132 Müller Der grammatische Bau der Algonkin-Sprachen. Ein Beitrag zur amerikanischen Linguistik. Von Dr. Friedrich Müller, Professor an der Wiener Universität. Bekanntlich erstreckt sich die Wissenschaft der Linguistik — ein Kind unseres Jahrhundertes — nicht über die zwei uns nächsten Welttheile, Europa und Asien hinaus, ja es ist ihr noch nicht ge lungen, den letzteren ganz zu umfassen. — Die ausgezeichnetsten unserer Sprachforscher bewegen sich meistens auf dem Gebiete der indogermanischen oder semitischen Sprachen; nur wenige haben den seit A. Castren’s Reisen erst näher bekannten ural-altaischen Spra chen ihre Aufmerksamkeit zugewendet. Was über die anderen Spra chen dieses grossen Welttheils geschrieben worden, gehört in das Gebiet der Versuche, da einerseits noch zu wenig Materiale vorhanden ist, um auf Grund desselben eine vergleichende Darstellung der hie- her gehörigen Sprachen zu geben, andererseits das etwa vorhandene Material noch nicht den Mann gefunden hat, der zu seiner Bearbei tung die erforderliche strenge Methode und Umsicht mitgebracht hatte Es liegen also die beiden grossen Welttheile Afrika und Amerika fast vollständig ausser dem Bereiche der Linguistik. Soll aber diese wirklich das werden, wofür sie von ihren Bearbeitern ausgegeben wird, nämlich eine Wissenschaft der Sprache auf Grund der Er forschung aller vorhandenen Sprachen, so dürfen am allerwenig sten die Sprachen dieser beiden Welttheile mit ihren mannigfaltigen und eigenfhümlichen Typen ausgeschlossen werden. Bekanntlich wird Afrika von Menschen bewohnt, welche zwar dem weissen Europäer gegenüber als dunkel gefärbt erscheinen, aber nach den Untersuchungen bewährter Forscher nichts weniger als