Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 153. Band, (Jahrgang 1906)

Studien zur Geschichte der altdeutschen Predigt. 
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dafür, daß sie solche Stücke nicht für ein Publikum von Pre 
digern herstellten, die daraus lernen sollten, denn diese hätten 
in den Historien eine wertvolle Stütze des Gedächtnisses ent 
behrt; für Leser war die historia leichter zu vermissen. Viel 
leicht läßt sich auch darauf hinweisen, daß die mystische Rich 
tung’ die Bezüge zwischen dem Alten Testament und dem Neuen 
nicht mehr in den Vordergrund stellte und aus dem Alten Bunde 
nicht länger die Analogien für Moralisationen entnahm. 
Zu diesen Beobachtungen schickt sich eine andere, welche 
die Titel betrifft, die den deutschen Texten von den Hand 
schriften gegeben werden. Sie weisen zu einem Teile auf die 
Gliederung der Predigt, ohne Rücksicht auf den Inhalt, und 
bedienen sich demgemäß eines Bildes oder Vergleiches: von 
drei Hinterhalten, von sieben Planeten, von vier Stricken, von 
Josuas zwölf Heerscharen usw. Zum andern Teil bezeichnen 
sie Disposition und Inhalt zugleich: von sieben übergroßen 
Sünden, von zweiundvierzig Tugenden, von den sieben Siegeln 
der Beichte u. dgl. Endlich fassen die Überschriften nur den 
Inhalt als Ganzes zusammen: von der Ehe, von der Beichte, 
von des Leibes Krankheit und dem Tod der Seele. Jedesfalls 
sind die Titel, welche an sich eine Neuerung der Predigt des 
13. Jahrhunderts darstellen, so beschaffen, daß sie ebenso zweck 
mäßig über Traktaten oder Lesestiicken stehen könnten; es 
genügt, die Überschriften bei den Abhandlungen der Mystiker 
zu vergleichen. Anders verfahren die Sammlungen lateinischer 
Predigten Bertholds, und zwar ist dabei zu unterscheiden. Die 
von Berthold selbst ausgegangenen Rusticani enthalten in der 
Regel zwei Überschriften, deren eine das Thema der Predigt, 
die andere die historia für die Disposition, z. B.: De triplici 
via mirabili, per quam Deus sanctos suos d,uc.it ad veram pro- 
missionis terram. Historia de filiis Israel et de triplici eorum 
via, per mare, per desertum et per Jordanem. Nicht immer sind 
die Überschriften so ausführlich, zuweilen werden beide in einen 
Satz zusammengezogen oder die zweite nur mittelst et an die erste 
gehängt. Im allgemeinen verfährt auch hier der Rusticanus de 
Dominicis genauer als die beiden anderen Rusticani. In den 
unautorisierten Sammlungen herrscht keine Regel: etlichemale 
werden beide Überschriften angegeben, dann wieder nur eine, 
in diesem Falle überwiegt dann die Angabe des Themas. So
	        
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