SITZUNGSBERICHTE
DEK
DEK KAISERLICHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
HUNDERTZWÖLFTEK BAND.
(MIT EINER KARTE.)
WIEN, 1886.
IN COMMISSION BEI CARL GEROLD’S SOHN
BUCHHÄNDLER DEK KAIS. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
300122
INHAL T.
Seite
I. Sitzung 4 vom 7. Jänner 1886
II. Sitzung vom 13^ Jänner 1886
, Kremer: Lexikographische Notizen nach neuen arabischen
Quellen
III. Sitzung vom 20. Jänner 1886
Miklosich: Die serbischen Dynasten Crnojevic. Ein Beitrag
zur Geschichte von Montenegro .
IV. Sitzung vom 3. Februar 1886
Werner: Zwei philosophische Zeitgenossen und Freunde G. B.
Yico’s. II. Tommaso Rossi
V. Sitzung vom 10. Februar 1886
VI. Sitzung vom 17. Februar 1886
Härtel: Bibliotheea patrum latinorum Hispaniensis. Nach den
' Aufzeichnungen Dr. Gustav Loewe’s herausgegeben und
bearbeitet. II. Escorial
VII. Sitzung vom 3. März 1886
Stöber: Quellenstudien zum Laurentianischen Schisma (498
bis 514)
VIII. Sitzung vom 17. März 1886
IX. Sitzung vom 31. März 1886
^Müller: Die Musuk-Spraclie in Central-Afrika. Nach den Auf
zeichnungen von Gottlob Adolf Krause herausgegeben. (Mit
einer Karte.)
X. Sitzung vom 7. April 1886
XI. Sitzung vom 5. Mai 1886
Ehrenfels: Metaphysische Ausführungen im Anschlüsse an
Emil du Bois-Reymond
XII. Sitzung vom 12. Mai 1886 . . . N
. Go mperz: Ueber den Abschluss des herodoteischen Geschichts
werkes
1
3
5
28
29
93
95
158
160
161
267
269
348
350
353
422
425
429
504
507
IV
Inhalt.
Seite
XIII. Sitzung' vom 19. Mai 1886 532
Manitius: Zu Aldhelm und Baeda 535
Biidinger: Acten zu Columbus’ Geschichte von 1473 bis 1492,
eine kritische Studie 635
XIV. Sitzung vom 2. Juni 1886 687
• Härtel: Bibliotheca patrum latinorum Hispaniensis. Nach den
1 Aufzeichnungen Dr. Gustav Loewe’s herausgegeben und
bearbeitet. HI. Nationalbibliothek in Madrid 689
XV. Sitzung vom 9. Juni 1886 738
XVI. Sitzung vom 30. Juni 1886 740
t Vondrak: Zur Kritik der altslovenischen Denkmale . . . 743
Zingerle: Der Paradiesgarten der altdeutschen Genesis . . 785
I. SITZUNG VOM 7. JÄNNER 1886.
Se. Excellenz der Präsident macht Mittheilung von dem
am 24. December 1885 erfolgten Ableben des ausländischen
c. Mitgliedes Louis Prosper Gachard, k. Staatsarchivar in
Brüssel.
Die Mitglieder erheben sich zum Zeichen des Beileides.
Herr Regierungsrath Dr. C. Ritter von Wurzbach
spricht den Dank aus für die dem 52. Theile seines ,Biogra-
phischen Lexikons des Kaiserthums Oesterreich 1 gewährte Sub
vention.
Herr Hofrath M. A. von Becker übermittelt im Auf
träge Sr. kais. Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs
Leopold den dritten Band des mit Unterstützung Sr. kais.
Hoheit herausgegebenen Werkes ,Ilernstein in Niederösterreich'.
Von Herrn Dr. Karl Strekelj in Dobfisch wird eine
Abhandlung unter dem Titel: ,Morphologie des Görzer Mittel
karstdialektes mit besonderer Berücksichtigung der Betonungs
verhältnisse' eingesendet mit dem Ersuchen um ihre Aufnahme
in die akademischen Schriften.
Die Abhandlung wird zur Begutachtung einer Commission
überwiesen.
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Academie royale de Copenhague: Översigt over det Forhandlinger og dets
Medlemmers Arbejder i Aaret 1885. Kjijibenhavn; 8°.
Accademia, K. Virgiliana di Mantova: Atti e Memorie. Biennio 1884—1885.
Mantova, 1885; 8°.
Akademie der Wissenschaften, k. bayr. zu München: Sitzungsberichte der
philosophisch-philologischen und historischen Classe. 1885. Heft ITT.
München, 1885; 8°.
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. CXil, Bd. L Hft. - 1
2
Akademie, königl. schwedische Vitterhets Historie och Antiquitets Ilandlin-
gar. Tretionde Delen. N. Föld. Tionde Delen. Stockholm; 8°.
— Antiquarisk Tidskrift för Sverige. 7. Deelen, 4. Hiiftet. Stockholm,
1884—1885; 8°.
Central-Commission, k. k. statistische: Oesterreiehische Statistik. X. Band,
2. und 3. Heft. Wien, 1885; 4°. — Nachrichten über Industrie, Handel
und Verkehr. XXXI. Band, 1. und 2. Heft. Wien, 1885; 4°.
Genootschap, het Bataviaasch van Künsten en Wetenschappen: Notulen
van de algemeene en bestursvergaderingen. Deel XXHI. 1885. Afleve-
ring 1. Batavia; 8°.
— Tijdsclirift voor Indische Taal-, Land- en Volkenkunde. Deel XXX,
Aflevering 3 en 4. Batavia ’s Hage, 1885; 8°.
— Verhandelingen. Deel XLV, Aflevering 1. Batavia ’s Hage, 1885; 4°.
Gesellschaft für Salzburger Landeskunde: Mittheilungen. XXV. Vereins
jahr 1885. Salzburg; 8°.
Handels- und Gewerbekammer in Laibach: Statistischer Bericht für das
Jahr 1880. Laibach; 8°.
Istituto, R. Lombardo di scienze e lettere: Memorie. Vol. XV, VI della
serie IH, Fascicolo II. Milano, Pisa, Napoli, 1885; 4°.
— Rendiconti. Serie n, Vol. XVII. Milano, Pisa, Napoli, 1884; 8°.
Johns Hopkins University: The American Journal of Philology. Vol. VI, 3.
Baltimore, 1885; 8°.
— Studies in liistorical and political Science. 3 a series, XI—XII. The City
of Washington, its Origin and Administration. Baltimore, 1885; 8 9 .
Kiew, Universität: Universitätsnachrichten. Tome XXV, Nr. 9 und 10. Kiew,
1885; 8°.
Mittheilungen aus Justus Perthes’ geographischer Anstalt von Dr. A. Peter
mann. XXXI. Band, XII und Ergänzungsheft Nr. 80. Gotha, 1885; 4°.
Museum Carolino-Augusteum zu Salzburg: Jahresbericht für 1884. Salz
burg; 8 a .
Society, the Asiatic of Bengal: Proceedings. Nos. VI—VIH. Calcutta,
1885; 8°.
— the literary and philosophical of Liverpool: Proceedings. 73 ä Session,
1883—1884. Nr. XXXVIII. London, 1884; 8°.
— the liistorical: Transactions. N. S. Vol. III, part 1. London, 1885; 8°.
Verein für Erdkunde zu Dresden: XXI. Jahresbericht. Dresden, 1885; 8°.
— historischer von Oberbayern: Der Ausschuss an die hochgeehrten Mit
glieder. München, 1885; 8°.
— historischer für Niedersachsen: Zeitschrift. Jahrgang 1885 und 47. Nach
richt über den historischen Verein für Niedersachsen. Hannover, 1885;
8°. — Afrika auf der Ebstorfer Weltkarte. Festschrift zum fünfzigjährigen
Jubiläum des historischen Vereins für Niedersachsen von Dr. Ernst
Sommerbrodt. Hannover, 1885; 4°. — Leibnizens Entwürfe zu seinen
Annalen von 1691 und 1092 von Eduard Bodemann. Festschrift.
Hannover, 1885; 8°.
II. SITZUNG VOM 13. JÄNNER 1886.
Der Bürgermeister von Prag übersendet den ersten Band
des im Verlage der Stadtvertretung erschienenen, von Dr. Jaro-
mir Celakovsky herausgegebenen ,Codex iuris municipalis bo-
hemici', enthaltend: ,privilegia civitatum Pragensium', und der
k. k. galizische Landesschulrath ein Exemplar des Berichtes
über den Stand der galizischen Mittelschulen in den Schul
jahren 1875—1883 (I. und II. Theil).
Von dem w. M. Herrn Hofrath Ritter von Miklosich
wird sein ,Etymologisches Wörterbuch der slavischen Sprachen'
überreicht.
Das w. M. Herr A. Freiherr von Krem er, lc. k. Handels
minister a. D., legt eine für die Sitzungsberichte bestimmte
Abhandlung unter dem Titel: ,Lexikographische Notizen nach
neuen arabischen Quellen' vor.
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Academia, Real de la Historia: Boletin. Tomo VII, Guaderno VI. Dicierabre
1885. Madrid; 8°.
Akademija Jugoslavenska znanosti i umjetnosti: Rjecnik hrvatskoga ili
srpskoga jezika. Svezak 7. U Zagreb«, 1885; 8°. — Lekcionarij Ber-
nardina spljecanina po prvom izdanju od God. 1495. U Zagrebu, 1885; 8°.
Arckeologia e Storia Dalmata: Bullettino. Anno VIII, Nos. 1—12. Spalato,
1885; 8°.
Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Kunst- und histo
rischen Denkmale: Mittheilungen. XI. Band, 4. (Schluss-) Heft. Wien,
1885; 4».
1*
4
Dorpat, Universität: Akademische Schriften aus dem Jahre 1884—1885.
4° und S°.
Gesellschaft, archäologische zu Berlin: Ueber antike Steinmetzzeichen.
45. Programm zum Winckelmannsfeste von Ottollichter. Berlin, 1885; 4°.
— für Geschichte und Alterthumskunde der Ostseeprovinzen Russlands:
Sitzungsberichte aus dem Jahre 1S84. Riga, 1885; 8°.
Institut Egyptien: Statuts. Le Caire, 1885; 8°.
Verein, historischer der fünf Orte Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden und
Zug: XL. Band. Einsiedeln, New-York, Cincinnati und St. Louis, 1885; 8°.
— für Lübeckische Geschichte und Alterthumskunde: Zeitschrift. V. Band,
1. Heft. Lübeck, 1886; 8°.
Kremer. Lexikographiscke Notizen nach neuen arabischen Quellen.
O
Lexikographisclie Notizen nach neuen arabischen
Quellen.
Von
A. Freiherrn von Kremer,
wirkl. Mitgliede der kais. Akademie der Wissenschaften.
ln diesen Notizen sind in bündigster Form einige Be
merkungen zusammengestellt, die theils aus neuen Quellen,
oder nicht genügend benützten Werken für die Bereicherung
und Richtigstellung unserer arabischen Wörterbücher sich er
geben, theils aus freundlichen Mittheilungen von Fachgenossen
zu den von mir in diesen Sitzungsberichten (Bd. CIU u. CV)
herausgegebenen ,Beiträgen zur arabischen Lexikographie' ge
schöpft wurden.
An erster Stelle ist der in Kairo im Jahre 1278 in Druck
gelegte Roman: iLai' zu nennen, der desshalb sprachlich
beachtenswerth ist, weil der Text, ohne jede stylistische Revi
sion, so abgedruckt ist, wie er mündlich zum Vorträge kommt.
Die Sprache ist durchaus vulgär und gehört dem Fellahdialekte
Unterägyptens an. Dies macht den Werth des in literarischer
Hinsicht höchst mittelmässigen Buches aus, 1 indem wir aus
demselben für die Kenntniss der Vulgärsprache viel Neues
lernen.
Da das Buch, meines Wissens, keine neue Auflage er
lebt hat und solche Druckwerke in Kairo im Laufe weniger
Jahre gewöhnlich aus dem Buchhandel gänzlich verschwinden,
so schien es angezeigt, die daraus sich ergebende sprachliche
Ausbeute bei Zeiten sicher zu stellen.
Einige nützliche Notizen fand ich in einem anderen Werke,
das erst ganz kürzlich (im Jahre 1300 H.) in Kairo im Drucke
1 Ich habe einen Auszug daraus bekannt gemacht in meinem Buche:
Aegypten, Forschungen über Land und Volk während eines zehnjährigen
Aufenthaltes. Leipzig, 1863, II. S. 307 ff.
6
Kremer.
erschien, das aber handschriftlich sich auf verschiedenen euro
päischen Bibliotheken findet. Der Titel ist: 3 A-Jl ^JUa*
J^Luc und über den Verfasser, so wie den Inhalt findet
man Auskunft in Flügel: Die arabischen, persischen und tür
kischen Handschriften der kaiserlichen Hofbibliothek in Wien,
I. S. 376.
Die Ausgabe von Kairo ist zwar, wie die meisten neueren
Erzeugnisse der dortigen Pressen äusserst nachlässig und fehler
haft, aber durch Vergleichung mit den Handschriften lässt sich
im Ganzen der Test gewöhnlich gut herstellen.
Endlich gewann ich durch Mittheilung befreundeter Fach
genossen für eine Anzahl schwieriger Wörter neue Gesichts
punkte, die theils zur Bestätigung und näheren Begründung
meiner Annahmen, theils zu deren Berichtigung führten. Mit
theilungen, die ausschliesslich die etymologische Erklärung ein
zelner Wörter zum Zwecke hatten, konnte ich, als meiner Ar
beit ferne liegend, nur selten berücksichtigen, hingegen nahm
ich Alles auf. was zur Erklärung und Deutung zweifelhafter
oder dunkler Wortformen dienen konnte.
pers., in übertragener Bedeutung im späteren arabischen,
*
gezierten Style gewöhnlich: w'LjJJ* ,_?( A-»i-. ,es
erlosch der Glanz seines dämmenden Geistes-, Matali' al-
bodur I, S. 21, Z. 7.
Matali' H. S. 31, Z. 14, in einem Verse des
Ibn almo'tazz:
ijcl. sJÜLc SjSjsI i Afc
sJol,
- /
- ^ ..iLamC ~ - Ä 'I .
e
(Im Texte steht wahrscheinlich fehlerhaft <juk.) Davon
abgeleitet _ A-ty.-. eine mit Bädingän zubereitete Speise.
Matäii' H, S. 31, Z. 17.
— iXLu: wi. LiAAA ojcLc !3I.
^ ft
— der Ofenheizer eines öffentlichen Bades Ma-
täli' H, S. 4, Z. 7.
wsSJI ,.,51
// * u
eine Pfianze. eine Unterart des
W"/
se-
necio vulgaris (nach Löw: Aramäische Pflanzennamen).
Matali'L S. 111, Z. 16sagt: s^sLaJ! ^
Lexikographische Notizen nach neuen arabischen Quellen.
7
(jVi t-''-«. I
— ein aromatisches Pulver, das aus einer alkalihältigen
Pflanze bereitet wird und zur Reinigung des Mundes und
der Hände nach der Mahlzeit dient: Matah' H, S. 66, Z. 13:
t *. l G M xP,-^. . i+1 1
»Xj . Xx^ti läg-s! *liat xJ <1, j
äüJI iXJL Lzj J.Uj jüuLc «J
Vgl. hiezu den Artikel: Jw~li.
pl. xlsJl Pfeilschütze, türkisch ^=^.1- Atar al’owwal,
S. 177, Z. 1.
i
j-j.PvI — das Kloster, im Yulgärdialekt von Damaskus: das
Kloster der nichtunirten Griechen. Germanos Farhät sagt
in seinem Werke s_jLj j.L£=P wie folgt:
ätijw 0 <A^' i Jj-** (vgl. ivri;).
^j.l — ägyptisch -vulgär: .als, unterdessen, während*. Ich habe
aber das Wort nie gehört; auch in Spittas Grammatik
des arabischen Vulgärdialektes in Aegypten finde ich es
nicht. Hingegen kommt es sehr oft vor in dem Buche:
oü 1 SG«; so S. 14: iLs ^ ; JLc Ä=0 Ai' AxjlH
xiLi. xJUc ^gJtxxJl jd i xJLs» ^.>.1 ,als der
Sklave zu ihnen hereinkam, ohne Ohren und in verän
dertem Zustande, erhob sich der Tobba'y in selbsteigener
Person und er sah ihn* u. s. w. S. 57: 0 »M j-.L-o* 0 v^-l
^vj-ÜLc j?l3l Ai äwc .als Gassäs Ibn
Morrah zu ihnen kam, fand er diese Gärten zerstört* u. s. w.
S. 65: »oks. Jj*i s_.“LaJI Jj sj-L-ä. ,jj.!
,unterdessen befeuchtete Gassäs das Kopftuch und brachte
es, auf seinem Renner einher sprengend* 0 vx^h statt
wegen des Reimes ).
^•jL — (Beiträge). Die Ableitung dieses Wortes aus dem
Persischen (Prof. Karabacek in der Kritischen Beilage zur
8
Krem er.
Oesterreichischen Monatsschrift für den Orient, Februar
heft, 1884, S. 57) kann ich nicht zulassen. Damyry führt
einen alten Vers an, wo das Wort vorkommt und erwähnt
nichts von der persischen Ableitung, ich habe es bereits
in der Traditionssammlung des Bochäry nachgewiesen.
Gawalyky führt es nicht unter den Fremdwörtern auf und
nur der unkritische Verfasser des Mohyl führt es als per
sisch an. Die ursprüngliche Bedeutung ,Kameelfohlen‘ gibt
schon Frey tag. Es lässt sich im Allgemeinen behaupten,
dass die Entlehnungen aus dem Persischen bei den das
Culturleben betreffenden Wörtern sehr häufig sind, aber
bei den das Hirtenleben betreffenden gänzlich fehlen.
A-' — (Beiträge). ibyoiH joA-dl, das Prachtgewand der
omajjadischen Prinzessin 'Abdah, der Gattin des Chalifen
Hishäm, das im Schatze der 'Abbasiden aufbewahrt wurde.
Näheres hierüber Matäli' II, S. 139, Z. 15, S. 140. Vgl.
de Goeje: Glossar zur Bibliotheca Geogr. Arab.
— (Beiträge). In der Kritischen Beilage zur Oesterreichi
schen Monatsschrift für den Orient, Februarheft, 1884,
S. 57, wiederholt Prof. Karabacek die schon in Freytag’s
Lexicon gegebene Ableitung vom persischen sOo und
vergleicht das Wort mit dem lateinischen Bardes, allein
es zeigt sich, wenn man bei Du Cange: Lexicon mediae
et infimae latinitatis, nicht das Schlagwort Bardes allein,
sondern auch den Artikel Bardei, griechisch BapSialoi, und
hiezu im Thesaurus des H. Stephanus die Nebenformen
’ApSiatoi, OuapStaiot, ’OpTatoi berücksichtigt, dass diese Ver
gleichung unhaltbar ist und nur auf dem Gleichklang der
Wörter beruht.
— blitzen (mit den Augen), von einem Zornigen gesagt:
Hamadäny (Bady' alzamän) Makame I, Ausgabe von Con-
stantinopel. Vgl. das moderne bei Dozy, Supple
ment u. s. w. Die Verse des Hamadäny lauten wie folgt:
Lexikographische Notizen nach neuen arabischen Quellen.
9
lj»j — (Beiträge). In der Kritischen Beilage zur Oesterreichi-
sehen Monatsschrift a. a. 0. wird die Aussprache: bernä-
medsch als die richtigere bezeichnet. Allein die von mir an
geführte Stelle des Mowatta’ beweist das Gegentheil, denn
dort heisst es: I+pSj-wXj^ p-ydl >-^5* tL.il
v-wXJI pjj jvA+JI ^S-äj äLo.jj ^LgXLftJI JLsj
wtLsio — Matäli' I, S. 236, Z. 1 = dlÄj bei Dozy.
püaü — ü.ol.w.JI das Rinnsal, welches vom Nil ab
zweigend, dem Schöpfrade das Wasser zuführt. Zyr, S. 97,
Z. 16: oihj J~“3j 3 pjLc (jjjtXuaJI
XjLsl*« j»Läj .Lc (jy-t-Xi.
ÜajLw.JI LL.— kj1 tXw L..W.J 1.
^.LÄj ■— (Beiträge). Dieses Wort, das nach den Wörterbüchern
eine Art Fische bezeichnet, findet sich nur sehr selten;
die erste und älteste Stelle ist in dem Buche des Mobar-
rad (alkämil), wo S. 245 ein Schmähgedicht angeführt
wird gegen einen Mann, der auf seinem Gute Gemüse
und Blumen zog und mit grossem Vortheil verkaufte. Er
hiess 'Ysa Ibn Solaimän und führte den Beinamen Abul
'abbäs: in dem bezüglichen an Fätimah, dessen Frau, ge
richteten Gedichte kommt folgende Stelle vor (Z. 12 u. 13):
.Wenn das Geschlecht der 'Abbäsiden einstens wetteiferte,
um die Henkel des Ruhmes zu erfassen, und wenn sie
(sich) erwarben die edelsten Tugenden, so siehst du statt
dem, (deinen Gatten) Abul 'abbäs seinen Ehrgeiz richten
auf den Verkauf seiner bajjähät und seiner Gemüse.'
Die Randnote eines späteren, unbekannten Lesers
erklärt nun das Wort bajjähät als ,das, womit man Fische
fängt' und bajjäh als ,eine Art Fische'; aber es ist ein
leuchtend , dass der Mann nicht gleichzeitig Gemüsegärt
nerei und Fischhandel oder den Verkauf von Netzen be
trieben haben wird.
In dem grossen Buch der Lieder (Aghäny) finden
wir ausser demselben Gedichte weitere Nachricht über
diesen ‘Ysa Ibn Solaimän, von dem folgendes erzählt wird
(Aghäny ed. Bulak, XVIII, S. 11): 'Ysa war ein Geizhals,
10
Krem er.
er besass Behälter, wo er bajjäh aufbewahrte und ver
kaufte; er besass ein Landgut, nach ihm Dälijat ‘Ysh
genannt und verkaufte von demselben Gemüse und wohl
riechende Blumen; er war der Erste, der in Bassora die
Fäcalstoffe sammelte und verkaufte.
Dass hier das Wort bajjäh nicht Fische, sondern
Dünger bedeutet, ist zweifellos, denn der Mann trieb Ge
müsegärtnerei und Blumenzucht, er hatte Behälter, wo er
den Dünger aufbewahrte und auch verkaufte, und er trieb
dieses Geschäft im Grossen, indem er der Erste war, der
in Bassora die menschlichen Auswurfstoffe sam
melte und verkaufte. Diese Neuerung machte solches Auf
sehen, dass ein Dichter Spottverse auf den unternehmen
den 'Ysh machte, wo es heisst:
<o w ^ j
o LaaJ f s La au ! ^ ^ *** Lj o LmJ I ^ ... ’ ^ ^
Also mit Fischen hatte er gewiss nichts zu thun und die
Behälter, worin er bajjäh aufbewahrte, waren keine Fisch
behälter, sondern Düngergruben. Es erübrigt noch zu er
klären, wie es kommt, dass alle Originallexikographen
für das Wort die Bedeutung ,eine Art von Fischen'
geben. In Bassora herrschte eine hochentwickelte, inten
sive Bodencultur und man benützte hiezu auch die mensch
lichen Excremente; der Inhalt der Latrinen ward an die
Landwirtlie öffentlich versteigert (vgl. Culturgeschichte des
Orients, II, SS. 331, 332) und es ist uns in den Schriften
des Gähiz eine hierauf bezügliche Stelle erhalten (Rasäil,
fol. 217 r°), wo er die Bewohner von Bassora gegen die
Witzeleien der Bagdader und der Bewohner von Kufa
vertheidigt; er sagt wie folgt:
A-Luaj a”L3 . I aJ._±uvJ . Iaac ,! ob.Au.if ^JLfXAAuf
^ ^ y y
xJ 3U*jLJI
Rau.jL_J ! L A*i I JJ.3 (jjo xaLc I
y
1 MS.
Lexikographische Notizen nach neuen arabischen Quellen.
ll
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& l?tXö.l Uj> 15 Xä t^bl £ vdljJ ^^Asa-i
(jwbi ^y <-U-^ Äj SmJ^
.tX>-4-W.XJLj ^1 liUl\f
Der in Bassora gebräuchliche Ausdruck für die zur
Düngung verwendeten menschlichen Excremente ist t>L*_w.
Dieses Wort linden wir sowohl in der obigen Stelle des
Aghany als bei Gahiz und bei Jäkut (Mo'gam, I, 647, 648).
Dasselbe Wort ward von den alten Lexikographen zur
Erklärung von ^_Lo herbeigezogen, indem sie schrieben
i>b_wJl ^jjo ^->yö ^bJI; hieraus entstand dann durch
Schreibfehler, indem man das bekannte Wort iib_w.il
schrieb, statt des wenig bekannten i>b_w_!l, die jetzige in
allen Wörterbüchern befindliche Lesart _LyJI
dU_w.il. ’ C
Ich möchte jedoch nicht unterlassen zu bemerken,
dass Professor de Goeje, der die alte Bedeutung festhält,
für seine Ansicht auf den Autor des Tag al'arus sich be
ruft, der das Wort anführt mit dem Zusätze, es sei ein
spannenlanger, sehr wohlschmeckender Fisch, der so heisse.
Hiefür wird im Tag al'arus noch der Vers eines angeb
lich alten Dichters und eine Tradition citirt. Allein der
Verfasser dieses Lexikons ist keineswegs sehr kritisch, er
1 Statt sLioh.; Gahiz lässt gern die Pronominalsuffixe in solchen Fällen
aus; der Sinn ist: ,wenn das Haus niedrig liegt, und der Hofraum eine
Grube hat, so füllt er sie aus mit der Erde, die er aus einer solchen
Düngerstätte herbeiholt.
12
Kr cm er.
strebt vor allem mehr zu geben und zu wissen als seine
Vorgänger; den Vers citirt er ohne Angabe der Quelle
und die Tradition ebenso; letztere fand de Goeje aller
dings auch im Faik des Zamachshary und von dort dürfte
sie entlehnt sein. Solche vereinzelte Verse und Traditionen
sind sehr oft ad hoc fabricirt worden. Dass der Prophet
jemals in Mekka oder Medyna solche Fische zu kosten
bekommen hat, möchte ich entschieden bezweifeln, denn,
wenn schon bajjah oder bijäh der Name eines Fisches
ist, so ist es doch sicher nur ein besonderer bei Bassora
vorkommender Euphratfisch, der damit bezeichnet ward,
der in Arabien gar nicht bekannt sein konnte. Die Tra
dition ist demnach als erfunden anzusehen.
— (Beiträge). Diese Form ist die allein richtige. Vgl.
Damyry I, S. 123, Z. 3 v. u. Matali' II, S. 214, Z. 5.
olXlo — (Beiträge). Meine Vermuthung, dass das Wort aus
JXju verderbt sei, hat sich bestätigt, indem in der Hand
schrift der kaiserlichen Hofbibliothek des Werkes ySüs
fol. 91 v° wirklich ^IXo sich findet, statt des
fehlerhaften IXaj der Ausgabe von Kairo. Wir kennen
demnach jetzt das Wort in folgenden Formen: —
— das Brett, worauf der Sand ausgebreitet wird, um
daraus wahrzusagen, das Arbeitstischchen, vgl. äs-v-s (Bei
träge), Zyr, S. 28: y!äj\ jc <J^ LI
|wA-c cLuJ! IJy-LaJI ,o Sand
deuter, deute den Sand, als ein Wahrheitssprecher: denn,
siehe, die Trommeln haben den Pallast erschüttert. Darauf
schlug er das Sandbrettchen und es thaten die Zeichen
sich kund/ Auch S. 30, 109.
— eine aus Aepfeln bereitete Speise. Matali' II, S. 53,
Z. 2 v. u.
auch — in der Sprache der eleganten
Wüstlinge der späteren Zeit: die beiden Hinterbacken, die
Hüften. Matali' I, S. 52, Z. 5, S. 169, Z. 18.
— Hamadäny: Makäme II = — Vgl.
Lexikographische Notizen nach neuen arabischen Quellen.
13
— (Beiträge, Anhang). Prof. Merx vergleicht hiemit das
syrische Löffel, Schaufel, Schieber. Aber x.iL=»
ist nicht etwa Stichschaufel, die der Orient nicht kannte,
denn für die Erdarbeiten bediente man sich immer da
selbst der Haue, des Karstes.
5ujLoy=» — Volumen, Umfang. Matäli' II, 158, Z. 16. Es wird
daselbst vom Bergkrystall gesagt: sl—Lol« sLäjl
£ jülxJt iLöt j+L J6 iLöLoj.=U y*j£-
yit^. — — brünstig und davon abgemagert, abgehärmt
(Kameel), Zyr, S. 57, Z. 6 S. 61, Z. 7
Vgl. Dozy, Supplement.
Rj'lj.
A-g=- — VHI. A-g.Äs.1, religiöse Fragen nach eigenem Ermessen
auf speculativem Wege entscheiden. Die Definition Dozy’s
ist zu unbestimmt. Vgl. Aghäny XVI, S. 36, Z. 13: Lo
-fr
(*J lo. lA=»l x-üt JLyu.j' hli xU! ji,
xä-wJ! £ xJLJI r JU xJUf i_jLäV
'ibj). Vgl. Mowatta’ IV, S. 37 (Capitel: J-ä* £ 1°
c^ 1 )'
— ägypt.-vulg. Zyr, S. 55: ^o } <5^^ J'- 5
J.£äJ( {jöj! Jv-C \ Iky • JoljiJI Io ,Der
Erzähler sprach: und als der Morgen anbrach, da machten
diese Beduinenhorden sich marschfertig und zogen eifrig
dem Nillande zu.'
— der Filtrirkrug, worin das Nilwasser zum Trinken
aufbewahrt wird, ein grosses, poröses, unglasirtes Gefäss
aus gebrannter Erde in der Form einer Amphora (im
Fellahdialokt), die Städter nennen es vJMatäli' II, S. 73,
Z. 7 v. u.
— (Verbum), im ägyptischen Fellahdialekt ,küssen', z. B.
\joy&\ ,er küsste den Boden', Zyr, S. 59, ^LLsjJ! «_*=*
,er küsste den Schuh', ibid. vgl. Dozy.
14
K r e m e r.
— Klippen, Untiefen (im Meere). Atär al’owwal, S. 196,
Z. 18: i j ^y.jc ^I^Ää^IIj
<_aS4 ^..Jl Lg-cU*
Sajo«.^ü. — eine Speise ans **-»£..=» zubereitet. Matali' II, S. 53,
Z. 6 v. u.
Xa=> — vulg. der Rand (eines Berges). Mohyt: ^iS" l.« Xi-=Ll.
syß IjLw ^.s. ^y>. Man sagt auch: j-sxit Xäs.
,am Rande des Meeres/ — Das Wort fehlt bei Dozy, es
ist offenbar aus dem altarabischen Xi La. hervorgegangen.
yXs? — der aromatische Kern einer Pflaumengattung, prunus
Mahaleb L., vgl. Kremer: Aegypten II, S. 236, Note 20.
Nach der Mahlzeit zur Reinigung des Mundes gebraucht,
Matali' II, S. 69, Z. 8 v. u.: oaP^JI^ ^IäaL^I ^As |» Jj |*-s
joia+ä. Lgj XäjuUJI Aa! jvJ viLuJI
^jJUJI j_gie jcJJü t5 ^-
XaaJL^ — bei Dozy verschrieben statt ituAg..*; vgl. Kremer,
Culturgeschichte II, 199.
IoIä. — (Beiträge). Der Singular X.oU* ist zu streichen.
o^ä-j^A — (Beiträge). Die von mir gegebene Bedeutung ward
von Prof, de Goeje bezweifelt, allein sie wird endgiltig be
wiesen durch die Stellen: Fawät I, 82, Z. 7 v. u.; II, 3, Z. 6
v. u. Dann Matali' II, 93, Z. 14 wo es von einem bei dem
Hauptthore der grossen Moschee in Damascus neu erbauten
heisst:
Ajj-*J US Io U A»au J h ili — f a>-j I I LAftJ Xjtüj Lj
;;
Ua. — (Beiträge). Lies: ^l&.
^jLwIvi^ ioAis? — ein Back werk aus Zucker, Mandeln, Pista-
cien, Haselnüssen, Ambra und Rosinen. Poet. Anthologie,
fol. 69 a . MS. meiner Sammlung, Nr. 190 (jetzt im Brit. Mus.).
oäaJÜS’ — (Beiträge). Professor de Goeje bemerkt hiezu: oä-JU 0 ’
sind die besten Stücke des Vogels, die Seitenstücke. Da-
myry II, 58, Z. 6 v. u. Vgl. auch ebendaselbst H, S. 29,
Z. 13 v. u.
Lexikographische Notizen nach neuen arabischen Quellen.
15
LoAaA- (Beiträge). Ist wie Professor de Goeje bemerkt, der
Name eines Ortes. Jakut mo'gam II, S. 476.
jsj.i2.Ai. — eine Speise, Matäli' II, 55, Z. 11.
— trockener, dürrer Luzerner-Klee; der frische heisst:
jvaao.j, Matäli' II, 189, Z. 4, Makryzy: Chitat I, 445, Z. 7.
■— unverständlich, unklar (Rede, Sprache). Zyr, S. 39,
Z. 8: Ojä! jv-k 2tiLwJ cs^ ^
»UÜ ,es sprach Hassan: sei so gut und lass mich wissen,
was er spricht, denn seine Sprache ist unverständlich und
ich verstehe nicht seine Rede (alxJ = jsÄiJ wegen des
Reimes).
itX/i — mit hektischem Fieber behaftet, vom Schüttelfröste
befallen. Matäli' I, 141, Z. 6 v. u.
bo — (Beiträge). Für die von mir nachgewiesene Form VI
bltX-S finde ich auch einen weiteren Beleg bei Tabary n,
S. 874, Z. 1, wo statt lyflAi' zu lesen ist Ijfltlö; vgl.
Freytag: 1^1 Jö, der auf die Wurzel bt> verweist, aber
dieselbe einzutragen vergass. Im Tag al'arus findet sich
folgendes: cjblii^ |?bt Ab* |?bi>
JLs L*.i! Ai(j b IA-'. Ay~ I jü Li .. )y~ tXl I 2CaT.£
Jo.ibo ^.j|
IäaaI 2txiii \Xk l ; blAi 161 * XaSTa/? jvAa^.a5 Jj Iyjvi'.
Auch Ihn Sydah im Lisän al'arab gibt: b! Ai = IAi.
ijaA6 •— A^.f. auf einmal, alle zusammen. Zyr, S. 12,
Z. 7 v. u. A^l. J-Öl ,alle kamen über mich
auf einmal' oder ,alle zusammen'. Auch SS. 14, 84, 86 u. s. w.
— Name der feinsten Gattung des Smaragdes. Matäli' II,
149, Z. 12, S. 150, Z. 6 v. u.
XAi5 yj] — Name einer Art kleiner (Nil-) Fische; mit dem
1zusammen genannt. Zyr, S. 90, Z. 4.
16
Krem er.
jL^wLo^ — eine Speise.
Matäli' II, 53, Z. 2 v. u.
— einlegen, in Oel, Zucker oder Honig (Früchte, um sie
.15/)
zu conserviren), davon Lu..*. Matäli' I, 109, Z. 14.
— nicht gestockt, nicht geronnen, also klar, flüssig,
durchsichtig, von einer Flüssigkeit gesagt, im Gegensätze
zu Matäli' H, 142, Z. 10 v. u. Mas'udy Prairies etc.
YIII, 328. Vgl. Dozy.
iGi*) — eine Speise (Matäli' II, 53, Z. 14).
— jener, der geschäftsmässig die Theilung von Häusern,
Grundstücken u. s. w. (bei Erbschaften) besorgt, also =
Das Wort ist nur im Dialekte von Bassora üblich.
Damyry I, 416, Z. 2 v. u., Z. 8 v. u.
— Smaragd dritter Qualität. Matäli' II, S. 149, Z. 12.
— (Beiträge). Aus einer brieflichen Mittheilung des
Professors de Jong in Utrecht ersehe ich, dass die allein
richtige Lesart, in der das Wort schon bei Freytag sich
SOS _ s O s
findet, ist vom persischen
— mit den Augen zwinkern oder winken = bei Dozy.
Zyr, S. 113, Z. 5 v. u.
— Packsack (doppelter, der über den Rücken des Ka
meeles gelegt wird). Matäli' I, 59, Z. 6:
|*t>L eLojj ,es kamen die
Diener mit Packsäcken, die mit Leder überzogen waren,
gefüllt mit Goldstücken'.
^ s Ü 1
— der doppelt gewundene Turban. Fawät II, S. 40,
Z. 9 (Wurzel ^j))- — Auch technische Benennung einer
Art von Gedichten, wo zwischen Strophen von zwei Versen
mit gleichem Reim, je ein Vers mit anderem Reime ein
geschoben wird und zwar so, dass diese eingeschobenen
Verse durch das ganze Gedicht denselben Reim haben,
während jede Strophe ihren besonderen Reim hat. Bei
spiele kiefür finden sich in den unter dem Titel £y+~*
im Jahre 1290 II. in Alexandrien in Steindruck
erschienenen Werke. Vgl. Dozy: und die daselbst
m
Lcxikographische Notizen nacli neuen arabischen Quellen. 17
citirte Stelle der Prolegomenes des Ibn Chaldun III, S. 420,
wo sich Beispiele einer anderen Anordnung der Reime
finden. Der altarabischen Poesie war diese gekünstelte
Form unbekannt.
— (Beiträge). Nach Professor de Goeje: die Buche, also
Buchenholz, für Lanzenschafte verwendet, Makryzy I, 397,
Z. 22, S. 417, Z. 10 v. u.: kliöiÜ ^yi ^iyi. Aber
diese letztere Stelle zeigt doch, dass hier kein Buchen
holz gemeint ist. Uebrigens fehlt die Buche in Aegypten.
Vgl. Dozy.
