Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 120. Band, (Jahrgang 1890)

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VIII. Abhandlung: v. Krem er. 
aufschlug und den nächstbesten Vers, den das Auge traf, las; 
sein Inhalt galt dann als entscheidend für oder gegen (tafä’ul). 1 
Diese Art, das Schicksal zu befragen, ist noch jetzt in 
mohammedanischen Ländern sehr üblich und man hat dafür 
einen eigenen Ausdruck (isticharah). 
Schliesslich ist noch besonders der Träume zu gedenken, 
in denen man mehr als in allen anderen den Wink und das 
Walten höherer Mächte zu erkennen vermeinte. Wie alle 
anderen alten Völker, so legten auch die Araber den Er 
scheinungen, die im Schlafe sich einstellen, eine besonders 
hohe Bedeutung bei. Wenn man ein Orakel von einer Gott 
heit holen wollte, so pflegte man im Tempel zu schlafen und 
im Traume offenbarte sich der Rathschlag der Gottheit; gerade 
so wie bei den griechischen Orakelstätten in Asklepios zu 
Epidauros, des Kalchas und Podaleirios in Apulien am Vor 
gebirge Garganus und so auch an anderen Orten. Man pflegte 
sich in diesen Heiligthümern auf dem Felle des Opferthieres 
zum Schlafe niederzulegen und erwartete so die Heilung vom 
Siechthum oder die Erleuchtung durch einen Traum. 
Bei den Arabern finden wir eine ganz ähnliche Sitte, 
denn in der südarabischen Höhle Haue} Kowwir, offenbar 
einer alten Cultstätte, musste man zuerst eine schwarze Ziege 
schlachten, sich mit den Eingeweiden und dem Blute be 
schmieren und dann in das Fell gewickelt zum Schlafe nieder 
legen, nachdem man vorher den Wunsch, welchen man hegte, 
im Geiste festgestellt hatte. 2 
Solche heidnische Dinge vertrug der Islam nicht für die 
Länge und suchte sie zu verdrängen, was in der That zum 
grossen Theile gelang, wenn auch Reste des alten Aberglaubens 
noch nachzuweisen sind. 3 Dass früher aber solche Bräuche in 
verschiedenen Orten herrschten, ist nicht zu bezweifeln. Doch 
hinderte auch die neue Religion es nicht, dass man den 
Träumen eine sehr grosse Bedeutung zuschrieb. Die ersten 
prophetischen Erleuchtungen des Propheten von Mekka sollen 
1 Vgl. Gorar alchasäi's u. s. w. S. 63, Cap. II, Abschnitt 2. 
2 Culturgeschichte II, S. 263; Jäkut II, 357. 
3 Vgl. III, S. 60.
	        
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