Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 102. Band, (Jahrgang 1883)

Der Cartesianismus in Italien. I.: M. A. Fardella. 
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Zeitleben eine lebendige Culturtradition, deren Bedeutung weit 
über den von den Cartesianern an sie gelegten Maassstab der 
Werthschätzung hinausreicht. Der von Vico hiemit ausge 
sprochene Tadel trifft auch Fardella, sofern dieser Poesie und 
Eloquenz nur von Seite der durch ihre Hervorbringungen zu 
erzielenden Wirkungen, nicht aber um ihrer selbst zu würdigen 
weiss. 1 Es ist, mit Einem Worte, der abstracte Vernunftrationalis 
mus, welchen Vico im Cartesianismus bekämpft, und welchem 
er den Mangel an Apperceptionsfähigkeit für die Offenbarungen 
des Ewigen und Göttlichen in der lebendigen Wirklichkeit 
des geschichtlichen Menschheitsdaseins zum Vorwurfe macht. 
Gerade die sinnlich empirische Naturwirklichkeit, deren voll 
kommener Durchgeistung mittelst des reinen Vernunfthegriffes 
nach Fardella’s oben angeführten Erklärungen unüberwindliche 
Schwierigkeiten sich in den Weg stellen, erscheint hei Vico 
als das perpetuirliche Medium und Vehikel geistiger Weckung 
und Anregung zur geistigen Erfassung höchster 'Wahrheiten, 
welche sich aber freilich nicht auf das unerforsckliche innere 
Wesen der sinnlichen Dinge, sondern auf das Walten und 
Wirken der durch das Medium der sichtbaren Wirklichkeit 
dem Menschen sich offenbarenden Gottheit und auf die geistig 
moralische Ordnung des im geschichtlichen Progresse sich ent 
faltenden zeitlichen Menschheitsdaseins sich beziehen. Damit 
wird nun allerdings die philosophische Betrachtung auf ein 
ganz anderes Gebiet hinübergelenkt; an die Stelle der von den 
Cartesianern angestrebten ' philosophischen Welt- und Natur 
kunde tritt die Menschen- und Völkerkunde — statt der Be- 
wegungsgesetze der räumlich ausgedehnten Körperlichkeiten, 
deren Erforschung den Physikern anheimgegeben wird, sollen 
die Gesetze des menschlichen Zeitlaufes erforscht werden, an 
1 Vgl. Fardella, An. hum. nat., p. 183 ff.: Si rhetoricae et poeseos insti- 
tutum, metam ac finem consulamus, maximas utilitates hujusmodi disci- 
plinae conferunt, atque commoda non pauca conferunt . . . Oratoriae 
artis finis praecipuus est veritati patroeinari, virtutes promovere, vitia 
profligare, oppressae innocentiae defensionem recipere . . . Poesis idem 
sonat ae fictio; est enim ingeniosa ac solers quaedam ars, quae dum 
humanas actiones effingit congruisque carminibus exprimit, ad vitam 
mstituendam, ad mores nempe aut perficiendos aut emendandos pro 
viribus tendit etc.
	        
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