Jo.j, — ein G-efäss (für Flüssigkeiten). Zyr, S. 45, Z. 10:
* Süll I ^X! S^JuXi! ^j-X)
—j^I © I j»ILw * ,^Aj• k . •'—üi hlx' ,er
molk die grosse Euter der Löwin, die schon, todt war und
füllte die Schalen und den Eimer und hob sie fort und
wickelte ihre unverständigen Jungen (des Löwenpaares
in seinen Mantel) ein'.
^5 Ls\.w— vielleicht eine Art Türkis. Matäli' II, 156, Z. 9.
ioiXwo — eine Art Scherbet ^Löi, ein kühlendes Getränk
mit ojIA-w (Ruta) zubereitet. Matäli' II, 88, Z. 13.
— sich rächen, seine Rache nehmen, vulgär. Zyr,
SS. 66, 68, 75 (bis), 100: voj.il jjajl |*J Lj Jläj
. ^..C. 101 ^.aäJI viL) 5 Ajl
ojj.il jja.j| ^jÜJI ^j.jo ooiXöJ ,und er (Zyr) sagte: o
Kolaib, nicht werde ich ablassen sie zu bekriegen, bis ich
dich rufen werde aus dem Grabe und wenn du mir Ant
wort gibst und sagst: ich habe genug genommen von der
Rache — dann lasse ich ab vom Kriege'. Vgl. altarabisch
üjO das Blutgeld.
Sj.ku«.xi — Liniercarton (die Linien sind in starkem Zwirn
darauf genäht und werden auf das Blatt, welches be
schrieben werden soll, abgedruckt). Dozy hat das Wort
nicht in dieser Bedeutung, die aber von Wahrmund in
seinem Wörterbuche gegeben wird; ebenso bei A. Müller
in seinem Glossar zu Ibn Aby Usaibi'ah.
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. CX1I. Bä. I. Hft.
2
18
Klemer.
- (Beiträge). Statt Jsoiuuo ist die bessere Leseart Ja ,
vgl. Dozy: Jbjjui.
_jCw — schüsselförmig gestalten (am Rande bocli und in
der Mitte tief). Vgl. jL=>.^£Iw, Matäli' I, S. 99, Z. 9:
j ,, ^ 909 u®
uh »Ai» £ ^Lj . \L~JI Ajo * «.—Jju' jod
S. 155, Z. 5 u-tyi mit eingedrücktem abgeplat
tetem Schädel.
w °
-— Smaragd zweiter Qualität. Matäli' II, S. 149, Z. 12.
jLLlw — JoiU Rassepferd. Zyr, SS. 64, 78, 79, 103. Vgl.
Dozy.
O 9
— (Beiträge). ist dialektisch statt Vgl. Z.
d. D. M. Gr. XXXI, S. 558, Note 1. C
= (j^oLw, Zyr, S. 78, Z. 9.
— Steuernaclilass, Kodämah, Capitel VI. ^jlioJiJI
jLow.il lLo£ ^LwoNI ^.*0 OO £J«_w..X.!I
kXjjöil LgJlLo^ jtla^Lkil lL'ÄT.. Vgl. Tabary III, S. 635, Z.4.
^vL_u, — der Arbeiter, der das Schöpfrad äuSLw in Gang er
hält, indem er den Esel, der es in Bewegung setzt, an
treibt. Zyr, S. 97, Z. 2 v. u., S. 98, Z. 2.
uL-oi — (Beiträge). Professor Merx vergleicht hiemit das rab-
binische ,persuadere, implicare', besonders von sich
verwickelnden Zweigen; dann ,blanditiae‘. Wenn das
obige Wort in der älteren arabischen Sprache nachweis
bar wäre, würde diese Ableitung manches für sich haben,
aber (jAoi kommt erst in der späteren Zeit vor, wo per
sischer Einfluss überwiegt und an ältere semitische Ent
lehnungen kaum gedacht werden kann.
Joj — die Narben der Einschnitte an den Wangen der
schwarzen Sklaven. Matäli' I, 31, Z. 15:
I
oO&JI cioL 3<jL=« * « ooLö poli-.
NI JojwAx L> oöl L« * « ÄJt>Lo yXü p-tli
vkiL — wegreissen, mit Gewalt wegnehmen. Zyr, S. 110,
Z. 11: JLosJI .
!
Lexikograpliische Notizen nach neuen arabischen Quellen.
19
jvALol — (Beiträge). Vgl. Dozy j*aXaJ.
ioLä-LS; — (Beiträge). Die von Professor Karabacek gegebene
Ableitung von dem italienischen ,scampa via 4 ist nicht zu
lässig, denn so heisst kein Schiff; hingegen ist das Wort
zweifellos eine Verunstaltung des italienischen ,scialuppa 4 .
— der Ledergurt oder die Schnur, womit der Vorläufer
(Säis) die weiten Aermel rückwärts kreuzweise über die
Schulter hinauf bindet, damit sie ihn im Laufe nicht be
hindern. Zyr, S. 25, Z. 6, S. 78, Z. 9: (jA-ol
(JAiLaA jÜLo (j tXLi. ^LaaO ^aa>L.aw |Vaä.j «
,er gürtete sich mit einem weissen Gürtel, setzte den Tur
ban eines Vorläufers auf und schürzte sich mit der Schürz
schnur von Leder, von der Art der Vorläufer*.
Die Uebersetzung mit ,bretelles 4 bei Dozy ist zu
streichen, denn Hosenträger sind im Orient nicht üblich;
der Gürtel ersetzt sie.
— (Beiträge). Nach de Goeje wäre zu lesen
statt vom persischen sLi, allein die Hand
schriften halten, so weit mir bekannt ist, die letztere
Lesart fest. Vgl. auch: Geschichte der Araber und Perser
nach Tabari von Th. Nöldeke, S. 446 ff.
— Smaragd vierter Qualität, Matäli' II, 149, Z. 12.
yLo — (den Weinkühlkrug) auf das Holzgestell *_A>yLo stellen.
Matäli' I, 137, Z. 6, 173, Z. 6 v. u.
(J.a2.Lo — (Beiträge). Nach einer Mittheilung meines Freundes
Dr. A. Sprenger hält er die Bedeutung ,backen, brennen 4
(wie die Ziegel im Ofen) für passender und citirt hieftir
Kashsbäf 55, 13: ä-La-Lo sj jjaoLJI Jl—A2.-La.it
ySj ^LJL p. ».Ha+J I ^^HaJI ^LÜSJty
Doch fügt
Dr. Sprenger bei, dass Koran 37, 11 für meine
Ansicht sprechen wtü’de.
o
V-g-o — (Beiträge). Statt p vaa lies (de Goeje).
^«AAä — 1*aaö x.A-0 er machte ihn berühmt oder einfluss
reich. Matäli' I, 182, Z. 6 v. u. Vgl. Laue: xaiaaij
2*
20
Krem er.
— schwächlich, kraftlos. Zyr, S. 14, Z. 11, S. 62, Z. 4
vulgär statt
,_Aa — mit überraschen, überfallen, plötzlich kommen.
Zyr, S. 112, Z. 10 v. u.: Zdo |JL* lölj
,da überraschte sie Sälims Brief'.
(_pjß — werfen, schlagen = ts*)' ^ i T s i S. 50, Z. 13:
slXa j ,der Löwe schlug ihm mit der Tatze den
Sand entgegen'.
üIlL — eine Art Kinderspiel. Zyr, S. 69, Z. 12, S. 70, Z. 6.
^.xiö — Hilfesucher. Zyr, S. 56, Z. 4, Z. 9 — ebenso
L der Hilfesuchende, ibid. Z. 3, so auch SS. 57, 86,
93 u. a. a. 0.
OyL — runde Erdanschüttung, künstlicher Hügel. Zyr, S. 42,
Z. 5, S. 62, Z. 8, S. 90, Z. 7, S. 108, Z. 11.
sL^äJI ,und er wird bauen einen Hügel mit den
Schädeln der Weiber'.
— der Golf von Bengalen. Matäli' II, S. 153, Z. 10 und 12.
Vgl. Mehren: Dimishky, SS. 19, 22, 152, 167, 173.
ialc. — umarmen, Zyr, S. 108, Z. 3; feldt bei Dozy, wird aber
schon von Wahrmund in seinem arabisch-deutschen Wörter
buch in dieser Bedeutung gegeben.
— (Beiträge). Hofrath Dr. L. Krehl machte mich freund-
lichst aufmerksam, dass im Aghäny, wo dieses Wort vor
kommt, dasselbe in yi. zu emendiren sein dürfte, und
ich stimme bei.
— der Spassmacher, Possenreisser. Zyr, S. 33, Z. 8, S. 35,
Z. 4, S. 36, Z. 2 u. 4. Vgl. bei Dozy.
sjx — Sattelzeug, Zyr, S. 11, Z. 6, S. 23, Z. 5 v. u. Schon
bei Wahrmund in dieser Bedeutung.
<s^ — eine gemeine Art von Kameelen, entspricht dem, was
unter den Pferden das (Klepper) ist. Matäli' II,
184, Z. 9 v. u.
9 ' 09 '
— (Beiträge) 1. ■
Lexikographische Notizen nach neuen arabischen Quellen.
21
— (Beiträge). Vgl. syrisch Vo^i. ,fesseln', Quadrilitt. von
JüLc (Prof. Merx).
— Sternschnuppe, Meteor. Matali' I, 82, Z. 6 v. u.
Lg-uatjj £ : i ; s. JjiLc ^.jt £ , cy® ^..sxS’ cjJo
jys. — V (Beiträge). Die angeführte Stelle des Aghäny ist, wie
de Goeje bemerkt zu emendiren in statt Vgl.
Lane: 'yS- V.
tXic — einsclireiben, registriren (eigentlich: einen Knopf ma
chen). Zyr, S. 9, Z. 9 v. u. :
v-'lisliiXft-c * L$Ai JUi| IjcXÜc »tXüJtJI
,nach dem Vertrage registrirten wir das Geld daselbst, wir
registrirten es in breiten Folianten*.
y+c — (Beiträge). Ich halte das Wort für einen Schreibfehler
des MS. statt J.*ä, das sich in den Wörterbüchern schon
vorfindet.
juA*x — Geschäft = d-i-ii Zyr, S. 24, Z. 11.
JjIc — verdorben, beschädigt = tXwü. Zyr, S. 57, Z. 6, 7,
9, 10 v. u., S. 66, Z. 7, 10.
vxi. — (Beiträge). yyXiu> ist ein Schreibfehler statt y^JCU>, wie
die Handschrift richtig hat.
Jj..wlc. — Mesembrianthemum nodiflorum. Es wird Pottasche
daraus gewonnen, gedeiht in Massen am Mareotis-See bei
Alexandrien. Kremer: Aegypten II, S. 36; es wird statt
Seife gebraucht um sich zu waschen, vermuthlich identisch
mit Matali' H, S. 65, Z. 4.
iaiiac. = Jox. bei Dozy: tremper, enfoncer, Zyr, S. 72, Z. 6 v. u.
mit erzürnt über jemand. Zyr, S. 62, Z. 9.
.eine
— tief = (3*+ Ä - Zyr, S. 113, Z. 10:
tiefe Grube*. Im Vulgärdialekte ist diese Form allein üblich.
Jyx'XMj] — zum Ghul werden, sich in einen bösen Geist ver
wandeln, wüthend werden wie ein Ghul. Zyr, S. 102, Z. 2.
K r c m o r.
(jöaä — (Beiträge). In der bezüglichen Stelle des Agbäny ist
statt (jAIaäJI zu lesen (de Goeje).
— sich auflösen, in Stücke fallen. Zyr, S. 73, Z. 1 v. u.
— (Beiträge). ist Copula o mit der Passivform
von (de Goeje).
sicjli = Jo^li (Beiträge). Matäli' I, 145, Z. 4: Risjli zX* oJoyii
,es entschlüpfte ihm eine Unvorsichtigkeit 1 .
— (Beiträge). Die nach dem Aghäny gegebene Lesart
ist nach de Goeje zu berichtigen in ein
Pfeil, der das Ziel durchbohrt. Vgl. Dozy: ibwJö^j.
^y£.yi —- £.Uyi eine Art fingerdickes Glas von
gelblicher Farbe. Matäli' II, S. 138, Z. 8 v. u.; S. 151,
Z. 4 v. u.
— verbrämen, mit einem Besätze am Rande einfassen oder
benähen. Matäli', S. 22, Z. 11 v. u. Vgl. (Beiträge).
Schon von Abu Firäs alhamdäny wird das Wort gebraucht
(Dywän: Ausgabe von Beirut vom Jahre 1873, S. 68):
09 » . | Ö I ( t ? ,J
ajlXJi
zjUslS ■— sich gelehrt stellen, schwatzen, das Maul voll nehmen,
sich für einen Fakyh ausgeben. Ibn Wädih, ed. Houtsma,
S. 100, Z. 4 v. u. Kämil, ed. Wright, S. 31, Z. 15, Ma-
wäkif, ed. Soerensen, II, S. 224, Z. 1.
.. ö
— (Beiträge). Kaldaunen, naeli Zamachshary bei Wahrmund,
auch die Form iUs ist zulässig und diese hat schon Frey
tag unter der Wurzel
— eine Art Türkis. Matäli' II, S. 156, Z. 9.
— (Beiträge). Zweifarbige Rose, roth und gelb. Matäli'
I, S. 99, Z. 3.
jj+xSa — Handtrommel. Zyr, S. 16, Z. 14.
Ml ^ S O
— Wasserträger, von der Wasserschlauch. Zyr,
S. 99, Z. 8 v. u.
Lexikographisclie Notizen nach neuen arabischen Quellen.
23
tjvysyi — der Ofen (des Töpfers); Ibn Wadih, ed. Houtsma,
S. 489, Z. 11. Vgl. ig/OyAyS = y.epap.eü? bei Dozy, nach
Fleischer: De glossis Habiclitianis, Leipzig 1836. Von
^oyoyi ,die Grube, Erdhöhlung' und dieses dürfte wohl
die richtige Schreibweise auch in der citirten Stelle des
Ibn Wädih sein, wo zu übersetzen ist: ,Grube oder Erd
höhlung' (des Töpfers, worin er seine Irdenwaare brennt).
(jüjj.Äx — technischer Ausdruck der Steinmetze und Bau
meister in Kairo für aus Stein gemeisselte oder aus Holz
geschnitzte Verzierung der Moscheenthore oder Zimmer
decken. Vgl. Travels of Ibn Jubair, herausgegeben von
W. Wright, Leyden 1852. Glossar, S. 28, wo überall
statt des fehlerhaften uo^^äjo zu setzen ist. Das Wort ist
noch jetzt in Kairo im Gebrauche und werden verschiedene
Arten unterschieden, wie z. B. (jajjJi* u. s. w.
(Nach einer mündlichen Mittheilung meines Freundes,
Herrn Franz-Pascha in Kairo). Freytag: nach
Kärnus.
— Bezeichnung jener Smaragdsteine, die aus den Adern
des Gesteines gebrochen werden, im Gegensätze zu (jAi
d. i. jenen Steinen, die man im Sande findet, Matali' II,
S. 149, Z. 10. Vgl. Dozy. — Der Ausdruck: ^ydüJl
(Beiträge) bezieht sich nach meiner Ansicht auf
das Chalifenscepter. Vgl. Tabary III, S. 771, Z. 2.
gliaj' oder kxLlific — den König matt setzen, im Schachspiele.
Matali' I, 79, Z. 7 v. u.; Z. 4 v. u.
(jcjübo — von (einem aus dürren Palmenstäben, die in
einander gefügt sind, hergestellten Behältnisse, jetzt in
Aegypten Kafas genannt) abgeleitet: quadrillirter Stoff
(weil die Palmstäbe lauter Vierecke bilden). Matali' I,
S. 73, Z. 5; Shifa alghalyl, S. 221.
— (Beiträge). Für die von Dozy gegebene Bedeutung
citirt de Goeje: Jäkut IH, S. 648, Z. 20. Vgl. auch Ibn
Baitär, sub voce JüLls.
24
Krem er.
— (Beiträge). In Syrien bezeichnet man hiemit auch das
türkische Piasterstück.
ju.Cc — nicht blos Deckel, sondern auch: Schüssel, Platte, wie
schon Wahrmund in seinem Wörterbuche bemerkt. Ma-
täli' I, S. 59, Z. 15.
yS — ein Wamms aus Tuch, mit Baumwolle gefüttert und
stark gesteppt, um es stich- und liiehfest zu machen; aus
dem Persischen entlehnt, wozu das Wörterbuch Borhani
Käti' folgende Erklärung gibt; xJj! L yS
sAaäJI i\\ SiXXXüy XÄavLoW ^LäÄ.~v SlXaÄJU*
Die älteste Belegstelle für den
Gebrauch dieses Wortes im Arabischen finde ich bei Abul
'ala alma'arry (Lozumijjät):
' O * ss- J J t. ’ O. ^ Ox ^ ^ . Qs | X-
1y-J^Sy ' ^)) ■» ? I ^))j *
Die Yocalisation gebe ich nach der Handschrift, aber
ich halte sie für irrig. Hiemit findet auch die in den
Beiträgen zu dem Worte gegebene Stelle des Makryzy
ihre Erklärung; es ist dort zu lesen: s^ÄCI
joOvCll ,Tuchwämmser und lederne Sturmhauben'.
— (Beiträge). Nach Tag-al'arus = .1^ der Wein
klärkrug, der Weinseiher. In der Bedeutung von ^öL^jo,
die ich in den Beiträgen gegeben habe, wird nach Tag-
al'arus besser geschrieben, obgleich der Connnen-
tar zum Mowatta’ die Form festhält.
ca— streicheln, kämmen (den Bart). Zyr, S. 109, Z. 2;
|»JLw ^
— (Beiträge). Ist wie ,_J.3 ein von einem Nomen loci
gebildetes Verbum (de Goeje).
r 5 — dünsten, dämpfen (eine Speise). Matäli' II, S. 55, Z. 9
v. u.
vlH — (Beiträge). In dem angeführten Vers ist viDö Druck
fehler statt d!5, wie das Metrum fordert.
Lexikographische Notizen nach neuen arabischen Quellen.
25
(jcuJ — sich hin- und herschaukeln, wälzen, zappeln, nicht im
transitiven Sinne, wie bei Dozy. Zyr, S. 38, Z. 2 v. u.:
1 tS (jip-Äj ooLL; ^äj
,Kolaib sah ihn (wie er die Galylah umarmte) und er
zappelte (vor Wuth) und fletschte Zähne, wie das Kameel
auf der Weide.“ S. 64, Z. 6 v. u.: «JviLj '-ry^
|»!tXs plykj sAjiVit
JL**UI Jvä !jäLL ,er' stach Kolaib mit der
neuen Lanze, die sieben Spannen tief (l. dyil ä*^w) von
vorne eindrang und Kolaib fiel zu Boden und wälzte sich
bald links bald rechts/
= '—äJ. Zyr, S. 45, Z. 11.
— werfen = Zyr, S. 64, Z. 4, S. 85, Z. 4 v. u.:
= ^TvC hingeworfen, hingestreckt (auf die Erde).
iüXJ — kämmen. Zyr, S. 38, Z. 7 v. u.: ^ ^y° — ooLa.
xsSJjJ. Lgjui ,sie brachte einen Kamm hervor aus den
Parfümerien, die sie bei sich hatte und kämmte ihn“. Vgl.
auch Wahrmund: Deutsch-Arab. Wörterbuch.
— (Beiträge) ^..-g-L'. Im Tag al'arus findet sich eine An
zahl Dichterei täte, wo das Wort, in dem von mir ge
gebenen Sinne gebraucht wird. Vgl. Dozy: ^ wgJ und ^-gJ,
wo er aber irrig _ **gXe schreibt. Es ist nämlich dort zu
* _o', »
lesen: 1 y g 1 ^ xi,... s ^cjJ! ySt. >_A_g^_gjO.
— bei Freytag: res quae atramento inditur — lies richtig:
äLj- — ^Lo, Goldlack. Matali' I, S. 86,
Z. 1. ^s>jJI iLsuJ. Fawät II, 274, Z. 6 v. u.
y& — den Flachs klopfen, um die groben Fasern zu entfernen.
jLtLJI wS’. Werg, Filz aus den Flachsfasern; vgl. Hazz
alkohuf fy sharh Iyasyd Aby Shaduf, S. 95: y? ^yo MOj
e;
ein Mantel aus Filzstofl’. Die weiteren Behänd-
26
K r e in e r.
lungsarten des Flachses sind: das Befeuchten,
C
Durchwässern, dann jAj, das Bleichen und
— (Beiträge), 1. Sl^V/o (ohne Hamzazeichen).
Trocknen.
ijL+xLe — benagen (den Knochen). Matäli' I, S. 144, Z. 2 v. u.:
j.Uaju 1 ! jjL+A-tJ Nj.
jJUO
— Steuer, Contribution. Zyr, S. 7, Z. 6:
pyül * 8vX ^jUaXwJ!
äJ Xclis * jccLL x.1 SjJ.A=i vA.*J! vijü
,Grüsse mir den Sultan Morrah und das andere Volk und
alle übrigen, in Betreff des Zehntels der Steuer, die ihr
ihm bringen- sollet in Gehorsam und küsse die Erde in
Gehorsam und Ergebenheit. — S. S, Z. 12 und 13:
d .V.Lj^ I * Lj
,Wir zogen mit dem Wezyr Elankashäry imd sammelten
die Steuer, indem wir im Lande herumzogen'.
jj. A»j[L Iä2».| . JjdH I IäaäS^
,Wir schrieben zuerst die Steuer ein von unserer Heimat
Tellyn, während wir weiterzogen'.
Das Wort ist, wie mir scheint, das koptische j*.Hce,
■mild ,foenus, usura'.
— (Beiträge). In Freytags Ausgabe der Sprichwörter des
Maidäny ist die Lesart ixsUI ein Druckfehler für
(de Goeje).
* — J.^ — (Beiträge). Die Lesart mit s- statt s. ist allein
richtig. Vgl. Wright, Opuscula arabica, S. 36 und Lexica.
(Nach einer Mittheilung von Professor de Jong.)
i_> Jü — (Beiträge). Professor Merx vergleicht hiemit sehr gut
hebräisch:
x t:
Jjü — vulgär = Zyr, S. 35, Z. 7. Erstere Form ist in
der Volkssprache allein üblich.
oüo — schlagen, Zyr, S. 43, Z. 4, S. 65, Z. 6 v. u.:
JUuL ^1+aJIo ,er schlug ihn mit dem jemeni-
schen Schwerte und hieb sein Haupt ab'.
Lcxikographische Notizen nach neuen arabischen Quellen.
27
iuAiß pyS — verächtliches, herabgekommenes Volk. Zyr, SS. 62,
65, 68, 71.
ju-bß — ein Tag des Gemetzels und der Plünderung.
Zyr, S. 89, Z. 9.
syrisch-vulgär. Geschichte des Gazzär Pascha
MS. meiner Sammlung, Nr. 32, fol. l b .
‘-äjj — u-LlL 1 äjü'. an den Pranger stellen; Tabary, II, 1183,
Z. 13 u. 15. Ojiyo, vor dem Volke ausgestellt, an den
Pranger gestellt. Ibn Wädih, ed. Houtsma, S. 339, Z. 10. —
(Beiträge), verwunden; nach de Goeje wäre zu lesen:
‘-äjy — Allein da die von mir angeführte Stelle des
Aghäny die einzige ist, wo das Wort in dieser Bedeutung
vorkommt, so betrachte ich die Schreibart (mit oder ohne
Verdoppelung des mittleren Badicals), wie auch die Be
deutung selbst, als zweifelhaft.
—III (Beiträge). Die Stelle, wo diese Wortform vorkommt,
in der von Professor Ahlwardt herausgegebenen anonymen
Chronik (Balädory), ist undeutlich geschrieben, aber wie
Professor de Goeje bemerkt, ist .1 statt zu lesen
und stimme ich ihm bei. Die Form III der Wurzel
ist also nicht nachgewiesen.
Anmerkung: In allen Citaten aus der Geschichte des
Zyr ist die vulgäre, oft fehlerhafte Schreibweise beibehalten
worden, was zur Vermeidung von Missverständnissen hier be
sonders bemerkt wird.
III. SITZUNG VOM 20. JÄNNER 1886.
Von Herrn Landesgerichtsrath Dr. von Ruber in Brünn
wird eine Fortsetzung seiner ,Streifzüge durch die Rechts-
geschichte Mährens 4 ;
von Herrn Dr. jur. Sigmund Adler in Wien sein Werk:
,Die Organisation der Centralverwaltung unter Kaiser Maxi
milian 1/ der Classe überreicht.
Das w. M. Herr Hofrath Ritter von Miklosich legt
eine für die Sitzungsberichte bestimmte Abhandlung vor, welche
den Titel führt: ,Die serbischen Dynasten Crnojevic, ein Bei
trag zur Geschichte von Montenegro 4 .
Das w. M. Professor Ritter von Hartei macht Mittheilungen
über die Ergebnisse der Expeditionen des Grafen Dr. Karl
Lanckoronski nach Pamphylien und die hierüber in Vor
bereitung begriffenen Publicationen, welche in dem Anzeiger
veröffentlicht werden.
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Academie des inscriptions et heiles lettres: Comptes rendus. 4 e Serie, tome
.MIT. Juillet — Aont — Septembre. Paris, 1885; 8°.
— royale de Belgique: Bulletin. 5-1« annee, 3 e Serie, tome 10, No. 11.
Bruxelles, 1885; 8°.
— Annuaire. 1886. 52 e annee. Bruxelles, 1886; 8°.
Basel, Universität: Akademische Schriften pro 1883—1885. 53 Stücke 4°
und 8°.
Gesellschaft, historische für die Provinz Posen: Zeitschrift. I. Jahrgang,
3. und 4. Heft. Posen, 1885; 8°.
Instituut, lconinklijk voor de Taal-, Land- en Volkeukunde van Neder-
lansch-Indie: Bijdragen. 5. Volgreeks , I. Deel, 1. Aflevering. ’s Graven-
hage, 1886; 8».
Mittheilungen aus Justus Perthes’ geographischer Anstalt von Dr. A. Peter
mann. XX5HI. Band. I. Gotha, 1886; 4».
Societe imperiale archeologique russe: Voyage en Koumelie. St.-Peters-
bourg, 1879; 4°. — Catalogue des manuserits de la societe. St.-Peters-
bourg, 1879; gr. 4°. — Bulletin. Vol. IX. St.-Petersbourg, 1880; gr. 4°.
— L’architeeture de l’Egypte ancienne. St.-Petersbourg, 1880; gr. 4°.
Verein, historischer von Oberpfalz und Begensburg: Verhandlungen. N. P.
XXXI. Band. Stadtamhof, 1885; 8».
— für Erdkunde zu Halle a. S.: Mittheilungen. 1885. Halle a. S., 1885; 8°.
— von Alterthumsfreunden im Bheinlande: Jahrbücher. Heft LXXVIII bis
LXXX- Bonn, 1884—1885; 4°. — Das Römische Köln von Carl von
Veith. Festprogramm zu Winckelmann’s Geburtstagsfeier am 9. Decem-
ber 1885. Bonn, 1885; 4°.
Wissenschaftlicher Club in Wien: Monatsblätter. VII. Jahrgang, Nr. 4.
Wien, 1886; 8».
Miklosich. Die serbischen Dynasten Crnojevic.
29
Die serbischen Dynasten Crnojevic.
Ein Beitrag- zur Gresciaiclite von Montenegro.
Yon
Franz Miklosieh,
wirkl. Mitgliede der kais. Akademie der Wissenschaften.
"V or Jahren erhielt ich durch die oftbewährte Güte meines
verehrten Freundes, des k. k. Hofrathes und ersten Gustos der
Hofbibliothek, Herrn Dr. Ernst Ritter von Birk, Kenntniss von
einer Anzahl von in dem k. k. Hofkammerarchiv (jetzt Archiv
des k. und k. gemeinsamen Finanzministeriums) aufbewahrten
Briefen in serbischer Sprache, welche im Jahre 1523 von
Skender Beg Crnojevic, der sich ,Sandzak von Montenegro und
der Meeresküste sowie des ganzen dioklManischen Landes' nennt,
an den Dogen und die Signorie von Venedig und andere in dieser
Stadt wohnende Personen geschrieben wurden. Diese Briefe,
sieben an der Zahl, werden hier veröffentlicht. Sie sind zu
nächst von Bedeutung für die Kenntniss der serbischen Sprache;
da ferners den serbischen Originalen eine gleichzeitige deutsche
Übersetzung beigefügt ist, so ist es nicht ohne Interesse zu
sehen, wie der älteste deutsche Übersetzer aus dem Serbischen
seiner nicht leichten Aufgabe gerecht geworden ist. Ausserdem
ist das Denkmal ein Beitrag zur Geschichte der venetianischen
Republik und der Länder an der Küs'te des adriatischen
Meeres.
Die Abhandlung zerfällt in folgende Theile: I. Briefe von
Skender Beg in serbischer Sprache und gleichzeitiger deutschen
Übersetzung. II. Anmerkungen zu diesen Briefen. III. Akten
stücke, die berichten, auf welche Weise die Briefe Skender
Begs, am See von Skutari geschrieben und nach Venedig ge-
30
Miklos ich.
richtet, in das k. k. Hofkammerarchiv gekommen sind. IV. Nach
richten über die Crnojevi6. V. Zur inneren Geschichte von
Montenegro. VI. Anhang.
I.
Briefe von Skender Beg.
1.
(1523). Skender Beg an den Dogen und die Signorie von Venedig.
Skender Beg beschwert sich darüber, dass von den Venetianern der mit dem
Sultan geschlossene Friede nicht gehalten werde, dass namentlich die Unter-
thanen des Sultans, die sich auf venetianisches Gebiet flüchten, nicht aus
geliefert werden und dass die Venetianer den Unterthanen des Sultans Salz
verkaufen. Skender Beg empfiehlt den Venetianern den knez starogracki
und die Kinder des Georg Crnojevic.
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H©ropkCK©ra h npwAiopkCKora h bbcwh A IWK '' HTIiaHK_
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n©3aPabaiehi£ bauj£/m8 R£AHHkCTB8.
II© TfA\k, np kcB’kTAa r©cn©AO, A d 3Ha khcöta r©cn©n,ßa
BAUlira, KAK© SHHHHCHf /MHpk H Tp©Hß8 Alibi© BEAHII,HE/Mk H CHA-
HH£/Mk HCT©MHH/Mk H 3AnaAHHfA\k ll.Ap’k/Mk HApA, A/MHp'k c8Ak-
TAHk G8Aill/MAHW/Mk, II /Mihi© r©Cn©HBW/Mk BAUJHi/Mk, KAK© H
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WAb /MECTk H WAb rpAAC'Bk BAUIH£\*k HApkCTRS HI€rOß8, HH A a
/M©/EE STibH 3k M©EKk HiB'kpkHHEb HH ^ApkHHHKk B'kAHK©rA H,ApA
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aVm a aaaaodrtipy aVm a 'ampa aaoXVdj 8 aoxa ama 'avaxa
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[avvjaa ©apa 'pjampa pariouaoj pxoaaa phe '©Vouaoj ‘hhpu
avvaampa awivvahoua
©j e avvaaodus aa avaa ©V '<?j©w aa hxpV axa;j,a©u hshpx
'adpxa apaxmda arnaaa hwph a 'ei ' ©Vouaoj pvx>j.aaj|.da
'hvp fivv paxaadpli sxadoa sxaxaaa ph avvpV axajj.a©um pV
'saojam saxaadpli apda aaam ph awaVaa saaaaw aV©j ©i©a
'pdpYi pjoaav^a axa^aoaPE hiyvhpx '©V©ua©j ‘aaavv p 'j}.aaa 8
aaiadV a.Xaaajj.dpti aVoiv ©aavoa ‘aXaampa aaoVpdj a^aaE^am
[a]Vm axpafiV axaa axau ©jaa shhVoj ph sdph svvoaapaa
aanaavv '©Vouaoj 'ixaa amow a^aa a ‘©ipxoapd pvvhh am a
ampa ^.aoVpdj 8 aaiadV a.Xa ©jaa 'axm.X aa hxpV ala-w aam
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p 'oipV pV sdpti sw'oxaxaah atwdpA 'a.Xaamaa a^paartipa ph
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paticuccj <?xc3Ha cwhvcvv Hcapx 'cYcuscj pvx^.a3^.du ‘aYas
p pjampa paticuscj pmpVpva aYm aVpdjCHna s aYscdJ auaYa
mpaaHaw swca hv a 'puawada HPJoaHVOxm apda naam ph
ampa ^.acYpdj awcapdu HVPa;adY 33 uca 'ampa ij-aoEana h ^.dsY
-naodu axHPXHu 'cVcu3CJ 'hv cap • pacjaiH paxsadpYi punuaw
hvh diamYmu gvvcasadpti d^odu cvhh na 3H orh ‘^.aac awP3
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-pa awcaticuscj awanvx>pi3ij.du 3 asaHaV h nm.iajoa hxscvhw
cu hw h 'pjamPH pYim h pYaV aYm Hvaxmdu ndpxs hw ow3
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Die serbischen Dynasten Crnojevic.
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410 E Hd UdpklU COdHdd 3d Tpil dAH 3d M ETI pH ^.HHdp'k, TWH
RdUJH AI04,kE npOAdlO 3d E4,kHk 4,HHdpk . TE3HEA\k CW U.dp’kßd
CTWH, d BdUIH£\'k AI04.H npO\'W4,H, II TOAHKdH CE A\kHHHd MECTH-
TOA\8 Il,dp8 WT-EH COAH RdlllE HHHII. d T8H CTOH EAHIHk IJd-
p'kRk II Kd.VId Hdp’kRk, H AXHOrO KpdTI C8 \*TEAII WnOR'fccTk
AATI - Hd MECTHT8 nOpT8, dAH « HHECkAXk WL|J£ A d W A d nOUJAlO,
A« 1 KA’k wnoK'kcTk a^mk rocnon,ß8 kaiiiea\8 . aaii, rocnoA©, 3d
WrSh PAKOTS npOBIlkkTE TBpkAO, H CdSrdAlk BdlllllEAXk nHEHS
nOCTdBHTE, A d T8H CW ߣl.£ AlOAEAVk Hdp'kßHEAlk HE HpOAdlO,
Ep'k ECTk A^CTd AIOAH 8 BAdAdll'l'lO RdlllEAlS, k8A e CE AIOJKE TAH
CO HEHJKdTI Hd WREH KpdE, Ep'k l,lfi RH, l’OCHOAC, R'kdllKd plf'lk
3d WREH pdBOTE, A d 3Hd TOCnOHRO RdlllE.
HW41E, np-kcß-kTAd rocnoA« 1 , A d 1 npknopSiEHk rocnoi^BS
RdUl£A\8 KH£3k CTdpOrpdUkKH 3d AlOKOBk HdUlS, 3d 4IO, TO-
cnOA« 1 , WA k KI»A d ( WHk A^nik Hd WREH KpdE, CKdK8 BOAIO H
SdnoßHiCTk rocrioiißd BduiErd Rpkiun, n 410 a\8 e 3dn0BHAHEA0
rocnonßo raiiie, takoh whk iicupdA«, 11 mhhh crakoa\8 hoekS
npdßH c8ak no boah h no 3dnoߣCTi np'fccß'kTAE rocnoA«, d hhh
ApSrn hhtko . dAH, rocnoAO, tko HcnpdA« 3dnoBECTk rocno-
AHiid cßOErw cTdp'kErd, Tk e A^c^nnk 11 koaib hkcth a*> ci
cnoAOKH, d rocnon,R8 s BdiueAiS 8 p8Kd\*k.
iiwi|i£, np'kcR’kTAd rocnoA«, A d cS np-knopSHEHd a c *U'
rocnoAHiid PiopkkH d ca8te Rdüiii cTdpn np’kcB'kTAE iioaahe ro-
cnouRd RduiErd, Ep’k, rocnoA», A 0 ^ 16 bpVeave, KkA[d] te 11 whh
hoca8;kitii npkcR’kTAOAiS rocnouRS rauieaiS.
Sitzungslier. a. phil.-his«. CI. CXH. Bd. I. Hft.
3
34
Miklos ich.
h Kork j\,a Saihojki anh H ^kTa np'kcK'kTaö khcotS
rocnonßa Kamera aauiiik.
GhahwmS h np-kKHCOKW/uS h np'kK6APKHW/M8 hjke
h 3ana,\HHA\k crpaHaa\k rocncu,ß8i<>ipc>A\8 rocno/i,nH8
B'kAHKCA\8 h ckoh ii p ’k c k dt taivh rocnOAH, hjkc
Ce W K p 'k T A10 T k 8 CAAKNOH IIOAATH KHfTkHKWII, W^k
chHa rocnonKa kh rocnoA^pa GKeH^epk K'kra UpkHoe-
KHKia, cahjkaka npkNoropkCKora h npn AicipkCKora h
KkCOH 4, HW K A H TII ra H k C K 0 H 3 ’k A\ A II r0Cn04,HHA, AKJKCKHO
no34,paßAieHVe kaui£a\8 KtAHHkCTß8.
Vberfchrifft:
,Geweltige vnnd vber erhöcbte vnnd durcbleuchtigifte auch
den vnnderthenigiften örtern herfcher, groffen lierren herezogen
vnnd feiner durchlauhtigen berfebafft den wanliafften an dem
vermerten palaft zw Venedig vor eur herrfchafft sun, lierren
Scbkennderbeg Tfcbrnoieuiz, fanntzag von swartzperg vnnd am
mer vnnd herr vonn der ganntzen Diocletianifcben gegönnt,
liebendden gruess eur hochmächtigkait/
Vnnderfchrifft:
Herr got mer die tag vnnd jar der durchleuchtigen vnnd
erböebten ewr berfebafft amen.
Dem gewaltigen vnnd vbererhöchtn vnnd durchleuchtigiften
des vnnderganngs örtern herfcher, groffen lierren vnnd vnnder
der sunnen in vil lannden vnnd örtern febeinenden, dem groffen
hertzogen vnnd aller durchleuchtigiften berfebafft, die ficb er
finden inn dem verlobten vnnd groffen palafft zu Venedig, von
eur herfchafft sun Scbkennderbeg Tschrniajeuiz, sanndfakh des
fwartzen perg vnnd berren in dem gantzen Dioclecianischen
lannde, barmhertzig, lieblich vnnd vast fruntlicben grus.
