Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 8. Band, (Jahrgang 1852)

Über die Philosophie des Cardinais Cusanus. 
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Cusa’s zu entwerfen, so bestimmt uns besonders der Umstand hiezu, 
dass, wenn wir Clemens abrechnen, noch Niemand die innige 
Beziehung hervorgehoben hat, welche zwischen des Cusaners und 
eines Mannes Ansichten stattfindet, dessen Bild, von Guhrauer’s 
Meisterhand entworfen, eine treffende Parallele zu dem vielseitigen 
Charakter des Cardinais darbietet, wie derselbe den Lesern seiner 
Werke und der Scharpff’schen und Düx’schen Lebensbeschrei 
bung entgegentritt. Grossartiges Umfassen und hohe Klarheit des 
Denkens, Erhabenheit über Parteistandpuncte, stetes Streben nach 
Einigung, unablässiges Suchen nach dem Wahren und bereite Geneigt 
heit, dasselbe in jeder Form und Hülle anzuerkennen, sind Charakter 
züge, die uns, hier wie dort, hei Leibnitz wie bei Cusa begegnen. 
Wie der „Beformator vor der Reformation,” wie ihn Naumann 
nennt, in seinem Dialogus de puce fidei die Bekenntnisse aller 
Beligionsparteien auf einen gemeinsamen Inhalt als verschiedenfarbige 
Strahlen eines Lichtes zurückzuführen strebt, wie er anfangs als 
geistiger Beherrscher des Concils, dann als Legat des Papstes und 
Cardinal selbst die Reformbestrebungen der Kirche der von ihm höher 
geachteten Einigung der getrennten Kirchen des Abend- und des 
Morgenlandes zu opfern kein Bedenken trägt, so sehen wir auch 
L e i b n i t z einen grossen Theil seines Lebens hindurch von irenischen 
Bestrebungen in Anspruch genommen, die er erst der protestantischen 
und katholischen, dann der Versöhnung beider protestantischen Con- 
fessionen widmet. Wie Er ist ferner der Cardinal ein Vertheidiger des 
ewigen Friedens, auf kirchlichem wie staatlichem Gebiete. „Durch 
Vereinigung wenigerWeisen,” sagt er in der obenerwähnten Schrift, 
»mit richtiger und hinreichender Kenntniss aller dieser in der Welt 
herrschenden Religionsverschiedenheiten ausgerüsteten Männer könnte 
gar leicht eine allgemeine Übereinstimmung ausfindig gemacht und 
vermöge derselben ein immerwährender Friede oder dauerhafte 
Einigkeit in der Religion bewirkt und festgestellt werden.” (Rei 
ch ard’s Übersetzung.) In dieser merkwürdigen Schrift lässt der 
Cardinal Abgesandte aller Religionsparteien „die auf Erden gewaffnet 
gegen einander zu Felde ziehen, und deren Schwächere von den 
Mächtigeren gezwungen werden, entweder ihre alte und seit undenk 
lichen Zeiten beobachtete Religion zu verläugnen und abzuschwören, 
oder sich das Leben nehmen zu lassen,” vor die Versammlung der 
Heiligen hintreten und Klage führen, dass Gott, der die Wahrheit
	        
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