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jetzt der Schulzwang eingeführt war, von welchem man früher
nichts gewusst hatte, auch klagte die Geistlichkeit, dass nun
die Leitung des Volksschulwesens jeder Provinz an einen von
der Regierung aufgestellten Schulenoheraufseher überging, der
seinerseits unter dem Gubernium stand, welches wieder unter
der Centralleitung zu Wien sich befand , und demzufolge der
Einfluss der Geistlichkeit auf die Volksschulen sehr gering war.
Eine sehr schwierige Aufgabe blieb noch zu lösen übrig.
Es war die Festsetzung eines neuen Gymnasial-Studienplanes.
Dass man den alten Plan der Jesuiten nicht wolle, darüber war
man an dem Centralpuncte der Regierung einig; aber was man
sonst wolle, darüber bestand (1774, 1775) eine bedeutende
Meinungsverschiedenheit unter den Männern, welche das grosse
Wort zu reden hatten. Martini, welcher schon damals einer der
einflussreichsten Männer im Staate war, verwendete sich für
den Plan des Professors von Hess, welcher die Geschichte, und
die Ilofräthe von Koller und Birkenstock für einen andern Plan,
welcher die griechische Sprache zur Hauptsache in den Gymna
sien machen wollte. Jeder dieser Plane hätte die alte Brauch
barkeit der Gymnasien als der Mittelstufe zwischen der Volks
schule und den Facultäts-Wissenschaften vernichtet, der Zufall
aber brachte einen dritten Plan zur Geltung, nach welchem das
Latein die Hauptsache blieb, auf die Cullur der deutschen
Sprache hingewirkt und ziemlich viel an Realkenntnissen ge
lehrt wurde. Dadurch wurde bis zum Jahre 1803 ein Zustand
erhalten, welcher in der Hauptsache aut den alten Ideen über
die Bestimmung der Gymnasien beruhte.
Fast gleichzeitig (1775) wurde auch in der Theologie ein
neuer von dem Abte Rautenstrauch entworfener Studienplan,
welcher sich mit unwesentlichen Veränderungen bis gegen 1840
erhielt, eingeführt. Seine Grundfarbe war das gallicanische
System, verbunden in Rücksicht der Lehrgegenstände mit eini
ger Nachahmung der protestantischen Universitäten. Verände
rungen in der juridischen Facultät fand man noch nicht an der
Zeit, bevor nicht die neue Justizgesetzgebung zu Stande komme,
und jene in der philosophischen Facultät waren unbedeutend.
Auch in Ansehung der Studenten-Seminare liess man es mei
stens bei dem Alten. Aber wichtig war die Veränderung an den