Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 76. Band, (Jahrgang 1874)

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Conze. 
in unerschöpflicher Freiheit behandelt, etwa einem immer gleich 
und immer neu von Mund zu Mund getragenen Volksliede 
vergleichbar sind. 
In den einfachen Darstellungen, welche, fast nur wie 
eine lebendigere Form der Namensaufschrift auf das Grabmal, 
zur Erinnerung an den Lebenden dienen, eröffnet sich eine 
reiche Anschauung griechischen Lebens, sie sind merkwürdig 
unmittelbare Quellen für die sogenannten Privatalterthümer. 
In den im Ganzen einer späteren Zeit angehörigen, nicht nur 
auf das abgelaufene Leben zurück-, sondern auch hoffnungs 
voll zuversichtlich in ein Jenseits hinüberweisenden Bildwer 
ken bietet sich der Zugang zu einem welthistorisch wichtigen 
Kapitel des religiösen Lebens im griechischen Alterthume. In 
ihrer formellen Fassung sind alle diese Vorstellungen, die man 
namentlich auch mit Hülfe der beigegebenen Inschriften der 
Zeit nach über Jahrhunderte vertheilen kann, von erheblichem 
kunstgeschichtlichen Werthe, wenn wir auch in der Regel nur 
die Arbeiten von geringeren Künstlerhänden vor uns haben, 
Producte des niederen Gewerkes, aber des griechischen, mit 
welchem einen Worte viel von dem kürzest gesagt ist, wonach 
dieser Klasse von Bildwerken ein künstlerisch höherer Werth 
beigemessen werden kann, als den bisher zur Sammlung in 
Angriff genommenen etruskischen und römischen Arbeiten, die 
auch nicht über eine so lange Zeit hin sich vertheilen und 
daher in geringerem Maasse eine geschichtliche Wandelung 
aufweisen. Uebrigens kann selbst erwartet werden, dass, als 
etwas Unverächtliches neben dem allerdings an erster Stelle 
gesuchten wissenschaftlichen Gewinne, aus den griechischen 
Grabreliefs, wenn sie in ihrer Gesammtheit zugänglich gemacht 
werden, eine veredelnde Wirkung hervorgehen möge auf das 
Kunstschaffen der Gegenwart und Zukunft, so weit demselben 
mehr oder weniger verwandte Aufgaben gestellt sind. Endlich 
darf man wohl von einer im Sinne des Alterthums selbst recht 
eigentlich pietätvollen Seite unseres Unternehmens sprechen, 
wenn wir, dem Ruine entgegenarbeitend, die griechischen 
Todtenmale nicht mehr um der meist gleichgültig gewordenen 
Einzelnen, denen sie galten, sondern um des ganzen, solcher 
Ehre werthen Volkes willen, das sie in tausendfacher Wieder-
	        
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