Scheitel angefangen, den
Hais und die Ohrwurzeln Sai-kei’s, ohne Widerwillen zu zeigen.
Mono-e-mon konnte den Thränen der Rührung nicht Einhalt
thun und sagte zu sich voll Ueberzcugung: In der That! Von
Gestalt ist er zwar ein Ochs, doch auch in dem gewechselten
Die Einkelir in der Strasse von Kanzaki.
479
Leben liebt er seinen Sohn. Kann er seiner Güte und Zärt
lichkeit in einem solchen Grade sich nicht cntsclilagen ? —
Er begleitete Sai-kei wieder zu dem Vorderhause und ver
ständigte von der Sache auch insgeheim seine Gattin. Beide
stellten eigenhändig Wein und Speise hin und bewirtheten ihn
reichlich. Endlich nahm er sieben Schnüre Geldes hervor,
händigte sie Sai-kei ein und sagte: Dieses ist ein Almosen, das
vom Herzen kommt. Bestreitet damit die augenblicklichen Aus
gaben für die Kost und lasset ihm als guter Sohn die vortreff
lichste Pflege angedeihen. — Während seine Worte sehr freund
lich lauteten, zog er diesen Ochsen heraus und machte ihn
zum Geschenke. Sai-kei legte die Handflächen zusammen und
verbeugte sich vor dem Gebieter des Plauses und dessen Gattin.
Er hängte das Geld über die Schulter, zog den Ochsen fort und
entfernte sich. Die Alten und die Jungen in dem Hause,
welche dieses später hörten, waren alle verwundert.
Kakari-si-lta-ba sai-kei-wa \ ta-jasuku mono-e-mon-ivo katari-
o-ose | tsugi-no fi usi-wo-ba o-o-tsu-no itsi-ni fiki-julm-te \ san-rib-
no kane-ni kgje \ niicaka-ni Ä w ig tt (siaku - dzib)
nando | mi-gurusi-karazu totonojete \ tö-kai-db-wo an-gija-seri.
Sore, ^ jM, (tsi-e)-mo naku |]|j (ta-mon)-nahi-wa | J\^
Jfp (zin-sin)-ni ni-taru nsi. nari | -to gjjjj (tai-ron)-ni
ijeri. Mnta sjj- iSjL (zen-dö)-no iwaku | (se)-to (kai)-
to I (zen-dziö) ^ (kb-jo-tbj-no jjjg Jfr
(fuku-bun)-wo okonowazar-u mono | köre tsiku-rui.-ni fitosi.-to \
ijeri. Sikaru-wo sai-kei-wa | fu-gi-no talcara-wo musaburan lote
usi-wo sasi-te tsitsi-to jobu | Icare-ga lcokoro-zama. usi-ni-mo otori-
te | sono Jfli (aku-giaku) tatö-beki-ni mono nasi. Ojoso
kono sb-si-ivo p|J (kemi)-suru Jg Jp- (do-si)-ra. \ koko-ni itatte
masu-masu sai-kei-ga fu-gi fu-k6-wo nikumazaran-ja. ßikara-ba
ono-ono ijo-jo -{^r (fn-bo)-ni ko-jö-wo tsukusi \ jo-ni naki
notsi-wa ^ (tsui-zen) okotaru koto-naku | ^ ^ (ten-
db) ~ni £ (sib)-zi-tammvan kolo-tvo negb-besi. Fito-no kokoro-
wa tsune-no arvzi-nasi. (ZenJ-ni kokoro-zasu toki-wa sjfe
A (zen-nin)-to nari. (Aku)-ni kokoro-zasu toki-wa JH1 (ahu-
nin)-to naru. Tada loasurete-mo jürusu-maziki-wa. \ koknro-no
koma-no ta-dzuna nari \ jume-jume ju-dan-su-be-karazu.
480
P f i z in a i e r.
Auf diese Weise betrog iSai-kei mit leichter Mühe Mono-
e-mon. Am nächsten Tage führte er den Ochsen auf den
Markt von O-o-tsu und verkaufte ihn um drei Tael Goldes.
Plötzlich verschaffte er sich einen Bücherkoffer und einen
Zinnstab, welche nicht hässlich waren und wandelte auf dem
Wege des östlichen Meeres. In den grossen Erörterungen
heisst es: Ohne Verstand und ohne Erfahrung ist man ein
Ochs, der mit dem Leibe des Menschen Aehnliehkeit hat. —
Ferner sagt die Zurechtführung zum Guten: Wer bei Almosen
und Fasten den Glückstheil der Bestimmung der Altäre und
die Pflege als guter Sohn nicht übt, der ist mit dem Geschlechte
der Thiere gleich. — Aber Sai-kei, in seiner Begierde nach
ungerechten Gütern, deutete auf einen Ochsen und nannte ihn
Vater. Seine Gemiithsbeschaffenheit ist schlechter als diejenige
eines Ochsen, seine Lasterhaftigkeit lässt sich mit nichts ver
gleichen. Die Jünglinge, welche dieses Schreibebuch durch
sehen, wenn sie bis hierher gelangen, werden sie die Un
gerechtigkeit, das gegen die Aeltern lieblose Herz Sai-kei’s
nicht verabscheuen? Somit muss Jeder immer mehr den
Aeltern als guter Sohn alle Pflege angedeihen lassen und wenn
sie in dieser Welt nicht mehr sind, das Todtenopfer nicht ver
nachlässigend, wünschen, dass sie in der Himmelshalle geboren
werden. Das Menschenherz hat keinen beständigen Vorgesetzten.
Trachtet man nach dem Guten, so ist man ein guter Mensch.
Trachtet man nach dem Bösen, so ist man ein böser Mensch.
Nur ist dasjenige, was nicht zu vergessen und nicht loszu
lassen ist, der Zügel des Füllens des Herzens, man darf es
durchaus nicht versäumen.
Das benetzte Kleid der Einkelir bei Rieselregen.
Kolco-ni mata go-siü 'ßß |JJ (se-fa)-no hala-fotori-vi |
# ü (i-wara) ZL Ü|$ H (zi-rb-zi-rb) ^ (talce-
nkira)-to iü mono ari.-lceri. Moto wa kam.i-tsuke-no Icuni ^ ^
(Jn-waJ-ga Icubo-no (go) Samurai I ffi M O'-wara)
jaR (ta-rb) (go-take-jasu)-ga ototo narr. Kudan-
l)ie Einkehr iu der Strasse von Kanzaki.
481
no Jcib-dai | inuru ken-mu-no Jcoro | m ® (nitta) fe *
(sa-tsiü-sio) m & (josi - sada) - ason-no (te)-ni J||
(sioku)-si | su-do (sen-dzib)-wo fe-tari-si-ni [ josi-sada
kosi-dzi-no juki-to Jäje-tamai-si notsi-wa | Jcib-dai tsiri-dziri f ara
bar a-ni nari-te | kata-mi-ni sono £ M (sio - si) - ico sirazu
take-akira-mo \ (jo)-ioa faja kb-to omoi-si-lca-ba \ bmi-dzi-
ni asi-wo todomete \ se-ta-no kata-fotori-ni Jcasu-keki sumi-ka-wo
motome \ oja-Jco jo-tari \ to-mo kalcu-mo site tosi-tsuJci-ioo okuri-nu.
Hier in dem Reiche Omi, an der einen Seite von Se-ta,
lebte ferner ein Mann, Namens I-wara Zi-rö-zi-rö Take-akira.
Derselbe war der jüngere Bruder I-wara Ta-rö Go Take-jasu’s,
eines Kriegsmannes des Bezirkes Bi-wa-ga kubo in dem Reiche
Ködzuke. Diese Brüder gehörten in dem vergangenen Zeiträume
Ken-mu (1334 bis 1335 n. Chr.) zu einer Abtheilung Josi-sada
Ason’s, mittleren Anführers zur Linken von dem Geschleckte
Nitta und gelangten mehrmals auf Schlachtfelder. Nachdem
Josi-sada als Schnee der Versperrungen geschmolzen war,
wurden die Brüder weithin verstreut und wussten gegenseitig
nichts von ihrem Leben oder Tode. Auch Take-akira glaubte,
dass die Welt bex - eits so sei. Er hemmte seine Schritte auf
den Wegen des Reiches Omi und suchte an der einen Seite
von Se-ta einen verborgenen Wohnsitz. Daselbst verbrachten
Aeltern und Kinder, im Ganzen vier Menschen, schlecht und
recht Jahre und Monde.
Sikaru-ni tsuma-no '/X (moto-je)-v;a | Jcono mi-tose
kono Jcata | W S (dzi-bib) -no Jp? (siaku - ziü) - ni
mi-mo fosovi-te \ maJcura-no agaru fi-wa mare-nare-do \ musume
itj? (taje) ziü-go-sai \ ZL (zi-nan) (ta-zi-Jcitsi)
ziü-san-sai-ni nari-tsu. Kio-dai Jcolo-ni (Icö-sin) fuJca-
kare-ba \ lcasilci midzu-kuviu ivaza-wa sara-nari. Fawa-no ^
(kan-bib) nawo-zari narazu. Silca-wa ave \ midare-taru jo-no
Jcoto-ni si are-ba | ijo-jo nariwai-no ta-tsulci-nasa-ni \ taJce-alcira-
wa naka-naka-ni | mi-ioo sutete fi-jo-wo kasegi | o-o-tsu-no aki-
Uto-ra-ga tame-ni \ usi-ico fi-i-te sai-si-wo jasino-to ije-domo joso-
no usi nomi filci-arilci-te-wa | ^|{f (tsin-sen)-mo fito-nami-ni-
wa je-torazu. llca-ni-mo site usi ippiki-wo Jcawa-baja-to | tosi-goro
sono Icolcoro-gamaje-site I fi-goto-ni go-mon ziü-mon-no zeni-ivo
Sitzungsber. der pliil.-bist. CI. LXXXIII. Bd. IV. Hft.
31
482
P fi z mai er.
nokosi-takmvaje-keru fodo-ni \ jaja san-rio-no kane-wo je-tari.
Kalcu-te aru fi take-akira-wa \ o-o-tsu-no usi-itsi-nite ito takumasi-
ki ame-usi-ivo kai-je-tari-si-ka-ba \ fukaku jorokohi-te \ waga ije-
ni fiki mote-kajeri \ tsuma-ni-mo tosi-goro-no kokoro-tsukusi-wo
mono-katare-ba \ tsuma-mo ko-domo-mo moro-tomo-ni | joki moto-
de je-tamai-nu tote jorokobi-keru.
Indessen litt seine Gattin Moto-je seit drei Jahren an
einer hartnäckigen Krankheit, welche sich verschlimmerte. Ihr
Leib wurde dünner, und die Tage, an welchen sie ihr Haupt
erhob, waren sehr selten. Seine Tochter Taje wurde jedoch
fünfzehn Jahre, sein Sohn Ta-zi-kitzi dreizehn Jahre alt. Die
Geschwister besassen besonders grosse Aelternliebe, und es
versteht sich, dass sie kochten und Wasser schöpften. Die
Krankenpflege bei der Mutter wurde nicht ausser Acht gelassen.
Dessen ungeachtet, da es eine unruhige Zeit war, fehlte es
immer mehr an Mitteln zum Unterhalte. Take-akira warf sich
in der That weg und betrieb das Geschäft eines Taglöhners.
Er führte für die Kaufleute von O-o-tsu Ochsen und ernährte
dadurch Gattin und Kinder. Da er jedoch nur Ochsen aus
anderen Orten führte, erhielt er keinen Lohn wie die gewöhn
lichen Menschen. Da es durch Jahre sein Vorsatz war, sich
irgendwie einen Ochsen zu halten, legte er sich täglich fünf
bis zehn Mon erübrigten Geldes zurück und hatte zuletzt drei
Tael Goldes. Somit kaufte Take-akira eines Tages auf dem
Ochsenmarkte von O-o-tsu einen sehr stattlichen gelben Ochsen.
Hocherfreut führte er ihn nach Hause und erzählte seiner
Gattin, was durch Jahre sein sehnlichster Wunsch gewesen.
Die Gattin und die Kinder sagten zugleich, dass er einen
guten Besitz erworben habe und freuten sich.
Kakaru tokoro-ni j omoi-mo kakezu sb-siü ^ (soko-
kura)-jori | ani ta-ro go take jasu-ga 4|L j||j (sio-kan) 3j2)J ^
(tö-rai)-su. Wakarete-jori. fito-tabi-mo tajete oto-dzure-wo kikazari-
si-ni | ko-wa fakarazaru si-awase nari tote \ take-akira isogawasi-
ge-ni M & (fü) osi-kiri-te jomi-mo fatezu | madzu futari-
no ko-domo-wo tsikaku maneki | tsuma-ni-mo kano sio-kan-wo
simesi-te ijeri-keru-wa kono jo-ni oioasuru-to-mo tanomi-gata-kari-
tsuru | ani take-jasu dono-wa \ kono to-tose amari kono kata |
fako-ne-no anata | soko-kura-to iu jama-zato-ni owase-si nari.
Kore mi-tamaje.
Die Einkehr in der Strasse von Ivanzaki.
483
Als dieses geschah, kam unvermuthet ein Brief seines
älteren Bruders Ta-rö Go Take-jasu aus Soko-kura in Sagami.
Da er seit der Trennung nicht ein einziges Mal eine Nachricht
erhalten hatte, nannte Take-akira dieses ein unverhofftes glück
liches Ereigniss. Er erbrach eilig das Siegel und winkte,
ehe er noch zu Ende gelesen, seine zwei Kinder herbei. Auch
seiner Gattin zeigte er den Brief und sagte: Mein älterer
Bruder, Herr Take-jasu, hinsichtlich dessen ich unmöglich
hoffen konnte, dass er in dieser Welt lebe, befindet sich seit
zehn Jahren in einem jenseits von Fako-ne gelegenen Gebirgs-
dorfe, Namens Soko-kura. Sehet!
SoJco-Jcura-no ii K (dzvä-nin) | yfc ft ßi-ga)-™ -p
ff}$ (ziü-ro) fjijj} (mitsu-suke)-wa | nitta lii jfifi (kiü-kd)-no
bn-si naru-ga \ waga mi fakarazu-mo [ hano fito-ni \ ft ft
(fu-tsij-serare | tomu-ni-wa cirane-do \ m ^ (sai-si)-ico ja-
sino-ni tomosi-to-mo om.owazu | silcaru-ni mitsu-suke-nusi | kama
kur a-dono-no ose-ni jotte \ fisasi-ku tsu-no kuni-ni & # (zai-
banj-si \ tsika-goro ^ |gj| (ki-lcoku)-serare-si-ga \ mitsu-suke
kano tsi-jori-no kajesa | ika-ni site-ka | on-mi-ga se-ta-ni wabi-
sumai-suru koto-wo \ fonoka-ni ki-i-te \ sika-sika-no koto naru-
zo | nandzi imada sirazu-ja-to no-tama,icasuru-ni \ fazimete sono
(bin-gi)-wo jete ] jorokobi-ni tajezu \ ge-rb T if
(tsib-suke)-to iü mono-wo sasi-tsukawasi \ m ft (fi - satsu)-
wo motte simesu mono nari. Toku-tolcu kitari-te | mitsu-suke-dono-
je-mo on-rei mosi-tamaje. Sadamete (sai - kuai) - no fi
tsika-karu-besi. Jotte tsubusa-ni, sezu-to kaki-tamajeri. Kakare-ba
sibasi-mo IJjijj -j|^ (jü-jo)-si-gatasi. Asu-wa tsutomete kano tsi-
je tabi-datsi \ towo-karazu kajeri-ki-tsu-besi. Taje-mo ta-zi-kitsi-
mo | fawa-no kan-bib-wa iü-mo sara-nari. Usi-ni mono-kuivasuru
koto nado \ kanarazu okotarade | joku ru-su-se-jo-to \ koto-no
HÜ zlc (ten-matsu) kore-kare-to toki-sirasi \ niwaka-ni tabi-no
kokoro-gamaje-su.
,Ki-ga-no Ziü-ro Mitsu-suke, der Insass von Soko-kura,
ist ein mit dem Geschlechte Nitta von jeher befreundeter
Krieger. Ich wurde unverhofft durch diesen Mann unterstützt,
und obgleich kein Reichthum vorhanden ist, glaube ich doch,
dass zur Ernährung von Gattin und Kindern nichts mangelt.
Unterdessen ist der Gebieter Mitsu-suke auf Befehl des Herrn
31*
4$4
1? fiz mai ci*.
von Kama-kura, 1 nachdem er lange Zeit in dem Reiche Setsu
gewaltet, vor Kurzem in das Reich zurückgekehrt. Auf der
Rückkehr aus jenem Lande hörte Mitsu-suke auf irgend welche
Weise unbestimmt, dass ihr in Se-ta in ärmlichen Verhältnissen
wohnet, und er sagte: Weisst du noch nicht, dass dieses und
anderes der Fall ist? — Ich fand zum ersten Male die Ge
legenheit und, meine Freude nicht ertragend, entsandte ich
einen Diener, Namens Tsiö-suke, denselben, der diesen Brief
vorzeigt. Kommet sehr schnell und machet auch dem Herrn
Mitsu-suke eure Aufwartung. Vermuthlich wird der Tag der
nochmaligen Zusammenkunft nahe sein. Desswegen geschieht
es nicht ausführlich.' — Also schreibt er. Somit kann ich
nicht einen Augenblick unschlüssig sein. Ich werde morgen
früh nach jenem Lande abreisen und in nicht ferner Zeit
zurückgekehrt sein. Es versteht sich, dass Taje und Ta-zi-
kitsi die Mutter in ihrer Krankheit pflegen. Versäumet ja
nicht, den Ochsen zu füttern und bewachet gut das Haus. —
Nachdem er ihnen den Scheitel und die Spitze der Dinge hier
und dort erklärt und sie verständigt hatte, traf er plötzlich die
Vorbereitungen zur Reise.
Tsuma-mö ko-domo-mo (kami) narane-ba | köre-wo
sai-go-no wakare-to-wa \ omoi-mo kakezu \ waga tsitsi-no nari-ide-
tamb toki ki-nu-to 1 jorokobi-isamu-mo kotowari nari. Kaku-te
sono jo-wa •J* Ti #1 (fü -fu) | tabi - dzi - no
wakare-wo wosimi-te jj^* (i)-mo jarazu | jaja alce-nan-to suru
koro | zi-rb-zi-rb take-akira-wa j fukaku osame-oki-taru M 7]
(rib-tö)-ivo waki-bäsami | soko-kura-jori tsukai-se-si j ge-ro tsib-
suke-to tomo-ni \ sagami-dzi-wo sasi-te tatsi-idzure-ba \ tsuma-no
moto-je-wa jamai-wo osi-te \ futari-no ko-domo-ni tasuke-fikare \
kado-be-made moto okuri-ide | kanna-dzuki-mo keo asu nomi-ni-
ioa are-do | lto-zo-jori-wa samusa-mo fajb obojuru-ni \ mitsi-
sugara-no juki-mo fuka-karu-besi. Mosazu-to-mo jorodzu-no koto-
ni | kokoro-wo motsi-i-te kaze-fiki-tamo-na \ wakare-to ije-ba |
tsuka-no ma-mo \ omoi-jari-seravuru-to \ i-i-kakete namida-sasi-
kume-ba \ take-alcira-mo mi-kajeri-te | waga uje-wa to-vio kaku-
1 Josi-nori, der erstgeborene Solm Taka-udzi’s, befand sich um die Zeit in
Kama-kura und verwaltete die acht Landstriche des Gränzpasses. Er
heisst desshalb der Herr von Kama-kura.
Die Einkelir in der Strasse von Kanzaki.
485
mo | on-mi joiku Ä * (fo-jo)-site | kajeri-kuru fi-ivo matsi-
tamaje-to \ kotoba-sv.kuna.-ni kikojure-ba | taje-mo ta-zi-kitsi-mo
otonasi-ku \ to-to-sama fajaku kajerase-tamaje-to | namida ko-e-
site jobi-kakuru. Kokoro-boso-sa-wa kotowari-to | omoje-ba tsitsi-
mo mune-kurusi-ku | iraje-sutete ide-sari-keru.
Gattin und Kinder, da sie keine Götter waren, bedachten
nicht, dass dieses die Trennung der letzten Stunde sei. In
der Meinung, dass für ihren Vater die Zeit der Auszeichnung
gekommen sei, hatten sie Grund zur Freude und Zuversicht.
Somit verbrachten Vater und Kinder, Mann und Weib, die
Trennung bei dem Antritte der Reise bedauernd, die Nacht
schlaflos, und als der Tag zu grauen begann, nahm Zi-rö-zi-rö
Take-akira die zwei Schwerter, welche gut aufbewahrt gewesen,
unter den Arm und brach, von dem aus Soko-kura herge
schickten Diener Tsiö-suke begleitet, nach der Gegend von
Sagami auf. Die Gattin Moto-je bezwang ihre Krankheit und
begleitete ihn, von ihren beiden Kindern unterstützt -und ge
führt, bis zu dem Thore. Obgleich der zehnte Monat erst an
diesem Morgen war, empfand man die Kälte früher als im
vorigen Jahre, und es musste tiefer Schnee auf den Wegen
liegen. Ohne es auszusprechen, war man auf zehntausend
Dinge aufmerksam. Man sagte: Erkältet euch nicht! — Man
sagte: Es wird nicht im Geringsten aus den Gedanken ge
bracht. •—• Dabei sammelten sich die Thränen. Take-akira
blickte zurück und sagte mit wenigen Worten: Seid jedenfalls
für eure Gesundheit besorgt und erwartet den Tag, wo ich
zurückkomme. — Taje und Ta-zi-kitsi riefen ihm mit von
Thränen erstickter Stimme nach: Vater, kehret schnell zurück!
— Sie glaubten, ihre Aengstlichkeit habe einen Grund, und
auch der Vater trat mit betrübtem Herzen, keine Antwort
mehr gebend, hinaus.
Kore-wa sate-oki tomo-sada mono-e-mon-wa \ aru fi nari-
toai-no koto-ni tsuki-te | o-o-tsu-ni omomuki-taru kajesa | niioaka-
ni si-gure-no furi-kuru-ni-zo | se-ta-no naga-fasi fasiri-nukete |
i-wara take-akira-ga noki-ba-ni kasa ja-dori-su. Moto-je-wa
mono-e-m,on-ga sobo-nurete | sen-su-be-na-ge-naru-ivo niru-ni sino-
bizu. Fusi-nagara konata-je-to jobi-ire | idzu-tsi-no fito-ka-wa
sirane-do | mitsi-nite ame-ni ajeru bakari \ bin-naki mono-wa
nasi. Ito furi-tare-do mino-mo faberi | kurnsi-karazu-wa utsi-
486
Pfizmaier.
katsugi-te juki-tamaje \ ja-jo taje-jo \ se-do-no noki-ura-ni Icake-
taru mino-no \ tsiri kaki-farai-te ma-irase-jo-to \ ito mame-jaka-
ni kikojure-ba j mono-e-mon \ ina kono koro-no fi-jori kuse-nan j
sibaraku siri-kakete ora-ba \ jagate fare-juku-besi. Utsi-sutete
oki-tamaje-to iraje-tsutsu \ kata-wara-wo mi-kctjere-ba \ sasajaka-
naru ff m (tsiku-en) fiki-farai-te \ o-o-jaka-naru ame-usi-wo
tsunagi-oki-nu.
Hierbei habe es sein Bewenden. Tomo-sada Mono-e-mon
ging eines Tages in seinen Geschäften nach O-o-tsu. Auf dem
Rückwege fiel plötzlich ein Rieselregen. Ueber die lange Brücke
von Se-ta laufend, entzog er sich und suchte unter dem Vor
dache I-wara Taki-akira’s Schutz. Moto-je ertrug es nicht, zu
sehen, dass Mono-e-mon durchnässt und rathlos war. Im Bette
liegend, rief sie ihn herein und sagte sehr treuherzig: Ich weiss
nicht, woher ihr seid, doch da ihr auf dem Wege von dem
Regen überrascht werdet, machet ihr uns keine Ungelegenheit.
Hat es auch stark geregnet, wir haben einen Regenmantel.
Wenn es euch nicht lästig ist, so bedecket euch damit und
gehet fort. He, Taje! Staube den innerhalb des rückwärtigen
Thores aufgehängten Regenmantel ab und bringe ihn! Mono-
e-mon erwiederte: 0 nein! Es ist eine Unart des Wetters um
diese Zeit. Wenn ich eine Weile gesessen bin, wird es sich
sogleich aufheitern. Lasset es sein! — Als er dabei den Blick
auf die Seite warf, war daselbst ein kleiner Bambusgang aus
gekehrt und ein grosser gelber Ochs angebunden.
Tsura-tsura mire-ba sono ^ (ke)-iro-no \ inuru fi \ fo-
si-ga tsitsi nari tote | koi-mote-juki-si [ wctga usi-ni tsuju-bakari-
mo tagawcme-ba \ kokoro-no utsi fukaku ajasi-mi | jctwora tatsi-
jori-te | usi-no fitai-wo nadzuru-ni | usi-mo kaware-si nusi-ja sin
ken | fitai-wo fita-to suri-tsuke-tari. Ko-ioa magb-beo-mo cirazari-
keri. To-wa omoi-tsutsu ke-siki-ni-mo misezu | nami kokoro-naki
omo-motsi-site \ moto-je-ni mukai \ kono usi-wa fisasi-ku kai-tamb-
ni-ja | mata tsilca-goro je-tamajeru-ni-ja-to toje-ba \ moto-je
kotajete \ kore-voa tsilca-goro o-o-tsu-no usi-itsi-jori \ wotto-ga kai
mote-kitari-si-to iü.
Als er ihn aufmerksam betrachtete, war die Haarfarbe
von derjenigen seines Ochsen, den in verflossenen Tagen der
Bonze unter dem Vorgeben, dass es sein Vater sei, erbeten
und mitgenommen hatte, nicht im Geringsten verschieden.
Pio Einkehr in der Strasse von Kanzaki.
487
Innerlich sehr verwundert, trat er leise hinzu und streichelte
die Stirn des Ochsen. Der Ochs mochte den Herrn, der ihn
ernährt hatte, erkannt haben und rieb an ihm die Stirn. Dieses
konnte kein Irrthum sein. Indem er so dachte, verrieth er es
nicht durch seine Gesichtszüge. Er fragte Moto-je mit unbe
fangener Miene: Haltet ihr diesen Ochsen schon lange, oder
habt ihr ihn erst vor Kurzem erhalten? — Moto-je antwortete:
Diesen hat mein Mann vor Kurzem auf dem Ochsenmarkte
von O-o-tsu gekauft und hergebracht.
Koko-ni itatte mono-e-mon-iva ' masu-masu (gi-nen)-
wo £ (sid)~zi | kono ije-no madzusi-sa-nite | kakaru usi-
100 Icai-jen koto \ ta-jasuki ivaza-ni arazu. Kanarazu ju-e aru-
besi.-to si-an-site | kono fi-ioa nani-goto-mo iwazu \ fodo-nahu
sora-mo fare-ni-kere-ba | itoma-goi-site | fasiri-ide \ tada-ni
wo-bata-ni tatsi-kajeri-te \ sono tsuma-to simo-be-ra-wo jobi-
tsudoje | keo nan sika-sika-no koto ari-keru. Ware ika-ni omoi-
megurase-domo \ tsuja-tsuja kokoro-wo jezu. Kcmo usi ika-ni-
site-ka \ se-tci-no (fin-ka)-ni-wa aru-ran-to ije-ba \ mina-
mina utagai-majo-nomi-nite \ ze-fi-no fun-betsu-ni ojobu mono nasi.
Mono-e-mon schöpfte jetzt immer mehr Verdacht, und er
sagte zu sich in Gedanken: Bei der Armuth dieses Hauses einen
solchen Ochsen kaufen, ist keine leichte Sache. Es muss eine
Ursache haben. — Er sagte an diesem Tage kein Wort. Als
der Himmel sich bald aufheiterte, nahm er Abschied und lief
hinaus. Geraden Weges nach Wo-bata zurückkehrend, rief er
mit seiner Gattin die Diener zusammen und sagte: Heute sind
diese Dinge vorgekommen. Ich mag es wie immer überlegen,
ich verstehe es nicht recht. Wie lässt es sich erklären, dass
dieser Ochs sich in einem armen Hause von Se-ta befindet? —
Alle waren nur in Zweifel und Verwirrung; was an der Sache
war, konnte Niemand unterscheiden.
So-ga naka-ni \ fi-goro ka.no nsi-ioo fiki-tari-lceru [
(ge-su)-wotoko susumi-ide \ kore-nite omoi-awasuru koto ari. Inuru
koro ' jatsu-gare kndan-no usi-ivo fi-i-te \ ja-su-gawa-ni funa-
matsi-se-si toki \ fito-no joro fö-si-mo mata mi-giwa-ni ari. Sono
toki kano usi | jatsu-gare-ga asi-ivo neburu-wo mite \ fö-si sono
ju-e-wo toi-si-ka-ba \ jatsu-gare kot.ajete \ sono usi icare-ni nare-
taru-ico mote \ kaku-no gotosi-to mbsi-ki. Sikaru-ni sono notsi
narezaru usi-wo fiku-ni | asi-wo neburu koto nare-taru usi-ni
488
Pfizmaier.
kawarazu. Koko-ivo mote omo-ni \ kija-fan-ni si-zen-to siwomi-no
simi-taru-ioo ncimuru-ni Jcoso are. Kano fö-si fajaku Icore-wo
(sui)-si | ono-ga Icarada-ni siwo-wo nun ncido si | tsitsi-to
itsuwari-te katari-tori-taru mono naran-ka. Kano fi jatsu-gare-
wa tonari-mura-je tsukai-site \ ma-no atari sono fito-wo mizare-
domo | kare-mo kore-mo m a (betsu-zin)-ni-wa arazi-to iü-
ni | mina-mina fazimete satotte o-oki-ni odorold \ sita-wo furutte
sono ivaru-tsi-e-ni osore-qjeri-si-lca-ba \ mono-e-mon asi-zuri-site
gern nandzi-ga iü gotoku \ si-jatsu-iva Icatari-ni kiivamareri.
Usi-wa waga ije (i-sioku)-no moto naru-ni | ta-jasuku
katari-torare-si koso jasu-karane. Omo-ni waga kasa-ja-dori-se-si
se-ta-no fin-ka-iva | kano (aku-s(>)-ga kaknre-gci naran.
Kono josi kikoje-agete | omoi-sirasu-besi-to nonosiri-tsutsu \ isoga-
wasi-ku fakama fiki-kakete \ mura-osa-ga ije-ni itari-ie
(dan-kb)-si \ ake-no asa kuan-on-zi-no siro-ni ma-iri | fazime-
wowari-wo utaje-kere-ba \ ^ (reo-siju) m (udzi-
jori) niwaka-ni ge-dzi-süe | amata-no tori-te-wo sasi-mnkeraru.
Indessen trat ein bediensteter Mann, der durch lange Zeit
diesen Ochsen geführt hatte, hervor und sagte: Dieses lässt
sich erklären. Als ich jüngst diesen Ochsen führte und an dem
Flusse von Ja-su auf das Schiff wartete, war auch ein wankender
Bonze an dem Bande des Wassers. Der Bonze, welcher sah, dass
der Ochs um die Zeit meine Fiisse leckte, fragte um die Ursache.
Ich antwortete, dass der Ochs dieses thut, weil er an mich ge
wöhnt ist. Als ich jedoch später einen nicht an mich gewöhnten
Ochsen führte, leckte er meine Füsse nicht anders als der an
mich gewöhnte Ochs. Ich dachte mir desshalb, es wird sein,
dass er das Salz, welches in meine Strümpfe gedrungen ist,
kostet. Sollte es sein, dass der Bonze dieses schnell errieth,
seinen Leib mit Salz bestrich, den Ochsen für seinen Vater
ausgab und ihn herauslockte? Ich wurde an jenem Tage in
ein benachbartes Dorf geschickt und sah diesen Menschen nicht,
doch er ist wohl kein Anderer als der frühere. — Alle kannten
sich jetzt erst aus. Sie waren sehr erschrocken, bewegten die
Zunge und hatten vor dieser Verschlagenheit Furcht. Mono-e-
mon rieb die Füsse an einander und sagte scheltend: Es ist
wirklich, wie du sagst. Der Kerl hat im Betrüge das Höchste
geleistet. Während der Ochs ein Behelf für den Unterhalt
meines Hauses war, wurde er mir herausgelockt, und ich sollte
Die Einkelir in der Strasse von Kanzaki.
489
damit zufrieden sein? Nach meiner Meinung 1 wird das arme
Haus in Se-ta, wo ich mich untergestellt habe, der Schlupf
winkel dieses schlechten Bonzen sein. Ich werde dieses ruchtbar
werden lassen und meine Gedanken kundgeben. — Dabei legte
er eilig die Beinkleider an, begab sich in das Haus des Dorf
ältesten und sprach mit ihm. Am nächsten Morgen ging er zu
der Feste des Kuan-on-Tempels und zeigte die Sache in ihrem
ganzen Umfange an. Udzi-jori, der Vorgesetzte der Verwaltung,
erliess plötzlich einen Befehl, und die Häscher wurden hinbeordert.
Take-akirci-ga ije-ni-wa kaku-to-mo sirade | moto-je-wa
futari-no ko-domo-to tomo-ni | wotto-no koto nomi omoi-jari j
tabi-tatsi-tamai-te-jori to-wo ka-ni nari-nu. Ima-goro-wa soko-
kura-to jaran-je juki-tsuki-te \ ani-gimi-ni-mo tai-men-si-tama-
ivame | sikara-ba tosi-goro-no mono-gatari \ to-ja aran kaku-ja
ciran tote \ nagaki ru-su-i-no tsure-dzure-wo | nagusame ajeru
wori-si-mo are kcirasu kaiva-kaica-to naki-tsurete \ noki-ba-tsikaku
tobi-megure-ba j moto-je mimi-ivo soba-date \ ara-obotsuka-na \
karasu-naki-no ju-ju-si-sa-jo | kono goro-wa jume-mi-mo kokoro-
jo-karanu-ni \ mime saje itaku utsi-sawagu-zo-ja | mosi te-te-go-no
uje^ni jo-kciranu koto-no | ari-to iü saga-ni-wa arcinu-ka \ ito ko-
koro-moto-nasi-to ije-ba.
In dem Hause Taki-akira’s wusste man davon nichts.
Moto-je, in der Gesellschaft ihrer zwei Kinder sich befindend,
dachte nur an ihren Mann. Sie sagte: Seit dem Antritte der
Reise sind zehn Tage verflossen. Jetzt wird er wohl in Soko-
kura angekommen und mit seinem älteren Bruder zusammen
getroffen sein. Man wird somit auf die eine oder die andere
Weise erzählen, was Jahre hindurch geschehen. — Während sie
sich so bei dem langen Hüten des Hauses die Zeit vertrieben,
schrie dazu ein Rabe mit lautem Gekrächze und flog nahe an
dem Vordache im Kreise umher. Moto-je horchte auf und sagte:
0 die Widerlichkeit des sehr verdächtigen Rabengeschx’eis! Um
die Zeit sind auch die Träume nicht tröstlich, und die Brust ist
nur in grosser Wallung. Sollte es nicht ein Vorzeichen sein, dass
dem Vater etwas Uebles widerfahren? Ich bin sehr beunruhigt.
Taje-iva ta-zi-kitsi-to me-wo mi-aivasi | amari-ni omoi-kosi-
tamaje-ba \ sasajaka-naru koto-mo kokoro-ni kakari-tamb naran.
Josi-naki koto no-tamai-te jamai-wo masasi-tamawan-wa \ o-oki-
naru mi-no (son) nari. Ika-ni ta-zi-kitsi ] sa-iva aranu
490
Pfizraaier.
ka-to ije-ba \ ta-zi-kitsi utsi-unadzuki-te \ geni ani-go-no no-tamb
gotosi. Keo-wa koto-sara gan-sioku-mo | najamasi-ge-ni mije-
tamb. | Kusuri m (sen)-zite ma-irasen. Iza tote kib-dai moro-
tomo-ni tatte juliu kuri-ja-no to-ivo | waruru balcari-ni tsib-to
ke-ßraki \ se-ta-no mura-osa-to | tomo-sada mono-e-mon-wo mitsi-
siru-be-nite \ sa-sa-lci ^ (Jce)-no tsuwa-mono go-sitsi-nin \ mura-
mura-to fasiri-iri \ i-ioara zi-rb-zi-rb-wa idzure-ni am. Inuru
koro ijS ^ (aku-sd)-to simesi-aioasi | wo-bata-no toi-mavu j
mono-e-mon-ga usi-wo katari-tottaru koto | j||| |J|| (seo-Jco)
ft m (fun-mib) nare-ba | reo-siju udzi-jori ason-no o-ose-ni
jotte | mesi-tori-ni muko-tari \ toku-toku ide-jo-to jobaware-ba \
taje-ioci omowazu te-ni motsi-si \ tda-ioan-wo fata-to tori-otose-ha j
ototo-ga mune-mo ita-no ma-je \ saku-to kudakete tobi-tsittari.
Taje, mit Ta-zi-kitsi Blicke wechselnd, sagte: Wenn ihr
zu weit hinausdenket, werden auch winzige Dinge euch zu
Herzen gehen. Dass ihr unbegründete Dinge aussprechet und
eure Krankheit verschlimmert, ist für euch ein grosser Schaden.
Ta-zi-kitsi! Ist es nicht so? — Ta-zi-kitsi nickte zustimmend
und sagte: Es ist wirklich so, wie die ältere Schwester sagt.
Ihr sehet heute besonders angegriffen aus. Wir werden die
Arznei sieden und sie bringen. Wohlan! — In diesem Augen
blicke sprengte man die Thüre der Küche, in welche die
Geschwister mit einander gingen, durch Fusstritte, und mit
dem Dorfältesten von Se-ta lief, von Tomo-sada Mono-e-mon
geleitet, ein Haufe von fünf bis sieben Kriegern des Hauses
Sa-sa-ki herein. Man schrie: Wo ist I-wara Zi-rö-zi-rö? Er
hat sich unlängst mit einem schlechten Bonzen verständigt und
den Ochsen Toi-maru Mono-e-mon’s aus Wo-bata durch List
sich angeeignet. Da die Beweise dafür offenkundig sind, so
sind wir auf Befehl Adzi-jori Ason’s, des Vorgesetzten der
Verwaltung, hergekommen, ihn festzunehmen. Schnell komm
hervor! — Taje liess unbedacht die Theeschale, die sie in der
Hand hielt, fallen, und das Gefäss, an der Brust des jüngeren
Bruders und dem breternen Zwischenräume zerschellt, flog in
Trümmer.
Moto-je-ica o-oki-ni o-odoroki-te \ jamai-no toko-wo izari-ide
ko-wa omoi-mo kakenu koto-wo uke-tamawari-faberi. Wotto zi-
rb-zi-rb-wa ije-ni arane-do \ moto-jori fo-si-ni siru fito-mo fabe-
razu. Kasiko-no usi-wa inuru tsuki \ fi-wa obojene-do o-o-tsu-
Die Einkehr in der Strasse von Kanzaki.
491
jori | ivotto-ga kai mote-lcitari-si mono-wo | ßto-tagaje na-si-tamai-
so-to | iwase-mo ajezu kaja-kaja-to aza-warai | araki kaze-ni-iva
tbre-mo su-beki \ kusa-ja-no utsi-ni sumi-nagara \ kano usi-wo
kb-tari-to jjljl (tsin)-zuru-to-mo | sono iware sara-ni nasi. Me-ni
mono-misen-to nori-mo ajezu | fitori-no tsuwa-mono fasiri-kakari-
te | moto-je-ga sobira-wo tsio-to ute-ba \ a-a-to sakebi-te noke-
sama-ni | tbruru-ivo mi-muki-mo jarazu \ nokoru tsuwa-mono
moro-tomo-ni \ ja-no ura su-no ko-no sita-made-mo | kuma-aru
kagiri tadzunure-domo \ iku-ma-mo aranu kusa-ja-no | foka-ni
kakuro tokoro-mo arazu.
Moto-je war sein - erschrocken. Sie schob sicli aus dem
Krankenbette und sagte: Hier bekomme ich eine unerwartete
Sache zu hören. Mein Mann Zi-rö-zi-rö ist nicht in dem Hause,
doch er ist im Grunde kein Bekannter zu einem Bonzen. Den
Ochsen dort hat im vergangenen Monate — den Tag habe ich
mir nicht gemerkt — aus O-o-tsu, wo er ihn kaufte, mein
Mann gebracht. Verwechselt uns nicht mit Anderen! — Man
liess sie nicht ausreden und sagte unter Hohnlachen: Ihr, die
ihr in einem mit Stroh gedeckten Hause wohnet, das bei einem
starken Winde Umfallen wird, möget immerhin vorgeben, dass
ihr diesen Ochsen gekauft habt, diese Rede gilt nichts. Wir
werden es dir zeigen! — Mau war mit dem Schmähen noch nicht
zu Ende, als ein Bewaffneter hinlief und Moto-je einen Schlag
auf den Rücken versetzte. Sie fiel mit dem Rufe Ach! nach
rückwärts. Ohne weiter nach ihr zu sehen, durchsuchten die
übrigen Bewaffneten in Gemeinschaft das Innere des Hauses
selbst die Unterlage der Bambusflur, die äusserste Gränze, die
eine Erhöhung besass, doch ausser dem mit Stroh gedeckten
Hause, das nicht mehrere Räume hatte, fand sich kein Versteck.
Kakuro ist so viel als Kakuru ,sich verbergen*.
Sate-iva aruzi-mo aku-sd-mo | sude-ni satotte nige-use-tari.
Si-jatsu nari-to-mo \ ite juku-besi tote \ fusi-taru moto-je-wo fiki-
okose-ba | tsune-ni saje jamu fito-no \ fakarazaru HM§ (ku-nb)-
ni semari \ utare-taru toki iki-tajete | jomi-kajeru-beki ke-siki
narane-ba \ futari-no ko-domo-wa \ naki-gara-no \ makura-be ato-
be-ni tori-tsuki-te | ko-wa nani-to sen faica-go nb \ nb-no fawa-
go-to jobi-ikuru. Ko-e-mo namida-ni tatsi-kanete \ naku-jori sii-
be-iva na-kari-keri. Aware-ivo siranu masura-wo-no kore-wo
saje mono-to-mo sezu \ ko-wa omoi-no foka-ni moroki jatsu kana.
492
Pfizmaier.
Mo.?i sora-sini-si-taran-mo fakari-gatasi. Mura-osa-wa joku si-
gai-ico mamore \ mono-e-tnon-wa sono usi-ioo fi-i-te \ moro-tomo-ni
kitare-to ge-dzi-si \ naM-sidzumi-taru taje sa-zi-kitsi-vjo j fisi-bisi-
io imasimete \ fiki-tate-tate kajeri-keru-to-zo.
Man sagte: Also haben es der Besitzer und der schlechte
Bonze bereits gemerkt und sind entlaufen. Sei es auch dieses
Weib, man muss es mitnehmen. ■— Hiermit zogen sie Moto-je,
die auf dem Boden lag, empor. Doch diese, beständig nur
krank und von dem unverhofften Leid bedrängt, hatte, als sie
geschlagen wurde, die Seele ausgehaucht. Sie hatte nicht das
Aussehen, als ob sie wieder zum Leben kommen könnte. Die
beiden Kinder hielten sich an dem Haupte und an den Füssen
des todten Körpers fest und wollten sie mit den Worten:
Was wird dieses sein? Mutter! Mutter! ins Leben rufen. Unter
Geschrei und Thränen nicht im Stande, sich zu erheben, konnten
sie nichts Anderes thun als weinen. Die Krieger, welche das
Mitleid nicht kannten, machten sich daraus gar nichts und
sagten: Dieses ist ein wider Erwarten gebrechliches Weib! Ob
sie sich vielleicht todt gestellt haben wird, lässt sich unmöglich
ermessen. Der Dorfälteste möge den Leichnam gut bewachen,
Mono-e-mon führe den Ochsen weg und komme zugleich mit. —
Nach dieser Weisung banden sie Taje und Ta-zi-kitsi, welche
in Thränen schwammen, fest und kehrten, sie immer ziehend
und aufrechtstellend, zurück.
Der Sclmeeberg des Weges der östlichen Gegend.
I-wara zi-rb-zi-rb take-aliira-ioa \ take-jasu-ga simo-be | tsib-
suke-ni mitsi-siru-be-serare j jo-wofi-ni tsui-de \ sb-siü soko-kura-ni
^)J (tb-tsiaku)-si \ ani ta-ro go take-jasu-ni tai-men-su. Sono
toki take-jasu-ga iü jb ] ware-wa taka-kai-no koto-ni koso | tsito-
bakari lcokoro-wo je-tare \ üe (bu)-mo naku (bun)-mo naku-
te j jorodzu on-mi-ni ojobazu-to ije-domo \ 7|^ ^f=l (ki-ga)-dono-
no kage-wo kbfuri \ kaku fito-nami-ni jo-wo ivatare-do | on-mi-
wa ito satsi-naku-te \ se-ta-no kata-fotori-ni sumu-to kike-ba j
tosi-goro- | nö 3|| (kan-nan) | sa-koso-to omoi-jararuru nare.
Die Einkehr in der Strasse von Kanzaki.
493
On-mi-wa imada siri-tamawa-zi waga tsuma-wa i-tsu tose i-zen-ni
mi-makari-si-ga | ware-mo ima-wa ko-jurugi-no \ iso-dzi-ni amare-do
(ko)-wa motazu. Jcimo-wo-nite aran koso | kokoro-jasu-ka-
rame | -to omoi-tsuru-ni | inuru tsuki \ rj: jjEj“ (svju-kun) & m
(zai-dzin)-no kajesa | tsu-no kuni-jorifiiori-no wonna-wo 'pL (gv)-
si-tamai-te | take-jasu-ga notsi-tsuma-ni tote tabi-nu. Ja-jo fatsi-
su-ba | waga ototo-no omi-jori kitareru-ni | idete ai-tamai-ne \ -to
jobi-tatsure-ba | a-to iraje-tsutsu | tsugi-no ma-no musi-busimia-ivo
osi-firaki-te | fatsi-su-ba-wa fanajaka-ni kewai-si \ wotto-no ato-
be-ni i-narabi-tsu.
