Studien zur Geschichte der altdeutschen Predigt. 63 dafür, daß sie solche Stücke nicht für ein Publikum von Pre digern herstellten, die daraus lernen sollten, denn diese hätten in den Historien eine wertvolle Stütze des Gedächtnisses ent behrt; für Leser war die historia leichter zu vermissen. Viel leicht läßt sich auch darauf hinweisen, daß die mystische Rich tung’ die Bezüge zwischen dem Alten Testament und dem Neuen nicht mehr in den Vordergrund stellte und aus dem Alten Bunde nicht länger die Analogien für Moralisationen entnahm. Zu diesen Beobachtungen schickt sich eine andere, welche die Titel betrifft, die den deutschen Texten von den Hand schriften gegeben werden. Sie weisen zu einem Teile auf die Gliederung der Predigt, ohne Rücksicht auf den Inhalt, und bedienen sich demgemäß eines Bildes oder Vergleiches: von drei Hinterhalten, von sieben Planeten, von vier Stricken, von Josuas zwölf Heerscharen usw. Zum andern Teil bezeichnen sie Disposition und Inhalt zugleich: von sieben übergroßen Sünden, von zweiundvierzig Tugenden, von den sieben Siegeln der Beichte u. dgl. Endlich fassen die Überschriften nur den Inhalt als Ganzes zusammen: von der Ehe, von der Beichte, von des Leibes Krankheit und dem Tod der Seele. Jedesfalls sind die Titel, welche an sich eine Neuerung der Predigt des 13. Jahrhunderts darstellen, so beschaffen, daß sie ebenso zweck mäßig über Traktaten oder Lesestiicken stehen könnten; es genügt, die Überschriften bei den Abhandlungen der Mystiker zu vergleichen. Anders verfahren die Sammlungen lateinischer Predigten Bertholds, und zwar ist dabei zu unterscheiden. Die von Berthold selbst ausgegangenen Rusticani enthalten in der Regel zwei Überschriften, deren eine das Thema der Predigt, die andere die historia für die Disposition, z. B.: De triplici via mirabili, per quam Deus sanctos suos d,uc.it ad veram pro- missionis terram. Historia de filiis Israel et de triplici eorum via, per mare, per desertum et per Jordanem. Nicht immer sind die Überschriften so ausführlich, zuweilen werden beide in einen Satz zusammengezogen oder die zweite nur mittelst et an die erste gehängt. Im allgemeinen verfährt auch hier der Rusticanus de Dominicis genauer als die beiden anderen Rusticani. In den unautorisierten Sammlungen herrscht keine Regel: etlichemale werden beide Überschriften angegeben, dann wieder nur eine, in diesem Falle überwiegt dann die Angabe des Themas. So