242 seins. Die Natur hat der Jugend das Ideelle zur Entwicklung zugedacht. Ohne ein hohes Bild in der Seele würde dem Jüng linge die Ehrfurcht mangeln, „die den Menschen erst zum Menschen macht,” — und verarmt am geistigen Besitze, würde sein Leben und seine Bildung nutzlos hinschwinden. Und wo her soll jenes Bild ihm entstehen, als aus dem untergegange nen Grossen, das durch Überlieferung in den gebildetsten aller Sprachen, durch das Wegfallen aller alltäglichen Beziehungen, an Zauber nur gewonnen hat ? Allein nicht im Buchstaben fliesst diese Quelle, sondern im Geiste. Weil man den tödten- den Buchstaben des Alterthums festgehalten, aber den beleben den Geist verbannt hat, darum ist die Klage gegen den Huma nismus laut geworden. Man hat dem Jünglinge den Born, aus dem er Begeisterung schöpfen konnte, mit Schulstaub verleidet, und die Art, in der man die Classiker lehrte, schien fast dazu erfunden, von ihrem Studium für immer abzuschrecken. Und doch bleibt der Geist und Sinn, in welchem die Alten lebten und schrieben, für immer das Palladium der Bildung gegen die Barbarei. Ein zweiter Grund für die frühe Benützung des Humanismus zur allgemeinen Vorbildung liegt in dir Aufgabe der Mittelschulen, die Seite des Unterrichtes nahe im Auge zu behalten, die der Erziehung mit angehört, — eine Rücksicht, welche beim Fakultätsstudium, das, mit seinem Principe der Lernfreiheit, auf Erzogene berechnet ist, wegfällt. Erziehung verhält sich zum puren Unterrichte, wie Moral zur Politik. In jener muss diese ihre Grundlage und ihr Endziel finden. In den Werken der Alten liegt dieses Erziehende in der bildendsten Form, — und ein wahrhaft humanistischer Unterricht in die sem Sinne würde uns eine Jugend heranreifen, der man mit Vertrauen jene Freiheit gewähren kann. Hat sich uns so die Geltung des Humanismus als unabweis- liche Berechtigung der Menschheit herausgestellt, so können wir den lauten Anforderungen der Zeit und des Staatslebens unser Ohr nicht verschliessen. Das in ihnen wurzelnde Princip des Realismus hat, wenn das erstere befriedigt ist, sein unüberhörba res Recht, und die ihm seit Jahrhunderten vorenthaltene Schuld muss endlich abgetragen werden. Vereinigung, Versöhnung ist also die Antwort auf die Frage vom Humanismus und Realismus. a