I-wara Zi-rö-zi-rö Take-akira, von Tsiö-suke, dem Diener
Take-jasu’s, des Weges geleitet,, gelangte, Tag und Nackt
reisend, nach Soko-kura in Sagami und traf mit seinem älteren
Bruder Ta-rö Go Take-jasu zusammen. Bei dieser Gelegenheit
sagte Take-jasu: Ich mag mich auf die Falknerei ein wenig
verlegt haben. Bar der Kunst des Krieges, bar des Schmuckes
der Schrift, komme ich euch bei weitem nicht gleich, doch
der Gunst des Herrn Ki-ga theilhaftig, bringe ich mich gleich
anderen Menschen durck’s Leben. Als ich indessen hörte, dass
ihr an der einen Seite von Se-ta sehr unglücklich wohnet,
mochte das durch Jahre erlittene Ungemach dadurch in’s Ge-
dächtniss gebracht werden. Was ihr noch nicht wissen werdet:
meine Gattin ist vor fünf Jahren gestorben und ich, jetzt über
etwas schwankende fünfzig Jahre alt, besitze keinen Sohn.
Während ich glaubte, dass ich ein Witwer sein und ruhig leben
werde, brachte im verwichenen Monate der Gebieter bei der
Rückkehr von dem Lager aus dem Reiche Setsu ein Weib mit
und schenkte es mir als zweite Gattin. Höret Fatsi-su-ba! Mein
, # \
jüngerer Bruder ist aus Omi angekommen. Tretet zu uns
heraus! — Auf diesen Ruf antwortete man mit Ja, und Fatsi-
su-ba, nachdem sie die Dunstdecke des anstossenden Gemaches
geöffnet, nahm, sehr prachtvoll geputzt, zu den Füssen ihres
Mannes Platz.
Take-akira-ni mukai-te iü jb | waga mi fu-si-gi-no
(je)-ni-si-nite \ taro go dono-ni tsure-soi-faberu-ni koso | tajete
fisasi-ki fara-kara-no meguri-ai-tam'o-to kike-ba | ito jorokobasi-
ku faberi-to iü. Kono-fatsi-su-ba-ga kan-zaki-ni ari-si toki \ sai.
kei-wo todomete (kiaku) ari-to itsuwari-kosiraje \ wari-naku
404
Pfizmaier.
kajese-si fito-wa \ M A (betsu-zin)-ni arazu. Take-jasu-ga
siju-kun | ki-ga-no ziü-ro mitsu-suke nciri. Mitsu-suke tsu-no kuni
# B (zai-dzin)-no tsure-dzure | fu-to fatsi-su-ba-ga moto-ni
kajoi-keru-wo | kare sono oi-taru-wo kirai-te | tsui-ni awazu.
Mitsu-suke-iua jowai-mo kata-fuki-te \ fukciku iro-wo konomu-
ni arane-do \ Icare-ga wori-nifurete \ fokori-ka-naru-wo ikidowori [
amata-no Icane-wo mote [ fatsi-sn-ba-wo uke-idasi | furii-sato-ni
ite kajeru-to ije-domo | ki-ga-ga tsuma mono-netnmi-tsujoku I ke-
siki-bami-te mijuru-ni j (jo)-no kikoje-mo nsiro-me-taku-te j
ima-sara-ni mote-amasi \ i-icara ta-ro go-ni tabi-te \ lcare-ga notsi-
zoi-to-wa se-si nari.
Sie sprach zu Take-akira: Durch eine wunderbare Schickung-
dem Herrn Ta-ro Go als Gefährtin zugesellt, freut es mich
sehr, zu hören, dass die lange Zeit getrennten Brüder im
Herumwandeln Zusammentreffen. — Diese Fatsi-su-ba war keine
andere, als diejenige, welche, in Kan-zaki sich befindend, den
Bonzen Sai-kei aufhielt und unter dem Vorgeben, dass sie
einen Gast habe, den Besucher unbedingt zurückwies. Der
Gebieter Take-jasu’s ist Ki-ga-no Ziu-rö Mitsu-suke. Mitsu-
suke kam bei der langen Weile des Lagerlehens in dem Reiche
Setsu zufällig mit Fatsi-su-ba in Berührung. Diese, gegen sein
Alter einen Widerwillen empfindend, hatte mit ihm durchaus
keine Zusammenkunft. Mitsu-suke, im Alter ziemlich vor
gerückt, hegte keine starke Leidenschaft, doch über ihren un
zeitigen Stolz aufgebracht, löste er Fatsi-su-ba mit vielem
Gelde aus und kehrte mit ihr in seine Heimat zurück. Da
indessen die Gattin Ki-ga’s gewaltig eiferte und zu spotten
schien, war er auch wegen seines Rufes besorgt und ward
ihrer jetzt wieder überdrüssig. Er schenkte sie I-wara Ta-rö
Go und machte sie zu dessen zweiter Gattin.
Ke-siki-bamu hat die Bedeutung von zare-taru, sich lustig
machen, spotten.
Sare-ba fatsi-su-ba-wa | (si-ziü) ^ jfy (i-dzi)-
wo tate-towosi-te \ mitsu-svke-ni tsure-naku ari-si-ga | nawo sono
fito-ni-mo otori-taru | take-jcisu-ni me-awasarete | kokoro masu-
masu tanosimane-do \ no-naka-no ije-no fito-sigure \ sibasi fare-
ma-wo matsu-ni koso \ tsui-ni-ica uki-ivo ivasure-midzu-no \ fisasi-
ka koko-ni sumu-beki-ja-wa- | to omoi-kajesi | sa-aranu sama-
ni kasi-dzuki-keri. Take-akira-wa \ roaga ani-no (bin)-mo
Die Einkehr in der Strasse von Kanzaki.
495
ito-siromi-taru-ni \ ani-jome-wa ito-wakaku-te | ni-awasi-karanu
(fü-fu) nari \ jo aran-to omoi-nagara | akara-sama-ni-
10a toi-kanete | fulcaku kokoro-ni ajasimu nomi \ ija-wo tadasi-ku
ai-sassu.
Indessen hatte Fatsi-su-ba vom Anfang- bis zu Ende ihren
Willen durchgesetzt und war gegen Mitsu-suke hartherzig ge
wesen. Mit Take-jasu, der diesem Manne noch nachstand,
vermalt, war sie im Herzen mehr und mehr missvergnügt. Doch
indem sie in dem Rieselregen des in der Wildniss stehenden
Hauses auf die baldige Aufheiterung wartete, überlegte sie, ob
zuletzt das Wasser des Vergessens auf den Kummer wohl lange
hier klar bleiben könne, und sie trug Sorge, als ob dieses nicht
so wäre. Take-akira, da der Haarschopf seines älteren Bruders
sehr weiss war, die Schwägerin in sehr jugendlichem Alter
stand, dachte sich, es werde aussehen, als ob dieses nicht zu
einander passende Gatten seien. Doch da er es nicht offen
aussprechen konnte, war er innerlich nur tief verwundert und
beobachtete im Verkehre mit ihr genau die Gebräuche.
Fatsi-su- ba-wa moto ukare-me-no \ uki-tctru naka-ni fito-to
nare-ba j take-akira-ga jaja jo-so-dzi-ni tsikakn-wa are-do | jowai-
jori-mo ito icakaku \ mono-i-i-zama scije mijabi-te \ waga wotto-
ni-wa faruka-ni tatsi-masareru-ivo mite \ fisoka-ni urajami\ wotto-
no kotoba-wo matazu-site \ mi-dzukara yjij (siü-sioku)-wo
(an-bai)-si fita-sura suswme J&. (kio)-sure-ba | tahe-akircc-
wa kn jette liatawara itaku-zo oboje-keru.
Fatsi-su-ba, welche unter leichtfertigen Buhlerinnen auf
gewachsen war, sah, dass Take-akira, der, obgleich nahezu
vierzig Jahre alt, für sein Alter sehr jugendlich war und eine
ganz zierliche Ausdrucksweise hatte, ihren Mann bei weitem
übertraf und wünschte sich ihn heimlich. Ohne auf das Wort
ihres Mannes zu warten, setzte sie ihm eigenhändig Wein und
Speise vor, nöthigte ihn ausnehmend und hatte ihre Freude.
Take-akira hingegen fühlte sich an ihrer Seite unbehaglich.
Kaku-te tsugi-no fi \ take-jasu-wa | i-fuku fito-kasane-wo
tori-idasi-te | ototo-ga mi-no viawari-wo joki-ni kai-tsukuroivcisi \
siü-kun-no « fk (siku-sio)-ni ite juki-te \ koto-no josi-ico
kikoje-agure-ba | mitsu-suke jobi-irete \ tai-men-su. Sono toki
take-akira-wa \ ani-ga ato-be-ni ¥ ik (fei-fuku)-si \ makoto-
ni kimi-no mitsi-biki-ni jorazu-wa | kib-dai H # (sai-kuai)-
496
tfi 'L m ai er.
no fi-nio arazi. Kon-nitsi-no koto | mina kimi-no tama-mono
vari-to mbsii-ni-zo \ mitsu-suke o-o-ki-ni jorokobi-te | nantaisi kib-
dai-wa | josi-aru ± (bn-si) nari. Ika-de-ka usi-wo
fiki | uma-wo oi-te kutsi-fatsu-beki. Ima-jori koko-ni utsuri-sumi-
tamäje. Ware-wa kazu-naranu * ^ (siö-mib) nari-to ije-
domo | kokoro-no ojoban fodo-wa ft ft (fu-tsi)-su-besi tote j
nengoro-ni kikojure-ba | kib-dai-iva ijo-ijo sono megumi-no asa-
karazaru josi-wo (sia)-site makade-lteru.
Am nächsten Tage nahm Take-jasu ein gefüttertes Kleid
hervor, liess den jüngeren Bruder an dem ganzen Leibe sich
gut ausschmücken, ging dann mit ihm zu der Behausung des Ge
bieters und brachte die Sache zu Ohren. Mitsu-suke rief Beide
herein und empfing sie. Bei dieser Gelegenheit legte sich Take-
akira zu den Füssen des älteren Bruders auf den Boden und
sagte: In der Tkat, wenn wir uns nicht auf die Leitung des Ge
bieters verlassen hätten, wäre nicht der Tag der Wiederver
einigung der Brüder. Der heutige Tag ist durchaus ein Geschenk
des Gebieters. — Mitsu-suke war sehr erfreut und sprach: Ihr
Brüder seid Kriegsmänner von guter Herkunft. Wie solltet
ihr Ochsen führen, Pferden nachrennen und ganz verderben?
Von nun an möget ihr hier eure Wohnung aufschlagen. Ich bin
zwar nur ein überzähliger kleiner Fürst, doch ich werde euch, so
viel ihr wünschet, unterstützen. — Auf diese freundliche Rede
bedankten sich die Brüder noch mehr für die nicht unbedeu
tende Gnade und entfernten sich.
Makadzu (Wurzel makade) ist so viel als makari-idzuru
,sich zurückziehen und hinaustreten'.
Kaku-te take-akira-ica | nni take-jasu-ga ije-ni am koto \
iim-nanu-ka-ni ojobi-te | jg* |j|t (to-sio)-no jjit -»J* (tsin-ziü)
jj (i-dzu) ^ ^ (fako-ne)-no gon-gen \ mi-sima lljj jjjljl
(mib-zin)-je-mo san-kei-si | mei-sia ko-seki-wo Jfjk ’U (reki-ran)-
suru-ni | inuru ken-mu-no koro \ nitta sa-tsiü-zi'o \ Icono jama-
nite | hassen ari-si koto nado-wo omoi-idete \ sikiri-ni ‘||| dti
(kuai-kiü)-no 'j*j| (zio)-ni tajezu | ko-tosi-mo kure-nan-to-site \
Hj% 0 (jo-zitsu) ihka-mo aranu-ni | tsuma-no moto-je-ga ita-
dzulii ika-ni-ka aran j ko-domo-ra-mo sa-zo-na matsu-rame-to
omoje-ba | (ki-sin) ja-no gotoku-nite | sude-ni
(fassoku)-no kokoro-gamaje-wa itase-domo | ani-mo ani-jome-mo \
l)ie Einkehr in der Strasse von Kanzaki.
497
amari-ni mame-mame-siku mote-nasu-ni-zo | niwalca-ni wakare-wo
tsuge-gataku-te | kokoro-narazu-mo \ tö-riü-su.
Take-akira, als er fünf bis sieben Tage in dem Hause
seines älteren Bruders sich aufgehalten hatte, besuchte den
Schutzgott des Ortes, den Ehrenbuddha von Fako-ne in I-dzu
und auch den glänzenden Gott der drei Inseln. Indem er die
berühmten Orte und die Alterthümer besichtigte, kam es ihm
in die Gedanken, dass in dem verwichenen Zeiträume Ken-mu
(1334 bis 1335 n. Ckr.) der mittlere Anführer zur Linken von
dem Geschlechte Nitta auf diesem Berge die Schlacht geliefert.
Seiner Gefühle fortwährender Sehnsucht nach der alten Zeit
nicht mächtig, dachte er, dass dieses Jahr seinem Ende zugehe
und wie viele Tage noch fehlen, wie das Leiden seiner Gattin
Moto-je beschaffen sein möge und dass seine Kinder in der That
ihn erwarten werden. Indess der Gedanke an die Heimkehr einem
Pfeile glich, traf er bereits Anstalten zum Aufbruche, doch da
sein älterer Bruder und seine Schwägerin ihn mit übergrosser
Aufmei’ksamkeit bewirtheten, konnte er nicht plötzlich die
Trennung anmelden und verblieb wider seinen Willen.
Kano ta-ro go take-jasu-wa \ kokoro-taraivanu mono ncire-
do I % ft (ten-sei) talca-ico konomi-te \ taka-gai-no waza-ni
kuwasi-kari-ki. Saru-ni jotte \ taka-no kizv-tsvku koto-no aru
toki-wa | —■ (issiii)-no kusa-wo tsumi-tori-te \ kore-wo tsu-
kuru-ni tatsi-matsi-ni ije-tari-keri. Kore sunawatsi |JÜ (kua-
zan)-no in-no on-toki-ni. \ iaka-kai ^ (faru-jori)-ga j |n|
(jaku-si)'butsu-no o|| (rei-kd)-ni J|| (kan-toku)-si-
taru ^ jj (m.ei-fd) naru-wo \ take-jäsu fu-si-gi-ni kore-wo \
tsutajete jo-ni viorasazu. Mata ki-ga mitsu-suke-mo | sono saga
taka-wo konomu-wo mote \ ta-rb go-ico fu-tsi-si amata taka-ivo
kavmsurü-ni | taka-gari-no (ziütsu) jo-no tsune-ni sagure \
aki-no oi-tori-kari nado-ni-mo \ je-mono kiwamete o-o-kari-si-ka-
ia | mitsu-suke fukaku jorokohi-te \ J|p (juki)-no |_Jj (jama)-to
nadzuke-taru sira-fu-no taka-wo | take-jasu-ni tabi-te-keri. Kono
taka mare-naru itsi-motsu naru-ni \ take-jasa joku kai-narasi-
te ] ltokoro-no mama-ni tsukaware-si-ka-ba \ (sijü-ziü)-
iio omoi-wo nasi \ tsiü-ai itodo ijamasi-nu.
Dieser Ta-rö Go Take-jasu war ein geistesschwacher Mann,
doch er hatte die Eigenschaft, dass er die Falken liebte und
Sitzungsber. d. pliil.-hist. CI. LXXXIII. Bd. IV. Hft. 32
498
t* f i z m a i c r.
war in die Falknerei genau bewandert. Wenn daher Ver
wundungen von Falken vorkamen, pflückte er eine Gattung
Pflanzen, und wenn er diese auflegte, erfolgte plötzlich die
Heilung. Dieses war das berühmte Heilmittel, welches der
zu den Zeiten des Kaisers Kua-zan (985 bis 986 n. Chr.)
lebende Falkner Faru-jori, von der reingeistigen Meldung
Buddlia’s, des Heilkünstlers angeregt, erlangt hatte. Take-jasu
erhielt es wunderbarer Weise überliefert und theilte es der Welt
nicht mit. Auch Ki-ga Mitsu-suke hatte die Eigenschaft, dass
er die Falken liebte, er unterstützte daher Ta-rö Go, und
indem er ihn viele Falken halten liess, war er in der Kunst
des Falkenjagens auf mehr als gewöhnliche Weise ausgezeichnet.
Als man bei dem Vogelbeizen des verwichenen Herbstes eine
überaus grosse Beute erlangte, war Mitsu-suke sehr erfreut
und schenkte Take-jasu einen mit dem Namen ,Schneeberg'
benannten weissgestreiften Falken. Dieser Falke war ein seltenes
schnelles Thier, und als Take-jasu, der ihn durch gute Pflege
vertraut machte, nach Wunsch verwendet wurde, machten sich
Herr und Diener ihre Gedanken, und die Gunst ward immer
grösser.
Säte talce-jasu-wa \ ototo-wo sibaraku todome-tsum-ni | sa-
seru mote-nasi-mo sezare-ba \ jama-da-no m (gan) kamo nari-
to-mo | amata tori-jete ] akase-bctja-to omoi-te \ aru fi-no asa
niadaki-ni \ kano juki-no jama-wo kobusi-ni sujete \ tsib-suke-ni
inu-ivo fikasi \ fumoto-no kata-je tote juki-nu.
Indem Take-jasu seinen jüngeren Bruder eine Zeit lang
zurückhielt, wünschte er, da er keine nennenswertke Be-
wirthung zu Stande brachte, viele Beute, wären es auch Gänse
und Aenten der Gebirgafelder, bis zur Sattheit zu erlangen.
Eines Tages setzte er noch vor dem anbrechenden Morgen den
,Schneeberg' auf die Faust, liess durch Tsiö-suke den Hund
führen und ging, wie er sagte, gegen den Fuss des Berges fort.
Take-akiru-wa \ lcono fi sibaraku ani-ga kajeru-wo matsi-
tare-do amari-ni tsure-dzure-naru-ni | ivakaki ani-jome-to sast-
mukai-tsutsu i-ran-mo | usivo-me-ta-kere-ba | niwaka-ni fako-ne
gon-gen-je mbden tote | isogawasi-ku tatsi-ide \ jagate kano ja-
siro-ni ma-iri-tsuki \ omi-naru ko-domo-ra-ga uje-ni tsutsuga-
naku | tsum.a-no itadzuki-wo | okötari-fatasasi-tamaje tote | sibasi
(tan-sei)-wo korasi \ tsui-ni rnoto-no jabia-dzi-wo kajeri-
t)io Einkehr in der Strasse von Kanzaki.
499
kuru-ni | tsnne-ni dani sadame-naki \ lcono jama-no tadazumai ima
(riü-kan)-no wori nare-ba \ miru-miru juki-kumo siki-
mitsi-te | juki tsira-tsira-to furi-idasi \ iwawo-wa ajasi-ge-ni \
siro-kane-no tora-wo tsukuri-nasi | ko-zu-e taje-ni j toki-naranu
fana-wo sakasi | jH (gioku-zin) (ro-kei)-ico
udzumete | no-mo jama-mo mina sime-no utsi-ka-to mijuru-ni !
kaze mata fagesi-kere-ba \ fulci-torare-zi-to kasa-wo katafuke \
sode-wo kaki-awasi-tsutsu \ kara-u-zite soko-kura-ni fasiri-juki-nu.
Take-akira wartete an diesem Tage eine Zeitlang auf die
Heimkehr seines älteren Bruders, doch da es ihm zu lang
weilig war und er sich fürchtete, mit seiner jugendlichen
Schwägerin allein zu sein, sagte er plötzlich, dass er sich zu
dem Ehrenbuddha von Fako-na begeben werde. Er erhob sich
eilig, traf bei dem Altäre ein und betete eine Weile inbrünstig,
indem er sagte: Indem meine in Omi weilenden Kinder
unbeschädigt bleiben, lasse der Vernachlässigung des Leidens
meiner Gattin ein Ende machen ! — Als er endlich auf dem
früheren Bergwege zurückkehrte, breiteten und hüllten sich
bei dem gewöhnlich nur unbestimmten Stillstehen auf diesem
Berge, da jetzt die Zeit der grossen Kälte war, vor dem
Blicke Schneewolken, der Schnee fiel stark, die Felsen bildeten
seltsamer Weise silberne Tiger, die Wipfel der Bäume Hessen
auf wundervolle Weise ixnzeitige Blumen erblühen, Edelstein
staub vergrub die Wege, Feld und Berg hatten das Aussehen,
als ob sie sich innerhalb des bannenden Seiles befänden. Auch
der Wind wehte heftig. Den Hut, damit er nicht weggeblasen
werde, seitwärts neigend und die Aermel zusammenschliessend,
gelangte er mit genauer Noth im Laufe nach Soko-kura.
Saru-fodo-ni fatsi-su-bci-wa utsuri-gi-no utsuru-ni fajaku |
kari-sorne-ni take-akira-ivo mite-si-jori | ake-kure-ni omoi-wo ko-
gasi | fara-kara-ni-wa uri-nagara \ wagn icotto-to kano fito-to \
kaku rnade otori-masari-no suru kana. Waga mi suku-se asi-ku
situ | mukutsuke-wotoko-to riefureru-wa \ T a (sen-ri)-no
=S ,8 (mei-ba)-ga koi-ta-go-wo tsukerare-taru-ni koto-narazu.
Sara-ba kano fito-wo itsu-made-mo todome-oki-te | fisoka-ni Icata-
raica-ba | koltoro-wo jaran josu-ga \ kore-ni mäsu koto na-karame-
to omoi-te | mame-mame-siku mote-nase-domo \ take-akira-wa ija-
wo tadasi-ku site | utsi-toke-taru ke-siki-wo misene-ba [ i-i-kahen
jb-mo nalcu | ijo-jo omoi-madoi-si-ni \ kono ß wotto-wa ije-ni si-mo
32*
500
P f i z m a i 6 r.
aräne-ba \ joki wori nari-to omoi-te | madzu mi-no josowoi-wo
nasu-ni \ mi-no Jcokn-ioa svguru made \ nawo hewai-fatezu.
Fatsi-su-ba bei ihrer Leichtfertigkeit batte bereits, seit
sie Take-akira vorläufig gesehen, früh und spät den Sinn ent
brannt und dachte sich: 0 dass, obgleich es Brüder sind,
zwischen meinem Manne und jenem Menschen Nachstehen
und Uebertreffen in einem solchen Masse stattfindet! Mein
Leben in der früheren Welt war schlecht. Mit dem un
sauberen Manne schlafen, ist nicht anders als wenn ein be
rühmtes Pferd der zehntausend Weglängen mit einem Mistkübel
beladen wurde. Wenn ich indessen diesen Menschen so lange
als möglich zurückhalte und heimlich mit ihm spreche, so wird,
um mein Herz auszuschütten, kein Mittel über dieses gehen. —
Doch so aufmerksam sie ihn bewirthete, Take-akira beobachtete
streng die Gebräuche und zeigte keine ungezwungene Miene.
Nicht wissend, wie sie ihn ansprechen solle, gerieth sie immer
mehr in Verwirrung und dachte, da heute ihr Mann nicht in
dem Hause ist, sei eine günstige Zeit. Früher putzte sie
sich auf und war nach Verlauf der sechsten Stunde 1 mit dem
Ankleiden noch nicht zu Ende.
Sikaru-ni take-akira-wa | fako-ne gon-gen-je tote ide-jviku-
wo \ ito fo-i-naku omoi-te I fiki-mo todome-ma-fosi-ku-ioa ari-si-
ga | musubi-kakari-si moto-dori-ni \ te-fanatsi-gata-kere-ba \ wari-
naku-mo todome-jezu | itodo nokori-osi-ku-te \ jo-jaku-ni kami-wo
jwi-wowari | ima-iva faja kajeru koro-oi,- naran tote | )j|!| (ro)-
ni jeda-snmi-wo amata okosi-tsu. Fito-tsubo-no sake-wo ata-
tarne \ kano fito ososi-to matsu-fodo-ni | to m,ire-ba kado-no juki-
ma-wo loaki-te \ sode-mo mosuso-mo ma-siroku-ni nari-tsutsu \ kasa
sage taju-ge-ni kajeri-kuru mono.
Es war ihr somit sehr unerwünscht, dass Take-akira, wie
er sagte, zu dem Ehrenbuddha von Fako-ne hinausging, und
sie hatte Lust, ihn zurückzuhalten. Doch da sie den Haar
schopf, den sie eben knüpfte, nicht aus der Hand lassen konnte,
kam sie nicht dazu, es mit Gewalt zu thun. Ueberaus nach
dem Abwesenden sich sehnend, war sie allmälig mit dem
Binden des Haupthaares zu Ende, und indem sie glaubte, dass
jetzt schon die Zeit der Rückkehr sein werde, zündete sie in
Von 9 bis 11 Uhr Morgens.
Die Einkehr in der Strasse von Kanzaki.
501
der Feuerstätte viele ästige Kohlen an. Sie wärmte einen
Topf Wein, und indem sie diesen Menschen mit Ungeduld
erwartete und hinausblickte, kehrte ein Mann, den Schnee des
Zwischenraumes des Thores zertheilend, während Aermel und
Saum des Kleides ganz weiss geworden waren, mit nachlässig
aufgesetztem Hute zurück.
Kore take-akira nari-si-ka-ba | fatsi-su-ba isogawcisi-ku ide-
mukaje \ ana-ja \ mitsi-sugara-no | sa-zo-na samu-keku owasi-
ken | keö-iva asa-jori sora-no ke-siki-no \ juki-wo mojowosi-tare-ba |
saki-ni todome-ma-irase-tsure-do \ kikazu-site saru karaki me-ni-xva
cd tam'ö-nare. Ju-mo ivalcasi-te faberi \ madzu cisi-wo arai-tamai-
ne-to mame-datsi-te \ sobirci-no juki-wo utsi-farai nado-suru-wo [
take-akirci-ica kataku j|T (dzi-tcn)-si \ wciga ani-wa imada
kajeri-tamawazu-ja | sara-ba sono-ju-iva nokosi-olci-tamaje-kasi-to
iü-ni | ina ju-wa naioo o-o-si | kokoro-kuma-naku tsulcai-tamaje
tote | jagate tarai-ni kumi-irete sasi-idasu-wo \ osi-itadald-te \
kagamari-taru te-asi-wo citatame | kakage-taru mosuso-wo fiki-
orosi-te | i^|| (ro)-no fotori-ni -dji (za)-wo sime \ nure-taru
kinu-wo kawakasu-ni \ sake-no (ka-fun)-to-site \ fito-
tsubo-no sake | (ro)-no fai-ni ikete an. Kaku-te fatsi-su-
ba-ioa | ivo-siki-ni sake-no subajari-wo mori-taru-wo mote kitari-
te | take-akira-ni iu jo \ * V (oto-go) | wori-kara-no juki
naru-ni \ jjj (san-bai)-no katafukete | samusa-wo sinogi-
tamciwan-ja-to iu.
Da es Take-akira war, ging ihm Fatsi-su-ba eilig ent
gegen und sagte: Ach, unter Weges wird es iu der That kalt
gewesen sein. Da heute seit dem Morgen der Himmel nach
seinem Aussehen Schnee vorbereitete, hielt ich euch vorhin
zurück, doch ihr hörtet nicht und möget solche Unbilden er
fahren haben. Ich habe Wasser gesotten. Waschet zuerst eure
Füsse! — Dabei strich sie ihm zuthätig den Schnee von dem
Rücken. Take-akira lehnte es beharrlich ab und sagte: Ist mein
älterer Bruder noch nicht zurückgekehrt? Lasset ihm also
dieses heisse Wasser übrig. — Sie erwiederte: 0 nein! Heisses
Wasser ist noch immer vieles. Bedienet euch desselben ohne
Sorge. — Sie schöpfte es sogleich in das Becken und reichte
es ihm hin. Er empfing es ehrerbietig, wärmte die erstarrten
Hände und Füsse, zog den aufgeschürzten Saum herab und
502
Pf i zm aier.
nahm zur Seite der Feuerstätte Platz. Während er die durch
nässten Kleider trocknete, duftete der Wein und war ein Topf
Wein in die Asche der Feuerstätte gestellt. Fatsi-su-ba brachte
jetzt eine mit Lachsschnitten gefüllte Schüssel und sagte zu
Take-akira: Schwager! W T erdet ihr bei dem jetzigen Schnee
wetter drei Becher trinken und der Kälte widerstehen?
Take-akira kiki-te | jvki-wa masu-masu fukasi. Waga ani-
no sa-koso nan-gi-ni owasu-be-kere. Kajeri-tamo fodo-ni aru-
mazi-ki-ni \ ivaga mi fitori % m (an-zen)-to site | ika-de-ka
pj Jj|j (kd-fuku)-wo musaburu-beki. Todome-oki-te | ani-ni
ma-irase-t.amai-ne- \ to irajete | futa-tabi mi-kajeri-mo sezari-si-
ka-ba \ fatsi-su-ba foivo-jemi-te | sate-mo mono-gataki fito-ni-wa
aru. Take-jasu-dono-iva \ wari-go-mo sasaje-mo tsib-suke-ni motasi-
tamajeri \ ima-goro-wa mitsiriio tsu-ide joki jama-dera nado-ni
iri-te | nomi-mo tbbe-mo site \ kokoro-tanosi-ku oivasu-besi. Josi-
ja saru koto-naku-to-mo | kononm waza-ni-wa i-i-wo-mo ivasururu
mono-zo kasi. Sara-ba waga mi madzu ippai-ivo kokoro-mite
ma-irase-nan tote \ fita-sura-ni nomu fodo-ni \ ma-butsi jo-jaku
sakura-110 gotoku-ni nari-tsu. Siba-siba ^ (fu-jo)-no mana-
ziri-ioo kajesi-te | take-aldra-ioo miru-ni \ take-akira-ioa omote-wo
sogai-ni site ko-e-wo-mo nasazu.
Take-akira erwiederte: Der Schnee wird immer tiefer.
Mein älterer Bruder mag sich somit in Verlegenheit behnden.
Es dürfte nicht die Zeit sein, wo er zurückkehrt, und ich allein
bin in Sicherheit. Wie könnte es mich da nach Dingen des
Mundes und des Bauches gelüsten? Behaltet es zurück und
reichet es meinem älteren Bruder! — Fatsi-su-ba sagte lächelnd:
Was für schwierige Menschen es gibt! Herr Take-jasu liess
den Esskorb und die Weinkanne durch Tsiö-suke mitnehmen.
Jetzt kann er in das mit einem gut angelegten Wege versehene
Gebirgskloster getreten und bei Essen und Trinken vergnügt
sein. Gesetzt auch, es wäre dieses nicht der Fall, so dürfte
er bei seiner Lieblingsbeschäftigung auf die Speise vergessen.
Also werde ich zuerst einen Becher versuchen. — Hiermit
trank sie eifrig, und ihre Augenlider wurden allmälig den
Kirschbliithen gleich. Während sie häufig die lotusblumen-
artigen Augenwinkel zurückwendete und Take-akira anblickte,
kehrte Take-akira das Angesicht nach rückwärts und gab keinen
Laut von sich.
Die Einkehr in der Strasse von Kanzaki.
503
Fatsi-su-ba-wa sude-ni yjSj (siü-ki)-wo obi-te \ ^
(joliliua) (kin)-zuru koto-wo jezu | mi-wo suri-josi-tsutsu
iu-jb | take-jasu-dono-wa \ kokoro-tarawanu fito-nite fabere-ha
ä}a (fd-bai)-ni-mo anadorare-tamb-wo | fi-goro kutsi-wosi-ku
omoi-tsuru-ni [ on-mi moro-tomo-ni \ ki-ga dono-ni tsukaje-tama-
wa-ba | waraiva-ga tame-ni-mo joki usiro-date nari. Oto-go-wa j
utsi-kata-no nagaki itadzulci-ni fusi-tamai-nu-to kikoje-tamb-ni |
(fu-fu) ßto-tsu-ni nefuri-tamb koto-mo naku-te \ makura
samisi-ku-ja owasi-tsuran \ sa-wa na-hari-tsuru-ja-to iu-ni \ take-
akira-ica iraje-mo sezu | fi-basi-wo mote |j|f pj^ (ro-tsiü)-no
fai-ivo kaki-nadosi | kokoro-ni ziü-ni-bun-no jfct ^ (do-ki)
ari-to ije-domo | ani-no omote-ni medete \ sono ke-siki-wo misezu.
Fatsi-su-ba, von dem Weine bereits angegriffen, konnte
dem Feuer der Begier nicht Einhalt thun. Sich dicht heran
drängend, sagte sie: Da Herr Take-jasu ein schwachsinniger
Mensch ist, wird er von seinen Gefährten verachtet, und ich
habe dieses Tage hindurch bedauert. Wenn ihr mit ihm zu
gleich dem Herrn Ki-ga dienet, so ist dieses für mich eine gute
Deckung. Da man hört, dass eure Gattin, von einem langen
Leiden befallen, darniederliegt, so wird auch das Zusammen
schlafen von euch Beiden nicht stattgefunden haben, und das
Polster wird wohl einsam gewesen sein. Ist es nicht so gewesen?
— Take-akira, keine Antwort gebend, ebnete mit der Feuer
zange die Asche in der Feuerstätte. In seinem Herzen waren
zwölf Tlieile Unwillen, doch in Rücksicht auf den älteren
Bruder zeigte er dieses nicht in seiner Miene.
Fatsi-su-ba-iua mata sakadzuki-wo agete | sake-wo nami-
iami-to tataje \ oto-go | ilca-naru koto-no kokoro-ni lcanawazaru
jaran. Waraiva-ga kokoro-zasi-wo mote | susume-ma-irasuru
sakadzidii-wo | te-ni-dcimo tori-tamaivazaru-iva \ ija-naki-ni arazu-
ja. Omi-ni ari-te \ utsi-kata-to kumi-tamo fodo-ni-ica aru-mazi-
kere-do \ magete lcono ippai-wo idie-tamaje. Ko-wa naico sugi-
tari-to obosa-ba | naka-ba-wa ferasi-ten-to i-i-mo ajezu | roku-
sitsi-bu nomi-hake-taru-wo j wari-naku-mo scisi-tsidcure-ba | take-
akira ima-toa sinobu-ni tajezu | ko-busi-ioo agete sakadzuki-wo
tada fito-utsi-ni utsi-otose-ba \ sake-wa |j|| (ro-tsiü)-ni sa-to
kobore | fai-wa ma-siro-ni tobi-tsitte \ fatsi-su-ba-ga kuro-kami-mo
ko-zu-e-no juki-no gotoku nari-nu.
504
Pfizmaier.
Fatsi-su-ba erhob wieder den Becher, füllte ihn mit Wein
bis zum Ueberfliessen und sagte: Was für eine Sache mag euch
nicht recht sein? Dass ihr den Becher, den ich euch mit Ab
sicht anbiete, nicht einmal in die Hand nehmet, ist dieses nicht
unartig? Obgleich es nicht um die Zeit sein kann, wo ihr in
Omi mit eurer Gattin Wein schöpfet, so empfanget dennoch
diesen Einen Becher. Wenn ihr glaubet, dass dieses noch
immer zu viel ist, so werde ich es um die Hälfte mindern. —
Kaum dass sie dieses gesagt, trank sie sechs bis sieben Theile
und reichte ihm mit Gewalt den Becher hin. Take-akira konnte
es jetzt nicht länger ertragen. Er erhob die Faust und warf
den Becher mit einem einzigen Wurfe zu Boden. Der Wein
war plötzlich in der Feuerstätte verschüttet, die Asche flog
ganz weiss umher, und das schwarze Haupthaar Fatsi-su-ba’s
wurde dem Schnee der Bauinwipfel gleich.
Sono toki take-akira-iva \ manciko-wo mi-fari ko-e-ico furi-
tate | nandzi-wci moto ukare-me-no \ kobi-wo j4J^ (ken)-zi iro-ioo
uri | fito-wo taburakasi-taru (zoku-gan) mote \ ivcire-ioo
mi-tagaje sikiri-ni Hgi (en-gen)-wo mote idoman-to su-to-
mo | ware-wa Ji il #J (inu-zi-mono)-no okonai-wo nasu
mono-ni arazu. Mosi kasanete midari-gawasi-Jci furumai-wo se-
ba | ani-jome-to-wa iwcisezu \ otogai utsi-jugaviete \ iki-no ne tomu-
beki nari-to nonosiri-tsu. Tsu-ta tatsi-agari-te araraka-ni [ kono
goro waga fusu (kiuku-)no ma-ni iri-nu.
Take-akira, die Augen spannend und die Stimme rasch
erhebend, rief jetzt: Du, ursprünglich eine Buhlerin, die du
Schmeicheleien zum Geschenke machst, das Vergnügen ver
kaufst, mit den gemeinen Augen, mit welchen du die Menschen
berücktest, verkennst du mich. Du magst immerhin mit zierlichen
Worten anreizen wollen, ich bin nicht der Mann, der die
Handlung eines hündischen Wesens begeht. Wenn du dich noch
einmal unordentlich benimmst, lasse ich dich nicht Schwägerin
nennen, man wird dir das Kinn seitwärts drehen und die
Wurzel des Athems aufhören machen. — Nach diesen Schelt
worten erhob er sich plötzlich und trat trotzig in das um die
Zeit ihm zur Lagerstätte dienende Gastzimmer.
Kakaru tolcoro-ni \ ta-ro go take-jasu-ioa | je-mono kamo-wo
tsib-suke-ga kata-ni sasi \ inu-wo fikasi-taka-wo snje \ siro-kanc.-no
Die Einkehr in der Strasse von Kanzaki.
505
fari-ico kaka-narabe-taru gotoki | suga-mino-no sode farai-mo
ajezu | (sijü-ziü) juki-wo fumi-sidaki-te kajeri-kuru-ni |
fatsi-su-ba-wa kore-ico mire-domo ide-mo mukajezu. Sikiri-ni
namida sasi-gumi-te | tada butsu-butsu-to t&ubujaku-wo \ take-jasu-
wa utsi-mi-jari-te Icohoro-ajasimi | mino nugi-autete \ tsib-suke-ni
asi-wo arawasi | siro-fu-no takci-wo watasi-keve-ba \ tsio-suke kore-
wo uke-totte \ inu-ioo fiki-tsutnu se-do-no kata-je juki-nu.
Unterdessen kam Ta-rö Go Take-jasu, die erbeuteten
Aenten Tsiö-suke auf die Schultern legend, durch ihn den
Hund führen lassend und den Falken aufsetzend, indem Herr
und Diener, ehe sie noch die Aermel des wie mit Reihen
silberner Nadeln behängten Regenmantels abgestrichen, nach
einander in den Schnee traten, zurück. Fatsi-su-ba sah es, aber
ging nicht entgegen. Die Augen fortwährend mit Thränen ge
füllt, murmelte sie nur vor sich hin. Take-jasu, der es sah, war
innerlich darüber verwundert. Er warf den Regenmantel von
sich, liess sich durch Tsiö-suke die Füsse waschen und über
gab den weissgestreiften Falken. Tsiö-suke nahm diesen in
Empfang und ging, den Hund führend, nach der Seite des
Hinterthores fort.
Sidaku in fumi-sidaki-te ,nach einander tretend' ist die
Abkürzung von sitagafu ,folgen'. Es werden sonst die Formen
fumi-sitaki und fumi-sitaku verzeichnet.
Kaku-te take-jasu-wa j ro-no fotori-ni fi-ircigi-i-te | kaga-
mari-taru te-asi-wo atatame | tsura-tsura mire-ba fatsi-su-ba-ga
ito urami-taru ke-siki-naru-wo \ nani-goto-to-mo omoi-wakazu \ sono
ju-e-wo towan-to suru ioovi-si-mo \ zi-ro-zi-ro talce-akira-wa \ tabi-
josowoi-wo totonojete \ (kiaku)-ma-jori ide-kitari \ waga ani
tada-ima kajeri-tamajeri-ja. Kono juki-nite-wa \ saseru tanosimi-mo
naku owasi-ken. Seite soregasi kari-some-ni tö-riü-itasu koto \ faja
jo-kokono-ka-ni ojobe-ba \ bmi-ni nokose-si ko-domo-ra-ga koto ]
mata nagaki itadzuki-ni \ tatsi-i-mo i & (zi-zai)-navanu |
tsuma-ga uje-mo ito Icokoro-moto-na-kere-ba | ko-dami-wa madzu
tatsi-kojeri-te \ kare-ra-ni-mo an-do-sasi | faru-ni-mo nara-ba \ ja-
kara-wo tomonbte ma-iri-sbrb-besi-to iü.
Take-jasu, schmerzvoll zur Seite der Feuerstätte sitzend,
wärmte die erstarrten Hände und Füsse. Als er genau hinsah,
hatte Fatsi-su-ba eine sehr verdriessliche Miene. Er konnte sich
nicht erklären, was es gebe und wollte um die Ursache fragen,
Pfizmai er.
50(3
als Take-akira im Reiseanzuge aus dem Gastzimmer herauskam
und sagte: Ist mein älterer Bruder eben jetzt zurückgekehrt?
Bei diesen Schnee wird er keine nennenswerthe Freude gehabt
haben. Da es bereits acht bis neun Tage sind, dass ich mich vor
läufig aufhalte, bin ich um meine in Omi zurückgelassenen Kinder,
ferner um meine Gattin, welche bei ihrem langen Leiden nicht
nach Belieben stehen oder sitzen kann, sehr besorgt. Ich werde
diesmal früher heimkehren, ihnen Beruhigung verschaffen und
wenn es Frühling ist, in Begleitung der Meinigen hierher kommen.
Ko-dami, sonst auch ko-täbi lautend, steht für Kono-tabi
,dieses Mab.
Take-jasu kiki-te | ja-kara-nö koto-wo omo-ica kotowari
nare-do | ked-mo sam no koku-ni nan-nan-to su. Koto-sara jaki-
no itaku furu-wo \ niwaka-ni omoi-tatsi-te kajeran-to iü koto \
kokoro-wo je-gatasi. Juki-no faruru-wo matsi-te \ asu asate-no
koro-ni | (fassoku)-si-tamaje-kasi-to iü-ivo \ take-akira
kasanete \ itsi-nitsi-no okotari-wa | + Ep (ziv-ri)-no ^ (son)
an. | soregasi ja-kara-no koto-wo omoje-ba itsi-nitsi-mo
(sen-siit)-no gotosi. Tatoi kururu-ni tsikasi-to-mo \ ima-jori juka-
ba | nawo si-go-ri-wa jasvku juku-besi. Magete fanatsi-tamaje-to iü.
Take-jasu, dieses hörend, sagte: Dass ihr an die Sache
der Eurigen denket, ist zwar in der Ordnung, doch es wird
heute gleich um die neunte Stunde 1 sein. Dass ihr jetzt, wo
es besonders stark schneit, euch plötzlich entschliesset und
saget, dass ihr heimkehren werdet, kann ich nicht begreifen.
Wartet, bis es zu schneien aufhört und tretet morgen Früh die
Reise an. -— Take-akira sagte nochmals: Die Versäumniss eines
Tages ist ein Schaden von zehn Ri. Wenn ich an die Sache der
Meinigen denke, ist ein einziger Tag gleich tausend Herbsten.
Gesetzt auch, es ist nahehin der Sonnenuntergang, wenn ich
von jetzt an wandle, kann ich noch vier bis fünf Ri leicht
wandeln. Ich bitte sehr, entlasset mich.
Sono ke-siki-no omoi-sadavie-ta,ru-ni \ take-jasu-wa futa-tabi
todoniezu. Je-mono-no kamo-wo sasi-simesi-te iü jo \ lcono goro
saseru mote-nasi-mo sezane-ba | semete Jk (gio-tsiö)-no
1^1 (niku)-ni nari-to-mo akase-baja-to omoi-te | juki-wo okasi-
tsatsu | kono tori-wo torasi-te kajeri-si-ka-do \ kaku made iwa-ba
1 Von 3 bis 6 Uhr Nachmittags.
Die Einlrehr in der Strasse von Kanzaki.
507
ilca-ni sen | ko-tosi-wa jjj (jo zitsu)-mo aranu-ni | mitsi-
sugarci tsutsvga-nalcu knjeri-tsuld-tamaje-jo. Ware-im sude-ni I
joioai # ö (fan-faku)-ni ojobi-te | (ko)-to iü mono-mo
nasi. Mei-no taje \ oi-no sa-zi-kitsi-mo mi-ma-fosiku-zo aru.
Mata ki-ga dono-mo | nengoro-ni kikoje-tamb nare-ba \ faru-wa
kcinarazu koko-ni utsuri-sumi-tamaje-to iü-ni.
Da er dieses mit entschlossener Miene sagte, hielt ihn
Take-jasu nicht mehr zurück. Er zeigte ihm die erbeuteten
Aenten und sagte: Da ich um die Zeit keine Bewirthung von
Bedeutung veranstaltete, glaubte ich, dass wir uns auch mit
dem Fleische der Fische und Vögel sättigen möchten. Indem
ich dem Schnee Trotz bot, fing ich diese Vögel und kehrte
heim, doch wenn ich so spreche, was lässt sich thun? Dieses
Jahr hatt keine überflüssigen Tage mehr. Kommet daher, ohne
einen Unfall auf dem Wege zu haben, zu Hause an. Ich habe
bereits das Alter erreicht, in welchen man halb weiss ist, und ich
habe keine Kinder. Ich wünsche meine Nichte Taje und meinen
Neffen Sa-zi-kitsi zu sehen. Da auch Herr Ki-ga freundlich
das Ohr geliehen hat, so übersiedelt im Frühlinge gewiss hierher.
