Semitica.
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wenn in ihnen nichts von alldem steht. Der Gedanke an sich
liegt eigentlich auf der Hand und man braucht für ihn keine
besonderen Quellen zu suchen. Nachdem aber Mitteis noch
immer darauf großes Gewicht gelegt hat, so hielt ich es für an
gemessen, auf eine ähnliche Gedankenverbindung im Talmud
hinzuweisen. 1 Da jedoch trotz allem auch von seinen Jüngern
,die Theorie vom reinen Samen' neuerdings ins Feld geführt
wird, 2 so ist es vielleicht nicht ohne Interesse, eine Stelle hier
mitzuteilen, die zweimal in den Amarna-Briefen (zirka 1500 v.Ch.)
vorkommt und diesen Gedanken in voller Schärfe zum Aus
druck bringt.
Die eine Stelle findet sich inW.79(B 79 ) in einem Briefe
des Abd-asirta an den König von Ägypten und wurde zuerst
richtig gelesen und übersetzt von Knudtzon (Beiträge zur As-
syriologie, IV, S. 116):
16 iqli-ia assata §a la mu-ta
16 ma-si-il akäum ba-li
17 i-ri-s[i-i]m
,Mein Feld ist einer Frau, welche keinen Mann hat, gleich,
weil es nicht bebaut worden ist.'
Die zweite Stelle W. 55 (L 12 ) ist darnach mit Sicherheit
in gleicherweise zu lesen und zu übersetzen:
17 . . . iqli-ia as-sa-ta
18 sa la [mu-]ta [ma-]äi-il aä-äum ba-li
19 i-ri-äi
Abd-asirta ist ein syrischer Häuptling, der sich über
feindliche Überfälle beklagt, die ihn verhinderten, das Feld zu
bestellen, weswegen er nicht ernten kann.
Ich glaube, daß man jetzt, nachdem diese Vergleichung
in so alter Zeit auf syrischem Boden nahezu sprichwörtlich
gebraucht worden ist, nicht mehr die Quelle derselben ledig
lich bei den griechischen Naturphilosophen und den Indo
germanen wird suchen müssen. Das Bild ist allgemein mensch-
1 Vgl. D. H. Müller, Das Syr.-rüm. Rechtsbuch und Hammurabi, S. 19 [155].
Vgl. Deutsche Lit.-Zeitung, 1906, No. 8, Sp. 499. — Es ist bedauerlich, daß
in dem vortrefflichen Werk ,Das Armenische Rechtsbuch 1 von Jos. Karst
(Bd. II, S. 174) auch schon auf ,die Theorie vom reinen Samen“ Rück
sicht genommen wird.
Sitzungster. d. pMl.-liist. Kl. CLIII. Bd. 3. Abh. 3