Eur meebtigkait, demnach durchleuchtig berfebafft, damit
wifs eur erböchte herfchafft, wie ir befcbloffen habt frid vnnd an-
ftannd zwifeben dem groffen vnnd geweltigen, auffgefunden vnnd
nidergeunden kaiferlicben kaifer frid gemacht, genannt sultan Su-
lima, wie uor geweft ift zwilchen heiligen ruebafften kaifer genannt
sultan Zelimbanam mit eur herfchafft, dergleichen ift durch die
gnad gotes noch beut. Aber durchleuchtigift herfchafft ir fagt,
das dem groffen kaifer kain nachtail befekehen fol von eurn
steten vnnd fchlöffern feinem kaifertumb vnnd das kain pöfer
Die serbischen Dynasten Crnojevitf.
35
mennfeh enntrynnen mug oder kain Verräter oder zinsman des
groffen kaifers in eur stet oder fchloffer, fonnder wie er fanden
wurd, ain sölicher pofer mennfeh, Verräter oder zinsman des
groffen kaifers, der da kam in eur ftet, das man den anntwort
dem gewaltigen ann der gränitz des gewaltigen kaifers, auch
dergleichen wo ain sannzakh an den grenitzen ainen fienng, der
bey euch verwurcht het vnnd entrunen war inn das lannd des
glukhfeligen kaifers, das sy den geben dem prouididor oder
grauen eur beueftigung, dergleichen ift der frid beschloffen. Ir
habt auch alfo geredt, das befchech aber. Aber herfchafft eur
profidido(ri), grauen vnnd der adl, die da wonen in eur fteten,
vnnd tun nitt gehorfam euren beuelhen, vnnd des glukhfeligen
willen wirt nit verbracht, wenn sy haben des kaifers zins bracht,
fein des glukhfeligen kaifers, dann sy fliehen in eur ftet vnnd
fchloffer, gen Gartaro, gen Bar, gen Viczinz vnnd in die Baftrouiz:
Ich beger die vnd verpeut vor eur durchleuchtigkait vnnd eurs
palafts vnnd bei der enntkaubtung, das man mir geb des kaifers
leut, damit sy wider kommen auff ir erb vnnd das sy dem
glukhfeligen kaifer zins geben vnnd mir dienen vnnd fich selb
erneren inn iren heufern vnnd auff dem mer in dem leben des
glukhfeligen kaifers. Die welln sy mir nit geben, fonnder sy
baltenns in eurn fteten vnnd pauen mit inen. Das bringt dem
glukhfeligen kaifer fchaden jarlich mer als funffhundert gülden
von difen eurn steten, fouil halten sy des kaifers leut. So hab
ich beuelch vonn dem groffen kaifer, was ich nachtail fund in
difen orten feins kaiferthumbs, das ichs annczaigen foll an dem
glukhfeligen hof feines kaiferthumbs. Aber durchleuchtigift her
fchafft, nachdem ich vonn alter her in euer freuntschafft gelebt
hab, follich anczaigen mag ich nit geben, fo lanng bil's ich mich
mit eur herfchafft vnnderred.
Auch fo wiffen die höhe eur herfchafften, wie ich zu dreyen
malen eur herfchafften gefchriben habe, das ir mir fchikhen
folt eur shindikhen ain inn dife Örter, das derfelb fech, wie
fich eur prouididor vnnd grauen halten, auch vonn dem adl,
die da wonen inn euern fteten, die dann fein an difen orten,
vnnd wieuil leut sy halten des kaifers, auch was nachtail sy
dem glukhfeligen kaifer jerlichen tund; da wirt euer herfchafft
lehen euer prouididor vnd grauen auch das recht oder vnrecht.
Aber wifs euer herfchafft, das euer Ichreiben oder beuelch von
3*
36
Mi kl o sich.
dem prouididori oder grauen dato komen inn die orte nit geaclit
feind vnd thun nit darnach, wann herfchafft das das die pro-
uididor vnnd grauen gern täten, das lafft der adl oder burger
nit befchehen aus eurn fteten euer herfchafft. Sündig ist heur
ankomen in die orte, der hat geredt vnnd gebraucht eur her
fchafft beuelch, das sy des kaifers leut nit annemen Tollen vnnd
groffen kaifer nit nachtail fchöpfen; aber sy thund dem nit
gehorfam.
Aber ihr herfchafft wifft, fider als mir got geben hat, das
mir der glukhfelig kaifer widerkert hat mein väterlich vnnd
andlich erb, lannd vnnd leut, daffelb zu halten vnnd herfchen
an gränitzen vnnd nachperfchaft eur herfchafften. Ich vnnd mein
vorfordern haben ahveg mit eur herfchafft veft, fo lanng wir gbalt
haben mugen, vnnd die täg vnns herfchafft von frundtschafft
wegen, auch der lieb der herfchafft, dann wir fein nit wie der
fanntfakh in Woffen oder wie annder frömbd herren, die da
komen inn die gränitzen euer herfchafft, die dann fchedigen eur
herfchafft vnnd Weingärten euer vefte, wann wir fein alt freund
vonn vnferm ene vnnd vatern vnnd wir noch heut durch die
gnad gots mit durchleuchtigifter euer herfchafften, der gunnen
wir alles guts als vnns felbs, fonder des das dem kaifer nit
gleich wer oder nachtail feines kaifertumbs. Euer herfchafft
mag auch forschen die prouididor vnnd graue, die von euer
herfchafft wegen geweft fein an den orten, ob sy abganng haben
inn verfchiner zeit vmb ain Weintrauben inn eur herfchafft ge
biet. Aber yecz durchleuchtigifte herfchafft dergleichen ift, das
mir fchikt ain fronten mann, der gerecht fey, aus euerm palaft,
der werd ain rechter finding auff die Örter euer herfchafft vnnd
der fich nit vnnderkauffen lafst, vnnd fchikht den mit vnferm
Schkennder vaida, wann ich hab offt eur herfchafft gefchriben,
das mir ain folicher man werd zuegelaffen auff die ort; mir hat
auch eur herfchafft offt zuegefagt den zu fchikhen, vnnd habt
mir den nit gefchikht. Noch fo bit ich eur herfchafft, das ir den
nit fpalt vonn vnnferm vaida, fonnder fchikt den mit im in die
Örter, das er fech die handlungen, darurnb ich gefchikht hab zu
e. h. Wifft auch, das wir nit gern wolten verfagen die dienner
euer herfchafften, auch die herren, die inn euer herfchafft orte
komen mugen, wann wir fehen, das e. h. komen möcht ain grofs
wort aus den hanndlungen, die da befchehen an difen orten
Die serbischen Dynasten Crnojeviö.
37
feiner kaiferthumb. Wir iüechen des kaifers leut aus eurn steten,
fo wellen sy nit geben. Aber kerfchafft, ir wifft, was das heilig
ewanngelj lagt, das ain yeglicher gbaltig fein folt feiner kinder,
wann wir fuecben nichtz als das vnns, gleicher weis als wann
die eurn fuechten das ir. Auch herren ift nit gewonhait, das
cur prouididor oder grauen, die da fein hie inn difen cuern
orten, mugend richten oder peinlich fragen die kaiferlichen zins-
leut, vnnfer dienner. Wol ift sit, wann man ain facht aus dem
kaiferlichen gebiet, das man denselben vnns anntwort, damit
wir den ftraffen nach gewonnhait; wo aber wir ain fienngen
aus euerm gebiet, der fol auch vberanntwort werden euerm
prouididor, damit er den ftraff nach euer gewonhait. Got
waift, das der vil fein, die man gericht vnnd peinlich gefragt
hat in euern steten vnnd veften; wir haben aber der euern
kamen mit ainem ftäbl angerurt, des mag fich eur herfchaft
erkunden.
Mer durchleuchtigifte herfchafft, es fein dienner inn difen
orten, die dann verfolt fein vonn euer herfchafft vnnd gebt ime
anftat der bezalung salcz. Diefelben verkauffen sy kaiferlichen
leuten vnnd das kaiferlick salcz ligt. Das nymbt der kaifer
groffen nachtail, dann was kaiferlichen falcz geben wirt per
drey oder 4. das geben sy vmb ain pfennig, damit ligt des
kaifers salcz vnnd daz euer wirt verkaufft. Das ift kaiferlicher
merklicher nachtail durch folich eur falcz. So ift da ain kaifer
licher einnemer vnnd ain richter, die haben das menigmal wellen
anczaigen an den kaiferlichen hof, das hab ich bifsher vnnder-
komen, fo lanng bifs ichs eur herfchafft anzaig. Darumb herren
fecht inn den fachen vnnd feczt euren diennern ain peen, das
sy kaiferlichen leuten nit mer falcz verkauffen mag inn dife
ort, dann herren euch wirt grofs wort daraixs körnen.
Wifs euer herfchafft vnnd auch durchleuchtigifte herfchafft,
das der graf zu Wudua euer herfchafft beuolhen fej vmb vnnfer
lieb, wann herren, fider als er kamen ift an die ort, hat all eur
herfchafft beuelch vnnd willen volzogen, vnnd was eur herfchafft
mit im fchafft, dem wart er mit fleis, ift allermenigclick rechter
richter nach eur herfchafft beuelch, aber der andern kainer.
Aber herren, welicher volzeucht den beuelch feins herren, der
ift ains peffern vnnd erlicliern ftannd wirdig, fo ift er inn eur
herfchafft handen.
38
Mi klosich.
Auch durchleuchtigifte herfchafFt, habt beuolhen herren
Jörgen kinder, euer herfchafFt altinär eurs palaft, dann herren
möclit noch zeit körnen, das sis verdien möchten ein - durch-
leuchtigiften herfchafFt.
Copia coaeva. Papier. K. k. Hofkammerarchiv (fase. 18.579. K. A. 174).
2.
(1523). Skender Beg an den Dogen und die Signorie von Venedig.
Skender Beg bittet um zollfreie Ausfuhr von Kleiderstoffen.
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Die serbischen Dynasten Crnojcvic.
39
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no3AP d ß''ieni’e Kamea\8 keahmectk8.
Vberfchriflft:
Den gewaltigen vnnd erhöchlten auch der vnndergenden
Örtern hcrfclicr, dem groffen herren herezogen vnnd der gann-
tzen durchleuchtigiften herfchafft, die fich wanhafft erfinden inn
dem groffen berumbtn palafft zu Venedig, vann eur herfchaift
sun herren Schkennderbeg fanndfakh Zrnoieuiz an fchwartzen
perg vnnd am mer, auch in dem ganntzen lanndt Diocletian
her, lieblichen grus eur mächtigkait.
Vnnderfekrifft:
Got der mer die tag vnnd jar der durchleuchtigiften hcr-
fchalft amen.
Dem gwaltigen vnnd erhöchften vnd durchleuchtigiften
auch der vundergennden orten herfcher herren, gleich mit der
funen fcheinend an vil orten vnnd lannden, dem groffen her-
czogen vnnd der gannczen durchleuchtigiften herfchafft, die
lieh erfinden in dem wernnden groffen palaft zu Venedig von
I
40
Mikl osich.
eur herfchafft sun lierren Skennderbeg Tfchrnoieuis sannfakh
am swartzenperg, auch des ganntzn lannd Diocletia her, parn-
har aglichin (sic!) lieblichen vnnd gar frundtlichen grus eur
machtigkait. Demnach wifs durchleutigifte erhöhung Schkenn-
der voiuodo mit im fchikh ich eerung au ff durchleuchtigiften
palaft eur herfchafften vmb lieh der höhunng eur herfchaft,
wenn ich bin ain sun vnnd alter freund eur herfchaft. Auch
wifft, das ich gefund bin in difen orten vnnd auch in der nach-
perfchafft eur herfchafften, vnnd ir herfchaft werd das empfahen
inn gutem willen inn hertzenlicher lieb als herren, die ir feit.
Abermal durchleuchtigift herfchafft wiss die höhe eur
herfchafften, ich fchikh bei difem vnnferm dienner Schkennder
voiuoda 1500. giüden, das er mir kauft’ etlichen atlas vnnd
klaider, auch famat, auch annder gewanndt zu vnnfer notdurfft
vnnd vnnfers hofs. Darumb biten wir eur herfchafft, das ir
verfchafft mit ainem kaufman eur durchleuchtigiften stat, das
sy mir kauffen die klaider mit vnnferm Skennder voiuoda, was
zu vnnfer notdurfft ist.
Darnach was eur herfchafft mit vnns fchafft an difen
orten, was zu eern notdurfft war eur herfchafften, damit wir
t vollbringen allen willen eur herfchafften, als der alt freund eur
herfchafften.
Nach durchleuchtigifte herfchafft als ir hab(t) hewifen
genad vnnfern eitern vnnferm haus, was wir kaufft haben inn
der durchleuchtigiften stat zu vnnfer vnnd vnnfers hofs not
durfft, dauon ift kain dacz genomen worden, dergleich habt ir
vnns auch begnadt, was wir kaufft haben, habt vnns kain datz
genomen bifsher. Darumb biten wir die hoch eur hei’fchafften,
das ir vnns yeczt anch die gnad beweilen vnnd vnns von
difer vnser notdurfft die dacz nit nembt vnnd darein fecht als
hei-ren, die ir feit.
Copia coaeva. Papier. K. k. Hofkammerarchiv (Fase. 18.579. R. A. 174).
3.
(1523). Skender Beg an den Venetianer Andrea Gritti. Skender Beg
empfiehlt dem Andrea Gritti die in 1. und 2. enthaltenen Anliegen.
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42
Miklosicli.
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WHOH, l(JO HE kl€ KHTH AAkHHHd R'kAHKOAAOy l^dpoy d 3d HO-
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TOrdH-Mk HdpllllS 83HAAAAH HII£C8, II AAEHE CTE TdKOH lilRp'k KUAII
SMHHHAH T8H AAHAOCTk, l|IO CAAC KSllOKdAH A$ C k A e 3d HOTpEUS
HdW8, W-TOrdll HH l^dpilHÖ 83HAAAAH HHCTE . 3d TOH ll CkA*
AAOAHAAO rOCIIOII,KO KdUJE, JA,A 'WH T8H AAHAOCTk II CkAf 8HH-
HHTE, H U,dpHU8 3d WKEII CKIITE J\,A AAH HE 83AAETE.
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Die serbischen Dynasten Crnojevic.
43
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aichie rocnonßü tu.
Vberfchrifft:
Hochgcborn vonn kaiferlicher gebürt vnnd ftammen vnnd
meinem geperer on fund, miffer Andrea Griti, vom sun deiner
herfchafft, herren Sebkennderweg Zrnoieuiz, fanndtfehakh am
swartzen perg vnnd pai den mer vnnd in dem ganntzen lannd
Diocletia herren, lieblichen gruess deiner kaiferlichait.
Dem edlen vnnd weifenn, von allen eern vnnd dannkb
von got begabt vnnd in der mannbait val’t vermärten vnnd
herren vnnd boebgebornen vnnd vonn kaiferlicher gebart vnnd
ftammen geborn vnnd gleichet dem Venedigifchen stuel der
lan des ganntzen meres vnnd des niderganng orten, auch mit
dem weistumb vimd mannbait auffennthalter folicher mächtig-
kait vnnd gros sun der pbilofopbej vnnd berfebafften, herren
vnnd meinem vnnd fonnderlichen geberer vnnd herren, miffer
Andren Griti, vom sun deiner berlicbait herren Sebkennderweg
Thfchrnoieuiz, fanntfakb in swartzen perg vnnd in dem ganntzen
lanndt Diocletia her, barmbertzig vnnd vaft lieblichen grus eur
herfebafft.
Nachdem wifs eur herfebafft, ich fchikh Schkonnder vaida,
vnnfern dienner, den groffen hertzogen der durchleucktigen
herfebafft vnnd eur herfchafft aus hertzennlicher lieb, die wir
gehebt haben mit dem durckleucktigiften palaf’t eur herfchafft, als
ainem herren, der du bift, vnnd eur herfchafft empfach zu eeren
vnnfer lieb als vnnfer geberer vnnd alter freund, als du bift.
44
Miklosich
Aber wifs euer herfchafft, als ich fchikh eerung auff
den durchleuchtigen palaft, vnnd. die durchleuchtig herfchafft
empfach in gutem willen vnnd lieb als herren, die ir feit.
Abermal fo wais e. li., das ich gefchriben hab zu dreien
malen auff den palaft eur h., pitnnd, das mir e. b. fchikh ain
sündig vom palaft e. h. inn dife Örter, das er fech, wieuil eur
ftet halten der kaiferlichen zinfsleut vnnd wieuil nachtail befchicht
dem gröffe dife eur Örter. Got waift, her vnnd mein geberer,
es ift mer als 500 gülden, als ich gefchriben hab der durch-
leuchtigiften herfchafft auff dem palaft. Aber ich durch die
lieb, die ich zu e. h. hab, wil nit fckikhen auff das berumbt
tor des groffen kaifers, das ich im antzaig dergleichen hanndlung,
ee ich befuech e. b. vnnd bis ich fich, wie fich e. h. in der
fach halten thuet. Aber herr vnnd mein geberer, her Anndre
Griti, ob etwan nit kennt das beruembt tor des groffen kaifers,
wie vnnd was das ift. E. h. waift vnnd wie vmb klain nachtail
der kaifer gros thun wurde auff demfelben tor vnnd lern got
e. h., das bericht die, das sy die hanndlung der geftallt zufamen
fuegn. E. h. wifz, wie ich geweft bin ain gerechter freundt
des durchleuchtigiften palaft e. h., weil ich geweft bin auff
dem berumbten groffen tor des glukhafften tors, alfo feien wir
von den gnaden gots noch heut zum tag vmb alles das, das
da nit nachtail bringt dem groffen kaifer vnnd euch raichen
mocht zu eern. Pit euer herr fchikt mir ain sündig mit vnnferm
voyauoda, vnnd das ir in nit vonn im fpalt, das er harrung
mach vnnd furfech an difen orten, was die prouididor, die
grauen auch eur adl thut, wieuil sy des groffen kaifers zinsleut
halten in euern fteten. Der c. h. in den fachen wolle furfehen, ver-
huet, das nit grofs handlung kombt aus den fachen, das wifs e. h.
Mer wifs e. h., ich fchikh bei euerm Skennderberg 1500
guidein, das er mir kauff etlich samat, atlas vnnd klaider vnnd
annders zu vnnfer notdurfft vnnd vnnfers hofs. Erlern got eur
gluklich herfchafft, das ir fchafft mit ainem kauffmann e. h.
stat, das er mir aufsklaub vnnd kauff die klaider mit vnnferm
voiuoda zu vnnfer notdurfft. Auch wifst e. h., als vnns die
herfchafft wegnadt hat vnnd vnnfer elter was sy kaufft haben
zu ir vnnd irs hofs notdurfft in der durchleuchtigiften ftat ewer
herfchafft, dauon hat man kain tatz genomen. Dergleichen haben
sy mir auch bewifen die gnad, was wir bifsher kaufft haben
Die serbischen Dynasten Crnojevic.
45
zu vnnfer notdurfft, dauon hat man kain tatz genomen. Dauon
biten wir, das vnns yecz auch die gnad hewifen werd vnnd
vonn den claidern kain tacz nem.
Was dann zu eern des durchleuchtigiften palaft e. h. inn
difen vnnfern orten, fchafft mit vnns als geperer vnnd alter freund.
Mer das eur herschafft beuolhen fey der graf zu'Wudua,
dann sider als er körnen ift in die ort, hat volzogen der her-
fchafft beuelch, vnd halt gleichs recht vnnd justicia nach beuelch
e. d. h., wann er nicht annderft tuet, fonnder was e. h. mit
im fchafft, das vollbringt er, aber die anndern nit. Darumb
bit ich e. h., das im werd zu eern von e. h., dann wer den
willen feiner herfchafft volbringt, der ift vergleicht merem eern,
die im befchehen folt.
Copia coaeva. Papier. K. k. Hofkammerarchiv (Fase. 18.579. R. A. 174).
4.
(1523). Skender Beg an den Venetianer Andrea Gritti. Skender Beg
bittet Andrea Gritti nm seinen Beistand, dass dem Unterthanen Skender
Begs Stefan das diesem von seinem in Venedig verstorbenen Bruder Svila
binterlassene Vermögen übergeben werde.
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Mi klosich.
46
Vberfchrift:
Hochgeborn vnnd meinem geberer on sund, miffer Andrea
Griti, von dem sun deiner herfcbafft Scbkennderbeg Tfcbrnoiauiz
lieblichen gras euer herfcbafft.
Vnderfchrifft:
Got mer die herfcbafft.
Dem hochgebornen kaiferlicher gebürt vnnd ftbamens ge-
born vnnd meine(m) geberer on funde, herren, miffer Anndrea
Griti vonn dem sun eur herfcbafft, herren Skender Tfchrnayeuiz
fanndtfekh am swartzen berg vnnd bej dem mer, lieblichen
grues.
Demnach wifs e. h., wie ich fchikh vnnfern dienner
Steffan zu e. h., vnnd den ift geftorben fein brueder Suila, an
dem fey gefundt, e. h. Darumb biten wir dein herfcbafft als
vnnfern geberer, das du hanndleft, das dem seins bruder gut
geben werde, was er im verlaffen hat am tod difem vnnferm
diener, von wegen vnnfer liebe. Darnach e. h. fchaff mit vnns
als mit eurem sun.
Copia coaeva. Papier. K. k. Hof kammerarchiv (Pasc. 18.579. R. A. 174).
5.
(1523). Skender Beg an seinen Eidam (Schwager) Hieronymus und seine
Schwester Antonia. Grüsse und Geschenke (zwei Käselaibe und zwei Forellen).
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Kia, CAHlKAKA l(p k H 0 T 0 p k C K 0 T A H npHAlOpkCKOTA H ItkCIVH
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APAro no3AP<*ßAi€Hi£ baiusaiS rocnoukßS.
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EHAH CAÖrfc HAUIE HA Tf\'H\"k CTpAHA\'k, W BAlUEAlS 3APdßklO
HIIECAAO m8AH ßsh£ HHU1[t]a, A CkA« A TO nOCHAI6A\k CAÖrf HA
UIE GßEH^Epk ßOEßO^S A° np'kCß'kTAE nOAAME II rOCHOA* EHE-
TkHkKS. nAKH nO HI6/Mk nOCHAI6A\k BAIIIWII AMIAOCTII ^KdA ClipA
TBOpiWHA H ^ß'l'E nACTpkß'k pACkllAAl,EIIE . HEßO llpllAMI BAHIA
AUlAOCTk 3A ,\OKpS ßOAlO H 3A AlOBOßk KAKO HAUIH fipillATEAH
Die serbischen Dynasten Crnojevic.
47
CTApll H KpkRk H A\£CC, KOII £CII, H 3’bT£ MOH 6pOAHM£ II
c-kcTpo moia roenokte fliikTomw, niiiiiii rt mh 3a crakS paKOTS
raiuS h w 3^\paRkio raiihaiS h w jkhrorahiio raiik mhaocth,
ii i|jc norpfKüc Raunvii mhaocth, h Hayw^ii cc Ha wrm Kpa£,
Raiua AMiaocTk sanoiuiik naaik kako iipiuTEAio kaiijeaiS.
A tergo: 3'kT8 mh 11 rocnoAHHfcS GpoAiiMiS h cfCTpH
haujwh roenohu Ahrtohh w^ k rocno,A,ApA GKEH^Epk
K'kra 11,pkho£riiku aiokcrho no3,A,p4RAieHi'f.
Vberfchrifft:
Meinem aiden vnnd herren Jerolino vnnd vnfer swefter
frauen Anntonia vonn herren Schkennderbeg Tfchrnayeuiz lieb
lichen grus.
Kain vnnderfchrifft.
Dem edlen vnnd weifen aller eeren vnnd hoher gab von
got begabt meinem lieblichen aiden, herren Jerolino, vnnd vnnfer
fwefter fraw Annthonia vonn herrn Skennderweg Tfchrayeuig,
fanndtfakh am swartzenperg vnnd bey dem mer vnnd in dem
ganntzen lannd Diocletia herren, barmhertzig vnnd gar freunt-
lichen grues e. h. Nachdem alfo wifs e. g., fider als geweft
fein vnnfer dienner an den orten, vonn euerm gefund haben
wir nicht mer gehört. Yeczund fchikh ich e. g. zwen käs
tuorion vnnd zwo zerfpalten verhen. Nun empfachs e. g. in
gutem willen vnnd in lieb als vnnfer alt freund als plut vnnd
flaifck, die ir feit. Auch herr vnnd mein aiden Jersaime vnd
mein fwefter frau Anntonia fchreibt mir vmb euer yedlichen
fachen vnnd vmb euern gefund vnnd von e. g. wefen vnnd
was e. g. not war, das man finden mag an den orten, e. g.
fchafF mit vnns als mit eurrn frundt.
Copia coaeva. Papier. K. k. Hofkammerarchiv (Fase. 18.579. R. A. 174).
6.
(1523). Skender Beg an seine Schnur Elisabeth und seinen Sohn
(Neffen) Salomon. Griisso und Geschenke (drei Bälge Käse, drei Käselaibe
und fünftausend Fische).
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CWKW[h] )fRaA[H] GOrO/Hk ^ApORAHWH 11 RiicwKwpwAh-
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48
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pi'ivm, Hiro ripiiAMi rocnon,BO bauji 3a /^c*KpS boaio ii 3a aiCEOBk.
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KpAE, NAAtk A^nSCTITf 3A CBAKS pAEOTS, H ÜOIUAHTE HH KUH-
JKHII.S W BaiH£A\S 3AP a KkhJ, A a 3HAAVJ, KAKO JKI'bSETE HA T£\'H\'k
CTpAHAJfk, H 3A CBAKS AMI pAEOTS WA knHUI,IT£ ; A a 3HAAIO II
rocnckie p’ishh, ipo tu pehe Hauik GKfHAipk boebcaA B-kpSii,
fp'k CS TOH p'llHH A\C£ . AAH, rCCnohl€, TKO HA CSHkUE HE HC-
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A tei-go: Hamu'ii ahiawh ii amehauuh CHkcii rocno-
kn SaE’kTH h chhS aui rocncAHHS Goaoa\ohS aweobhc
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Vberfchrifft:
Vnnfer barmhertzigen vnnd lieblichen fckünen frauen
Ysabeth vnnd meinem sun herren Salaman lieblichen grus.
Vnnderfchrifft:
Got mer ein - gnad.
Der edeln vnnd weifenn, aller wird vnnd liöehften lobs
von got begabt vnnd hochgeborner vnnler lieblichen fchonen
frauen Elifabeth vom herren Schkennderbeg Tl’chrayeuiz, fanndt-
fackh am schwartzen berg vnnd bey dem mer vnnd in dem
ganntzen lannd Dioklecia herren, barmhertzigen, lieblichen vnnd
fruntlichen grus e. h.
Die serbischen Dynasten Crnojevic.
49
Nachdem alfo wie e. g. das vnns got vergleicht hat zu
herfchen vnnfer herfchafft vnnd laund vnnfers een vnnd vaters,
dergleichen bit ich got denn herren als habens vnnd das nach
vnns auch auf mich fey des groffen duin oder gnad vnnd wo
der kaifer fein gedannkh nit verliert, alzeit got wirt vergleichen
zu herfchen die lannd vnnd den ftuel vnnfers een vnnd vaters.
Abermal hifs e. h. fchikh e. g. zwen pelg mit käs vnnd
5000. vifch vnnd drey käs tuorion. Nun empfachs e. g. in
gutem willen vnnd in lieb.
Auch was e. notdurfft eruordert an difen orten, lafft vnns
wiffen vmb allerlai notdurlft, eruordert mir auch eur f'cbreiben,
das wir wiffen, wie ir lebt inn frembder ort, fthreibt vnns aller-
lay, das wir wiffen, wie ir lebt in frembder ort, fchreibt vnns
allerlay, das wir wiffen vnnd frau, was wert ir fagen, wirt vnns
Schgennder voiuoda, glaub wenn es fein meine wort. Aber frau
wifs, wer auf nit auff die sunne kombt, den erwermbt die sunen
nit, das wifs.
Copia coaeva. Papier. Auf der Rückseite: ,Das ift in tewtfch ausge-
zogen, wie des gefangen Turcken brief lautten.* K. k. Hofkammerarchiv
(Fase. 18.579. R. A. 174).
7.
(1523). Skender Beg an den Dragoman Knez Stefan. Skender Beg
empfiehlt den Skender Vojevoda. Grüsse und Geschenke (zwei Forellen).
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CU'k[e] yKArt[E] CCl'UMtk AApOEAHU'A\8 II HAUIEAtS np'l'ld-
TEAIO CTApOAlS, rOCflCAHNS AI II RHE38 IJIfijihHS, REAIIKE
IlCAdME II lip-kcK'kTAE rOCIIOAf KHETkHkRE APATOAIAHS,
w v i,h KpdTd rocnoii,Kd th rcciiOAdpa GREHAtpk R'kra
11,pkncfkiii;ia, cdHJKdKd upktiorophCKord m RkcuiH a,Yw-
KAHTHIdHkCKU'H 3’fcA\AII TOCnOAHHA, AMIAO H REAE AP Jrw
n03^pdRAI€HTE Gpdll,kTR8 TI.
Ilo TEAM» y^d 3Hd Rdllld AtHAQCTk, KARO Kk^\,E RHI1IE nO
IlphKU'AM» TAA\0 Cd8r1» HAlllll HA np'kcR'kTAS I10AAHS KHETkHKS,
H Tk^E HHH CA8rE HAlllll RA3CRAUJE, KARO CHAM» EIUI SmIIHIU’
APS/RkCTEO npARO 8 Iip'kcR’kTAE rOCIIOAf 3A pA r \H AhJRkRE HA-
HIE . 3A TU)H AMI 3A\'RAAIdA\0 EAUIU1H AMfAOCTH RARO HAUJEAlS
EpAT8 H. fipi'ldTEiMO HAU1EA\8, Rll’H ECII . (lARH W-T CTAH Kp'kiHEHA
Sitiungsber. d. phil.-hist. CI. CXH. Bd. I. Hft. 4
50
Mi klosic h.
HHfCAAO H#AH HIH|M 3A KAIHÖ MHAOCTk, HH HHTI AOnSCTV
KHIKKIIHS, A‘' 3HAM0 l|IO W BdUIEMS 3AP‘»ßklO.
naKH 3Ha Kauia MHAOCTk, KaKO iiccuaieaxk caör k Ha
rnt a* KtAHKt rioaaHt caabhwh rocnoA« . Htro h jShh Kork ba-
mS /UHaocTk kako HaLUtra KpATA h npVraTtara, ^a th küa*
npHinopöMtHk Haiuk GKtHAtpk ßOfßOAd, h a j rJ t<»m$ npk
nopSMHUJk h wnoKHtuik Ha np'kcß-kTaö iioaahS kako iipaßit npi-
laTtak Hauik.
h 3a pa^H awßkß'k nocHAientk iipaußS tV a KH{ nacrpkßt,
AA npiiAMiLiik 3a a^P^ koaio h sa ntOEOßk, kok> hmamo c ka-
UJOA\k MHAOCTH.
naKH i|jc ßdiV\k noTp’kßüf Ha wßtn Kpae, ßauia AtnnocTk
sanoßtkk KaKO KpaTk hauik h npVta i tak.
H Kork A a &WHOJKH BAUJfS MHAOCTk.
TocnOAHH» MH H KpaTÖ HAHJfAtS K H f 3 8 IJIf^kHÜ,
BfAHKt h caaßHt noaasf h np'kcßt[Tat] rocnOAf khttk-
MkKf AP‘ sr ’ l >' v '‘' H ^ AtOKOßHO n03 AP^KAICH'lf.
Vberfchrifft:
Herren vnnd vnnferm brueder graf Steffan des groffen
vnnd berumbten palaft durckleuchtigiften herfcbafft Venedig
dragamano, das baift dulmatfch, lieblichen grus.
Vnnderfchrifft:
Got mer ewer gnade.
Dem edlen vnnd weifenn aller eeren vnnd hoher gab von
got begabt vnnd vnnferm alten freund meim berrn graf Steffan,
des groffen palaft vnnd diirchleuehtiger herfcbafft Venedig tul-
miitfcb vom brueder deiner herfcbafft, herren Skennderbeg
Tfchrnauiz, sanntfakh im schwartzen perg vnnd herr, inn dem
gantzen lannd Diocletia her, barmhertzig vnnd gar fruntlichen
grus deiner bruederfchafft. Demnach wie e. g. als vordert ge-
weft fein vnnferm dienner von dem durchleuchtigiften Venedi-
gifchen palaft vnnd zu derfelben zeit haben sy vns angezaigt,
wie du ine recht gefellfchafft bewifen habft bey der durch-
leuchtigiften herfcbafft vnnd das von wegen vnnl’er liebe, der
dannk wir e. g. als vnnferm brueder vnnd vnnferm freund der
ir feit; aber dennach haben wir nicht gehört vmb e. g., du baft
vnns auch nit gefchikht ain fchrifftle, das wir gewifft beten vmb
euern gefund.
Die serbischen Dynasten Crnojevic.
51
Aber bis e. g. wie icli fchikh vnnfern dienner zu dem
groffen palaft zu der berumbten herfchafft, nur das got waift
e. g. als vnnferm brueder vnnd freundt, das dir beuolhen fey
vnnfer Scligkennder voiuoda vnnd das im dafelbft beuilchft
vnnd anfagft auff dem durchleuchtigiften palaft als vnnfer ge
rechter frund.
Vnnd von wegen der lieb fchick ich deiner bruederfchafft
zwo forchen, die empfach in gutem willen vnnd lieb, die wir
haben mit euern gnaden.
Auch was euch not will sein an difen orten, e. g. verfchaff
als vnnfer brueder vnnd freund.
Copia coaeva. Papier. K. k. Hofkammerarchiv (Fase. 18.579. R. A. 174).
(1523). Zwei Briefe in italienischer Sprache.
1. Sereniffime princeps et excellentiffime domine, domine
obseruandil'fime. Hozi receui litere del signor Scanderbego Cer-
nouics, sanzacho de Monte Negro, per el fuo vaiuoda. Vien im-
basador a li piedi de veftra fublimita, a la quäl reuerentemente
dinoto, che da poi el ditto fignor fanzacho e nel Monte, mai
per fua fignoria ne fubditi fui e fta innouato confini alcuni, ma
fempre ben vixinato et vixina con li fubditi de vestra fublimita,
el quäl a la serenita veftra infieme col dito imbasador fuo
vaiuoda se ricomanda. Cuius gratie humiliter me comendo.
Budue die 2. Februarij 1523.
Eiusdem fublimitatis veftre mandato
Marinus Faletro
poteftas et capitaneus Budue.
Adresse: ,Sereniffimo principi et excellentiffimo domino,
domino Antonio Grimano, dei gratia inclito duci Veneziarum,
domino obferuandiffimo/
0. Papier, sig. appress. (Brief.) K. k. Hofkammerarchiv (Fase. 18.579. R. A. 174).
IC. xc.
2. Cariffime falutem. A uuj fer Luche noftra mano di fiollo
et fradello de parte de mj Zuan Colle e de noftro chugne Ni-
colo et altri tiollj e de noftra fuor Rose e de noftro pare e mare
4*
52
Miklosich.
e fradellj. Uj aujxo chomo per dio grazie tutj femo fanj et
faluj. Pregamo dio per uuj, aprexo uj aujxo chomo Nicolo
noftro chugne 1 e ande in Arbanie per formentj, et e zunto quj
litera del fignor Scliandarbecho Cernoeuics, fanzacho de Monte
Negro, pregandone douemo arecomendarlo et demoftrar uere
fede et paze et dapoy el fuo zunzer, che dapoy el fuo uignir
e non mercafe ne fchiauo ne robarie, me pazificho uiuer con
tute quefte 3. tere, e pero uj pregamo quento fauemo et potemo,
uogllj farge ogne azeto a quefto fuo mefo et arecomendarlo
al s mo et demoftrar, che per amor noftro uogllj far et aue fato,
et nuj reftaremo oblegatifimj, azio per mezo uite noftre puofe
auer qualche audienfie et demostrar al fuo fignor Schander-
bego, auegne che mefer Andree Gritj o fuo fradel Zane et fuo
progurator et guefto, perche dapoy el uignir fuo maij a mercha
fchiauo algun de guefte tre tere Budue, Cliataro, Antiuarij, et
gufij potrij efer teftimonio et palenter al s mo . per nome noftro,
lo quäl Turcho e comeso del fignor a nome Schendar uoieuode,
lo quäl uj arecomendamo per amor noftre. Bene ualeat. Budue
die tre Feurero 1523.
Zuen de Cholle uoftro in tuto a uuj me aracomendo.
Adresse: ,Spectabili domino Luche Pafto, chamerer del
s mo in palazo datj a Uenezie/
O. Papier. K. k. Hofkammerarchiv (Fase. 18.579. R. A. 174).
II.
Anmerkungen zu den Briefen.
bezgreHni: roditeli moj bezgreSmi, in der deutschen Über
setzung ,geperer on sund‘, d. i. der poocim, etwa ,Wahlvater';
der leibliche Vater, pravi otac, ist roditelj po grijehu: ,Koga tra-
zis po razboju rnlada ? Ui brata, Ui bratuceda ? al’ po grehu stara
roditeljaV Volkslied Vuk 2. 316. Talvj 1. 135. 305. Dagegen:
,poocime, bez grijeha babo.‘ Volksl. Ebenso kommt po grijehu sin
vor. Man kann zur Erklärung den Psalm anführen: ev Ivogiscc
guveayi©6v]v, v.al ev äy.apiiaiq ey.iaaigijGE |j.s r t y.rprß gou 50. 7. Die Ver-
muthung des Herrn Professor V. .Tagi c, Archiv für slavische
Philologie 8. 627, die den Worten zu Grunde liegende Auf-
Die serbischen Dynasten Crnojevic.
