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Conze.
in unerschöpflicher Freiheit behandelt, etwa einem immer gleich
und immer neu von Mund zu Mund getragenen Volksliede
vergleichbar sind.
In den einfachen Darstellungen, welche, fast nur wie
eine lebendigere Form der Namensaufschrift auf das Grabmal,
zur Erinnerung an den Lebenden dienen, eröffnet sich eine
reiche Anschauung griechischen Lebens, sie sind merkwürdig
unmittelbare Quellen für die sogenannten Privatalterthümer.
In den im Ganzen einer späteren Zeit angehörigen, nicht nur
auf das abgelaufene Leben zurück-, sondern auch hoffnungs
voll zuversichtlich in ein Jenseits hinüberweisenden Bildwer
ken bietet sich der Zugang zu einem welthistorisch wichtigen
Kapitel des religiösen Lebens im griechischen Alterthume. In
ihrer formellen Fassung sind alle diese Vorstellungen, die man
namentlich auch mit Hülfe der beigegebenen Inschriften der
Zeit nach über Jahrhunderte vertheilen kann, von erheblichem
kunstgeschichtlichen Werthe, wenn wir auch in der Regel nur
die Arbeiten von geringeren Künstlerhänden vor uns haben,
Producte des niederen Gewerkes, aber des griechischen, mit
welchem einen Worte viel von dem kürzest gesagt ist, wonach
dieser Klasse von Bildwerken ein künstlerisch höherer Werth
beigemessen werden kann, als den bisher zur Sammlung in
Angriff genommenen etruskischen und römischen Arbeiten, die
auch nicht über eine so lange Zeit hin sich vertheilen und
daher in geringerem Maasse eine geschichtliche Wandelung
aufweisen. Uebrigens kann selbst erwartet werden, dass, als
etwas Unverächtliches neben dem allerdings an erster Stelle
gesuchten wissenschaftlichen Gewinne, aus den griechischen
Grabreliefs, wenn sie in ihrer Gesammtheit zugänglich gemacht
werden, eine veredelnde Wirkung hervorgehen möge auf das
Kunstschaffen der Gegenwart und Zukunft, so weit demselben
mehr oder weniger verwandte Aufgaben gestellt sind. Endlich
darf man wohl von einer im Sinne des Alterthums selbst recht
eigentlich pietätvollen Seite unseres Unternehmens sprechen,
wenn wir, dem Ruine entgegenarbeitend, die griechischen
Todtenmale nicht mehr um der meist gleichgültig gewordenen
Einzelnen, denen sie galten, sondern um des ganzen, solcher
Ehre werthen Volkes willen, das sie in tausendfacher Wieder-