Deutsche Studien. II.
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der Damen hat ihre Tradition in dem höfischen Leben des
Mittelalters. Die Sitte hat daran mindestens ebensoviel Antheil
wie die Sittlichkeit.
§. 6.
Spervogel.
In der ersten dieser Studien habe ich nachzuweisen ge
sucht, dass wir drei Dichter unterscheiden müssen:
Erstens einen älteren Dichter, dessen Namen wir nicht
kennen, Verfasser des zweiten Tones 25, 13- 30, 33. Seine Ge
dichte sind systematisch geordnet in Gruppen zu fünf Strophen.
Zweitens Spervogel, den Verfasser des ersten Tones
MF. 20, 1—25, 12: woraus nur Strophe 20, 17—24 auszu
scheiden ist, worin Spervogel citirt wird.
Drittens den jungen Spervogel, Verfasser der vier
Strophen S. 242 f., Z. 1—48, und vielleicht noch anderer im
Anhang zum Heidelberger Freidank (Deutsche Studien 1, 318).
Was die Ueberlieferung anlangt, so gab sich als Grund
lage von AC ein Liederbuch zu erkennen, das ich S. 310
ziemlich genau reconstruiren konnte. Es umfasste alle drei
genannten Dichter.
Die Jenaer Handschrift, sachlich geordnet, gewährt nur
Strophen Spervogels.
Spuren einer dritten Handschrift schienen sich S. 340
zu ergeben, worin die Sprüche des Anonymus ebenso geordnet
waren, wie in unserer Ueberlieferung: aber die Sprüche Sper
vogels gingen nicht voraus, sondern folgten nach.
Dazu kommt für den jungen Spervogel die Kolmarer
Handschrift, welche seine beiden ersten Strophen in derselben
Ordnung wie AC und ihnen vorausgeschickt noch eine dritte
(Schächzabei loart vor Troie erdäht) enthält, über deren Echt
heit ich nicht entscheide. Dazu die Ueberschrift: Dyß ist d,ez
jungen Stollen getickte und hat nit getickt dann dyse dru par
darnach starp er wie er stürbe daz ste zu gotte. Wir werden
der älteren, dem Dichter näheren Ueberlieferung höheren
Glauben beimessen und daher den jungen Stollen hier ohne
Bedenken wieder in den jungen Spervogel verwandeln. Meine
Ansicht, dass wir einen Spielmann dieses Namens wirklich