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seins. Die Natur hat der Jugend das Ideelle zur Entwicklung
zugedacht. Ohne ein hohes Bild in der Seele würde dem Jüng
linge die Ehrfurcht mangeln, „die den Menschen erst zum
Menschen macht,” — und verarmt am geistigen Besitze, würde
sein Leben und seine Bildung nutzlos hinschwinden. Und wo
her soll jenes Bild ihm entstehen, als aus dem untergegange
nen Grossen, das durch Überlieferung in den gebildetsten aller
Sprachen, durch das Wegfallen aller alltäglichen Beziehungen,
an Zauber nur gewonnen hat ? Allein nicht im Buchstaben
fliesst diese Quelle, sondern im Geiste. Weil man den tödten-
den Buchstaben des Alterthums festgehalten, aber den beleben
den Geist verbannt hat, darum ist die Klage gegen den Huma
nismus laut geworden. Man hat dem Jünglinge den Born, aus
dem er Begeisterung schöpfen konnte, mit Schulstaub verleidet,
und die Art, in der man die Classiker lehrte, schien fast dazu
erfunden, von ihrem Studium für immer abzuschrecken. Und
doch bleibt der Geist und Sinn, in welchem die Alten lebten
und schrieben, für immer das Palladium der Bildung gegen
die Barbarei. Ein zweiter Grund für die frühe Benützung des
Humanismus zur allgemeinen Vorbildung liegt in dir Aufgabe
der Mittelschulen, die Seite des Unterrichtes nahe im Auge zu
behalten, die der Erziehung mit angehört, — eine Rücksicht,
welche beim Fakultätsstudium, das, mit seinem Principe der
Lernfreiheit, auf Erzogene berechnet ist, wegfällt. Erziehung
verhält sich zum puren Unterrichte, wie Moral zur Politik. In
jener muss diese ihre Grundlage und ihr Endziel finden. In den
Werken der Alten liegt dieses Erziehende in der bildendsten
Form, — und ein wahrhaft humanistischer Unterricht in die
sem Sinne würde uns eine Jugend heranreifen, der man mit
Vertrauen jene Freiheit gewähren kann.
Hat sich uns so die Geltung des Humanismus als unabweis-
liche Berechtigung der Menschheit herausgestellt, so können wir
den lauten Anforderungen der Zeit und des Staatslebens unser
Ohr nicht verschliessen. Das in ihnen wurzelnde Princip des
Realismus hat, wenn das erstere befriedigt ist, sein unüberhörba
res Recht, und die ihm seit Jahrhunderten vorenthaltene Schuld
muss endlich abgetragen werden. Vereinigung, Versöhnung ist
also die Antwort auf die Frage vom Humanismus und Realismus.
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