Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 51. Band, (Jahrgang 1865)

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Wir wollen es nun versuchen, diese Darstellung der weitver 
breiteten Sage mit den anderen Versionen derselben zu vergleichen. 
Es wird daher gut sein, letztere im Kurzen zu erwähnen. 
Die zahlreichsten Nachweise und Auszüge finden sich hei 
Bäckström, Svenska Folkböcker I, 264—274; von der Hagen, 
Gesammtabenteuer I, C—CIV; Massmann, Kaiserchronik IV, 893 
bis 906; Grundtvig, Danmarks Gamle Folkeviser I, 195—197. 
Letzterer verglich mit einander alle verwandten Sagen von verläum- 
deten und verfolgten Frauen, deren Unschuld endlich an den Tag 
tritt und das Ergebniss seiner scharfsinnigen Untersuchungen tlieilt 
F. Wolf, Niederländische Volksbücher S. 5—6 mit. 
Wenn wir uns hier lediglich auf jene Sage beschränken, welche 
nach demNamen der Heldin in einer der bedeutendstenDarstellungen 
die Crescentia-Sage genannt werden kann'), so sehen wir, dass 
bei den verschiedenen Versionen derselben, trotz der zahlreichen 
Abweichungen im Einzelnen, doch immer dasselbe Grundmotiv uns 
entgegentritt. In diesem lassen sich wieder drei Hauptbegebenheiten 
unterscheiden: I. Ein Fürst vertraut hei seiner Abreise seine Frau 
seinem Bruder an, welcher sie jedoch zu verführen sucht; sie weiss 
sich zwar von seinen Nachstellungen zu vertheidigen, schwebt aber 
durch die Bosheit des Verräthers in grosser Lebensgefahr. II. Die 
unschuldige Frau wird von einem edlen Manne errettet, der sie in 
sein Haus aufnimmt und ihr sein Kind anvertraut. Ein Hausgenosse 
verlieht sich in sie; zurückgewiesen, tödtet er das Kind und be 
schuldigt die Frau des Mordes. Diese wird nun fortgestossen und 
einer fast sicheren Todesgefahr ausgesetzt. III. Sie wird wieder 
gerettet und erwirbt die Kunst, Krankheiten zu heilen. Diejenigen 
nun, die sich an ihr vergangen, erkranken; sie gibt ihnen die Ge 
sundheit wieder, aber erst nachdem sie ihre Missethaten gestanden 
haben, wodurch die Schuldlosigkeit der Verläumdeten von Allen 
erkannt wird. 
Die zweite Begebenheit, welche auch sonst in anderen ver 
wandten Sagen wiederkehrt 2 ), erscheint hier gleichsam als eine 
1) Wir sehen also von jenen Erzählungen (Genovefa, Hirlanda, Ravengaard und 
Memering) ab, welche, wenn sie auch damit beginnen, dass der scheidende Gemahl 
seine Frau einem Treulosen anvertraut, doch bald in andere Bahnen einlenken, 
2 ) So z. B. im Roman de la Violette, in Chaucer’s Man of Lawes talc, in Gower’s 
Confessio amantis, in der Rappresentazione di S. üliva.
	        
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