528
Goiuperz.
keineswegs — um das Geringste zu sagen — so voreingenommen oder so
parteiisch für Sparta, um an solch einem Vertuschungswerk als Täuschender
oder auch als Getäuschter theilzunehmen; ferner aber und vornehmlich: er
hebliche Niederlagen lakonischer Streitkräfte waren in jener Zeit — ein
Jahrhundert vor Leuktra — keineswegs ein so häutiges Vorkomraniss, dass
man derlei ohne dringende Noth im Widerspruch mit allen Quellen anzu
nehmen berechtigt wäre. Wie unwahrscheinlich auch, selbst bei aller Kärg
lichkeit der Nachrichten über jene Epoche, dass uns von solch einem Ereigniss
keinerlei Kunde sollte zugekommen sein, — von einem Begebuiss, welches
ebenso sehr durch seine Seltenheit die Einbildungskraft zu beschäftigen als
durch seine Beschaffenheit die späterhin so schreiblustigeu Gegner und Rivalen
Spartas mit Genugthuung zu erfüllen geeignet war. Ich hoffe daher, nicht
der Unkritik geziehen zu werden, wenn ich heute noch die Worte unter
schreibe, in welche der doch auch nicht eben von blindem Vertrauen in die
Wahrhaftigkeit unserer Quellen erfüllte Grote vor mehr als einem Menschen
alter sein Wissen von diesen Begebenheiten zusammenfasste: ,Successful in
this expedition, he (Leotychides) suffered himself to be bribed and was even
detected with a large sum of money on his person“ (Hist, of Greece V 2 , 352).
11 Ich meine natürlich die unterlassene Tilgung des Versprechens, auf
dessen Erfüllung der Geschichtschreiber verzichtet hatte (falls diese Auffassung
der Sache die richtige und nicht vielmehr eine Lücke anzunehmen ist). Diese
Versäumniss ist gewiss auffällig, aber sie wäre es in noch weit höherem Masse,
wenn das Vorkommniss einem frühen und nicht vielmehr einem der letzten
Bücher angehörte. Thatsächlich findet es sich an der Schwelle des letzten
Sechstels des Werkes (S. 494 der Bekker’sclien, im Ganzen 604 Seiten
zählenden Textausgabe). Und dass der Autor diese seinem Lebensende näher,
möglicherweise sehr nahe liegende Schlusspartie minder häufig wiedergelesen
und daher minder eindringlich revidirt hat als die älteren Tlieile, die kein
derartiges Versehen aufzuweisen haben, ist dies eine jeder Wahrscheinlichkeit
entbehrende Annahme? — Wie harmlos erscheint doch auch diese unsere
Voraussetzung im Vergleich mit den Hypothesen, zu welchen Herr Kirchhoff
zu greifen sich genöthigt sieht, um die I, 106 und I, 184 vorkommenden, im
Laufe des Werkes nicht eingelösten Zusagen unter gleichzeitiger Leugnung
der einstigen selbständigen Existenz der ,assyrischen Geschichten 1 erklären
zu können. Dort sind es zwei Fälle, in Betreff deren dem Historiker eine
Vergesslichkeit Schuld gegeben wird, hier nur einer; dort bezieht sich das
uneiugelöste wiederholte Versprechen auf eine ganze gewichtige Partie des
Geschichtswerkes, hier auf einen vereinzelten, vergleichsweise belanglosen
Vorfall; dort musste der Autor (wie auch Herr Kirchhoff' bereitwillig eiu-
räumt) schou vor Abschluss des dritten Buches erkennen, dass sich zur Ein
schaltung der in Aussicht gestellten Mittheilungen keine geeignete Stelle mehr
finden werde, hier mochte seine Sinnesänderung erst bei der Abfassung eines
(möglicherweise sehr späten) Abschnittes der letzten zwei Bücher Platz greifen;
dort begegnen jene zwei Fälle innerhalb des ersten Siebentels (vor S. 80
der Bekker’sclieu Ausgabe), hier der eine Fall (wie bereits bemerkt) inner
halb des letzten Sechstels des Gesammtwerkes. Allerdings versucht es Herr
Kirchhoff, jene Hypothese mittelst einer Hilfshypothese zu stützen und abzu-