Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 155. Band, (Jahrgang 1908)

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Y. Abhandlung: Schönbach. 
sein läßt durch die Vollmacht Papst Innozenz III., poenitentiam 
praedicare. Das bildet ja auch nach meinen Darlegungen (oben 
S. 69 f.) den Hauptstoff der Predigten Bertholds, nur daß diese 
sich nicht auf die Besserung der Sitten beschränken, sondern 
der Entwicklung des Ordens und der Zeit gemäß vielfach 
andere Interessen in ihren Bereich ziehen. Freilich, was der 
heil. Franz selbst ausdrücklich vorschrieb, das war auch für 
Berthold wegweisend. In der Regula prima handelt cap. 15, 
De praedicatoribus (Boehmer, S. 15 ff.) eigentlich mehr davon, 
daß und wie die Minoritenprediger ihrer Zuhörerschaft ein Bei 
spiel Vorleben sollen, nur indirekt wird damit der Inhalt der 
Predigten umschrieben. Hervorgehoben werden vitia et peccata 
(Boehmer 16, 15) als die Angriffsobjekte für die predigenden 
Minderbrüder. Genauer bestimmt die Regula bullata Kap. 9 
(Boehmer 33, 30 ff.) den Predigtstoff: moneo quoque et exhortor 
eosdem fratres, ut in praedicatione, quam faciunt, — ad utili- 
tatem et aedificationem populi, annuntiando eis vitia et virtutes, 
poenam et gloriam cum brevitate sermonis. Man wird gestehen 
müssen, daß Bertholds Predigtpraxis diesem Gebote wirklich 
gefolgt ist (oben S. 69 ff.), ebenso wie die des heil. Antonius von 
Padua, vgl. Lempp, Zeitschr. f. Kirchengesch. 13, 24 ff. 30; was 
über diesen, die Art und Wirkung seiner Reden berichtet wird 
(Lempp, a. a. 0. S. 28. 32), findet sich auch über Berthold erzählt. 
Den Einfluß, welchen die Entwicklung des Minoritenordens 
auf die Predigt Bertholds ausgeübt hat, wird man erst bemessen 
können, wenn die vollständige Ausgabe der lateinischen Texte 
vorliegt. Jedesfalls kann ich jetzt schon versichern, daß die 
großen Kämpfe, welche während einiger Jahrzehnte innerhalb 
der Minderbrüder zwischen den Parteien der Idealisten und 
der Praktiker des Lebens stattfanden, bei Berthold keine Er 
wähnung oder Anspielung finden, was sich ja von selbst ver 
steht. Wer genau zusieht, wird nicht nur wahrnehmen, daß 
Berthold das Evangelium aeternum kennt und ehrt (Studien 
4, 7 f.), sondern daß er seiner ganzen Haltung nach zu der 
strengeren Gruppe, den Spiritualen, gehört, die dem ursprüng 
lichen Ideale der Bußbruderschaft des heil. Franz von Assisi 
zustrebte, wenngleich Berthold bei seinem fest ausgeprägten 
Sinn für kirchliche Zucht und geistliche Disziplin (auch der 
,Baumgarten' bekundet ihn; vgl. ad Relig. 15, 5. 22, 16. 28, 8.
	        
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