Take-cikira tsussimi-te | waga t.ame-ni samu-keki-wo itowazu \
kari-kurasi-te kajeri-tamo-wo | sono mote-nasi-ni tsukazu-site
makaran-wa | zitsu-ni tsiimi fukasi. Soregasi ima kikojetate-
matsuru-beki —• (itsi-gon) ari | mi-dzukara kore-wo ^5
(sas) si-tamaje. Waga ani-wa \ kolcoro-zama je a (sio'-ziki)-
ni owase-ba | fito-mo silca aran-to omoi-tamo-mere-do |
fü-fu-no awai nari to-mo \ tanomi-gataki-wa jo-no fiio-gokoro
nari-kasi | mai-te (fu-zinj-iva utsuri-gi-naru mono nare-
ba | pfcj (ka-nai)-no koto-to ije-domo \ utsi-makasi-te joki
koto ari | mata cisiki koto ari. 4 1 A (Tsiü-zin) m t
(i-kaj-no ije-wo osamuru-wa | kuni-wo osamuru-jori ta-jasu-karazu.
Ju-e ilia-ni-to nare-ba \ .18 »P (rei-setsu) totonawazu \ ikiicoi
okonawazare-ba nari. Ai-hamajete take-akira-ga futa-tabi ma-
iru made-wa | sadamareru IE tt (siilssi)-no folta | taka-gari
nado-ni-mo ide-tamb-na. To-kaku-ni utsi-no mamori-wo kataku
site | fito-no anadori-wo fusegi-tamawan koto \ negawasi-ku sbr'o.
Take-akira sprach ehrerbietig: Ihr scheuet meinetwegen
nicht die Kälte, jaget bis zu den: Abend und kehret heim.
Dass ich an der Bewirthung dann nicht theilnehme, sondern
abreisen will, ist wirklich ein schweres Vergehen. Ich habe
508
P f i z m a i e r.
euch jetzt ein Wort zu Ohren zu bringen, möget ihr selbst es
beurtheilen. Da mein älterer Bruder von Sinn rechtschaffen ist,
scheint er zu glauben, dass Andere ebenfalls so sein werden.
Doch sei es selbst zwischen Mann und Weib, dasjenige, worauf
man sich unmöglich verlassen kann, ist wohl das Herz der
Menschen der Welt. Um so mehr gilt dieses von dem Weibe.
Da sie ein flatterhaftes Wesen ist, so mögen es selbst häusliche
Dinge sein, die man ihr überlässt, es hat sein Gutes, es hat auch
sein Schlechtes. Das Haus der Menschen des Mittelstandes und
der noch Niedrigeren in Ordnung halten, ist nicht leichter als
ein Reich in Ordnung halten. Wie es darum auch sei, es ist,
weil die Umschränkung durch die Gebräuche nicht eingerichtet,
die Macht nicht ausgeübt wird. Bis ich Take-akira zum zweiten
Male komme, gehet, die bestimmten Dienstleistungen ausge
nommen, durchaus nicht auf die Falkenjagd. Ich bitte, dass
ihr jedenfalls das Haus streng bewachet und der Verachtung der
Menschen den Weg verschliesset.
To mame-datsi-te tsvge-si-ka-ba | take-jasu utsi-vnadzulci-
te [ wäre kanarazu on-mi-ga isame-wo motsi-i-te \ asu-jori-wa ju-
san ® £ (sessio)-su-be■ Jcarazu. A | juhi-mo ivo-jami-nahi-ni
ima —* U (fito-jo) sa todomaru koto-wa naru-mazi-ki-ja. Ijo-
jo kajeran-to nara-ba \ (Jcon-ja)-no tomari made j tsi'o-
suke-wo ite juki-soraje-to iü-ni \ take-akira kobe-wo furi-te \ kare-
mo fito-no C ko) nari. Keö-iva fi-ne-mosu ivaga ani-no
(gu)-si tamajeru-iuo \ mata wadzurawasan-wa kokoro-naki-ni ni-
tari. Faja makaru-besi-to i-i-kakete \ (jen)-bera-ni tatsi-ide \
isogowasi-ge-ni wara-zi-no fimo-wo musubi \ mino-no jevi-wo kaki-
aioasi-tsutsu | kasa-wo fukaku site ide-sari-keri.
So sagte er aufrichtig. Take-jasu nickte mit dem Kopfe
und sagte: Ich werde gewiss eure Ermahnung beherzigen und
von morgen angefangen keine Wanderungen und Tödtungen
des Lebens vornehmen. Doch es hört nicht im Geringsten zu
schneien auf! Dürfte es denn nicht sein, dass ihr euch jetzt
eine Nacht aufhaltet? Wenn es der Fall ist, dass ihr schlechter
dings heimreiset, so gehe ich mit Tsiö-suke bis zu dem Ein
kehrhause dieser Nacht. — Take-akira schüttelte das Haupt
und sagte: Auch der ist ein Sohn der Menschen. Meinem
älteren Bruder, der mir heute den ganzen Tag Gesellschaft
t)io Einkehr in der Strasse von Kanzaki.
509
geleistet hat, noch Beschwerden verursachen., scheint sinnlos zu
sein. Ich kann bereits fortgehen! — Mit diesem Rufe trat er zu
dem Saume des Vorhauses hinaus, knüpfte eilfertig die Bänder
der Strohschuhe, drückte, indem er den Kragen des Regen
mantels zusammenhielt, den Hut tief in das Gesicht und zog fort.
Take-jasu-wa ito nokori-obo-kere-ba \ sibasi sonata-wo mi-
okuri-te \ fatsi-su-ba-ni mukai \ waga otoko-no \ juki-wo itowazu-
site awatatasi-ku kajeri-tarn-ni-wa ju-e koso arame. Saki-jori
on-mi-ga fara-tatasi-ge-naru-wa \ nani-goto-zo- \ to toi-mo ajenu-
ni' | fatsi-su-ba niwaka-ni ko-e-wo täte | jo-jo-to naki-te fusi-
marobu-ni-zo | take-jasu-wa masu-masu akire-fate \ ko-iva nani-
ju-e-ni naku-zo \ naki-te-wa koto-no siraru-beku-mo arazu | tsib-
snke-ga more-kikan-mo \ omo-buse narazu-ja-to iü-ni.
Da es Take-jasu um ihn sehr leid that, begleitete er ihn
eine Weile mit den Blicken und sagte zu Fatsi-su-ba: Dass
mein jüngerer Bruder den Schnee nicht scheut und hastig die
Heimreise angetreten hat, wird eine Ursache haben. Was gibt
es, dass ihr seit vorhin zornig aussehet? —• Auf diese Frage
erhob Fatsi-su-ba plötzlich ein Geschrei und warf sich laut
weinend zu Boden. Take-jasu, vor Staunen immer mehr ausser
sich, sprach: Aus welchem Grunde weint man hier? Wenn
man weint, muss da nicht auch die Sache bekannt sein? Ist
es nicht eine Schande, wenn Tsiö-suke es hört?
Fatsi-su-ba jb-jaku mi-ico okosi-te | me-wo osi-nogoi | take-
alcira (tsiku-sid) | ono-ga okonai-no joko-sima-naru-ivo
oki-te | wonna-wa utswri-gi-naru mono-nite | fü-fu-no
awai-mo tanomi-gatasi-to i-i-tsuru | geni-geni sa-jo. On-mi-wa
ke-sa-jori Icari-ni ide-tamai-te \ samusa-mo ßto-siwo nare-ba \
kajeri-ki-masan toki-ni ma-irasen-to omoi-te | ßto-tsubo-no sake-
wo atatame-oki-tsuru-ni | kare fosi-i-mama-ni nomi-tsvkusi \ jei-ni
makasi-te warawa-ni tawaftire-fakeri-ki. Sono midari-gawasi-ki
koto | iü-beo-mo arami-ni taje-kanete | itaku i-i-korasi-fabe.ru wori-
si-mo | kare on-mi-ga tatsi-kajeri-tamb-wo mite | awate-futameki-
te nige-lcakure \ sasuga ni usiro-me-ta-kere-ba | ja-kara-no koto
kokoro-moto-nasi-to i-i-kosiraje \ awatatasi-ku kajeri-sari-taru nari.
Kare zitsu-ni ja-kara-no koto-wo omowa-ba, \ ani-jome-ni tawa-
furete \ ke-mono nasu okonai-wa si-faberazi. On-mi-ga ototo-ni-
10a are-do \ kokoro-zama-wo kurabure-ba \ ima furu juki-to \ j^||
(ro)-no futsi-ni oku sumi-no gotosi. Kakaru usiro-guraki Iwto
510
Pfizmaier.
are-ba \ faru-ni itari-te-mo \ kano mono futa-tcibi ki-faberazi.
Josi-ja fff & (men-fi)-wo atsuku-site ki-tsuru-to-mo | jose-mo
tsuke-tamo-na.
Fatsi-su-ba erhob sich allmälig, und sich die Augen trock
nend, sagte sie: Das Thier Take-altira, bei seinem eigenen ver
kehrten Wandel es bewenden lassend, sagte, dass das Weib ein
flatterhaftes Wesen sei, und dass zwischen Mann und Weib
unmöglich Verlässlichkeit stattfinden könne. So ist es ganz in
Wahrheit! Als ihr seit heute Morgen auf die Jagd gegangen
wäret und die Kälte arg wurde, glaubte ich, es werde die Zeit
sein, wo ihr nach Hause kommt, und ich wärmte einen Topf
Wein und stellte ihn nieder. Er trank ihn eigenwillig aus, und
von der Trunkenheit sich bewältigen lassend, machte er mir
Anträge. Diese unordentliche Sache lässt sich nicht aussprechen,
ich ertrug es nicht und wies ihn zurecht. Um die Zeit sah er,
dass ihr zurückkehret, er war erschrocken, entfloh und verbarg
sich. Da er in der That beängstigt war, gab er vor, dass er
um die Seinigen besorgt sei und trat hastig die Rückreise an.
Wenn er sich wirklich nach den Seinigen sehnte, hätte er
seiner Schwägerin keine Anträge gemacht und sich nicht wie
ein Thier benommen. Er ist zwar euer jüngerer Bruder, doch
wenn man die Beschaffenheit der Herzen zu einander hält,
so ist sie gleich dem Schnee, der jetzt fällt, neben der Kohle,
die man an den Rand der Feuerstätte legt. Da er ein so böses
Gewissen hat, kann er bis zum Frühlinge- nicht noch einmal
kommen. Gesetzt, er ist so schamlos und kommt, so lasset ihn
nicht nahe treten.
Tote | naki-tsu ku-doki-tsu \ iki-maki-sewasi-ku ) malcoto-si-
jaka-ni tsuge-si-ha ba | take-jasu kiki-te o-oki-ni odoroki \ naka-
ba-wa 'jpj (sin)-zi | naka-ba-wa utagai-te \ sibasi mono wo-mo
iwazari-si-ga \ tatsi-matsi kaja-kaja-to utsi-warai | loaga ototo-
iva | mono-no dd-ri-ico wakimaje-tare-ba | sarn masa-na-goto ivo
suru fito-ni arane-do \ so-wa —■ (itsi-zi)-no jjjjlj* Ä (sui-
kib)-nite-zo aru-beld \ kanarazu kokoro-ni tome-tamb-na-jo. Ware-
mo mcita kikazaru gotoku-nite aru-beld nari-to iü-ni \ fatsi-su-ba
futa-tabi naki-sidzumi-te \ on-mi-wa nani-goto-ni-mo kokoro-jouiaku
owasu nare-ba \ ototo-ni saje anadorare-tamajeri | ika-ni-site-ka \
kono iki-dowori-wo ivasuren tote | nawo kudo-lcudo-to nonosiru-ni-
zo | take-jasu-iva ito niga-niga-siku obojete | sama-zama-ni i-i-
Die Einkehr in der Strasse von Kanzaki.
511
nagusamuru fodo-ni futsu-mi-ka-ioo fete fatsi-su-ba-iva | jaja
take-akira-ga lcoto-wo iwazu nari-nu.
So erzählte sie bald weinend, bald seufzend, mit athem-
loser Hast, als ob es wahr wäre. Take-jasu, als er dieses hörte,
entsetzte sich sehr. Halb es glaubend, halb es bezweifelnd,
sprach er eine Weile kein Wort. Dann lachte er plötzlich laut
auf und sagte: Da mein jüngerer Bruder das Rechte an den
Dingen zu unterscheiden weiss, so ist er kein Mensch, der eine
so Unrechte Sache verübt. Doch es kann dieses die trunkene Lust
einer Stunde sein. Behaltet es gar nicht in eurem Gedächtnisse.
Auch ich werde tliun, als ob ich es nicht gehört hätte. — Fatsi-
su-ba, zum zweiten Male in Thränen gebadet, sagte: Weil ihr
in allen Dingen weichherzig seid, werdet ihr von eurem jüngeren
Bruder nur verachtet. Auf welche Weise könnte ich diesen
Unmuth vergessen? — Da sie noch immer klagte und schalt,
fühlte sich Take-jasu sehr unbehaglich und tröstete sie auf
allerlei Weise. Nach zwei bis drei Tagen kam es dahin, dass
Fatsi-su-ba kaum mehr von Take-akira sprach.
Greni ^ (in-fu)-no wotto-wo azamuki | *jg* |^jJ
(kotsu-niku)-wo jaburu koto \ tatsi-tsurugi-ni-mo masareri. Wähl
te kono fatsi-su-ba-ga gotoki-wa | tsu-no kuni-ni ari-si-toki \ sai-
kei-wo otosl-te | (kiaku)-wo sakuru-no kagasi-to si \ ima mata
take-akira-ni tawafurete kajette kore-wo ||| =2“ (zan-gen)-su.
m a (Fu-zin)-wa -% & (sai-sioku) + » (ziü-bun)
narazu-to-mo [ kokoro-zama tadasi-ku | mono-jawaraka-naru-wo
H i. (sai-zio)-to su \ mi-wa ^Jj|J (riü-lcb) ft m (kua-
gai)-ni ari-te | kokoro-wa « -fr F (mu-ka-u)-no (kib)-
ni asobi-si | (kugutsa)-me saje ari. (Maki)-wo
firaku-no % iK (dzi-dzio)- (fai) \ koko-ni itatte masu-
masu okonai-wo tsussimi \ sosiri-wo si-site-no notsi-ni \ nokosazi-to
omo-behi koto fff S (kan-jo)-ni koso.
In der That das ausschweifende Weib, welches den Gatten
betrügt, Knochen und Fleisch zerstört, übertrifft Schwerter und
Haudegen. Insbesondere diejenigen, welcher gleich dieser Fatsi-
su-ba. Zur Zeit als sie in dem Reiche Setsu lebte, berückte
sie Sai-kai und machte ihn zur Hirschscheuche, um von dem Gaste
loszukommen. Jetzt wieder macht sie Take-akira Anträge und
verleumdet ihn ihrerseits. Das Weib, fehlen ihr auch zehn Theile
t* f i z in a i c r.
512
Begabung und Schönheit, hält Rechtschaffenheit und Sanftheit
des Gemüthes für das Höchste. Es gibt selbst Tänzerinnen,
welche in den Durchwegen der Weidenbäume, in den Blumen
strassen sich aufgehalten, deren Sinn in den Bezirken des Wesen
losen sich vergnügt- hat. Dass die das Buch öffnenden Mädchen,
bis hierher gelangt, immer mehr über ihren Wandel wachen,
darauf denken, nicht den Tadel nach ihrem Tode zu hinter
lassen, ist eine Nothwendigkeit.
Die Regenniantelinsecten der Aesclieniiste.
Koko-ni mata \ i-wara zi-ro-zi-rb take-akira-ga ko-domo \
taje ta-zi-kifsi-ica \ saki-ni tori-te-no masura-wo-m imasimerarete j
fawa-no ^ (wb-si)-wo sukü koto-wo jezu | nalii-gara-wo
mi-kajeri-tsuisu \ namida-to tomo-ni fikare-juki-nu. Kokoro-no
utsi osi-fukararete aware nari. Kaku-te sa-sa-ki (ke)-no
^ 3|j- (sitsu-zi)- {f|£ (sioku) | |Jj f£J jama-ta Zl
(nobu zi-rb) & m (nori-mitsi)-to m mono \ udzi-jori-no tW
(mei)-wo ulcete | kndan-vo hib-dai-wo fiki-idasasi \ fi-goto-ni seme-
td-to ije-domo | kare-ra ika-de-ka sono koto-no moto-voo siru-beki.
Sika-wa are \ mosi tsitsi-no juku-je-wo akara-sama-ni iwa-ba \
otte tatsi-niatsi-ni \ kano tsi made-mo kakari-te \ ika-naru uki-me-
ni ai-tamawan-mo fakari-gatasi. 'Lada sirazit-to iü-ni-wa sikuzi-to
si-an-.si \ ika-ni towarure-domo malcoio-ico tsugezu.
Ferner wurden jetzt Taje und Ta-zi-rö, die Kinder I-wara
Zi-rö-zi-rö Take-akira’s, welche, von den als Häscher ver
wendeten Kriegsleuten gebunden, bei dem unglücklichen Tode
ihrer Mutter nicht helfen konnten, indem sie auf den Leichnam
zurückblickten und mit einander Thränen vergossen, weggeführt.
Was in ihrem Herzen vorging, ist leider zu ermessen. Der
Führer der Geschäfte des Hauses Sa-sa-ki, ein Mann Hamens
Jama-ta Nobu-zi-ro Nori-initsi Hess, nachdem er den Befehl
Udzi-jori’s erhalten, diese Geschwister herausführen und ver
hörte sie täglich. Doch wie konnten diese den Grund der Sache
wissen? Gesetzt auch, es wäre so, wenn sie den Aufenthalt des
Vaters offen angeben, würden die Verfolger plötzlich bis zu jenem
Lande kommen, und es war unmöglich zu ermessen, in welche
Die Einkehr in der Strasse von Kanzaki.
.513
Gefahr er gerathen würde. Indem sie sagten, dass sie es
nicht wissen, urtheilte man, dass es nicht so sei. So sehr sie
auch befragt wurden, sie sagten nicht die Wahrheit.
Tsitsi-wa müsi-no ku-no Jcata-ni jukari-no mono-are-ba \
sore-ioo tadzunete kudaru-tote \ kari-some-ni tabi-datsi-faberi-
si-ga | tsumabiraka-ni kikoje-okane-ba \ sato-no na-mo \ sono fito-
110 na-mo siri-faberazu. Ta,toi inotsi-ivo mesaruru-to-mo | sirazaru
Icoto-wo ika-ni sen. Tada kono uje-no on-nasake-ni-wa \ sumijaka-
ni seme-lcorosi-te tabe \ fawa-wa si-site fi-kazu fodo-fure-domo \
(ko)-to site kore-wo föfuni koto-ivo jezu. Tsitsi mata, mu-
zitsu-no tsumi-ni jotte \ tsumi-serani.ru koto ara-ba | utsu-semi-no
jo-wo musabori-te \ nagarbru-to-mo kai-iua nasi. Waga fawa
moro-to-mo-ni | gokv-raku -| - (zid-do)-to jaran-je omo-
muki | ima-no ^ m (ku-gen)-wo manukare-fabera-ba \ uresi-
karu-besi-to iil.
Sie sagten: Da der Vater in der Gegend des Reiches
Mutsu einen Verwandten hat, so ist er, um ihn aufzusuchen,
vorläufig abgereist. Da er es nicht genau berichtete, wissen wir
weder den Namen des Dorfes noch den Namen jenes Menschen.
Gesetzt, man bestraft uns mit dem Tode, wie können wir etwas
thun, das wir nicht wissen? Möget ihr nur noch die Güte haben,
uns schnell durch die Marter zu tödten. Die Mutter ist gestorben,
und obgleich Tage vergangen sind, können die Kinder sie nicht
begraben. Wenn der Vater eines unwirklichen Verbrechens
willen in Anklagestand versetzt wird, so nützt es uns nichts,
wenn wir auch, nach der hohlen Welt begierig, am Leben
bleiben. Wir werden zugleich mit unserer Mutter zu der reinen
Erde des Paradieses wandeln und, wenn wir dem gegenwärtigen
Leiden entkommen, voll Freude sein.
Sono iü goto-ni warobirezu \ ane-mo ototo-mo kenage-nite |
(si)-wo kiwame-taru ari-sama nare-ba | nori-mitsi fisoka-nr
js m (kan-geki)-site \ sibaraku ßto-ja-ni sirizokasi | nawo sono
tatsi-furumai-wo ukago ni \ kare-ra (rui-setsu)-no utsi-
ni ari-to ije-domo | jjj® (rei-zib)-ioo midasazu. Ototo-wa ane-
wo ijamai \ ane-ioa ototo-wo awaremi \ firu-wa fi-ne-mosu jo-wa
jo-mo-sugara \ kuan-on-satta-no mi-na-wo tonqjete \ fawa-no tame-
ni bo-dai-wo toi mata I jO 4» (sin-tsiü)-ni hi-nen-site | waga
tsitsi-wo | itsu-made-mo kano tsi-ni orasi-tamaje-kasi. Tsitsi-wa
Sitzungsber. cl. phil.-liiat. CI. LXXXIII. Bd. IV. TIft. 33
514
P f i z m a i e r.
kakaru Jcoto-wo sirade \ uka-uka-to kajem-ki-masa-ba \ tatsi-matsi-
ni imasimerarete I Rpf M (ka-siaku)-no simoto-ni inotsi ajci-u-
kari-nan. Na-mu kuan-ze-on bo-satsu | * 3|£ (dai-dzi) a m
(dai-fi)-wo tare-tamaje-to | nen-guan-si | joso-nite koiva-daka-ni
utsi-katarb-ivo more-kiki-te-mo \ mimi-wo soba-date \ mosi waga
tsitsi-no kajeri-kite \ toraware-ja si-tamb-ka tote \ tada (sen-
sen) (kib-kib)-to \ usuki kori-wo fumu kokotsi-si \ onore-
onore-ga mi-no uje-wa \ tsuju-b ciliari-mo omoi-to sezu \ fawa-wo
(tmi-bo)-si \ tsitsi-ico (ke-nen)-si \ sode-wa
namida-ni sibori-aje-nu. (Ai-zib) iü-beku-mo arazari-keri.
So oft sie dieses sagten, Hessen sie den Muth nicht sinken.
Die ältere Schwester und der jüngere Bruder blieben stand
haft und schienen zum Tode entschlossen. Nori-mitsi war im
Geheimen davon ergriffen, und Hess sie eine Zeitlang sich in
das Gefängniss zurückziehen. Er beobachtete noch mehr ihr
Benehmen. Obgleich in Fesseln, brachten sie keine Störung in
das Nachgiebige der Gebräuche. Der jüngere Bruder ehrte die
ältere Schwester, die ältere Schwester bedauerte den jüngeren
Bruder. Den ganzen Tag und die ganze Nacht riefen sie den
hehren Namen der Göttin Kuan-on und sprachen Todtengebete für
ihre Mutter. Ferner beteten sie im Herzen: Möchte unserVater
doch so lange als möglich in jenem Lande bleiben! Wenn er, dieses
nicht wissend, unbesonnener Weise zurückkehrt, wird er plötzlich
gebunden werden, und sein Leben unter der Ruthe der Zurecht
weisung in Gefahr gerathen. Namu, Göttin Kuan-ze-on! Lasse
das grosse Wohlwollen, das grosse Erbarmen herab! — Als man
sie Aussen mit lauter Stimme sprechen hörte, horchte man, und
sie sagten: Wird unser Vater, wenn er zurückkehrt, gefangen
genommen wei’den? — Nur zittei'nd und zagend hatten sie das
Gefühl, als ob sie auf dünnes Eis träten. An sich selbst dachten
sie nicht im Geringsten. Sie liebten die Mutter noch nach dem
Tode, hängten die Gedanken an den Vater, und der Aermel ward
unter Thränen zxisammengepresst. Es war unaixssprechlich ti’aurig.
Nobu-zi-ro nori-niitsi-wa ] kare-ra-ga furumai-wo tsura-
tsura miru-ni | J||| (kb-ziim)-ni site ^ (fan-ten)-
mo utagb-beki koto-nasi. Koko-ni koto-no okori-wo kangbre-ba \
usi-wo kataru fodo-no knse-mono nara-
koko-ni ojoban-ja. Sono ko-no sakaki-
zi-ra-zi-rb fü-fu-no mono
ha | ko-wo wosijuru koto
wo mite
3t
-fsj: (fu-bo)-no
(ken-rib)-naru-wo osi-
Die Einkehr in der Strasse von Kanzaki
515
fakararu. Ware mosi kore-wo sukuwazu-wa | ^ }|jjjj (ten-zin)
tomo-ni ikatte \ kuni-ni wazawai-wo kudasu-besi. Sika-nari-nari-
to fitori unadzuki \ jagate koto-no josi-wo | Jj|| fjj (koku-si)
udzi-jori-ni kikoje-age \ nanigasi kono goro \ zi-ro-zi-rb-ga ko-
domo-ra-wo \ itaku seine | kibisi-ku toi-sbrai-si-ni \ kare-ra
zitsu-ni tsitsi-no juku-je-wo sirazu. Katsu sono tsitsi-ga tsumi
saje utagawasi-ki-ni \ sono ko madzu (rakn-mei)-se-ba |
itamasi-ki koto-ni koso. Sika-nomi narazu kano-kib-dai-ga
# * (kb-tei) -rtaru koto | sika-sika-nari. ® (gu-anj-
wo mote *1 Dt (fan-dan)-suru toki-wa \ mono-e-mon-ga usi-
wo katari-si-iva | 3S (aku-sd)-ga ßtori-no waza-nite \ zi-
rb-zi-rb-wa nusumi-mono nari-to-mo sirazu. Kore-ico kbte ivaza-
wai-ni ajeru naru-besi. Ja-e ika-ni-to nare-ba | sono tsitsi
(zoku)-wo nasu fodo-nite \ ko-wo wosijuru koto-wa jö-sezi. Aware
kano kio-dai-wo fanatsi-kajesi-te | fawa-no fofuri-wo tori-itona-
masi | sono ^ (kd-sin)-wo fatasasi-tamaje-kasi.
Nobu-zi-rö Nori-mitsi sagte zu sich selbst: Wenn man mit
Aufmerksamkeit ihr Benehmen beobachtet, so ist an ihrer
Aelternliebe und an ihrem Gehorsam nicht im Geringsten zu
zweifeln. Ich untersuche hier die Entstehung der Sache, und
es fragt sich: Wenn Zi-ra-zi-rö und dessen Gattin Uebelthäter
sind, welche einen Ochsen durch Betrug herauslocken, wie
könnten sie ihre Kinder so gut erziehen? Von der Verstän
digkeit ihrer Kinder kann auf die Vortreffliclikeit ihrer Aeltern
geschlossen werden. Wenn ich sie nicht rette, so werden die
Götter des Himmels in Gemeinschaft zürnen und über das Reich
Unheil herabschicken. •— Hiermit einverstanden, brachte er so
gleich die Umstände Udzi-jori, dem Vorsteher des Reiches, zu
Ohren, indem er sagte: Ich habe um diese Zeit die Kinder Zi-rö-
zi-rö’s scharf gepeinigt und streng verhört, und sie wussten
wirklich nicht den Aufenthalt ihres Vaters. Voi'läufig ist die
Schuld ihres Vaters ganz zweifelhaft, und wenn seine Kinder
früher ihr Leben verlieren, wäre es eine schmerzliche Sache.
Dieses ist es nicht allein. Die Aelternliebe und Geschwister
liebe dieser Geschwister geht weit. Wenn ich es mit meiner
schwachen Einsicht beurtheile, so ist der Betrug hinsichtlich des
Ochsen Mono-e-mon’s einzig das Werk des schlechten Bonzen,
und Zi-rb-zi-rö wusste nicht, dass er gestohlen ist. Es kann sein,
dass er ihn kaufte und in Unglück gerieth. Dem sei daher wie
33*
516
P f i 7. m a i e r.
wolle. Wenn der Vater ein Räuber ist, kann er sich mit der Be
lehrung seiner Kinder nicht befassen. Möget ihr diese Geschwister
zurückschicken, sie die Bestattung ihrer Mutter bewerkstelligen
und ihre älternliebenden Vorsätze ausführen lassen.
To | nibse-si-ka-ba | udzi-jori kiki-te | geni nandzi-ga mosu-
tokoro-no gotoTtu naraba \ ^ iU (fu-bin)-no koto nari. Sam
ba sono mono-domo-ico jurusi-te \ ije-ni kajerase-jo. Sare-do zi-
ra-zi-ra-wa jurusi-gatasi. Ima-ni-mo are tatsi-kajeri-nu-to sira-
ba | sumijaka-ni karame-totte \ kono moto-wo j||j ^ (kiku-mon)-
se-jo. Kare usi-wo husanm-ni arazu-to-mo \ kai-taru-mono-ni tb-
ni arazu-ba \ aku-so-ga jukuje-ico siri-gata-karan. Kanarazu si-
mo jurukase-ni na-se-so-to bsure-ba \ nori-mitsi i-i-to site sirizoki-
ide | taje \ ta-zi-kitsi-wo jobi-idasi-te \ Q ff] (kokn-si)-no
t m (zin-kei)-wo toki-sirasi \ tada-ni se-ta-je kqjesi-tsaka-
wasi | usi-wo-ba sono nusi-ni torase-keri.
Udzi-jori, als er dieses hörte, sprach: Wenn es wirklich
sich so verhält, wie du sagst, so ist es eine traurige Sache.
Setze also diese Leute in Freiheit und lasse sie nach Hause
zurückkehren. Indessen kann man Zi-ra-zi-ra unmöglich frei
geben. In dem Augenblicke wo man erfährt, dass er heimgekehrt
ist, binde ihn schleunigst und verhöre ihn. Hat er auch den
Ochsen nicht gestohlen, wenn man nicht den Käufer fragt,
wird man den Aufenthalt des schlechten Bonzen nicht erfahren
können. Nimm die Sache keineswegs leicht! — Nori-mitsi
stimmte bei und zog sich zurück. Er rief Taje und Ta-zi-kitsi
heraus, verständigte sie von der Menschlichkeit und Güte des
Vorstehers des Reiches und schickte sie geraden Weges nach
Se-ta zurück. Den Ochsen übergab er dem Besitzer.
U ist eine Partikel der Bejahung.
Saru-fodo-ni taje ta-zi-kitsi-wa \ fakarazu-mo imasime-
tokete | jume-dzi-ivo tadoru kokotsi-si-tsu. Sono fi-no jü-gure-ni \
loaga ije-ni fasiri-kajeri-te mire-ba | kado-wa o-o-oki-jaka-naru
kugi mote tozare-taru-ga \ itodo saje kudzure-katafvki-taru kusa-
no ja-no \ kono fatsu-ka amari \ fito-mo sumazu nari-ni Icere-
ba | ame juki-ni kabe saje otsi-te | kuguri-iran-mo a * (zi-
zai)-tari. Asamasi-to miru fodo-ni | ltiö-dai madzu namida nomi
fbri-otsi-te \ sibasi tadazumi-taru-ga \ fawa-go-no naki-gara-ioa
ika-ni owasu-ran | & m (kin-rin)-no fito-wö odarokasi-te \
sini-fadzi-wo kakasi-tate-matsnran-wa \ fS (bin)-naki ivaza nari.
Die Einkelir in der Strasse von Kanzaki.
517
Taje und Ta-zi-kitsi, wider Vermuthen von den Banden
befreit, hatten ein Gefühl, als ob sie auf den Wegen des Traumes
umhertappten. An dem Abende dieses Tages, zu ihrem Hause
zurücklaufend, sahen sie, dass das Thor mit grossen Nägeln
verschlossen war. Da das immer mehr verfallende, mit Stroh
gedeckte Haus diese zwanzig Tage hindurch unbewohnt war,
sanken von dem Kegen und Schnee die Mauern, und es stand
frei, in gebückter Stellung hineinzugehen. Bei oberflächlicher
Betrachtung fielen zuerst die Thränen der Geschwister. Eine
Weile auf und ab gehend, dachten sie, wie der Leichnam der
Mutter beschaffen sein werde. Die Nachbarn aufschrecken und
tödtliche Schande auf sich laden, würde etwas Trauriges sein.
Fisoka-ni kcido-no to-wo kodzi-te min tote \ fara-kara tsi-
hara-ibo awasi-tsutsu | fiki-fanasan-to suru-ni \ kcitaku utsi-tsuke-
tare-ba J kai-naki tsikara-ni-wa ojobu-beku-mo avazu. Sara-ba
kasiko-jori kuguri-iran-ni-wa tote | moro-tomo-ni kabe-no kudzure-
jori iri-ni-kere-ba \ utsi-ni-wa nezumi-no -jh* (fun) nomi udzu-
takaku | tsika-goro-no jo-araui-ni | ja-ne-mo naka-ba-wa fuki-
torare | wori-si-mo jü-dzuki-no kage \ kuma-naku mori-te \ ma-
firu-no gotoku navu-ni \ to mire-ba | ana illt (niu-zan)-ja \
moto-je-ioa inuru fi | utsi-svjerare-taru mama | noke-sama-ni
tbrete ari. Ima Jg| (gen-kan)-no zi-setsu naru-ni | jci-ne-
no kudzure-jori | fuvi-ire-taru Juki simo-ni | naki-gara-wo todzi-
rarete \ omoi-no foka-ni kutsi-tadare-wci sene-do \ to-zoku-no
waza-to obosi-ku-te \ tsito-bakari no (tsio-do)-wa sara-
nari \ naki-bito-no i-fuku saje fagi-tari-te \ aka-fadaka-ni si-taru-
ivo | uje-taru inu-no tsui-bami-ja sari-ken | ß-ioara isarai-no
atari-wo \ sitataka-ni kui-tori-te \ siroki-fone-ivo arawasi | fara-
viata nagnku fi-i-te \ aka-ko-no jena-to iü mono-meki-tari.
Sie sagten: Wir werden heimlich die Seitenthürc des Thores
aufheben und hineinsehen. — Die Geschwister wollten mit
vereinter Kraft die Tlnire wegziehen, doch da sie fest angefügt
war, konnten sie es mit ihrer nutzlosen Kraft nicht zu Staude
bringen. Sie sagten also, dass sie von der anderen Seite gebückt
hereintreten werden. Als sie miteinander bei der eingestürzten
Stelle der Mauer hereintraten, war in dem Inneren nur Rattenkoth
hoch aufgehäuft und von den Nachtstürmen der letzten Zeit
auch die Hälfte des Daches weggeweht. Das Licht des Abcud-
mondes drang eben ungehindert durch, und es war wie am
518
Pfi zmaier.
Mittage. Als sie hinblickten, lag, o Entsetzen! Moto-jc gerade
so, wie sie in den verflossenen Tag'en zu Boden geschlagen
worden war, auf dem Rücken. Da jetzt die Zeit der strengen
Kälte war, war der todte Körper von Schnee und Reif, die
durch das eingebrochene Dach hereintielen, umschlossen. Wider
Vermuthen war er zwar nicht verfault, doch es waren, ver-
muthlich durch Diebe, nicht allein die wenigen Hausgeräthe,
sondern auch die Kleider der Todten weggenommen und diese
nackt ausgezogen worden. Von hungerigen Hunden vielleicht
angebissen, war die Gegend des Bauches und des Hinterleibes
stark abgefressen und zeigte die weissen Knochen. Die Ein
geweide waren in die Länge gezogen und ähnlich der Nach
geburt des Kindes.
Kore-wo miru Ä Jfc (kib-dai)-ioa | tatsi-viatsi me-mo
kure kokoro kije | jo-jo-to naki-tsutsu naki-gara-no \ migi-to fi-
dari-ni tori-tsuki-te tomo-ni sinu-beku nageki-si-ga \ taje-wa sasu-
ga-ni tosi-mo masari-te \ kakaru toki-ni-mo urotajezu \ fori-otsuru
namida-no fima-ni | uje-naru jare-ginu-wo nugi-te \ fawa-no si-gai-
niutsirkise \ oto-to-wo mi-kajeri-te iü jo | ika-nare-ba ware-wave-wa
kalcic made-ni suku-se asiku-te | fawa-go (ß-mei)-ni M
(sij-si-tamb nomi narazu | sono fofuri dani nasu koto kanawade
i-fuku-wo fagare \ mukuro-wo jaburare \ mi-nanu-ka-wa Jaja
tate-do | tada —■ (ippon)-no fana-wo tamukezu \ totoki
fiziri-no -j^ (in-zeo)-nite | sj| (tsui-zen) |j|.
(butsu-zi)-wo itonamu sura | si-ziu-ku-nitsi-ga sono awai-wa j
(kon-baku) ^2 (tsiü-u)-ni ari-to kiku \ iwan-ja
w n (ka-siaku)-no simoto-nite | faka-naku jo-wo sari-tamai-
si-ka-ba \ iü-beki koto-mo kikoje-tamawazu. Ima-wa-no kokoro-
gurusi-sa-mo omoi-jararete itamasi-ja. (Si)-site-wa kajeranu
mono nari-to-mo \ tada, fito-koto-wa maborosi-ni-mo \ mono-iüte
tabe. Fawa-go no \ taje-nite faberi \ ta-zi-kitsi-mo \ on-katawara-
ni samuro-zo. Oja-ko-wa —* iö: (isse)-to kiku mono-wo | kono
mama wakare-ma-irasuru \ fo-i-nasa-ivo aware-to-iva \ kami-mo
fotoke-mö mi-tamawazu-ja. Waga tame-ni-wa tsuki-mo fi-mo
tarasi-tamawanu iä (jo) nari-se-ba \ kono mi-mo tomo-ni seme-
korosi | fito-ja-no oni-to-wa nasi-mo sede \ kakaru uki-wo mi-jo
tote-ka | kajese-si fito-no uramesi tote.
Die Einkelir in der Strasse von Kauzaki.
519
Als sie dieses sahen, war das Auge der Geschwister
plötzlich finster, ihr Herz geschmolzen. Heftig weinend, erfassten
sie rechts und links den todten Körper und klagten auf eine
Weise, dass sie zugleich sterben konnten. Tajo, in der That
von Jahren älter und auch zu einer solchen Zeit nicht die Be
sinnung verlierend, zog, während ihre Thränen herabfielen,
das an ihrem Leibe befindliche zerrissene Kleid aus und be
kleidete damit den Leichnam der Mutter. Auf den jüngeren
Bruder blickend, sagte sie: Wie es auch sei, für uns war in
einem solchen Masse die frühere Welt schlecht. Nicht allein,
dass die Mutter eines unzeitigen Todes gestorben, sind wir
nicht einmal im Stande ihr Begi’äbniss zu bewerkstelligen.
Die Kleider wurden ihr entrissen, der Rumpf zerstört. Obgleich
es bereits dreimal sieben Tage sind, opferte man auch nicht
eine einzige Blume. Ich habe gehört: Selbst wenn man unter
der Leitung eines geehrten Heiligen die Todtengebete und die
Sache Buddha’s verrichtet, befindet sich die Seele durch neun
und vierzig Tage in dem leeren Raume. Umsomehr ist dieses
der Fall, da sie durch den Stock der Strafe ungewiss die Welt
verlassen hat und man nicht hörte, was sie sagen konnte. Bei
dem gegenwärtigen Wahnsinn des Herzens hieran denken, wie
schmerzlich ist es! Wenn man gestorben ist, mag man wohl
nicht zurückkehren, doch redet, sei es auch durch Zauber
kunst, nur ein einziges Wort! Mutter! Es ist Taje! Auch Ta-
zi-kitsi steht an eurer Seite. Möchten wir doch hören, dass
Aeitern und Kinder ein einziges Geschlechtsalter sind. Unser
Wille ist es nicht, dass wir uns unterdessen trennen, das Leid,
das wir darüber empfinden, sehen es die Götter und Buddha
nicht? Für uns ist es eine Welt, in welcher Mond und Sonne
nicht leuchten. Dass man uns nicht zugleich durch Pein getödtet,
zu Dämonen des Gefängnisses gemacht hat, geschah es, um
uns solches Leid ertragen zu lassen? Die Menschen, die man
heimkehren liess, sind unwillig.
Ku-doki-te-wa rieiki \ naki-te-wa ku-cloku. Joso-ni-wa siranu
sode-no ame-ni \ iri-ai-no kerne oto-dzurete | itod THE
zi'o-wo tsuge-watare-ba \ ototo-mo onazi-omoi-nite | ja-jo ane-go |
amari-ni itaku kanasimi-te \ jami-wädzurai-tamb-na-jo. On-mi-ni
^ ü (fu-rio)-no koto ara-ba \ wagci mi-wa nani-to nari-fa-
beran. Toto-sama ije-ni i-tamawa-ba \ kokoro-dzujoku-mo aru-
520
Pfizmaier.
beki-ni | tabi-ni aru oja-wo matsu-wa I (jo)-no Ir 0™)
kokoro-ni fabere-domo \ ware-ware-wa fiki-lcajete \ kakaru toki-ni-
mo toto-sama-wo \ tatsi-kajerasi-te tamawaru-na tote \ kcimi-ja
fotoke-ni te-ioo awasi | ^ (ki-nen)-wo korasu-wa nani-goto-
zo. Saki-ni tabi-datsi-tamai-si fi-wo \ köre £ (kon-zio)-
110 wakare-to-wa | tete-go-mo fawa-go-mo siri-tamawazi \ itsu-itsu-
made-mo owasuru-to \ omo-mono-kara futa-oja-ni \ (kö-
kö)-rasi-ki tsukaje-mo sezu. Kui-te kajeranu koto-nagaru \ wori-
fusi-wa faica-go-no kokoro-ni \ motori-si koto-mo ari-tsuran.
Jurusase-tamaje \ na-mu ct-mi-da \ na-mu a-mi-da butsu-to tonaje-
tsutsu | kaicari-fate-taru naki-fawa-no fitcii-no kami-ivo nade-agete
kib-dai omote-wo utsi-mi-awasi \ mata same-zame-to naki-ni-keri.
Beim Sprechen weinfe sie, beim Weinen sprach sie. Bei
dem Aermelregen, ausser welchem sie nichts kannte, tönte die
Abendglücke, das überaus Vergängliche meldend, herüber. Der
jüngere Bruder, dieselben Gedanken hegend, sagte: Schwester!
Seid nicht überaus schmerzlich betrübt und werdet nicht krank!
Wenn euch etwas Unverhofftes widerfahren sollte, was würde
dann aus mir werden? Wenn der Vater in dem Hause wäre,
könnte ich festen Sinnes sein. Den auf der Reise befindlichen
Vater erwarten, liegt in dem Gemüthe der Söhne der Welt. Doch
wie wäre es, wenn wir statt dessen vor den Göttern und Buddha
die Hände zusammcnlegten und inbrünstig beteten: Zu einer
solchen Zeit lasset den Vater nicht zurückkehren! Früher, an
dem Tage, wo er die Reise antrat, wussten der Vater und
die Mutter nicht, dass dieses eine Trennung für das gegenwärtige
Leben. Weil ich glaubte, dass sie immerfort da sein würden,
leistete ich den beiden Aeltern nicht Dienste, wie es die Aeltern-
liebe erheischt. Ist es auch durch Reue nicht zu ändern, zu
Zeiten werde ich dem Willen der Mutter zuwider gehandelt
haben. Verzeihet es Namu Amida, Namu Amida Buddha! —
Während er so rief, strich er das Stirnhaar der entstellten
todten Mutter hinaufwärts. Die Geschwister blickten einander
in das Angesicht und weinten wieder heftig.
Kaku-te aru-beld-ni arane-ba j taje-wa jo-jaku-ni kokoro-
zasi-wo fagemasi-te | ototo-ioo isame j asamasi-ki naki-gava-ico |
fito-ni misen-wa fadzi-no uje fadzi nari. (Jo)-no utsi-ni
to-mo kaku-mo site \ kakusa-baja-to omo nari. Namida-wo todo-
mete (jb-i)-si-tamai-te-jo-to iü-ni \ ta-zi-kitsi-wa kokoro-
Die Einkehr in der Strasse von Kanzaki.
521
wo jete | moro-tomo-ni tatsi-agari-si-ga fitsugi-wo kawan tatsuki
na-kere-ba | nusu-bito-ga tori-nokose-si | furi-ta.ru (si-to)
woke-ni \ ara-nawa-wo Tcakete \ fawa-no si-gai-wo kaki-osame \
jagate bko-wo sasi-towosi [ kio-dai ato-be saki-be-ni nari-te | sude-
ni motage-idasan-to suru-ni | ane-wa ko-tosi ziü-go-sai \ ototo-wa
futa-tsu otori-nite | ka-jowaki ivotome (sid-nen)-no itodo
& % (ai-zio)-ni tsikara-naku | iku-tabi-ka osi-sukumerare < ani-
ga marobe-ba ototo-mo tsumadzuki | mata Icaki-idete-iua \ joromelri-
joromeki ajumi-najami-te iki-wo tsuki | tajukeki kata-wo jasume-
tsutsu | tsuki-wa joi-jori akare-do | namida-ni mitsi-mo mije-
wakazu.
Da es nicht so sein konnte, fasste Taje endlich einen
Entschluss, ermahnte ihren Bruder und sagte: Den elenden
Leichnam den Menschen zeigen, wäre Schande über Schande.