53
fassung habe ihren Ursprung im Bogomilismus, einer bei
den Südslaven und von da nach allen Seiten verbreiteten
Secte, bestätigt sich: Haereticus: Dico, quia unum tantum est
matrimonium verum et salutare, sive inter Christum virum et
tidem mulierem, et de hoc semper loquitur scriptura, quoties-
cunque nominat matrimonium. Carnale autem matrimonium
dicö esse damnatum vel damnandum. Puncta principalia et aucto-
ritates extractae de disputatione inter christianum romanum et
patarenum bosnensem. Starine 1. 120. Negant sacramentum ma-
trimonii, et dicunt, quod nullus in matrimonio salvari potest 139.
Toi? liyowtv, ü? o iv y.upüu yago? v.o). vj y.anx 0 eb v 7.pzw , 2cc{’.ct ßOöAuy.Td
eiot im Gsw, y.al S'.ä toüto äpupoxspa avatpeTOUaiv äva6ega. Euthymius
Zigabenus, Confutatio et eversio Massalianorum sectae. Ana
thema 6. xavoviTouertv a.r.'s/'r;) TiavTsXij xr t c iSia? -fj'iav/.ic. Euthymii
monachi contra haeresim hereticorum qui Phundagiatae dicuntur.
Braki zakoiibnyje bezi smotrenija razdreSajutu i braka otbstupaju-
stije jako Vbzdnzniki prijemljuth % blazeih. Svetago Jepifanija ,o
jeresehb 1 . Glavy masalijanbskago zlocistivago povelenija: Masalijane
uciteli Bogumilonib rekbSe Babunovih. Starine 12. 234. Le dernier
et le plus grave des peches morteis, si les Cathares admettaient
des degres dans le peche, est le mariage, ou en general le com
merce charnel d’un sexe avec un autre; car ils ne faisaient pas
de difference entre la culpabilite de 1’ädultere ou du concubinage
et celle du mariage saint et legitime. C. Schmidt, Histoire et
doctrine de la secte des Cathares ou Albigcois. Paris. 1849. 2. 87.
Ils permettaient aux epoux de demeurer ensemble, mais non
aliter nisi abstineant ab opere conjugali. Ibid. Vuk Stefanovic
Karadzic; hält es für wahrscheinlich, dass der Ausdruck ,von
der bekannten Mönchsmeinung stamme, dass auch eheliche Ver
mischung eine Sünde seih Montenegro und die Montenegriner 95.
Diese unkirchliche Meinung stammt aus der Lehre der Bogo-
milen. Man vergleiche V. Bogisiö, Zbornik 8. brat bez grijeha
207. Andere meinen, grijeh stehe euphemistisch für ,Begattung'.
Crna Gora. Was den Namen Crnojevic anbelangt, so
meinen manche, derselbe sei aus dem Namen Crnogorac (Stefan
Crnogorac) entstanden, ein Name, den die Quellen nicht kennen.
Ebenso wenig wissen sie irgend etwas von der Erzählung, nach
welcher Crnoje, ein Sohn Stracimir’s, eines Sohnes Balsa’s, ge-
54
Miklosich.
wesen wäre und seines schwärzlichen Antlitzes wegen seinen
Namen erhalten hätte. Vuk Stefanovie Karadzid, Montenegro 10.
Für die Behauptung der Verwandtschaft der Crnojevic mit den
Bal£i6 lässt sich in den Quellen kein Grund finden. Der Name
Crna gora beruhe, meinte man, darauf, Sto su Crnogorci Tur-
cima jade, zadavali; nach Anderen ward das Land nach Stefan
Crnojevid, dem Vater Ivan’s, Omagora genannt. Milakovic
6, 66. Das Ländchen ,zetska planina 1 habe ursprünglich Crno-
jeva gora, dann Crna gora geheissen. Ducic bei I. Ruvarac,
Prilosci 36. Vaclik 4. Der Name Crna gora findet sich schon
1435: catuni (Sennereien) Crnagorae. Glasnik 14. 14. Diese Er
klärungen sind falsch: Crnojevic ist zunächst der Sohn des
Crnoje, ein Name, der von cm (asl. crzm) durch das Suffix oje
abgeleitet ist, wie blagoje, bogoje, miloje usw. von Mag, bog,
mil usw. Slavische Personennamen 8. 114. Mit Crna gora,
alb. mallj§-zi-a, hat crnoje, crnojevic den Stamm cm gemein,
ohne davon abgeleitet zu sein. Der Name Crna gora Schwarzen
berg, Schwarzwild beruht auf der Farbe der Felsen, the blaek-
ness of the rocks (Strangford) oder der Tannen ,des grands
sapins qui donnent en hiver a ce pays un aspect noir et un
caractere sombre (Frilley et Wlahovitj 83).
dioklitijani,skb: dioklitij amska zemlja, Diolclitija, gleich
bedeutend mit Zeta, dioklitijski (more dioklitijsko). Nördlich vom
See von Skutari, am Einflüsse der Zeta in die Moraca sind
heutzutage noch die Ruinen einer Stadt zu sehen: duke plur., auf
den Karten dukla, aserb. diolclija: Stefam, velii kräh, nameshnyj
gospodim mse sribiske zemlje i Dioklije i Dalimatije i Travunije
i hhnibslce zemlje, in einer lateinischen Urkunde Dioclia, Glasnik
15. 223, archiepiscopus diocliemis a. 1067, bei Constantinus Por-
phyrogenitus AioxXeia, bei Ptolemaeus \iv.hs.<x, bei Plinius Doclea,
respublica Docleatium. Die Form dioklitijamskb beruht auf dem
griechischen AtoxX^xiavoi bei Constantinus Porphyrogenitus, De
administrando Imperio 29. Danicic, Rjecnik 1. 271. 376. Die
Sage des serbischen Volkes hat sich in diesen Gegenden des
Kaisers Diocletian, wie anderwärts des Kaisers Trajan be
mächtigt: sie erzählt, der Kaiser Dukljan sei in der Tiefe des
Flusses bei Vezirov most (oberhalb des Einflusses der Zeta in
die Moraöa) angekettet und nage an seinen Ketten, die er auch
Die serbischen Dynasten Crnojevic.
55
gerade am Tage vor Weihnachten zernage und ein Licht an
zünde, Zigeuner schlügen jedoch jeder einmal mit einem grossen
Hammer auf den Amboss und befestigten die Kette wieder. Vuk,
Wörterbuch: duldjan. 1520. Man vergleiche Bozidan Vukovikb:
priSbdbSu mi oti oUcistva moego otb zemlje dioklitiskyje, eze jesti
Podgorica blizh suSti grada glagoljemago Dioklitije, egoze nekogda
Sbzyda Dioklitiam kjesarb w> ime svoe. Bozidara Vukovica zbor-
nici. Stojana Novakovi6a Seite 5.
Hier möge mir eine Bemerkung über Zeta gestattet sein,
womit man ungefähr denselben Landstrich bezeichnet wie mit
Diolditija. Zeta lautet bei den lateinischen Annalisten und bei
den diesen folgenden einheimischen Schriftstellern, wie Kaöic,
Zenta, in italienischen Quellen Xenta, Genta, in welchen Wort
formen nt nichts anderes ist als die Bezeichnung des d: 'Qvr.y.
ist das albanische Zedda Hahn 1. 139. Mit Unrecht hält Safarik,
Serbische Lesekörner 31, zeta für die richtige Schreibung. Das
Wort ist höchst wahrscheinlich albanischen (skipetarischen) Ur
sprungs, indem die Albanier ursprünglich viel weiter nach Norden
reichten als heutzutage, was diejenigen leicht zugeben werden,
die die Albanier für Nachkommen der alten Illyrier halten. Man
unterscheidet das obere und das untere Zeta: unter jenem ver
steht man das nördliche Flussgebiet 'der aus der Verbindung
der Perucica und der Obostica in Bjelopavliei gebildeten Zeta;
unter diesem die fruchtbare Ebene von dem Punkte, wo sich
die Zeta mit der Moraöa verbindet, bis zum See von Skutari,
der auch der See von Zeta hiess: ,Quae pars in aquilonem ob-
versa est, Zenta superior, quae in austrum respicit, Zenta in
ferior nominatur: huic a meridie adjacet palus Labeatiumb Far-
lati 1. 161. Das Volkslied kennt auch eine gornja und donja
Moraca. An anderen Stellen wird unter Zenta inferior das Land
südlich vom See von Skutari verstanden: ,Zentam superiorem,
quae ab Zenta inferiore Labeatide palude intermedia disjungitur,
Georgio despotae Rasciae ademptam obtinebat Cernowichius,
dux Montis Nigri, et voivodae titulo insigniturb Farlati 6. 463.
Bei diesem Schwanken der Bedeutung des Ausdrucks Zeta in
ferior ist es begreiflich, dass die Balsa als Herren der Zeta er
wähnt werden, da sie in der That Herren des Landes im Süden
des Sees von Skutari waren: Zorzi Stracimir, signor de Xenta.
BaUa, gospodim Zeti i Ja tomu 1367. Glasnik X. (1870) 191.
56
Miklosich.
Strazimiro et Georgio ac Balse fratribm, zupanis Zente 1368.
Lenormant 12. Nut Gorgi de Strazimir, signor de Zenta 1388.
Rad 37. 25. BaUa, duka veliki i gospodarb zemli zetskoj i svemu
zapadnemu pomoriju. Podatci 221. Man vergleiche Zeta i dio-
klitijsko pomorije in den serbischen Jahrbüchern. Dass hier an
die Zenta superior nicht zu denken ist, ebenso wenig an das
Land am Nordufer des Sees von Skutari, dürfte sich aus den
Quellen ergeben: beide Landschaften gehorchten den Crnojevic,
die letztere zeitweilig den Gjurasevic: Ivaiu Crmojevikb, gospo
darb zetski 1484. Glasnik X. (1870) 191. Montenegro scheint
in früherer Zeit zetska planina geheissen zu haben: eine bleibende
Bevölkerung mag es erst nach der Eroberung der fruchtbaren
Landstriche durch die Türken erhalten haben.
eminb (carevb i kadija carevb), türk, emim Verwalter der
Dörfer, die dem Kaiser Zehent zahlen.
hamuka: türk. Mmya Damast, ngr. ■/o.'y.zs/iz.
liazdeja, jetzt azdija, Art Oberkleid. Das entsprechende
türkische Wort kann ich nicht nachweisen.
knezb (otb gradovii vasilib der Venetianer), it. conte.
mijehb: dva mijeha sira, in der deutschen Übersetzung
,zwen pelg mit käs‘. mehb sirenija in einer serbischen Urkunde
des 14. Jahrhunderts.
nibnina Schade.
nadati: ne bismo radi, da nadamo sluge vase, in der
deutschen Übersetzung ,das wir nit gern woltcn versagen die
dienner euer herschaften'.
penzati, in der deutschen Übersetzung ,verkaufen': kude
se moze taj so penzati.
pijena Strafe.
providurb proveditore.
rasplatiti spalten: pastnva rasplacena, in der deutschen
Übersetzung ,zwo gespalten verhen'.
Die serbischen Dynasten Crnojevic.
57
rbvati: mi Vbsegda nvasmo s providuri iknezovi va§i(mi):
dafür in der deutschen Übersetzung ,haben alweg mit eur
herschafft vest'.
sanzakb: türk, sandzak Provinz, serb. Verwalter einer
Provinz. pokraiSbni sanzakb.
sinbdikb, it. sindaco.
soda: imati sodu, in der Übersetzung ,versolt sein'.
starograclcij: knezb starograckiwofür in der Über
setzung ,graf zu Wudua'.
Sasinb, it. assassino: gde uhvati pokraiSbni sanzakb vasega
zlocinju i sasina.
trojba, it. tregua: min i trojba, mlat. treuga.
tvorilbiib: dva sira tvoriona: in der deutschen Über
setzung ,zwen käs tuorion', richtig zwei Käselaibe : tvoriona
von tvorilbiib von tvorilo Käsestock, Käseform.
ucinb, it. Dulcigno. Neben ucim liest man ulcim, Ibdm,
heutzutage ulein, ocin.
vlastelb, it. nobile.
III.
1523. Akten, die berichten, wie die Briefe in das k. k. Hof-
kanimerarchiv gekommen sind.
Uber die Lage des in diesen Akten erwähnten Meran belehrt folgende
Notiz: ,Marano Lacunare. Comune nel Veneto, prov. di Udine, distretto di
Palma. Nei secoli scorsi fu un castello assai forte e venne in potere della
republica veneta,quando questa nel 1430 tolse il Friuli al patriarca d’Aquileia.‘
Dizionario corografico dell’ Italia 4. 899. Porto di Marano. Sanudo 414.
Ursprünglich zu Aquileja gehörig, ward Marano im 15. Jahrhundert vene-
tianiscli, 1523 war es österreichisch und ist jetzt italienisch.
1. 1523. 4. März. Durchleuchtigifter, grosmächtigifter furft,
genedigifter hei-r, e. f. d. fein vnnfer fchuldig phlichtig diennft
fein ewr f. d. in vnnderthänigifter gehorfam zuuor. Genedi
gifter herr! Jeronimo de Sara mitfambt ain Beham Tfcheho
genannt vnd feine mituerwanten haben denfelben Tfcheho mit
berurts Jheronimo schiff vmb traid zu farn von Meran aufge-
58
Mi k losi ch.
fchikht, mit folichem schiff der berurt shifman in den funfften
monat ausgewefen. Als aber derfelb Tfchecho das fchiff mit
vierhundert star trayd geladen, ift er gen Budua, ain flekhen
den Venedigern zuegehörig, in die porten khömen, fo an Dal-
macia und Albania ligt, dafelbft vngewiters halb fich etlich tag
verczogen. In dem ift ain Türkhifche potfehafft mit zwayen
Turkhen gen Budua khömen in der porten, die shiff befichtigt
vnd dieweill niemand anders gewifft, als das hemelter Tschecho
mit dem schif auf Venedig zu farn, auch khain peffer shiff als
berurts Jeronimo shif gewefen, hat der Venedigifch poteftat zu
Budua mit gwallt vershaffen den Turkhen mit feinen zwen
knechten vnd fchreiber anczunemen, das fich der shifman ge
widert, ine aber darczue gedrungen mit dem, das er im den
traid wolt laffen ablegen. Darauf ift bemelter fchifman gemuefft
die Turkhen anczunemen vnd mit dem shifman pactiert fuerlon
zwelff ducaten par beczallt. Nachdem aber der shifman funff
perfon vnd der Turkhen nicht mer als drey vnd ain slaff ge
wefen, damit der Turkh möcht den shifman nöten, hat der
poteftat noch drey Criften auch in das shif geordnet. Mitfambt
den fein sy weg gefarn. Als nun der bemelt shifman der
Meraner porten durch fueglichen windt nachend khömen, hat
er fich gegen der nacht in die porten gelaffen vnd in der nacht
ift der Tfchecho haimlich aus dem schif vnnd zu der ftatmawr
Merana khömen, daflelb dem haubtman zu erkhennen geben,
wie ain Tirkhifche potfchafft in irm shiff fey; wo nit durch
gwaltige aufhaltung nach dem traid im schiff zu speisung
Merana gefchech, so werde der Turkh mit feinen leuten den
shifman nöten in Venedig zu farn; das werde der stat Meran
zu groffem nachtaill raichen vnnd abpruch des getrayds tewrung
gebern; darczue fo fey der Turkh vnfers genedigiften herrn
veindt; dieweill er dann on glayt in die porten khömen, mug
man in woll vaungklich annemen. Darauf hat fich Criftoff
Walderftainer mitfambt etlichen knechten vnnd 4. shifflein oder
parkhen aufgemacht vnd dem shüf vngeuärlich ain Teutfche
meill weitt zugefarn vnnd am erften mit ainer parkhen, darinn
etlich perfonen, mit im gleich zuuerfteen als wellen diefelben
auch gen Venedig mit inen farn, nach maln aber ain parkhen
mit, den das fouill leut auf das scheff khömen, das sy des Tur
khen mit den siben perfonen gewaltig gewefen fein, die andern
Die serbischen Dynasten Crnojevic.
59
zwo parkhen auch zuegefarn, darnach das sheff auf Meran ge-
wenndt vnd die Turkhen gefanngen. Das ift vnns alfo durch
den haubtman zu Meran auch Criftoff Walderftainer anczaigt
worden. Demnach haben wir Leanhardten Babft, e. f. d. ambt-
mann czu Meran, nach bemelten drey Turkhen gefcliikht, da
neben beuolhen all ir guet in dem sheff zu inuentiern, damit
nicht werdt verkkomen, fo lang vnncz wir in namen e. f. d.
die Turkhen examiniern furnemen, auch e. f. d. gelegenhait
aller ding erkhundigung vnnd hanndlung zuefchreiben vnnd
verrer e. f. d. befchaids erwarten vnnd emphaken, als wir
vnns dann verfechen der haubtman fey fölhem nachkhumen,
wie er vnns dann felbs anczaigt.
Als wir aber in denfelben tagen in der handlung zwilchen
herren Niclas Räuber Freiher etc. an ainem vnd der Itat auch
camaun der von Triefft annders taills verhör gehalten, haben
wir vnnfern genedigen herren den bifchoff von Laybach zu vns
erpotten bey fölher examinacion der Turkhen zu fein, das er
ganncz willigklich gethan.
Haben darauf den gedachten Turkhen vnnd die ange-
czaigten furhaltung laut beylignnder copey gefragt, der vnns
auch auf yeden fragartikhl anntwort geben in bemelter fchrifft
vergriffen, daraus werden e. f. d. derfelben notturfft vnnd ge
legenhait nach woll wiffen zu hanndien.
Nachdem wir nu finden, das der berurt Turkh ain ver-
ftändige perfon, die gelegenhait der Wofl'nishen lannden auch
vermugen derfelben des Turkifhen kaifers länndcr, mit was
macht derfelb Turkhifch kayser gegen difen confinen fein macht
zu brauchen Ordnung geben, an im zu erkhundigen ift, haben
wir bedacht, das nicht peffers als den gedachten Turkhen e. f. d.
löblich regiment zu fchikhen in e. f. d. stat Neuenftat.
Als er aber etlich brief von feinem herrn an die herrfchafft
Venedig vnnd annder fonnder perfonen bey im gefunden fein,
haben wir diefelben geöffnet vnd interpretiern laffen nach den
puechftaben derfelben Syruischen fchrifft vnd fprach, auch laut
beyligennder copey vnnd darczu die rechten originall haben
wir e. f. dt. mit zufchickhen nit vnnderlaffen wellen, in welkem
wir befinden, das sich des Turkhen sag mit denen briefen zum
taill nit all vergleichen. Darauf werden nu e, f. dt. mit inen
zu handlen wol Ordnung geben.
60
31 i kl o sich.
Dann wir bedennkhen gleich woll, es möchten ( ich die Vene
diger bemuen worden vmb gedachte potfchafft zu ledigen hanndien
vnnd l’ich der hanndlung befwärn. Demnach haben wir nicht
vnnderlaffen, sonnder e. f. d. gelegenhait aller handlung mit
zuefenndung des Turkhen obriften difer potfchafft, auch feins
zuegebnen fchreibers briefen vnnd alles berichts.
Dann an den zwen Turkhifchen knechten haben wir vns
nicht erfarn mugen, dann bey denfelben ift khain fonder ver-
ftanndt, allain ir Turkifhe aigenwilligkait, grob vnnd vnachtper
leut fein, darumb haben wir diefelben zwen gen Laybach in
das slofs zuuerwarn im thurn Ordnung geben vnczt auff weittern
e. f. d. beuelh.
Weitter fo hat diefelb Turkhifch potfchafft etlich taufennt
gedrukhnet klaine vifchle gehabt zu uerkhauffen fambt ainer
suma gellts, samat, seiden vnnd gewannt in notturfft berurts
Thurkhifcher potfchafft herrrn vber hof zu klaiden khauffen
füllen. Söllich gellt finden wir nit das es fey vorhannden, wie
dauon in den briefen meldung befchicht etc., fonnder wir ftellen
das in Verantwortung e. f. d. haubtman zu Meran, aber die
vifh, das die nit verderben, haben wir Ordnung geben die zu
uerkhauffen vnnd das gellt wie annder guet der Turkhen zu
behalten vnd im arreft beleihen laffen, wie dann e. f. d. verrer
darinn zu hanndien Ordnung gibt; des fein wir in aller gehor-
fam gewartenndt.
Aber dieweil der Sara mit feinem shiff, auch der shifman
vnd ander nurner nit ficher auf difem mör ir narung vmb difer
handlung willen mugen fuechen, auch der Walderftain fein ge
treuen vleifs die Turkhen zu behalten bemuet vnd die wenigift
arbayt oder vrfach difer Turkhen gefangknufs dem haubtman
mag zugemel'fen werden, fonnder was im e. f. d. aus gnaden
dauon will zueftellen, in dem allen nach e. f. d. woll wiffen zu
hanndien.
Darczue fo begern die gedachten Sara, Walderftain, shef-
man, auch der Tfchecho vnnderthänigs vleifs bittenndt e. f. d.
welle ine nach erkhundigung e. f. d. notturfft den Turkhen,
auch die zwen fein diener, fo zu Laybach fein, widcrumb zu-
ftellen laffen.
Dann die andern drey, fo criften vnnd den Turkhen zu
geben, haben wir dem Sara zuegeftellt denfelben der Venediger
Die serbischen Dynasten Crnojevic.
61
vnderthanen ir guet wider czue geben on enndtgelltnufs, auch
e. f. d. haubtman zu Meran darumb gefchriben, damit der
Venediger vnnderthannen nit befwärt werden.
Vnnd nachdem die Thurkifch potfcbafft siben Turkifch
hunndt, zwen mawfler babicb vnd zway habicble zu Venedig
zuuerern mitgefuert, so haben wir von denselben vier hundt
vnd ain liabich bej Criftoff Walderstain auf Ynspragg oder wo
e. f. d. perfondlich fein foll, zuegefcbikht.
Ewr f. d. fuegen wir zu wiffen, das die Venediger funff-
bundert pberdt mit nam signor Malatefta vnnd den Mercurius als
haubtleut in Friaull zu khomen verordennt fein follen, auf was
maynung ift vnns noch zu der zeit verporgen.
Aber wir haben nit vnnderlaffen, fonnder den oratoresen
zu Venedig des Turkken auch der phärdt halben gefchriben
vnd dieweyll c. f. d. potfcbafft auch zu Venedig ankhomen,
zweifelt vnns nicht, fouill not ift, nicht verhalten, ob ainicherlay
practikhen wider e. f. d. oder dife flekhen foll furgenomen
werden, das alles wolten wir e. f. d. als vnferm genedigiften
herrn vnderthänigifter geborfam nach nit verhallten, der wir
vnns vnderthänigift e. f. d. beuelhen. Datum Gfeörtz am vierdten
tag des monets Marcy anno etc. im XXIII fen .
E. f. d.
vnderthenigift
geborfam
, verordennt comiflarj der
reformacion in Crain.
Auf der Rückseite: ,Die abfchrifft von der reformierer
brief in Crain des gefangen Turckhen halben. A.‘
Copia coaeva. Papier. Fol. 4 Blätter. K. k. Hofkammerarchiv (Fase.
18.579. R. A. 174).
2. Fürstlicher durchl(e)uchtigkhait etc. commiffari der refor-
mation in Crain in beywesen des hoebwirdigen furften vnd
berren, herrn Criftoffen bifchouen zu Laibacb vnd Seckhaw etc.,
alls Schkhennder veyuoda das Schkhennderbeckh Zernouickh
alls kerren vnd innhaber der gegennt Zernogorfchy vnd Die-
klefskbianfchy diener aus dem sclieff von Meran geen Gürcz
bracht worden. Haben in, wie hernach uollgt, examinieren vnd
fragen lallen.
lö
Zwn erften: warnmb er gein Venedig abgeoerttigt vnd von
welhem horrn. ob er ereciennez, infbraction vnd annder beuelch
Stab? Sagt darauf, er fey ain snbwafchy oder veynoda. hab .
XX- dörflfor vmmder im, fey von bernrtem feinem herren zu der
herrfehafft Venedig in potllehalft weis abeenerttigt von wegen
der eonfinen der vier naehbernrten steten der Venediger, fo
mit ©bbemutem samexagkta greniezen, Bndna, Gatare. Anttiferx
vnd Dnlcain, nemMäeh Tmrkfaifeber kbaifer f@l feinem henen
sameaagkb gefebribem vnd mit nwayen kbady vnd ahnen fe-bkfoJa-
nen geboten Staben fein gremieaem ain Yenedigifeb meyl an die
felb fteet von Merken vnd mffir arm Heesen. Daummbem Ibl er bey
der henrfebaflf Venedig gebammdiltt babem, das diefelb derbalbem
ainen findiej d&felbft Mm Tewardemmt bette vnd Key am Bmdma
in Dabmatia atf das Maramifeb feheff ans beneleb des Vemetdi-
gifeben jwdeüat daMMfr gefeffem.. Alfo fey er geern Meran
körnen vnd dafelMt gefanngen worden.
Weiter gefegt« ob Kffidiis verikmnm fey? Sagt maiim.
Ite-ma gefegt ®b der TinnrtMfeb Jkaysen Ifeübs daunrnur ge
lleren Key vnd wie ftacrikb, ameb wiie lanng' vnd was fe-badem er
dawtor genomiem bab efe. Sagt, der TmorikMfeb baysnr fey vn-
gs-nesiffieb bey awayeam mnomatan mit feimer jperfem abeafflgem vnd
biimde-r im ün der immffS verikl/fen Faniim wafeba ueä XL™.. j«r-
fenenj bab aiin Hwsnnelfferntmng; oder jsalftey mit V®’.. bemfer daHblft
von- Kadiis gefaunt, vnd iilft anff CbmilffcÄiiiiÄiKüfwilE ge«2»g,an_ vrnge--
nenfeb V®. j)«sttfem mit iinm genommen,. <fe anndsnn baiim mkebem
HaJflfen;; bat awaiimiall bmndentitauiirenitt man daunnr gehabt.
Vanner gefegt,» ab den- TTWlbmc-Iti Miaiilfer amudens-wm ainab
Ikitikg halb, nÄ weam vnd mÄ was maehtt,, was iim wilfemdtt fey
de» Tfiimlthen ffiunmenuen gen Huingenn edlen- diife- ttranxito.. Sagt,,
THmlkhiilfeh bbamfen- Key den- nnadbinmg- geweift,, wo» an- lisdi» enefcntt
lbet„ wollt en- arf Ditditn vnd anaff Xeaifidis mÄ feiimmr fehiiliiiiig;
vnd amunatia gea^Bgen fein.. Sexmnn- alten- Iföadi» nÄ anofantt wund,,
well en fieiim mit den yeniigen (Hinnen- amff Jähungen-^n)) mmnen,,
dann en- yoa müb dann Siaffiy vnd yedennmon bafed iE,
Item gpfegtl,, was venfltean »den- junuetliß;« (leim Ihanr mib
den- lhinnlMatffiÜ ’Wemadiig- liaitt. .'Singt niiriit anandtn* dünn wiit- an-
von- gelingt. llononden- dn® Heim Ihanir dann lianeüBgen vom Vaiindg;
sltand wimö vnd viiur litiJlioüi an tnenenn gjtlk'tliiKÜdiit iin nxuiinning'
Die serbischen Dynasten Crnojevic.
63
fick gegen der herrfchafft Venedig zu naigen, des er fick in
die brief, fo er bey ime bat, zeuckt.
Item mer gefragt, wer dem Turkken killff oder rat geben
hat Rodis zu belegem. Sagt wifs nicht, dann das der Venediger
arrnata dieweil l'til gehallten vnd ir fleckhen bekuet hat.
Mer gefragt, ob der Turkh difer der ofterreichifchen
lannden nicht gedacht hat. Sagt, wifs nickt.
Verrer gefragt, was für kriegsleut in Woffen ligen vnd
was ir beuelck fey. Sagt, ligen vngeuerlich bey X M . kriegs-
perfonen allweg in der Wollen, die fein dafelbft verordennt
die confinen der Woffen zu bebuetten vnd das Krabatifck
lanndt heraus zu befckedigen.
Item gefragt, ob der Turkh khriechifcher Weiffenburg
paut hab oder nit. Sagt ja, wifs aber nit aigenntlich wie vnd
in was gestallt.
Gefragt, ob der Turkh allt oder jung fey vnd wie er
namen hab vnd ob er fick vor Rodifs kinfur than hab. Sagt,
fey ain man bey XXX. jorn vnd wirt genannt solltan Salaman,
will auch allweg bey treffen vnd fturm, fo mit oder wider die
veindt befchehen, bei fein, doch ferr dauon fo weyt in das ge-
fchucz nit erraichen mag vnd fein leut mueffen flahen vnd
stirmen alls lanng er daselbft hellt; wan er aber abzeucht, fo
mugen darnach fein leut dauon laffen.
Mer gefragt, was der Turkh vom khaifer Karl, kunig
von Hungern vnd vnnferm gnedigiften herrn von Ofterreich,
hallt oder auf was macht er sy fchäczt. Sagt, das vom kayser
vil gehallten wirdt vnd von anndern criftenlichen furften, fey
aber bey inen ycz die sag, wie diefelb furften vnd herren fick ycz
wider die Türken fameln. Dieweil sy aber grofs vnainigkkait
zwilchen einannder haben, alls sy des auch wars wiffen haben,
demnach kkunen sy nicht glauben, das folhe befamblung wider
sy difer zeit fein muge.
Gefragt, ob der Turkh ain grolle fchiffung hab gehabt
vor Rodis vnd was er für volckh vnd schiff dauor verloren
hat. Sagt, der Turkhifch kayser hat vor Rodis bey V c . segl
allerlei fchiffung gehabt, darundter fein ime Xlj gallen zu
grundt gefchoffen worden. Vnd hab bey XLVIj. M perfonen
am fturm am lanndt vnd mür verloren, dieweil der Turkh
perfondlick daruor gelegen ift etc.
64
Mi klos ich.
Vnd haben gefragt, ob auch ain annder herr oder wafcha
mit feiner macht verordennt fey wider die Cristen den wafcha
von Woffen hilft' ze timen, wo ain einczug in Woffen hefchehen
fol, vnd mit was macht der Wofchnifch wafcha mitlambt
annder zuegeordenter hilf widerftanndt thuen mugen.
Sagt darauf, das der wafcha in Woffen verrnug guts vnd
böfs X M . pherdt vnd man, dem fey zuegeordent in nöten zue-
czucziehen der wafcha der gegennt Moftar genannt, verrnug
guts vnd böfs zu rofs vnd zu fuefs XV M . man.
Das alles macht XXV M . man zu rofs vnd fufs, guts vnd
böfs, mit dem fein sy geordnet diefelben lannde vnd gegennt
zuuerwarten vnd nicht mer.
Man hat in auch gefragt, warumb fein herr den adler,
alls die brief darmit verfiglt, fuer. Gab er anntwort, fein herr
wer auch des geflechts der dispoten, die von Conftantinopl
herkhumen, darumb wer es fein Wappen vnd klainat.
Auf der Rückseite: ,Des gefanngen turcken fag den refar-
miern in Crain gethan.“ B.
Copia coaeva. Papier. Fol. Zwei Blätter. — Ebenda ein zweites Exem
plar mit geringer Textverschiedenheit und einem lateinischen Auszug am
Rande jedes Artikels. Auf der Rückseite: ,Copey der Türkischen potschaft
sag vnd anzaigen*.
K. k. Hofkammerarchiv (Fase. 18.579. R. A. 174).
3. Hernach uolgt, was der Turckh, fo zu Miränä auf dem
mör gefanngen worden ift, dem groscannczler vnd hofrat der
Nideröfterreichifchen lannde in guetlicher frag gel'ag't vnnd be
kennt hat.
Am erften fagt er, wie in feiner erften sag, wie er aus-
gefaren vnnd welher maffen er zu Mirän gefanngen fey worden,
dielelb fein fag ligt liiebey mit .A. verczaichennt.
Zum anndern lagt er, fein herr hab ime ainen sackh mit
gelt geben mit feinem ring verpetfehafft, denfelben seckhl hab
ime der haubtman zu Mirän genomen. In den Turkhifchen
brief wirdt gefunnden, das im seckhl funflrezehenhundert ducatn
gewefen. Der gefanngen Turckh fagt, er wiffe das in demfelben
sackh für zwayhunndert ducaten Marzeil gewefen, aber wie
uil golt, wiffe er nit, wann fein herr hab den sackh felbs ver-
petfchaft’t, wie obfteet.
*
s
Die serbischen Dynasten Crnojevic. 65
Zum driten Tagt er, das er kamen anndern beuelck ge
habt dann wie die brief lauten.
Zum vierten zaigt er auch an, das der .... zu Gdrcz
ime auch funnffczigg ducaten genomen.
Zum funnfften, als ain brief laut, das er zu Venedig mit
etlichen reden folle, wie sy von inen vernemen werden, ift er
gefragt, ob er ainen fonndern beuelck bet gehabt. Hat er gefagt
nayn, nichts annders dann diefelben feyen Criften vnnd fein
aus der Turckhey gen Venedig gewichen, folle er sy fragen,
wie es inen in frembden lanndn gee.
Zum sechften bat er auch anczaigt, wie er von feinem
herrn beuelh gehabt feine bekannten zu Venedig zu fragen,
ob vnnder den Criften frid fey.
Zum sibenndn Tagt er, die Venediger haben albegen ir
botfchafft bey dem Turckifcken kayfer vnnd vor Rodifs ir bot-
fchafft auch gehabt.
Zum achten, die Venediger haben ir armara bey Candia
vnnd Zippern gehabt zu uerkueten, haben weder dem Turckhen
noch Rodifern nit geholffen.
Zum neunten der Turkh Tagt, wo den Rodisern aus Hispäni
nit hilf kume, fo verhoffen sy Rodifs zu erobern.
Zum zehennden zaigt er an, der Turckifch kayser fey
der maynung, wann Rodifs erobert, wolt er ain armara auf
richten vnnd feinen krieg auf diefelb armara ftellen; wo er
aber Rodifs nit gewynnen muge, fo welle der Turckifch kayser
feinen krieg auf Hunngern vnd annder lannde dafelbft umb
wennden.
Zum aindlifften fagt er auch, der Turckhifch kayser laffe
machen ain tawfennt klaine schef, das albegen zehen phärt
an ainem schef ziehen, diefelben fclieff welle er auf fannd Ann-
dree vnd Krieckifcbn Weiffennburg auf der Thuenaw prauchen.
Zum zwellften fagt er, der Tatter hab bey dem Turckhifchn
kayser vor Rodifs gehabt bey funnffczehentawfennt man vnnd
der Sofy auch bey dem Turckifchn kayser vor Rodifs zeben-
tawfennt man.
Zum dreyzehennden hat der Turckh gefagt, der Turckifch
kayser vermüge auf difem lannde bey achcziggtawfennt phärdt.
Zum vierczehenndn fagt er, zu Algeir kab der Turckhifch
kayser funnfftawfennt pliärt, die das lannd behueten.
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. CXU. Bd. I. Hft.
5
Mi klosi cli.
60
Zum funnffezehenndn fagt er, der Turckifch kayfer kab
fielt ennbalb des mörs allennthalben befridt, das er auf Hunn-
gern vnnd annder lannd dabei ziehen muge.
Zum sechczehennden lagt er, zu Kriechifchn-Weiffennburg
hab der Turckhifch kayser funnfftawfennt man vnnd zu Sabacz
dreihundert man.
Zum sibennzehennden fagt er, in der Woffen mög der
Turckifch kayfer haben viertawfennt phärt vnnd sechstawfenndt
zu fuefs.
Auf der Rückseite: ,Des gefanngen Turcken sag dem
hofrat gethan EJ
Copia coaeva. Fol. Papier (zwei Blätter).
K. k. Hofkammerarchiv. Fase. 18.579. R. A. 174.
IV.
Nachrichten über die Crnojevic.
14. Jahrhundert. Die ältesten Crnojevic, deren in den
Quellen Erwähnung geschieht, sind Micus und Radoslav Zer-
novich, sie kommen vor in einer in italienischer Übersetzung
erhaltenen Urkunde von Stefan Dusan aus dem Jahre 1851 über
einen Streit zwischen dem Patriarchen Danil und der Stadt
Cattaro. Dieselben Personen finden sich in einer von Stefan
Uros zu Gunsten von Cattaro ausgestellten Urkunde, die in
das Jahr 1356 gesetzt wird. Rad. I. 143. 148. Ruvarac I. 34.
Darauf folgen Radic und Stefan Crnojevic, welche mit ihren
Brüdern gegen Ende des 14. Jahrhunderts mit den Ragusanern
ein Freundschaftsbündniss schliessen: obestava se Radieb i Ste-
pant CrBnojeviki shvomi. bratbju svojemt slavnomu gradu Du-
brovniku, knezu i vlastelomb dubrovöbskimb i ludemb grada
Dubrovnika, da smo nikb srbdeini prbjatelie i bratija, i da prt-
jamo usw. Monumenta serbica 566. Dass diese Urkunde noch
in das 14. Jahrhundert fällt, ergibt sich daraus, dass Radic
1396 umkommt.
1392, 30. November. Radiö erhält für sich und seine Söhne
und Erben das venetianische Bürgerrecht: Radiz de Cernue,
dominus Zente et Budve et ceterarum partium Sclavoniae. Glas-
nik 12. 129.
Die serbischen Dynasten Crnojevic.
67
1393, 20. April. Radiö (Radize Cernoje, baro de partibus
Zente) überlässt den Venetianern das castrum de Leexio posi-
tum super forum salis, qui mittitur Sclavoniam, et quod est
oculus dexter Durachii, sine ipso nihil dici potest valere Dura-
cliium. Glasnik 12. 138.
1396, 25. April. Radiö wird in einem Kriege mit den Balsid
getödtet: Favente domino, schreibt Georg Stracimir den Vene
tianern, die vigesima quinta mensis aprilis maledictus istins
patrie destructor, videlicet Radic Cernoe, interfectus fuit a nostro
exercitu, et partem territorii nostri, quam in manu forti tene-
bat, habuimus. 31. Mai 1396. Dulcigno. Glasnik 12. 180.
