Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 77. Band, (Jahrgang 1874)

Deutsche Studien. IT. 
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Das kleine Liederbuch ist wohl chronologisch geordnet. 
Das ergibt sich schon aus den §. 4 mitgetheilten Stylbeob 
achtungen: man sieht, wie der Dichter seine eigene Manier 
findet und ausbildet. 
Zuerst scheint ihm sein Geschlechtsgenosse, der Burggraf 
von Regensburg, als Muster vorzuschweben. Der Vertretung 
nach aussen sind die beiden ersten Strophen gewidmet. Wie 
bei jenem erfahren wir nichts über die Anknüpfung des Ver 
hältnisses. Wie jener lässt er gleich die Dame ihre unver 
brüchliche Treue aussprechen, die Einreden Anderer sollen sie 
nicht hindern, an ihm Gefallen zu finden. Er seinerseits fürchtet 
keine Drohungen. Denn die Dame will, dass er sei froh 
(18, 14), wie die Geliebte des Regensburgers erklärt hat, er 
mac wol höhe tragen den muot (16, 7). 
Auch der Rietenburger also geht von einer innerlich 
glücklichen und befriedigenden, nur äusserlich angefeindeten 
und bedrohten Situation aus. Er hat sich die Huld der Dame 
verdient. Aber bald sehen wir, dass diese Huld ihm nur in 
sehr beschränktem Masse zu Theil geworden, in weit beschränk 
terem als seinem glücklicheren Vorgänger. Es ist nur eine 
Hoffnung auf Gewährung, die ihn über den Winter hinweg 
tragen soll (18, 20), um deren willen er ihr treuen Dienst 
bewahrt. Aber seine Wünsche gehen höher, und eine innere 
Entwicklung ist eingeleitet, die wir verfolgen können, worin 
uns der Dichter in Selbstgesprächen seinen Zustand darlegt. 
Aus dem Sinne, im Namen der Dame, hat er keine Strophe 
mehr verfasst, auch keine an sie unmittelbar gerichtet. 
Die ersten beiden Strophen fallen in den Sommer, die 
dritte in den Anfang des Winters. Mit der vierten beginnt 
ein neuer Ton und eine neue Situation. 
Noch sucht der Dichter seine Hoffnung aufrecht zu 
halten, aber die Ahnung von Trauer und Sorge, die er nicht 
los werden würde, die Ahnung ihrer Erbarmungslosigkeit ist 
ihm doch nahe getreten, künstlich muss er sie abwehren von 
seinem Herzen. Die Versicherung seiner fortdauernden Liebe 
soll ihm ihre Gnade gewinnen. Die Strophe fällt ohne Zweifel 
in den Winter. 
In der fünften (19, 7), wieder mit neuem Ton, hat sich 
die Zeit verwandelt, Alles ist froh, der Dichter soll es auch
	        
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