Ueber das Testament Kaiser Heinrichs VI.
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verlialtes noch Raum zu gestatten, hier überhaupt nicht zu
erwarten ist. Mag Jemand noch so sehr von der Echtheit
überzeugt sein, so weit wird er nie in seiner Behauptung gehen
können, dass auch die Möglichkeit der Fälschung ausgeschlossen
sei. Scheint mir umgekehrt nach Massgabe unserer jetzigen
Kenntniss der zu beachtenden Thatsachen die Fälschung kaum
einem Zweifel zu unterliegen, so wird sich doch, so weit ich
sehe, die blosse Möglichkeit der Echtheit wohl nie mit solcher
Sicherheit bestreiten lassen, wie das insbesondere bei solchen
Fälschungen oft der Fall ist, welche lange nach der angeb
lichen Entstehungszeit gefertigt durch die in ihnen hervortre
tende Kunde später geschehener Dinge oder erst später zu
treffender Zustände einen unumstösslichen Beweis der Unecht
heit gestatten. In ähnlicher Richtung bewegte sich' freilich
auch unsere Beweisführung. Den gewichtigsten Einwand gegen
die Echtheit des Testamentes glaubte ich dem entnehmen zu
dürfen, dass dasselbe eine Kunde von Ansprüchen der Kirche
verräth, welche zur angeblichen Entstehungszeit aller Wahr
scheinlichkeit nach noch gar nicht erhoben waren. Aber frei
lich nur aller Wahrscheinlichkeit nach. Wenigstens die Mög
lichkeit wird bei der Unzulänglichkeit unseres Materials nicht
zu bestreiten sein, dass noch Quollen zu Tage kommen könn
ten, welche unsere Kenntniss von den Verhandlungen zwischen
Pabst und Kaiser und anderen massgebenden Verhältnissen so
wesentlich umgcstalten würden, dass dem gegenüber jener ge
wichtigste Einwand seine Bedeutung verlieren müsste. Aber
so lange das nicht der Fall ist, wird doch die blosse Möglich
keit der Wahrscheinlichkeit, wie sie sich aus dem uns jetzt
bekannten Materiale ergibt, den Platz räumen müssen. Und
kann es sich da um einen grossem oder geringem Grad von
Wahrscheinlichkeit handeln, so scheint wenigstens mir die An
nahme, dass die Markwald betreffenden Bestimmungen des
Testamentes nicht vom Kaiser herrühren, sondern einige Zeit
später von ihm selbst gefälscht sind, so sehr durch das Zu
sammentreffen der Umstände unterstützt, dass ich glaube, man
wird da berechtigt sein, von der grössten Wahrscheinlichkeit
zu sprechen.