1439. Zwischen dem Comes Stefanus und den Venetianern
soll Friede geschlossen werden: Scriptum Marco et Aluixio et
Comiti Catari, quod in practica, quam habebunt cum comite
Stefano, procurent habere totam Zentam inferiorem, Drivastum
et Jurossevichios (qui sibi videntur vereri redire sub nostro do-
minio). Glasnik 10. 97.
1442, 15. Juli. Benche 1 conte Stefano vaivoda sia entrado
in la Zenta de soto per il mezo de Stefaniza Juras et contra
la intencion di altri tre Jurasi. Glasnik 14. 57. Vergl. 47. 53.
1444. Copia capitulorum seu questiones unius privilegii facti
per Franciscum Quirino, comitem et capitaneum Scutari, inter
dominium Venetiarum et comitem Stefanum,vayvodam Cernovich.
Glasnik 10. 139.
1451, 17. Juli. Magnificus Stephanus Cernoevich vajvoda
schliesst mit den Venetianern einen Vertrag. Als Stefan’s Brüder
werden genannt Jurasinus und Coicinus. Die Urkunde befindet
sich in Venedig, eine Copie davon in Cetinje. Milakovic 63.
1455. II signor Stefano Cernovich cum Xentae conventu
adhaeserit dominio Veneto. Pacta illorum de Xenta superiori
cum dominio veneto, traducta de sclavo in latinum 1455 apud
S. Nicolaum de Vraniina. Glasnik 10. 141.
1456, 6. September. Stefan schliesst mit den Venetianern
ein Bündniss. Das Original der Urkunde befindet sich in Vene
dig, eine Copie davon in Cetinje. Milakovi6 55. Wann Stefan
starb, ist nirgends angegeben: dass er jedoch im Jahre 1466
bereits todt war, ist sicher; wenn demnach die montenegrini
schen Annalen sagen: va leto 1471. ogospodi se nadb Zctomi,
Ivanb begb Cernojevicb, Milakovid 66, so ist dies nicht richtig.
5*
68
Miklosich.
1466, 11. November. Accepimus Iuanum Cernovich de-
clarasse cupere in devotionem et gratiam nostri dominii redire.
Respondemus, quod, quanquam a Iuano multipliciter lacessiti
simus, tarnen sumus contenti illi parcere et in nostri dominii
gratiam assumere, ipso integre restituente villas omnes et que-
libet alia loca nostra, que ante rebellionem suam tenebamus,
ab eo usurpata et iniuste occupata. Quibus conditionibus si ipse
Iuanus assentietur, sumus contenti, cum eo concludatis modis et
conditionibus, quibus magnificus quondam Stefaniza, pater suus,
nobiscum erat. Glasnik 15. 161.
1473, 24. Februar. Ivan gerietb mit den Venetianern in
Streit, söhnte sich jedoch mit ihnen aus und ward mit seinen
Söhnen und Erben imter die Zahl der Nobiles majoris consilii
aufgenommen: Cum magnificus et potens dominus Iuanus Cer-
noevich, dominus in partibus Xente superioris ac voyuoda noster,
semper fuerit et sit amicus nostri dominii, noturn fieri volumus
unicuique, quod prefatum dominum Iuannum Cernoevich cum
eius filiis et heredibus legitime ab eo descendentibus ad nume-
rum et de numero Nobilium nostri maioris consilii recepimus
atque recipimus. Glasnik 15. 171. Original in Venedig, eine
Copie davon in Cetinje. Milakovic 67.
1474, 1. März. Ivan und die Venetianer verbünden sich
gegen die Türken: Significari fecit nostro dominio magnificus
Iuanus Cernoevich, capitaneus noster Xente, Turchum reedifi-
cari statuisse Podgoriza, locum in medio Xente situm, in eoque
domos V. mille Turchorum ponere; item quemdam alium locum
intra civitates nostras Scutarum et Drivastum nomine Baleö.
Die eroberten Gebiete von Zeta sollen von Ivan verwaltet werden
cum tributo ducatorum VII. centum quotannis nostro dominio
solvendorum, prout Turcho solvebat. Glasnik 15. 173.
1474, 13. Juni. Ivan (dominus Ioannes Cernoy) erhält von
den Venetianern Geschenke pro salute civitatis Catari et suc-
cursu Scutari. Glasnik 15. 176.
1478. Drivasto et Alessio tolse Zuan Zernovich, albanese,
per nome di 1 Turcho, erano nostri. Sanudo 4. 325. Eine räthsel-
hafte Notiz.
1480, 10. Juli. In dem von Mohammed II. mit den Vene
tianern geschlossenen Frieden wird von dem Sultan erklärt:
A c ' ev '/sp;! too T^tpvoßr/.vj ze'/.pdw]V"at, toü öeia suBoxla aütov pupcr, zp«-
Die serbischen Dynasten Crnojevic.
69
vxiäc xaOeXövTOi; eich, eav ouv to naarpoߣy.:v y.a; r t Zoüxa tou T£;pvo-
ßty.Y] p.Y) oüaa;, [räXXov Sb vqq 'kapczpo-dvqc auösvTst'a; tüv Bevstixüv, y.a:
\).exx xb -A.pa.vrf)f t 'iM t'ov Ti^tpvoßävjv b sxslvou tou toxou oaTpäxr)? sXsv;-
XaTY]ffev, auro? p.sv xaiSeuO^osTat, y.a). y\ Cr^jJ.y. axoarpaipjasTa!, y.ai aÜTa:
p.£voüo;v e?s cdq t8ta? xsptoxä^, y.aOüc; ExpaToiwo uxb ty;c Xap.xpoTaTv;;;
aü0£VTsfap tüv Bevetiüv sv tu y.aipu tou T£;pvoßi'y.v;. Acta et Diplo-
mata medii aevi ediderunt Fr. Miklosich et los. Müller 3. 303.
1481, April. Der Sultan erklärt: Ilsp: p.sv tou Haorpoßc/lou
y.ai Zoüxa; o'ütu; £p,apTÜpv)oav ol ovts; sy.s: sx;oTvjpi.ov£i; avOpuxo:, 5t:
o; £ipY)p.£vci toxo: st; dpyrfi rpa» xupoü ’luavvou tou T^spvoßwcr), y.a; y.aT’
aütijv ty)v p-apTUpt'av ^v 3:xaiov, :va oüto; o toxo; Y;p.£Tspo; vj, äXX’ sxe:
xXijöo; avOpüxuv ä<p’ üp.üv tüv Bsvst:üv eaöövts; £p.xpxöpr t cay, ot; st;
ap/Jis vjaav tüv Bevetiüv, o'ütu; oe avsosps xp'o; T7]V ßao:XEiav p.ou y.a;
o £;py)p.£vo? xiaro; SouXoc ~f t c ßacuXsia; p.ou (2:vavxs:;. Synam vay-
voda di Monte Negro). y.ai 5t; cmeydg eie. Ta:; yüpaig tuv Bsvs-
t:üv, oia touto y.a! o:ä y.aOapäv äyctxijv y.a: tp:X:av rjpiüv äxsfvjvaTO ßacr:-
Xsia p.ou, Tva uo: xaX;v ttj; aöOsvTsia; tüv Bevetiüv ßsßaiu;, äp.sTaTpsxru;
ävsu Xoyou t:vö;. 3. 306.
1481, 15. Juni. Kagusa. Hogi passano per de qui Ivan
Cernoevich e Leck Ducaino. V. Makusevt, Istorijski spome-
nici 105. 106.
1484. Vb dni gospodara Ivana voevode Crbnojevikja, togda
sbdrbzestu prestolb mitropolije Cetinskije, jakoze jestb mitropolija
zecka, preosvestennomu mitropolitu kurb Visarionu i svestennei-
semu episkopu kurb Vavile. Yb leto . .sp'iK . (6992). Glasnik
53. 232.
1485, 4. Jänner. Reka. Ivanb Crnojevi6b, gospodarb zetski,
wurde von Mukammed II. aus seinem Vaterlande vertrieben.
Derselbe gründet, nach Montenegro zurückgekebrt, in Cetinje
ein Kloster und eine Kirche: vb slavu i vb bvalu toe gospozde
matere bozie vb ime rozdbstva eje. Monumenta serbica 530.
Ivan’s Name ist in Montenegro nickt vergessen: Starevina Ivan-
begovina. Vuk 29. 55.
1493. Nach P. J. Safafik, Wiener Jahrbücher 1829, An
zeigeblatt 3, sind in Cetinje gedruckt worden Oktoich, erste
Hälfte 1493—1494; zweite Hälfte 1494; Psalter 1495. Oktoikb
otb eetvrbtago glasa. Monumenta serbica 538.
Ich füge hier noch einige, Ivan betreffende Notizen aus
Bolizza hinzu.
70
Mi klosicfc.
(Montenegro) fu dominato dall’ illustrissimo signor Conte
Giovanni Cernovichio, che rossedeva in Zahiach 168.
L’ illustrissimo signor Conte Giovanni Cernovieliio fabricd
(a Zetigne) un picciol si ma bellissimo monasterio de monaci
o calogieri de S. Basilio di rito serviano, nel quäl vi ressiede
un vescovo con 25 calogieri et 40 altri tra chierici e con-
vorsi 169.
Quivi (a Medun) prima che il Turco s’ habbi impadronito
di Podgorizza, dell’ Albania, di Monte Negro et questi paesi,
mentre che 1’ illustrissimo Conte Giovanni ressedeva in Zabiacb
et dominava, si ricoverono alquanti Turcbi . . . Da qui comin-
ciorono li danni del Cernovichio et la perdita del suo stato 182.
1496, December. Vene in questa terra a di . . . decembrio
Zorzi Zernovicb, signor di alcuni locbi e montagne vicine a
Cataro in Scbiavonia overo a quelli coniini, per esser sta pri-
vato da 1 fratello di la signoria col favor di 1 Turcho, come bo
scripto di sora, videlicet Stefano che regna a Montenegro, et
Schanderbegh, terzo fratello sta in paexe d il Turcho. Vene in
questa terra con la moglie, nostra zenthildona, fo fiola di Antonio
Erizo ... Et la moglie con gran zoje, vestita' d’ oro ecc. Et
etiam lui cb e un belissimo homo et grande, vestito d’ oro a
la grecba, andoe a la signoria piü volte, a 1 quäl fo parlato
di darb soldo, et fu preso di remandar interim Alvixe Sagudino
al Signor Turcho per veder, ehe dicto Zorzi Zernovicb potesse
ritornar nel stato, et etiam ivi dovesse star per quelo ehe biso-
gnava. Sanudo 1. 402. Die einigermassen dunkle Stelle lautet
deutsch: Weil er (Georg) von seinem Bruder Stefan, der in
Montenegro regiert, und von Skender Beg, dem dritten Bruder,
der im Lande des Türken lebt, unter der Begünstigung des
Türken der Herrschaft beraubt wurde.
1496, December. Lottere da Cataro di Piero Lion prove-
ditor, de 27, di 1 zonzer di Stefano Zernoich da Constantinopoli,
quäle poi zonto fece intender a Zorzi Zernoich, suo fradello,
per nome di 1 Signor, che andasse a la porta over in tre di levasse
di 1 paese. Quäle Zorzi, intendendo la trama, se bavea irnbar-
ebato a Budua con la dona sua, fo fia di domino Antonio Erizo,
zentilbomo nostro, e robe sue, et tegniva la volta di qui. Et in
questo modo el ditto suo fradello li tolse la signoria . . . Fo deli-
bera di mandar Alvixe Sagudino a Scutari al sanzaeho per ditta
Die serbischen Dynasten Crnojevic.
71
causa et per meter i confini a Antivari, con presenti per du-
cati 250, accio ditto Stefano non faci garbujo, come feva con
esso Zorzi. Sanudo 1. 421.
Baiazete occupd ancora lo stato del signor Giorgio Cer-
nouichio il quäle signoreggiava i confini di Cataro, e lo cacciö
fuori. II quäl fiavendo una gentildonna vinitiana per moglie,
se ne fuggi con esso lui e co’ figliuoli, ch’ ella fatta gli auea
a Yinegia. Costui gran tempo si stette quiui, dopo per hauere
sparlato contro il senato vinitiano fu messo in prigione, ma egli
si fuggi fuori della prigione, e se n’ andö in Francia e quindi
a Roma. Ma poi ch’ egli uide, che non trouaua ricapito, quasi
che disperato, se n’ ando a Bajazete, c rinegö la fede di Christo,
e si fece Turco. I Commentari di Theodoro Spandugino. Fio-
renza 1551. 73.
1497, Jänner. A di 28 el conte Zorzi Zernovich . . . di-
mandoe stipendio . ... Et di provisione li fo dato per la sua
persona ducati 40 a 1 mexe, entendando 10 page a 1 anno, et do-
yesse haver le stantie a Ravena. Sanudo 1. 485.
1498, Juni. Vene in questa terra el conte Zorzi Zerno-
victo, steva a Ravena, per alcune cose di la sua conduta. Fue
a la Signoria, et poi ritornoe a Ravena a le stantie a lui depu-
tate. Sanudo 1. 1000.
1498, Juli. A di priuio luio di domenega, hessendo in
questa terra el Conte Zorzi Zernovich con molti di la sua cont-
pagnia, et havendo usato a Ravena parole bestial, etiam non
hessendo im piacer al Signor Turcho, che questui da la Signoria
nostra, che era suo schiavo e rebello, fusse tanto honorato e
datali conduta over per altra causa che fu secreta, fue per li
capitani nostri ritenuto et posto in la prexon. Sanudo 1. 1006.
1498, August. El conte Zorzi Zernovich scampoe di Tore-
sele, dove havea do guardani, li quali lui li ligoe con le man
et testiculi da driedo. Sanudo 1. 1036.
1498, 8 November. 11 sanzacho di Scutari Ferisbei e homo
da bene, ma quello subaslach governador di stato fo di Zerno
vich c cativo. Sanudo 2. 104.
1498, November. Zorzi Zernovich demandoe licentia di
poter andar dal signor Costantin Ai'uiti over Comino suo barba
a Monfera, zo b fratello di la madre sua, et li fo data . . .. El
quäl andoe, ma pocho stete, che iterum qui tornoe. Sanudo 2.125.
72
Miklosich.
1498, November. Era venuto a Cataro il subsJacho che
governa Montenegro, che fo di 1 Zernovich. Sanudo 2. 136.
1498, November. Advisono soa majesta (den König von
Frankreich) la relaxation di i conte Zorzi Zernovich. Sa
nudo 2. 151.
1499, Jänner. Ferisbei abuto il governo di 1 paese, tenia
Zernovich in Albania. Sanudo 2. 372.
1499, März. E governo di Montenegro azonto al sanzachato
di Scutari. Sanudo 2. 504.
1499, Juli. Esser venuto il fratello di 1 conto Zorzi Zerno
vich li intorno (Cataro), soto specie di far conzar uno suo bagno.
Sanudo 2. 871.
1499, Juli. Di 1 conte Zorzi Zernovich, quäl e in questa
terra, fo leto una lettera, si offerisce andav a Cataro, metter fuogo
e fiama su quel di 1 Turcho, per liaver gran seguito su la Mon-
tagna Negra. Sanudo 2. 876.
1499, Juli. Avisa, saria bon mandar a Cataro el Conte Zorzi
Zernovich, per che otegneria la Montagna Negx-a, e che fusse
presto. Sanudo 2. 900.
1499, September. A di 9 in colegio vene il conte Zorzi Zer
novich, pregando la Signoria, lo provedesse, che potesse viver,
et il principe li disse: Conte Zorzi, stevi ben, ti se anda zer-
chando mal. Sanudo 2. 1259.
1499, 22. October. Mailand. Georg Crnojevic macht sein
Testament. Die italienische Übersetzung des serbischen Origi
nals ist abgedruckt in Arkiv za jugoslavensku povjestnicu 2.1.45.
1499, October. Nel mexe di octubrio acadete, che Zupani
e queli di Montenegro si deteno a la Signoria nostra, e Ihoro
desideravauo uno Proveditor et il conte Zorzi Zernovich, tarnen
poi vene alcuni Turchi, adeo non fo niente. Sanudo 3. 49.
1500, Februar. Da Budoa si have aviso, come el conte Zorzi
Zernovich era passato, vestito a modo frate, et scampato al
Turcho. Sanudo 3. 118.
1500, Februar. El conte Zorzi Zernovich da Casal, locho
di Monfera dove era, passö in Ancona, vestito da frate, e su
navilio passö tra Budoa e Cataro, e smontoe a Trasto andö a la
Montagna Negra, fo sua, fo ben visto, scrisse a la Signoria, era
li et dein de andö da 1 Turcho e fu ben visto, e cussi va per
non haverli voluto dar modo di provision. Sanudo 3. 134.
Die serbischen Dynasten Crnojevic.
73
1500, März. Di Albania. Se intese el conte Zorzi Zerno-
vichi esser partito et andato da 1 Turcho, da 1 quäl e stk ben
carezato. Sanudo 3. 165.
1500, April. Di Antivari. Chome a Scutari era stk rete-
nuto el conte Zernovicb et custodido et scrito a la Porta.
Da Budua. Chome el Zernovicb era stk mandato a la Porta.
Sanudo 3. 189.
1500, Mai. II conte Zorzi Zernovicb a di 17. Marzo zonze
a la Porta, fo honorato dal Signor, e lui dimandö il suo stato,
il Signor li disse: mena to moier e fioli qui prima, e li ba da
un stado in la Natalia de intra di aspri 25 milia. Sanudo 3. 335.
1500, Juni. Il conte Zorzi Zernovicb era andato versso
Rodi. Sanudo 3. 413.
1502, December. Fo expedito la moier di 1 conte Zorzi
Zernovich, da cba Erizo, commessa a 1 bordine nostro et datoli
pro nunc ducati 24. Sanudo 4. 494.
1503, März. Come licet per Turchi fosse leva le offese,
tamem queli di Montenero con li Turchi vi he dannizava
Buduani e Pastrovichi cignando voler taiar le vide, unde lui
Provedidor per saper Turchi vol esser honorati scrisse a Feris
Bej, Sanzacho di Scutari, e a 1 suo vayvoda di Montenero de-
chiarandoli il levar di le ofese . . . E poi Feris Bey fe coman-
damento a dito vayvoda, scodesse certo carazo overo tributo
e si lievi di Montenero. Valentinelli 238.
1503, 26. November. Vene la moier di 1 Cernovich, fo tia
di 1 quondam S. Antonio Erizo dimandando o li fusse provisto
da viver o li fusse da licentia di andar a star a Budua, dove
suo marito a certa intrada, el quäl e hora in Natalia con Pro
vision di 1 Turcho. Valentinelli 253.
1514, Juli. Vene in colegio uno nontio di 1 Sanzacho di
Montenegro, chiamato . . . Zernovich, fo fradello di quello, quäl
ave una Eriza per moglic, ed e morto: hora el Signor a risti-
tuido el Stado a questo, et e venuto Sanzacho di li vicino a
Cataro, et a presentato una letera di 1 dito a la Signoria, come
voleva ben convicinar insieme, e mandava a donar a la Signoria
una costa di S. Stefano, ligata in arzento, con letere greche
atorno, et prega la Signoria voi consejar il suo nontio, manda
di qui a comprar panni di seda, et la dita letera fo letta ozi
in Pregadi. Valentinelli 418.
74
Mi klos ich.
1514, August. Fo lecto una letera del Zemovich, scrive
a la Signoria, data in Montenegro, e si sotoscrive Sanzacho di
Negroponte (sic), come lui fa li un oficio col Signore a 1 hono-
rata Porta in far liberal - quelle aninie e prese de cristiani nostri
subditi, e cussi doveria far etiam la Signoria nostra, perche a
per inteso, non si fa cussi e scrive zercba le saline di Cataro.
Valentinelli 419.
1514, August. Fu posto per li savi una letera al Sanzacho
di Montenegro Zernovich, che mando a donar la costa di San
Stefano a la Signoria nostra, come lo ringratiaremo, et havendo
inteso soa Signoria, vol le saline nostre di Cataro, dirle ch e deli
nostri subditi Catarini. Valentinelli 419.
1514, August. Vene il nontio dil Zernovich Sanzacho di
Montegro, e il principe li tocho la man, e li fo dato la letera
in risposta, e poi li ducati 100 e li panni di seda se li dona.
Valentinelli 419.
1523, Marzo. Si intese eri (3) sera, come venendo in Histria
qui a Venezia uno ambasador di Sanzacho di Montenegro a la
Signoria montato a Humago in una barca, el patron lo condusse
a Maran, et li fo facto prezom, portava a donar a la Signoria
due cani, et havia una barca piena di scoranze. Valentinelli,
Arkiv 8. 156.
1523, 14. Juni. Vene uno nontio di 1 Sanzacho di Monte
Negro, et sentato apresso il principe a presentato una letera di 1
suo signor, quäl fo mandata a translatar, el quäl scrive pregando
la Signoria fazi ogni provision, ch el suo nontio, che 1 anno pas-
sato mandandolo a la Signoria, fo preso da Maranesi, et ch el
navilio era da Budua Venetian, su quäl era. Item scrive un
altra letera al Doxe Andrea Grriti, e non sa, sia fato Doze,
dandoli molti titoli, e che 1 e degno di sentar in sedia. Valen
tinelli, Arkiv 8. 164. Die hier erwähnte Begebenheit wird in III
ausführlich erzählt.
1526, 19. März. Vene quel nontio di 1 Sanzacho di Monte
Negro, che sta vestito di raso, et volritornar a caxa da 1 suo
Signor, e tolse licentia di tornar, quäl e venuto con una barcha
di sarache e scoranze per venderle et con una letera del San
zacho di voler bene convicinar assieme. Valentinelli, Arkiv 8. 232.
1526, 13. April. Da poi disnar fo conseio di X con la
zonta, et fu preso una gratia, che a S. Constantin Zernovich
Die serbischen Dynasten Crnojevic.
75
fo di S. Zorzi nato in questa terra di una da cha Erizo, alla
quäl per il suo viver li fo dato la podestaria di Torrenova. Et
e nepote di 1 Sanzacho di Montenegro vicino a Cataro, il quäl
per sue letere or a instato colla Signoria nostra, ditto suo fiol
li sia ricomandato, per tanto sia preso, che a 1 ditto S. Costantin,
quäl si a maridato in una fia fo di S. Zuan Contarini qm. S.
Priamo, habbi in vita sua ducati 100 a 1 anno di la tansa di la
canzelaria di Piove di Sacbo, ut imparte netti di tansa. Valen-
tinelli, Arkiv 8. 233.
Aus den hier zusammengestellten Nachrichten ergibt sich,
dass der Stammbaum der Familie Crnojevic bis in die zweite
Hälfte des 14. Jahrhunderts zurückgeführt werden kann; wir
begegnen hier dem Radio und Stefan Crnojevic mit ihren
Brüdern: sie werden barones de partibus Zentae genannt und
befinden sich im Besitze von Alessio, das sie 1393 den Vene-
tianern überlassen. In der obern Zeta einheimisch, dehnten
sie ihre Herrschaft nach Süden, namentlich über das Gebiet
der Jurasevic aus. Radic fällt in einer Schlacht 1396. Nach
diesem Jahre taucht in den Q.uellen erst 1439 wieder ein Crno
jevic, comes, vajvoda Stephanus, Stefaniza auf; derselbe wird
1443 bei Zinkeisen 1. 774 und mit seinen zwei Söhnen Johann
(Ivan) und Georg 777 erwähnt. Milakovid 65. 66. Stefan wird
fälschlich mit Maramonte identificirt. Milakovic 43. 48.
Ivan, der berühmteste unter den Crnojevic, Bundesgenosse
der Venetianer gegen die Türken, dessen Name heute noch beim
Volke fortlebt, hatte nach Sanudo drei Söhne: Georg, Stefan
und einen dritten, dessen Taufname urkundlich nicht vorkommt:
dieser, in den hier veröffentlichten Briefen Skender Beg ge
nannt, wurde Muhammedaner. Ausserdem wird in diesen Briefen
eine Tochter Antonia und deren Gemahl Hieronymus erwähnt.
Ein Volkslied, Vuk 2. 520, erzählt, eine Bruderstochter Ivan’s
habe den Fürsten der Walachei Radul Beg geheirathet. Die
Historiker von Montenegro wissen nur von zwei Söhnen Ivan’s,
Georg und Stefan, bei dem Volke Stanisa geheissen: dieser
sei Muhammedaner geworden und habe den Namen Skender
erhalten. Milakovic 74 erzählt, dass die Namen der Söhne
Ivans’, Georg und Stefan, in den dem Ivan zugeschriebenen,
mir dem Wortlaut nach unbekannten Ckrysobullen des Klosters
76
Miklosich.
in Cetinje zuletzt 1495 Vorkommen: der dritte Sohn wird in
diesen Klosterurkunden vielleicht deshalb nicht genannt, dass
er schon zur Zeit der Abfassung derselben vom Christenthum
abgefallen oder in Moracat hal geblieben war und mit den Türken
gemeinschaftliche Sache gemacht hatte. Nach Sanudo vertreiben
Stefan und Skender ihren Bruder Georg 1496 (unrichtig ist
die Angabe 1499 und 1516) mit Hilfe der Türken. Nach dem
selben Sanudo regiert Stefan von 1496 an in dem Bergland,
heutzutage Montenegro: regna a Montenegro, vicino a Cataro.
Montenegro war wahrscheinlich vor der Eroberung der Zeta
durch die Türken unbewohnt: man erzählt, in der Katunska
nahija seien nur katuni (Sennereien) gewesen. Vuk, Montenegro
5. Demnach darf man vermuthen, die heutigen Montenegriner
seien Nachkommen von Uskoken (Eingesprungene, aslov. v r i>-
skokt, nicht Entsprungene, aslov. uskokt), Flüchtlingen, die in
den schwer zugänglichen Felsenbergen Schutz vor den Türken
gesucht 55. In dem Lande, das heutzutage Zeta heisst,
herrscht Skender Beg als Statthalter, Sandzak, des Sultans.
Stefan sowohl als Skender Beg sind Unterthanen der Türken.
Der älteste Sohn Georg lebt in der Verbannung. Ist die hier
gegebene Darstellung richtig, dann ist in Notizen, wie in der
vom Jahre 1514, unter dem Sanzacho di Montenegro nicht
Skender Beg gemeint, sondern dessen älterer Bruder Stefan.
Sicher ist auf alle Fälle, dass Georg seine Heimat 1496 ver-
liess: wann jedoch das erst in unseren Tagen beseitigte bischöf
liche Regiment in Montenegro seinen Anfang genommen 1 , ist auch
dann ungewiss, wenn man Stefan nicht zur Herrschaft gelangen
lässt, denn wenn es bei Milakovi6 77 heisst, Georg übergab
die weltliche Macht und sein Wappen dem Metropoliten,
so hat man dafür nur das Wort des Bischofs Peter I. aus dem
18. Jahrhundert; es ist vielmehr anzunehmen, dass klugen und
kraftvollen Bischöfen die weltliche Herrschaft zu Theil geworden
ist, ein, wie es scheint, in der griechischen Kirche einzig da-
1 Cosi la signoria, che comminciö in Stefano primo nel 1423, fini in questo
Stefano, che fu quarto di nome, ma settimo in ordine dei signori di
Zernagora, 1’anno 1516. Luccari. Cernoevici vladeli do 1516, ot-t togo
ze leta vladejutt mitropoliti. Vasilij Petrovici 17. Vasilij verdankt
die Jahreszahl 1516 wahrscheinlich dem Luccari. Stefan, nach Sa
nudo Ivan’s zweiter Sohn, mag bis 1516 in Montenegro regiert haben.
Die serbischen Dynasten Crnojevic.
77
stellender Fall, wo die bischöfliche Würde nur Mönchen zu
gänglich ist. Aus den hier bekannt gemachten Briefen ergibt
sich, dass Skender Beg in der That des Sultans Statthalter,
Sandzak, war, während Milakovic 75 berichtet, Skender Beg
sei sowohl von den Bewohnern Montenegro^ als auch von denen
von Skutari zurückgewiesen worden, habe sich darauf in dem
albanischen Dorfe Busat niedergelassen, sei der Stammvater
der mächtigen Busatly geworden, was jedoch nicht bewiesen
werden könne: die Busatly selbst führen ihren Stammbaum
auf die Mrnjavcevic, die Erbauer von Skadar, Skutari, zurück.
Vuk 2. 115. 567.
Auf der Herrschaft Skender’s beruht vielleicht der Name
Skenderija, mit dem man das Gebiet von Skutari, alb. Skodra,
Scodra bei Livius, türk. Iskenderije, bezeichnet, daher der, nach
Vialla’s irrthümlicher Ansicht usurpirte Titel: Mitropolitb epar-
hie skenderijske i primorske. Milakovib 139. Glasnik 63. 236.
267. Nach der in einem Volksliede erhaltenen Überlieferung
des serbischen Volkes war Skender’s Taufname Maksim. Vuk
2.524.565; Milakovic 75 erzählt jedoch, er habe als Christ
Stefan geheissen, während ihn das Volk Stanisa genannt habe;
bei Du Cange, Familiae byzantinae 347, endlich ist sein Name
Petrus. Ivan’s ältester Sohn, Georg, floh 1496 nach Venedig.
In Ravenna internirt, kehrte Georg nach Venedig zurück und
ward verhaftet, entfloh im August 1498 aus seinem Kerker
Toresele als frate di san Zanepolo (Giovanni e Paolo), wurde
zurückgebracht, auf Verlangen des Königs von Frankreich
und des Gesandten von Monferrato jedoch in Freiheit gesetzt.
Im November 1498 begab sich Georg nach Monferrato zu
seinem Oheim, dem Bruder seiner Mutter, Constantino Arniti
oder Comino, kehrte jedoch bald nach Venedig zurück. Es
litt ihn daselbst nicht lange, und im Juli 1499 erbot er
sich nach Cattaro zu gehen und die Türken anzugreifen per
haver gran seguito su la Montagna Negra. Am 22. October 1499
finden wir Georg in Mailand, wo er, am Vorabende gefährlicher
Unternehmungen, sein Testament macht. Wenige Monate später,
nämlich im Februar 1500, entflieht Georg, wieder als Mönch
verkleidet, von Casale in Monferrato nach Ancona, landet zu
Trasto zwischen Budua und Cattaro, geht nach Montenegro,
flüchtet dann, wahrscheinlich verzweifelnd an der Möglichkeit
78
Mik 1 osicli.
das Land wieder an sicli zu bringen, zu den Türken, von
denen er freundlich behandelt wird. In Skutari angehalten,
ward er auf Befehl des Sultans nach Constantinopel gebracht.
Vom Sultan ehrenvoll aufgenommen, erhielt er, als er in den
Besitz seines Landes gesetzt zu werden wünschte, die Antwort,
er möchte seine Frau und seine Kinder kommen lassen. Der
Sultan gab ihm in Anatolien Ländereien mit einem Jahres-
vertrage von 25.000 Aspern. Dass er Muhammedaner geworden
sei, erzählt der sonst so umständliche Sanudo nicht, wohl aber
findet sich diese Nachricht bei Spandugino und in dem Campi-
doglio veneto. 1 Die Frau blieb mit ihren Kindern in Venedig:
dies geht nicht nur aus Sanudo hervor, der erzählt, dass sie am
26. November 1503 bat, man möchte ihr entweder einen Jahres
gehalt festsetzen oder ihr gestatten nach Budua zu gehen, wo
ihr Gemahl noch ein Einkommen (certa intrada) habe; es ergibt
sich dies auch aus den hier mitgetheilten Briefen.
Nach dem Testamente hatte Georg mehrere Töchter und
zwei Söhne: Lodovico Constantino und Salomon: jener sollte
von seinem Oheim Constantino Arniti zum Könige von Frankreich,
dieser zu Skender Beg geschickt werden. Nach dem Campi-
doglio jedoch hatte Georg drei Söhne: Salomon, Elias und
Ludwig Constantin: dieser heiratete Maria, Tochter von Giam-
mateo Contarini. Constantin’s Sohn hiess Ivan, sein Enkel
Victor, der zwei Kinder, Ivan und Faustina hatte. Mit diesem
Ivan, der bei Nani 1636 erwähnt wird, erlischt der Mannsstamm
der Crnojeviö. Sicher sind von diesen Nachrichten nur die in
Georg’s Testament enthaltenen.
Peter Cernovicchio, der sich Herzog von Zabiaco (Zab-
ljak), Zadrina, Egina e altri luoghi nennt und 1578 zu Padua
den Tiberio Deciano, ivi publico lettore, zum Cavaliere die
San Giorgio della milizia constantinopolitana macht, wird sonst
nirgends erwähnt. Stieglitz XIX. XXI. XXII. XXni. Mila-
kovi6 79.
1 Giorgio fuggi in Francia e poi a Roma, ma non trovando ricapito,
disperato passt» a Constantinopoli e si fece Turco. Stieglitz XXII.
Die serbischen Dynasten Crnojevic.
79
V.
Zur inneren Geschichte von Montenegro.
Montenegro wird nach einer weitverbreiteten Meinung theo-
kratisch regiert : diese Regierungsform sei eingeführt worden,
als Georg Crnojevi6, das Land verlassend, die Herrschergewalt
dem Metropoliten, den die einen German, die andern Vavila
nennen, feierlich übergab. 1 Dagegen ist zu bemerken, dass
die Quellen von einer Übergabe der Regierung an den Metro
politen nichts wissen; dass ferner die blosse Vereinigung der
geistlichen und der weltlichen Gewalt in einer Person die theo-
kratische Regierungsform nicht begründet; dass endlich diese
Vereinigung nicht so alt ist, wie man meint, dass sie sich viel
mehr im Laufe der Zeit vollzog und im Jahre 1833 defi
nitiv wurde: sie nahm ein Ende im Jahre 1852, als Danilo auf
seine geistliche Würde verzichtete und von Österreich und Russ
land als Fürst anerkannt wurde. Unmittelbar nach Georg’s
Flucht trat an dessen Stelle der Guvernadur, it. governatore,
dessen Gewalt mit derjenigen zusammenfiel, welche die Crno
jevic ausgeübt hatten, eine Gewalt, die, auf die Führung im
Kriege beschränkt, im Frieden kaum Gelegenheit hatte sich
zu äussern. Ein genauer Kenner des Landes sagt von Monte
negro, wie es vor einem halben Jahrhundert war, es sei dies
in Europa das einzige Land ohne alle Regierung. Vuk St.
Karadzid 30: Niemand gehorche, Niemand zahle Steuer; ge
schriebene Gesetze und das Eingreifen von Obrigkeiten werde
durch die strenge, keine Ausnahme duldende, jede Willkür aus-
schliessende Sitte, vöjjiot aypatpot, ersetzt; der Mord wurde durch
die Blutrache hintangehalten, die die Sitte nicht nur zur Pflicht
machte, sondern auch beschränkte. Einen Mord zu bestrafen
hielt Vladimir von Russland (980—1015) für eine Sünde: resa
1 In einer von ßadonjic, der sich Gouverneur nennt, für den Kaiser von
Russland bestimmten Schrift aus dem Jahre 1804 heisst es: ,Apres les
evenements connus de tout le monde et apres la mort du dernier vo'i-
vode Gjorgje Crnojevic le peuple du Montenegro est rest6 sous le regne
d’un metropolite. Le voi'vode nomme le laissa lui et ä ses successeurs,
puis aux gouverneurs et aux autres chefs descendant des familles les
plus anciennes et les plus nobles. J. Yaclfk 113.
80
Miklosich.
episkupi Vladimeru: po öbto ne kaznisi razbojnikb? om. ze
rece inn>: boju sja greha. Nestor XLY. Dass zu Anfang des
17. Jahrhunderts die weltliche Gewalt neben der geistlichen
bestand, erhellt aus Bolizza 1614: Gliubottin commandata da
Vuco Raiceu, che e capo di tutto Monte Negro, intitolato
spachi, per che ha ottenuto in dominio dalla corte in Constan-
tinopoli aleuni subditi della sua villa; daneben (II vescovo) come
metropolito commanda a tutti gli habitanti di Montenegro nel
spirituale, riconoscendo solamente il reverendissimo patriarca
di Pech per superiore. Damit steht in Übereinstimmung eine
Notiz, nach welcher vom Jahre 1358 bis 1516 die Cmojevifc,
von da an die Bane (das eigentlich kroatische ban steht für
guvernadur) der nahija Katunska aus verschiedenen Familien
regierten. Die dem Wesen nach aus dem Anfänge des 18. Jahr
hunderts stammende Notiz lautet: Vladajutte familie u Cernoj
Gori: famela Cernoevica otb 1358 poce vladatb do 1516; a kadb
se ta ugasi, onda ove farnele vladase, banovi otb nahie katunske:
1. famela Vukotica i (otb) toga roda na mnogo imenahb pro
zvano; 2. famela Punosevica, i o(tb) toga roda na mnogo ime-
nahb prozvano; 3. Radonica famela, i o(t-b) toga roda na mnogo
imena prozvano; 4. Tomanovici, na mnogo prezimena prozvani;
5. famela Milica, na mnogo prezimena prozvani; 6. Martinovici,
na mnogo prezimena prozvani; 7. famela Petrovica, i otx toga
roda mnoge su prozvanne; 8. famela Romadanovica, i ot'b toga
roda mnoge su prozvanne; 9. Mijuskovica famela, i oti toga
roda mnoge su pozvanne. I ove vladase i voevase protiva svo-
iehx neprijatelja, i svoe otecestvo dobro branise otb sile turske.
Ime receniehb famela vladase ot'b 1516 do 1711, dokle posla
Petarb velikij gramatn, i tada bese Mitropolitb Danilb Scepce-
vicb, i tada se prozva velija vlastb na kaludbere. Ovde i uzrokb
toga izlaze taj, sto su edni kaludberi pisati znali i sto je trebalo
sa drugimb dvorovima u pismennomb sojuzu byti. Serbskij
letopisb za godinu 1842. IV. 156. Darnach sind auf die Cmo-
jevi6 1516 die Bane der nahija Katunska aus verschiedenen
Familien gefolgt. Nach anderen Nachrichten war die Würde
des Guvernadur ursprünglich in dem Stamm der Vukotic, später
in dem der Radonjic erblich. Im Jahre 1694 ist der Bischof
,Seelenhirt und Oberhaupt': Daemo na znane, a navlastito za
pokojnoga vladiku Visariona cetinbskoga, kako umrie. I po tomb
Die serbischen Dynasten Crnojevic.
