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Müller
Der grammatische Bau der Algonkin-Sprachen.
Ein Beitrag zur amerikanischen Linguistik.
Von Dr. Friedrich Müller,
Professor an der Wiener Universität.
Bekanntlich erstreckt sich die Wissenschaft der Linguistik —
ein Kind unseres Jahrhundertes — nicht über die zwei uns nächsten
Welttheile, Europa und Asien hinaus, ja es ist ihr noch nicht ge
lungen, den letzteren ganz zu umfassen. — Die ausgezeichnetsten
unserer Sprachforscher bewegen sich meistens auf dem Gebiete der
indogermanischen oder semitischen Sprachen; nur wenige haben den
seit A. Castren’s Reisen erst näher bekannten ural-altaischen Spra
chen ihre Aufmerksamkeit zugewendet. Was über die anderen Spra
chen dieses grossen Welttheils geschrieben worden, gehört in das
Gebiet der Versuche, da einerseits noch zu wenig Materiale vorhanden
ist, um auf Grund desselben eine vergleichende Darstellung der hie-
her gehörigen Sprachen zu geben, andererseits das etwa vorhandene
Material noch nicht den Mann gefunden hat, der zu seiner Bearbei
tung die erforderliche strenge Methode und Umsicht mitgebracht hatte
Es liegen also die beiden grossen Welttheile Afrika und Amerika
fast vollständig ausser dem Bereiche der Linguistik. Soll aber diese
wirklich das werden, wofür sie von ihren Bearbeitern ausgegeben
wird, nämlich eine Wissenschaft der Sprache auf Grund der Er
forschung aller vorhandenen Sprachen, so dürfen am allerwenig
sten die Sprachen dieser beiden Welttheile mit ihren mannigfaltigen
und eigenfhümlichen Typen ausgeschlossen werden.
Bekanntlich wird Afrika von Menschen bewohnt, welche zwar
dem weissen Europäer gegenüber als dunkel gefärbt erscheinen, aber
nach den Untersuchungen bewährter Forscher nichts weniger als