Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 67. Band, (Jahrgang 1871)

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Z i m m o r m a n u. 
lares attamen puri, und diu mathematischem Urtheile nicht nur 
als synthetischer, sondern zugleich apriorischer Natur. Kant’s 
mathematisches Vorurtheil stand daher schon vor der Abfassung 
der erstgenannten Schrift, vor dem Jahre der Preisausschreibung 
1763, fest und wirkte in Verbindung mit der Ueberzeugung, 
dass mathematische Urtheile unmöglich blosse Erfahrungsur- 
theile sein können, mit innerer Nothwendiglceit bis zur schliess- 
lichen ,Erfindung' reiner Anschauungen fort, als dem einzigen 
Mittel, der synthetischen und apriorischen Qualität der Mathe 
matik zugleich gerecht zu werden. 
Die transcendentale Deduction, die aus der ,ausgemachten - 
Thatsache, sei es der synthetischen' und apriorischen Natur der 
mathematischen Urtheile, sei es der ,gewissen' Erfahrung, auf 
deren ,unentbehrliche' Bedingungen schliesst, ist im Grund 
nichts Anderes als ein hypothetischer Schluss. Die Existenz 
apriorischer Elemente, seien es nun reine Formen des niederen 
oder des höheren Erkenntnissvermögens, wird dadurch wohl als 
unvermeidliche Annahme dargelegt, keineswegs aber werden 
diese selbst als thatsächlich vorhandene aufgewiesen. Dem 
deducirenden, die Realität der Bedingungen aus der thatsächlichen 
Realität des Bedingten folgernden Verfahren gegenüber lässt 
sich ein intuitives denken, welches das mittels des ersteren 
nur Erschlossene durch unmittelbare Beobachtung gewinnt. 
Wie jenes einen zur Erweiterung der Erkenntniss geeigneten 
Grund, setzt dieses ein zu dieser befähigtes Organ voraus, 
dessen Beschaffenheit die Realität des durch dasselbe Beobach 
teten , wie die des ersteren des aus demselben Gefolgerten 
hinreichend gewährleistet. Dass dies Organ, wenn es sich, wie 
hier, um die Entdeckung apriorischer Elemente des Erkennt- 
\ nissvermögens handelt, nicht der äussere Sinn sein kann, ist von 
vornherein einleuchtend; oh es der innere sein dürfe, wie 
Fries, Schopenhauer und Beneke gemeint' haben, nach 
dem oben Erwähnten mehr als zweifelhaft. Kant und Fichte 
haben die psychologische, d. i. auf empirischer Beobachtung 
durch den inneren Sinn ruhende Begründung der Kritik und der 
Wissenschaftslehre abgelehnt aus dem ,guten' Grund, weil das 
a priori als solches nicht a posteriori eingesehen werden könne. 
Ueber die ,anthropologisch' begründete Nothweridigkeit von 
Fries, hat selbst Herbart, wie wir sahen, gespottet; Schopen-
	        
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