Ich glaube, wir sollten ihn in der Nacht auf irgend welche
Weise verborgen. Timt den Thränen Einhalt und machet euch
bereit. — Ta-zi-kitsi war einverstanden, und Beide erhoben
sich zugleich. Da sie nicht die Mittel hatten, einen Sarg
zu kaufen, hängten sie an einen alten vier Nösscl messenden
Zuber, welchen die Diebe nicht mitgenommen hatten, einen
rohen Strick und legten den Leichnam der Mutter hinein. Sie
steckten sogleich eine Stange durch, und die Geschwister, nach
vorn und rückwärts sich stellend, wollten ihn schon hinaus
tragen. Die ältere Schwestev war dieses Jahr vierzehn Jahre
alt, der Bruder zwei Jahre jünger. Das schwache Mädchen
und der Jüngling, von dem übermässigen Leid kraftlos, brachen
mehrmals zusammen. Wenn die Schwester stürzte, strauchelte
auch der Bruder. Als sie dann noch die Last hinaustrugen,
wankten sie immer, quälten sich im Einherschreiton und holten
schwer Athem. Während sie die erschlafften Schultern ausruhen
Hessen, leuchtete der Mond zwar durch die Nacht, doch unter
Thränen erkannten sie nicht den Weg.
Sare-do (kb-si)-no —• (itsi-nen)-nite \ asi-
wo naje \ rtii-wa tsukarure-domo \ kore-ioo itowazu. lje-ico ide
sato-wo fanare \ ziü-si-go-teo anata-naru \ oka-no fotori-ni kaki-
mote-juki \ säte fdfuri-faten-to suru-ni \ suki-mo kuwa-mo arazare-
ba | ilca-ni sen tote tajutai-si-ga \ ~ kono aki-no naga-ame-ni |
kuje-tari-to obosiku-te \ o-oki-jaka-naru fa/waso-no ne-no fora-no
gotoku-ni nari-taru ari. Kore (ku-kib)-na-meri tote \
522
P f i z m a i e r.
jagate sono ana-ni kaki-orosi ki'o-dai hata-mi-ni tsutsi-wo fakobi |
kar'o-zite udzume-fate \ maki-no sa-jeda-wo ta-toori Jäte | tsuka-no
sa-jü-ni kore-wo täte | fara-kara tana-soko-ivo utsi-awasi \ nami-
da-wo ta-mvke-no midzu-ni-site | moro-tomo-ni mosu jo.
Indessen bei dem einzigen Denken älternliebender Kinder,
waren auch ihre Füsse gelähmt, ihr Leib erschöpft, sie achteten
es nicht. Sie traten aus dem Hause, verliessen das Dorf und
trugen die Last zu der in einer Entfernung von vierzehn bis
fünfzehn Strassenlängen jenseits befindlichen Seite einer Berg
hohe. Als sie jetzt das Begräbniss bewerkstelligen wollten, fehlten
ihnen Spaten und Haue, und sie waren unschlüssig, was sie
thun sollten. Da zeigte sich ihnen etwas, das gleich der Wurzei
höhle einer, wie es den Anschein hatte, durch den langwierigen
Regen dieses Herbstes ausgewaschenen grossen Aesche. Sie
sagten: Dieses scheint ganz vollendet zu sein. — Sie Hessen
sogleich die Last in die Höhle herab. Die Geschwister schafften
mit einander Erde herbei und brachten die Eingrabung mit
Mühe zuwege. Sie brachen mit der Hand Eibenzweige und
stellten diese zu beiden Seiten des Grabes auf. Die leiblichen
Geschwister, die Handflächen zusammenlegend und die Thränen
zum Wasser des Handopfers machend, wiederholten hierauf in
Gemeinschaft das folgende Gebet:
Waga fawa-wa | (siö-gai) ^ (dzi-fi)-ivo
moppara-to site \ kari-ni-mo asiki okoncä-wo nasi-tamawane-do
fito-fi-mo jasuki-omoi wo sede \ amascije (fi-mei)-ni fate-
tamo koto \ m Ufc (suku-se)-no Hl’- (aku-gd) nara-ba \
nageku-ni josi-nasi. Kusa-ba-no kage-to jaran-nite \ tete-go-no
koto-wo kokoro-uku obosu-beki-ga | taje ta-zi-kitsi-ra-ga inotsi-
ni kajete-mo | tete-go-wo sukui-ma-irasu-besi. Negawaku-wa
m (bon-no)-no kidzuna-wo tatsi-te \ tatsi-matsi ^tjjj
(bukkua)-ivo je-tamaje-kasi. Na-mu jjtj (sai-fo) ^
(goku-raku) a-mi-da butsu | (dai-dzi) * m (dai-
fi)-no kuan-se-on \ % m n (an-jb-se-kai)-ni mitsi-biki-
tamaje \ na-mu |||l (jü-rei) j||| (ton-sio) bo-dai-to
IhI ihJ (e-ko)-si-tsu.
Unsere Mutter hielt in ihrem Leben Wohlwollen und
Mitleid für das Erste, verübte nicht im Geringsten eine böse
Handlung. Dass sie aber eines Tages keine ruhigen Gedanken
Die Einkehr in der Strasse von Kanzaki.
523
hatte und überdiess eines unzeitigen Todes starb, wenn dieses
die böse Beschäftigung der früheren Welt ist, dann ist es ver
geblich, wenn wir klagen. In dem Schatten der Blätter der
Pflanzen werden wir mit traurigem Herzen des Vaters gedenken,
Taje und Ta-zi-kitsi werden um dem Preis ihres Lebens den
Vater retten. Wir bitten, dass sie die Fesseln der Sinne durch-
sclineide, plötzlich die Frucht Buddha’s erlange. A-mu Na-mi-
da-Buddha des Paradieses der westlichen Gegend, Kuan-se-on
von dem grossen Wohlwollen, dem grossen Erbarmen, geleitet
sie auf dem Wege zu der Gränze der Welt der ruhigen Pflege.
Na-mu, ihr Geist gelange plötzlich zum Leben, zum Heile!
Sirizokan-to suru toki-ni \ kokoro-jurumi-te-ja gakkuri-to \
tbruru ane-ioo tai-zi-kitsi-ga \ awate-futameki-te idaki-okosi \ ko-
kotsi-ioa ika-ni owasuru-to \ towarete kawo-wo utsi-mamori | eine
nare-bci koso oto nare-bci koso | joi-jori on-mi-ga koto-goto-ni j
itawari-te tamawaru-wo \ sono tabi-tabi-ni i-i-wa sene. \ Kokoro-
defomete i-tari-si-zo-ja | fi-goro sitasi-ki tomo-dotsi-mo \ ato-zusari-
site minu furi-suru \ fito-no otsi-me-wa kahu-made-ni \ adziki-
naki mono naran-to-iua \ ima-zo icaga mi-ni omoi-sirn | motsn-
beki mono-wa ototo nari. Sude-ni fawa-go-no naki-gara-wa fofori-
tsu | naico kokoro-ni kakareru-wa | tete-go-no uje nari. Kaku-to-
mo sirazu kajeri-kite \ tatsi-matsi-ni karamerare | mata-mo
(fi-meij-ni (si)-si-tamawa-ba | ima-no kanasimi-ni ija-
masi-te \ to-ja aran \ kaku-ja aran-to | saki kuri-wo seraruru
fodo | iki-taru kokotsi-mo aranu nari. pjj' (Sio-sen) usi-ivo
nusumi-taru mono-wa ] kono taje-nite | tsitsi-no sireru koto narazu-
to kaki-oki-si |_ faica-go-to tomo-ni fawaso-gake-no | tsutsi-to-mo
nara-ba jo-no fito-no \ koto-no fa-zu-e-ni kakaru mi-to \ tete-go-ni-
mo more-kikoje-na-ba | kono scdo-je-ica tatsi-kajerade \ wazaioai-
100 sake-tamb-besi. Mata on-mi-wa iki-nokori-te \ fako-ne-to jaran-
je tadzune-juki | koto-no josi-wo tsuge-mosi j tete-go-ni (ko-
ko)-si-tamaje-jo | kcisikoki mono-zo kiki-ioake-si-ga | ja-jo-ja-jo-to.
Als sie sich zurückziehen wollten, sank die ältere Schwester,
im Herzen vielleicht matt, zu Boden. Ta-zi-kitsi, erschrocken,
hob sie in den Armen empor. Auf die Frage: Wie fühlt ihr
euch? blickte sie ihm fest in das Angesicht und sagte: Es ist
um die ältere Schwester, es ist um den jüngeren Bruder. Seit
der Nacht habt ihr in allen Dingen Sorge getragen, wie viele
Male es war, spreche ich nicht aus. Ich habe euch im Herzen
524
Pfiziu ai e r.
gepriesen ! Der durch Tage freundliche Gefährte, zurückprallend
thue ich, als ob ich ihn nicht sähe. Dass die Satzungen der
Menschen in einem solchen Masse eine heillose Sache sein wür
den, wird mir jetzt in meinen Gedanken bekannt. Was ich fest-
halten kann, ist der jüngere Bruder. Wir haben bereits den
todten Körper der Mutter begraben. Was mir noch immer auf
dem Herzen liegt, ist die Sorge um den Vater. Wenn er, nicht
wissend, dass es sich so verhält, zurückkommt und plötzlich
gebunden wird, wenn auch er eines unzeitigen Todes stirbt, wird
die' gegenwärtige Trauer noch vermehrt. Indem die Sache, es
mag so oder anders sein, früher ausgesponnen wird, habe ich nicht
das Gefühl, als ob ich lebte. Wenn ich, wo ich niedergeschrieben
habe, dass diejenige, welche den Ochsen geraubt, diese Taje
ist, dass der Vater davon nichts weiss, mit der Mutter zugleich
Erde des Aeschenschattens werde, wenn dann auch von dem
Vater die Kunde gehört wird, dass diejenige, welche an den
Blattspitzen der Worte der Menschen der Welt hängt, ich bin,
wird er zu diesem Dorfe nicht zurückkehren und das Unglück
vermeiden. Bleibet ihr ferner am Leben, gehet, um ihn zu
suchen, nach Fako-ne, meldet ihm den Sachverhalt und übet
gegen den Vater den älternliebendeü Wandel. Der Einsichts
volle hat gehört und verstanden!
I-i-kosiraje \ usiro-mukasi-te si-doke-naki \ obi-wo mumban-
to sure-ba ta-zi-kitsi-wa \ mi-kajeri-tsutsu fasiri-noki | ko-wa
kokoro-mo jenu koto-wo no-tamo kann. Mi-wo korosi-te oja-ivo
sukü | sono tabalcari-wa kotoivari nare-do | on-mi-iva ivonago-no
koto-ni si are-ba | tatoi usi-wo nusumi-si-to \ kaki-nokosi-tam'o-to-
mo | tare-ka makoto-goto-to kiki-faberan. Koto-sara-ni fako-ne-
to-ka iü jama-wa \ koko-jori mitsi-mo w m (fiaku-ri) -ni
amari-te | futa-sudzi mi-sudzi-ni wakare-taru | tsika-mitsi ari-to
kiku monu-ivo \ waga ’mi kasiko-made juki-tsukazu \ tsitsi madzu
kajeri-tamawan-ni \ rnosi mitsi-niteJuki awazu-wa \ itadzura-got.o-
to nari-faberan. Kakare-ba usi-ioo nusumi-si-wa \ ta-zi-kitsi
nari-to kaki-nokosi | waga mi kubirete n (si)-si-foberem | ane-
go koso iki-nokori \ faru-baru fako-ne-je itaran-jori \ kuni-no
sakai-ni matsi-tsukete \ tete-go-no kajeri-tam'o-ni ai \ idzutsi-je nari-
to-mo tatsi-noki-te \ fawa-go-no bo-dai \ waga naki-ato \ tote tabe-to.
Nach dieser Rede wandte sie den Rücken und wollte
den losen Gürtel knüpfen. Ta-zi-kitsi lief zurückblickend weg
Die Einkolir in der Strasse von Kanzaki.
525
uncl sagte: Welch’ eine unbegreifliche Sache sprechet ihr hier!
Sich selbst tödten und den Vater retten, dieser Anschlag ist
zwar recht, jedoch ihr seid ein Mädchen. Gesetzt, ihr .hinter
lasset ein Schreiben, dass ihr den Ochsen geraubt habt, wer
wird dieses für Wahrheit nehmen? Vor allem sind es bis zu
dem Berge Fako-ne von hier über hundert Ri Weges. Ich habe
gehört, es gebe in zwei Abzweigungen, in drei Abzweigungen
getrennte Seitenwege. Wenn ich bis dorthin nicht gelangt bin,
der Vater früher zurückkehrt und ich ihn auf dem Wege nicht
treffe, so wird es eine vergebliche Sache sein. Ich werde somit
eine Schrift hinterlassen, dass Ta-zi-kitsi es ist, der den Ochsen
geraubt hat, und mich erhängen. Die ältere Schwester möge am
Leben bleiben und statt nach dem fernen Fako-ne zu gehen, an
der Gränze des Reiches warten. Wenn die Rückkehr des Vaters
sich ereignet, möget ihr, es sei wohin immer, euch zurückziehen,
für das Seelenheil der Mutter beten und nach meinem Tode
trauern.
I-i-fatete | obi ßki-fodoki fawaso-gi-no \ jeda-je sarari-to
nage-kakure-ba \ taje-iva aivatete idciki-tome on-mi-wo lcorosn fodo
ncira-ba \ kakaru koto-wo i-i-iva sezi. Tomo-ni ojct-no ko-ni-wa
nre-do | ioonago-wa jorodzu i-i-gai-naku-te \ mono-no m (jö)-ni-
wa tcitsi-kanuru. Kono mi-iva tajete wosimu-ni tarazu. To-kaku
ni waga mi-wo korosi-te tabe. Ina wäre koso kubire-faberame
tote | fate-wa kata-mi-ni isame-kane | tomo-ne-ni naki-te ko-e-wo
wosimazu.
Nachdem er ausgeredet, löste er den Gürtel und warf
ihn auf einen Ast der Aesche. Taje, erschreckend, hielt ihn in
den Armen zurück und sagte: Wenn es so weit kommt, dass
ihr euch tüdtet, spreche ich dergleichen nicht aus. Sind wir
auch beide die Kinder des Vaters, ein Mädchen, es ist zehn
tausendfach unnütz zu sagen, kann zu nichts brauchbar sein.
Ich bin der Schonung durchaus nicht werth. Tödtet mich, auf
welche Weise es auch sei. Wo nicht, werde ich mich erhängen.
— Sie waren zuletzt nicht im Stande, sich gegenseitig zu er
mahnen und laut mit einander weinend, schonten sie nicht die
Stimme.
Kaku-te ta-zi-kitsi-wa kokoro-zasi-wo fagemasi-tsu. Ura-
meru ke-siki-nite ijeri-keru-wa \ iki-nokore-to no-tamawasuru-wo
asiü kiki-fabevu-ni arane-do | ta-zi-kitsi-wa tosi-mo otore-ba \ oju-
526
P f i z m a i e r.
no tarne,-ni sim/.ru koto-wo | jö-semazi-to omoi-tamb-ka. So-iva
nasake-aru-ni ni-te \ nasake-naku faberi-to iü. Kotoba-ni makoto-
wa avawarete \ taje-iva masu-masu mune-gurusi-ku | iki-jo-to iü-
mo n (si)-nan-to iü-mo \ mina köre tsitsi-no tarne nare-do !
kaku nomi i-i-te toki-ivo utsusi | ima-ni-mo tete-go-no toraware-
tamawa-ba \ >|$j| (ko-kuai)-suru-to-mo kai-wa nasi. On-mi
sika iü uje-ioa tsikara ojobazu. Kib-dai moro-tomo-ni sinan-ni-
wa | notsi-no urami-mo na-karu-besi \ -to-wa ije toto-sama kono
koto-ivo | tsutaje-kiki-tamai-na-ba | sa-koso k E (fo-i)-nalcu
obosu-rame. n (Si)-suru-wa (fu-kb)-to siri-nagara M
(si) nade-ioa oja-wo sukü-ni josi-nasi. —^ k (san-sen) iM: W
(se-kai)-ni ari-to aru. Mono-uki fito-mo fara-kara-ga \ ima-no
nageki-ni-wa ,jo-mo sugizi \ sa-wa nagelcu-mazi \ nageki-tamo-na.
Ima-wo kagiri-no kono mi-ni-wa \ # iö: (go-se) koso itodo
-k m (dai-zi) nare. Mcida joi naru-ni fito-ja min. Toku-
toku-to.
Ta-zi-kitsi trieb sich jetzt zu einen Entschlüsse an. Er
sagte mit unwilliger Miene: Dass ihr saget, ich möge am Lehen
bleiben, hört sich zwar nicht schlecht an, aber glaubet ihr, weil
Ta-zi-kitsi von Jahren jünger ist, brauche er für den Vater
nicht zu sterben? Dieses hat Aehnlichkeit mit Güte, ist aber
ungütig. — Durch dieses Wort über die Wahrheit aufgeklärt,
war Taje in ihrer Brust immer erregter und sprach: Sagen, man
möge leben, sagen, man werde sterben, dieses alles ist zwar
wegen des Vaters, doch indem wir also nur sagen, verbringen
wir die Zeit. Wenn jetzt der Vater ergriffen wird, ist die
Reue vergeblich. Zu mehr als so sagen habt ihr nicht die Kraft.
Man mag sagen: Wenn die Geschwister mit einander sterben,
wird der spätere Unwille nicht sein. Wenn der Vater diese
Sache erfährt, wird es so nach seinem Wunsche wohl nicht sein.
Ich weiss, dass sterben nicht Liebe zu den Aeltern ist, doch
wenn wir nicht sterben, gibt es kein Mittel, den Vater zu retten.
Dass es in den dreitausend Welten vorkommt, steht geschrieben.
Auch die traurigen Menschen, die leiblichen Geschwister dürfen
die gegenwärtige Klage nicht übertreiben. So sehr soll man nicht
klagen, klaget nicht! Diesem auf die Gegenwart beschränkten
Leibe sei die spätere Welt überaus wichtig. So lange es noch
Nacht ist — die Menschen werden uns sehen — schnell! schnell!
Die Einkehr in der Strasse von Kanzaki.
527
Iii-ni ta-zi-kitsi-wa \ tsntsi-kure-wo totte faivaso-no kuki-ni \
koto-no josi-wo kuki-sirusi t :£jS (nen-gb) M 0 (guappi)-
no sono sita-ni [ i-wara-zi-rb zi-rb-ga mumme taje \ segare ta-zi-
kitsi-to Jcaki-woware-ba \ taje-mo sita-gukuri-no fimo-wo toki-te |
faiccisn-no jeda-ni nage-kake \ Icib-dai nisi-ni utsi-mukai-te | moto-
jori || (zoku)-ivo nasazaru koto-wa \ mi-fotoke koso sirosi-
mesaru-be-kere-do \ maza-maza-to vAt m (to-zoku)-no ff
(o-mei)-ivo nokosi-te I # # (fr -bo)-wo fadzukasime -faber an
koto | ito kanasi-ku-wa fabere-do | saki-tsu jo-no ijS (aku-
go) nara-ba | sore-mo su-be-nasi. Tada negawasiki-ioa \ tsitsi-ga
ko-dami-no wazawai-wo nogasasi-te | juku su-e tsutsuga-na-karan
koto-ico | faiva-no bo-dai-wa iü-mo sara-nari \ fito-tsu |||
(ren-ge)-je mitsi-biki-tamaje tote.
Ta-zi-kitsi nahm jetzt einen Erdkloss und schrieb auf den
Stamm der Aesche den Sachverhalt. Unter den Jahresnamen,
den Monat und den Tag' schrieb er: Taje, die Tochter I-wara
Dzi-rö-zi-rö’s. Ta-zi-kitsi, dessen Sohn. Als er damit zu Ende
war, löste Taje das unten zusammengeknüpfte Band und warf
es auf einen Ast der Aesche. Die Geschwister kehrten sich
nach Westen und sagten: Dass wir im Grunde keinen Raub ver
übten, kann der erhabene Buddha gewusst haben; doch wir
hinterlassen geradezu den beschmutzten Namen von Räubern
und werden Schande über Vater und Mutter bringen. Dieses ist
sehr traurig, doch wenn es die böse Beschäftigung der früheren
Welt ist, so lässt sich dabei nichts thun. Wir bitten nur, dass
ihr den Vater diessmal dem Unglück entkommen lasset, und
dass seine Zukunft ohne Unfall sei. Von dem Seelenheil der
Mutter abgesehen, geleitet uns auf dem Wege zu einer ein
zigen Lotusblume.
Nawo sibaraku ^ (nen)-zure-ba \ (jo)-wa jb-jakii-
ni kb-takete \ jama-kaze-no ito samu-keki-ni | niwo-no umi-dzura
nami-takasi. Kore-ja (san-dzu)-no watari-lia-to | omoje-
ba mire-ba ima-sara-ni | Jj; SJj (kaku-go)-kiwame-si mi-mo
fijete | ane-wa ototo-wo fagernasi-tsu | ototo-wa ani-wo fagemasi-
te | fodo-joki isi-ni asi-wo tsuma-date | jeda-naru fimo-ni sugari-
tsutsu | Icib-dai sidzuka-ni Ico-e-wo awasi | ^ (nen-butsu)
-J-* jQ (ziü-fen) bakari tonaje-mo fatezu. Sude-ni kb-jo-to
mije-taru tokoro-ni | junde-no Ico-kage-jori \ no-bakama si-taru
528
Pfizmaier.
Ä ± (bu-si) itsi-nin | suru-suru-to fasiri-ide | ja-jo mate
sibasi-to idahi-tomuru-ni \ mata ßtori-no tabi-bito \ kore-mo saki-
jori me-te-no ko-no ma-ni | koto-no jö-su-wo tcitsi-kiki-si | a-wa-
jci fasiri-iden-to sesi-ga | ware-jori saki-ni kasiko-no ±
(bu-si) | kib-dai-no ft (si)-wo todome-si-ka-ba \ nawo sono ju-e-
wo sircin tote \ ide-mo jarazu ukagai-i-tari.
Als sie noch eine Weile beteten, wurde es allmälig spät
in der Nacht, der Bergwind wehte sehr kalt, und auf der Fläche
des Tauchäntenmeeres gingen die Wellen hoch. Sie dachten,
dieses sei die Ueberfahrt des Todtenflusses. Indem sie hin
blickten, war es ihnen, die zu dem Aeussersten entschlossen
gewesen, jetzt wieder kalt, und die ältere Schwester trieb den
Bruder an. Der jüngere Bruder trieb die Schwester an, setzte
die Zehen auf einen eben sich darbietenden Stein und hielt sich
an dem auf dem Aste befindlichen Bande fest. Unterdessen
vereinten die Geschwister ruhig ihre Stimmen und sagten die
zehn Abschnitte des Buddhagebetes vollständig her. Als es
bereits Ernst zu sein schien, lief aus dem Schatten der Bäume
zur Linken ein in Feldbeinkleider gekleideter Krieger hurtig
hervor und hielt sie mit dem Rufe: He wartet eine Weile! in den
Armen auf. Zu gleicher Zeit wollte auch ein Reisender, der
schon früher zwischen den Bäumen zur Rechten gehört hatte,
was es gebe, erschrocken hervorlaufen, doch da vor ihm jener
Krieger die Geschwister vom Tode abgehalten hatte, trat er,
um noch mehr über die Ursache zu erfahren, nicht hervor
und spähte.
Niwo-no umi ,das Meer der Tauchänten' ist der See Bi-wa
in dem Reiche Omi.
Ko-jo ist das Wort kaku ,so‘ und die Interjection jo.
Sono toki kudan-no bu-si-wa \ taje-to ta-zi-kitsi-ni mukai-te j
loare-wa kono goro jakata-no ose-tco ukete | nandzi-ra-wo |5|j [j{]
(kiku-mon)-se-si \ jama-da nobu-zi-rb nori-mitsi naru-ga \ imada
mi-wasure-wa su-be-karazu. Ware nandzi-ra-ga jjjijj iSfi (ziun-kb)-
ioo siru ju-e-ni \ jakata-ni kikoje-agete \ fanatsi-kajesu-to ije-domo |
nawo kokoro-moto-naki tokoro are-ba \ tomo-bito-wo-mo 'pl. (gu)~
sezu-site | fisoka-ni sono ato-ni tsuke-kitari \ fazime-xoowari-wo
tatsi-kiki-site \ suzuro-ni sode-wo nurase-si-ga \ sude-ni fawa-no
naki-gara-wo föfuri-fate \ sara-ni tsitsi-wo sukmoan tote | fara-
kara kata-mi-ni ft (si)-wo kiioame \ iki-jo sinan-to i-i-araso
Die Einkehr in der Strasse von Kanzaki.
529
kenage-sa \ zitsu-ni Jih (kai-sei)-no ^ (kos!) nciri.
Ware ^ |||] (to-Jcoku)-no (sitsu-zi) tote | sika-mo
kono kudari-no lcoto-ni adzukari | m # (ze-fi)-wo '& m
(ketsu-dan)-suru ni atatte \ kakaru # T (kb-si)-ioo korosi-
na-ba | warenomi narazu \ jakata-no on- Jji& Jpp (tsi-dzioku)
naru-besi. Nandzi-ra kanarazu si-mo (si)-sii-be-karazu \
joki-ni ft m (fu-dzio)-si je-sasen-to.
Dieser Krieger wendete sich jetzt zu Taje und Ta-zi-kitsi
und sprach: Ich hin Jama-da Nobu-zi-rö Nori-mitsi, der jüngst,
von dem Palaste beauftragt, euch verhörte. Ihr könnet mich
noch nicht vergessen haben. Weil ich eure reine Aelternliebe
kannte, brachte ich in dem Palaste die Meldung und liess eucli
wieder los. Da ich aber noch immer besorgt war, ging ich *
euch, ohne einen Begleiter mitzunehmen, heimlich nach. Indem
ich den Anfang und das Ende hörte, benetzte ich unwillkürlich
den Aermel. Nachdem ihr den Leichnam der Mutter begraben
hattet, wäret ihr wieder, um den Vater zu retten, als leibliche
Geschwister, gegenseitig zum Tode entschlossen und strittet
mit Worten, wer leben oder sterben solle. Durch diesen starken
Sinn seid ihr die Welt überdeckende, älternliebende Kinder.
Ich als Geschäftsleiter dieses Reiches wurde mit dieser Sache
betraut und kam in die Lage, hinsichtlich Recht ujid Unrecht
ein Urtheil zu fällen. Wenn ich solche älternliebende Kinder
tödtete, würde es nicht allein für mich, es würde für den Palast
eine Schande sein. Ihr dürfet auf keinen Fall sterben. Ich
werde auf gute Weise bewirken, dass ihr eine Stütze tindet.
lü-ni | kib-dai-wa \. mi-fatenu juvie-no kokotsi-site | sibasi
kawo utsi-mamorare \ sikarä-ba tsitsi-ioo tasuke-tamawaru-ka- |
to i-i-mo fatenu-ni \ tabi-bito ko-kage-jori tatsi-idete | nori-mitsi-
ga fotori-ni tsui-wiru-wo taje ta-zi-kitsi-wci \ tsuki-akari-ni svkasi-
mite | so-ioa tete-go-nite owase-si- | to iü-ni nvarenu uresi-sa-mo |
notsi-no nan-gi-ni omoi-kurabete \ namida-ni mono-wo iwase-tavi.
Bei diesen Worten hatten die Geschwister das Gefühl
eines nicht ausgeträumten Traumes. Nachdem ihnen eine Weile
in das Gesicht geblickt worden, sagten sie: Also ist der Vater
gerettet! — Ehe sie noch ausgeredet, trat der Reisende aus
dem Schatten der Bäume hervor und stand an der Seite Nori-
mitsi’s. Taje und Ta-zi-kitsi, bei dem Lichte des Mondes hin-
Sitzungsber. d. phil.-liist. CI. LXXXIII. Bd. IV. Hft. 34
530
Pfizmaier.
blickend, riefen: Dieses ist unser Vater! — Die unaussprechliche
Freude mit der späteren Gefahr in Gedanken vergleichend,
Hessen sie durch Thränen Worte sprechen.
Tsui-wiru steht für tsuki-iviru ,angeschlossen sein'.
Säte tabi-bito-wa \ saki-jori tamotsi-kane-tari-si \ namida-ivo
siba-siba osi-nogoi-tsutsu \ nori-mitsi-ni raukai \ soregasi-iva kore-
naru mono-domo-ga tsitsi-nite \ i-wara dzi-rb-zi-rb take-akira-to
jobaruru mono nari. Fisasi-ku inaka-ni otsi-burete |
(sin-zoku) Tj|f (tö-zai)-ni ^ ^ (ri-san)-se-si-ga \ ani take-
jasu-to iü mono \ sagami-no ki-ga mitsi-suke-ni tsuk'öru josi \
tsuge-kosi-taru-ni jotte \ inuru tsuki kasiko-ni omomuki \ jaja
kajeri-kuru-ni \ ke-sa si-mo \ sireru fito-no i-se-no kuni-je juku-ni
bte | waga mi mu-zitsu-no tsumi-ni kakari tsuma-no moto-je-wa
mn (icb-si)-site \ futari-no ko-domo-wa \ fito-ja-ni tsunagare-
si-to tsutaje-kiki \ tobu-ga gotoku-ni fase-kajeri | fakarazu-mo
ima koko-nite \ tqje ta-zi-kitsi-ga | tsitsi-wo sukuwan tame-ni \
kubiren-to suru toki-ni ki-kakäri (fu-kaku)-no ^ '0
(raku-rui)-ni | fasi-naku-mo ide-jarazu. Sibasi koto-no tei-taraku-
wo ukagai-si-ga | kare-ra tatsi-matsi sono n (si)-ni omomuku-
wo mite | masu-masu odoroki \ fiki-todomen-to suru toki-ni \
-jÜ* (ki-fen) itsi-fajäku | kare-ra-wo suhui-tamb-ni otsi-wite \
madzu joso-nagara | (sei-mei)-ivo sira-ma-fosi-sa-ni
{lg jgj§ (tsiü-tsio)-si-tsu. Jg Eg (On-kei) Jig §§} (kan-sia)-
ni tajezu-te \ kaku na-nori mbsu nari (Guan-rai) kano
■usi-wa.
Der Reisende, die Thränen, die er schon früher nicht
zurückhalten konnte, häufig trocknend, sprach zu Nori-mitsi:
Ich bin der Vater dieser Kinder und werde I-wara Dzi-rö-zi-rö
Take-akira genannt. Lange Zeit auf dem Lande in Armuth
lebend, während die nahen Verwandten sich nach Osten und
Westen zerstreut hatten, wurde mir die Kunde, dass mein
älterer Bruder Take-jasu bei Ki-ga Mitsi-suke in Sagami diene.
Ich ging daher im verflossenen Monate hin. Kaum zurück
kommend, begegnete ich heute Morgen einem Bekannten, der
nach dem Reiche I-se reiste, und hörte von ihm, dass ich eines
unwii’klichen Verbrechens beschuldigt worden, meine Gattin
Moto-je eines gewaltsamen Todes gestorben, die beiden Kinder
in dem Gefängnisse gebunden seien. Ich lief wie im Fluge
Die Einkehr in der Strasse von Kanzaki.
531
nach Hause, und unverhofft kam ich jetzt hier hinzu, als Taje
und Ta-zi-kitsi, um den Vater zu retten, sich erhängen wollten.
Bei den unwillkürlich fallenden Thränen rathlos, trat ich nicht
hervor. Ich beobachtete eine Weile ihr Verhalten, und als ich
sah, dass sie plötzlich dem Tode zugehen, war ich immer mehr
von Schrecken erfüllt. Indem ihr in dem Augenblicke als ich
sie zurückziehen wollte, sie schnellstens rettetet, war ich be
ruhigt, und bei dem Wunsche, früher, berührt es mich auch
nicht, euren Geschlechtsnamen und Namen zu erfahren, un
schlüssig. Nicht fähig, für die Wohlthat und Güte zu danken,
nenne ich auf diese Weise meinen Namen. Eigentlich ist jener
Ochs —
Otsi-ivi ist so viel als das jetzt durch Koje ausgedrückte
Wort (raJckio) ,herabgefallen, d. i. beruhigt sein'. Man
findet in dem Geschlechte Gen: kokoro-otsi-wi-tamo ,im Herzen
beruhigt sein'.
To iwan-to suru-wo | nori-mitsi siwabuki-site kore-wo kiJca-
zu | joso-joso-siku mi-kajeri-te \ tabi-bito jolcu kikare-jo. Kano dzi-
ra-zi-rb-to jaran \ mukasi-wa josi-aru ut ± (bu-si)-ni-mo se-
jo. Ima-wa ||| (t'o-koku)-no Jjl (kiü-min) naru-ni \
so-ko-no ari-sama-wo mire-ba \ Pi jj (rio-tb)-wo (matagu)-
muri. Firoki bmi-ni-wa onazi- (sei) | onazi- (na)-no fito \
-naki koto-wa arazi. |g|| (Koku-si)-no ose-ni jotte | waga
tadzunuru dzi-ra-zi-rb nara-ba | na-nori-te-wa idzu-be-karazu.
Kare usi-ivo nusumu-ni arazu-to-mo \ sono moto-wo tadasazu-site
kore-wo kai-tori \ amasaje uH-taru nusi-no juku-je sadaka-narane-
ba | ika-ni i-i-tolcu-to-mo nogare-gatasi. Mosi akara-sama-ni tsumi-
nalu josi-wo kikoje-agen-to nara-ba \ usi-wo katari-taru jhi ^
(aku-so)-wo tadzune-idasi | nia-no atari ||Jf (ketsu-dan)-se-
ba | mi-no josi-asi-wo iwazu-site | koto ono-dzukara ft BJ (fun-
mib)-naru-besi. Ka-bakari-no koto-wo omoi-wakimajezu | oja-ko-no
0 g (on-ai)-ni ■Jjpj (loaku-deki)-si | urotajete na-nori- *
idzuru omo-motsi-su-to-mo | tare-ka makoto-no dzi-ra-zi-rb nari-to
omo-beki. hvanu-wa iü-ni masaru-to iu | jo-no koto-waza-mo aru
mono-wo. Josi-naki fito-ioo awaremi-te | maki-zoi-serare
Als er weiterreden wollte, hustete Nori-mitsi und hörte
ihn nicht an. Befremdet auf ihn blickend, sagte er: ,Der Reisende
34*
532
P f i l tii a i 61.
wird gut gehört! Jener Dzi-ra-zi-rö war wohl einst ein bemittelter
Kriegsmann! Jetzt ist er in diesem Reiche ein armer Mensch
des Volkes. Wenn ich euer Benehmen betrachte, so scheint
ihr über die zwei Schwerter zu schreiten. In dem weiten Omi
kann es nicht fehlen, dass es keine Menschen mit demselben
Geschlechtsnamen und demselben Namen gibt. Wenn es Dzi-ra-
zi-rö ist, den ich auf Befehl des Reichsvorstehers suche, so
darf er, sobald er den Namen nennt, nicht heraustreten. Hat
er auch den Ochsen nicht geraubt, er fragte nicht, woher dieser
sei und kaufte ihn. Ueberdiess ist der Aufenthaltsort des Ver
käufers nicht bekannt. Er mag sich wie immer ausreden, man
kann ihn unmöglich loslassen. Wenn er auf klare Weise seine
Unschuld darthut, wenn man den schlechten Bonzen, der den
Ochsen herausgelockt hat, auffindet, offenkundig das Urtheil
fällt, wird, von dem Guten oder Schlechten nicht zu sprechen,
die Sache von selbst aufgeklärt sein. Man mag, eine solche
Sache in Gedanken nicht unterscheidend, in die Liebe zwischen
Vater und Kind versunken, unüberlegt sich anschicken, den
Namen zu sagen, wer würde glauben, dass es der wahre Dzi-
ra-zi-rö ist? ,Nicht sagen ist besser als sagen' ist ein in der
Welt gewöhnliches Sprichwort. Die Reue darüber, einen hilf
losen Menschen bemitleidet zu haben und in die Schuld ver
wickelt worden zu sein, mag ich nicht haben. In einem alten
Gedichte heisst es auch:
lil Pft (Jama-buki)-no (fana-iro)-goromo | nusi-
ja tare | toje-do kotaje-mo | kutsi-nasi-ni site.
,Von dem Kleide von der Farbe der Blüthen | der Muss
pflanze | der Besitzer, wer ist es? | Fragt man auch, in der
Antwort | wird es der Jasmin.'
Sirariu-wa sirade | iwanu-ni sikazu. Ware-mo mata kiku koto
nasi. Ko-ja taje-jo | ta-zi-kitsi-jo \ tsitsi-ga j uku-je-wa sirezu-to-mo
nandzi-ra-ni tsumi-wa nasi- | to sude-ni mi-jurusi-wo iilce-nagara
|§ fj) (koku-si)-no 'fzi lj§L (zin-kei)-ivo ada-ni-site i n w
nan-to omo-wa madoi nari. Usi-wo nasumi tsuma-wo korosu | oni-
no ko nari-to iwaruru-to-mo \ tsitsi-to-wa F[|| (naki)-so mino-
musi-no \ mi-no josi-asi-wa faruru fi ari. Kokoro-je-taru-ka- | t»
satosarete \ oja-ko —■ (itsi-do)-ni a-to iraje \ J|£ (kai-
rui) todome-lcane-tari-keru.
Dio Einkehr in der Strasse von Kanzaki.
533
,Nicht wissen, ist nicht so gut wie nicht wissen und nicht
sagen. Auch ich habe nichts weiter zu hören. Taje! Ta-zi-kitsi!
Mag der Aufenthalt des Vaters auch unbekannt sein, ihr seid
nicht schuldig. Nachdem euch bereits die Lossprechung zu
Theil geworden, ist der Gedanke, die Menschlichkeit und Güte
des Reichsvorstehers zu vereiteln und zu sterben, eine Verirrung.
Wird auch gesagt, er sei ein Dämonensohn, der den Ochsen
raubt und die Gattin tödtet, für den Vater ist es ein Tag, an
welchem das Gute und Schlechte des Leibes der singenden
Regenmantelinsecten klar ist. Habt ihr verstanden?' — Durch
diese Worte zur Erkenntniss gebracht, sagten Vater und Kinder
zu gleicher Zeit Ja und konnten den Thränen der Rührung
nicht Einhalt thun.
Kaku-te nori-mitsi-wa | taje ta-zi-kitsi-ga te-wo fiki-te \ wari-
naku tomonai tatsi-kajere-ba | nokori-osi-ge-ni fara-kara-ga | mi-
kajeru asi-mo sidoro neun. Me-okuru, tsitsi-mo (bb-zen.)-
to | Jco-gakururu made tadazumi-si-ga | sikiri-ni nori-mitsi-ga
nasake-to | ko-domo-ra-ga ^ j\j) (Jco-sin)-wo & m (kan-
gekij-site \ sibasi moto-je-ga tsuka-ni 0 [Hj (e-ltb)-si | tatsi-
matsi mi-ico okosi-tsutsu | futo-jaka-naru ilä-wo tsuki \ jama-da
udzi-no megumi-ni jotte \ ko-domo-ra-ga koto-ioa \ kokoro-jasusi-to
ije-domo [ mi-no nure-ginu-wa imada kawakazu | tsuma-no ata
mi-no ata-wa usi-ioo uri-taru (aku-sb) nari. Saki-ni
kari-some-ni omote-wo awasi-te \ sono na-wa sirazare-domo \ ta-
dzxme-idasade ja- wa- [ to fitori-gotsi | sinobi-sinobi-ni ] ivotsi-kotsi-wo
m m (fai-kiiai)-site | sama-zama-ni kokoro-wo tsukuse-si-ka-
do | tajete iS. j&r (aku-sb)-ga juku-je-wo sirazu.
Nori-mitsi führte Taje und Ta-zi-kitsi bei den Händen,
begleitete sie mit Gewalt und kehrte nach Hause. In Sehnsucht
blickten die leiblichen Geschwister nach rückwärts und ihre
Füsse schwankten. Der Vater, ihnen nachblickend, stand be
täubt, bis sie hinter den Bäumen verborgen waren. Beständig
von der Güte Nori-mitsi und der Aelternliebe der Kinder ge
rührt, wiederholte er eine Zeitlang an dem Grabe Moto-je’s die
Gebete. Plötzlich sich erhebend, holte er einen schweren Seufzer
und sagte zu sich selbst: Durch den Schutz des Geschlechtes
Jama-da sind meine Kinder zwar im Herzen erleichtert, doch
mein benetztes Kleid ist noch nicht getrocknet. Es handelt
sich um den Feind der Gattin, um meinen Feind, den schlechten
“
534 pfi zmaier. Die Einkehr in der Strasse von Kanzaki.
Bonzen, der den Ochsen verkauft hat. Ich habe ihn vordem
nur vorübergehend von Angesicht gesehen, ich weiss nicht
seinen Namen, doch wenn ich ihn nicht ausfindig mache —
ei! — Er ging heimlich hier und dort herum, erschöpfte seine
Gedanken auf allerlei Weise, doch er erfuhr durchaus nicht den
Aufenthaltsort des schlechten Bonzen.
Masu-kagami \ sibasi-wa kumoru mi-no usa-ni \ ije-wo usi-
nai-te \ nariwai-ni tatsuki-naku | sadnme-mo jaranu tabi-ne-ni tosi-
mo Icurete | faru-mo jajoi-no naka-goro-ni nari-si-ka-ba \
(ro-jo)-mo sude-ni tsuki-te ika-ni-to-mo su-be-nasi. Kaku-te-wa
ata-wo tcidzunen koto-mo kokoro-ni makasezu \ fito-tabi soko-kura-
ni omomuki-te \ ani take-jasu-ni kono josi-wo tsuge-sirasi
(dan-kb)-se-baja tote | tsui-ni to-kai-do-ioo kudari-keru-to-zo.
Bei dem Kummer des eigenen Ich, dessen zehnzölliger
Spiegel eine Weile sich um wölkte, des Hauses verlustig, für den
Lebensunterhalt ohne Behelf, bei dem Schlafen auf der bestim
mungslosen Heise beendete er das Jahr. Als es Frühling, um die
Zeit der Mitte des dritten Monats geworden, war sein Reisegeld
bereits erschöpft, und er wusste sich auf keine Weise zu helfen.
Somit liess er sich das Aufsuchen des Feindes nicht angelegen
sein, er wünschte, einmal nach Soko-kura zu reisen, seinem
älteren Bruder Take-jasu diese Umstände mitzutheilen und sich
mit ihm zu besprechen. In dieser Absicht zog er alsbald auf
dem Wege des östlichen Meeres hinab.
Miklosicli. Beiträge zur Kenntniss der Zigeunermundarten. III.
535
Beiträge zur Kenntniss der Zigeunermundarten.
III.
Von
Franz Miklosich,
wirkt. Mitgliede der kais. Akademie der Wissenschaften.
Zigeunerische Elemente in den Gaunersprachen Europa’s.
Die Beschäftigung- mit dem Zigeunerischen legte mir das
Studium der Gaunersprachen nahe. Eine Frucht dieser Studien
ist die in den nachfolgenden Blättern niedergelegte Nachwei
sung der zigeunerischen Elemente in den Gaunersprachen
Europa’s.
I. Benützte Litteratur.
A. Für die deutschen Gaunersprachen standen mir fol
gende Quellen zu Gebote :
Riedel, A. Ch., Beschreibung des im Fürstenthum Bay
reuth zu St. Georgen am See errichteten. Zucht- und Arbeits
hauses. Bayreuth. 1750. Ave-lall. 4. 128.
Actenmässige Nachricht von einer zahlreichen Diebs
bande, welche von einem zu Hildburghausen in gefänglicher
Haft sitzenden mitschuldigen jungen Dieb entdecket worden.
Hildburghausen. 1753. 1755. Ave-lall. 4. 145. Wagner 8.
Rotwellsche Grammatik, oder Sprachkunst, das ist:
Anweisung, wie man diese Sprache in wenig Stunden erlernen,
reden und vei’stehen möge. Frankfurt. 1755.
Warhafte Entdeckung der Jauner- oder Jenischen
Sprache von dem ehemals berüchtigten Jauner Konstanzer-
Hanns. Auf Begehren vom Ihme selbst aufgesezt und zum
Druck befördert. Sulz am Neccar. 1791. Ave-lall. 4. 164.
Wagner 9.
536
Miklosich.
Schaffer, G. J., Abriss des Jauner- und Bettelwesens
in Schwaben. Stuttgart. 1793. Ave-lall. 4. 179. Wagner 9.
Mejer, Uber Diebe und ihre Sprache. Hannoversches
Magazin. 1807. No. 32. Ave-lall. 4. 183. Wagner 10.
Pfister, L., Aktenmässige Geschichte der Räuberbanden
an den beiden Ufern des Mains, im Spessart und im Oden
walde. Heidelberg. 1812. Ave-lall. 4. 191.
Falkenberg, C., Versuch einer Darstellung der ver
schiedenen Classen von Räubern, Dieben und Diebshehlern.
Berlin. 1816. 1818. Der zweite Theil enthält einen Ab
schnitt: Von der Diebessprache 364—381 und ein Wörter
buch der Diebessprache 381—432. Ave-lall. 4. 222. Neben
Eigenem viel aus der Hildburghauser Nachricht, aus Becker
(Cöln 1804), Rebmann (Mainz 1811) und Christensen (Kiel
1819). Wagner 11.
Diebs- und Räubersignalement und Jaunerwörter
buch. Karlsruhe. 1820. Wörterbuch, aufgezeichnet 1820 bei
dem badischen Bezirksamte Pfullendorf. Ave-lall. 4. 230.
Bischoff, F., Die Kocheme Waldiwerei in der Reussi-
schen Martine oder die Gauner und Gaunerarten im Reussi-
schen Voigtlande und der Umgegend, ihre Tactik, ihre Auf
enthaltsorte und ihre Sprache. Neustadt. 1822. Ave-lall. 4. 246.
Wagner 12.
Grolman, F. L. A. von, Wörterbuch der in Deutsch
land üblichen Spitzbuben - Sprachen, in zwei Bänden, die
Gauner- und Zigeunersprache enthaltend. Erster Band, die
teutsche Gauner-, Jenische- oder Kochemer-Sprache enthal
tend, mit besonderer Rücksicht auf die ebräisch - teutsche
Judensprache. Giessen. 1822. Ave-lall. 4. 249. Benutzt
sind die Werke von Pfister, Christensen und die Rot-
wellsche Grammatik (Frankfurt 1755) • daneben sehr viel
Eigenes. Wagner 12.
