Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 120. Band, (Jahrgang 1890)

Studien zur vergleichenden Culturgeschichte. 
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An Orakelstätten, wo der Kähin nickt blos als Dolmetsch 
der Gottheit waltete, sondern zugleich Recht sprach und 
Streitigkeiten schlichtete, fehlte es nicht. Eine Anzahl Stämme 
werden genannt, die solche hatten. Dass die Priester dabei 
ihre Taxen und Sporteln einhoben, ist zweifellos. Darauf zielt 
auch wohl das alte Sprichwort: ,Was der Dieb übergelassen, 
das nahm der Wahrsager/ 1 
Bevor wir hier weiterschreiten, müssen wir einer Classe 
von Tempeldienern gedenken, die man bisher als die eigent 
lichen Priester ansah, was zu dem Irrthume führte, dass man 
den Kähin nicht als Priester, sondern nur als Seher gelten 
lassen wollte. 2 Es ist das Wort sädin, das die Person, und 
sidänah, welches das Amt bezeichnet. Beide stehen immer in 
Beziehung mit einem Tempel oder einer heiligen Stätte. Nach 
den ältesten Lexikographen ist der sädin eines Tempels der 
jenige, welcher die Aufgabe hat, den Eintritt zu gestatten oder 
zu verwehren, ' der den Tempel bewacht oder behütet und 
nicht blos den Tempel, sondern auch irgend eine andere heilige 
Stelle. So ist schon früher gesagt worden, 3 dass das heilige 
Feuer (när alhulah) seine eigenen Sädins hatte. Dieses Amt, 
die sidänah, war in gewissen Geschlechtern erblich, dieselben 
galten als Eigenthümer des Heiligthums, meist sind es adelige, 
hochangesehene Leute aus dem vornehmsten Theile des Stammes, 
Nachkommen des Stifters, welche dieses Ehrenamt bekleiden. 4 
Sie sind aber nicht Priester, sondern Schirmvögte, Schutzpatrone 
des Heiligthums. Am deutlichsten zeigt sich dies in dem Bericht 
des Ibn alkalby 5 über das Heiligthum des Tajji-Stammes, wo 
1 Meid. II, S. 727. 
5 Wellh., S. 132. 
3 Abhandlung I. 
4 Wellh., S. 129. So ist der Stammvater des Geschlechtes der Sädins des 
Idoles Wadd zugleich der Stifter des Tempels und führt davon den be 
zeichnenden Namen: 'Amir olagdär, d. i. der Mauererbauer*, so ist der 
Stammvater der Sädins des Idoles Fals ein Mann Namens Baulän und 
von demselben wird ausdrücklich berichtet, dass er der Erste war, der 
diesen Cult begründete. Vgl. Wüstenfeld: liegister S. 265, 66; Jäkut: III, 
612, Z. 15. 
5 Der gewiss eine seiner verlässlichsten Erzählungen ist, denn Kalby stützt 
sich hier auf die Berichte der ,alten Herren 4 des Tajji’-Stammes und Fals 
war dessen Nationalheiligthum. Vgl. Agäny XIX, 127.
	        
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