Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 67. Band, (Jahrgang 1871)

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der zweiten Ausgabe eigen und dürfen wohl zu jenen ,Ver 
besserungen der Darstellung' gezählt werden, für welche, wie 
Kant selbst sagt, ,nocli viel zu thun bleibt' (Vorr. z. 2. A. II. 
31.). Als Grund derselben gibt Kant (a. a. 0.) die ,Schwierig 
keiten und Dunkelheit' der ersten Ausgabe au, ,woraus manche 
Missdeutungen entsprungen sein mögen, welche scharfsinnigen 
Männern, vielleicht nicht ohne seine (Kant’s) Schuld, in der 
Beurtheilung des Buches aufgestossen sind', und er hat dabei 
nach Ueberweg’s Meinung und seiner eigenen Andeutung 
(Proleg. z. e. j. künft. Metaphys. III. S. 303) hauptsächlich 
Garve’s durch Feder besorgte Recension in den Göttinger Ge 
lehrten Anzeigen ('Zug. St. III. vom 19. Jänner 1782 S. 40 
u. ff.) im Auge. 
Dieselben betreffen theils die transcendentale Aesthetik, 
theils die Beweise der Grundsätze des reinen Verstandes, 
theils endlich die Paralogismen der rationalen Psychologie, 
und Kant hofft durch seine Abänderungen den Bedürfnissen 
der Leser genügt zu haben. Dass die grössere Schwierigkeit 
und Dunkelheit der neuen Lehre aber nicht nach der Seite 
der Frage: wie ist ohne a priori Erfahrung möglich ? sondern 
nach der Seite der anderen Frage hin lag: wie ist die Ent 
deckung jenes a priori selbst möglich? ist erst Kant’s Nach 
folgern deutlich geworden. 
Dass durch blosse Erfahrung kein allgemeingiltiges und 
notliwendiges Erkenntniss zu Stande komme, hatten lange vor 
Kant schon Descartes, Spinoza und Leibnitz eingesehen und 
eben darum der Erste sich auf angeborene Ideen, der Zweite 
und Dritte auf die Evidenz der mathematischen Methode, Er- 
sterer jener der Geometrie, Letzterer jener der Arithmetik, 
gestützt. Locke stürzte das Ansehen der Cartesischen Beweise 
für die notiones innatae und bildete mit einziger Ausnahme 
des Substanzbegriffes, dem er eine objective Geltung beliess, 
alle übrigen angeblich angebornen Begriffe in erworbene 
um, die, auch die mathematischen inbegriffen, aus der Erfah 
rung stammten. Die Unterscheidung analytischer und syntheti 
scher Urtheile, die sich nach Kant’s eigener Anführung (Proleg. 
III. S. 182) bei ihm bereits findet (IV. Buch, 3. Hauptst. §. 9 
u. ff. ), hätte dahinführen können, zu Gunsten der mathemati 
schen Erkenntniss eine Ausnahme von der (nach Kant) blos
	        
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