Snhlemmer, C. B., Der praktische Criminal-Polizei-
Beamte. Erfurt. Zweite Auflage. 1842. Plagiat aus G. B. Klassen
bach. Hildburgshausen. 1825.
Bischoff, Ergebnisse einer, von dem Criminalgerichte in
Eisenach geführten, Untersuchung, hinsichtlich des Gauner
wesens in den Amtsbezirken Eisenach, Kreuzburg, Gerstlin
gen, Vacha und Tiefenort. Eisenach. 1830.
Beiträge zur Kenntniss der Zigeunermundarten. III.
537
Train, J. H. von, Chochemer Loschen. Wörterbuch der
Gauner- und Diebs-, vulgo Jenischen Sprache. Meissen. 1833.
Der Verfasser bereicherte den Sprachschatz des Rotwelschen
durch eigene Schöpfungen. Wagner 13.
Anton, F. E., Wörterbuch der Gauner- und Diebes
sprache. Zweite verbesserte Auflage. Magdeburg. 1843. Plagiat
aus F. E. Heckel’s Handbuch des Gensdarmerie- und des niedern
Polizeidienstes. Weimar. 1841, dessen Wörterbuch der Gauner
sprache ein schlechter Auszug aus Train. Wagner 14.
Rochlitz, Chr., Das Wesen und Treiben der Gauner,
Diebe und Betrüger Deutschlands, nebst Angabe von Maass
regeln sich gegen Raub, Diebstahl und Betrug zu schützen,
und einem Wörterbuch der Diebessprache. Leipzig. 1846. Pla
giat. Wagner, Rotwelsche Studien 234.
Ave-Lallemant, F. Ch. B., Das deutsche Gaunerthum
in seiner social-politischen, literarischen und linguistischen Aus
bildung zu seinem heutigen Bestände. Leipzig. 1858—1862.
4 Theile. Der vierte Theil behandelt die Gaunersprachen. Vgl.
J. M. Wagner im Archiv für neuere Sprachen XXXIII.
197—246.
Die Litteratur der deutschen Gaunersprachen schrumpft
dadurch sehr zusammen, dass ein bedeutender Theil derselben
meist das bekannte wiederholt. Vgl. J. M. Wagner, Die Litte
ratur der Gauner- und Geheim-Sprachen seit 1700. Aus J. Petz-
holdt’s ,Neuer Anzeiger für Bibliographie und Bibliothekwissen
schaft', Jahrgang 1861. In meinen Nachweisungen glaubte ich
auch diejenigen Arbeiten anführen zu sollen,, die sich wesentlich
als Plagiate darstellen, weil mir ein Theil der Originalarbeiten
nicht zugänglich war und weil jene Schriften zu dem Entlehnten
manchmal doch auch Eigenes hinzufügen.
B. Für die Gaunersprache Jütlands benutzte ich Niels Vin-
ding Dorph, De jydske Zigeunere og en rotvelsk Ordbog.
Kipbenhavn. 1837.
C. Für die englische Gaunersprache war mir zugänglich:
The slang dictionary; or, the vulgär -words, Street phrases,
and ,fast‘ expressions of high and low society. London. John
Cambden Hotten. 1870. Ausserdem verwerfhete ich zum Theil
die Mittheilungen eines auf dem Gebiete des Slang wohl
unterrichteten Engländers.
538
M i k 1 o s i c h.
D. Fiir die Gaunersprache Frankreichs stand mir zu Gebote:
E. F. Vidocq, Les voleurs, physiologie de leurs moeurs et de
leur langage. Paris. 1837. 2 Theile, und Francisque-Miehel,
Etudes de philologie comparee sur l’argot et sur les idiomes
analogues parles en Europe et en Asie. Paris. 1856.
Ausser den eigentlich zigeunerischen Wörtern sind in das
Verzeichniss einige slavische Ausdrücke aufgenoimnen worden,
von denen es wahrscheinlich ist, dass sie durch Zigeuner in die
Gaunersprachen Deutschlands eingedrungen sind. Allerdings
enthält die bei Ave-Lallemant 4. 93—99 abgedruckte Specifi-
catio vom Jahre 1687 das offenbar slavische klitzscli Vorlege
schloss, ohne ein einziges eigentlich zigeunerisches Wort zu
bieten. Überhaupt haben sich die deutschen Zigeunersprachen
älterer Zeit von zigeunerischen Wörtern frei erhalten. Der in
der erwähnten Specificatio für Thaler vorkommende Aus
druck loioen hat mit dem zigeunerischen lovo Geld wohl nichts
zu schaffen.
Ich rede von deutschen Gaunersprachen, um anzudeuten,
dass die Sprache der Gauner in Deutschland in verschiedenen
Theilen des Landes namentlich hinsichtlich der Menge der nicht
deutschen Bestandtheile sehr verschieden ist.
Ein Vergleich der deutschen Gaunersprachen mit denen
anderer Länder zeigt, dass in den ersteren die zigeunerischen
Elemente viel zahlreicher sind als in den letzteren: in jenen
wird das zigeunerische Element ausser vom einheimischen nur
vom hebräischen überboten.
Die Scheidung der Zigeunersprache von der der Gauner
ist nicht immer leicht. So kann dasjenige, was in diesem
Aufsatze als dänische (genauer jütische) Gaunersprache be
zeichnet wird, auch als zigeunerisch gelten. Die Abweichung
von den deutschen Gaunersprachen ist auffallend.
Am schwächsten ist das Zigeunerische in dem Argot der
Franzosen vertreten. Die lingue furbesche der Italiener scheint
nichts hieher gehöriges zu bieten. In der Germania der Spanier
wollte mir nicht gelingen zigeunerische Elemente zu entdecken:
ich suchte nach solchen in: Romances de germania de varios
autores, con el vocabulario por la orden del a. b. c. para de-
claracion des sus terminos y lengua. En Madrid. 1779. und in:
Beiträge zur Kenntniss der Zigeunermundarten. III.
539
El gitanismo. Historia ; costumbres y dialecto de los gitanos.
Por Francisco de Sales Mayo. Madrid. 1870, worin vieles aus
der Germania angeführt wird.
Dasselbe gilt von der Gaunersprache (afinskoe) der Russen.
Im südlichen Russland haben folgende Wörter Eingang in die
Sprache, wohl der Gauner, gefunden: beng Teufel; dddos Haupt
eines Zigeunerlagers; grassi Buhlerinn, eig. Stute, lat. lupa;
maribe Tod, Skelett; maribij sterblich, smertnyj ; vorn Zigeuner
knabe ; romni Zigeunermädchen.
Den als zigeunerisch erkannten Ausdrücken — und als
solche werden nicht bloss die aus Indien stammenden Elemente
der Zigeunermundarten, sondern überhaupt alle jene Worte
angesehen, die durch Zigeuner in den betreffenden Landstrichen
verbreitet wurden — habe ich die entsprechenden Wörter aus
mehreren Zigeunermundarten beigefügt, weil es mir nicht
unwichtig erschien zu zeigen, wie weit das zigeunerische Wort
verbreitet ist. Hiebei muss ich bemerken, dass das Zigeune
rische, so weit es in Europa vorkömmt, in dreizehn Mundarten
zerfällt: I. Griechisch: in der europäischen Türkei; II. Ru-
munisch: in Rumänien, Siebenbürgen, Bukowina, Serbien und
in Südrussland; III. Ungrisch: Ungern und Sirmien; IV. Böh
misch: Böhmen und Mähren; V. Deutsch: in Deutschland;
VI. Polnisch: in Polen und Litauen; VII. Russisch: im nörd
lichen Russland; VIII. Finnisch; IX. Skandinavisch; X. Ita
lienisch; XI. Baskisch; XII. Englisch; XIII. Spanisch. Vgl.
meine Abhandlung: Uber die Mundarten und die Wanderun
gen der Zigeuner Europa’s. III. Seite 9 des Separatabdruckes.
II. Zigeunerische Elemente.
A. In den deutschen Gaunersprachen.
ac: atsch bogoni bleibe ruhig Grob 4. ac II. sg. impt. —
Deutsch aSüva. aSpoköno bleibe ruhig. Engl, ac, hac. Griech.
aS: aSava bleiben.
baker: backer Schaf Falk. 385. Grob 5. Ant. 16: falsch
ist wohl boiacker (-ro) Hammel Grob 10. — Deutsch balco Schaf
neben bakorengero Schafhirt. Engl, bökro, bölcoro. Griech. ba
hr 6 Hammel; bahn Schaf. Skand. bakro.
540
Miklosich.
balo: bulo Schwein Schaff. Ave-lall. 181. Grol. 6. Ant.
17. Roch]. 148. balostammerer Schweinetreiher Aut. 17. matto-
bolo besoffenes Schwein Ave-lall. 522. bato Fehler bei Pfist.
Ave-lall. 199, daraus Ant. 18. Rochl. 144. — Deutsch balo.
Engl, baiilo. Griech. balo m. bali f.
baro: baro gross Falk. 385. Grol. 6. Rochl. 144. baro
tromne grosser Thaler 172. balo Ant. 17: daselbst baro in der
Bedeutung ,ober‘ in Compositionen: baromette Oberbette; baro-
specht Oberförster usw. o baro: obaro ree statt o baro rai, eig.
der grosse Herr, Fürst, Titel eines Zigeunerkönigs Klaus Groth
148. 293. — Deutsch baro gross, baro raSai Oberpfarrer. Engl.
baüro, böro. Griech. baro.
beng: bing Teufel Pfist. Ave-lall. 200. Falk. 387. hing,
binko Grol. 9. bingo Ant. 20. Train. — Deutsch beng. Engl.
beng. Griech. beng.
biboldo: babolde Jude Falk. 385. Grol. 5. Ant. 16. ba-
boldin Jiidinn Ant. 16. pipolte Jude; pipoltiza. Jüdinn Ave-
lall. 584. babolde m. baboldin f. Train. — Deutsch bipoldo un-
getauft, poldo getauft, pöläva tauche ein, taufe. Griech. biboldo,
bibolnö, bibolavdd adj. ungetauft; subst. Jude; boldö, bolnö ge
tauft von boläva, bolavdva eintauchen, taufen: hinsichtlich des bi
vgl. man bi-goddkoro unverständig; bi-pekd ungekocht; bi-sukar
unschön usw.
buzno: buzenmciss Gansfleisch Ant. 23. bvzen Gans ibid.,
vielleicht Ziegenfleisch. — Vgl. deutsch pussin Ziege. Griech.
buznö m. Bock, buzni f. Ziege; in Asien buzin Ziege.
cor: t’schor Dieb, schornen stehlen Konst.-Hanns. Ave-
lall. 167. t’schorr-kitt Diebsherberge, t’schor-bais Diebswirts
haus. t’schor-kaffer ein Mann, der gestohlene Sachen kauft.
t’schor-gaya eine Frau, die dergleichen Sachen kauft 170. 171.
tschor Schaff. Ave-lall. 181. schor, schornen, tschor, tschornen
Pfist. Ave-lall. 218. 220. schor, schwer, schornen; tschor, tschornen
Falk. 424. 425. 430. schor, schornen; tschor, tschornen Grol.
63. 72. schor, schornen Ant. 62. susst’schor Pferdedieb 65.
t’schor Dieb, t’schorkraler Räuberhauptmann 67. tschor, tschor
nen; schor, schwer Rochl. 158. 168. 169. 172. schornen, schoren
stehlen Ave-lall. 603. 617. — Deutsch cor Dieb; coräva stehlen.
Engl, cor Dieb, stehlen. Griech. cor; Sordva.
Beiträge zur Kenntniss der Zigeunermundarten. III.
541
cori: schuri, schurig Messer Falk. 425. schuri Stilet Pfullend.
Ave-lall. 243. tschuri, schuri, schuricli Grol. 64. 72. schury, schurig,
tschury Ant. 63. 67. schuri, schurig Roclil. 169. schorin, schorie Ave-
lall. 603. — Deutsch curia Messer. Engl. curi. Griech. cori.
cukel: tschuckel Hund Falk. 430. Falsch: schucJces 425.
tscliukel Grol. 72. juckel 31. t’schukel Ant. 67. scliukel 63. tschuckel
Rochl. 172. Falsch: schuckes 169. Vgl. Ave-lall. 605. —Deutsch
dukklo. Engl, dzükel, dzuk, jakel. Griech. cukel.
dad: dada Vater Falk. 393. Grol. 15. Ant. 26. Roclil.
149. — Deutsch däd. Engl, dad, dddus. Griech. dad.
devleskoro: devleskero Heuschrecke Ant. 26. — Deutsch
devUskero grai d. i. Gottes Pferd. Griech. devleskoro Gottes.
diken: dicken sehen Grol. 15. — Deutsch dikkäva. Engl.
dik. Griech dikdva, dikhdva. Skand. dikka.
drom: drumm Weg Falk. 394. Rochl. 150. dromme Ave-
lall. 534. — Deutsch trom. Engl. drom. Griech. drom.
dnmba: dumba Berg Ant. 28. — Deutsch domba. Engl.
dirnbo. Ungr. dombo. Rumun. dombo. Böhm, dombos. Russ.
dornbo. Das Wort ist magy.: domb Hügel.
das: duss Schloss Phst. Ave-lall. 203. Grol. 17. — Ungr.
diz. Böhm. diz. Dunkel. Falsch: duss Hängeschloss, Thiirschloss
Train.
fclhesen: felhaschen Blitz; felheschine Blitz; felheschnodi
Wolke Grell. 288. Ungr. o felhöve Wolke. — Vgl. magy. felhö
Wolke; felhös wolkig.
foro: fuhry Stadt Falk. 398. Train, fuhry Stadt, fuh-
reyer Bürger Ant. 32. fuhry Rochl. 152. foro Ave-lall. 541.
— Deutsch foro. Engl, fdros market town. Griech. föros.
gadzo: gatsche, gotsche Bauer, gasche Leute Phst. Ave-
lall. 206. Falk. 399. emmes gatscho Verräther Falk. 395. gatsclio
Mann Grol. 23. gasche Leute 23. hofgodschen Knecht 29.
gatscho, gatsche Bauer; gasche, gatsche Leute Ant. 34. gotsche
Bauer; gasche Leute Rochl. 153. 154. gatscho m. gatsclii f.
Mann, Bauer, im pl. Leute, gadschi bei Klaus Groth. — Deutsch
gadscho (gadzo) Nicht-Zigeuner, Mensch, Bauer. Engl, gaüdzo,
gaüdzer; gördzo, gördzer Nichtzigeuner. Griech. gadzo Fremder,
Nicht-Zigeuner.
gart: gari männliches Glied Falk. 399. Grol. 23. Ant. 34.
Rochl. 153. — Deutsch gäro Schwanz, männliches Glied. Engl.
542
Miklosich.
kaüri männliches Glied. Icdro, korri Dorn, männliches Glied.
Griech. Icanrö Dorn; kur männliches Glied.
gelogäro: gelogäro triumphiren: Ave-lall. 544. vergleicht
zig. gero selig und deutsch gällen schallen. Deutsch gero selig.
Böhm. gero. Skand. gern Christus. Die Zusammenstellung mit
gero, ungr. gzro arm (bemitleidend), ist unsicher.
ger: ger tief; gere Grube Train. — Vgl. Deutsch choro.
Böhm. chor. Span. gord. Griech. chor. Unsicher. Pott 2. 164.
ger nie: gernitz Topf Falk. 399. Rochl. 153. Das Wort
ist serb.: grnac, und kömmt im zig. nicht vor; bulg. ent
spricht grtne.
gordel: gordel Kessel: Ave-lall. 545. denkt an cech. kotel.
goter: gotter Stück Rindvieh Train. — Deutsch gotter
Stück. Böhm, koter. Engl, kotor. Span, cotore. Skand. kottro.
Griech. kotor. Pott 2. 97.
grades: grades Hagel Ant. 36. grados Train. — Das Wort
ist serb. bulg.: grad; griech. besteht kukkudi.
graj: grai, krey Pferd Grob 26. 39. kr ei Ave-lall. 562.
— Deutsch grai. Engl. grei. Griech. gra, gras, grast: von
grast ist auszugehen.
granegina: granegina statt granajina eine Solanum-
art, eig. der Tollapfel, solanum melongena: mehrere Gift
pflanzen sind mit den Zigeunern aus Asien gekommen, die
Belladonna, der Stechapfel usw. Klaus Groth 284; Pott 2. 147.
bietet: granajina, quelalla, berengena Bw. Das Wort ist schwer
lich zig.
gricinia: kitschemari Krüger Falk. 406. gritschimari
Pfist. Bisch. 77. gritschimme Wirtshaus ibid. gritschimari, gri-
tschimme Ant. 37. kitschemari, gritschimari Rochl. 157. 166.
katschäume Ave-lall. 554. — Deutsch kercimma Wirtshaus;
kerdemaro Wirt. Engl, ktäema Wirtshaus; kiSimengro Wirt.
Rumun. kzrerna, kzzma buk. Ungr. koema, kircima. Böhm.
krema. Bask. kuertchinia. Span, cachiman. Das Wort ist
slavisch: serb. krema usw.
gundzi: gundschi Ecke; gundschikirs Eckstein; gundschi-
kitt Eckhaus Ant. 37. gundschi Train. — Deutsch gun£. Engl.
künSi, kwnsus. Vgl. poln. kunka. Pers. kundz.
ho sek: hussek, liosseck Knabe, Junge, Bursche Ave-lall.
550. — Vgl. cech. hosek, deminutivum von hoch.
Beiträge zur Kenntni.ss der Zigennermuiidarteu. III.
543
chaben: chabbin Essen Falk. 390. Rochl. 148. —
Deutsch chavven. Engl, höben. Griech. chabe.
charo: charo Degen Falk. 390. Hirschfänger, Schwert
Grol. 13. Hirschfänger Ant. 23. Degen Rochl. 148. Vgl. kehrum,
Degen Ant. 43. Deutsch charo. Engl, liauro. Griech. chandd,
chanrd. Man hat unrichtig hebr. hereb und ital. chiaro ver
glichen.
cliev: chiv Glas Ant. 25. Train. — Vgl. Deutsch cheb
Loch. Die Bedeutungen werden durch die Vorstellung ,Fenster'
vermittelt. Engl, hev, kev Loch, Fenster. Griech. chev Loch.
chover: chover Grabstätte, kehver Grab Train. — Böhm.
gover Grab wrat 14. Poln. Icobr tumulus Narbutt 156 Span.
cobiri f. Grube. Das Wort ist zweifelhaft.
jak: jak Licht Konst.-Hanns. Ave-lall. 170. Feuer Schäff.
Ave-lall. 181. jack Piist. Ave-lall. 208. Falk. 403. jalik, jak
Feuer, Licht Grol. 30. jack Feuer Ant. 40. Rochl. 152 —
Deutsch jak Feuer, Flamme. Engl. jog. Griech. jak Feuer.
ja uh: jauch, joch Suppe Falk. 413. 418. jauche Ant. 30.
jauche, joch Rochl. 146. 161. — Das Wort ist serb.: juha.
kacedi: katschedi Brantwein Grol. 33. katschethee Thee
Bisch. 1830. 101. — Deutsch chadserdi, partic. von chaceräva,
chadiäva, chadseväva brennen. Engl. Icacar brennen Smart-
Crofton 88. Vgl. hoc, hocer 85. Böhm, chacärov. Russ. za-
cliacies anbrennen; te chaSkires brennen Böhtlingk 263. Span.
jacliarar wärmen.
kachni: gachene Henne Konst.-Hans. Ave-lall. 167.
Schäff. Ave-lall. 181. Pfist. Ave-lall. 205. gachane Train, kachni
Huhn Grol. 32. platt-kachni 54. gachene 22. Rochl. 152. —
Deutsch kachnin Huhn. Engl, kd/jii, kdnni. Griech. kagni.
kak: gack, gag Vetter Grol. 22. — Deutsch kako, gäko.
Griech. kdko Onkel.
kas: kass Heu Grol. 33. Ant. 43. — Deutsch kas. Engl.
kas. Griech. kas.
kant: kant Schere Train. -— Vgl. deutsch gattlin, gattni.
IJngr. kai. Griech. kat.
käcen: kätschen tragen, auf dem Rücken tragen. — Vgl.
deutsch hidzeväva (hidschewäioa). Böhm, lidzav. Ungr. ledzä.
Poln. lydzaica. Span, legerar.
544
Miklosicli.
her: köhr Haus Falk. 408. kör Grol. 38. kor Ant. 46.
köhr Rochl. 159. manaschwareköhre Zuchthaus Grol. 45. Vgl.
kehr Amtmann Ave-lall. 555. mit Iure. — Deutsch leer. Engl, her
(kair) Haus; kere, keri zu Hause. Griech. ker, kher, k/er, her.
kin: kündigen kaufen Rotw.-Gramm. 14. köngen, kungen
Pfist. Ave-lall. 210. kinjen, kinjien, kingen, kinnigen Grol. 35.
köngen, königen 38. vevkinjen, verlcönigen verkaufen 73. köngen,
kinjenen kaufte Ant. 44. 46. einkongen, einkinjenen einkaufen
29. köngen, klingen Rochl. 162. verkünniclien vertrödeln 172.
Vgl. abkinjenen Ave-lall. 515 kone 561. — Deutsch kinava kau
fen ; bikinäva verkaufen. Engl, kin; bikin, bik. Griech. kinava
kaufen; bikndva aus bikinäva. Im deutschen tritt ver für
ind. bi ein.
kino: keno müde Ant. 43. — Deutsch kino. Griech. khinö
müde; klnniovava, öiniovava müde werden. Rumun. cino, sino
Vaillant 54. 73. 101. Ungr. cinovel, Sinol er wird müde.
Skand. kingjo. Pott 2. 151.
kire: kohdel kyre .grosse Herren Falk. 408. kyr Amt
mann; kyrin Amtmannsfrau Train. Vgl. rumun. t'ira Fräulein.
Buk. aus kjira; ngriech. y.upa.
kis: kiss Sack Mejer Ave-lall. 185. Pfist. Ave-lall. 209.
Falk. 411. Ant. 44. Grol. 36. Rochl. 157. Vgl. Ave-lall. 558.
— Deutsch gissikk. Engl. kisi. Griech. kisi.
kleba: kleba Brot Grol. 37. — Das Wort ist slavisch:
serb. hljeb, hieb, hlib; cecli. chleb usw.
klic: glitsch Riegel Rotw.-Gramm. 10. klitzsch Vorlege
schloss Specif. Ave-lall. 97. klitsch Ried. Ave-lall. 139. glitsch
Riegel, Vorlegeschloss; glitschen Fesseln Falk. 400. netverklitscht
unverschlossen Bisch. 70. glitsch Schloss; glitschen Fesseln
Grol. 25. glitsch Anlegeschloss; glitschen schliessen; glitscher
Fessel Ant. 36. glitsch Riegel; glitschen Fesseln; verklitscht ge
sperrt; vorlegklitsch Vorlegschloss Rochl. 154. 172. 173. Vgl.
glitschin Schlüssel Ave-lall. 545. — Deutsch glicin, glitin.
Engl, klisin. Ungr. kluio. klic stammt aus dem öech.: klic. Das
griech. kennt Midi, kilidi. Rumun. Midi. Ungr. klidin. Böhm.
Midi f. Poln. klydyn. Ital. Mid Ascoli 134.
ko lac: kolatschen Kuchen Falk. 405. Bisch. 55. Grol. 32.
märokalätschen Brotkuchen Bisch. 35. kolätschen Rochl. 159.
— Das Wort ist slavisch: serb. kolac, öech. koläc usw.
Beiträge zur Kenntniss der Zigeunennundarten. III.
545
kolev: lcollew, falsch hottet, Hosen Grol. 39. — Deutsch
cholib, cholibja. Engl, olivas, oülavers, hülavers stockings. höljaw
pl. bones. Rumun. holob Vaillant 108. Ungr. liolav, holev.
Böhm, cliolov. Poln. choteu Narbutt 155. Russ. cholovd Böht-
lingk 20. Skand. kolliva. Bask. hobeliac, horibonac. Vgl.
Span, solebd. Pott 2. 169. Das Wort ist slavisch: poln. cholewa
Stiefelschaft; oserb. kholowa Hosen; nserb. cholovy.
kraler: t’schorkrctler Räuberhauptmann Ant. 67. kraller
Anführer Train. — Engl, kralis König. Griech. krdlis; kraliSa.
Rumun. krdju. Ungr. kirali. Poln. kralis. Russ. krdli. Skand.
krajo (kralo); krali Königinn. Span, crally. Pott 2. 123. 539.
Das Wort ist slavisch: serb. kralj usw.
k r ö n e n: grauer ei Hochzeit Pfullend. Ave-lall. 237. krejinen
copulieren; g’krijinte goje Ehefrau; gekrijinter kaffer Ehemann;
g’krejint werden Hochzeit haben Bisch. 36. 38. 49. krönen
copulieren Falk. 409. kröne Hochzeit; krönen copulieren;
kröner Ehemann; krönerin Ehefrau; krönfleppen Trauschein
Grol. 40; gekrönte goje Eheweib ; gekrönter kaffer ; gekrönte jent
Eheleute Ant. 34. krönen, krejinen copulieren Rochl. 159. — Un
richtig für jüdisch-deutsch erklärt bei Ave-lall. 245. 563. Das
Wort ist eine Übersetzung des rumun. kunun krönen und
trauen, ein Ausdruck, der auf der Trauungsceremonie der
griechischen Kirche beruht.
k u mp a n i: cumpani, combain Uhr Falk. 392. campani,
cumpahni Grol. 12. 15. — Deutsch gampäna Uhr, Glocke.
Böhm, gampaiia. Skand. kambana. Pott 2. 105.
kur: kuhr Ferse Train. — Deutsch kür. Griech. khur,
kfuv, kur, für. Aind. Ichura Huf.
I a d z: ladsch Ekel Ant. 47. Train, ladschig ekelhaft Train.
— Vgl. deutsch ladsa Scham. Engl, ladz.- Griech. ladS, lac.
Pott 2. 331.
lahaf: lahaf Flamme Ant. 47.-—Vgl. griech. alavava an
zünden. Rumun. labodu brennen. Asiat, alav Flamme. Ver
schieden ist das arab. hind. lahab Flamme. Pott 2. 58. -
laleri: lalleri Gemeinde Grol. 40. Vgl. deutsch lalleri.
— Das Wort kömmt sonst zig. in dieser Bedeutung nicht vor.
Griech. ist lalorö stumm. Deutsch lallero. lallero tem Böhmen.
lallero der Litauer. Skand. lallarö der Lappe. Span, lallö der
Portugiese. Pott 2. 339.
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. LXXXIII. Bd. IV. Hft.
35
546
Miklosich.
lil: liel Brief Grol. 42. —• Deutsch hl. Engl. Hl Buch,
Papier. Griech. lil.
loske: loschke Löffel Mejer. Ave-lall. 186. löschte, losch-
ker, loschkes Falk. 412. 424. loschlce, pl. loschkes Grol. 43. loschke,
loschker, loschkes Rochl. 155. 161. 168. Vgl. Ave-lall. 568. —
Das Wort ist slavisch: poln. lyzka, russ. lozka usw.
louri: louri, falsch lonri, Soldat Grol. 43. louri Rochl.
165. — Vgl. deutsch lürdo. Böhm, lurdo. Poln. lurdo.
Engl, lur rauben, plündern.
lovi: lowi Geld Pfist. Ave-lall. 212. Pfullend. Ave-lall. 236.
Falk. 412. Grol. 43. Ant. 49. Rochl. 155. Vgl. lowe Ave-lall.
568. — Deutsch, lövo. Engl, lövo, luvo. Griech. love. Pott 2.
355. Das Wort ist dunkel: Die Zusammenstellung mit 'kotsä
merces, pretium, vox turcica, ist wenig wahrscheinlich, da ab
gesehen von v für f, bei so weitverbreiteten zig. Wörtern wie
love türkischer Ursprung nicht nachgewiesen werden kann.
lovine: lowine Bier Grol. 43. — Deutsch lovina. Engl.
lovina, livena. Ungr. lovina. Böhm, lovina. Poln. lowina Nar-
butt 162. Russ. lovinö Böhtlinglc 26. Das Wort ist asl. olovina
sicera, das russ. Treber bedeutet. Aus welcher von den slavi-
schen Sprachen das Wort in das zig. aufgenommen ward, ist
unsicher.
lubni: lupni Mädchen Falk. 412. Rochl. 161. — Deutsch
lubni Hure. Engl, lubni, lüimi Hure. Griech. lubni, lumni,
nubli, rubli.
lülke: lülke, lülkes Tabakspfeife Falk. 394. 423. lillke
Grol. 44. lülkes Rochl. 168; Ave-lall. 568. vergleicht mhd. lullen
saugen. — Türk, lüle, serb. lula. Rumun. luldod. Ungr. lulava.
macin: mazin Fliege Train. — Deutsch madzlin. Böhm.
mat'hin. Ungr. rnat'i. Italien, makin. Span, machd f. machin
m. Griech. maki f.
mace: matsche Fisch Grol. 46. Fische Ant. 51. Fisch
Rochl. 162. —■ Deutsch mädSo, madsin. Engl, maco, mäci.
Griech. maco.
malain: malain Wein Grol. Train. — Vielleicht Druck
fehler anstatt der zwei Wörter mal, zig. mol, und jaim, jüdisch
jajen. M. Wagner.
Beiträge zur Kehntniss der Zigeunermundarten. III.
547
malen: mahlen Kamerad Grol. 44. Ant. 50. — Deutsch
mal. Griech. mal, amdl.
manasvare: manaschwareJcöhre, manaschwerköhre Zucht
haus Grol. 45. manaschwereköhre Ant. 50. mannaschwer oköhse
für -köhre Rochl. 161. — Deutsch manuSväri Galgen, Richtplatz;
manuSväri gova Epilepsie. Pott 2. 448. Vgl. griech. manuSfari
Mord. Das Wort ist dunkel.
man gen: mangen betteln Grol. 45. Ant. 50. manga Bitte;
manger Bettelmann Ant. 50. mangen Rochl. 161. — Deutsch
mangäva bitten, betteln; mangapen Bitte, Bettel. Engl. mong.
Griech. mangäva bitten, suchen, betteln.
manise: manische Zigeuner Pfist. Ave-lall. 213. Falk.
413. Train, manisch(e) Grol. 45. Ant. 50. Falsch mamische Rochl.
161. — Deutsch mänüS Mensch, Zigeuner. Engl. mamlS Mann.
Griech. mam'is.
margoleaus: margoleaus, margolioss Perlen Grol. 46. —
Vgl. deutsch merlo, mirkia, werklo. Engl, merikli, pl. meriklies, me-
rikios beads. Rumun. margariktäri. Griech. minriklo Geschmeide.
Ungr. miriklo Perle, Koralle. Böhm, miliklo Koralle. Span.
merriclin.
maro: maro, marum Brot Pfist. Ave-lall. 213. maro,
marum, marim Falk. 413. märo Bisch. 35. märokalätschen
Brodkuchen ibid. maro, marum, marim Grol. 20. 46. marum;
maro-kiss Brotsack Ant. 50. maro, märo, marum Rochl. 145.
149. 158. 160. 161. Vgl. Ave-lall. 571. — Deutsch märo. Engl.
maäro. Griech. manrö, marnö, maro, mandö, marly.
mas: mass Fleisch Konst.-Hanns. Ave-lall. 169. Pfitz. Ave-
lall. 213. Grol. 20. 46. Ant. 51. parmass Ochsenfleisch Ant. 55.
buzenmass Gansfleisch 23. mass Rochl. 162. — Deutsch mas.
Engl. mas. Griech. mas.
mato: matto besoffener Mensch Falk. 414. matt besoffen;
mattich Rausch Grol. 46. matto Rochl. 162. mattoholo besof
fenes Schwein Ave-lall. 522. Vgl. Ave-lall. 572. — Deutsch matto.
Engl, mötto. Griech. matto.
matreichen: matreichen Kartoffel Pfist. Ave-lall. 213.
matrellcher Grol. 46. matreichen Ant. 51. Rochl. 147: falsch
matteichen 162. Vgl. Ave-lall. 572. — Deutsch madreli. Rumun.
matrela Buk. Böhm, matreli f. Dunklen Ursprungs.
35*
men: mehn Genick Train.— Deutsch men Hals. Böhm. men.
Poln. men. Engl. men. Skand. men. Griech. men, min f. Pott 2.444.
mi: mi mein Train. — Ungr. mo m. mi f. neben mro. Böhm.
mro. Griech. mo neben rninrö, mindö.
minS: minsch weibliche Scham Falk. 415. Grob 48. Ant.
52. ßochl. 162. — Deutsch minS. Engl, mindz, mini. Griech.
mindz, minS. Pott 2. 95.
mochton: mochton Dose Grol. 49. — Deutsch mochton.
Engl, moyto, mükto, mölcto. Ungr. mosto. Böhm, moclito. Skand.
mokti (mufta).
mol: moll todt Grol. 49.— Deutsch mülo. Engl, mülo
todt 7 Geist. Griech. mulö, molö.
mulo: vermulmasen vermodern Train. — Das Wort beruht
auf zig. mulo mas Aas, eig. todtes Fleisch. Vgl. mas und mol.
mors: morsch Eber Train. — Rumun. murs Gatte. Böhm.
muri Mann. Skand. mors, moss Mannsperson. Engl. mus.
Griech. muri, mrui.
mulcle: muckle frei, losgelassen, erlöst Ave-lall. 576.—
muklö ist das partic. praet. pass, von muh. Deutsch mukkäva:
mukklo frei, ledig. Böhm, mukav, mikav lassen: muklo los
gelassen. Skand. mukka loslassen, frei sein; mukk Freiheit.
Engl. muh. Span, mucar, mecar; muquelar, mequelar lassen.
Griech. mukava, muklidva.
mulve: mulve Blei Ant. 53. mulveparne Bleiweiss Train.
— Deutsch molevo. Engl, mölov, mölos. Rumun. moliü bessarab.
Poln. niuliwa. Skand. mollavis Zinn.
nakler: nakler Schnabel Train.—Vgl. deutsch nakk Nase.
Böhm. nah. Skand. nah. Engl. nok. Griech. nah.
na Sen: naschen gehen Pfist. Train. Ave-lall. 214. verna
schen Pfullend. Ave-lall. 235. — Deutsch nasäva laufen. Engl.
nas, ndser. Griech. nasäva.
pags: pags Eis Ant. 55. — Deutsch paghi, pagho. Griech.
pagliosdjlom exd-fwaa, das auf * paghosardva beruht. Rumun.
pao Frost Vaillant. phaü Eis bessarab. Böhm, man pachonel
mich friert. Russ. paho Eis.
pak: pah Flügel 55. Train. Vgl. packerling Grol. 52.
— Deutsch pakni. Griech. pak f.
pal: pall Brett Grol. 53. — Deutsch päl. Poln. phäl.
Russ. phal.
Beitrage zur Kenntniss der Zigeunermundarten. III.
549
pandeli: pandeli Pferch Grol. 53. — Vgl. deutsch ban-
däva binden, fesseln, pandeli ist eig. die verschlossene: Böhm.
phandlö verschlossen usw.
pani: bani Wasser Falk. 385. Grol. 6. bannt Ant. 17.
bani Rochl. 144. — Deutsch pänin. Engl, padni, pani, patini.
Griecli. pani.
pap in-, babing Gans Falk. 385. Grol. 5. bapni 6. ba-
bing Ant. 16. Rochl. 144. — Deutsch papin. Engl, papin.
Griech. papin, papina. Ngriech. uctTciii, izdwKtot Ente.
parne: mulveparne Bleiweiss Train, parrost Blech Train:
zig. parno weiss und rotwelsch rost Eisen. J. M. Wagner. —
Deutsch parno. Böhm, pärno. Rumun. parno. Skand. perno.
Engl, porno. Span, parno. Griech. parno.
patist: patist Tasche Ave-lall. 4. 581. •— Deutsch potissa,
pottsin. Böhm, positi. Ungr. positi, potisi. Skand. positta.
Bask. potosi. Engl, putsi. Span, potosia. Pott 2. 367.
pen: pehn Schwester Falk. 418. Grol. 53. Rochl. 164.
— Deutsch pen. Engl. pen. Griech. pen, ben.
per: perr Bauch Train. — Deutsch perr. Böhm. per.
Ungr. per. Rumun. pzr. Engl. pur. Bask. porra. Span, pö,
porid. Griech. per, por, bor, pol.
pirin: pirin Bottich Train. — Vgl. deutsch piri Topf.
Böhm. piri. Ungr. piri. Rumun. piri. Skand. piri. Engl.
piri. Span. piri. Griech. piri.
pir eskro: biereskroli Büttel Train.—Deutsch pireskero,
pirengero Läufer, Hascher von piro Fuss; griech. pinrö, pirnö,
pindö, piro usw.
pistum: pischtum Flachs Grol. 54. — Engl, pusom Wolle.
Griech. posom, posom.
plumb: plumb Zinn Bisch. 79. Train, plump Blei Grol.
54. blump Schrott Ant. 21. Train. — Rumun. plumb.
bolitan: bokdam Tuch Konst.-Hanns. Ave-lall. 171. Pfist.
Ave-lall. 201. Vgl. Ave-lall. 245; 585. wird ein zig. poclitam
in Abrede gestellt und pochtam, bockdam für eine Verstümme
lung des hehr, begodim erklärt. — Deutsch pochtann. Engl.
poytan, pöktan Tuch. Griech. pochtdn Leinwand.
polconi: atsch bogoni bleib ruhig Grol. 4.—Deutsch pö-
köno still, ruhig. Das Wort ist slavisch: serb. pokojni in an
derer Bedeutung.
550
Miklosich.
polifke: boliffte Rotw.-Gramm. 3. baliske für balifke
Suppe Ried. Ave-lall. 141. balifker, balifke, bolifken Pfist.
Ave-lall. 199. 201. bolifte Bisch. 68. woljfke Falk. 413. bo-
liflce, bolifte, boliffe, pollifte Grol. 10. 54. bolifke, balifke, ba-
lifen Ant. 16. 22. bolifken, bolifte, wolfke, wollfke Rochl. 146.
161. Vgl. Ave-lall. 585. — Das Wort ist cech.: polivka.
präl: brahl Bruder Falk. 389. Grol. 11. Ant. 22. Rochl.
147. — Deutsch präl. Engl. pal. Griech. joral, plal.
pus: puss Heu Falk. 419. Grol. 55. Ant. 57. — Deutsch
pus Stroh. Engl. pus. Griech. pus, bus.
pushe: putsclika Rotw.-Gram. 18. buschge Pistole Schaff.
Ave-lall. 181. putselige, buschge Flinte Pfist. Ave-lall. 201. 215.
buschke, putsche Falk. 389. 419. putschke, putsclige, buschke,
buschge Grol. 12. 55. buschge, putsclige Ant. 23. 47. 48. 57.
putsche Rochl. 165. — Deutsch puska. Griech. puski. Das Wort
ist slavisch: serb. puüka usw.
rakle: raclcle Frau Falk. 419. Rochl. 165. — Deutsch
rakkli Mädchen. Engl, rdkli. Griech. rakli.
rat: ratte Nacht Pfist. Ave-lall. 215. Pfullend. Ave-lall.
240. Falk. 419. ratt Grol. 55. ratte Ant. 58. Rochl. 160. ratte-
gänger Nachtdieb 160. 165. Vgl. Ave-lall. 590. — Deutsch ratt.
Engl, radti. Griech. ratt f.
reden: retschen Ente Grol. 56. — Deutsch reca, recka
Ente. Engl, red, reca, ruca. Rumun. raca bessarab. Ungr.
reca. Bask. erratga. Das Wort ist slavisch: serb. raca, nsl. reca.
rej: rey Verwalter Grol. 56. rey, reyo Ant. 58. rei, rey
Amtmann Ave-lall. 591. — Deutsch rai Herr, Edelmann. Engl.
rei. Griech. rai. Vgl. baro.
rod: rodeln holen Bisch. 49. Ant. 58. — Vgl. deutsch rodäva
suchen. Engl, röd, röder. Griech. rödava.
romanis: romanisch zigeunerisch Grol. 57. rumnitscheie
statt romnitschai Zigeunertochter, -mädchen: rom (romnitschel,
romnimanusch) ist der ehrenvolle Name, womit die Zigeuner
sich selbst benennen. Klaus Groth 296. — Deutsch römano adj.
römanes adv. zigeunerisch. Engl, römano, römanes. Griech.
romanö, römanes.
rumini: rumini Frau Pfist. Avd-lall. 216. Falk. 420. Grol.
57. Ant. 59. rammenin Ave-lall. 589. — Deutsch romni Frau,
Eheweib, Zigeunerinn; rom Mann, Ehemann, Zigeuner. Engl.
Beitrüge zur Kenntniss der Zigeunermnndarten. III.
551
vorn Ehemann, Zigeuner; römni, romeni Eheweib; raüni, raurd
lady. Griech. romni.
sende-, sende Zigeuner Falk. 426. Grol. 66. Rochl. 169.
Train, sente pl. Ave-lall. 174. Zeile 21. — Deutsch sintOj eher
wohl nach der Lautlehre sindo. Vgl. Pott 1. 32. sinte-raklepa
Zigeunersprache Bugge 149. Nach Puchmayer III. nennen sich die
deutschen Zigeuner sinde, d. i. zinde nach cechischer Aussprache.
siler: silier Arbeitshaus Falk. 426. — Vgl. sileräva, siläva
bezwingen : es ist slav. sila, siliti.
simen: simmen Vorbedeutung Ant. 64.— ßumun. sema
Zeichen Vaillant 77. Griech. simddi, simadi m. Span, simaclie
m. simacM f. Ngriech. cr,|j.aot.
stachelingero: stachelingero Igel Bisch. 1833. 77. ■—
Deutsch stücheUngero. Hier ist nur das Suffix zigeunerisch.
steber: Steher, bei Bisch. 32. als aus Pfist. entlehnt an
geführt; Falk. 428. Grol. 68. Ant. 65. Rochl. 170. — Das Wort
ist slavisch: nsl. steber Säule, urspr. wohl Baumstamm; serb.
stabar Stamm.
stikum: stiekum Hecht Grol. 69. — Vgl. cech. stika.
svito: swirvo Gegend Ant. 65., wohl fehlerhaft für svito-,
swiewo Rochl. 171. — Vgl. deutsch Svetto Welt. Ungr. sveto Welt;
svito Land. Span, sueti Volk. Das Wort ist slavisch: serb. svi-
jet, svit, svet.
Sero: sch'erm Kopf Grol. 60. — Deutsch Sero. Böhm.
Sero. Skand. Sero. Span. jero. Griech. serö, serö, ser.
Soch: schock Kraut Falk. 424. 425. Grol. 62. 72. Rochl.
168. 169. — Deutsch Sach. Engl. sok. Griech. Sach.
Sorden: scliorden seine Notdurft verrichten Falk. 424.
Rochl. 168. — Vgl. deutsch corleväva giessen. Ungr. Corel.
Griech. corava giessen, pissen Paspati 647.
Suker: schucker schön; scliucker-sudler Schönfärber Bisch.
1833.96. — Deutsch Sukker. Engl. Sukdr. Griech. sukdr, sukär.
S u't e l: schuckes für schuckel sauer; sckuckelschoch Sauer
kraut; schuckelthut Falk. 425. schuckel; schukle schock; schukle
thut; tukle sauer; tukle schock; tukle thut Grol. 72. schuckel-
schoch; schuckle thut Rochl. 169. schuklicli, tschuklich-, tukle,
tuklich Train. — Deutsch Suttlo sauer. Engl. Sütlo. Griech. sutlö.
tarne: tarnechol Huhn Rochl. 170. — Vgl. deutsch tarno
jung. Griech. ternö. Rumun. tvrnahal.
552
Miklosicli.
thut: thut in schucklethut saure Milch Falk. 425. thut
Grol. 71. schulde thut 72. theet für thut Rochl. 171. schneide
thut 169. — Deutsch thut. Engl. tud. Griech. tut.
toven: dohrich Tabak Rotw. Gramm. 5. tohris Riedel
Ave-lall. 141. dohrich Hildburgh. Ave-lall. 152. doivre Pfist. Ave-
lall. 203. dowerich Falk. 394. dowricli Bisch. 68. dowricli Grol.
17. dohrich, dowerich Ant. 27. dowen Train, dowen, tohig, dowe
rich, dowri.g Rochl. 149. 171. dubilo Schupftabak Bisch. 1830.
95. — Vgl. deutsch tüvali. Engl. tuf,tuv, tuvlo, tüvli. Ungr.
tuv, tu, thuv. Böhm, t.huv. Span, chuhalö. Griech. tuv.
Rumun. tu.
tover: dower Beil Falk. 393. Ant. 27. Rochl. 149. —
Deutsch tover. Engl, tdbär, töver. Griech. tover, tovel.
trome: tromme, drommeine Thaler Ave-lall. 535. 617.—
Deutsch drommin, drochamen, drohamen. Russ. trome zehn Ko
peken. Skand. trumming Thaler Pott 1. 52; 2. 291, der an
opayp:r\ denkt.
vastingere: wastingere Handschuhe Falk. 431. Rochl.
173. — Deutsch vastiskero Handschuh; vastingero Handschuh
macher. Engl, wastmgries pl. Handfesseln. Ungr. vastengoro
Handschuhmacher: vastengoro ist der s. g. pl. gen. von vast; va-
steskoro der sg. gen.
ves: wehsch Wald, von Bisch. 74. aus Pfist. angeführt.
iveesch Hölzling Falk. 431. weesch Wald Grol. 74. wehsch Forst;
wehscher Förster Ant. 70. Vgl. Ave-lall. 620. — Deutsch ves.
