Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 172. Band, (Jahrgang 1913)

Studien zur Vorgeschichte einer romanischen Tempuslehre. 159 
der christlichen Literatur wieder an Platz gewinnen. Ist es 
nun ein Zufall, daß eine andere, funktionell konkurrierende 
Struktur genau dieselbe Entwicklung zeigt? Ich habe die 
Perfektumschreibung mittels habere vor Augen, die in der vor 
klassischen Zeit in reicher Blüte steht, in der klassischen Zeit 
sich an einigen wenigen Formeln erhält und im beginnenden 
Mittelalter zunächst an die alten Formeln anknüpft und rasch 
ausdehnt. .Wir haben den Eindruck, daß ein Fluß von einem 
gegebenen Punkt an unterirdisch weiterfließt, um endlich wieder, 
durch zugeflossene Bäche etwas verstärkt, an der Oberfläche 
zu erscheinen 1 (Herzog, S. 119). So verwendet Plautus (nach 
Thielmann, ALL II) paratum, abditum, clausum, adcuratum, 
e mp tum, conductum, acceptum, spectatum, exquisitum habeo u. a. 
,Einzelne der angeführten plautinischen Redensarten wie rectum 
habeo streifen hart an die Perfektbedeutung, ja zwei Stellen 
erregen den Anschein, als sei die Umschreibung dieses Tempus 
bei Plautus schon weiter gediehen als sogar in der klassischen 
Latinität: Pseud. 2, 2, 8 illa omnia missa habeo qnae ante 
agere occepi und Stich. 2, 2, 38 irrvmo omnis res relictas habeo 
prae quod tu velis 1 (1. c. S. 535). 
In der klassischen Zeit sind es hauptsächlich Verba der 
sinnlichen Wahrnehmung, welche diese Umschreibung bilden. 
Bei Cato ,beginnt das Bauernlatein eine Reihe technischer Aus 
drücke zu entwickeln, mit Caesar machen sich besonders die 
militärischen Ausdrücke hemerklich 1 , dann beginnt der Verfall 
(S. 538). Während des 3., 4. und 5. Jahrhunderts erhalten sich 
nur wenige ,unentbehrliche 1 Formeln, im G. Jahrhundert ,ändert 
sich wie mit einem Schlag die ganze Szene 1 (S. 541). 
149. Vergleicht man die beiden Verbalklassen miteinander, 
so erkennt man sofort die ratio der Wahl einer der beiden 
Ausdrucksweisen. Das plautinische fueram, volueram, dann 
habueram, evenerat; oportuerat, debuerat u. ä. haben als intran 
sitive Verba kein Part. Praeteriti. Es steht ferner dixeram 
stets ohne Objekt; wenn auch begreiflicherweise die Scheidung 
keine streng durchgehende ist, so scheint doch das Plusquam 
perfekt bei Intransitiven oder objektlos gebrauchten Transi 
tiven verwendet zu werden, während die Verba, deren Part. 
Praet. passiv-präterital ist, die Umschreibung mit habere vor 
ziehen.
	        
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