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Blicken wir zurück auf den Weg, den uns die Summe
unserer Betrachtungen geführt hat. Wir haben gesehen, wie
sich die Begriffe des Humanismus und Realismus in der mensch
lichen Bildung allmälig erzeugt, wie sie sich wechselseitig er
regt, ergänzt und zuletzt zu dem Gegensätze gesteigert haben,
der unsere Frage hervorrief; wir haben den Kampf mit ange
schaut, den die Geschichte dieser Angelegenheit vor uns ent
rollte ; wir haben die Vorschläge der Trennung, wie die Vor
schläge der Vermittlung angehört und geprüft, — wir glauben
endlich die Bahn in der Ferne gewiesen zu haben, die allein
zum Ziele jener heilsamen Versöhnung führt.
Gelingt es, sie eiuzuschlagen, so wird der Knabe lange
genug des Glückes einer durch keine Rücksicht beirrten Aus
bildung seiner natürlichen Anlagen gemessen; der Jüngling die
Wahl seines künftigen Berufes, auf Grundlage einer höhern,
sittlichen Befähigung, mit vollerer Bürgschaft für die Zukunft
beschliessen; — der Mann, der, so vorbereitet, sich für seinen
Beruf schon entschieden hat, — wenn er dem humanistischen
sich weiht, das lebendige Wort durch praktische Anwendung
zu verkörpern , — wenn dem realistischen, den todten Stoff
durch höhere Beziehungen zu beseelen wissen, — und eine harmoni
sche Bildung wird entstehen. Hat es ein Staat so weit gebracht, so
werden Handel und Volkswirtschaft erblühen, die Wissenschaften
gedeihen, und die Gesellschaft auf eine Stufe der Entwicklung gelan
gen, auf welche sie die staatlichen Organisationen allein nie zu
erheben im Stande wären. Denn es liegen in der Gesellschaft
vielfache, zum Theile noch ungenützte, vielleicht ungekannte
Elemente , — ausserhalb des Bereiches der bürgerlichen Ver
fassung — Elemente, welche seit Jahrhunderten ihrer Erwe
ckung gewärtig sind. Sie anzuerkennen, sie in ihren Kreisen
wirksam zu machen, — das ist die Aufgabe, durch deren Lö
sung allein die Menschheit Befreiung von den Banden, der Par
teiungen, die sie rettungslos zu umschlingen scheinen, hoffen
kann, — und, wenn die Welt einen Zweck und die Geschichte
eine Bedeutung hat, — getrost hoffen darf.
Sittliche Bildung und echte Wissenschaft sind die Regio
nen, in welchen jene Elemente sich entwickeln. Die Erziehung
des Menschengeschlechtes, in einem erweiterten Systeme des
Sitzb, d. philosoph. liistor. CI. Jahrg. 1819, II. Heft. 18