Engl, ves, iveS. Griech. ves, ves, vast, vos, vos.
zamba: schampa Frosch Train.—Deutsch dzampa. Ungr.
zamba. Böhm, zamba. Span, damba. Griech. zamha. Das
Wort ist slavisch: serb. zaba usw.
zuvi: scliuvi Laus Bisch. 1830. 83. — Böhm, dzuv f. Ungr.
dzu m. Poln. dzuv. Russ. dzuv. Skand. ju. Basic, sliüu.
Engl, d&uva. Span, clrnbe. Griech. dzuv m. Pott 2. 114.
B. In der jütischen Gaunersprache.
antru: antru Ei. — Griech .vandö, vanrö, arnö m. Rumun.
anrö buk. anre, ganre Zuev. Ungr. anro, järo. Deutsch, järo.
Poln. jaro. Russ. jarö. Skand. jaro. Engl. yoro. Bask. ycin-
dr$a. Span. anrö. Aind. anda.
Beiträge zur Kenntniss der Zigeunermundarten. III.
553
bakra: bakra Schaf. Vgl. Seite 539.
balo: balo »Schwein, balora Ferkel. Vgl. Seite 540.
bar: bare,harr Stein.— Griech. bar. Skand. bar. Engl. bar.
bolis: bolis, stormbolis Stadt. — Vgl. griech. pölin.
bor: bor lybsk skilling. — Vgl. skand. bar Mark. Engl.
bar Pfund Sterling.
br atrum: bratrum Bruder. ■— Das Wort ist wohl slavisch:
cech. bratr.
cor er: kjorer stehlen; kjorer Dieb. — Skand. tjaar Dieb;
tjaara stehlen; tjaaripd Diebstahl. Vgl. Seite 540.
deis: deis Tag; middeis Mittag. — Vgl. griech. dives.
Skand. dives. Engl, divvus. Span, chibe.
diglo: diglo Tuch, Halstuch. — Griech. dikld. Böhm.
diklo. Russ. dykhlö Böhtlingk 21. 264. Skand. diklo. Engl.
diklo. Span, diclo. Pott 2. 305.
gab: gab, gaue Dorf. — Griech. gav. Rumun. gav. Ungr.
gav. Deutsch gab. Skand. gav. Engl. gav. Span. gau.
gaben: gaben Speise. Vgl. Seite 543.
garo: garo Ei. Vgl. antru Seite 552.
geb: geh Loch. — Griech. chev f. Rumun. cliiv Glas: wohl
Fenster, Fensterscheibe, clim buk. Deutsch clieb. Poln. geb
Narbutt 155. Skand. kev, kjev. Engl, hev Loch, Fenster. Vgl.
chev Seite 543. Pott 2. 162.
gib: gib Gerste. — Griech. giv, iv Getreide. Rumun. giu
bessarab. Ungr. div, jiv Weizen. Böhm, div Korn. Deutsch (/7fr
Getreide. Poln. giu Roggen Narbutt 169. Skand. giv Korn. Basic.
'(iba Weizen. Engl, ghiv Getreide, Weizen. Span, gui, gi. Pott 2.67.
glicin: glitschin Schlüssel. Vgl. klic Seite 544.
gotteis: gotteis Zucker.— Griech. gudlö, guglo süss.
Rumun. guglimas Zucker. Ungr. gullö süss. Deutsch gulo
süss; gudlo Zucker. Skand. gulo süss; gulot Süsses, Zucker.
Engl, güdlo süss; güdli Zucker. Pott 2. 133.
gra: gra Pferd. Vgl. Seite 542.
guru: guru Ochs, gurunji Kuh. — Griech. guriiv, guri.
Rumun. gurüu, gurumni. Ungr. guru, guruv. Skand. gurni.
Basic, gourro, g$r$a Kuh. Engl, güruni Ochs. Span, goruy,
gruij Ochs: vgl. jun'c Stier; juri Kuh.
hanj: hanj Brunnen. — Vgl. griech. chaning, chaink.
Rumun. chaing bessarab, chajing buk. Ungr. J/änik. Böhm, chahig.
554
Miklosich.
Poln. lianynk. .Eng], hdnik, hdnikos Smart-Crofton 81. Span.
jani f. janique m.
izba: isba, ism.a Kammer.— Rumun. isba Vaillant 109.
Deutsch isrna. Poln. izba. Skand. Msp. Span, isba alcova.
Das Wort ist slav.: nsl. serb. russ. izba. Pott 2. 65.
jag: jag Feuer. Vgl. Seite 543.
jukel: jukkel, juggel Hund.— Gi'iech. cuicel, dzukel.
Rumun. zukil buk. Ungr. dzukal. Böhm, dzukel. Deutsch cuklo.
Poln. dZukel Narbutt 162. Skand. juklo. Bask. chakel, sh'ikela.
Italien, jukel Ascoli 130. Engl, juk, jukel, yakel Smart-Crofton
87. Span, chuqvel. Vgl. cukel Seite 541. Pott 2. 213.
jup: jup Laus. Vgl. zuvi Seite 552.
kdcedi: kdtschedi Brantwein. Vgl. Seite 543.
kalsling: kalsling Stiefel. — Skand. kalsing.
kamire: kamire Stube. — Deutsch kamöra. Engl, kd-
mora, ltamdra Smart-Crofton 90.
kampani: kampdni Glocke, Uhr. Vgl. Seite 545.
kangri: kangriTah&k. — Das Wort bedeutet sonst überall
Kirche: die Bedeutung Tabak bei Dorph muss auf einem Irr
tum e beruhen: Griech. kangari, kangiri, kargiri, kangiri, kangli.
Russ. khangiri. Skand. kangari. Engl, köngri. Bask. kan-
diria. Span, cangari, cangri. Pott 2. 150.
k a s: kash Holz, Stock. — Gi'iech. käst. Rumun. käst.
Deutsch gast. Poln. karst. Skand. käst. Engl. kost. Span.
caste, cate. Pott 2. 120. 423.
ker: kehr Haus. Vgl. Seite 544.
kis: kiss Geldbeutel. Vgl. Seite 544.
klidin: klidin Schlüssel. — Griech. Midi, kilidi. Rumun.
klidi. Ungr. klidin. Böhm. Midi. Deutsch glitin. Poln. kly-
dyn. Italien, klid Ascoli 134. Ngriech. v.kz'.gL
klirobdskero : klivobaskero Kerkermeister. — Das
Thema des Wortes ist mir dunkel: das Suffix ist zig.
kristdr: kristdr Kiste. — Deutsch kistäri. Pott 2. 167.
lini: Uni. Reisepass. Vgl. Ul Seite 546.
lövi: lövi Geld. Vgl. Seite 546.
m ang av e: mangave betteln. Vgl. Seite 547.
m-anter ik: manterik Zitz, Kattun. — Vgl. russ. jenderdka
Frauenrock Böhtlingk 25. Apoln. inderaki. Wruss. andarak.
Pott 2. 396. Es ist das deutsche Unterrock.
Beiträge zur Kenntniss der Zigeunermundarten. III.
555
maro: maro Brot. Vgl. Seite 547.
mas: mas, muts Fleisch. Vgl. Seite 547.
matril: matrillr Kartoffel. Vgl. Seite 547.
molivo: mollivo Blei. Vgl. muhe Seite 548.
mumeli: mumeli,Lieht. — Griech.momeli, mumeli. Rumun.
mumeli. IJngr. momeli. Böhm, momeli. Deutsch momelin. Poln.
mamely Narb litt 165. Russ. mumyly Böhtlingk 23. Skand.
mommali. Engl, mumli, mümbli Smart-Crofton 112. Span, mu
meli. Das Wort ist von morn, Wachs abzuleiten.
muri8: murris Mund. — Vgl. griech. muj usw.
p ani: pani Wasser. Vgl. Seite 549.
pdp in: pdpin Gans. Vgl. Seite 549.
piri: piri Blut. Diese Bedeutung wird wohl auch
wie die von kangri auf einem Irrthuine beruhen. Vgl. pirin
Seite 549.
pur: pdr Feder. — Rumun. pora pl. Zuev. Ungr. por.
Böhm. pör. Deutsch por. Poln. pora Narbutt 162. Russ.
por Böhtlingk 22. Skand. por. Engl, por Smart-Crofton 125.
Span. por. Pott 2. 357.
pur: puur Steiss. — Vgl. griech. pari Schwanz. Rumun.
pori Vaillant 87. 122. Ungr. pari. Böhm. pari. Deutsch pdrin.
Engl, pöri Smart-Crofton 125. Span. pori.
rece: retse, retscliori Ente. Vgl. Seite 550.
roco: rotso Roggen. — Vgl. rumun. rozgo Vaillant 125
und slav. serb. rz, asl. r%zb.
ruh: rulc Holz, Brennholz, dän. Brsende.— Griech. ruk
Baum. Rumun. ruk Olive Vaillant 125. Deutsch rukk. Engl.
ruk Smart-Crofton 131. Span, ent, eruquel Ölbaum. Aind.
vrksa. Päli rukkha.
rumni: rumni Frau. Vgl. Seite 550.
rup: rup Silber. — Griech. rup. Rumun. rup. Ungr. rupli.
Böhm. rup. Deutsch rup. Skand. rup. Aind. rüpjam, raupjam.
Hind. rüpä. Pott 2. 274.
säst er: saster Eisen. —- Griech. saster, sastir, sastri, sastir.
Rumun. sastr. Ungr. trast, srastra. Böhm, saster. Deutsch
saster. Skand. saster. Bask. sasta charrue. Engl, saster, sdrsta,
sarsta Smart-Crofton 133. Aind. castra telum; castraka ferrum.
Pott 2. 224.
sero: sero See. — Deutsch sero See, Meer. Dunkel.
556
Mi klosich.
sonn eh aj: sonnekay Gold. — Griecli. sovnakäj, somnakäj.
Rumun. somnakäj buk. Ungr. sovnakaj, somnakaj. Böhm, som-
nakaj. Deutsch sonnigai. Skand. sonneka. Engl, sünakei.
Span, sonacay. Aind. suvarna. Päli suvanna. Pott 2. 227.
stadi: stadi Hut.— Griech. stadik, sadik. Rumun. stadi
Zuev. Ungr. städin, stadik. Böhm, stadi. Deutsch statin.
Skand. stadi. Span, estache. Ngriech. cnuocSi. Kristädi für stadi
ist mir dunkel.
Stilen: Stilen anhalten; stilepenne Arrest. — Deutsch stildum
ergreifen, fühlen (d. i. betasten); Angriff, Beute, eig. ich habe
ergriffen Beitr. 6. 8. 11. 13. stilldva verhaften ; stildo partic.
Skand. stitta ergreifen ; stildo partic.; stillipd Arrest. Pott 2.
220. 246. Vgl. siler Seite 551.
sah: shak dän. lcul, d. i. Kohle, richtig käl, Kohl. So
auch Dyrlund 342. Vgl. Seite 551.
Samböni: shampöni Tabakspfeife.— Deutsch cambona
Beitr. 24. Ngriech. tIcqj.TCijva Schalmei, ital. zampogna, sam-
pogna aus lat. symphonia: das zig. Wort ist ngriech.
Sur er: sliurer, sjuriser Dieb; shurepenn, schüren Dieberei.
Vgl. cor Seite 540.
valin: valin Glas. — Deutsch välin. Poln. balun Nar-
butt 166. Skand. ali Glas; alo Fenster. Pott 2. 69.
C. In der französischen Gaunersprache.
ber£: berge s. f. annee Francisque-Michel 42. Ascoli,
Studi critici I. 127., sagt über berge: ,berge anno, in cui l’in-
dianista salutera incontanente il varsa sanscrito, o barsa secondo
pronunzia indostana; e bers anno . e di fatti dello zinganicoh
— Griech. bers Jahr. Rumun. bzrS. Ungr. bers. Böhm. bers.
Skand. bers. Engl. bes. Bask. bre/a. Span, breje.
gre: gre, gres s. m. cheval. Terme des brigands d’Orgeres
et des voleurs de Campagne de la Normandie usw. Francisque-
Michel 199. Vgl. Seite 542.
kariben: cariben vol a la care Vidocq 1. 56; 2. 68.
caribener voler k la care 1. 59. Ce verbe vient evidemment du
hohemien chorripen, que Borrow traduit par evil, wickedness,
maldad. Voyez The Zincali 2. 41. Francisque-Michel 93. — Das
Thema hat mit Sor wohl nichts zu thun; das Suffix ben ist
wahrscheinlich zigeunerisch.
Beiträge zür Kenntniss der Zigeuneriiiundarten. III.
557
har üble: ccirouble s. f. fausse clef. Ce mot doit venir
du bohemien carobi, que Borrow traduit par 'staple, ring, ar-
golla, c’est-h-dire anneau. Francisque-Michel 94. — Das Wort
ist schwerlich zigeunerisch.
?nuniS: mouniche s. f. pudendum muliebre; bohemien
minchi. Francisque-Michel 285. Vgl. Seite 548.
romamicel: romandchel bohemien Vidocq 2.65. roma-
mitchel, romanitchel, romonichel, romunichel s. m. bohemien.
Suivant le colonel Harriot, romni-chql est le nom que portent
les hommes de cette race en Angleterre, en Espagne et en
Boheme ; et romne-chal, vömani-che est celui par lequel on
designe les f'emmes. Selon Borrow, roma, les maris, est le nom
generique de la nation bohemienne et rome veut dire h la fois
femme mariee et gitana. Quant ä romani-chal, le meine auteur
traduit ce mot par the rommany or gipsy language Francisque-
Michel 353. Engl, romani-cal a male gipsy. Wenn cal wirklich
,fellow, chap‘ bedeutete, so würde das Wort correct romano
clial lauten. Bei Vaillant 124. liest man romnicel fils de la
femme, gleichfalls gegen die Grammatik; bei Bugge 147.
romanisäl Zigeuner; bei Sundt rommanisäl Zigeuner; romanicej
Zigeunermädchen. Bask. erroumancel Zigeuner. Engl, bei Br.
81. 91. romani chi Zigeunerinn.
senaki: senaqui piece d’or. Terme des Komamichels
Vidocq 2. 99. senaqui s. f. terme des Romamichels, dans la
langue desquels sonacai signifie or Francisque-Michel 379.
siv: sine s. f. poule; boh. chi. chiveli Francisque-Michel 384.
— Das als zig. angeführte Wort fehlt in meinen Sammlungen.
surin: chourin, surin s. m. couteau; boh. chory Fran
cisque-Michel 111. Vgl. cori Seite 541.
turne: turne s. f. maison. Ce mot vient du bohemien
turno chäteau. Borrow, The Ziucali 2. 110. —■ Das Wort ist
schwerlich zig.
D. Im englischen Slang,
a) Aus Hotten.
bambuzl: bambooale, to delude, clieat, or make a fool
of any one. — bamboozle, to perplex or mislead by hiding.
Modern Gipsy. Hotten 7. Ein entsprechendes zig. Wort ist
unbekannt.
558
Mi kl o sich.
bandi: bandy, or cripple, a sixpence, so called from
this coiu being 'generally bent or crooked; old term for fiimsy
or bad cloth, temp. Q. Elizabeth. Hotten 70.— Vgl. deutsch
bango (seil, lovo) Pfennig, krummes Geld, wahrscheinlich weil
sonst die Pfennigstücke krumm gebogen waren Liebich 228.
bazar: bazaar, a shop or counter. Gipsy und Hindoo, a
market. Hotten 71.—-Das Wort ist nicht zig.
blök: bloak, or blöke, a man. Gipsy and Hindoo, loke.
Hotten 77. — Das Wort ist nicht zig.
bos: bosh, a liddle. bosh-faker, a violin-player. Terms
only used by the lower Orders. Hotten 82. — Griech. basdva
schreie, belle, singe; basavdva spiele ein Instrument; basavdi
Musik. Ungr. basavel er spielt, geigt. Engl, bos geigen, Geige;
bosero Geiger. Span, bajani Guitarre.
bos: bosh, stupidity, foolishness. bosli, rubbish, nonsense,
offal. Gipsy and Persian. Hotten 7. — Das Wort ist nicht zig.
ciz: cheese, or cheesy, a first-rate or very good article.
cheese, thing or article, ,that ’s the cheese', or thing. Gipsy and
Hindoo. Hotten 7. — Das Wort ist nicht zig.
da di: daddy, nursery term for father. dade, or dadi, a
father. Gipsy. Dad in Welsh, also signifies a father. Hotten 7.
Vgl. Seite 541.
drum: drum, as applied to the road, is doubtless from
the Wallachian Gipsy word ,drumri‘, derived from the Greek
opoy.oc. Hotten 126. — Engl. drom. Griech. drom. Humum drum.
Deutsch trom. Skand. dromm. Span, drun, drune. Aus dem
Griech. opi[i.oq. Pott 2. 318.
dzib: jibb, the tongue. Gipsy and Hindoo. (Tramps’
term.) Hotten 162. tschib, or jibb 8. — Engl, dzib, cib, civ.
Griech. cib. Ungr. cib. Span, chipe. Mit diesem Worte wird gib-
berish und chive mit Unrecht in Verbindung gebracht, gibberish,
rapid and unmeaning speech. gibberish, the language of Gipsies,
synonymous with slang. Gipsy. Hotten 7. 142. Vgl. Ascoli 134.
chive, or chivey, a shout, a halloo or cheer; loudtongued, ■—
From chevy-chase, a boy’s game, in which the word chevy is
bawled aloud; or from the Gipsy. Hotten 99. chive, the tongue.
Gipsy. 7.
gad: gad, a female scold, a woman who tramps over
the country with a beggar or hawker. gad, or gadsi, a wife.
Beiträge zur Kenntniss der Zigeunermundarten. III.
559
Gipsy. Hotten 7. gad, a trapesing, slatternly woman. Gipsy.
Anglosaxon gsedeling 139. — Mit gadzo, Seite 541, ist gad nicht
in Zusammenhang zu bringen.
karun: caroon, five Shillings. French couronne; Gipsy
courna; Spanish courna, half-a-crown. Hotten 94. — Engl, kü-
rona (koorona).
ken: ken, a house. Ancient cant. Khan, Gipsy and
Oriental. Hotten 164. — ken steht wohl kaum für ker, ist dem
nach wohl nicht zig. Vgl. Seite 544.
kur: cur, a mean or dishonest man. ischur, schür, or
chur, a thief. Gipsy and Hindoo. Hotten 8. Vgl. 7. Note. —
Kur ist nicht mit cor, Seite 540, zu vergleichen.
kuter: cooter, couter, a sovereign, twenty Shillings, cuta,
a gold coin. Danubian Gipsy. Hotten 7. 108. 110. — Vgl. goter
Seite 542. Es ist eigentlich ein Stück, piece.
lil: lil, a book, pocket-book. Gipsy. Hotten 171. Vgl.
lil Seite 546.
lohs: lobs, words, talk. Gipsy. Hotten 172. lab, a word.
8. — Engl. lav. Griech. lav. Rumun. aldü. Skand. lav. Span.
lao. Pott 2. 321.
lour: lour, or lowr, money; ,gammy lowr‘, bad money.
From the Wallachian Gipsy word, lowe, coined money. Old
French, lower, revenue, wages. Ancient Cant, and Gipsy.
Hotten 8. 173. — Vgl. lovi Seite 546. Die Form befremdet.
lunan: lunan, a girl. Gipsy. Hotten 175. — Man scheint
an lubni zu denken (vgl. Seite 546), jedoch wohl mit Unrecht.
mami: mamimj, or mamma, a mother, formerly sometimes
used for grandmother. mami, a grandmother Hotten 8.— Griech.
mami Hebamme. Ungr. mami Grossmutter. Böhm, mami usw.
Das Wort ist zu allgemein verbreitet, als dass man es mit
Sicherheit dem zig. zuweisen könnte.
maund: maund, to beg. maung, to beg, is a term in
use amongst the Gipsies, and may also be found in the Hin
doo vocabulary. maund, however is pure Anglo-Saxon, from
mand, a basket. Compare ,beg‘, which is derived from bag, a
curious parallel. Hotten 177. mang, or maung 8. — Uber mang
vgl. Seite 547. Damit hat jedoch maund wohl nichts zu schaffen.
mok: moke, a donkey. Gipsy. Hotten. 180. — Ein passen
des zig. Wort fehlt: zig. heisst der Affe nach Verschiedenheit
560
Mi klosicli.
der Mundarten majmüna griech. ; papinori deutsch ; üebeka
griech.
mort: mort, or mott, a prostitute. mort, a free woman, one
for common use amongst the male Gipsies, so appointed by
Gipsy custom. Hotten 8. mott, a girl of indifferent character.
Formerly mort. Dutch, mott-kast, a harlotry. 181. — Ein ent
sprechendes zig. Wort ist unnachweisbar: mort wife bei Sim.
296. 315. 328. gehört eher dem engl. Slang an.
mu: viooe, the mouth. Gipsy and Hindoo. Shakespeare has
moe, to make moutlis. Hotten 181. moo, or mun, the mouth.
mu, the mouth. Gipsy and Hindoo. 8. Ascoli 134. vergleicht
mooe (mui) mit zig. muj: griech. muj, Engl, mvj usw. Es ist
wohl nichts anderes als fz. moue: faire la motie, faire la moue
ä quelqu’un, bei dem die Franzosen an engl, mouth denken.
Vgl. jedoch Diez 692.
mul: muH, ,to make a mull of it ! , to spoil anything, or
make a fool of one’s-self. Hotten 183. mull, to spoil, or bun-
gle. mull, to spoil or destroy. Gipsy. 8. — Ein ähnliches zig.
Wort ist mir unbekannt.
mump er: mump er, a beggar. Gipsy. Possibly a cor-
ruption of mummer. Hotten 183. — Ein entsprechendes zig.
Wort ist unnachweisbar.
pal: pal, a partner, acquaintance, friend, an accomplice.
Gipsy, a brother. Hotten 8. 194. — Engl. pal. Griech. pral,
plal. Böhm, phral. Ungr. phral. Poln. psal. Skand. pral.
Span. plal. Vgl. pral Seite 550.
p.arnej: parney, rain; ,dowry of parneya quantity of
rain. Anglo-Iudian slaug from the Hindoo, pani, water; Gipsy
pane. Old Indian officers always call brandy-and-water ,brandy-
pawnee 1 . Hotten 84. 196. pane, water. Gipsy. Hindoo pawnee 8.
Vgl. pani Seite 549.
p>o$: posh, a halfpenny, or trifling coin. Also a generic
term for money. Hotten 204. — Engl, pos halb. Griech. pas.
Skand. pas. Span, pas in paschibe Mittag.
raklan: raclan, a married woman. Originally Gipsy,
but now a term with Eoglish tramps. Hotten 211. — Vgl. rakle
Seite 550.
rig: rig, a frolic, or ,spree‘. rig, a performance. Gipsy.
Hotten 8. 213. — Ein entsprechendes zig. Wort fehlt.
Beiträge zur Kenntniss der Zigeunenmmdarten. III.
561
romani: romany, a Gipsy, or the Gipsy language; the
speech of the Roma or Zincali. Spanish Gipsy. ,Can you patter
Romany ?, i. e. can you talk ,black', or Gipsy lingo? Hotten 214.
Romany, speech or language. 8. — Vgl. Seite 550 romaniS. Romano
ist durch das Sufiix ano von vom Mann, Zigeuner, abgeleitet.
rum: rum, like its- opposite, queer, was formerly a much
used prefix, signifying iine, good, gallant, or valuable. Rum
is from the Gipsy and Coptick. ,Rumi, in the Rubbers’ lan
guage of Spain (partly Gipsy), signifies a harlot. Hotten. 1859.
83. rome or romm, a man, Gipsy and Coptick. Hotten 1870. 8.
Die Bedeutungen passen nicht.
rumi: rumy, a good woman, or girl. Gipsy cant. In the
Continental Gipsy, romi, a woman, a wife, is the feminine of
to, a man. Hotten 217. romee, a woman. Gipsy. 8. Vgl. ru-
mini Seite 550.
slang: slang, low, vulgär, unwritten, or unauthorised
language. Gipsy, slang, the secret language of the Gipsies, sy-
nonymous with gibberish, another Gipsy word. Hotten. 8. 234.
— Slang ist nicht zig.
snalc: snack, booty or share, also a light repast. Old
Cant and Gipsy term. Hotten 237. Snack ist nicht zig.
stur abin: sturabin, aprison. Distarabin, a prison. Gipsy.
Hotten 7. — Engl, stäriben, stenpen, stdrdo, stdrdi. Griech. asta-
rdva ergreifen. Böhm, stäriben Arrest; stardo Arrestant. Bask.
ostariben. Span, estaribel, estaripel.
tan er; tanner, a sixpence. Gipsy taiono, little, or Latin,
tener, slender? tanny, or teeny, little. Gipsy, tawno, little. Hotten
8.253. — Vgl. engl, ti/cno. Griech. tiknd. Deutsch dikkno. Skand.
tikno. Bask. tino. Pott 2. 281. 282.
voker: voker, to talk; ,can you voker romanyCan
you speak the canting language? Latin vocare; spanish vo-
ccar. Hotten 266. — Griech. vrakerdva, vakerdva. Ungr. vokera.
Deutsch rakkeräva. Skand. rakra, ralda. Ital. vakerav. Span.
araquerar.
b) Aus einer ungedruckten Quelle.
civ: chive a knife. Erinnert an cindiva ich schneide.
Sur: tschur, schur thief.
cur i: chury a knife.
dando: dando a great eater. Vgl. dand Zahn.
Sitzungsbor. d. pliil.-hist. CI. LXXXIII. Bd. IV. Ilft. 36
562
Miklosich. Beiträge 7.nr Kenntniss der Zigeunermuudarten. III.
dik: dick loolc.
dzib: jibb, chive, tschibe tongue.
kokal: cockal, a game played with four huckle bones.
lav: lab Word.
Hl: lil pocket-book.
mort: mort skia.
muj: mooe mouth.
mnng: mung, viaung to beg.
pal: pal companion.
p.ani: pane water.
vom: romm man; rom male Gipsy; romee woman.
romani: romcmy, romanec the gipsy language.
Nach G. Borrow, Romano lavo-lil 68., ist auch mort wo
man, concubine, eig. Haut, ein ,cant wordh
Gomperz. Beiträge zur Kritik und Erklärung griechischer Schriftsteller. 563
Beiträge zur Kritik und Erklärung griechischer
Schriftsteller.
Von
Prof. Dr. Th. Gomperz,
corr. Mitgliede der k. Akademie der Wissenschaften.
III.
1. Dass der wortkargste und gedankenreichste aller philo
sophischen Schriftsteller, dass Aristoteles die ergänzende
Thätigkeit seiner Leser zu allen Zeiten vielfach herausgefordert
hat und in Folge dessen auch das Opfer zahlreicher Interpola
tionen geworden ist, wem kann dies von vorneherein unwahr
scheinlich dünken? Dass es sich wirklich so verhält, dafür
gedenke ich zunächst ein paar neue Belege beizubringen.
Zu der vormals durch die sinnwidrigste Interpunction
jedem Verständniss verschlossenen Stelle Rhet. B 25, 1403 a 5,
bemerkt Vahlen, der zuerst Licht in dieselbe gebracht hat:
,Aristoteles gibt zwei Wege an, einen durch Beispiele geführ
ten Beweis zu bekräften (1. entkräften). Entweder gibt man
zwar zu, dass die Sache, um die es sich handelt, in den
meisten Fällen den Ausgang zu haben pflege, den der Gegner
durch eine Reihe von Beispielen wahrscheinlich gemacht hat,
zeigt aber an einem anders beschaffenen Beispiele, dass es
doch nicht immer und nothwendig der Fall sei. Lässt
sich dagegen kein solches Beispiel entgegenhalten,
sondern ist das an den Beispielen als das gewöhnliche Nach-
gewieseue richtig und ausnahmslos, so bleibt nur die Ent
gegnung übrig, dass die Beispiele auf den vorliegenden Fall
keine Anwendung finden. Dieser aus dem ganzen Zusammen
hänge klar herausspringende Gedanke verlangt folgende Di-
stinction und Ergänzung der Worte: ’eotv ts yap er/iop.ev (ev) v.
o[>■/_ oüxw, XeXuxat, Sri oüy. ävayzaTov, si */.at xa xAstco v) TtAsovtmc i'AAcoc' 1
1 Vahlen hat hier stark interpungirt; ich gebe in diesem Punkte den älte
ren Ausgaben, denen auch Spengel folgt, den Vorzug.
36*
564
Gomperz.
s«v ts y.ac ta tcXsuo zai ~a -Xsovax. 1 .: ogtw, [j.a^ET^sv v) 5ti -/.tX.‘ (Zur
Kritik aristot. Schriften, S. 86). Ich denke, man muss notli-
gedruugen einen Schritt weiter gehen und erklären: Dieser
sonnenklare Gedanke verlangt überdies die Ausmerzung einer
handgreiflichen Interpolation. Denn wie können die Worte: eav
ts i.A. -öl xaeIoi y.a! tk irXsovay.ic ojtw, die doch nur die Ueberein-
stimmung der Mehrzahl der Fälle mit der vom Gegner be
haupteten Erfahrungsregel besagen, zugleich weit mehr als dies,
nämlich die unbedingt ausnahmslose Geltung derselben
bedeuten? Der Möglichkeit, eine Ausnahme von der Regel
aufzutinden, kann in der hier gewählten dilemmatischen Form
nur eines gegenüber stehen, nämlich die Unmöglichkeit,
dies zu thun. Entweder es gelingt, die strenge Gültigkeit
jener Erfahrungsregel zu erschüttern, oder — es gelingt
nicht, und dann, aber auch nur dann müssen wir den Kampf
auf ein anderes Terrain verlegen und die Anwendbarkeit der
nicht weiter bestrittenen Regel auf den vorliegenden Fall an
fechten. Der Stagirit musste somit schreiben: säv ts <jJ.Yj), [J.a/s-
tsov, •?, oti t'o racp'ov gü/_ op.oiov r, o5|ao£ük r, oiaoopav -ps -iva s/si.
Das Äuge eines Schreibers war von dem ersten M zu dem
zweiten abgeirrt und die so entstandene Lücke ist in gedanken
loser und auch sprachlich nicht geschickter Weise 1 ausgefüllt
worden.
Nicht einmal das Verdienst, eine wirklich vorhandene
Lücke erkannt und wenngleich mit noch so geringem Geschick
ausgefüllt zu haben, kommt dem Interpolator zu, den Metaph.
1' 4, 1006 b 6, dieselbe elliptische Redeweise zu einem nicht
minder täppischen Zusatz verlockt hat. Man liest daselbst: d
os [J.Tj tsÖsiy) üXX’ ü’-stpa uY]p.a(vetv saivj, tjavspsv oti oüz av si\ X6f0?
•/.ts. Aristoteles behauptet unmittelbar vorher, es verschlage
nichts, wenn ein Wort mehrere Bedeutungen habe, nur müssten
dieselben an Zahl begrenzt und durch scharfe Begriffsbestim
mungen von einander gesondert sein; dann sei es ja nicht
anders, als ob jeder dieser Begriffe eine besondere sprachliche
Bezeichnung besässe (tsOsiy) yäp av &j>’ exotsrw Aiyu sTspov svop.a).
Hier hingegen soll er erklären: jede verständliche Erörterung
1 Denn xai ta tuXsovocxis statt kXeovoxis ist eine zwiefache Verschlechterung“
des Ausdrucks.
Beiträge zur Kritik und Erklärung griechischer Schriftsteller.
565
hört auf, sobald das dort für möglich Erklärte nicht auch
jedesmal wirklich geschieht, d. h. so lange es mehrsinnige
Namen gibt. Wie stimmt dies zu der eigenen Praxis des
Stagiriton — man denke an seinen Gebrauch von oupavox, und
von Xi'foc an eben dieser Stolle: uv svoe piv sic Xcyoc (definitio)
und oux av elv5 Xöy®5 (sermo)! — und wie kann ein grosser Denker
in einem Athem die Unschädlichkeit und die äusserste, jede
Möglichkeit der Discussion vernichtende Schädlichkeit mehr
deutiger Namen behaupten? Und schliesslich, wie kann das
Satzglied: «XV öfcteipa «;p.ai'v£'.v ipai'v) den Gegensatz bilden zu et
oh [j.yj xeOeth, ? Vielmehr ist ts|S{v) zu tilgen und zu st oe p:f t das
Erforderliche zu entnehmen aus dem Satze, auf den der unserige
augenscheinlich Bezug nimmt: Stwpepet V ou0sv oüo’ ei ~Xeiu v.q
epaiv; crYj|jta(v6iv, p.ovov os wpiop.sva (1006 a 34). (Beispiele für diese
Ellipse sind in den aristotelischen Schriften haufenweise zu
linden. Ich greife eines heraus, um im Vorübergehen auf eine
andere, durch die knappe Redeweise unseres Philosophen ver-
anlasste Interpolation hinzuweisen. Rhet. F 7, 1408 b 5, wird
dem Redner der Rath ertheilt, ,nicht alles Entsprechende zu
gleich in Anwendung zu bringen, d. h. wenn z. B. der Aus
druck hart ist, die Härte nicht auch durch Stimme und Ge
berde auszudrückenf 1 Ixt xolc ävdXo-pv p.vj w&tv ap.a yp’joacrGai- ouxto
yap y.Xs-Xcxat b azpsax-jc - Xsyu> Se o'iov eäv xä ovop.axa 0zXv;pä -<),
(j.yj zat xvj tptovv) za: xw txpoodnxw [zal] xolc, äpp,5xxouoiv st os p.rj, tpavspöv
yt'vexat [szaaxov 3 sextv] - säv os xo p.sv xo Ss p.vj, XavQdvsi icotöv
xb «bxo. säv ouv xä paXay.ä oy.Xvjpöc y.at xä cxXrjpä p.aXay.wc Xs-
YYjxat, aTctOavov '(iftsta 1. Zu tpavspöv fiYvexai ist natürlich statt
des sinnwidrigen s'y.aoxov 3 scrxtv nicht zu schreiben, wohl aber zu
denken: 0 ßouXexat oder 0 tcoisT 0 Xe-ytov. Man merkt die Absicht
und man wird verstimmt.)
Noch muthwilliger scheint eine Interpolation, die uns
Metaph. A 2, 982 a 13, aufstösst. Aristoteles zählt daselbst die
Merkmale auf, aus denen sich der Begriff des Weisen im all
gemeinen Bewusstsein aufbaut. Weiterhin will er durch Zer
gliederung dieser Merkmale den richtigen Begriff von der
,Weisheit' zu gewinnen suchen. So verlangen die Menschen
1 Valilen (a. a. 0. S. 87), dessen Vorschlägen, y.at vor xoT; äppoxroucnv zu
streichen und os vor ouv einzusetzen, ich gefolgt bin.
566
Gomperz.
vom Weisen nicht viel weniger als Allwissenheit: darin stecke
(so wird Z. 21—23 behauptet) die Forderung einer Erkennt-
niss von der höchsten begrifflichen Allgemeinheit, weil eine
solche alle begrifflich untergeordneten Erkenntnisse gewisser-
massen in sich schliesst. Ferner hält man den Besitz schwer
zu erlangenden Wissens für ein Kennzeichen des Weisen: die
meisten Schwierigkeiten aber biete wieder der Erwerb des
allgemeinsten Wissens, weil dieses von den — Allen gleich
zugänglichen — Sinneseindrücken am weitesten zurückliegt
(23—25); desgleichen gilt caeteris paribas derjenige Fachmann
für den weiseren, dessen Wissen ein exacteres ist — das Object
des exactesten Wissens aber seien die an Umfang weitesten,
an Inhalt ärmsten Abstractionen 1 (25—28) — und nicht minder
Jener, welcher der bessere Lehrer ist; dies treffe aber von dem
jenigen zu, der die meiste Einsicht in die Ursachen besitze
(28 — 30: ctXka. p,yjv y.ai oiSaaxaAtxv; ’h odv.&'t öswprp'.y.v; [j.aAAov ■
ouTot fäp SiSdoxouofi oi tac xkiac Xsyo'Ksc — spl exaarov). Aus der
Analyse dieser und der übrigen Merkmale ergibt sich endlich
der Schluss, dass die ,Weisheit' die Erkenntniss der obersten
Principien und Ursachen sei (982 b 7). Wozu bedürfte es aber
dieser ganzen Analyse, wenn ihr Ergebniss schon von vorne-
herein feststünde? Und dies müsste der Fall sein, wenn der
Stagirit wirklich das geschrieben hätte, was ihm unsere Hand
schriften und freilich auch schon Alexanders Commentar in den
Mund legt: Sw tov dxpißarccpov xat tov oiSamw&uuJrcEpov twv aixi'wv
aocÖjTSpov sivat Tcspi näam Bedarf es noch vieler Worte,
um die plumpe, das Schlussresultat dreist vorwegnehmende
Interpolation als solche zu erweisen? Die Worte twv akiwv sind
die Zuthat eines vorwitzigen Lesers. 2
Ich berühre noch einige Stellen aus den ersten Büchern
der Metaphysik. Die Naturphilosophen werden um ihrer un
vollkommenen Einsicht in die ursächlichen Principien willen
1 Hat schon Jemand darauf hingewiesen, dass in den merkwürdigen, auch
für einen Aristoteles erstaunlich gehaltreichen Worten: cd yap iXai-
Tovtov axpiß&rrepai töjv sx KpoaO^JEcog XEyopivfov, otov apiO[j.7]TiX7) ystop-ETpiac
Comte’s Lehre von der Hierarchie der Wissenschaften wie im Keime
beschlossen ist?
2 Vgl. auch Khet. A 2, 1355 b 29: Exa<JT7) jcspi io auT?) u7cox£ip.£vbv iart
$toa9xaXixij.
Beiträge zur Kritik und Erklärung griechischer Schriftsteller.
567
mit imgeschulten Kämpfern verglichen: — Buoiv aixiatv ivffi/crno
ap.ubpwi; psvxoi y.ai ouOev aasten, äXX’ otov sv toi? o't ayü-
pvaaxct Ttotoüaiv y.ai yap iy.shc. Ttepupspöpsvot xiiitxooat -xcXXay.tc Y.xhaq
tcXyjyac, aXX’ oiixs ly.süvoi äno oute oüxot Eobtaoiv stSöat
XsyEtv o v. Xsyouoit o^sbov vap ouOev /pu)|j,evct ipai'vovxai xoüxoti; äXX’
'0 y.axa p.r/.pcv (A 4, 985 a 11). Der Vergleich mit den der
Theorie des Kampfes unkundigen Streitern, die nur wie zu
fällig manch einen tüchtigen Hieb austheilen, und der Hin
weis auf den unzureichenden Gebrauch, den die Naturphilo-
sophon von den ihnen gelegentlich aufdämmernden Wahrheiten
machen, — beides beweist sonnenklar, dass Aristoteles nicht
sagen wollte: sie gleichen Männern, die das, was sie sagen,
nicht zu sagen wissen, sondern: sie gleichen Solchen, die
das, was sie sagen, nicht mit Bewusstsein sagen. Also:
— ouxe oüxot EOi'y.autv Etoöot \i'(ouutv c xt Arj-ouctv —. Vgl. Phys.
A 4, 188 a 5: — oüx, stboxwi; psv Xeysxai, opOwq oe Xs-j-sxat, und hier
1, 981 b 3: -xoietv p.ev, oüx, staoxa oe -äotstv ä itotEt. Sie wurden —
denn cs waren eben geistig hochbegabte Männer, gleichwie jene
mitunter erfolgreichen Dilettanten der Arena keineswegs der
Körperkraft entbehren dürfen — nicht selten von einer glück
lichen Intuition erleuchtet, allein es mangelte ihnen die Einsicht
in die principiellen Grundlagen auch der Wahrheiten, die sie
im einzelnen Fall erkannten. 1
Unter den Aporien, die im Beginn des dritten Buches
aufgeführt werden, erscheint auch die Frage: xat st xa
Ttöxspov oaa etc! xot? äxöpoti; X^Exat xlXsuxata i) xst xpwxa, otov TtoxEpov
£wov fj avOpwTto; ä p/vf xs y.ai p.äXXov saxt ttapä xb y.aö’ sxaaxov
(Bl, 995 b 29). Die gangbare Auffassung der letzten Worte 2
1 In sehr ähnlichen Worten und mit nicht minder starkem Selbstgefühl
stellt sieh der bewusste Kunstverstand des Sophokles dem wirklich oder
vermeintlich mein- instinctiven Schäften seines grossen Vorgängers ent
gegen: 2o-.poy.Xrfs £ij.Ep.cp£TO AtayuAtp, Sri |j.E0itov Eypa^E 1 ,yal yöcp e! xi ofovxa
rxotsi“, arjatv ,aAX’ ouy stbtos ye“. (Stob. Floril. 18, 33.)
2 Schwegler (mit dem Kieckh in allem Wesentlichen übereinstimmt) über
setzt wie folgt: ,— und wenn die Gattungen es sind“ (nämlich ,Prineipien
und Elemente des Seienden“), ,ob dann die obersten oder die dem Ein
zelnen zunächststehenden, z. B. ob der Gattungsbegriff Thier oder der
Artbegriff Mensch Princip sei und mehr Princip als das Ein
zelne“. Bonitz schweigt und um nichts beredter ist diesmal Alexander.
■
568
Gomperz.
erscheint aus mehr als einem Grunde unzulässig. Von vorn
herein muss man ja vermuthen, dass p.äXXov derselben Alternative
gilt, die durch xöxepov eingeleitet ist, und dass durch xe y.ai
nicht zwei grundverschiedene Fragen verknüpft sind. Dann
aber und hauptsächlich ist der Gedanke, auch das Einzelding
könnte möglicherweise ein Princip sein, ein Schlag in das An
gesicht der gesunden Vernunft! Und dennoch lässt sich den
Worten, wie sie in allen Ausgaben erscheinen, ein anderer als
dieser Ungedanke nicht entlocken. Man ändere, nicht etwa
einen überlieferten Buchstaben, sondern dasjenige, was in ver
lässlicher Weise gar nicht überliefert sein kann, einen Accent,
und schreibe: — xpy;j xs y.ai p.äAAov saxi xxpä x'o y.aO’ ey.aoxov, d. h.
,— welches von beiden Princip ist und von welchem man mit
besserem Recht behaupten kann, dass es neben den Einzel
dingen existirth (Denn man darf beileibe nicht p.äAAov mit saxt
verbinden und etwa an ein Mehr von Existenz, an einen
höheren Grad der Realität denken. Vielmehr gehört p.äAAov
zum ganzen Satz und moditicirt nicht seinen Inhalt, sondern
seine Geltung, wie so häutig p.dAwxa; z. B. 984 a 19 : xi ydp oxi
piXwwt xäaa fQopä —, 998 b 14: st xat oxi [MiXtaxa äp^ai —, 999
a 33: xi 8xt p.äÄicxx hr. x: zzpa x'o ouvoAov —, wo man jedesmal
übersetzen muss: ,wenn es noch so wahr ist, dass —‘.) Zum
Gedanken vergleiche man 998 b 20: wsx’ xtrxai xo xs ov y.ai x'o
sv dpxai y.ai oucriat —, 999 a 26: x"xx fäp pj eoxi xt -apä xä
y.aO’ xy.aoxa, oder 30: 8x1 xi elvat ixapä xä y.aO’ xy.aoxa
xä yevy) etvat ixapä xä y.aO’ xxaoxa, tjxoi xä x’cyaxa vj xä Txpwxa —.
Schliesslich sei noch daran erinnert, dass bei der herkömm
lichen Schreibung und Auffassung der Stelle zxpz von p.aAAov
abhängen müsste, diese Construction in den echten Schriften
des Aristoteles aber ,sehr selten', 1 wenn nicht gar unerhört ist.
In die Worte: oib sty.öxwc \i.sv XsYOinjtv, oby. icXvj0yj 8s
'ki'(o'jg’.r ojxu Y“p dpp.oxxst p.äXAov swceTv -i) öo-sp ’Eziyßp[j.oc sic
1 ,Hieher gehört auch der Gebrauch von jiapd nach dem Comparativ, der
übrigens bei Aristoteles sehr selten ist; öfter findet er sich nur in
der späten Schrift über die Pflanzen, S. 817 b 82, 819 b 38, 821 a 18.‘
(Eucken, über den Sprachgebrauch des Aristoteles, S. GO.) Da auch
Bonitzens Index diese Gebrauchsart nur aus der genannten Schrift nach
weist, so dürfte Eucken, wie oben angedeutet, noch allzu wenig be
hauptet haben.
Beiträge zur Kritik und Erklärung griechischer Schriftsteller.
569
3evo©av»)v (Met. F 5, 1010 a 5) ist gar vielerlei hineingeheim-
nisst worden, was man bei Zeller, Philos. der Griechen I 3
429—30, mit annähernder Vollständigkeit verzeichnet lindet.
