Deutsche Studien. IT.
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Das kleine Liederbuch ist wohl chronologisch geordnet.
Das ergibt sich schon aus den §. 4 mitgetheilten Stylbeob
achtungen: man sieht, wie der Dichter seine eigene Manier
findet und ausbildet.
Zuerst scheint ihm sein Geschlechtsgenosse, der Burggraf
von Regensburg, als Muster vorzuschweben. Der Vertretung
nach aussen sind die beiden ersten Strophen gewidmet. Wie
bei jenem erfahren wir nichts über die Anknüpfung des Ver
hältnisses. Wie jener lässt er gleich die Dame ihre unver
brüchliche Treue aussprechen, die Einreden Anderer sollen sie
nicht hindern, an ihm Gefallen zu finden. Er seinerseits fürchtet
keine Drohungen. Denn die Dame will, dass er sei froh
(18, 14), wie die Geliebte des Regensburgers erklärt hat, er
mac wol höhe tragen den muot (16, 7).
Auch der Rietenburger also geht von einer innerlich
glücklichen und befriedigenden, nur äusserlich angefeindeten
und bedrohten Situation aus. Er hat sich die Huld der Dame
verdient. Aber bald sehen wir, dass diese Huld ihm nur in
sehr beschränktem Masse zu Theil geworden, in weit beschränk
terem als seinem glücklicheren Vorgänger. Es ist nur eine
Hoffnung auf Gewährung, die ihn über den Winter hinweg
tragen soll (18, 20), um deren willen er ihr treuen Dienst
bewahrt. Aber seine Wünsche gehen höher, und eine innere
Entwicklung ist eingeleitet, die wir verfolgen können, worin
uns der Dichter in Selbstgesprächen seinen Zustand darlegt.
Aus dem Sinne, im Namen der Dame, hat er keine Strophe
mehr verfasst, auch keine an sie unmittelbar gerichtet.
Die ersten beiden Strophen fallen in den Sommer, die
dritte in den Anfang des Winters. Mit der vierten beginnt
ein neuer Ton und eine neue Situation.
Noch sucht der Dichter seine Hoffnung aufrecht zu
halten, aber die Ahnung von Trauer und Sorge, die er nicht
los werden würde, die Ahnung ihrer Erbarmungslosigkeit ist
ihm doch nahe getreten, künstlich muss er sie abwehren von
seinem Herzen. Die Versicherung seiner fortdauernden Liebe
soll ihm ihre Gnade gewinnen. Die Strophe fällt ohne Zweifel
in den Winter.
In der fünften (19, 7), wieder mit neuem Ton, hat sich
die Zeit verwandelt, Alles ist froh, der Dichter soll es auch