81
iztbrasmo za nasega pastira dusevnago i stariesinu na miesto
prtvie(ht) pokojnieht vladikiln. ... a na ime vladigu Savatia/
Starine X, Seite 25. Vasilie Petrovic (1750—1766), ,orientalis
ecclesiae graeci ritus metropolita von Montenegro und eines
Theils von Albanien, dann des Patriarchalstubles von Ipeck
vicarius' erzählt in einem Gesuche, in dem er den Kaiser für
Johann Csernovics um die Erhebung in den Grafenstand bittet,
dass den Metropoliten von Montenegro ,seit der Wegbegehung
ihrer Fürsten nothgedrungen nebst der geistlichen bischöflichen
Seelsorge auch das politicum zu handhaben obliegt“'. Urkunde
des k. k. Staatsarchivs. In jüngerer Zeit wurde dem Titel
vladika, Bischof, die Bezeichnung, upravitelj, Regent, hinzugefügt.
Den schwankenden Zustand hat schon Ranke erkannt und mit
den Worten angedeutet: ,Die Montenegriner regieren sich selbst
nach dem unvordenklichen Herkommen und den ererbten Sitten
unter dem Ansehen bald ihres Vorstehers aus dem Geschlechte
der Radowitsch (richtig Radonjic), bald .des Wladika, ihres
Bischofs, je nachdem Persönlichkeit oder Verdienst des einen
oder des anderen überwiegt/ Seite 8. Die Unsicherheit in der
Person des rechtmässigen Oberhauptes macht es erklärbar, dass
ein Abenteurer, Scepan mali, Stefan der Kleine, der sich für
Peter IH. (j 1762) ausgab, 1767 zu grossem Einfluss gelangen
und sich bis 1774 behaupten konnte. Nach der oben ange
führten Notiz ist die weltliche Gewalt 1711 auf die Mönche
übergegangen: Anlass dazu habe das an den Metropoliten Danil
gerichtete Schreiben Peter’s des Grossen vom 3. März 1711, ab
gedruckt bei Milakovic Seite 109, geboten und der Umstand,
dass nur die Mönche des Schreibens kundig waren und nur sie
mit fremden Höfen in Verkehr treten konnten. Daneben bestand
der zeitweilig einflussreiche Guvemadur, dessen Würde, wie ge-
sagt, zuletzt in der Familie Radonjic und dem Stamme Njegusi
erblich war: der letzte Guvemadur wurde 1833 des Landes
verwiesen, weil er des Versuchs beschuldigt ward, nach dem
Tode des Vladika Peter I. die geistliche und weltliche Gewalt
in seiner Person zu vereinigen. Vuk Seite 32. Da Radonjic
kein Mönch war, so darf vermuthet werden, dass er vielmehr
darnach gestrebt habe, die Macht des Bischofs auf die geist
lichen Angelegenheiten zu beschränken und die Würde des
Guvemadur zur massgebenden zu erheben. Wie in Monte-
Sitznngsber. d. phil.-hist. CL CXII. Bd. I. Hft. 6
82
Miklosicli.
negro, so hat auch in Japan das geistliche Oberhaupt, der
Mikado, 1869 über das weltliche, den Taikun, den Sieg davon
getragen.
Stieglitz, der Montenegro 1840 besuchte, erzählt, in der
Familie der Radonitsch von Raicewitch sei seit dem Passaro-
witzer Frieden 1718 die Würde des weltlichen Gubernators
erblich gewesen; 1833 sei auf Befehl des damals einund
zwanzigjährigen Rade Tomov Petrovi6, als Vladika Peter II.,
der beinahe sechzigjährige Gubernator Vuko Radonjid, der nach
dem Tode Peters I. den von ihm bezeichneten Nachfolger an
zuerkennen sich beeilte, gefangen nach Cetinje geführt, nach
einiger Zeit zwar freigelassen, schliesslich jedoch mit seiner
zahlreichen Familie aus dem Lande gejagt, sein Haus nieder
gebrannt und sein übriges Besitzthum confiscirt worden; Ra-
donjic habe sich in Cattaro niedergelassen, wo nach seinem
Tode seine Familie von der österreichischen Regierung einen
Gnadengehalt bezog; ein jüngerer Bruder des Vuko, Jure,
Djuzo, sei kurz vor Einleitung des Processes ermordet worden:
dem Reisenden wurde bemerkt, dass, wenn dieser durch
Tapferkeit ausgezeichnete Mann am Leben geblieben wäre, die
Vertreibung der Familie Radonjic bedeutende Schwierigkeiten
gefunden hätte. Seite 50—55.
Mit dem über die montenegrinische Revolution oben Ge
sagten vergleiche man die folgende Darstellung des russischen
Reisenden Jeg. Kovalevskij : ,Die Regierungsgewalt hatte ihren
Mittelpunkt in der Person des Mitregenten des Bischofs, der den
Namen Gubernatur (Guvernadurj führte. Diese Gewalt, mit der Re
gierung des Landes unvereinbar, schlich sich in unvordenklichen
Zeiten mit Gewaltmitteln ein; der Bischof hatte in dem Guver-
nadur selten einen Förderer seiner guten Absichten; häufiger
handelte der weltliche Regent dem Willen des geistlichen und
der Einheit der Regierung entgegen. Ursprünglich in der Fa
milie, rod't, der Vukotic erblich, soll diese Würde durch Kauf
an die Familie der Radonjid übergegangen sein, was nicht wahr
scheinlich ist, da zu einer solchen Veränderung die Zustimmung
des Volkes nothwendig gewesen wäre. Die Veränderung be
ruhte wahrscheinlich auf Familienverbindungen. Die RadonjF
verschworen sich gegen die Person und die Würde des Bischofs;
der Guvernadur, vor dem Senate der Verletzung der Rechte
Die sorbischen Dynasten Crnojevic.
83
des Bischofs, des Missbrauchs des Staatssiegels und des Landes-
verrathes beschuldigt, wurde mit seiner ganzen Familie, semej-
stvo, und den Mitverschworenen verbannt. Die Würde des
Guvernadur ward aufgehoben/ Seite 15. Genaueres über diese
Revolution scheint Kovalevskij durch mündliche Mittheilung
Peters II. bekannt geworden zu sein und es ist zu bedauern,
dass er seine Kenntniss über diese ,schwarze ThaF nicht auf
gezeichnet hat. Frilley und Wlahovitj berichten darüber wie
folgt: ,Le second evenement que nous devons rappeier fut la
mise en accusation et le bannissement du gouverneur Vouko
Radonitj, qui, par des manceuvres habiles aupres de l’Autriche,
tentait, en substituant dans le pays Finfluence de cette puissance
h. celle de la Russie, de se menagcr a lui-meme l’autorite ab-
solue. Ainsi finit le pouvoir civil qui, depuis 1516, n’avait pas
cesse de fonctionner ä cöte de l’autorite theocratique/ 60. Nach
einer anderen Erzählung haben die Venetianer in Montenegro
die Würde des Guvernadurs eingeführt und den weltlichen Re
genten in der Absicht, Montenegro zu erwerben, gegen den
Bischof ausgespielt, da der bedürfnisslose Mönch auswärtigem
Einflüsse minder zugänglich schien als der für eine Familie
sorgende Guvernadur. Die Politik der Venetianer hätten die
Österreicher fortgesetzt, was die von Radonjic mit den öster
reichischen Behörden in Dalmatien geführte Correspondenz er
geben habe. Man beachte, dass das Landessiegel in Hälften
getheilt war, von denen sich die eine im Besitze des Guver
nadurs, die andere in dem des Bischofs befand. Dass beim
Anwachsen der Macht des letzteren, das durch die in der Fa
milie der Petrovic gleichsam erblich gewordene Bischofswürde
unterstützt ward, Streit nicht ausbleiben konnte, ist begreiflich.
Dazu kam die russische Subvention, die schon unter Peter I.
die weltliche und die geistliche Macht entzweite. Medakovic,
P. P. Ncgoä. Die Erzählung ist bei der politischen Lage vor
einem halben Jahrhundert kaum glaubwürdig: der Russe Ko
valevskij hätte dergleichen Thatsachen sicher laut verkündigt.
Dass man für knez zu dem fremden Guvernadur griff, beruht
auf demselben Grunde, aus dem man heutzutage das serbische
knez durch das russische knjaz ersetzt.
Die Einrichtungen, die wir bei den Stämmen Montenegro’s
finden, gewinnen dadurch eine höhere, allgemeine Bedeutung,
84
Miklosich.
dass wir in ihnen die ursprüngliche Verfassung der slavischen
Gemeinde, des slavischen Staates erkennen. In Montenegro sind
alle gleich: der ärmste kann einem jeden erwidern: ,ich hin
weder geringer noch von schlechterer Abkunft als du - '. Auch
in Kleidung und Lebensweise unterscheiden sich die Oberhäupter
durchaus nicht von den übrigen Montenegrinern: selbst der
Vater und die Brüder des Vladika sind durch die Tracht keines
wegs vor den übrigen ausgezeichnet. Bei Verhandlung öffent
licher Angelegenheiten in Volksversammlungen kann jeder, be
sonders wenn er eine starke Familie hat, gegen hundert Stimmen
sagen: ,das oder jenes will ich nicht', aus dem einfachen Grunde,
weil es ihm nicht beliebt (man erinnert sich hiebei an das be
rühmte ,nie pozvalam' der Polen), oder er kann da versprechen,
ohne sich um das Halten viel zu kümmern. Vuk 33. 34. In
dieser Verfassung spielt wirthschaftlich die patriarchalische
Hauscommunion, zadruga, die den Montenegrinern mit den
übrigen Serben und mit den Kroaten gemeinsam ist, eine her
vorragende Rolle. Nicht minder bedeutsam ist die Blutrache,
osveta, die Leib und Leben in einer Zeit schützt, wo der Staat
diesen Schutz nicht als seine Aufgabe erkennt. Was die übrigen
Einrichtungen anlangt, so besitzen wir in der Sprache ein Mittel,
das ursprüngliche von den späteren Zuthaten zu sondern. Das
Volk zerfällt in Stämme, plemena, Singular pleme, der Stamm
in Familien, bratstva, Singular bratstvo. An der Spitze des
pleme, jetzt eine Unter ab theilung der Nahija, steht der erbliche
Knez, altslov. kinegn, knnezt, ein Wort, das, aus einem ger
manischen kuninga entstanden, das einzige Fremdwort ist, das
eine slavische Institution bezeichnet, das daher auch zu den
allerältesten Entlehnungen des Slavischen zu rechnen ist. Knez
scheint jedoch das ältere mit Krieg in Zusammenhang stehende
vojvoda verdrängt zu haben: starjesine od knezina ili plemena
zovu se vojvode. Die Eintheilung des Gebietes in Nahijen,
Nahija, ist türkischen Ursprungs; dasselbe gilt von der Würde
des Serdar, der der Nahija vorsteht. Kmet Schiedsrichter ist
slavisch, Kadi Richter türkisch. Neben Vojvoda und Knez wird
von Vuk 32 als gleichfalls erblich angeführt der Barjalctar,
türkisch, eigentlich Fahnenträger, ohne Bezeichnung seiner poli
tischen Stellung. Glavar, der Vornehme, hat wohl nur eine sociale
Bedeutung. Senat, Gvardija, eine Art Sicherheitswache', mit
Die serbischen Dynasten Crnojevic.
85
dem Kapetan od gvardije sind fremd. 1 Perjanici, Federbußch-
träger, eine Art Leibwache des Fürsten, sind jungen Datums,
jedoch autochthon. Vladika, Bischof, ist der slavische Stell
vertreter des griechischen ceG~crr,q. Das fremde Guvernadur
trat an die Stelle des slavischen Knez, wie sich die Crnojevic
nannten, die daneben den Titel Vojvoda führten.
Die Institutionen, die durch die Worte Zadruga, Osveta,
Plcme und Bratstvo, Vojvoda, Knez und Kmet bezeichnet wer
den, bilden die altslavische Stammesverfassung. Alles übrige
ist spätere Zuthat. Dasselbe gilt von den anderen serbischen
Stämmen. Die gegenwärtig mit Montenegro verbundenen Vaso-
jevic waren bis zur Regierung des Fürsten Danilo vollkommen
unabhängig, sie lebten in voller Stammesfreiheit: der Kloster
vorsteher von Djurdjevi Stupovi und der Knez Sima Lakicevic
hatten einigen Einfluss beim Volke, entscheidend war die Stärke
des Stammes und Kühnheit: inade je sve stajalo do snage ple-
mena i do odvazne ruke. Glasnik V. Seite 69.
Der Unterschied zwischen dem hier skizzirten Gemein
wesen und dem alles besorgenden, nach der Herrschaft über
die Gewissen strebenden, als Sprachmeister auftretenden und
Liebe heischenden modernen Staate ist so gewaltig, dass man
Anstand nehmen muss beide mit demselben Namen zu be
zeichnen. Wenn jedoch zum Wesen des Staates nichts anderes
erfordert wird, als dass das Volk organisirt und im Besitze eines
Landes sei, dann war Montenegro auch vor einem halben Jahr
hundert unzweifelhaft ein Staat. Es wäre sehr zu wünschen,
dass uns das ungeschriebene Gesetz der schwarzen Berge besser
bekannt wäre, als es zur Zeit ist.
VI.
A n li a n g.
1. Stephanus Maramonte. 2. Das Dynastengeschlecht der Jurasevic.
3, Quellen. 4. Literatur.
1. Stephanus Maramonte.
In den Jahren 1429 bis 1440 trieb sich in Albanien ein
Stefan Maramonte umher und machte den Venetianern so
1 Kuluk, türkisch, eigentlich Proline, Dienst, ward durch gvardija ersetzt.
Stieglitz 54. Dass Kuluk, wie Wilkinson 1. 463. angibt, ein ,judicial
tribünal“ gewesen sei, ist wohl ein Irrthum.
86
Miklosicli.
viel zu schaffen, dass sie auf seinen Kopf einen Preis von 500
Ducaten setzten 1429. 1430. Glasnik XIII. 277. 278.280. Orbini
hält diesen Maramonte für einen neapolitanischen Edelmann;
nach Flavius Comnenus ist er ein Dalmatiner, dem von Balsa III.
Montenegro geschenkt worden sei. Du Cange, Historia byzan-
tina. Ed. Paris. 347. Nach Luccari 85. war Mauromonte (so
schreibt er den Namen) ein Vetter der Balsa, der zur Zeit
Balsas III. als Verbannter in Apulien lebte: er habe eigentlich
Stefan Crnogorac geheissen und sei nach dem Tode Balsas III.
von den Bewohnern von Zeta als rechtmässiger Nachfolger ihres
verstorbenen Herrschers aus Apulien zurückgerufen worden; er
habe sich in Dulcigno, Smokovica und Montenegro festgesetzt
und sich durch starke Befestigung seiner Residenz Zabljak
vom serbischen Zeta und den Venetianern abgeschlossen: alles
dies sei 1423 vor sich gegangen. Nach Lenormant stammt
Maramont von einer französischen, in Apulien angesiedelten
Familie ab, Stefan Maramont sei mit Stefan Crnojevic identisch,
der Name Balsa sei abzuleiten von Baux, einer Stadt der
Provence, deren Ruinen in der Nähe von Arles und Saint -
Remy sichtbar seien: dies sei von Du Cange avec la süretc
incomparable de critique qui lui est ordinaire festgestellt worden.
Turcs et Montenegrins 1. 20. 30. Diese Erzählung ist unrichtig:
Stefan Maramonte wird mit Stefan Crnogorac nur deswegen
identificirt, weil man in Mauromonte, einer Namensform, die
man der in den venetianischen Quellen allein nachweisbaren
Form Maramonte substituirte, eine halb griechische, halb lateini
sche Übersetzung des slavisclien Crnogorac erblickte. Dies
that Luccari, ihm folgte Ph. J. Fallmerayer 8. 698. Nach Mila-
kovic 43. ist Maramonte mit Stefan Crnojevic eine Person. Aus
den Quellen geht hervor, dass Stefan Maramonte ein condot-
tiere war, der vor 1429 in der Lombardie, dann in Albanien
den Venetianern Dienste leistete, später jedoch gegen sie auf
trat (ribellis nostri dominii), so dass ihm die venetianische Re
publik 1440, das sichere Geleit versagte: habito respectu ad
illa, que Stefanus Maramonte, dum esset in bis partibus Lom-
bardiae in nostris servitiis, contra fidem et promissiones
suas contra nos attentavit, non videtur nobis sibi concedere
salvum conductum. 1440. Glasnik XIV. 40. Auf der Identität
des Maramonte mit Stefan Crnogorac gründet Fallmerayer seine
Die serbischen Dynasten Crnojevic.
87
Behauptung von dem albanischen Ursprung der Crnojevic. Wer
in Stefan Crnojevic einen neapolitanischen Edelmann oder einen
Albanier sicht, vergisst, dass bei der Stammverfassung es einem
fremden Abenteurer nimmer gelungen wäre, auch nur auf kurze
Zeit bei den Serben eine Herrschaft zu gründen, da kann der
Häuptling nur bei seinen Stammangehürigen auf Gehorsam und
Anhänglichkeit rechnen. Die Ableitung des Namens bahsa,
balsa, baosa aus dem französischen Baux ist aus der Luft ge
griffen : der Name kann von den Personennamen bal, bao, balin
usw. nicht getrennt werden; sa ist Suffix. Vergleiche meine Ab
handlung: Die Bildung der slavischen Personennamen 20. 33.
2. Das Dynastengeschleeht der Jurasevic.
Dieselbe Bolle wie die Crnojevic in der obern Zeta,
scheinen die Jurasevic, in den venetianischen Quellen meist
Juras genannt, in der untern gespielt zu haben: die Grenze
zwischen den beiden Zeta lässt sich nicht feststellen. Die Jura
sevic werden zuerst im Jahre 1420 erwähnt, sie verschwinden
mit dem Jahre 1454. ,Gjurasevici i Crnojevici su dve razlicne
porodice zetske‘ sagt mit Recht Ruvarac in Prilozci I. 33.
1420, 8. März. Die Venetianer versprechen dem Georg
und Alexius Jurasevic, barones Xentae, als ihren Verbündeten
gegen die Balsa, das zu erobernde Budva zu übergeben:
Perveniente Castro Buduae ad manus nostri dominii nos erimus
contenti dare dictum castrum Buduae Georgio et Alexio Juras,
illis existentibus confederatis nobiscum, debitis et congruis mo-
dis, qui placeant nostro dominio. Glasnik XIII. 13. 17. 22. 23.
Gjurgj i Lesb Gjurasevici Pucic 1858. 49. Als Brüder von Georg
und Alexius werden Koja und Zacharias genannt. Glasnik
X. 17.
1422 , 4. October. Georg und Alexius J urasevic sind
Gegner der Venetianer: diese beauftragen den Marcus Barba-
digo, ihnen, wenn sie zum Gehorsam zurückkehren, de introi-
tibus Catari yperperos mille usque ad mille ducentos in anno
zu versprechen; für sie habe man allsogleich gekauft pecias
viginti novem pannorum et pecias quadraginta duos fustaneo-
rum. Glasnik XIII. 104. 126.
1427, 1. Jänner. Die Venetianer weigern sich die nobiles
Zentae partium Albanie, Georgius und Alexius Juras, als ihre
88
Miklosioli.
Unterthanen anzuerkennen, quia per formam pacis firmatae
cum condam domino despoto Rassiae et domino Georgio Yulci,
nepote eius, ipsi, Alexius et Georgius Juras, sunt subditi eorum.
Glasnik XIII. 269.
1435, 14. August. Ein Jurasevic batte sieb einiger von den
Yenetianern in Anspruch genommenen Landstriche bemächtigt:
Possessiones Jariste vi accepit et tenet unam bastinam, que
est Cbalogiurgi Cbiudicb ex Pastrovicbis usw., während sich
die Venetianer im Besitze der wohl dem Jurasevic gehörigen
catuni Cernogore befanden. Glasnik XIV. 14. 16.
1435. Den Jurasevid gehört Njegusi im heutigen Monte
negro: Jurasevich et Negusi subditi sui. Glasnik XIV. 15.
1435. Jurasevic (welcher, wird nicht gesagt, es ist wohl
Stefanica gemeint) wollte sich weder dem serbischen Despoten
(Juraseuich tune hostis et rebellis domini despoti) noch den
Venetianern unterwerfen. Glasnik XIV. 14.
1442. Georg Jurasevic hatte vier Söhne: die Namen
dreier sind unbekannt: Stefaniza, fiuol de Zorzi Juras. 1426.
22. April Glasnik XIII. 248. Stefaniza Juras e altri Jurasi. 1442.
19. Jänner. Glasnik XIV. 57.
1454, 4. April. Kalogurag Jurasevic, welcher einen Ver
trag mit dem Kloster des heiligen Nicolaus in Vranjina schliesst,
ist nirgends unterzubringen. Monumenta serbica 463.
3. Quellen.
Die zuverlässigen Quellen der Geschichte der Familie Crno-
jevic sind folgende: a) Monumenta serbica, edidit Fr. Miklosich.
Viennae. 1858. b) Spomenici srbski. Prepisao knezMedo Pucic. U
Beogradu. 1858.1862. c) Die von Dr. Janko Safafik im Aufträge
der serbischen Regierung im venetianischen Archiv gemachten
Auszüge, welche die Geschichte der südslavischen Stämme um
fassen : sie sind im Glasnik druztva srbske slovesnosti veröffent
licht: X (1858), XII (1860), XIII (1861), XIV, XV (1862).
d) Acta et diplomata graeca medii aevi sacra et profana, collecta
ediderunt Fr. Miklosich et Jos. Müller. Vindobonae. 1865. III.
e) Marino Sanudo (1466—1535). Diese Quellen sind geeignet,
manchen Punkt der venetianischen und der osmanischen Ge
schichte aufzuhellen und Klagen, wie die Hammer’s über die
Unauffindbarkeit des Sandellandes, r, SavSdXew y v o)p a > Band 2. 550
1
■
Die serbischen Dynasten Crnojevic. 89
verstummen zu machen: es ist dies das Land von Sanbdalb
Hranicb. Vergl. Gj. Danicic Rjeönik 3. 426. Sie werden Ph. J.
Fallmerayers Darstellung in mehr als einem Punkte berichtigen.
Zu den unzuverlässigen Quellen, welche bisher fast aus
schliesslich benützt worden sind, sind zu rechnen: a) Mauro
Orbini, abbate di Meleda, aus Ragusa (j 1614). II regno degli
Slavi. Pesaro. 1601. b) Giaccomo Luccari (gleichfalls aus Ra
gusa (j 1615), Copioso ristretto degh annali di Rausa. Venezia.
1605. c) Rukopisx crnogorskoga. vladyke Petra I. Die Schrift,
welche die Geschichte Montenegro’s von den ältesten Zeiten
bis 1711 enthält, ist abgedruckt in der Grlica für 1835.
d) Lotopis'b crnogorskij. Die Erzählung reicht bis zum Jahre
1749. e) Das Campidoglio Veneto, ein auf der Marcusbibliothok
befindliches Manuscript in vier Foliobänden, ,legt sorgfältige
Rechenschaft ab von den bedeutendsten Patricierfamilien der
Republik'; es ist ein ,prezioso manoscritto'. Der volle Titel
des Werkes lautet: 41 Campidoglio Veneto, in cui si hanno
1’ arini, 1’ origine, la Serie degli uomini illustri e gli arbori della
maggior parte delle famiglie, cosi estinte come viventi, tanto
cittadine quanto forestiere, che hanno goduto o che godono della
nobilta patrizia di Venezia. Fatica di Girolamo Allessandro
Cappellari Vivaro, Vicentino.' Ob die Handschrift in den die
einheimischen Familien betreffenden Theilen das ihm gespendete
Lob verdient, mag dahingestellt bleiben, dass es jedoch in den
hier in Betracht kommenden Theilen unkritisch ist, geht aus
der folgenden Stelle hervor: ,Hebbe la famiglia Cernovicchio
(Zernovicchio, Zarnoevicchio) communi li natali con li Castrioti,
Ducagini e Cosazza (offenbar Kosaca, jene Famihe, der. auch
Herceg Stjepan angehörte), come prova Giovanni Andrea Flavio
Comneno nelle sue Genealogie, facendoli tutti derivare dall’ im
periale ceppo Comneno. Possede stati e paesi nell’ Albania, e da
essa, secondo T abbate Miniati, uscirono li conti di Xadrina, li
duchi di Salona e di Sabiaco con li signori di Montenegro.'
Der Stammbaum wird bis auf 1071 zurückgeführt. Stieglitz XIX.
4. Litteratur.
Andric, A., Geschichte von Montenegro bis 1852. Wien. 1853.
Arkiv za povjestnicu jugoslavensku. U Zagrebu. 5. 6. 8. 12.
1863—1875.
I
90
Miklosich.
Bolizza, Mariano, Nobile di Cattaro, Relatione et descrittione
del sangiaeato di Scuttari, dove si ha piena contezza delle
citta et siti, loro villagi, case et habitatori, rito, costumi,
havere et armi di quei popoli, et quanto di considerabile
minutamente si contenga in quel ducato. Di Venezia, li
25. niaggio 1614. Die erste Nachricht von diesem wich
tigen Denkmal verdanken wir Leopold Banke: Die ser
bische Revolution. Hamburg. 1829. Seite 234. Ranke be
nutzte die Handschrift in der Marcusbibliothek. Seither
ist dieser Bericht gedruckt worden von der südslavischen
Akademie und von F. Lenormant, Turcs et Montenegros.
Paris. 1866. Seite 286.
Boulongne, A., Le Montenegro, le pays et ses habitants. Paris.
1869.
Danieic, Gj., Rjeönik iz knjizevnih stariua srpskih. U Bio-
gradu. 1863. 1864.
Delarue, H., Le Montenegro. Paris. 1862.
Dopisi izmedju krajiskih turskih i hrvatskih castnika. Priobcio
Fr. Racki. Starine XI. Seite 76—153. XII. Seite 1—42.
(Herausgegeben von der Südslavischen Akademie).
Fallmerayer, Pli. J., Das albanesische Element in Griechen
land. In den Abhandlungen der historischen Classe der
k. Bayrischen Akademie der Wissenschaften. Band 8. 9.
Farlati, D., Illyricum sacruni. Venedig. 1751—1775.
Fresne, Du, dominus Du Cange, C., Historia byzantina. Lutetiae
Parisiorum. 1680. Seite 347: Duces Montis Nigri, wo sich
Du Cange auf Flavius Comnenus beruft.
Frilfey, G., et Jovan Wlahovitj, Le Montenegro contemporain.
Paris. 1875.
Glasnik drustva srbske slovesnosti. U Beogradu.
Gopcevic, Sp., Montenegro und die Montenegriner. Leipzig. 1875.
Hecquard, H., Historie et description de la haute Albanie.
Paris. 1859.
Kapper, S., Das Fürstenthum Montenegro. Unsere Zeit. 1875.
l. Das Land. 642—664.
Kohl, J. G., Reise nach Istrien, Dalmatien und Montenegro.
Dresden. 1851.
Kovalevskij, Jeg., Cetyre mesjaca vs, Cernogorii. S. Peter-
burgi. 1841.
Die serbischen Dynasten Crnojevic.
91
Lenormant, Fr., Turcs et Montenegrins. Paris. 1866.
Marinier, X., Lettres sur l’Adriatique et le Montenegro. Paris.
1854.
Medakovic, V. M. Gr., Zivot i obieai Crnogoraca. U No vom
Sadu. 1860.
Medakovi6, V. M. Gr., P. P. Nego£. U Novom Sadu. 1882.
Milakovic, D., Istorija Crne Gore. U Zadru. 1856.
Milutinovid, S., Istorija Crne Gore. Beograd. 1885.
Monumenta serbica spectantia kistoriain Serbiae, Bosnae, Ra-
gusii. Edidit Fr. Miklosich. Viennae. 1858.
Pucic, Knez Medo, Spomenici srbski prepisao iz dubrovacke
arbive. I. II. U Biogradu. 1858. 1862.
Rad jugoslavenske akademije znanosti i umjetnosti. U Zagrebu.
Von 1867 an.
Ranke, L., Die serbische Revolution. Hamburg. 1829.
Rasch, G., Montenegro. Skizzen. Dresden. 1875.
Reinsberg - Düringsfeld, Freiherr Otto von, Montenegro.
Unsere Zeit. 1858. 323—344.
Ruvarac, I., Prilosci k objasnjenju izvora srpske istorije.
I. Gin. H. xm-xxiv. Aus dem Glasnik XLVII. XLIX.
U Beogradu. 1878. 1880.
Sanudo, Marino, Diarii. Venezia. Von 1879 an. In dieser Aus
gabe wurde von mir das Werk bis zum Jahre 1503 be
nützt. Der Rest ist den Auszügen G. Valentinelli’s ent
nommen: Esposizione dei rapporti fra la republica veneta
et gli Slavi meridionali. Brani tratti dai Diarj di Marino
Sanudo esistenti nelT I. R. Biblioteca di S. Marco. 1496
bis 1533. Volume I. 1496—1516. Die Fortsetzung im
Arkiv iugoslavenske poviestnice von Ivan Kukulievic. 5.
6. 8. 12. 1516-1528.
Starine. Izdaje jugoslavenska akademija znanosti i umjetnosti.
U Zagrebu. Von 1869 an.
Stieglitz, K., Ein Besuch auf Montenegro. Stuttgart und
Tübingen. 1841.
Strangford, Viscountess, The eastern shores of the Adriatic.
London. 1864.
Vaclik, J., La souverainete du Montenegro. Leipzig. 1858.
Vasilij Petrovict, Mitropolit crnogorskij, skenderijskij i pri-
morskij i throna srbskago eksarkx, Istorija o Cernoj Gore.
92
Mi kl o sich. Die serbischen Dynasten Crnojevic.
Moskau. 1754. Äbgedruckt in Srbski ljetopis za godinu
1845. I. 1—28.
Vialla de Sommieres, Voyage historiquc et politique au Monte
negro. Paris. 1820.
(Vuk, Stef. Karadzic), Montenegro und die Montenegriner.
Stuttgart und Tübingen. 1837.
Wilkinson, I. G., Dalmatia and Montenegro. London. 1848.
IV. SITZUNG VOM 3. FEBRUAR 1886.
Die k. ungarische Franz Josefs-Universität zu Klausenburg
erstattet ihren Dank für die Ueherlassung akademischer Schriften.
Von Druckwerken werden zur Vorlage gebracht:
,Recueil des instructions donnees aux ambassadeurs et
ministres de France depuis les traites de Westphalie jusqu’a
la revolution francaise, II. Suede, avec une introduction et des
notes par A. Geffroy', und ,Correspondance politique de M. M.
de Castilion et de Marillac, ambassaderrrs de France en Angleterre
(1537—1542), publiee par M. Jean Kaulek', übermittelt durch
die französische Botschaft am Wiener Hofe im Aufträge des
Herrn Ministers für auswärtige Angelegenheiten;
,Les recents voyages des Neerlandais a la Nouvelle-Guinee',
übersendet von dem Herrn Verfasser, prince Roland Bonaparte
in Paris;
der X. Band der , Archivalischen Zeitschrift 1 , eingesendet
von dem Director des Allgemeinen Reichsarchives in München,
Herrn Geheimrath Dr. von Löher;
,Herbstblumen oder alte, ernste Wahrheiten/ Zur Illustra
tion des christlichen Volksunterrichtes in der vorreformatorischen
Zeit, nach Originalschriftcn bearbeitet und eingesendet von dem
Herrn P. Vincenz Ilasak, Ehrendechanten in Weiskirclilitz.
Das w. M. Herr Ministerialrath Dr. Werner legt eine
für die Sitzungsberichte bestimmte Abhandlung vor unter dem
Titel: ,Zwei philosophische Zeitgenossen und Freunde G. B.
Vico’s. II: Tommaso Rossi'.
94
Von Herrn Dr. Fritz Stöber in Wien wird eine Ab
handlung, betitelt: Quellenstudien zum Laurentianischen Schisma
(498—514)‘ mit dem Ersuchen um ihre Aufnahme in die
akademischen Schriften überreicht.
Die Abhandlung wird einer Commission zur Begutachtung
überwiesen.
M. Paul Foucart, membre de l’Institut, directeur de
r '
l’Ecole francaise d'Athenes, richtet an den Präsidenten der
Akademie ein Schreiben in Betreff des Senatusconsultum von
Lagina, welches mit den von Herrn Hofrath Benndorf daran
geknüpften Bemerkungen in dem Anzeiger veröffentlicht wird.
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Akademie der Wissenschaften, kaiserliche: Zapiski. Tome LI, Nr. 1 St.
Petersburg, 1S85; 8°.
Chalmers, Patrick: The adliesive Postage-Stamp. London, 188G; 8".
Giessen, Universität: Akademische Schriften pro 1SS2—1884.— 38 Stücke
8° und 4 n .
Hamburg, Stadtbibliothek: Schriften der wissenschaftlichen Anstalten pro
1883—1885. — 70 Stücke 4°.
Revue, Romanische: I. Jahrgang, VI. Heft. Budapest, 1885; 8°.
— Ungarische: VI. Jahrgang, I. Heft. Januar. Budapest, 1886; 8°.
Society, tlie American geographical: Bulletin. 1885. Nr. 2. New-York; 8°.
— the Royal Asiatic of Great-Britain and Ireland: The Journal. N. S.
Vol. XVIH, Part I. London, 1886; 8°.
Töche, Theodor: Leopold v. Ranke an seinem 90. Geburtstage, 21. De-
cember 1885. Ansprachen und Zuschriften. Berlin, 1886; 8 n .
Verein, historischer für das Grossherzogthum Hessen: Quartblätter. 1885.
Nr. 3. Darmstadt, 1885; 8°.
— kroatisch-archäologischer: Viestnilc. Godina Vm. — Br. 1. U Zagrebu,
1886; 8°.
Volkmar, Gustav: Die neu entdeckte urchristliclie Schrift ,Lehre der zwölf
Apostel an die Völker 1 . Leipzig und Zürich, 1885; 8°.
Werner. Zwei philos. Zeitgenossen u. Freunde G. B. Vico’s. II.: T. Rossi. 95
Zwei philosophische Zeitgenossen und Freunde
G. B. Vico’s.
Von
Dr. Karl Werner,
wirkl. Mitgliede der kais. Akademie der Wissenschaften.
II.
Tonunaso Rossi.
Inhaltsübersicht.
§. 1. Leben und Schriften Rossi’s, seine persönlichen Beziehungen zu Vico;
Wiedererneuerung seines Andenkens durch die heutigen Verehrer Vico’s. —
§. 2. Die allgemeinen philosophischen Grundanschauungen Rossi’s; Ueberblick
seines philosophischen Systems. — §. 3. Rossi’s Platonismus, Anstrebung einer
Verschmelzung des platonischen Idealismus mit dem richtig verstandenen
Aristoteles, Polemik gegen die vulgären Peripatetiker und modernen Ato-
misten. Das Verhältniss des Einen zum Vielen als Grundproblem der philo
sophischen Forschung; die aus der Ermittelung dieses Verhältnisses sich er
gebende Gestaltung des Weltbegriffes Rossi’s. — §. 4. Die Concretisirung des
allgemeinen Seinsgedankens durch Ermittelung der drei wesentlichen Formen
des Seins als dynamologischer Principien der Weltgestaltung; die Wirkung
der Mens universalis auf die Materia universalis und die hieraus resultirende
Natura universalis; der Mensch als Mittleres zwischen Gott und der Natura
universalis. — §. 5. Die Rationalität als distinctiver Charakter des Menschen;
die menschliche Ratio als Mittleres zwischen Intelligenz und Sinn,,die hier
aus resultirende Nothwendigkeit angeborner Ideen, Vertretung derselben
gegen Locke. — §§. G. 7. Rossi’s Stellung zur Cartesischen Doctrin, Polemik
gegen Spinoza; denk verwandte und gegensätzliche Beziehungen zwischen
Rossi und Giordano Bruno. — §. 8. Geistiges Verhältniss Rossi’s zu Vico
und P. M. Doria; seine Stellung im allgemeinen Entwickelungsgange der
italienischen Philosophie.
1.
Tommaso Rossi gehörte bis zu den letzten Decennien
dieses Jahrhunderts herab zu den mindest bekannten philosophi
schen Schriftstellern des achtzehnten Jahrhunderts. In dem
von B. Poli gegebenen Abrisse der Geschichte der neueren
96
Wern er.
italienischen Philosophie wird seiner nicht gedacht; selbst in
Schriften, welche wie jene Ferrari’s, Cantoni’s und Siciliani’s,
speciell Vico und seine Zeitgenossen behandeln, wird er nicht
erwähnt. Man wusste, ehe neuerlichst die Aufmerksamkeit
auf ihn gelenkt wurde, über seine Person und über seine
philosophischen Bestrebungen kaum Mehreres, als was aus den
in die Gesammtausgabe der Werke Yico’s aufgenommenen zwei
Briefen, die zwischen ihm und Vico gewechselt worden waren, 1
zu entnehmen war. Anlass und Gegenstand des in die Jahre
1735—1737 fallenden brieflichen Verkehres zwischen Rossi
und Vico war das vorletzte der philosophischen Werke Rossi’s,
für dessen Uebersendung Vico dankt und dem Verfasser be
geisterte Anerkennung zollt, während dieser seinerseits der
Hoffnung Ausdruck gibt, Vico’s Urtheil werde dem über
sendeten Buche in und ausserhalb Italien als wirksame Em
pfehlung dienen. Aus diesem brieflichen Verkehre lässt sich
entnehmen, dass Rossi, über dessen Geburts- und Todesjahr
bis jetzt nichts Sicheres ermittelt wurde, ein etwas jüngerer
Zeitgenosse Vico’s war, obschon er dazumal, als er mit Vico
sich in Verbindung setzte, dem Abschlüsse seiner Lebens-
tliätigkeit schon ziemlich nahegerückt gewesen zu sein scheint;
denn diejenige philosophische Arbeit, welche er in dem Vico
übersendeten Werke als eine demnächst erscheinende in Aus
sicht stellt, war die letzte seiner schriftstellerischen Publi-
cationen. Das Wenige, was sonst noch über Rossi’s Lebens
verhältnisse bekannt ist, beschränkt sich darauf, dass er aus
Montefusco oder Montcfuscolo in der neapolitanischen Provinz
Avellino gebürtig war und dem geistlichen Stande angehörte;
er scheint über die engen Grenzen der heimatlichen Provinz
niemals hinausgekommen zu sein. Auf dem Titelblatte jenes
Werkes, welches er Vico übersendete, ist er als Propst'(Abate
infulato) der in der Nähe seines Geburtsortes befindlichen
Collegiatkirche di S. Giorgio della Montagna bezeichnet; auf
dem Titel einer früheren Publication erscheint er als Rector
der Kirche seines Geburtsortes (Chiesa di S. Maria della Piazza).