,Das Natürlichste ist aber' — so bemerkt Letzterer mit voll
stem Recht — ,die Vermuthung, 1 er (Epicharm) habe über
irgend eine Ansicht dieses Philosophen geäussert, sie sei zwar
wahr, aber nicht wahrscheinlich.' Oder besser: sie sei zwar
nicht wahrscheinlich, aber wahr. Zu solch schwer
wiegendem Lob mochte z. B. dem Syrakusier des Eleaten spiri-
tualistische Theologie und vollständige Abkehr von allem Anthro
pomorphismus Anlass geben, die ihm gar wohl als ,paradoxe
Wahrheit' gelten konnte. (Man vergleiche z. B. Xenoph. frg. 6
Mull, mit Epich. frg. 97 Ahrens; an Anderes und Allbekanntes
brauche ich nicht zu erinnern.) Versuchen wir nun den aristo
telischen Ausspruch in der erforderlichen Weise umzukehren,
ersetzen wir die Vielzahl durch die Einzahl (stc SevofdvTjv), und
stellen wir die bei dem Dichter schwer zu missende Concinnität
des Ausdrucks her, indem wir dem Adverb (sty.oTwc) nicht ein
Adjectiv (aXvjOv;) entgegensetzen, — dann tritt uns wie von
selber ein Vers entgegen, welchen Epicharm zum mindesten
sehr wohl geschrieben haben könnte:
dy.c-Mq p.iv ob-/, apa -63’, äXX’ aXaÜsws fipa. 2
Vielleicht findet dieses Wagniss willigere Vergebung,
wenn es mir gelingt, einen bisher nicht glücklich behandelten
Vers des vafer Siculus zu ordnen (frg. 153 Ahr. = frg. 60
Lorenz). Als epicharmisch bieten uns nämlich die Scholien
zur Ilias (H 93) und Eustathius (ad loc.) die Worte: 5 xoi y.sr/.'oc
Oappsi p.aX’ aÜTCÖsv, siisira os ©£i!rf £t (Eustathius lässt o -cot, die
Scholien lassen oi aus). Dem gleich sehr darnieder liegenden
Versmass und Gedanken hilft die nachfolgende, ich denke
allein sach- und sprachgemässe Schreibung auf:
1 Die mir längst als volle Gewissheit gilt. Weist doch schon der Ausdruck:
oütffl yap «pfj.0TT£i p-üXkov eiTtstv r) loaitEp ~ darauf hin, dass dein Ari
stoteles eine bestimmte ßc de wen düng und nicht blos ein Gedanke
Epicharm’s vor Augen schwebt, und führt er von diesem ja auch sonst
ausschliesslich witzig zugespitzte Dicta, niemals spoculative Meinun
gen an.
2 Man denke an Boileau’s oft citirten Ausspruch: Le vrai peut quelque-
fois n’etre pas vraisemblable, oder an Agathon’s : ti/' «v tic stzoc aOrö
toüt' eivai \iyoi xts.
570
Gomperz.
S Y a xax'o? 9appel gaX’ axoÖev, 1 eyyö0£v Be cpuyyavei.
Mit anderen Worten: der Poltron pflegt ein Renommist
zu sein.
Den gerade entgegengesetzten Gedanken enthält der eben
daselbst angeführte Vers eines Tragikers (adesp. 372, Nauck):
5 toi Opaouc xp'oc Spyov ex xoXXoö v.T/.oq.
Derselbe unterliegt, wie ich denke, keinerlei kritischen Be
denken, da der naheliegende Einfall, Öpaous und xaxoc müssten
den Platz tauschen, durch den Zusammenhang, in welchem
das Citat insbesondere bei Eustathius auftritt, widerlegt wird, 2
und da auch Nauck’s Aeusserung: ,verba ex xoXXou suspecta'
der Begründung zu entbehren scheint. Denn warum sollte die
Phrase nicht ganz ebenso zur Bezeichnung räumlicher und
zeitlicher Entfernung dienen, wie ihr Widerspiel ei; oXryou das
Gegentheil bedeutet? (Vgl. Thucyd. 2, 61, 2; 4, 108, 5;
5, 64, 3; 5, 65, 5; 5, 72, 1 — von Krüger gesammelte Stellen,
durch welche mir dieselbe Ausdrucksweise auch 2, 11, 3 ge
sichert scheint trotz des im übrigen, wie ich glaube* wohl be
gründeten Aenderungsvorschlags von Nauck, Krit. Bemerkungen
V, 70.) Endlich sei in Bezug auf xpbc Ipyov noch auf Eurip.
Heracl. 672 verwiesen: v]o?] yap wc sie spycv öxX’.Gra 1 . a-paisc, wo
Nauck, ich weiss nicht ob mit Unrecht, ex’ spyov vermuthet.
Ich will auch den Namen des Xonophanes nicht ganz
umsonst genannt haben. In jenen Versen, in welchen der
Kolophonier die Ueppigkeit seiner jonischen Landsleute geisselt
und die Athenäus (XII, 526, A) dem Phylarchus entnommen
hat, heisst es zum Schluss (frg. 3, 5—6 Bergk):
1 aTwtoOev, woran Ahrens dachte, widerstrebt dem Metrum, die von uns ge
wählte Form hingegen gilt jetzt für barbarisch (s. Dindorf im Thesaurus
und im Lexic. Sophocl. s. v.). Sollte sie aber nicht durch das von
Hesychius bezeugte cfauOsv geschützt sein, oder hat gar Epicharm die
letztere Form gebraucht, gleichwie er ovup.a schrieb (Ahrens, II, 123)?
2 Aehnliches in Gedanken und Ausdruck bietet Herodot (7, 49 fin.): av7)p
Bk outco av s’tr) apiaxos, 5t ßouX£ud[j.£Vo<; »j.ev appoiosot, ftav STCiXeydjxsvoc nel-
Oat ypfjp.a, iv 81 “(o epycj) Opaau$ e’wj (was Thucyd. 2, 11, 3 ypr) 8k a£t xt£.
in paradoxer Weise umzustülpen scheint), während Antiphon (frg. 15 —
Orat. att. II, 151) hierzu das Gegenstück liefert: xaxwv 8’ av ewj ir.’
ajiouat xat piXXoucn toic xtvSuvot; xrj yXtoTT7] OpaauvsaOat xai tm Os'Xeiv ind-
yav, to 8k spyov av xot.pj, oxvetv.
Beiträge zur Kritik und Erklärung griechischer Schriftsteller.
571
odiyßkioi yaJ.'irfiV) dyaXXöpevct siwpe-eefffftv,
onjy.rjTo'tc cS(jly)v ^ptpaut oeuppevot.
Wie es möglich sein soll, dass der Accusativ oBpvjv von dffxrpo'tc
abliängt, dies vermag ich so wenig zu sagen, als es die Schreiber
oder Görrectoren zweier geringerer Handschriften (V L) zu
sagen wussten, oder auch Hartung. Jene bieten den Dativ,
dieser wollte den Genetiv setzen, — eitle Versuche, denk’ ich,
einen tiefer liegenden Schaden zu bemänteln. Täuscht mich
nicht Alles, so schrieb Xenophanes:
ÄmujTÖOTi ■/. op.vjv y v ptpaut Seuöptsvo!.
Von IC in arairjTOwt sprang einmal ein Schreiberauge auf K in
xopvjv über, und der Wortleiche OMIIN suchte man durch Ein
schaltung eines Buchstabens neues Loben, freilich nur ein
Scheinleben, einzuhauchen.
Wenn Petersen schon im Jahre 1831 sein Befremden
darüber aussprach (Jahrb. f. Philol. 3, 154), dass in Karsten’s
Sammlung der Ueberreste des Xenophanes ein Vers fehlt
(Nr. 5 unten), den schon Brandis in den commentat. eleat.
vei-zeichnet hatte, um wie viel mehr muss es uns Wunder
nehmen, bei Mullach nicht weniger als fünf Bruchstücke
zu vermissen, die insgesammt schon in eben jenem Jahre von
N. Bach (Jahrb. f. wiss. Krit., 1831, I, 480) nachgewiesen
worden waren:
1. ■/. sÄbv (? cod. y.xi pvjv : Lehrs dyvbv) evi ffroed-cefffft reoic
y.aixXsi'ße'X'. üowp (Herodian. w. povvjp. keq. p. 30).
2. ei pr] /Xup'ov f^uce Oebc peXt, tcöXX’ äv (cod. ~sXXwv : Bach
und Lehrs vcoXXbv) esacxov
yXüaaova fföy.a -eXecOat (ibid. p. 41, vgl. jetzt auch Miller
Melang. 178, 2).
3. et; apyrfi y.aö’ "Opvjpov evre! pep.aOvjy.afft vcdvcet; (Draco Straton.
de metris p. 33).
4. övrooffa ov; QvvpoTfft vtecpijvaffiv etuopdaffOat (ibid.)
5. TlsXwe 0’ uitepiepeyos ydtav z’ emOdXTnov. (Heraclit. alleg.
hom. c. 44 — p. 95 Melder; Scholl, in Iliad. 2 468,
p. 504 b 2 Bekk.).
So oft ich den bei Plutarch Mor. 75 F (I, 172, 5 Hercher)
erhaltenen Vers lese:
xpbt; fftdOpp xe-ppov -t'OeffOai, pvjti —pbq vcexpw srdOpirjv
572
Gomperz.
(Nauck, adesp. 298), kann ich mich der — freilich unerweis
baren — Vermuthung nicht erwehren, er möchte Epioharm
angeboren. Der körnige und körnig ausgedrückte Gedanke:
,unser Denken muss sich nach den Dingen richten, da die Dinge
sich nicht nach unserm Denken richten können/ scheint mir
ganz und gar den handfesten Verstand, den gesunden Mutterwitz
des Verfassers von v.y). p,sp.vacr’ cbttoTetv zu verrathen. Und das
Versmass ist eben jenes, dessen er sich mit Vorliebe bedient
hat. Denn die Worte mit Hercher oder Wagner in zwei Verse
zu vertheilen, — welcher letztere übrigens, falls ich Recht
habe, nicht auf völlig falscher Fährte war, als er an eines
,philosophi cujusdam oflicina' dachte — davon sollte doch
schon die epigrammatisch zugespitzte Antithese abhalten, die
in einem Vers zu ungleich wirksamerer Geltung kommt. Für
die Einbusse aber, welche die Fragmente der Tragiker durch
meine Vermuthung (wenn sie als wahrscheinlich befunden wird)
erleiden, schafft Plutarch selbst a. a. 0. sofort ausreichenden
Ersatz. Ich wenigstens kann nicht umhin, in den Worten: d
xaOa-if ot xb ä/avsc Otovts? Ituok; TrsXayoc (p. 76, C — I, 173, 4
Herch.) eine poetische Reminiscenz zu erblicken. Es hiess
wohl bei einem Tragiker:
T/y.'ikc Qsovtsc (oder Oso'Joa sc. vaä?) icjTtwv aOfvei,
indem die Segel mit Zugthieren verglichen wurden (vgl. Pind.
01. VI, 22: a6evo;-^[Mov<i>v).
2. Die erstaunlichen Derbheiten und Nacktheiten, durch
welche Zeno’s ,Staat' im Alterthum (wo man sich auf die
gefälligen Interpretationskünste der Neuzeit schlecht verstand) 1
so grossen Anstoss erregten, haben auch zu einem Witzwort
1 Am weitesten gellt in der Beschönigung alt-stoischer Rohheit Wellmann
(,dio Philos. des Stoikers Zenon‘ in Fleckeisen’s Jahrh., 1873, 433 f.).
Allein auch Zeller bleibt hinter der Wahrheit zurück, wenn er z. B.
Chrysipp die schlimmsten Cruditäten des Diogenes nur ,in Schutz 4
nehmen lässt (II 3 *274). Chrysipp hat den Cyniker darum belobt, wie
uns Plutarch mit Chrysipp’s darauf bezüglicher Schrift vor Augen ver
sichert. Denn auf ein wörtliches Citat, aus des letzteren r.oXizüa. folgen
Beiträge zur Kritik und Erklärung griechischer Schriftsteller.
573
Anlass gegeben, welches Diogenes (VII, 4) uns aufbewahrt
hat: eu? p.sv ouv tiv'o? jjxoinI xoü Kpax^xo; - cts y.at rijv IIoXiTEiav auxoü
ypathavto?, ttv’e; e'XEyov tcogSJovtes etc: xvjc; tou zuvo? oupa? auxvjv
ysypaipEvat. Die letzten Worte sind bisher nicht beanständet
worden. Und doch hätte der Iiundeschwanz als Schreibe
pult längst Bedenken erregen können! Natürlich meinten
diese Witzköpfe, Zeno habe jene Jugendschrift nicht mit dem
Sti'lus, sondern mit dem H undesch weif geschrieben, gleich
wie wir von einer rohen Pinselei sagen, sie sei mit dem Kehr
besen gemalt, oder von einem mit rücksichtsloser Grobheit
abgefassten Schriftstücke, es sei mit dem Dreschflegel ge
schrieben. (Demades spricht von einem Volksbeschluss, den
nicht er, sondern der Krieg mit Alexanders Lanzenspitze ge
schrieben habe, frg. 8 Sauppe; die mit Blut geschriebenen
Gesetze Draco's und die in Geist getatfehte Feder des Aristo
teles [Bernavs, Dialoge Anm. 1] zeigen andere Varietäten dieser
Bildersprache.) Allerdings sollte der {I undesch wanz auch an
die ,Hundephilosophie' erinnern, und da der Gründer der Stoa
nicht zeitlebens zum ,Schweif des Hundes', d. h. zum Anhang
der cynischen Schule gehört hat, so war ein auf jene Lehr
jahre hinweisendes ,noch' (eti) gar sehr an seinem Ort. Man
lese also: eti tyj tou mvo? oüpä aurijv ysypaipsvai.
Für die Verderbniss von eti zu etc! bedarf qs freilich
kaum besonderer Belege, so wenig als für die Verwechslung
eines C mit I. Doch mag je ein sicheres Beispiel dieser Cor-
ruptelen hier Platz finden. Bei Ps. Hippocr. de arte §. 11
(VI, 22, 2 Littre) bieten alle Ausgaben die Worte: etc ei tvjc
ye teyj-r/C ty)v 36vap.iv, ozoxav Ttva tmv Ta äSy;Xa voosüvxwv ävaoxfjOY),
Oaupw^siv «ijtwTSpov rj oy.oxav sy/stp^av; xotq aouvaxsic. Wie wenig
etcei hieher passt, lehrt ein Blick auf den Zusammenhang oder
auch auf die Uebersetzungen, welche die Partikel entweder
ignoriren (Littre) oder in unmöglicher Weise wiedergeben
die Worte: üxa pizpov emo xoütcov TCpoEXÜtov stcouvsT xöv Aioysyr] zte. Und
um Zeno’s ,Aussagen über die Knabenliebe 1 so zu verstehen, wie Zeller
dies will, muss man Sextus der Lüge oder des gröbsten, nicht einmal,
sondern zehnmal begangenen Missverständnisses zeihen; sagt er doch
völlig unzweideutig: otcou y£ zat oi obto xrj; zuv:z% cptXoaocpia* za: o: ~eg:
xbv KtxUa Zrjvtova. za: liX£dv07]V za! X pu a ir.r.o v «8 idepopov toüt’ Eiva!
yza:v — (Pyrrh. hypot. III, 200—168, 18 lieht.).
574
Gomp orz.
(Ermerins: ,quare‘). Die unvergleichliche Pariser Handschrift
A zeigt auch hier wenn nicht das Richtige, so doch eine frühere
Stufe der Verderbniss: sttt xijc xiyrqc, das heisst: eti Tij; xe-
Bei Herodot VI, 132, 17 —18 heisst es von Miltiades,
der von den Athenern Schiffe zu einem Unternehmen verlangt,
über dessen Ziele er nur die vagsten Andeutungen ertheilt:
Xs-j-wv xoiaüxa stixes xa? vsac, während Sinn und Sprachgebrauch
gleich gebieterisch fordern: xoaaüxa, — nur so viel sagend,
ohne mehr von seinen Absichten zu verrathen; vgl. die
genau entsprechenden Stellen: sl'xi*; xocauxa 6 ’Ap.uvxvjc; psxsxspxExo
xa? Yuvaly.ac (VI, 18, 24—25); xoaaüxa 3’ st’xa? ayeiv (so ist mit
den besten Hss. zu schreiben statt izaye'-v, Stein setzt sinn
widrig axdfstv) ezeasue xov ’Axtv xou? lepsac (III, 28, 13); 6 3e w;
xaüxa yjttouas, stxx; xocrovSs s/djpss eSm (IX, 111, 19—20); xcaaüxa
Eixa; xpwxov piv -/.xe. (I, 128, 11). Ein Schwanken der Hss. zeigt
sich in diesem Punkte yi, 140, 1 wo Stein dem Sinn der Stelle
und dem herodoteischen Sprachgebrauch zum Trotz xoiaüxa statt
xocrauxa schreibt; 1 aus gleichem Anlass irrt er, wie ich denke,
VII, 163, 1; nur VII, 49, 31 (ich zähle die Zeilen immer nach
der Bekker’schen Ausgabe) ist Stein dieser Versuchung nicht
exdegen.
Unter den geistsprühenden Witz Worten des Demades,
welche II. Diels kürzlich aus einer Wiener Handschrift heraus
gegeben und im Ganzen trefflich erklärt hat (Rhein. Mus. 29,
107 f.), ist eines noch durch einen Flecken der Ueberlieferung
verunziert und ward in Folge dessen auch vom Herausgeber
(wie ich glaube) gründlich missverstanden. Es ist dies Nr. 4:
5 auxop AiqpoaÖsvvj opoiov sar t xoi; '/EAiSoci: xai yap exsivai ouxe -/.aOsu-
osiv söaiv oüxs YpiTfopstv Suvavxai, y.at AirjpoaÖEVYji; ouxe $m%(av djptv ex
oilxs aip.ov oüoev ~r t - xoaew; sxißocXXexat. Dazu bemerkt der Heraus
geber (S. 110—111):,Demosthenes soll also darin den Schwalben
1 Die Worte lauten: tote pkv xoaauxa - kxeai ok xapxa xolloTai
üaxEpov y.xl. Damit vgl. man: xoxe pkv xoaauxa, yjpdprjat ok uaxEpov
td? z'ly.ooi xxl. (III, 05, 1); xo’xe pkv xoaauxa, psxa 8k y.xl. (IV, 150,
23—24); xoxe pkv .1? xoaouxo fJXaaav sxei 8k rj y.uplrj zyivzxo -/.xe. (V, 50, 1);
xaüxa pkv sxi xoaouxo sXkyEXo, psxa 8k su:ppdv7] xe Eyivsxo y.xl. (VII, 12, 1);
x« pkv äxo SixsXfr); xoaauxa, KspxupaToi 8k xxl. (VII, 168, 1); xauxa psv vuv
E5 xoaouxo lylvExo (VIII, 125 fin.).
Beitrage zur Kritik und Erklärung griechischer Schriftsteller.
575
gleichen, dass diese mit ihrem Zwitschern im Schlafe stören,
ohne jedoch durch ihr Wachen (wie Hunde) zu nützen. Es
läge nahe, für ypYjyopeiv ein passenderes Woi't wie etwa aostv
zu verlangen, zumal da YpYjyope'iv jedenfalls der Original
fassung fremd gewesen ist (s. Lobeck, Phrynich. p. 119),
allein mir scheint überhaupt die ganze Erklärung von v.y.l yap
— eirißdAAew. späterer Zusatz. Denn man denkt doch bei dem
Vergleiche sofort an das y£Aioov{i(siv, womit die Griechen gerne
unverständliches Sprechen bezeichnen (Aeschyl. Ag. 1050 D.
u. a.), so dass Demades auf die stammelnde Sprache des
Demosthenes, die ihm zuerst so hinderlich war, anspielt'.
Mir springt aus diesem Dictum, wenn ich mir den Cha
rakter und die Parteistellung des Demades vergegenwärtige,
ein ganz anderer Gedanke entgegen. Die Feigheit hat es alle
zeit geliebt, sich unter dem Schein der Ueberkühnheit zu
bergen, und die Ruhedurstigen und Friedensseligen verstanden
sich stets auf den Kunstgriff, ihren Gegnern nicht ein Zuviel,
sondern ein Zuwenig an Thatkraft vorzuwerfen. Ein radicales
aut-aut, entweder alles oder nichts, war allerwärts der bequemste
Deckmantel des politischen Quietismus. Nun müsste es mit
Wunderdingen zugehen, wenn die Demagogen der macedoni-
schen Partei dem stolzen, jedem Eingeständniss seiner Schwäche
abholden athenischen Volke gegenüber nicht zuweilen diesen
Ton angeschlagen hätten. ,Was können' — so wird man aus
gerufen haben — ,die kleinen, vereinzelten Expeditionen' (es
waren dies eben die einzig möglichen) ,frommen, in denen nur
die Kraft Athens verzettelt wird? Ja, wenn man sofort alle
Griechen, aber auch alle ohne Ausnahme, zu einem Kriegs
bund vereinigen, wenn man den Feind gleichzeitig auf der
ganzen Linie angreifen könnte, dann wollten wir gerne mit-
thun. Man störe unseren Friedensschlummer nicht, oder man
rufe uns auf zu gewaltigen, unerhörten, noch nicht dagewesenen
Grossthaten!' So vermochte man die Süssigkeiten thatloser
Trägheit mit dem Hochgefühl unersättlichen Thatendranges zu
vereinigen. Man konnte sich über die auf erreichbare Ziele
gerichtete und darum sicherlich weidlich geschmähte und als
,Halbheit' verschriene demosthenische Politik hoch erhaben
dünken und brauchte darum doch nicht die Strapazen eines
Feldzugs zu verkosten. (Aehnliches klingt uns noch aus den
576
G-omperz.
Reden des grossen Staatsmannes entgegen, z. B.: ,Kommt mir
nicht mit den zehn- oder zwanzigtausend Söldnern, mit all den
Streitkräften, die nur auf dem Papiere stehen' Demosth. or. IV,
p. 45, §. 19.)
Ob nun die erklärenden Worte dem Demades selbst an
gehören oder nicht, jedenfalls geben sie (wie ich meine) seinen
Gedanken getreulich wieder, sobald man nur das einem Miss-
verständniss entsprungene Büvavxat beseitigt. 1 Ferner muss man,
falls es des attischen Redners eigene Worte sind, das un
attische YpYifopelv durch das gleichbedeutende eypypfopsvai ersetzen
(oder vielmehr oircs yp'r ( yopelv durch out’ iypYjyspevai). Demo
sthenes und seine Staatsreden werden mit der Schwalbe und
ihrem Gezwitscher verglichen, das ,nicht leise genug ist, um
uns ruhig schlafen zu lassen, und nicht laut genug, um uns zu
unserem Tagwerk zu erwecken'. Die Wirkung ist eben ein
gestörter, unruhiger, unterbrochener Schlummer, und diesem
sollte augenscheinlich der Zustand Athens unter dem Einflüsse
der ,halben' demosthenischen Kriegspolitik gleichen: xai yap
Exslvat oüTs y.aOsucsiv soiatv out’ sypYjyopsvaf xat oüö’ yjau)({av
aysiv s« out’ a^iov ouBev Tvjc tcoAsox; ixißaAAsxa'. (oder exißdAAeoOai?).
Ein dem Bion beigelegter Ausspruch ist, so viel ich sehe,
bisher nicht richtig verstanden worden: tö -pjpac sAeysv op|j,ov
sivat töv y.a■/.&'/• üq auvo yoüv xavta y.aTaocüys'.v (Diog. L. IV, 48).
Das Wörtchen youv nöthigt uns nämlich, falls es nicht völlig
bedeutungslos sein soll, zu einer Auffassung dieses Dictums, das
ein sehr geistreiches bon-mot an die Stelle einer ziemlich
trivialen Sentenz setzt. Irgend Jemand, wahrscheinlich ein
Dichter, hatte zum Preise des Greisenalters das kühne Wort
gesprochen: ,Das Alter ist der Uebel sichrer Port' (vielleicht:
to yijpai; urosp öpp.oq egt! töv y.ay.wv, s. unten). Darauf erwidert
der witzige Borysthenite: ,Du magst wohl Recht haben, zum
mindesten versammeln sich in ihm alle Uebel'. Er verwandelte
1 Es muss dies der Zusatz eines Lesers sein, der yprjyopEiv vorfand und das
Wort so falsch verstand, wie es in Pape’s Wörterbuch erklärt ist, näm
lich als = lyefpeiv. Dies bedeutet jedocli das Verbum niemals, selbst
nicht im neu-testamontlichen Sprachgebrauch (vgl. Schleusner s. v. oder
das in Schmoller’s Handconcordanz gesammelte Material). Wollte man
Suvavxai retten, so müsste man statt ypqyopEiv geradezu syslpEiv schreiben,
was jedenfalls nicht das gelindere Heilverfahren wäre.
Beiträge zur Kritik und Erklärung griechischer Schriftsteller.
577
also das überschwänglichste Lob in den beissendsten Tadel
blos indem er dem Genitiv xaxöv eine andere, grammatisch
ebenso berechtigte Deutung lieh und somit aus der Zu
flucht vor den Uebeln die Zuflucht- und Versammlungsstätto
derselben machte. Jene Verherrlichung des beschaulichen
und leidenschaftslosen Alters aber, in dem die Menschen wie
in sicherem Hafen geborgen von den Stürmen des Lebens
ausruhen, mag uns freilich ausschweifend erscheinen; dem
Alterthum war aus Gründen, die ich hier nicht weitläufig aus
führen mag, diese Auffassung geläufig genug. 1 Man vgl. den
ganzen ezatvo; yf;p(>>c betitelten Abschnitt in der Blumenlese des
Stobäus oder Heraclit. alleg. hom. c. 61 fin.: TtoXta äs xat yijpac,
tspot xiov xeXeuxat'w v ^pövwv Xtp.svsp, actfaXkq ävOptiirotp
opp.tcp.a. Zum Ausdruck aber vgl. man Aeschyl. Suppl. 471
(Dind.): — y.oü3ap.oü Xip/ijv xaxfiiv, Critias frg. 2, 20 (Bergk):
uTuvov-tov xaptaxtov Xtpisva, iz. udiou? p. 21, 9 Jahn: akV f/p.Tv
p.ev oucäaip.ovouc.v aTcöy.sixat Xijjlyjv xaxcüv o 0dvaxo?. Ebenso nennt
Aeschyl. frg. 343 (Nauck) den Tod piytaxov püp.a xtSv ttoXXuv
xaxuv.
Ein ähnlicher Scherz, wie er hier dem Bion in den Mund
gelegt wird, findet sich zweimal beim Komiker Antiphanes
(ap. Stob. Floril. 116, 14 — von Cobet Var. Lect. p. 164 be
richtigt und vortrefflich erklärt — und 15, auch Paroemiogr.
gr- II, 774):
7xpo<; '(ap to yvjpa? m? xpo? epyaoxvjptov
äxavxa xäv6pt!)~sta xpoa^otxä xaxa
und
xb yvjpa? fixjitsp ßoip.6? scxt xöv xaxöv
xävx 1 ecrx’ tosTv st? xouxo xaxaTCS^suyoxa.
Vielleicht sollte man das von Arsenius dargebotene ydp in den
Text aufnehmen und xoüxo durch xöäs ersetzen. Möglich, aber
auch nur möglich ist es, dass ßoip.ec ein blosser Schreibfehler
für opp.oc ist; 2 dann hätte auch der Komiker an den Vers eines
Tragikers parodirend angeknüpft:
1 Was in Jacob Grimm’s Rede ,iiber das Alter“ (,Auswahl“ S. 156—157)
vielleicht mit allzu leisen Strichen angedeutet ist.
2 Man poche nur nicht allzu sehr auf die Unwahrscheinlichkeit der An
nahme, dass ein in den Zusammenhang an sich so wohl passendes Wort
wie ßmpoc einer blossen Buchstabenverderbniss oder einem. Gedächtniss-
Sitznngsber. d. pliil.-liist. CI. LXXXIII. Bd. IV. Hft. 37
578
Go mp er z.
,xo Y^pac aic-ep opjAOi; satt xwv y.xy.w'/'
icavx’ eax’ ioetv yap st; xoBs y.axaxsipeuYÖxa.
Sicherlich ist dies in dem'von Stobäus a. a. 0. Nr. 9
aufbewährten Bruchstück aus den XaXy.sta des Men ander ge
schehen :
,oüy. äv ysvoi-’ spövxo; aOXuixspov
ou3sv yipc'noq 1 — itXvjv sxepo; yepaiv kpSy>.
S; yap dotoXaitetv ßoöXeO’ &v ditoXe(Trexat
3ta xbv xpövov, irö; oüxo; oi* ecrx’ a'OXto;;
Oder glaubt man wohl, es könnte sich Menander ohne solchen
parodistischen Anlass so possenhaft ausgedrückt haben: ,es
gibt nichts Elenderes als einen verliebten Greis, es wäre denn
ein anderer verliebter Greis'? Am gelungensten war der Spass,
wenn der zweite verliebte Alte den ersten, pathetisch decla-
mirenden, mit den Worten ttXyjv — spöv geradezu unterbrach;
dann mag der erste die Rede wieder aufgenommen und jener
Sentenz ihre Begründung hinzugefügt haben.
Einem Verse des euripideischen Philoktet hingegen
(791, 1 N.), der bei Stob. Flor. 39, 13 und bei Clem. Strom.
VI, 739 Pott, ohne Zusatz erscheint, haftet in einem dritten
Citat (Stob. Flor. 59, 18) eine Zuthat an, die meines Er
achtens nur das Werk eines Komikers sein kann:
,p.ax.dpto; oixt; eüxo^öv o’foot p.eved -
ev yr) o’ 6 ©opxo; y.ai icdl.iv vaoxtAXsxat.
Kaum hat der Kaufmann das Land betreten, so vergisst er die
Vorsätze, die er auf hoher See gefasst hatte, — nicht minder
rasch als Plorazens Wucherer die seinen.
fehler entstamme. Der Zufall spielt bisweilen gar seltsam mit
den Texten. Bei Galen, de usu part. I, 2 (III, 4, 3 Kühn) liest man:
oüxouv yuij.voi ouo 1 aojtho; ouä 1 euxptoxo? oOo’’ «vutcöSexo; dvOpcoico;. Wer könnte
hier eine Irrung wittern, wenn es nicht sonnenklar wäre, dass dem
Schreibenden Plato’s Worte: xov ob avOpontov yup.vo'v xs xat dvu]xbo7)xov xal
aaxpMXOv xai aorhov (Protag. 321 C) vorschweben und eüxpcoxos mithin
(da an eine absichtliche Veränderung eben dieses einen Wortes und seine
Ersetzung durch ein gerade so ähnlich klingendes nicht zu denken ist) ent
weder auf einem lapsus memoriae des Autors oder wahrscheinlicher auf
einem Fehler seines Plato-Exemplares beruht? (Denn dass Galen selbst so
schrieb, scheint der Gegensatz ouaxptoxoxEpov (Z. 5) zu lehren, wenngleich
euxgwxo; anderweitig nicht nachgewiesen ist.)
Beiträge zur Kritik und Erklärung griechischer Schriftsteller.
579
In welcher Ausdehnung die verwandte Sentenz des
Aescbylus und Sophokles eine Domäne der komischen Dichter
geworden ist, lehren die Zusammenstellungen Nauck’s zu Aesch.
frg. 310. Hatte doch dieser Kritiker unzweifelhaft Recht, als
er den zweiten Vers des Bruchstücks dem Aeschylus absprach
und einem Komiker zuwies. (Auch hier wird der erste Vers
gelegentlich allein angeführt, bei Stob. Flor. 39, 14, wo er
dem Sophokles zugeschrieben wird, frg. 849). Oder, genauer
gesprochen, auch der Vers des Aeschylus war einer Figur der
Komödie in den Mund gelegt worden:
A. ,01*01 [xsvstv töv v.aXwc su§a(p.ova.‘
B. *al t'ov VjT/.&c zpaocrovTa 5 A. y.ai toutov (J.eveiv. 1
Und nicht minder sicher ist desselben Kritikers Annahme, dass
bei Theopomp (ap. Athenae. IV, 175 B):
EupixfSou mp' law oü zazwq lyo'r
taXXötpta SetxveÜv t'ov *aXw? eüoai'p.ova
das Verbum 8ewcveTv dem Komödiendichter angehört, während
Euripides oeüfnv) oder etwas Aehnliches geschrieben hatte
(Eurip. frg. 886). Ganz ebenso liegt uns, wenn ich nicht irre,
in dem Verse:
oüoev ippoveT oizaiov sotuxwi; avv)p
(Jacobi, Supplem. CCCLXVII) der nur durch Vertauschung
eines Wortes parodirte Vers eines Tragikers vor. Und was
die Lachmuskeln der Hörer reizen sollte war eben dies, dass
sich mitten in die wohlgewählten und würdevollen Worte das
unfläthige sgtuzAc grell contrastirend hineinschob. Dem Sinn
und Versmass würde opyiaQdq entsprechen oder otvwöslc. Vgl.
Eurip. 429: cotic yap amöv xbsov 'dystv xe<pu*’ avvjp, | ouSsv opovet
oizaiov — und Soph. 844: —x«$ y&p oivcoOsi? avv)p j fjawov p.ev
opyrjq hm ■/.-£. Solche zerstreute Partikeln der tragischen Rede
1 Wie plump erscheint daneben Dindorfs Vorschlag (zu Clem. Strom. VI,
739, wo das Bruchstück neben dem oben behandelten euripideisehen und
neben einer parodistischen Nachbildung Menander’s erscheint, wo man
also gleichsam in die Werkstätte all dieser Parodien hin
einblickt) den zweiten Vers als ,spurius‘ zu tilgen!
37*
580
Gomperz.
pflegen gelegentlich einmal zu einem Verskrystall zusammen-
zuscliiessen.
Wie viele Parodien würden uns bei Aristophanes ver
borgen bleiben, wenn wir die Scbolien nicht besässen, und wie
viel Derartiges mag nocli in den Bruchstücken der Ktfmiker
unerkannt und unerkennbar schlummern. Doch auch das Er
kennbare ward nicht immer wahrgenommen. Sogleich in der
nächsten Nummer bei Jacobi-Meineke: avopsc 'EaXy)vü>v apic-coi,
x«Toß«Xetv Trapdaxactv sind die ersten drei W orte — wie der Wider
spruch zwischen dieser pomphaften Einleitung und der Trivialität
der Fortsetzung lehrt — augenscheinlich der Tragödie entnom
men, gerade wie das analoge avopsc 'EXXvjvtov axpoi (Eurip. 701)
von Aristophanes (Acliarn. 49G Dind.) scherzhaft umgebildet
und von Alexis (ap. Athenae. XV, 691 F) parodistisch wieder
holt wurde. Und sollte wirklich noch Niemand den parodisti-
schen Anklang an das allbekannte: s/prjv yoep vjp.Gtc guAKojo-/
~0’.ou[j.£'/ouq ■/.-£. (Eurip. 452) erkannt haben in den bei Jacobi-
Meineke (CCCLXIX) aus Orionis gnomol. p. V, 27 Ritschl,
angeführten Versen eines Komikers:
sosi yxp ■(]\mc T(l) Osw Ousiv 5rav
yuvY) xaTopuTTY](Ö’, orav oe vup.piy.ouc
äopoup scsXOy), tot’ axooüpaoOai tu/vjv) ? 1
Hart an die Parodie streift mitunter die polemische An
spielung, und so will ich denn diese Aehreniese mit dom Nach
weis eines bisher nicht bemerkten indirecten, aber herben
Tadels scldiessen, den ein princeps tragoediae gegen den an
deren schleudert. Dort, wo sich Plato auf das heftigste gegen
die Dichter ereifert, welche die Gottheit, den Urquell alles
Guten und nur des Guten, den Menschen auch Böses zufügen
lassen, führt er mit Ausdrücken schwerer Anklage und Ver-
dammniss zwei Verse des Aeschylus an (Rep. II, 380 A), die
seither als der Typus dieser Ketzerei und Blasphemie gegolten
' So mag man beispielsweise das in seinen Schlussworten schwor ver-
derbte und verkürzte Bruchstück ergänzen. Ueberliefert ist: xaxopuxx7)xat
taepü), ou^ oxav' yoep-stv. Sollte xa<pco richtig sein, so müsste es wohl heissen:
yuvrj xacpio xpurrrrjO’, doch scheint der derbere Ausdruck der Absicht des
unbekannten komischen Dichters besser zu entsprechen.
Beiträge zur Kritik und Erklärung griechischer Schriftsteller.
581
haben (za. xoiauxa oua<pv]|.Mju.axa Plut. Mor. 1065 B) und vor welchen
die Jugend nicht nachdrücklich genug gewarnt werden konnte
(ders. 17 B):
— 0£o<; jj.ev atxi'av qpuet ßpoxoh;,
oxav y.ay.wtjai oö|j.a ua|j,Tn)§7)V 0sAr ;
(Aesch. frg. 151).
Nun kennt man des Euripides strenge Anforderungen an die
Sittlichkeit der Götter, die ihn gelegentlich bis zur Verwerfung
der unwürdigen Bestandtheile des Mythenglaubens führen; 1
man vergleiche z. B. was Nauck in der seiner Ausgabe voran
geschickten Abhandlung, Anm. 54, zusammengestellt hat, ins
besondere frg. 294, 7 : et Oeot xi opwciv aio/pcv, oöy. eiatv Oeo! oder
Iph. Taur. 391: ouäeva yap otp.at Satp.ovwv etvat xaxöv. Nicht
minder bekannt ist seine Neigung, den grossen Vorgängern,
Sophokles und vornehmlich Aeschylus, etwas am Zeuge zu
flicken; man vergleiche gleichfalls Nauck ebendaselbst Anm. 83:
,maxime illud memorabile est, quod Aeschylum et Sophoclem
audet in tragoediis oblique perstringere 1 . Wer wird es nun
bezweifeln wollen, dass der Dichte:' diesen beiden so ver
schiedenen Tendenzen seines Wesens gleichzeitig gerecht
ward, als er die Verse schrieb:
u&aai yap oTOxav (äcö|j.a) x(p 0sw oo>«),
TroXXvjv StSwot irpooacrtv elq fftaz/jptav
(frg. 1074).
In dem nachdrücklich und gleichsam gegensätzlich voran
gestellten awoat (auch der lautliche Anklang an xaxöoat wird
nicht ganz zufällig sein) liegt meines Bedünkens eine unver
ächtliche Bekräftigung meiner Annahme. Die Ergänzung owp.a
soll natürlich nicht die Frage umgehen; wer meiner Auffassung
beipflichtet, wird dieses Supplement (mit welchem jene keines-
1 Darüber, wie über die Moral des Euripides im Allgemeinen, handelt in
ausgezeichneter Weise Er ne st Havet in seinem lange nicht genug
gekannten und geschätzten Werke: Le christianisine et ses ori
gin es (L’hellenismc), Tome I, p. 103 f. — Xenophanes, Euripides, Plato,
Epikur, — diese vier Namen bezeichnen einige der Haupt-Etappen in
der fortschreitenden Versittlichung des antiken Götterglaubens.
582
Gromp er z.
wegs steht und fällt) nicht unwahrscheinlich finden; an sich
ist es vielleicht nicht schlechter als Nauck’s «v8pa und besser
als das von H. Grotius am Versende hinzugefügte tiv« oder
das von Düntzer (Philol. V, 191) statt dessen vermuthete ßpoxov.
Wenn ich hingegen mit H. Grotius das metrisch unmögliche
xoXXa? xpotpaastv otowatv in xoXXyjv otowcn xpöcpaatv verwandle, so
leitet mich hierbei hauptsächlich die Erinnerung an frg. 408, 2:
xoXXyjv oi'oüxriv IXxto’ —, die wohl Meineke und neuerlich
H. Diels entschwunden war, als sie xposdret? durch Xaßa? er
setzen wollten. Und nicht minder dünkt mir 0. Ilense im Un
recht zu sein, wenn er (Krit. Blätter, 81) icpooätjsiq otSwat (youzoq)
zu schreiben vorschlägt und gegen ,die Interpolation von
Grotius' einen kritischen Kanon in’s Feld führt, den er selbst
sofort wenn nicht dem Buchstaben, so doch dem Geiste nach
gröblich verletzt. Denn seine These: ,Umstellungen der Worte
können doch nur dann probabel sein, wenn damit nicht weitere
Aenderungen verknüpft sind', kann doch nur besagen wollen,
man solle nicht ohne Noth gewaltsame Aenderungen häufen.
Was ist aber, so darf ich wohl Freund Hense fragen, in Wahr
heit weniger gewaltsam: seine Tilgung des völlig sinngemässen
xoXXct? und dessen Ersetzung durch das im besten Fall müssige
youto?, oder unsere Annahme, Theophilus habe sich diesen Vers
des Euripides durch Umwandlung der nicht eben gewöhnlichen
Einzahl in die Vielzahl und durch Herstellung der natürlichen
Wortfolge mundgerecht gemacht, gerade wie er eine Zeile später
den Vers des Thestios (ein Tragiker, den sich der gelehrte (!)
Bischof aus dem Thyestes des Euripides erschaffen hat) um
Versmass und Feinheit des Ausdrucks völlig unbekümmert zu
dem plumpen Machwerk vergröbert hat: Osou OIXcvtoc c xav
Ixt ptxb? xXevp; (statt: Osou OIXovto; xav Ixt ptxoc xXeoic, frg. 401 N.). 1
Nicht H. Grotius, sondern den Bischof von Antiochien trifft
mit Grund der Vorwurf der Interpolation, und interpolirten
Texten gegenüber sind gelinde Heilmittel nicht besser an ihrem
Platze als gewaltsame Aenderungen gegenüber von naiven Ver
derbnissen.
1 Theophil, ad Autolyc. II, 87 b ; vgl. H. Diels’ (Rhein. Mus. 30, 172 ff.) lehr
reichen Aufsatz über: ,eine Quelle des Stobäus“.
Beiträge zur Kritik und Erklärung griechischer Schriftsteller.
583
3. Aeschyl. Pers. 629—32 (Dind.) liest man wie folgt:
Frj xe y.a't 'Epp,?) ßaaiXeö x’ evspwv
xEp.jiax’ evepOe ig füg'
e! -(dp xi xaou5v dv.og otce xXsov,
[j.övoc av övvjxüiv xepac sixot.
Icli habe gegen das Wort Ovvpwv längst einige Bedenken auf
dem Herzen, über die ich gern einmal das Urtheil der Aeschylus-
Kritiker 1 vernehmen möchte. Kann der Gleist des abgeschiede
nen Darius, der hier heraufbeschworen wird, füglich ein Sterb
licher* 2 heissen? Und — dies zugegeben — warum sollte er
als solcher bezeichnet werden, da es ja an sich völlig gleich
gültig ist, ob ein Mensch oder ein Gott die ersehnte Hilfe
bringt? Und endlich, wird nicht, indem man y.ay.iöv auch zu
Tzipor.g denken muss, der Ausdruck pleonastisch? Sobald das
Heilmittel eines Uebels gefunden ist, ist ja selbstverständlich
auch sein Ende gefunden. Darum vermuthe ich, dass der
Dichter nicht Ovyjxwv, sondern Opvjvuv geschrieben hat. Die
selbe Verderbniss hat das Wort auch Eurip. frg. 577 erfahren,
wenn anders (wie ich denke) die Aenderung von Burges wohl
begründet ist: a/.V scxi ydp xoi y.av xontolaiv rfiovg \ Gpijvwv x’ (codd.
Gvy]xo7?) öBupp.oi oaxpüwv x’ sxippoai. Im Uebrigen vgl. man die
augenscheinliche Nachbildung unserer Stelle bei Eurip. frg. 904,
9—13 (schlagend verbessert von Nauck, Krit. Bern. VI, 337):
xspiiov ä’ ec (pöq tyuyßc svspwv — supsiv p.o)d)wv dvaxauXav.
Ein Ausspruch des Antipater, der in meiner Bearbeitung
von Philodemus de ira (p. 113) mit dem traurigen Zeichen des
Kreuzes versehen ist, konnte unter Bücheler’s Mitwirkung und
durch Nachprüfung des Originalpapyrus endgültig geordnet
werden: 6 o’ ’Avxi'xaxpoc si y.a'i xp'o; xd Gvjpi'a 0'jp.ou /peta xuvOdvsxai,
y.ai xpbq xouc a-nayoivicxac xwv aXsixxöv -/.pauYa^ivxiov ,avsu Oup,ou‘. Der
1 Einer der vorzüglichsten von diesen, Wecklein, glaubt in Erwiderung
einer Anfrage, die icli an ihn zu richten mir erlaubte, ,versichern zu
können, dass an povo; Sv Oprjvwv noch Niemand gedacht hat“. Wichtiger
ist es, dass er meine Muthmassung billigt, während ihn vorher Oberdick’s
Umstellung der zwei Worte axo; und xkpa; nahezu befriedigt hatte.
2 Man möge mir nicht Sophoel. frg. 315, wo die Sache anders liegt, ent
gegenhalten: ßioxrj; pkv jap xpovos eaxi ßpa'/ü; | zputpOa; 8’ iito yr}s zeTrai
Ovrjxdp [ xov axavxa ypdvov.
584
G o m p e r z.
I
i:
Stoiker, wahrscheinlich der jüngere dieses Namens, 1 leistet hier
dem Epikureer erwünschte Beihülfe gegen die gemeinsamen —
peripatetischen — Gegner und ihre geistvoll illustrirte Lehre von
der Ünenthehrlichkeit der Leidenschaften, insbesondere des
I Zornmuths (vgl. Philod. 1. 1. mit Plut. Mor. p. 554—55 Dübn.
und Fragm. p. 46). Er glaubt die Behauptung der Aristoteliker
ad absurdum zu führen durch die Frage, oh denn auch im
5 Kampfe mit wilden Thieren der Zornmuth unerlässlich sei,
während doch selbst die Fechtlehrer ihren Zöglingen zurufen:
,nur keine Leidenschaft'. (Derartige Ausrufe der akeiTrtai kennt
auch Epictet, Dissert. III, 26, 22.) Bücheier ward auf die
Fechtmeister geführt (Zs. f. öst. Gymn. 1864, 587) durch die
rechtzeitige Erinnerung an Seneca de ira II, 14, 2: nec cum
ira suadet feriunt, sed cum occasio; Pyrrhum maximum prae-
ceptorem certaminis gymnici solitum aiunt is quos exercebat
praecipere ne iras,cerentur. Die ,Bestien' verdanke ich dem
Papyrus, in welchem ich (Jan. 1867) statt der Zeichen I P des
Oxfordor Apographum sicher zu erkennen glaubte PI; auch
den zu ’AvTOcavpoi; gehörenden Artikel, den dieses Apographum
darbietet, glaubte ich, wenngleich mit etwas geringerer Sicher
heit, daselbst wahrzunehmen.
