Über die Philosophie des Cardinais Cusanus.
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Cusa’s zu entwerfen, so bestimmt uns besonders der Umstand hiezu,
dass, wenn wir Clemens abrechnen, noch Niemand die innige
Beziehung hervorgehoben hat, welche zwischen des Cusaners und
eines Mannes Ansichten stattfindet, dessen Bild, von Guhrauer’s
Meisterhand entworfen, eine treffende Parallele zu dem vielseitigen
Charakter des Cardinais darbietet, wie derselbe den Lesern seiner
Werke und der Scharpff’schen und Düx’schen Lebensbeschrei
bung entgegentritt. Grossartiges Umfassen und hohe Klarheit des
Denkens, Erhabenheit über Parteistandpuncte, stetes Streben nach
Einigung, unablässiges Suchen nach dem Wahren und bereite Geneigt
heit, dasselbe in jeder Form und Hülle anzuerkennen, sind Charakter
züge, die uns, hier wie dort, hei Leibnitz wie bei Cusa begegnen.
Wie der „Beformator vor der Reformation,” wie ihn Naumann
nennt, in seinem Dialogus de puce fidei die Bekenntnisse aller
Beligionsparteien auf einen gemeinsamen Inhalt als verschiedenfarbige
Strahlen eines Lichtes zurückzuführen strebt, wie er anfangs als
geistiger Beherrscher des Concils, dann als Legat des Papstes und
Cardinal selbst die Reformbestrebungen der Kirche der von ihm höher
geachteten Einigung der getrennten Kirchen des Abend- und des
Morgenlandes zu opfern kein Bedenken trägt, so sehen wir auch
L e i b n i t z einen grossen Theil seines Lebens hindurch von irenischen
Bestrebungen in Anspruch genommen, die er erst der protestantischen
und katholischen, dann der Versöhnung beider protestantischen Con-
fessionen widmet. Wie Er ist ferner der Cardinal ein Vertheidiger des
ewigen Friedens, auf kirchlichem wie staatlichem Gebiete. „Durch
Vereinigung wenigerWeisen,” sagt er in der obenerwähnten Schrift,
»mit richtiger und hinreichender Kenntniss aller dieser in der Welt
herrschenden Religionsverschiedenheiten ausgerüsteten Männer könnte
gar leicht eine allgemeine Übereinstimmung ausfindig gemacht und
vermöge derselben ein immerwährender Friede oder dauerhafte
Einigkeit in der Religion bewirkt und festgestellt werden.” (Rei
ch ard’s Übersetzung.) In dieser merkwürdigen Schrift lässt der
Cardinal Abgesandte aller Religionsparteien „die auf Erden gewaffnet
gegen einander zu Felde ziehen, und deren Schwächere von den
Mächtigeren gezwungen werden, entweder ihre alte und seit undenk
lichen Zeiten beobachtete Religion zu verläugnen und abzuschwören,
oder sich das Leben nehmen zu lassen,” vor die Versammlung der
Heiligen hintreten und Klage führen, dass Gott, der die Wahrheit