Lorenz. Ueber den Unterschied von Reichsstädten und Landstädten.
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lieber den Unterschied von Reichsstädten und Land
städten mit besonderer Berücksichtigung von Wien.
Von
Ottokar Lorenz,
wirkl. Mitgliede der k. Akademie der Wissenschaften.
I.
So gründliche und genaue Forschungen über das Städte
wesen seit einer Reihe von Jahren zu Tage gefördert worden
sind, so weniger Uebereinstimmung vermag sich die heutige
Wissenschaft in Bezug auf die Ansichten über den Ursprung
der städtischen Verfassungen und über die charakteristischen
Merkmale ihrer Entwicklung zu rühmen. Die vorwiegend rechts
geschichtliche Behandlung des Gegenstandes hat ohne Zweifel
ehedem dazu beigetragen, dass man der politischen Seite des
städtischen Lebens ein vielleicht allzu geringes Gewicht bei
legte. Selbst in der äusserlichen Darstellung der Geschichte
des Städtewesens zeigte sich die überhandnehmende Gewohnheit
den gesammten Werth des Städtewesens in den von einer Stadt
zur andern übertragenen Satzungen und Rechtseinrichtungen
zu erblicken. So ausserordentlich die Gelehrsamkeit war, welche
in dem grossen Werke von Maurer’s zusammengetragen wurde,
so wenig Belehrung vermöchte dasselbe doch demjenigen zu
gewähren, welcher die Stellung der Städte nach ihrer verschie
denen Entwicklung, nach ihrem Range und nach den zeitlichen
Fortschritten kennen zu lernen wünscht. Dass jede Stadt Mauern
hatte und allmählich auf die eine oder die andere Weise zu irgend
einer bürgerlichen Behörde kam, welche die öffentlichen Geschäfte
und eine gewisse Gerichtsbarkeit besorgte sind keine Kriterien,
aus welchen sich für den Ungeheuern Unterschied etwas ergeben
Sitzungsber. d. phil.-llist.' CI. LXXX1X. Bd. 1. Hft. 2