Nur die tiefe Entfremdung, die bis vor nicht langer Zeit
zwischen der classischen Philologie und der Geschichte der
Wissenschaften bestanden hat, lässt es begreifen, kann es aber
freilich nicht im mindesten entschuldigen, dass die Werke eines
der grössten wissenschaftlichen Genies aller Zeiten, dass die
Schriften des Archimedes sich noch im Zustande der traurig
sten Verwahrlosung befinden. Ein Beispiel mag genügen. Den
Schluss der wundervollen Schrift über die Sandzahl bilden
die Worte: oiottcp wiqOvjv v.ai uva; ouy. ävdp[j.oorov e”r ( in strt-
Oswpyjqa’ vauva. So liest man noch in der Oxforder Ausgabe von
1792 — und dass dies die jüngste Ausgabe ist, gereicht den
Philologen zu tiefer Schmach — und auch in einer neueren
englischen Uebersetzung des Buches finde ich die sinnlosen
1 Der Tyrier ist zwar minder berühmt als der Tarsenser, allein er steht
dem Autor zeitlich und, wie es scheint, auch persönlich nahe genug’, um
eine genauere Bezeichnung entbehrlich zu machen. Vgl. Comparetti,
Papiro ercol. ined. p. 103 und meine Bemerkungen in Jen. Lit. Ztg.
1875, Art. 539 (zu Ende).
I
Beiträge zur Kritik und Erklärung griechischer Schriftsteller.
585
Worte nicht minder sinnlos wiedergegeben. Arcliimedes schrieb
an Gelon gewendet, dem der Arenarius gewidmet ist und den
er wenige Zeilen vorher wieder anredet: Stoirep co^Bvjv y.at xtv
oüy. cevapjjtooitov sinev sx'.Oswpvjaat Tauta. (So ward ehedem auch in
dem angeblichen Briefe des Archytas an Plato bei Diog. L.
VIII, 80 statt t£v gelesen xtva.)
Dem Argumentum des Oedip. tyr. folgt in den Sophokles-
Hss. eine Erörterung der Frage: oia x£ xupavvo? imyiypomxca. Da
heisst es unter Anderem (p. 105, 21 Nauck): yapisvTuq Se
TTPANNON ns»te? auxov STCiypaosuaiv wc eijsycvxa izdurrx% So-
<pcy.AE0uc xoi^tjsuc. Irgend etwas yaptevxwc zu thun ist nicht eben
häufig die Sache ,aller Welt', vielmehr pflegt es das Vorrecht
jenes erlesenen Kreises zu sein, welcher auch den Griechen
nicht axavxec und auch nicht ot xoÄAot, sondern ot yaptcvxsc heisst.
Um so besser für alle Welt, wenn dies eine Mal wenigstens so
gehässige aristokratische Vorurtheile verstummen müssen. Doch
das herrliche Compliment wird sogleich von zwei Seiten arg
durchlöchert. Die vorangehende Zeile meldet uns nämlich, dass
das Drama (wie freilich sattsam bekannt) zum Unterschiede
vom Oedipus auf Kolonos eben Oedipus tyrann. genannt ward,
und die nächste Zeile erzählt von Einigen (sich 3s y.ai), welche
diesen Oedipus gar nicht xupavvoc (weder mit noch ohne Beisatz),
sondern xpäxspo? nannten mit Rücksicht auf die Zeitfolge der Hand
lung und auch auf die Epoche der Aufführung. So müssen wir
denn, minder allerweltsfreundlich als die Handschriften, noth-
gedrungen annehmen, dass Witz und Geistesanmuth auch dies
mal das Eigenthum einer bevorzugten Minderheit waren, und
dass gleichfalls nur Einige das Meisterwerk des Dichters den
Tyrannen oder Herrscher schlechtweg betitelt haben: yaptsvxwc
äsTYTANNON kiöc xivsc aüxov extypotipouctv y.xe. Vgl. Argum.
Ajac. (3, 13 N.): ev Ss xal? SioaczaAiat? (JuXßc AIAS exiysYpaxxai.
Das von Halm (lect. stob. 2, 37) behandelte demo
kritische Bruchstück (addend. ex edit. Froben. ap. Gaisford.,
Vol. IV, p. 372 ed. Lips.) lässt sich — nur in den ersten
Worten nicht mit völliger Sicherheit — also ordnen: Sivjvsxyjc
(avirjs) aixivj (cod. etc!) 1 x&ji avOpioxotat r, xou xAoütoj ix'.Oup.tvy ij.t,
1 Aus AITIU ward zuerst 0111, diinn GUI. Dialektische Aenderungen habe
ich nicht ausdrücklich angemerkt, so wenig wie bei den späterhin zu
erörternden Stellen der hippokratischen Schriften.
586
Gomperz.
y.xvj0et<; (cod. y.XT)0sT<ja) piv yäp xpü^ei, xxv)0ek (cod. y.xr)0ei:aa) oe
ßaaavßjei Tyjcri «ppovxiai, dzoy.xv)Oeiq (cod. a7toyxY)0euja) Se xvjct Xüxvjai.
Den ersten Schritt zur Herstellung eines ungleich be
deutenderen Fragments des Abderiten hat derselbe Gelehrte
einige Zeilen vorher gethan. Den Sinn desselben (ap. Stob.
Flor. 46, 48) hatte bereits Jacobs (dessen Detailbehandlung
des Bruchstücks eine keineswegs glückliche ist) klar erkannt
und dargelegt: ,inter vitia, quibus civitates ad populärem for-
mam descriptae laborant, hoc quoque esse dicit Democritus,
quod, novis quotannis magistratibus creatis, iis qui jus ad
severam legem dixerint, anno suo elapso iisdem fiant obnoxii,
quorum prius coercuerint insolentiam (lect. stob. 19). Das
Fragment lautet, von einigen muthwilligen Verderbnissen
neuerer Herausgeber befreit, also: ouSq.ua pr^avv) xw vüv y.axe-
axsöix'. puapoi p.v) oux äbwieiv xob? ap/ovxaq, v^v ^dvu aYaOo: swai.
ouSevi Y«p aXXo) eciy.e ^ swuxö xov auxbv in’ exepoiai YW£50at. Set
oe 7Mq oux(i) y.ai xaüxa (xoüxo y.axd xaüxa?) y,oop.Y)0vjvat, oy.wi; [6 pvjSev
dSty.euv ?] i)v y,at ndw exdi^v) 1 xou? aoixeovxac, pvj uit’ exeivoo? ysviaQai,
aXXä xt? ■?! Oeapbc vj xt aXXo apuveei xtji> xd S(y.ata toisüvxi.
Das verderbte Gleichniss aber kann, wenn es schön
und kräftig sein soll, kaum einer anderen Sphäre entnommen
sein als der Thierwelt (auf die Thierfabel nimmt auch frg. 21
Mull. Bezug — xv) Aiowixvpv] y.uvi ixiXvj —; staatliche Verhältnisse
durch Analogien aus dem Thierleben zu illustriren, hat auch
Demokrit’s jüngerer Zeitgenosse Antisthenes verstanden, bei
Arist. Polit. III, 13, 1284 a 15). Man schreibe mit gelindester
Aenderung: i) xu x'ov atexov in’ epzexolci yiveaOixi (wovon xtii
statt ewuxo) schon Halm a. a. 0. gefunden hat). Das Schicksal
der rechtsprechenden Obrigkeit, die durch Volkswahl und
Rechenschaftspflicht von eben den Uebelthätern abhängig ist,
deren Schlechtigkeit sie im Zaume halten soll, wird mit
jenem des königlichen Adlers verglichen, der in die Gewalt
niedrigen Gewürmes gegeben wäre. Für den Kampf der Adler
und der Schlangen (an diese denkt Demokrit auch frg. 20, wo
juvdov] und epxexd gleichfalls mit Feinden und Verbrechern
1 Nämlich 6 ap^tov. Die Worte 6 p)5sv aotx^tov geben meines Erachtens
einen schiefen Sinn, desgleichen xt;, was man nach ixai^7j einzusetzen
sich versucht fühlen könnte.
Beiträge zur Kritik und Erklärung griechischer Schriftsteller.
587
verglichen werden) bedarf es keiner neuen Belege; nur für
die ethische Bedeutung dieses Streites sei verwiesen auf fab.
aesop. 120 Hahn oder Aelian. hist. anim. 17, 37 (man beachte
insbesondere die Worte: siSio? oüv 6 ynupybq t'ov p.sv eivcu Aioq
oiyye\o't xai üxY)pexY)V, zio&q ye p.rjv xaxöv Orjpiov töv o9v —
p. 429, 4 Horch.); ähnlich Plut. de Is. et. Osir. c. 50 —
454, 17 Dübn.; die Schlange als Typus des Bösen auch fab.
aesop. 153 H. oder Arist. Rhet. II, 23, 1400 b 22, man
denke an 091V xpeipeiv und anderes Sprichwörtliche bei den
Parömiographen u. s. w.
In Betreff der metrischen Grab-Insclirift des Aka
demikers Telekles, durch deren Veröffentlichung und Bear
beitung sich G. Kaibel kürzlich ein neues Verdienst erworben
hat (Bullettino, 1873, p. 248—49) lassen sich natürlich mancherlei
mehr oder weniger wahrscheinliche neue Vermuthungen auf
stellen. Nur rücksichtlich der letzten Zeile muss entweder ein
Irrtlium des Herausgebers oder ein Fehler des Steinmetzen
angenommen werden, denn die vier Vocale e, a, 0 und s können
nicht in einem Dactylus Platz linden. Ich bin daher überzeugt,
dass mit Ersetzung jenes A durch ein A s-QXoc zu schreiben ist,
woraus sich fast mit Nothwendigkeit die Schreibung ergibt:
o?jp.oc A0Y]vsd(*)]v 0’ ec[0XJ09 exetce
Man vgl. Z. 2—3:
0-739 S’ ’Ay.a]oYj[j.£(Y]c, T-qXsxXesi;, oiix aßörjt[o?
ooä;a -Trap’] iffiöip.oic sxXsxo KsxpOTiioai|y
wo ich nur Kaibel’s mir nicht recht griechisch scheinendes
073 in Gvj? verändert habe; ,deine Akademie' muss so viel heissen
wie ,die Schule Platon’s unter deiner Führung'. Ob eine staat
liche Ehrenbezeigung oder nur die Theilnahme weiter Volks
kreise an der Bestattung des Schulhauptes gemeint ist, muss
dahingestellt bleiben; für beides fehlt es nicht an genau zu
treffenden Analogien.
Eine hochbedeutsame Stelle, in welcher der Vater der
Medizin die Methode der Heilkunst seiner Zeit gegen die
Neuerungen der Naturphilosophen vertheidigt und sich über
die Vervollkommnungsfähigkeit seiner Wissenschaft in überaus
merkwürdiger Weise ausspricht, ist bis zur Stunde ausnahms
los missverstanden und unrichtig geschrieben worden. Dieselbe
588
Gomperz.
(Hippocr. de prisc. med. §. 12 — I, 596 Littre) muss näm
lich nothwendig also lauten: oü ipY]pi oi; Sia touto SeTv viyi te/vyjv
wc 007. eoüaav oüSe 7ak&c, £Y)T£Op,evv)v tyjv dp/aivjv äxoßaXsaOai, ei p.r,
v/zi xspi -avxa äzpißEiav, aXXa xoXu p,aXXov Stä to Eyfic, oip.ai, sivat
toü axpexsaxixToo 0 0 ouvaaOat -/jx,£tv Xoyujp.w upoatEaöat xat ez TcoXXrjc
«Yvcoairj? 6wup,cci(Eiv xä e![eupY]p.eva, w? zaXwc zai opöwq £^eupv)Tat zai
OUZ aKO TÜJ'Y)?.
o!p.ai bieten nahezu alle Hss. ausser dem Parisin. A, eivai
nur dieser. Dass die Verschmelzung beider Lesarten allein
zum Ziele führt, scheint mir unwidersprechlich. Denn ohne
sivat ist jede Construction unmöglich; das bescheidene, ab
schwächende oip,at aber wird von der ohne solche Einschrän
kung überkühnen Behauptung, ich möchte sagen gebieterisch,
gefordert und ist überdies der Weise des Autors vollkommen
gemäss; vgl. §. 5 med.: Ttpwxov piv, oip.ai, ütpeTXov; §.11 init.:
tw p.sv, oip.ai, pspaOvjxÖTt; §. 15 init.: w? syw oipai und äXX’ oip.at
u. s. w. Dieselbe unvergleichliche Hs. hat uns oü (sic) geliefert,
was Littre für die Negativpartikel hielt, die allerdings in diesem
cod. zumeist, wenn nicht immer, den spir. asp. zeigt. Während
keiner von Littre’s Nachfolgern die neuen handschriftlichen
Lesarten zu verwerthen verstand, hat der scharfsinnige Struve
ohne solche Hilfe schon vor langen Jahren das Richtige der
Hauptsache nach gefunden: ,pro ipoü lege oirou vel potius 0x01 1
et cüvaoOat est pro ouvaixo vel vjoüvaTo' (Opusc. II, 78).
Das vornehmste Hinderniss der fortschreitenden Entwick
lung der Medizin erblickt Hippokrates in der Schwierigkeit,
wenn nicht gar Unmöglichkeit, genaue directe Beobach
tungen anzustellen; vgl. §. 9: oei yap p.Etpou tiv'oc oToj'daaoOar
p,£tp0v Se oüBe (7TaOp.'ov oüBe aptöpov oücEva aXXov, Tcp'oc 0 dva$£pwv
£iov) t'o dxpißEC, 0Ü7 av EÜpolvjp aXX’ v) toü owp.aTOC ~)]v a’ioÖYjaiv
1 oü in 01 zu ändern möge sich Niemand beifallen lassen. Vgl. Hippocr.
aphor. I, *21 (IV, 468 L.): a oeT ayeiv, oxou av [j-aXiaxa psizr t , xaÜT7) ayeiv
oder (um bei einem jonischen Zeitgenossen unseres Autors zu bleiben)
Herod. III, 39: oxou yap tOüasis (jxpaxEÜEaOat oder II, 119: xo evOeütev ö'e
oxou ixpaTüExo, wo Krüger’s Zweifel (,oxoi?‘) nicht berechtigter ist als
Stein’s Tadel (,strenger wäre bxoi oder bx7), doch — l ). Der gleiche
Gebrauch von oü ist bei Xenophon und Demosthenes wohl bezeugt und
vollkommen glaublich trotz der pedantischen Nivellirungsversuche neuerer
Gelehrter (Cobet, N. L. 338 und Thes. 1. gr. 236,9 a ).
Beiträge zur Kritik und Erklärung griechischer Schriftsteller.
589
(Dieselbe Zusammenstellung von Mass, Zahl und Gewicht [vgl.
auch Sophokl. frg. 396] als der Elemente des exacten [d. h.
quantitativ bestimmten] Wissens, wie es bei moralischen
Gegenständen nicht zu erreichen sei, bietet Plato, Euthyphr.
7 h ~ c .) Wo uns aber die exacte Beobachtung und der ebenso
beschaffene Versuch im Stiche lassen, dort muss das Räsonne
ment ihre Stelle vertreten, welches zwar im Gegensatz zur
,leeren', durchaus nicht verificirbaren, ,Hypothese' (§. 1) ein
,berechtigtes' heisst (Aoyiqrw -poavj'/.ovTi, §. 14; vgl. Ps. Hippocr.
de arte §.11: 6 p.ev yap, exei oux. y;v aürw ojjei Eoeiv — Ao-ficpu)
[xst^si), das aber doch, dies ist der Gedanke des Idippokrates,
zu vager Natur ist, um uns den höchsten Grad der Exactheit
erreichen zu lassen. Angesichts dieser in der Natur der Sache
liegenden Hemmnisse •—■ die somit weder der Methode der
Wissenschaft, noch ihren Pflegern zur Last fallen — findet der
Vater der Heilkunst die bisher erzielte Annäherung an exactes
Wissen geradezu erstaunlich und ist nicht abgeneigt, der künf
tigen Vervollkommnung der Wissenschaft verhältnissmässig enge
Grenzen zu ziehen. Modern gesprochen, Hippokrates ist keines
wegs für die Schwierigkeiten blind, die der directen, induc-
tiven Forschung auf seinem Wissensgebiete entgegenstehen,
und er erkennt in der Anwendung der deductiven Methode
nur einen unzulänglichen Ersatz. Und wer möchte ihn darob
tadeln, da die grundlegenden physiologischen Inductionen, auf
denen alle berechtigten Ableitungen fussen müssen, erst in
unseren Tagen durch Methoden des Beobachtens und Experi-
mentirens gefunden werden, von denen der koische Arzt keine
Ahnung haben konnte; und eben dieselben Methoden sind es
ja, auf welchen die Möglichkeit der exacten Verification
jener Ableitungen ausschliesslich beruht (vgl. unsere Bemer
kungen zu Mill’s Logik, II, 165).
An einer anderen Stelle derselben Schrift bietet uns der
kostbare Codex ■— der einige Zeilen weiter die in allen übrigen
IIss. fehlende Erwähnung des Empedokles erhalten hat — die
Berichtigung eines bisher wunderlicher Weise nicht wahr
genommenen Textfehlers. Den Satz nämlich: xotvxuv Se apima
oiaxsaat övOpwxo;, exav xeccvjTai y.a't ev Yjcuyjr) irj pwjBepiav 36vap.iv
iS.itqv axo8eix.v6iJi.evos (§. 19 fin.) hätte man wohl längst als corrupt
erkennen sollen, da doch Hippokrates nicht füglich sagen
590
(xomperz.
kann: ,der Mensch belindet sich am besten, wenn er gekocht
wird' und die Worte absolut nichts anderes bedeuten können.
Man hat es bisher jedoch vorgezogen, den Fehler durch un
genaue Uebersetzungen oder durch willkürliche Aenderungen
der umgebenden Worte zu verdecken (Ermerins, Reinhold).
In A aber ist, unter einer Rasur zwar, aber noch vollkommen
deutlich erkennbar geschrieben: tocueixs (sic), das heisst ^aürjrai.
Zur Verbindung oxav xauYjxat 1 y.ai ev ’fimyjy er), ,wenn er rastet
und ruht', vgl.: v.ctl txXeovoq oeovxai ävax:a6<jtö<; xe y.ai rjsujr
(§. 11 med.).
Während jedoch dieses Kleinod der Pariser Bibliothek
eine Ueberlieferung vertritt, die wir einmal, Dank Littre’s
glänzendem Scharfsinn und allbeherrschender Erudition, bis
auf Rufus von Ephesus und die ihm vorliegenden alten avxl-
Ypaca zurückverfolgen können (I, 510), versagt uns dasselbe
ein ander Mal jeden Dienst einem Fehler der gesammten Tra
dition gegenüber, um dessen Heilung sich schon Galen ver
gebens bemüht hat. Im Beginne seiner Schrift de victu acut.
(§. 2) erklärt nämlich Hippokrates, er selbst strebe zwar nach
universeller Beherrschung aller Theile seiner Kunst, 2 doch
müsse er jenem Arzt den Preis zuerkennen, der sich in der
Behandlung der acuten Krankheiten — <2 xobc itXe(<rxou? xwv
ävOpwTxwv y.xeivei — vor Anderen hervorthue. Hierauf fährt
er nach kurzer Aufzählung eben dieser Krankheiten wie folgt
fort: oxav yap p/i) ?^oi|jul>oso? voioou xpoixo? xic jwivoq exxiOY)pt.'/jcY), aXXä
czoptöeq swai ai voüaoi y.ai xapaixXijaiot, ürcb xoüxwv xwv vboYjptdxwv
x-oOvY)«iouai p.aXXov uxxb xwv ä'XXwv xwv ijup.Tiavxwv. Wie unpassend
oder zum mindesten doch wie schwer verständlich hier das
Wort ixajpazXvjawi ist, haben alle Erklärer und Herausgeber,
Galen an der Spitze, empfunden. Der berühmte Arzt bemerkt
in seinem Commentar (XV, 429 K.) mit Recht, die nicht
seuchenartigen Krankheiten würden mit besserem Fug ,un-
1 Oder 7:au7)Tod xe?
2 Dieser den Meister kennzeichnende und ehrende Gedanke tritt in voller
Schärfe erst dann hervor, wenn man den Text von einer lästigen Ditto-
graphie befreit, die freilich gleichfalls älter als Galen zu sein scheint:
ijjiot 6s avSavsi piv [£v] Tuaarj x rj xsy V7j Tcpocjs'^Eiv xov voov — p.aXiaxa ö 1 av
E7:aiv£CTaip.'. trjxpov xxs. Vgl. de prisc. med. §. 20: xouxo os otov xe xaxa-
p-aOstv, oxav aux^v xk; X7jv fo]XpiX7]V opOtb? Ttaaav 7iEpiXaßr) (I, 622 L.).
Beiträge zur Kritik und Erklärung griechischer Schriftsteller.
591
ähnliche' als ,ähnliche' heissen, und lässt uns schliesslich nur
die Wahl (Suotv ouv Oaxepov), entweder die seither zur Vulgata
erhobene ,Lesart' (recte die Schlimmbesserung) ;j.-( wapanXifaioi
anzunehmen, oder unter den ähnlichen Krankheiten solche
zu verstehen, die zwar nicht einander, wohl aber den früher
genannten, nämlich den gewöhnlichen (xouxsgxi xaic guv^Geciv) ähn
lich seien! Diesem mit so schneidiger Schärfe ausgesprochenen
Machtgebote des,Schätze verleihenden' Pergameners hat sich die
Gesammtheit seiner Nachfolger fast ohne Widerrede gebeugt. Erst
jüngst hat der (beiläufig bemerkt) als Hippokrates-Kritiker mass-
los überschätzte Ermerins erklärt: ,solam vulgatam ferri posse'
(continuat. epimetri ad edit. Hippocr. p. 2), und selbst Littre,
der selbständig denkende Littre (der offenbar vor den wenigen
besseren Hss., die p.vj nicht kennen — in A fehlt leider das
streitige Wort selbst 1 —, die gebührende Achtung hegt) über
setzt Galen’s zweiter Alternative gemäss wie folgt: ,quand il
ne regne pas epidemiquement une forme commune de maladies
pestilentielles, mais que les affections, etant sporadiques, sont
semblables ä celles qui sevissent habituellement, alors
il meurt par les maladies aigues bien plus de monde que
par toutes les autres reunies' (II, 233—35). Da wünschte ich denn
doch von meinem ehrwürdigen Freunde eine befriedigende Ant
wort auf die folgenden zwei Fragen zu erhalten. Erstens, darf
uns Galen’s Autorität zu dem Glauben verleiten, Hippokrates habe
die nicht seuchenartigen Krankheiten den gewöhnlichen ,ähnlich'
genannt, da es doch eben die gewöhnlichen selbst sind? Und
zweitens: wenn wir dies zugeben und auch die monströse
Ellipse mit in den Kauf nehmen, an welcher Stelle des
griechischen Originals findet sich denn das Aequivalent der
völlig sinngemässen, dem Zusammenhang einzig entsprechenden
Worte: ,bien plus de monde'? Soll das matte gaXXov allein so
viel besagen können? Hippokrates schrieb ohne Zweifel: oxav
yap fj.v; Xoi|j.w3eo; — al vougoi, '/.ai TtoXXaTtX^Giot feö xouxwv töv
voGY)[xcb(i)v aTcoQvifcKouGi jjiaXXov v) xxe. — Sein Gedanke ist nämlich
augenscheinlich dieser: die acuten Krankheiten bilden weitaus
die wirksamste aller natürlichen Todesursachen; denn ihnen
1 Ich folge liier Lit.tre’s Angaben, da ich diesen Tlieil der Hs. bisher nicht
nachverglichen habe.
592
Goinp erz.
erliegt — wenn wir von den gelegentlichen Verheerungen der
Seuchen absehen — ein Multiplum der Opfer aller anderen
Krankheiten zusammengenommen.
Die sonst, wie es scheint, in der hippokratischen Sammlung
durchgängig ausgemerzte jonische Form des Wortes (z. B. 324, 4;
358, 4; VI, 178, 3 v. u.; 188, 1 v. u., desgleichen SexotcXocgio?
mehrfach in de prisc. med.) hat hier frühzeitig dieselbe Verderb-
niss erfahren, die sich bei Herodot zum mindesten zweimal
(III, 135 med. und VIII, 140, 1 iin.) nach Gaisford’s Angaben in
eine der besten Handschriften (Steinii pace sei es gesagt), in den
cod. Sancroftian. eingeschlichen hat! 1 Und auch von anderen
und von viel weitgreifenderon Jonismen haben sich in der früh
durchcorrigirten hippokratischen Sammlung nur unter dem Schutz
gelegentlicher alter Corruptelen und Missverständnisse verein
zelte Spuren erhalten, so von der Nichtaspirirung der Tennis
vor folgendem starken Hauch. (In de aer. aqu. et loc. §. 21,
II, 74 L., bieten sämmtliche IIss. am twv, wo der Artikel
sinnlos ist und sicherlich einst geschrieben stand: W’ otswv
vj-MGxa dy.be, Etvat avopa oliv -ce Xorfveuetv.) — Dass aber durch
p.äXXov der in zoXXazXifc’.ot liegende Comparativbegriff erneuert
wird, — sollte es nöthig sein, dafür erst auf Krüger’s Schul
grammatik §. 49, 7, 5 (desgleichen zu Xenoph. Anabas. 4, 6, 11
oder 7, 4, 11) oder auf Ilerod. I, 31 (wo Stein eine unzu
reichende Erklärung bietet); I, 32; VII, 143; IX, 7 u. a. m.,
oder auf Nauck-Schneidewin’s Zusammenstellungen zu Sophocl.
Antig. 86 zu verweisen? Fast könnte es so scheinen. Wenigstens
musste v. Leutsch erst kürzlich den gleichen Sprachgebrauch bei
eben unserem Autor (Hippocr. aphor. IV, 21 — IV, 508 L.:
jj.äXXov xaxiov) gegen Ermerins’ Neuerungssucht vertheidigen
(Philol. 30, 264). Und auch Philologen werden nicht müde,
Eurip. frg. 554:
ex. xwv afAmo>v r t yap\c jj.eiTwv ßpo-cotc
savVka, p.aXXov i) m zpocoixoip-Evov
mit Aenderungsvorschlägen und Athetesen heimzusuchen. Viel
leicht bin ich zu stumpfsinnig, um die unausgesprochenen
Das Umgekehrte hat einmal Hartungs Eilfertigkeit verbrochen in seiner
ß.earbeitung einer Schrift des nicht-jonisch schreibenden Philodem!
Beiträge zur Kritik und Erklärung griechischer Schriftsteller.
593
Motive der Kritiker zu errathen und zu würdigen, die aus
gesprochenen halten jedenfalls einer unbefangenen Prüfung
nicht Stand. 1
Ich berichtige im Vorübergehen eine Phrase des Justin.
Martyr (apolog. I, c. 25—69 b ~ c ), die wohl nur darum bisher
ungebessert geblieben ist, weil die Werke der Kirchenschrift
steller in neuerer Zeit wenigstens so selten von Sprachkundigen
gelesen oder auch herausgegeben werden: — Osm os tu avswvj-w
zat axaOsü saüxouq avEOv)y.ap.sv, ov oute ex’ Ävtwxyjv y.ai xaq äXXag 6p.oüo<;
oüos ex! ravup,vjSy)v St’ oicrrpov eXijXuOivai xsiOop.cOa, oüos XuOrjva'. ßorrßäau;
tuyo'na. Sta Gexioo? üx'o toü Exaxovxa/Etpo!; exstvou, cuos (jtEptfjtvüvxa (1. ob oh
р. r ( v xtp.tövxa) Sta xouxo xbv -rj; ©etioo? ’A^tXXsa Sta ty)v xaXXaxioa
BptuYjtSa oXscat xoXXö'u; twv 'EXX^vcov (vgl. B, 3 — 4: äXX’ 8 ye p.ep-
[j.yjpii(s y.axa ippsva, tic ’A‘/tAvja ! xtpr/jist’, oXecat 81 zoXsa? exl
vijuodv A■/atwv) — und wende mich zu einem Patienten der
kritischen Klinik, der seit geraumer Zeit in der Abtheilung
der Unheilbaren einen unbestrittenen Platz behauptet hat.
Von Agatho oder Likymnios (schwerlich von dem
ersteren, den wir als Prosaschriftsteller sonst nicht kennen)
führt Dionysius von Halikarnass (de admir. vi die. in Demosth.
с. 26 — 1035, 6 R.) ein Bruchstück an, welches den Miss
brauch gorgianischer ,Klangfiguren' zu versinnlichen bestimmt
ist: y.at xauxa xa xapicra oü Atxüp.vtot xaut’ (Aaüjjtvtot ol sixovts??) stetv,
cuo’ ’AyaOwvs? ot Xe^ovte? - ußptv i) xplv p,:xOw xoösv -i) p.6/0ov
xaxptSwv —. Dieser Verderbniss gegenüber hat sich vor fast
fünfzig Jahren Spengel (art. script. p. 91: ,talpam me esse
maximum fateor') und erst kürzlich Blass (Att. Beredsamkeit
76, 4) vollständig rathlos bekannt. Wer jedoch mit der
griechischen Cürsivschrift einer Zeit, zu der die ältesten
bisher bekannten Handschriften dieses Buches nicht hinan-
1 ,vitium in eo cognoscitur quod 'j.aÄAo'j non habet quo pertineat 1 Kock,
Verisiin. (Elcckeisen’s Jahrb. Süppl. VI, 1, 103). ,u.c&uv, quod cum pro-
ximo p.äXXov consociari nequit 1 Enger (adnot. ad trag, graec. fragm
p. 19). Und auch Musgrave’s Ergänzungsversuch, Herwerden’s (stud. crit.
in poet. scen. gr. p. 98) und Nauck’s Yerdamnmngsurtheilo wollen mir
nicht besser begründet scheinen, wenn man gleich den beiden letzt-
genannten Kritikern gewiss nur das vorwerfen kann, dass sie den zweiten
Vers, weil er entbehrlich ist, darum auch schon fiir verwerflich halten.
Sitzungsber. d. phil.-liist. CI. LXXXIM. Bd. IV. Hft. 38
594
Gom p erz.
reichen (vgl. Usener in Jahrb. 1873, S. 145 f.) vertraut
ist 1 und sich einiger schlagender Parallelen zu rechter Zeit
erinnert, der wird die ersten zwei verderbten Worte wenig
stens mit voller Sicherheit herzustellen wissen und durch
diesen Erfolg ermuthigt an der Restitution auch des folgenden
nicht gänzlich verzweifeln. Ich denke, der Schüler des Gorgias
schrieb also: "Vßpiv x.ai Ku-piv ätc-coxsov ■?} pöyOo) icaxptäwv —
,Lust und Gewalt sind auszutilgen, oder es sind zwei Drang
sale der Städte'. Vgl. frg. trag, adesp. 337: "Yßpic xao’, ob/\
K6iupn; k^pyd^exai (vielleicht eben von Agathon?), Maneth.
apotelesm. IV, 495: poi^ela? t’ ayaTOjWxeq, ev at? üßpi<;, ob y.üitpic
äp/e.i. (Protagoras bei Plato Prot. 322 (1 : — xcv pv) Suvapevov aiooüc
xai psxe/siv xte£vetv w? voaov x6~ksw?, — Euripid. Hippol.
38G: -i) 3’ ci/ßoz onuov — die falsche Scham nämlich.) Vielleicht
glaubte der Rhetor (und rhetorische Tugendlehrer ?) das Wort
des ephesischen Weisen: üßptv ypr t crßsvvusiv päXXov •)) xupx,a'ri)v
(Ileraclit. frg. 19 Mull.) zu einem vollständigen Kanon helleni
scher Sittenlehre erweitern zu sollen. Und wer sind denn die
Todfeinde der ,socialen Tugend' oder erwippoauvvj der Griechen,
wenn nicht die ,Ueberhebung' — in des Wortes umfassend
ster Bedeutung -— und die in gleich weitem Wortsinne ver
standene ,Sinnenlust' (2> tcccoec, vj xot Ktnxpu; ou K6-pic pövov y.xs.
Sophocl. frg. 85G —, w Osof, xic dpa Kuxpi? v) xtc :pcpo? v.xk.
id. frg. 789)?
Der Itacismus hat dem Schluss des siebenten Hetären-
gesprächs des Lucian seine feine Spitze abgebrochen. Des
unerfahrenen Töcliterchens allzu erfahrene Mutter hegt nicht
die leiseste Hoffnung, dass Chäreas auch angesichts der ,Zelin-
tausend-Thaler-Mitgift' seiner ,Thränen, Küsse und Schwüre'
eingedenk bleiben werde. Sie erwartet von der Zukunft zu
versichtlich die unerwünschte Bestätigung ihrer trüben Vorher
sagungen : ,möchte ich Unrecht behalten — doch ich will dich
schon erinnern', —yi'/oixo pi] (Lyivoixö pot) (j^üäccOao avapvvfco)
1 Ich denke an jene Compendien von t) und xod, welche ,propemodum solo
spiritu* unterschieden werden können (Bast, comment. palaeogr. p. 815),
und desgleichen an die so häufige Verwechslung von 7) und x (insbeson
dere xu); vgl. auch Vollgraff, stud. palaeogr. p. 65 oder Cobet, Mnemos.,
N. Ser. I, 8.
Beiträge zur Kritik und Erklärung griechischer Schriftsteller.
595
Se ae, S> Moucaptov, tote. So leidet der Satz nicht mehr an
einem inneren Widerspruch und das .auch im Vorangehenden
jedes Bezugs ermangelnde ^euBecOai schwebt nicht haltlos in
der Luft.
Das Anthol. pal. V, 57 verzeichnet! reizende Epigramm
des Meleager ist von Abschreibern und Kritikern meines
Bedünkens gleich sehr misshandelt worden. Auf den richtigen
Weg führt uns, denk’ ich, die einfache Erwägung, dass man
nur vor dem flieht, was man scheut oder hasst, also:
ty)v Hup! or/0opiEvvjv 1 ^u/yjv äv_ itoXkazi •/.aiyjq,
osü^et’, "Epui; ■ y.aüvrj, eyei xzepuya:.
Amor und Psyche.
Wenn du sie oftmals brennst, sie, der das Feuer verhasst ist,
Flicht sie von dannen; auch sie, Böser, hat Flügel wie du.
Dass Meleager den Hiatus nach dem t des dat. sing, mehr als
seine Vorgänger Asklepiades oder Poseidippos gemieden haben
sollte (vgi. V, 209, 1, wo vjovt sioe zwar auf einer Conjectur
von Jacobs, aber auf einer sicheren beruht), dies anzunehmen
ist keinerlei Grund vorhanden.
Dem Steckbrief, welcher wider zwei Sklaven erlassen
wurde, die am 9. August des Jahres 245 v. Chr. unter Mit
nahme verschiedener Habseligkeiten aus Alexandrien entwichen
sind, — diesem denkwürdigen Actenstücke, aus dem uns noch
der Duft alexandrinischer Polizeistuben entgegendringt, hat
Letronne (Papyrus du Louvre, 2 p. 177 f.) eine so reiche
1 cod. vr)/o|jivrjv, Saumaise Tr)nopEvi)V, Jacobs '/rjpap.evr)v (!) und ,in notis mss.‘
v’ (!), Hecker raptvr]‘/opivr)V, wozu Dübner — der die IJeber-
lieferung als verderbt bezeichnet, ohne eine Herstellung zu wagen — mit
Recht bemerkt: ,quod velim explicuisset 1 .
2 Diese hochwichtige Puhlication hat in der deutschen Gelehrtenwelt auf
fallend wenig Beachtung gefunden. Auch für die Beobachtung sprach-
geschichtlicher Erscheinungen bieten jene Urkunden manches dankens
wertem Material. So begegnet uns in dem Briefe des Macedoniers
Apollouios, des Klausners sv tw 7tpb? Meptpiv pLsyoeXcu SapajtiYijtp (sic)
[Pap. 41, Z. 10 — S. 306] derselbe Parasitismus des g, oder wohl rich
tiger des j, der sich in der heutigen macedonischen Volkssprache in
38*
596
Gomperz.
Fülle von Belehrung zu entlocken gewusst, wie dies eben nur
die unvergleichliche Conjbinationsgabe und Gelehrsamkeit dieses
einzigen Mannes vermochte. Doch hat sich derselbe durch
die irrige Lesung eines Buchstabens zu lexicalischen und
grammatischen Gewaltsamkeiten verleiten lassen, die seiner
keineswegs würdig sind. An jener Stelle nämlich, wo von
der Personsbeschreibung des ersten Sklaven zur Aufzählung
der von ihm entwendeten Gegenstände übergegangen wird,
zeigt (in Deveria’s Facsimile, nicht in Wattenbach’s ,Schrift
tafeln' Taf. 3, wo die irrige Lesung bereits den Zeichner be
einflusst zu haben scheint) das einzige daselbst verstümmelte
Wort (Z. 9) zwischen A und CIN nicht die Reste eines 6,
sondern Spuren, die weit eher auf Y hinweisen. Es ist der
linksstehende der avwOev icröp.STpoi päßooc ouo (um mit Theodektes
zu sprechen) erhalten und ausserdem ein zum C hinüber
greifender Bindestrich, wie er sogleich im zweitnächsten Worte,
8iavoyou[i.ai wieder findet (Pliilistor III, 129). Und damit lässt sich auch
das in einem Bittgesuch der Zwillingssclnvestern (die sich ihre Schrift
stücke wohl zumeist von ihrem Beschützer, dem gleichfalls macedoni-
schen Klausner Ptolemäus verfassen Hessen) vorkommende ßoi7]0ov ver
gleichen (Pap. 27, Z. 23 — S. 278). — Ueberraschend wirkt es auch,
die Erweichung des g zu j in demselben Worte beobachten zu können,
in welchem diese Besonderheit den alten Tarentinern eigen war und auch
zu Athen schon vom K'omiker Plato verspottet ward. So schreiben eben
jene Zwillingsschwesterh in einer ihrer zahlreichen Bittschriften (Pap. 26,
Z. 14 — S. 275): oxav Eß7)[j.£v (1. oi’ av£ßv)p.£V, vgl. Z. 4 und 24 avaßaaiv
und avaßavxi, auch Brunet de Presle über die Lage des Serapeum in
seinem ,Memoire 4 ) xccx’ apya; £i? xo lepov, 7i:apayprj[j.a [j.ev oXlaq r)[j.e'pa<; —,
desgleichen Z. 9: St’ oX'ftov. (Beiläufig, Z. 38 ist ucp’ statt Ecp’ und 51
aip7jcrOE statt cupETsÖE aus dem Facsimile in den Text zu setzen.) In
Nr. 4, Z. 8 der ,thebanischen Papyrusfragmente im Berliner Museum 4 hat
Parthey diese Form verkannt, indem er statt oX£ov schrieb 6'Xlov und
meinte, man ,könnte eher oXxov 4 erwarten. Auch in dem amtlichen
Schreiben eines hochgestellten Functionärs am Hofe Euergetes II. (Pap. 63,
Z. 103 — S. 365) Hest man: oux oXlouq 8e xai xtuv ev toj axpaxicoxixo)
jp£pop.£Vojv xai T7)v avayxafav xpo<p7]V [j.oXi<; iyovxiov —. Es ist dies eine Stelle
von hoher historischer Bedeutung, denn wenige Zeilen später tönt uns
aus der Klage (?) über den wirthschaftlichen-Verfall der Kriegerkaste,
deren Mitglieder sich zum grossen, ,ja zum grössten Tlieil 4 genöthigt
sehen, ihre Feldfrüchte schon zur Winterszeit gegen hohen Discont
({AEi^o'vtov Siacpopwv) auf dem Halm zu verkaufen, der Schwanengesang der
uralten ägyptischen Aristokratie entgegen!
Beiträge zur Kritik uiul Erklärung griechischer Schriftsteller.
597
/puciou, sein- ähnlich wiederkehrt. Es war daher nicht nöthig,
dein AVorte oeuic die Bedeutung ,Geldbörse' aufzudrängen und
in der Verbindung: Sdenv iym -/pusiou eitia-/5|J.ou p.vaiEta 1’ eine un
erhörte Ellipse anzunehmen (p. 187). Das AVort gehört viel
mehr noch zur Angabe der besonderen Kennzeichen', die es
in sehr erwünschter AA r eise vervollständigt: loTi^p.EVo; x'ov Ssijt'ov
y.apitbv ypäpp.aci ßapßapao\c Sua(v, l/m ypw.ou y.xs. Und in der
That, was hätten wir von dem Polizeichef denken sollen, der
bei einem so wichtigen Merkmale, wie es die ,am rechten
Handgelenk eingeätzten fremdländischen Buchstaben' sind, die
Zahl derselben anzugeben vergessen hätte? — Dass der
Meister auch in der Auslegung der zunächst folgenden AVorte
geirrt hat: I, y.pty.ov aiSrjpouv ev w Xfp/.uOoc y.ai Sjücxpat
— es sollte dies ein ,bracelet' oder ,collier de fer' sein,
dessen sich der Flüchtling nur mittelst der Feile entledigen
konnte und ,sur lequel on avait represente un lecythus avec
une strigile de chaque cöte comme Symbole de la fonction de
l’esclave'! — dies mag, wenn es Noth thut, ein Blick auf den
dieser Beschreibung genau entsprechenden Badeapparat lehren,
den das Museo nazionale zu Neapel bewahrt und der sich auch
in Becker’s Gallus (III, 86) abgebildet findet. Letronne’s Argu
ment: ,Ne devait-on pas croire, que la premiere chose que
ferait le fugitif serait de jeter l’instrument de servitude qui
pouvait ä l’instant lo faire reconnaitre pour esclave echappe —?'
(p. 198) ist augenscheinlich unstichhältig. Niemals ward die
Anfertigung eines Verzeichnisses gestohlener Gegenstände von
derlei subtilen Erwägungen beeinflusst. Ein solches muss
gleich jedem anderen Inventar einfach vollständig und genau
sein; vermag doch Niemand vorherzusagen, welches Object —
und würde es selbst vom Diebe weggeworfen — auf die
Spur des Flüchtigen führen wird.
I» 1^—1■ — ■■
mm3m
598 Gomperz. Beiträge zur Kritik und Erklärung griechischer Schriftsteller.
I. Inhaltsverzeichnis:
Seite
1. Zu Aristoteles (Epieharm und Xenoplianes) 563 —572
2. Missverstandene Witzworte und Parodien 572—582
3. Emendationsvorschläge in alpliabetiselier Folge 5 83—597
II. Verzeichnis der behandelten Stellen:
Seite
Aescliyl. Pers. 632 (Diud.) . . 583
Antipater Tyr. (ap. Philod. de
ira p. 113) 584
Antiphanes, fab. incert. LX1X
(Meineke) 577
Arcbimed. arenar. (fin.) ... 584
Argum. Sopliocl. Oedip. t.yr.
(p. 105, 21 Nauck) .... 585
Ariatotel. Metaph. A 2, 982al3 565
„ „ A 4, 985a 11 506
„ „ 11 1, 995529 567
„ „ r 4,1006 b 6 564
„ Rhet. ß 25, 1403 a 5 563
r 7,1408 b 5 565
Bio ap. Diog. Laert. IV, 48 . . 576
C omieus anonym, (ap. Stob. Flor.
59, 18) 578
„ „ (ap. Orion, guo-
mol. V, 27 Ritschl) .... 580
Demades (Rhein. Mus. 29, 110) . 574
Democrit. frg. mor. 205(Mullach) 586
„ „ „ (ap. Stobae.
ed. Gaisford IV, 372 ed. Lips.) 586
Diog. Laert. VII, 4 .... 572
Epieharm. frg. 153 (Alirens) . 569
„ „ (ap. Aristot. Met.
I’ 5, 1010 a 5) 568
Epieharm. (?) frg. (ap. Plut. Mor.
75 F) 571
Euripid. frg. 554 (Nauck) . . 592
„ „ 1074 580
Galen, deusu part. I, 2 (III, 4, 3
Kühn) 578
Grab-Inschrift (Bull, dell’ Instit.
arclieol. 1873, p. 248—49). . 587
Seite
Herodot. III, 28, 13 (Bekker) . 574
„ VI, 132, 17—18 . . 574
„ VI, 140, 1 .... 574
„ VII, 103, 1 .... 574
Hippocrat. de aer. aqu. etloc. §.21 592
„ de prisc. med. §. 12 . 588
„ §. 19 . 590
n n ” ö
„ de victu aeut. §. 2 . . 590
Justin. Mart, apolog. I, c. 25 . . 593
Licymnius (ap. Dionys. Halic.
1035, 6 Reislce) 593
Lueian. dialog. meretr. VII, fin. 594
Meleager (Antliol. palat. V, 57) 595
Menander, XaAxeT« III (Meineke) 578
Papyrus du Louvre p. 177 f. . 595
„ „ „ P- 275 • • 596
Pseudo-Hippocr. de arte §. 11 . 573
Theban. Papyrusfragmente im
Berliner Museum (Parthey)
Nr. 4, Z. 8 596
Tragicus anonym, (adesp. 372
Nauck) 570
Tragicus anonym. (?) ap. Pkotium
II, p. 35, 20 Naber .... 579
Tragicus anonym. (?) ap. Pbotium
II, p. 59, 15 Naber .... 580
Tragicus anonym. (?) (ap. Plut.
Mor. p. 76 C) 572
Tragicus anonym. (?) (ap. Stob.
Flor. 116, 9) 578
Xenoplian. frg. III, 6 (Bergk) . 571
„ (ap. Herodian 7t. [j-ovrjp.
As!;. p. 30) 571
„ (ap. Herodian 7t. [rovrjp.
X&. p. 41) .
571
Druckberichtigung.
Fm LXXXII. Bd. der Sitzungsberichte, Seite 167, Zeile 11 von unten
ist zu lesen: das denkhafte Innern statt das denkhafte Innere.