Wie seine bescheidenen Lebensverhältnisse bisher einer ge
naueren Erforschung sich entzogen, sind vorläufig auch von
1 Vgl. Vico, Opp. (ed. Milan. 1835 sgg.) VI, pp. 121—123.
Zwei philosophische Zeitgenossen und Freunde G. P>. Vico’s. II.: T. Rossi.
97
seinen Schriften nur drei näher bekannt; in diesen wird auf
mehrere andere ihnen vorausgegangene literarische Arbeiten
zurückverwiesen, welche bis jetzt nicht eruirt worden sind.
Allerdings ist man zu der Annahme berechtigt, dass die beiden
letzten Arbeiten Rossi’s, nämlich sein Vico übersendetes Werk
dell’ animo dell’ uomo 1 und das demselben folgende: La mente
sovrana del mondo, 2 von welchem neuerlich Vincenzo Giordano-
Zocchi einen neuen Abdruck veranstaltete, 3 als die letzten,
reifsten Erzeugnisse seiner philosophischen Thätigkeit das ab
schliessende Gesammtergebniss derselben enthalten; sie sind
demnach auch der in dieser Abhandlung enthaltenen Dar
stellung seines Denksystems zu Grunde gelegt. Unmittelbar
vor Zoccki’s Publication war durch einen anderen Editor eine
ältere Schrift Rossi’s unter dem Titel: Tre Dialoghi in einem
Neudrucke 4 ans Licht gezogen worden. Von dem Inhalte der
sonstigen Schriften Rossi’s ist zur Zeit nur so viel bekannt,
als er selbst in dem gegenwärtig zugänglichen Theile seiner
Arbeiten über sie gelegentlich angibt; sie beziehen sich, wie
an den von ihm angeführten Titeln derselben 5 zu entnehmen ist,
auf die nämlichen Gegenstände und bewegen sieb in demselben
Gedankenkreise, wie die uns zugänglichen Schriften Rossi’s.
Es waren durchwegs Neapolitaner und Verehrer Vico’s,
welche sich um die Wiedererweckung der Erinnerung an Rossi
1 Der volle Titel des Buclies lautet: Dell’ animo dell’ uomo. Disputa-
zione unica, nella quäle si sciolgono principalmente gli argomeuti di
Tito Lucrezio Caro contro all’ immortalita. Opera . . . dedicata all’
illustrissimo Signor Marchese Lorenzo Brunassi. Venezia 1736 (der eigent
liche Druckort ist Neapel).
2 Deila mente sovrana del mondo disputazione tripartita. Nella prima
parte si spongono le piü illustri dimostrazioni. Nella seconda si prova
che vi sieno lo idee innate, e in particolare la idea di Dio. Nella terza
si dimostra la vanitä dell’ ateologico sistema dello Spinoza. Neapel, 1743.
3 Dieser Neuabdruclc ist Beigabe zu einer Schrift Zocchi’s über Rossi
unter dem Titel: Tommaso Rossi. Studii sulla storia della filosofia mo-
derna. Neapel, 1866.
4 Derselbe wurde von Bruto Fabricatore besorgt und erschien gleichfalls in
Neapel. Ueber den Inhalt der Tre dialoghi vgl. des Näheren Zocchi’s Studii
(s. vor. Anm.) pp. 38, 47, 57 sgg., 103 sg., 142, 157, 160; siehe auch fol
gende Seite, Anm. 1.
5 Vgl. Zocclii, Studii p. 38.
Sitzungsber. 4. phil.-hist. CI. CXII. Bd. I. Hft. 7
98
Werner.
bemühten. Den Anfang hiezu machte P. E. Tülelli,' welchem
die beiden schon genannten Editoren von Schriften Rossi’s
folgten. Galasso' 2 nennt Rossi unter specieller Bezugnahme
auf dessen Werk dell' anima delT uomo den echten Fort
bildner und besten Ausleger der Lehre Vico's. Man ist be
rechtiget dafürzuhalten, dass Galasso's Ausspruch über Rossi
Yico’s Meinung wiedergebe; denn dieser gibt in seinem vor
erwähnten Briefe an Rossi der Ueberzeugung Ausdruck, in
Rossi einem echten Metaphysiker begegnet zu sein, welcher
den Inhalt seiner philosophischen Doctrin aus einer obersten
Idee zu entwickeln verstehe, imd sich dadurch auf das vor-
theilhafteste von einem Descartes und Malebranche unterscheide.
Descartes, welcher in seinen kurzgefassten Meditationen in das
Gebiet der Metaphysik sich nicht allzutief eingelassen habe,
behelfe sich fortwährend mit Bildern und Vergleichungen, die
von den ausser dem Geiste befindlichen Dingen hergenommen
seien, während doch der echte Philosoph, wenn er schon zu gleich-
nissweisen Verdeutlichungen Zuflucht zu nehmen genöthiget ist,
die benöthigten Bilder und Gleichnisse nur von der Natur und
Beschaffenheit des menschlichen Geistes liemimmt. Rossi habe
Malebranche beschämt, welcher ungescheut bekenne, dass er
geistige Dinge nur durch in der Körperwelt sich darbietenden Be
ziehungen zu erläutern vermöge, während umgekehrt Rossi in
wahrhaft göttlicher Weise die Verhältnisse der Körperwelt durch
die dem geistigen Sein und Leben angehörigen Beziehungen auf
helle und das Dunkel des materiellen Daseins in das klärende
Licht der Idee rücke. Dazu komme noch, dass Rossi in der wahr
haften Originalität seines reichbegabten Geistes sich seine eigene
philosophische Sprache geschaffen habe, und in der Ausführung
seines philosophischen Conceptes in den genialsten geistigen
Wendungen sich zu bewegen wisse. Der in dem kleinen beschei
denen Montefuscolo verborgen lebende Rossi würde nach Vico's
Dafürhalten der berühmtesten Universität zur Zierde gereichen.
1 Yita ed opere filosofiche di G. B. Capasso e di Tommaso Rossi. Nea
pel, 1857. Tulelli’s Abhandlung enthält auf pp. 78—96 eine aus Rossi’s
Dialoghi gezogene Darlegung der Teoriea del Sovranaturale desselben,
auf welche wir hiemit verweisen.
2 Del criterio della verita nella scienza e nella storia secondo G. B. Vico
(1877) p. 159.
Zwei philosophische Zeitgenossen und Freunde G. E. Vico’s. II.: T. Rossi. 99
2.
Das Vico übersendete Werk Rossi’s über den Menschen
geist und das demselben nachfolgende über die Mente etema del
mondo stehen nach des Verfassers Erklärung in einer inneren
Wechselbeziehung zu einander, indem, die Lehren von der
Geistigkeit der Menschenseele und von der Existenz eines
überweltlichen göttlichen Geistes sich wechselseitig stützen und
erläutern. Es handelt sich in der Lehre vom menschlichen
imd vom göttlichen Geiste darum, das Wesen des Geistes als
des seiner Idee nach Einen im Unterschiede vom Vielen evi
dent zu machen; das vom Einen wesenhaft unterschiedene corre-
lative Viele ist im Verhältniss zum menschlichen Geiste der
menschliche Leib, im Vei’hältniss zum göttlichen Geiste das
geschöpfliche Universum. Im Zusammenhang mit der den
beiden letzten und abschliessenden Schriften Rossi's gestellten
Aufgabe gestaltet sich die eine derselben zu einer Widerlegung
der Lehren des Lucretius, welcher die Einheit des mensch
lichen Seelenwesens in der atomistischen Vielheit der sinn
lichen Leiblichkeit aufgehen lässt, die andere der beiden
Schriften zu einer Widerlegung des Spinozismus, welcher die
überweltliehe göttliche Einheit in der Vielheit der Weltdinge
untergehen lässt. Rossi findet 1 die ersten Ansätze der von
ihm vertretenen Anschauung vom Wesen des Geistes als des
an sich Einen in dessen Beziehungen zum Vielen bei Plato,
welcher diese Beziehungen im Philebos als das Grundproblem
der philosophischen Erkenntniss bezeichnet, 2 auf welches die
Menschen durch die Götter selber hingewiesen worden seien; 3
es gelang ihm zwar im Parmenides nicht, dieses Problem be
friedigend zu lösen, indessen spricht er daselbst doch einige
1 Vgl. Dell 7 animo dell 7 uomo, Prefaz.
2 Vgl. Plato, Phileb. p. 15, d: «baoiv T.ryj towtov ly xat TOA/.a u~o Aöyeov
yryvousva i&ptspiyjuv tzxtzt\ zafT Izaarov 7Sv X-yoaivwv dsl zal zal Vuv.
toutq o’jte a.7} ^aoarjTat ~ozz g'j~b r k p\a~o vuv, aÄÄ 7 Ion 70 7o r .o07öv, <1>;
100I oavn-aty 7wv Aoycov au7ö>v äÖavzTOv 7: za* apiptav “aöo; iv t/j.vt.
3 jjlIv il' av8pa»jooo£ o6hic 7 ys zaT03a(v£7a* lao*, -06?/ Iz 6=ü»v
Sti 7*.vo; npop-Ö=Vt>? atu oavoTaiw Ttvt jcupl. za* o\ rxzi TraAatot, zpefrTOVE^
zal eyyoTSpto 0£üJv o:zo5vt£^, 7auT7jv st'ulTjV TJxpiooGJM, bog p
z.a r . iz t:q./.X6Sv ovtojv tu» del AEyoplvtov elvat Tiipzg ob zal an£t^tav iv aCroT;
rj;AvJ707 E/OVTOJV. O. c., p. 16, d.
7*
100
Werner.
philosophische Wahrheiten aus, welche als Sätze von canonischer
Giltigkeit angesehen werden müssen. So ist es ein wahrhaft
classischer Satz, dass das Eine und das Viele in der voll
kommenen Einheit des Identischseins das Eine und Dieselbige
sind; dass ferner das Eine an sich und durch sich von allem
Anderen, was nicht ein an sich Eines ist, wesentlich ver
schieden sein müsse. Jeder geistig tiefer Dringende erkennt
sofort, dass unter dem an sich Einen die geistige Natur, und
unter dem von dem Einen wesentlich Verschiedenen die Materie
zu verstehen sei. Die geheimnissvolle Einigung beider ist der
Mensch, dessen Wesen eine wundervolle Ausgleichung contra-
dictorischer Gegensätze ist. Rossi zweifelt nicht, dass die in
dieser Auffassung des Menschenwesens sich darstellende Ver
mittelung des Einen und Vielen die Unterlage der zur Erkennt
nis der göttlichen Dinge emporstrebenden platonischen Weis
heit sei; er nimmt nicht Anstand, sich nach dieser Seite voll
kommen an Plato anzuschliessen, der von jeher den über den
Sensismus und Kosmismus Hinausstrebenden als philosophischer
Führer gegolten habe. Nach Analogie des Verhältnisses des
menschlichen Geistes zum menschlichen Leibe muss auch jenes
Gottes zur Welt verstanden werden; beiderseits muss die Prä
eminenz des an sich Einen zu dem von ihm umfassten und inner
lich durchdrungenen Vielen zum Ausdrucke kommen, die Auf
einanderbeziehung des göttlichen Geistes aber einerseits den
erkenntnisstheoretischen Stützpunkt, andererseits den höchsten
moralisch-religiösen Abschluss des in der Ermittelung des Ver
hältnisses zwischen dem Einen und Vielen dialektisch sich ab
wickelnden idealen Weltverständnisses darbieten. 1 Die denkende
Selbstbeziehung des Menschen auf Gott involvirt zugleich auch
eine Rückvermittehmg der im Menschen central geeinigten
1 Sono la Mente del mondo e la Mente dell’ uomo due primi eapi onde
tutta la scienza dipende; ed onde la scienza per la universita della na
tura, e per la natura delP uomo si stende sopra tutte le cose a com-
piere il circolo delF uinana erudizione. E sono si strettamente fra loro
congiunti, che l’uno non si puö del tutto ignorare o sapere, che 1’ altro
insieme saputo o ignorato non riinanga. E cosa maravigliosa, come
nella investigazione verso queste due verita due vie con principi mezzi
e fini corrispondenti dirittamente conducano l’uomo. Mente sovrana
(ed. Zocchi), p. 11.
Zwei philosophische Zeitgenossen und Freunde G. B. Vico's. II.: T. Rossi. 101
Vielheit des sichtbaren Universums in die absolute göttliche
Allheit, in welcher die Gesammtheit der Dinge geistig ent
halten und daher schliesslich aus Gott zu verstehen ist, wie
sie auch in Gottes Kraft besteht und ihr einigendes Band hat.
Daraus erhellt unter Einem die Unwahrheit des atheistischen
Atomismus, der eine Vielheit ohne lebendige Einheit annimmt,
und des spinozistischen Pantheismus, der die Einheit in der
Vielheit untergehen lässt.
3.
Zufolge der centralen Bedeutung, welche das Menschen
wesen in Rossi’s philosophischer Weltlehre behauptet, tritt ihm
der Mensch in die Mitte des speculativen Weltverständnisses.
Darin ist sein specielles geistiges Verwandtschaftsverhältniss
zu Vico gegründet, nur dass er nicht, gleich Vico den histori
schen Menschen, sondern den Menschen nach seiner kosmi
schen Bedeutung specifisch ins Auge fasst. Die kosmische
Stellung des Menschen ist ihm indess aüfs engste mit dem
geschichtlichen Dasein desselben als der lebendigen Wirklich
keit des Menschendaseins verschlungen, indem der geistig
ethische Gehalt des Menschenwesens oder dasjenige, wodurch
sich der Mensch als den Höheren über der rein sinnlichen
Daseins- und Lebewelt bekundet, eben nur auf dem Wege der
geschichtlichen Selbstentfaltung und Entwickelung des Men
schen zum Ausdrucke kommt. Das Wissen, Können und Wollen
des Menschen hat seinen lebendigen Ausdruck in Wissenschaft,
Kunst und Geschichte als den lebendigen Gestaltungen der
genannten dreifachen Vermöglichkeit des Menschen, 1 in deren
lebendigem Ineinandersein und Ineinanderwirken sich die geistige
Daseinswirklichkeit des Menschen auf Grund der sinnlichen her
vorbringt und entfaltet. Rossi greift aber in der Entwickelung
dieses Gedankens dadurch über Vico hinaus, dass er in der ge
schichtlichen Selbstentwickelung des Menschen nicht blos den
Process einer Selbstformation des menschlichen Seins, sondern
zugleich auch eine höhere geistige Formation des sichtbaren
Weltdaseins erkennt, wie ihm denn überhaupt der Mensch
schon seinem gottgesetzten Wesen nach die specifische Form
' Animo dell’ uomo, pp. 80, 233.
102
Werner.
der materiellen Wirklichkeit ist. Damit erhält nun auch
der Begriff der bildenden Form eine speculative Vertiefung,
durch welche Rossi über Vico wesentlich hinausschreitet; das
Formprincip ist ihm als plastisches Princip ein das Stoffliche
innerlich fassendes und von Innen heraus gestaltendes Princip,
die menschliche Seele in aristotelischem Sinne Actus corporis.
Er fasst demnach auch das Schöne nicht gleich Vico blos als
Gestaltung des Stoffes durch die von Aussen applicirte bildende
Form, sondern als plastischen Selbstausdruck der dem Stoffe
immanenten Idee im Stoffe. Darum ist ihm die Form oder
Idee ein vom Stoffe postulirtes Princip, mittelst dessen das in
seiner unruhigen Beweglichkeit formlose Dasein des Stoffes die
entsprechende Fassung zu erlangen und damit zur Consistenz
zu gelangen hat. Wenn es nun den Anschein hat, als ob
Rossi damit von Plato zu einer realistischen ifaturanschauung
abschwenken wollte, so zerstört er diesen Schein alsogleich
durch seine Erklärungen über den im tiefsten Wesen der Sache
begründeten Dualismus zwischen Geist und Materie, der nur
insofern und insoweit sich überbrücken lasse, als es sich darum
handelt, in der Herrschaft des Geistes über den Stoff den un-
abweislichen Primat des Geistes und die Angewiesenheit des
Stoffes an den Geist als denknothwendiges Ordnungs- und Ge-
staltungsprincip in jeder Weise evident zu machen. Der Geist
ist als das an sich und seinem Wesen nach Eine das Unver
änderliche, unbewegt in sich Ruhende, und damit das Princip
des Bestandes der in beweglicher Unruhe unaufhörlich hin
und her fluthenden, an sich blinden und verstandlosen Materie,
deren Wesen Diffusion in Raum und Zeit ist. Die Materie
setzt als das an sich ungeordnete Viele das ordnende Eine
voraus; selbst ihr Sein als das diffuse Viele ist nur auf Grund
der Seinspriorität des an sich Einen zu verstehen. Dieses an
sich Eine ist aber von dem an sich Vielen verschieden durch
die absolute Identität und durch das absolute Ineinandersein
dessen, was im Vielen als Unterschiedenes und Verschiedenes
auseinanderliegt. Der Geist ist sonach, wie man aus Rossi’s
Erklärungen deduciren kann, die absolute Selbstfassung des
Seienden und damit das absolut Seiende, im Verhältniss zu
welchem Alles, was nicht selbst Gott ist, nur relativ Seiendes
sein kann.
Zwei philosophische Zeitgenossen und Freunde G. B. Vico's. II.: T. Rossi. 103
Man muss bedauern, dass Rossi diese aus seinen Er
klärungen sich ergebende Folgerung über das eigentliche Wesen
des Geistes nicht wirklich gezogen hat. Er würde damit die
abstract ontologischen Kategorien des Einen und Vielen, in
welche sein metaphysisches Denkconcept gebannt ist, über
wunden haben und zur Erfassung des lebendigen Wesens des
Geistes vorgedrungen sein; er würde weiter auf den metaphysi
schen Unterschied zwischen dem Wesen des absoluten Geistes
als der absoluten Fassung des Seienden in sich selber und
jenem des geschöpflichen Geistes als der relativen Fassung
des Seienden in sich selber aufmerksam geworden sein, und
hätte im Begriffe der relativen geschöpflichen Fassung des
Seienden weiter auch die Anhaltspunkte zur Gewinnung des
specifischen Wesens der leiblosen Engelgeister sowohl, die auf
eine Füllung und Ergänzung ihres individuellen Seins durch
die geistige Reception alles ausser ihnen Seienden angewiesen
sind, als auch der geistbegabten Menschenseele, welche als
höchste Gestaltungsform der sichtbaren Wirklichkeit in der
reellen und ideellen Apprehension ihres specifischen Gestaltungs
objectes sich zu actuiren und zu verlebendigen hat, gewinnen
können. Damit hätte Rossi nicht nur, wie es in der That der
Fall war, als Metaphysiker über Vico hinausgegriffen, sondern
auch den neuzeitlichen speculativen Theismus förmlich antici-
pirt. Dies war indess bei seiner natürlichen Abhängigkeit von
den in seinem Zeitalter gegebenen traditionellen Elementen
philosophischer Bildung und philosophischen Denkens nicht
füglich erreichbar; er sah sich darauf angewiesen, sein specu-
latives Denkconcept mit Rücksicht auf die im philosophischen
Denkleben seines Zeitalters vertretenen Anschauungen der Ato-
misten, Peripatetiker und Cartesianer zu gestalten und zu ent
wickeln. Man ist es der Wahrheit schuldig zu bekennen, dass
Rossi in der durch seine Zeitverhältnisse ihm nahegelegte Auf
fassung und Behandlung der speculativen Weltlehre den echten
Abkömmling der altitalischen Philosophenschule Grossgriechen
lands nicht verläugnete, und in Kraft des ihm einwohnenden
plastischen Genius die einer organisch - lebendigen Auffassung
des Weltganzen widerstrebenden Elemente der philosophischen
Zeitansichten siegreich zu bewältigen wusste. Sein speculativer
Weltbegriff ist, wenn auch nicht eine gelungene Lösung der
104
Werner.
grossen Weltfrage, so doch eine von dem eingenommenen
Denkstandpunkte aus harmonisch entwickelte Darlegung des
grossen Weltzusammenhanges im lebendigen Ineinandergreifen
aller Factoren des Weltdaseins; die den von ihm berücksichtigten
und bekämpften philosophischen Meinungsgegensätzen anhaften
den Widersprüche und Einseitigkeiten sind in seiner selbst
eigenen Denkconception glücklich bewältiget und in einer höheren
Totalanschauung ausgeglichen.
Rossi will den echten Begriff vom Geiste gewinnen, welcher,
wie er klagt, bis dahin weder von den Cartesianern, noch von
den Peripatetikern vulgären Schlages, am allerwenigsten selbst
verständlich von den modernen Epikuräern (Atomisten) erreicht
worden sei. 1 Wenn Rossi die Auffassung des Geistes von Seite
der vulgären Peripatetiker ablehnt, so gibt er damit zu erkennen,
dass er den Wahrheitskern der aristotelischen Auffassungsweise
anerkenne; denn daran, dass die Seele Actus corporis sei, will
Rossi festgehalten wissen, und betont dies gegenüber den Carte
sianern, welche das Wesen der menschlichen Seele als Geist
lediglich in das Denken verlegen. 2 Die Seele könnte nicht
Actuationsprincip des Leibes sein, wenn sie blos Denkwesen
und damit, wie die Cartesianer wollen, eine der Seinsweise
des Körperlichen entgegengesetzte Seinsweise ohne innere Be
ziehung des Geistigen auf das Körperliche wäre. Sie steht
vielmehr als Actuationsprincip des Leibes in einer wesentlichen
Beziehung zum Materiellen und Körperlichen, die darauf ge
stützt ist, dass sie wesentlich ein Seiendes ist; denn als solches
ist sie die immaterielle Realität dessen, was der Leib in der
diffusen Vielheit und Variabilität seiner materiellen Existenz
durch sich allein nicht sein, und auch in seiner Vereinigung
mit dem Geiste nur abschatten kann. Man ersieht hieraus zu
gleich, worin Rossi von den vulgären Aristotelikern d. i. von
denjenigen Philosophen, welche in grundsätzlicher Opposition
zum Platonismus auf Aristoteles sich stützen wollen, abzugehen
sich gedrungen fühlt. Diesen gilt als Essenz oder Substanz
dasjenige, was durch das Zusammensein von Materie und Form
constituirt wird; hieraus würde folgen, dass auch der Geist
1 Animo dell’ uomo p. 55 sgg.
2 O. c., p. 28.
Zwei philosophische Zeitgenossen und Freunde G. 13. Vico's. II.: T. Rossi. 105
nur im Zusammensein mit der Materie substanzielles Sein
haben, oder selber eine Zusammensetzung aus Materie und
Form sein müsste. Letzteres verträgt sieh nicht mit dem Wesen
des Geistes als des schlechthin Einfachen, welches zufolge
dieser seiner Einfachheit das vollkommen in sich gefasste Sein
ist, und desshalb nicht sich selbst in zeitlich-räumliche Diffu
sion verlieren, sondern nur in activer Selbstbethätigung aus
sich herausgehen kann. Der Geist ist in Folge seiner voll
kommenen Selbstfassung wesentlich Intelligenz, 1 und muss als
solche sich auch auf eine der Idee seines Wesens conforme
Weise bethätigen; wie er nämlich seinem Wesen nach die
Identität von Denken und Sein ist, so muss er auch als ac-
tuirte Intelligenz die reale Identität des erkennenden Subjectes
und erkannten Objectes in dessen geistiger Durchdringung und
Selbstassimilation darstellen. Der Unterschied zwischen mensch
lichem und göttlichem Geiste besteht nur darin, dass der gött
liche Geist vom Anfänge her alle Objecte der Erkenntniss
geistig in sich hat, während der menschliche Geist die Kennt-
niss derselben in dem durch den Sinnenleib vermittelten Ver
kehre mit der Aussen weit erwerben muss, und daher unbe
schadet seiner Immutabilität und Seinsbeständigkeit in den
Wandel und Wechsel psychischer Thätigkeiten hineingezogen
ist, indess der absolute Geist jeder Art von Wandel und
Wechsel schlechthin entrückt ist. Dies ist die consequente
Entwickelung der Lehre vom Wesen des Geistes als des an
sich Einen im Verhältniss zu dem durch ihn und in ihm zu
uniiicirenden Vielen.
Diese Auffassung des Wesens des Geistes ist insofern
unzureichend, als Rossi das Einssein oder die Einfachheit des
Geistes lediglich nach ihrem Verhältniss zur Ausgedehntheit
und Zusammengesetztheit der materiellen Dinge in’s Auge fasst.
Er gewinnt auf diesem Wege wohl die ontologische Bestimmtheit
1 L’ identitä delle parti, 1’ une nell’ essere dell’ altri insistenti, 1’ une nell’
altre penetranti, e desso essere invariabile, ed immobile dell’ intelli-
genza, e essa invariabilita, ed immobilita, e costanza, e virtuosa quieta
della mente. L’ inclusione e la virtü maravigliosa, che strigne, e aduna,
e contiene, e conferma 1’ essenza mentale ad esser libera, e immune
dalle mutazioni, e da moti della materia, e ad essere in questo risgu-
ardo invariabile, ed immobile, e quieta. 0. e., p. 55.
106
Wern er.
des Geistwesens als einer der Beweglichkeit und Variabilität
der Materie entrückten Substanz, welche die verschiebbaren
und störbaren Numeros des materiellen Seins in unverrückbarer
Wohlordnung in sich fasst, 1 erfasst aber damit das Wesen des
Geistes doch nur relativ, nämlich im Verhältniss zur materiellen
Vielheit, während er in das innere Wesen des an sich Einen
nicht eindringt. Die mit der Immaterialität des Geistes gegebene
Einfachheit und Untheilbarkeit desselben, oder die Indistinction,
wie Rossi sie nennt, ist nur die negative Vorbedingung einer
positiven Lebensentfaltung des in sich gefassten und geeinigten
Seins auf Grund einer geistigen Selbstdiremtion, mittelst welcher
sich der Seinsinhalt des geistigen Wesens vor sich selbst offen
bar werden soll. Diese Selbstdiremtion kann, da die Einheit
des immateriellen Geistwesens jede Theilung ausschliesst, nur
in der Form der geistigen Selbstspiegelung statthaben, welche
nach Verschiedenheit der Vollkommenheitsgrade des geistigen
Seins verschiedene Arten und Grade zulässt. Die absolute Form
der geistigen Selbstspiegelung ist jene des göttlichen Seins als
der absoluten und absolut in sich selber gefassten Seinstotalität.
Die absolute Selbstspiegelung des absolut Einen involvirt eine
Plurification innerhalb der absoluten Einheit, und schliesst das
Hineinfallen von Reflexen eines anderen Seienden in den Act
der Selbstspiegelung absolut aus; der absolute Geist kann nur
sich selbst wiederspiegeln, und in dieser Selbstspiegelung ist
der Seinsinhalt der ausserhalb der absoluten Seinstotalität mög
lichen geschöpflichen Existenzen schon mitenthalten. Anders
verhält es sich mit der Selbstspiegelung der geschöpflichen
Geister, die keine reale, sondern blos eine ideale sein kann,
und zufolge der Endlichkeit und Begränztheit des Seins der
geschöpflichen Geister der Hineinnahme von Reflexen des ausser
ihnen Seienden in den Act ihrer Selbstspiegelung bedarf, um
den Act des Sichselberoffenbarwerdens zu einem completen
Acte zu machen; denn kein einzelner geschöpflicher Geist
1 LT indistinzione e principio di salda invariabil fermezza e quiete, che
ogni incostan/.a e material mutazione e moto esclude del tutto. Avvi
neir indistiuzione unitä reale unificante, che contiene i numeri, e gli
stringe, e ferma indissolublimente: onde le parti non posson l’une dell’
altre sceverarsi, ne scambiarsi infra di loro, ne mutarsi, o muoversi in
niuna guisa. O. c., p. 54.
Zwei philosophische Zeitgenossen und Freunde G. B. Vico's. II.: T. Rossi. 107
erschöpft in seinem selbsteigenen Sein die Gesammtheit dessen,
was im Wesen des Geistes als solchen d. i. des in sich ge
sammelten Seins liegt. Er muss sonach, um zu einer geistigen
Totalanschauung zu gelangen, die Gesammtheit des ausser ihm
Seienden und das Gefasstsein seiner selbst und alles ausser
ihrti Seienden im absolut Seienden ideell reproduciren, um sich
einer ihn absolut befriedigenden Totalaufschauung zu erfreuen
und seine selbsteigene geistige Fassungsfähigkeit vollkommen
inne zu werden. Dadurch aber, dass der geschöpfliche Geist
in seiner Selbstspiegelung die Gesammtheit des ausser ihm
Seienden wiederspiegelt, gestaltet sich sein immanentes Selbst
leben zu einer in sich geschlossenen Totalwelt von allumfassendem
Inhalte, in welchem die Gesammtheit des Seienden geistig noch
mals gesetzt ist, so dass das gottgesetzte und in Gott geeinigte
Universum geistig so vielmal vorhanden ist, als die Zahl der
geschöpflichen Geister beträgt. Diese geistige Vervielfältigung
des Universums in einer Vielheit geschöptlicher Geister muss
alle Arten und Grade individuell verendlichter geistiger Selbst-
reproduction und Selbstvergegenwärtigung der absoluten Seins
totalität in sich schliessen, bis herab zu jenem untersten und
unvollkommensten Grade und Modus, in welchem die der sinn
lichen Leiblichkeit eingesenkte geistbegabte Menschenseele, die
erst auf Grund sinnlicher Apprehensionen und Imaginationen
zum actuellen Geistsein gelangt, sich die absolute Seinstotalität
zu vergegenwärtigen vermag. Der Unterschied in der kosmischen
Location des Engelgeistes und der Menschenseele wird dadurch
compensirt, dass die Menschenseele als höchste Wesensform
der sichtbaren Wirklichkeit eine reale Fassung der sichtbaren
Weltdinge ist, und das Menschenwesen als Ineinsbildung von
Geistigem und Sinnlichem eine reale Zusammenfassung der
Gesammtschöpfung ist, während der Engelgeist wohl gleichfalls
die Gesammtschöpfung in sich fasst, aber nur ideal, und nicht
real, daher auch nicht er, sondern nur das mikrokosmische
gottesbildliche Menschenwesen sich als Vehikel des im Gott
menschen dargestellten realen Rückschlusses der Gesammt
schöpfung in ihr göttliches Wirkungsprincip eignet.
Rossi war sich der tieferen Bedeutung des specifischen
Unterschiedes zwischen Engelgeist und Menschenseele nicht
bewusst, neigte vielmehr als Platoniker zu einer Neutralisirung
108
Werner.
des specifischen Unterschiedes Beider im allgemeinen Begriffe
des Geistes hin. Eine Reproduction des Platonismns auf christ
lichem Boden kann aber von der eigentümlichen Bedeutung,
welche den Engelgeistern im Unterschiede von den Menschen
seelen zukommt, nicht abstrahiren, ohne sich der Vernach
lässigung einer wichtigsten und wesentlichsten Partie des pla
tonischen Denksystems in deren Beziehung zum christlichen
Weltgedanken schuldig zu machen. Diess ist die platonische
Ideenlehre, welche zwischen der Bedeutung einer reinen Denk
welt und einer überweltlichen idealen Wirklichkeit oscillirend
schwankt; die christliche Rectilication und Durchbildung dieser
Lehre besteht darin, dass die platonische Ideenwelt als blosse
Denkwelt in’s göttliche Sein verlegt, als ideale vom göttlichen
Weltbildner unterschiedene Wirklichkeit aber mit der Welt
der reinen Geister als eoncreter Idealwesen identiilcirt wird.
Ersteres ist notkwendig, um dem in der antiken Speculation
fehlenden Begriffe des absoluten Geistes zur philosophischen
Geltung zu verhelfen, letzteres, um die Idee des geschöpflichen
Geistes in dessen vollkommensten Ausdrucke zur Geltung zu
bringen. Ist die Idee des geschöpflichen Geistes wahr, so muss
sie ihren Ausdruck in kosmischen Wesen haben, welche über
dem geistbegabten Menschen stehen, wie umgekehrt, wenn der
absolute Geist als schöpferischer Geist gedacht wird, seine ersten
und unmittelbaren Schöpfungen die seinem selbsteigenen Sein
nächstverwandten reinen Geistwesen sein müssen. Der Gedanke
der kosmischen Totabtät wird erst durch Reflexion auf den in
der reinen Geistwelt sich darbietenden completirenden Abschluss
der geschöpflichen Potenzen gewonnen; in Rossi’s Denksystem,
der sich auf die Idee der durch den Menschen vermittelten
Beziehung des sichtbaren Weltdaseins auf das absolute göttliche
Sein, der diffusen Materialität auf die absolute göttliche Welt
einheit beschränkt, fehlt der obere lichte Umkreis der im Men
schen mikrokosmisch concentrirten Weltwirklichkeit, welcher
die obersten Grundhalter des im Menschen centrirenden labilen
geschöpflichen Seins in sich fasst, und den Grundansatz des in
den finalen Evolutionen der Gesammtschöpfung zu verwirk
lichenden Reiches der göttlichen Herrlichkeit constituirt. Der
obere lichte Umkreis der Gesammtschöpfung, als ideale Ein-
gränzung des sichtbaren Universums gedacht, schliesst die
Zwei philosophische Zeitgenossen und Freunde 6. B. Yico’s. II.: T. Rossi. 109
Correctur des Gedankens einer unermesslichen Ausdehnung
des räumlich-sinnlichen Universums in sich, und verificirt in
höherem Sinne die platonische Idee der in sich geschlossenen
Weltsphäre, deren mathematisches Symbol die Kugel ist. Er
enthebt der Nothwendigkeit, unmittelbar Gott selbst zum Con-
tinens des zeitlich-räumlichen Universums zu machen, was er
in der absoluten Geistigkeit seines Wesens doch nur mittelbar
sein kann, indem er sonst nicht zugleich auch das absolute
Continens der unermesslich umfassenderen Geisterwelt sein
könnte. Es entfallt damit auch die platonische Einschiebung
der Mathematik als Mittelglied zwischen die metaphysische
Ideologie und physikalische Weltlehre, welche sich von jeher
als Hinderniss der im Namen des christlichen Idealismus gefor
derten Erweiterung des platonischen W r eltbegriffes erwies, und
in ihrer folgerichtigen Anwendung auf die platonische Lehre
von der göttlichen Weltseele zurückführte, die wir in der That
auch durch Rossi vertreten sehen.
Die von Rossi adoptirte platonische Idee der Welt als
eines Magnum animal 1 schliesst eine Aufeinanderbeziehung von
Geist und Materie derart in sich, dass die reinen Geister nach
Art der platonischen Götter nur als rein überweltliche Wesen
denkbar bleiben d. h. ausser den Bereich des philosophischen
Denkens fallen. Das Grundproblem der Weltlehre Rossi's ist
die Aufeinanderbeziehung der Mente universale und der Materia
universale, welche an sich wesenlos, formlos und impotent, von
der Mente universale Realität, Form und Leben empfängt. 2
Dadurch wird der Kosmos geschaffen, welcher als Werk der
Mente sovrana von derselben wesensverschieden, aber von
derselben durchgeistet ist, so dass en ohne sie nicht bestehen
könnte, während die Mente sovrana ohne den Kosmos bestehen
kann, obschon sie als Mente universale demselben wesentlich
immanent ist. Die Wechselbeziehung beider reflectirt sich im
Mundus minor d. i. im Menschen, in welchem gleichfalls Geist
und Leib derart aufeinander bezogen sind, dass der Leib nur
kraft seiner Bezogenheit auf den Geist existent sein kann,
1 O. c., p. 228. — Tgl. Plato, Tim., p. 30 d: ZiSov Sv ooarov, oacc
ajioü xata ouaiv ^uvy£V7j £coa ivrbs syov iauiou.
2 Animo nell’ uomo, p. 83.
110
Werner.
während der Geist ohne den Leib bestehen, ja in der Scheidung
von demselben die ihm wesentlichen Thätigkeiten weit voll
kommener entfalten kann, als in seiner Verbindung mit dem
Leibe. Die Mente sovrana ist der stofflichen Wirklichkeit als
active Macht der Idee immanent, und tritt in dieser Form an
die Stelle der platonischen Weltseele, die Rossi zweifelsohne
für eine poetisch-bildliche Veranschaulichung der Activität der
Idee nahm. Durch die Immanenz der Idee im Weltstoffe wird
die Natura universalis als Formation der Materia universalis
constituirt. Die dem Weltstoffe immanente Idee wirkt als Natur
kraft bewusstlos; die Bewusstlosigkeit dieses Wirkens hatte
Aristoteles im Auge, 1 wenn er die Natur als Princip der Be
wegung und der Ruhe definirte, 2 womit er indess keineswegs,
wie seine geistlosen Nachbeter ihm unterlegen, die künstlerischen
Impulse und rationalen Intentionen der Wirksamkeiten der
Natura universalis in Abrede stellen, 3 sondern blos das rein
realistische Moment der stoffbildenden Wirksamkeit der Natur
von den derselben immanenten ideellen Intentionen sondern
wollte. In der That liegen ihrem Begriff nach Natur, Kunst,
Wissenschaft als drei von einander verschiedene Principien
auseinander, was jedoch ein lebendiges Ineinandersein aller
drei nicht ausschliesst, so zwar dass, wie ohne Natur und
Kunst (d. i. ohne Naturanlage und regelrechtes Vorgehen) keine
Wissenschaft, und ohne Natur und Wissenschaft keine Kunst,
so auch kein natürliches Wirken ohne Wissenschaft und Kunst
d. i. ohne Idee und Regel, möglich wäre. 4 So stellt also die
Natura universalis ein grosses Ganzes dar, in welchem das
Stoffliche dem Geiste, der Geist dem Stoffe immanent ist. Die
im sichtbaren Kosmos real dargestellte Idee der Universalität
ist jene der begränzten organischen Totalität, in welcher sich
1 0. c., p. 221.
2 Bezüglich dieser bei Aristoteles oftmals wiederkehrenden Begriffsbestim
mung der oücüa cpuaizjj vgl. beispielsweise Metaph. VI, p. 1025 b, lin. 19:
oüsi'a Iv f] 7j ipyji T7)$ xivriasco; xat arwrsw; Iv auTfl.
3 Vgl. Aristoteles, Divin. p. somn. p. 463 b, lin. 12: i] fäp <puai$ oaipovla.
— De coelo I, p. 271 a, lin. 33: ö Geö; xai ^uo:? oüokv panjv jmiouaiv.
4 Ne l’arte puö di ninna formazione esser principio, ne la scienza di cogni-
zione senza virti di produrre, che e la natura, e scambievolmente nella
natura e insieme la scienza e l 1 arte. Animo dell’ uomo, p. 222.
Zwei philosophische Zeitgenossen und Freunde G. B. Vico’s. II.: T. Rossi. 111
die absolute Totalität des göttlichen Seins reflectirt und abbildet.
Im menschlichen Geiste erlangt die in der kosmischen Wirklich
keit concret ausgedrückte Idee der Universalität ein ideales Sein,
welches sich in der denkenden Zurückbeziehung der kosmischen
Wirklichkeit auf ihren intelligenten Uberweltlichen Wirkungs
grund actuirt. Demnach constituirt der Mensch den Terminus
medius zwischen der Mens suprema und der Natura universalis
von Seite des Denkens, wie die Natura universalis den Ter
minus medius zwischen der Mens universalis und der Materia
universalis von Seite des Seins. Die beiden äussersten Endglieder
dieser beiden Proportionen: das Oberste und das Unterste,
die Mens suprema und die Materia universalis entziehen sich
an sich der intellectiven menschlichen Fassung, und werden uns
Menschen nur durch das göttliche Wirken vernehmbar, die
Mens suprema durch ihren lebendigen Selbstabdruck im mensch
lichen Intellecte, die Materia universalis zufolge ihrer Gestaltung
durch die ihr immanente göttliche Wirkungsmacht. Die diesem
doppelten göttlichen Wirken entsprechenden correlativen mensch
lichen Erkenntnissthätigkeiten sind die Intellection und Sensa
tion, aus deren wechselseitiger Aufeinanderbeziehung sich die
rationale menschliche Weltkunde entwickelt. Die Patio steht
zwischen Intellection und Sensation, wie der Mensch zwischen
der Mens suprema und der Natura universalis steht.
Aus dem Gesagten ergibt sich uns der Einblick in das
eigenste Wesen der philosophischen Erkenntniss, wie Rossi
dieselbe aufgefasst wissen will; sie besteht ihm in der ratio-
cinativen Entwickelung der dem menschlichen Geiste angebornen
Ideen auf Grund der sinnlichen Erfahrung und mit Beziehung
auf die Objecte derselben in deren doppelter Zurückbeziehung
auf ihre allgemeinste Formursache und Materialursache d. i.
auf Gott und Materie. Der Begriff der Philosophie als eines
Erkennens der Dinge aus ihren letzten, höchsten Gründen setzt
sich hier um in den Begriff der Zurückführung alles Erkenn
baren auf die beiden äussersten Grenzen der menschlichen Er
kenntniss nach Oben und Unten ; das menschliche Verständniss
liegt zwischen diesen beiden unüberschreitbaren Grenzen, und
ist auf die reflexive Analyse der Termini medii der universalen
kosmischen Beziehungen gerichtet. Zufolge ihrer Richtung auf
diese Terminos medios steht die philosophische Erkenntniss in der
112
Werner.
richtigen Mitte zwischen einem abstract sterilen Ontologismus und
einem geistig eben so unfruchtbaren physikalischen Realismus,
deren jeder der Idee einer lebensvollen, dem Wesen des Menschen
conformen Erkenntnissweise widerstreitet. Das Yehikel zur Actui-
rung der echt menschlichen Erkenntniss der Dinge ist die biolo
gisch-dynamische Auffassungsweise, durch welche zunächst der
Begriff des Seins selber verlebendiget und concretisirt wird, und
damit weiter auch die geistigen Stützpunkte der Verlebendigung
der geistigen Anschauung aller durch Sinn und Intellect apprehen-
dirten Dinge gewonnen werden. Da die Unterlage dieser durch
ihre Verlebendigung dem Wesen des Menschen homogenesirten
Erkenntniss doch nur der Ontologismus ist, so rückt der Mensch
nicht sachlich, sondern blos formell in die Mitte der Dinge;
es handelt sich um eine dem Wesen des Menschen angepasste,
nicht aber um eine aus dem Wesen des Menschen geschöpfte
philosophische Erkenntniss. Von einer solchen konnte so lange
keine Rede sein, als der Mensch blos als Mittelwesen zwischen
rein geistiger und rein sinnlicher Wirklichkeit, nicht aber als
der die Gesammtscköpfung lebendig in sich einigende Abschluss
der kosmischen Wirklichkeit gefasst wurde. Denn nur auf
Grund dieser Anschauungsweise lässt die Anthropologisirung
der philosophischen Erkenntniss als endgiltige Uebenvindung
und höhere Vermittelung der im Platonismus und Aristotelismus
gegebenen Gegensätze der philosophischen Denkanschauung
erzielen, während Rossi, der das Bediirfniss einer derartigen
Vermittelung allerdings fühlte, jenes dritte nicht fand, in
welchem dieselbe als eine innerliche Wechseldurchdringung
und höhere Ausgleichung jener Gegensätze sich hätte vollziehen
lassen.
4.
Rossi gewinnt die concreten Bestimmungen der allgemeinen
Seinsidee, von welcher er als absolut Erstem ausgeht, durch
Zusammenhaltung derselben mit dem ihr gegenüberstehenden
Gedanken des Nichts, 1 Das Nichts bedeutet Leere, Finsterniss
Schlimmheit; mit der Leere ist die Impotenz, mit der Finster-
1 Vgl. die hierauf bezüglichen Stellen aus Rossi’s Dialoghi bei Giordano-
Zocchi, Studii, p. 57 sg.
Zwei philosophische Zeitgenossen und Freunde G. B. Yico’s. II.: T. Rossi. 113
niss die Deformität, mit der Schlimmheit das Schaudervolle,
Entsetzenerregende gegeben. Dem gegenüber erscheinen als
denknothwendige natürliche Bestimmtheiten des Seienden die
Fülle, Helligkeit und Güte; mit der Fülle ist die Vermöglich
keit, mit der Helligkeit die Intelligenz, mit der Güte die Liehe
gegeben, daher das Seiende nothwendig vermöglich, intelligent
liebevoll ist. Diese drei Formen des Seins sind unabtrennlich
mit einander verbunden, und ergeben in ihrem absoluten In
einandersein die göttliche Dreieinheit als das absolut voll
kommene Seiende. Die Coincidenz dieser concretisirenden Auf
fassung des absoluten Seins mit jener bei Vico 1 liegt offen da;
und eben so ist der Reflex des absoluten Grundternars in allen
Verhältnissen des Weltdaseins und in der Organisation des
Menschenwesens eine Rossi mit Vico gemeinsame Idee, welche
von Vico speciell auf dem anthropologisch-ethischen und ge
schichtsphilosophischen Gebiete weiter entwickelt und durch
gebildet wird, während Rossi dieselbe vornehmlich auf dem
Gebiete der allgemeinen Weltlehre zur Anwendung bringt. Der
unendliche Geist entreisst in der Kraft seines allmächtigen
Liebewillens die imbegrenzte Reihe der begrenzten seinsmög
lichen Dinge dem Bereiche des Nichts, durchdringt sie gestaltend
und ordnend mit dem Lichte seiner absoluten Intelligenz, und
lässt von sich als absolutem Weltmittelpunkte die Fülle des
Guten bis in die entlegensten peripherischen Kreise des Welt
daseins ausstrahlen. Die entlegensten peripherischen Kreise sind
jene, in welchen sich das kosmische Sein am nächsten mit
dem Nichts berührt, welche Berührung im Wesen der Materie
sich darstellt; die dem Centrum nächsten Kreise constituiren
den Bereich der geistigen Wesen. Jeden dieser beiden Bereiche
erfüllt Gott als der dritte Höchste über denselben mit den drei
Formen seines lebendigen Seins, mit seinem Können, Wissen
und Wollen, und verleiht damit den geschöpflichen Wesen
Existenz, Wirkungsfähigkeit und Richtung der Kräfte auf ihr
natürliches Ziel. Die Wirkungsfähigkeit der materiellen Sub
stanzen besteht in ihrer Bewegungsfähigkeit, jene der immate
riellen Substanzen in ihrer Intellectionsfähigkeit; das natürliche
Ziel der natürlichen Wirkungsfähigkeit ist die Hervorbringung
1 Vgl. meine Schrift: Vico als Philosoph und gelehrter Forscher S. 83 f.
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. CXII. Bd. I. Hft. 8
114
Wo rner.
und Perpetuirung der Formen, jenes der geistigen Wirkungs
fähigkeit die Anstrebung des Guten.
In dieser ontologischen Grundlegung der Weltlehre Rossi’s
fallt zunächst die Art und Weise auf, in welcher er die con-
creten Bestimmungen der Seinsidee zu gewinnen trachtet. Bei
der absoluten Inhaltsleere des rein abstracten Seinsgedankens
muss er zum Gedanken des Nichts greifen, dessen poetisch
imaginative Auffassung ihm die Anhaltspunkte zur Eruirung
der den Eigenschaften des Nichts entgegengesetzten Bestimmt
heiten des Seins zu bieten hat. Auf diesem Wege gewinnt er
weiter sodann auch die Idee einer schöpferischen Substantia
prima, welche die seinsmöglichen Dinge dem Nichts entreisst,
obschon der Begriff des letzteren als der absoluten Formlosigkeit
mit jenem einer Materia prima oder ersten Möglichkeit der
geschöpflichen Dinge zusammenzufallen scheint. Rossi wäre in
diesem Falle nicht über den platonischen Begriff des Mr, ov
hinausgekommen, welcher dem imaginativen Denken angehört
und eine metaphysische Bedeutung erst dann erlangt, wenn er
als Bezeichnung des allem Endlichen als solchem anhaftenden
Momentes der Negativität dienen soll. In diesem Falle wider
strebt er aber der Identification mit dem Begriffe einer ersten
Möglichkeit der endlichen Dinge, weil diese Möglichkeit etwas
Positives ausdrückt, somit nicht mit dem reinen Nichts zu
sammenfällt. Der Begriff eines Hervorbringens aus Nichts wird
nur dann metaphysisch denkbar, wenn Gott als die primär
existente absolute und absolut in sich abgeschlossene Totalität des
Seienden erfasst wird; das absolute göttliche Können, Wissen und
Wollen, welche Rossi als primäre Bestimmtheiten des dem Nichts
gegenüberstehenden absolut Seienden eruirt, sind nicht ontolo
gische, sondern dynamologische Bestimmtheiten des göttlichen
Seins, welche aus der rein ontologischen Bestimmtheit des
absolut Seienden als absoluten Geistes deducirt werden müssen,
weil sie nur unter dieser Voraussetzung aus einem absolut Ersten
gewonnen erscheinen.
Aus dem Rahmen der allgemeinen dynamologischen Onto
logie Rossi’s treten als die zwei besonderen kosmischen Haupt
realitäten die Natura universalis und der Mensch hervor, deren
jede in ihrer Art ein Mittleres constituirt, die Natura universalis
als Mittleres zwischen der Mens universalis und Materia uni-
Zwei philosophische Zeitgenossen und Freunde G. B. Vico’s. II.: T. Rossi. 115
versalis, der Mensch als Mittleres zwischen Gott nnd der Natura
universalis. Die im Sein, Können und Erkennen unendliche
Mens prima erfüllt die Materia universalis, und wird damit
Ursache des substanziellen Seins, der Bewegungen und Formen
der sichtbaren Weltdinge; sie bethätiget sich als lebendige
Ursache derselben, indem sie die Substanzen nicht blos her
vorbringt, sondern auch erhält, die Bewegungsthätiglceiten der
selben nicht blos principiativ begründet, sondern auch regelt,
die Formen nicht blos primitiv setzt, sondern auch die Perpe-
tuirung derselben vermittelt. So ist mithin die Natura univer
salis in Kraft des ihr immanenten göttlichen Wirkens als leben
diges Ganzes gesetzt. Rossi unterscheidet ein dreifaches Wirken
der dem Stoffe eingegeisteten Idee, das gestaltende, directive
und significative Wirken. Als Princip der plastischen Gestal
tungen schafft sie alle Körper der sichtbaren Wirklichkeit, als
Directionsprincip der Natur regelt sie die Bewegungen der
Körper, als Princip der significativen Thätigkeit der Natur
macht sie sich selbst durch das Mittel der stofflichen Bildungen
vernehmbar, und sollicitirt hiedurch den menschlichen Geist zur
Apperception der in den sichtbaren Dingen verwirklichten
göttlichen Gedanken. Aus diesem dreifachen Wirken der dem
Stoffe immanenten Idee erklärt sich der bereits oben angeführte
Ausspruch Rossi’s über Natur, Kunst und Wissenschaft als
die dem Universum in Kraft der Immanenz der Idee immanen
ten drei Principien. Als ein vom Stoffe als solchem wesens
verschiedenes, ja demselben conträres Princip muss die Idee
den Stoff in den ihr mindest heterogenen Theilen desselben
fassen, und aus diesen sich die Centra ihrer Wirksamkeit
auf die gröberen Tlieile desselben schaffen; daraus ergeben
sich, das Naturdasein im Allgemeinen genommen, in abgestufter
Ordnung drei Arten stofflicher Wirklichkeit, welche durch den
Lichtäther, durch die Luft und durch die das Materiale der
besonderen Körperbildungen darbietende schwer wiegende Stoff
lichkeit repräsentirt sind. Der Aetker und die Luft sind als
Mittler der menschlichen Gesichts- und Gehörapperceptionen die
Medien der significativen Wirksamkeit der dem Stoffe immanen
ten Idee. Der Gegensatz von leichter und schwerer Stofflich
keit reflectirt sich in den animalischen Organismen, die von
einem feineren Elemente durchgeistet und in Kraft desselben
8*
116
Werner.
lebensfähig und beweglich sind. Die Lebensgeister der anima
lischen Organismen dienen der dem Naturdasein immanenten
Idee als Medien ihrer Belebungs- und Bewegungsthätigkeit, und
werden im menschlichen Organismus zu Medien des Wechsel
verkehres zwischen Geist und Leib.
An die Stelle der belebenden und gestaltenden Idee tritt
im Menschen die Seele, deren Verhältniss zum Leibe nach
Analogie des Verhältnisses der Mens suprema zum Universum
zu fassen ist. Die menschliche Seele ist eine universelle Natur,
was sich jedem sofort im Hinblicke auf die Empfindungs- und
Denkfähigkeit derselben nahelegt; wie das seelische Empfin
dungsvermögen den gesammten Leib gleichmässig durchdringt
und die Radien aller besonderen Empfindungstliätigkeiten in
sich (Ämcentrisch zusammenfasst, so scheidet sich das Denken
vom ausgedehnten Körper ab, um in sich gesammelt sein Licht
gleichmässig auf die gesammte, durch die sinnliche Empfindung
der Seele kundgewordene äussere Wirklichkeit auszubreiten.
Die menschliche Seele ist nicht eine besondere determinirte
Form des organischen Körpers, sondern der höhere Inbegrifi’
aller besonderen Informationsprincipien der sinnlichen Körper-
.welt, und vermag sie darum auch activ im Empfinden und
Denken in sich aufzunehmen. Sie ist in der Universalität ihres
Seins nicht in einem bestimmten besonderen Raume und in
einer bestimmten besonderen Zeit, sondern einiget in ihrer
universalen Continenz alle Räume, in ihrer der zeitlichen Suc-
cession entrückten Dauer alle Zeiten in sich; ihr Ort und ihre
Zeit ist ein Unum und Universale, welches über die Unter
schiede der besonderen Zeiten und Räume schlechthin hinaus
gestellt ist. Sie fasst in ihrem Sein, Können und Wissen Alles in
sich, was an Sein, Können und unbewusster Intelligenz in der
Körperwelt enthalten ist. Sie ist damit über die Natura univer
sale schlechthin hinausgestellt, und mit ihr der Mensch, dessen
Wesen durch die Seele constituirt wird. Sie steht aber zugleich
in einer wesentlichen Correlation zum sichtbaren Weltganzen,
welches sie mit Sinn, Ratiocination und Intellection durchdringt,
um es geistig in sich selbst hervorzubringen. Wenn dasselbe
als Verwirklichung des göttlichen Schöpferwerkes ein Kunst
werk des Gedankens ist, so ist sie in ihrer geistigen Durch
dringungskraft eine Ars substantialis, und steht als solche in
Zwei philosophische Zeitgenossen nnd Freunde G. B. Vico's. II.: T. Rossi. 11 l
der Mitte zwischen dem göttlichen Schöpfergeiste und der
durch sein Wirken causirten kosmischen Wirklichkeit.
Der artistische Factor der dreigliedrigen seelischen Ver
möglichkeit ist die Ratio, welche das Mittlere zwischen Intelli
genz und sinnlicher Perceptionsfähigkeit der Seele ist, wie die
Seele selber ein Mittleres zwischen göttlichen Wesenheit und
der Natura universalis ist. Das speciiische Wesen des Menschen
ist die Rationalität im Unterschiede von der absoluten Unmittel
barkeit der göttlichen Intelligenz und der rein sinnlichen Percep
tionsfähigkeit der animalischen Wesen. Die Dreigliedrigkeit
des menschlichen Seelenwesens ist das höhere Correlat der
Dreiheit der kosmischen Principien: natürliches, künstlerisches,
rational bestimmtes Wirken, welche drei Principien in der
menschlichen Seelenthätigkeit in cognoscitive Functionen, in
jene des Sinnes, der Ratio und Intellection umgesetzt sind.
Mittelst der Sinne wird die substanziale Natürlichkeit, mittelst
der Ratio die kunstvolle Zusammenfügung und Verkettung des
Naturganzen und seiner einzelnen Theile, mittelst der Intelligenz
die in denselben ausgedrückte göttliche Idee erfasst.
Die Rationalität als speeifischer Charakter des Menschen
wesens resultirt aüs der wundervollen mysteriösen Einigung
von Geist und Leib im Menschen. Die Einigung beider ist im
allgemeinsten Sinne eine Einigung von Geist und Materie in
einem concreten Lebewesen. Diese concrete Einigung wäre
aber nicht möglich, wenn das geistige und materielle Sein im
Menschen nicht für dieselbe so zubereitet wäre, dass Geistiges
und Stoffliches zu einem innigst verbundenen Ganzen sich
zusammenschliessen können. Die reine Actualität des geistigen
Seins und die reine Formlosigkeit der Materie schliessen ein
ander schlechthin aus, und können nicht in Ein Wesen ver
schmelzen. Eben so wenig würde aber die vor der Verbindung
mit dem Geiste als bereits fertige Leiblichkeit vollkommen
actuirte Stofflichkeit sich zu Einem Wesen mit dem Geiste
zusammenschliessen können, da ja vielmehr der Geist als Seele
das Sein des Leibes als Leibes actuiren und compliren soll. Ein
vollkommen actuirter Geist könnte jedoch nicht als Seele in den
Leib eingehen, er müsste demselben äusserlich bleiben, während
er doch, um mit demselben zu Einer Wesenheit sich zusammen-
zuschliessen, innerlichst in demselben vorhanden sein muss.
118
Werner.
t
Daraus folgt, dass sowohl der Geist als auch der Leib nur
insofern, als in beiden Actualität und Potenzialität zugleich
vorhanden ist, sich zn Einem Wesen zusammenschliessen
können, und zwar so, dass das relativ potentielle Sein des
Geistes die vollkommene Actualität des Leibes ermöglichet,
und umgekehrt die relative Potenzialität des Leibes die voll
kommene Selhstactuirung der Seele als Geist ermöglichet. Der
Geist ist seinem Wesen nach penetrativer Natur; als penetra-
tives Wesen erweist er sich nur, wofern er den Leih als Seele
zu durchdringen vermag; in Folge dieser Durchdringung wird
aber der Leib erst wahrhaft Leih. Umgekehrt kann der dem
Leihe als Seele eingesenkte Geist nur als Seele sein Geistsein
actiüren, sofern ihm durch die leibliche Sensation die Anregung
zur Actuirung seiner Intellectionsfähigkeit zu Theil wird. Der
dem Leibe eingesenkte und an die Verbindung mit demselben
gewiesene Geist ist nicht reine Intelligenz, sondern eine dem
Leihe contemperirte substantielle Ratio, durch deren Thätigkeit
die sinnliche Empfindung rationalisirt wird, während umgekehrt
das rationale Denken der mit dem Leihe verbundenen Seele
in der Imagination sich versinnlichet. So begegnen und durch
dringen sich im Menschen Geistiges und Leibliches in der
möglichsten Versinnlichung des ersteren und in der möglichsten
Vergeistigung des letzteren, ohne dass damit die innere Unter-
schiedenheit beider aufgehoben würde, oder der Geist an seinem
Wesen Einbusse erlitte. Das Wesen des Geistes ist Universa
lität ; der menschliche Leib hat aber als totale Zusammenfassung
und vollkommenste Durchbildung alles materiellen Seins, so
wie als Medium der rationalen Apprehension der gesammten
sichtbaren Wirklichkeit gleichfalls einen universalistischen Cha
rakter, daher er seinem Wesen nach der Natur des Geistes
congruent ist, und als geeignetes Vehikel und Instrument der
activen Selbstentfaltung des universalen Wesens des Geistes
sich erweist.
Der Mensch ist seinem Wesen nach die reale Concretisi-
rung der wechselseitigen Äufeinanderbeziehungen des Einen
und Vielen, des geistigen und materiellen Seins, welche beide,
in Seele und Leib als lebendige Tota gegeben, sich zu einem
aus ihrer Verbindung resultirenden Totum umfassendster und
completester Art zusammenschliessen. In diesem reflectiren sich
Zwei philosophische Zeitgenossen und Freunde G. B. Vico’s. II.: T. Kossi. 119
alle Arten der harmonisirenden Unifieation des Universums.
So ist zunächst in dem von der Seele belebten Menschenleibe
die durch die drei Principien des Universums bewirkte harmo
nische Einheit der Natura universalis in höherem Grade wieder
gegeben. Die im belebten Leibe sich darstellende harmonische
Einheit ist aber nur der Reflex der dreieinigen Harmonie des
die drei Sphären leiblicher, seelischer, geistiger Thätigkeit in
sich fassenden Gesammtwesens des Menschen. Und diese Har
monie zusammt den in ihr enthaltenen Wechselbeziehungen
reflectirt sich weiter im rationalen Erkenntnissieben des Men
schen, 1 welches zunächst als Ars, als geistige Reproduction
des in der Natura universalis real Gegebenen in die objective
Wirklichkeit versenkt ist, dann aber in der Zurückwendung
des inneren Seelenmenschen auf sich selbst das gottesbildliche
Wesen des Menschengeistes in dessem dreifachen Vermögen als
Erkennenden, Wollenden, Könnenden zum Ausdrucke bringt. 2
Die ursprüngliche Versenktheit des erst allmälig von den
Banden der sinnlichen Leiblichkeit sich losringenden Menschen
geistes in’s stoffliche Sein bringt es mit sich, dass im zeitlichen
Menschenerkennen das Erfahrungsbewusstsein vorschlägt, und
die menschliche Erkenntnissfunction vorwiegend in der Reduc-
tion des Vielen auf die Einheit besteht, 3 obschon zufolge der
1 L’ estensione, il uumero e la divisibilitä della materia preparata e dis-
posta eon ragionevoli forme, ed adunata prima nell’ iugegno del lavoro,
in eui una principal forma altre minori forme contieue, e poi nel con-
senso della materia vigorosa e penetrabile, in eui un principal moto i
minori movimenti assorbisee, finalmente si unifica nell’ inestensa e in-
divisibile unitä ed amplitudine dell’ animo, che la mole e ’l congegna-
mento e la comunicazione per tutto penetra ed include, onde il corpo
e vivo ed animato, e l’anima e da cognizione illustrata, e l’uomo e sen-
sato e ragionevole. Animo dell’ uomo, p. 117.
2 Cotesta unitä col maraviglioso potere di rivolgersi verso di se, e di con-
tinere e muovere e reggere se medesima eontinendo, movendo e reg-
gendo tutto il corpo organico, viene a costituire il sapere, il volere e ’l
potere dell’ uomo, che e 1’unitä di essenza e di potenza, uno principio
di essere e di operare. 0. c., p. 119.
3 De’ due modi di operare, 1’ uno della distribuzione dell’ universale ne’
molti particolari, e 1’ altro del raecogliemento de’ molti particolari nell’
universale, la mente qui con questo secondo modo adopera; poiche di
molte parti e di molti momenti e movimenti forma un corpo solo ed
un solo movimento: siccome fa della forme aritmetiche e geometriche,
120
Werner.
Durchdrungenheit des lebendigen Menschenwesens von der
universalen Natur des Geistes auch die entgegengesetzte Bewe
gung der Denkthätigkeit zu ihrem Rechte kommt. 1 Die voll
kommene Entfaltung der geistigen Erkenntnissfähigkeit des
Menschen kann aber jedenfalls erst nach der Abtrennung des
Geistes von seiner Verbindung mit dem Leibe eintreten. 2
Rossi vergleicht die vollkommene Entfaltung der geistigen Er-
kenntnissfähigkeit mit der vollkommenen Auswickelung eines
Syllogismus, und nennt insgemein die durch keine sinnlichen
Einflüsse verdunkelte Intelligenz einen vollkommen actuirten
Syllogismus, 3 zu welchem sich die Rationalität der dem zeit
lichen Erdenleibe eingesenkten Menschenseele nur wie ein Ar
gument, 4 und zwar wie ein von den sinnlichen Dingen her
genommenes Argument verhält, in welchem allerdings die ideale
Wahrheit der Dinge durchscheint. 5 Der Ausdruck Syllogismus
e dell’ altre di lor natura estense e divisibili, che aduna nell’ inestensa
e indivisibila sua cogitazione; cosi nelle concezioni, quando ella da se
le inventa; come nelle percezioni, quando ella in quelle giä inventate
e fatte s’ incontra. O. c., p. 115.
1 Laddove per contrario nelle percezioni degli obbjetti esterni, nell’ organo
universale dell’ universal senso, e ne’ particolari de’ sensi particolari,
la sua unita ed universalitä giä piena e feconda comparte ne’ minuti
indizi o immagini, all’ impressione, che ne riceve;' tutte dall’ intimo
universal senso e cogitazione riproducendole. O. c., p. 116.
2 Convien credere, che 1’ anima sottratta a quelle grossezze e da quelle
angustie sprigionata, a voler riguardare la natura di lei e la sua virtü
naturale, quel potere medesimo, che ella ha sopra la materia penetre-
vole, con piü sovranitä e piü vigore esercitar possa; e maggior copia
di maggior finezza ed attivitä di quella materia dominare. E per conse-
guente non ristretta fra quei cancelli, ne in quelle minutezze spartita,
ma dilatata e in se raccolta, con un solo amplissimo senso universale
possa e piü distintamente scernere, e piü altamente penetrare, e piü
chiaramente apprendere tutte le forme e tutte le azioni delle cose mate-
riali. O. c., p. 168.
3 L’ intelligenza e un sillogismo giä perfetto, che con totale penetrazione
e con eccessiva chiarezza comprende l’universo essere intelligente senza
ombre e senza vicende. O. c., p. 216.
4 La ragione o cognizione umana non e ella altro che un argumento, cioe
una potestä o facultä, per cosi dire, di sillogizzare, che tutto 1’essere
ragionevole va a conchiudere con vicende ed ombre. O. c., p. 217.
5 La ragione dell’ uomo non in altro modo giugne a conoscere gli obb
jetti, che argomentando dalle minute e rozze loro similitudini, ed indi
le intere e piü perfette immagini riproducendo ed esplicando. Ivi.
Zwei philosophische Zeitgenossen und Freunde G. B. Vico’s. II.: T. Rossi. 121
wird von Rossi nicht blos auf die Selbstentfaltung der Intelli
genz, sondern auch auf das Wesen der Intelligenz selber an
gewendet, die als geistiges Sein die Bedeutung einer in sich
gefassten und sich aus sich selber entwickelnden totalen Einheit
hat, 1 so dass der Ausdruck Syllogismus so viel als reale
Zusammenfassung bedeutet. In diesem Sinne verstanden ist
der Ausdruck Syllogismus auch auf den menschlichen Leib
anwendbar, der gleichfalls die reale Zusammenfassung eines
lebendigen Totum ist, nur dass der Inhalt desselben statt der
Ideen der Dinge nur die denselben entsprechende sinnliche
Wirklichkeit ist, welche im Menschenleibe mikrokosmisch geei-
niget ist, 3 daher letzterer ein inferiores Nachbild des ihm
einwohnenden menschlichen Geistes ist. Da die in ihm geeinigte
materielle Vielheit nur durch die ihm einwohnende Seele zu
sammengehalten ist, so ist er seiner Natur nach auflösbar und
sterblich, 3 während die ihn zusammenhaltende intelligente Seele
zufolge ihrer Untheilbarkeit unauflöslich ist, somit dem Tode
nicht unterliegen kann.
5.
Der reale Syllogismus hat sein formales Gegenbild in der
syllogistischen Denkform als wesentlicher Form der rationalen
Denkentwickelung, in deren Functionen die den gottgedachten
Zusammenhang der Weltdinge geistig in sich reproducirende
Seele sich als Ars substantialis bethätiget. Ihr Denkvorgehen
besteht wesentlich in der Subsumtion des Vielen als des Be
sonderen unter das Eine als das Allgemeine, und in der Ablei
tung des geistigen Verständnisses des Vielen und Besonderen
1 Salvo ed intero dee rimanere, e dal corpo placidamente sceverarsi, e
in se medesimo raccorsi lo spiritual sillogismo della vita intelligente,
ehe tutto il numero del suo essere da piena indivisibile unitä proce-
dente, in quella medesima raccoglie ed aduna. 0. c., p. 183.
2 La parte corporale, che detto abbiamo esser ministra dell’ anima, ella
e un sillogismo della materia penetrevole, che quello degli spiriti e de’
liquori yitali accoglie, e aduna, e in perpetue circolazioni rapisce a vivi-
ficar 1’ animale. 0. c., p. 182.
3 Questo sillogismo, egli e per morbi e per dolori dissolubile: e quando in
effetto e in tutto disciolto, o ancora per malefieio di ostili nature e sol
conturbato o depresso, perche 1’ aure e i fluori vitali e salubri sono
disturbati o inceppati, o fugaci e dispersi. Ivi.
122
Werner.
ans dem Einen und Allgemeinen. Die Erkenntniss des Vielen
und Besonderen wird aus der sinnlichen Erfahrung geschöpft,
die Erkenntniss des Einen und Allgemeinen gehört dem In-
tellecte an; in der Ratio als specilisch menschlichem Denkver
mögen durchdringen sich wechselseitig Sinn und Intellect, durch
ihre Vermittelung wird das sinnlich Apprehendirte auf den
intellectiven Gedanken zurückbezogen und aus demselben ver
standen.
Da die Ratio als ein rein formales Vermögen den Inhalt
ihrer Erkenntnissthätigkeit nicht aus sich selbst schöpft, und
denselben während der Dauer des irdischen Zeitdaseins des
Menschen zunächst und vornehmlich aus der sinnlich-irdischen
Erfahrung zu gewinnen hat, so trägt das zeitliche Erkennen
des Menschen wesentlich den Charakter eines Erfahrungs-
erkennens an sich, und würde ausschliesslich als Erfahrungs-
erkenntniss zu gelten haben, wenn es nicht von den dem In-
tellecte eingeschaffenen Ideen durcligeistet wäre. Freilich kann
es aber nur in Kraft dieser Durchgeistung zu einem wirklichen,
wahrhaft rationalen Erkennen werden, als welches das echt
menschliche Verständniss der Dinge seiner Natur nach über
den denkrohen Empirismus hinausgehoben ist. Es ist sonach
die Lehre von den angebornen Ideen, wodurch Rossi, der in
der aristotelischen Philosophie eine Ergänzung der platonischen
sieht, seine Denkanschauung von jener der vulgären Aristote-
liker unterschieden sehen will. Weiter als diese geht Locke,
der nicht blos die angebornen Ideen, sondern auch das von
den Peripatetikern anerkannte Angeborensein der ersten Prin-
cipien oder Axiome des menschlichen Denkens und freithätigen
Handelns bestreitet. Rossi eonstatirt, dass sich Locke hiemit
auf dem Gebiete der Erkenntnisslehre zum Gesammtinhaltc
der bisherigen Traditionen der besseren Philosophie in Wider
spruch setze, und fühlt sich demgemäss aufgefordert, speciell
Locke gegenüber den angebornen Denkinhalt der menschlichen
Seele zu erweisen. 1 Er macht vor allem auf die durchaus
unrichtige Deutung aufmerksam, welche Locke dem Angeboren
sein der Ideen und höchsten Axiome gab, als ob dieselben
eine Zugabe zum lebendigen Sein des Geistes in der Form
1 Vgl. Rossi, Mente sovrana del mondo, Parte II, capp. 1—0.
Zwei philosophische Zeitgenossen und Freunde G. 13. Vico’s. II.: T. Rossi. 123
förmlicher Begriffe und Sätze wären. Hätte Locke die Un
richtigkeit seiner Vorstellung vom angebornen Geistinhalte der
menschlichen Seele erkannt, so würde er wohl von einer Be
streitung derselben Abstand genommen haben. Der angeborne
Denkinhalt der Seele ergibt sich zunächst aus der Natur des
menschlichen Geistes. Worin soll sich dieser von der blinden,
rohen Materie unterscheiden, wenn er bei seinem Eintritt in’s
Weltdasein nicht mit einem allgemeinen Sinne und einer
allgemeinen Erkenntniss als Vorbedingung aller nachträglich
eintretenden besonderen Wahrnehmungen und Erkenntnisse
ausgestattet wäre? Dem angebornen allgemeinen Sinne und
allgemeinen Erkennen eine blosse Befähigung zum Wahrnehmen
und Erkennen als ursprünglich Vorhandenes substituiren wollen,
erweist sich bei näherem Zusehen als eine nichtssagende Aus
kunft; denn entweder ist diese Fähigkeit etwas rein Passives,
und dann drückt sie keinen Unterschied des Geistes von der
Materie aus — oder sie ist etwas Actives, und dann ist sie wirk
liche Productionsursache jener Ideen und Principien, um welche
es sich handelt. Jede Natur ist das Princip ihres Seins und
Wirkens; die stoffliche Natur ist das Princip der Bewegung,
und manifestirt sowohl in ihrem allgemeinen Dasein und Leben
als auch in allen besonderen Kreisen desselben ein ihr imma
nentes Universalprincip der Bewegung als Voraussetzung aller
particulären Bewegungen; was der blinden, rohen Natur nicht
fehlt, kann in seiner Weise auch der sensations- und intellec-
tionsfähigen Natur der menschlichen Seele nicht abgesprochen
werden. Das dem allgemeinen Bewegungsprincip der stofflichen
Natur und seinen Specialisationen entsprechende Analogon im
menschlichen Geistdasein sind die universalen Sensationen und
Notionen; diese müssen sonach vor aller particulären Sensation
und Intellection vorhanden sein. Die geistige Natur würde ohne
die ihr von Natur aus eignenden Universalprincipien weder
Geistnatur, noch überhaupt Natur sein. Das ursprüngliche
Vorhandensein jener Universalprincipien offenbart sich in den
ersten Anfängen des menschlichen Empfindens, Erkennens
und Wollens. In den ersten Empfindungen des Angenehmen
und Unangenehmen gibt sich unläugbar eine ursprünglich vor
handene Sensation des Seins oder Nichtseins, der Fülle oder des
Mangels, des Guten oder Schlimmen, des Schönen oder Hass-
124
Wei n er.
liehen, der Ordnung oder Unordnung als Richtmass über die
Annehmlichkeit oder Unangenehmheit der besonderen Empfin
dung zu erkennen. 1 Das Angeborensein der allgemeinen Ideen
ergibt sich weiter aus dem Begriffe derselben als der ersten
Lichtsamen aller Wissenschaft und Kunstfertigkeit. Als erste
Ideen müssen sie vor allen anderen vorhanden sein, können
sonach nicht gleich diesen erworbene Ideen sein; erworben
sind nicht die einfachen, sondern die zusammengesetzten Ideen.
Jeder Ansatz der Entwickelung ist etwas Natürliches d. i. zur
Natur des sich Entwickelnden Gehöriges; die ersten Ideen
müssen sonach als Entwickelungsansätze des geistigen Lebens
unmittelbar mit der Natur der Seele selber gesetzt sein, obschon
sie, da die menschliche Seele nicht gleich der reinen Intelligenz
das Wissen selber in eigenster Wesenheit ist, von der Essenz
der Seele zu unterscheiden sind; desshalb heissen sie angeborno
Ideen. Nicht blos Ideen und Principien, sondern auch Affecte
sind der menschlichen Seele angeboren, was Locke theilweise
selbst zugibt, indem er das Glückseligkeitsbegehren und das
Widerstreben gegen das Gegentheil des Glückseligseins als
angeboren anerkennt. Er kann das Vorhandensein noch anderer
natürlicher Affecte nicht in Abrede stellen, läugnet aber, dass
sie regulative Sensi universali seien, da sie an sich des Has
ses und der Bestimmtheit entbehrten, als ob ihnen nicht im
Menschen zufolge der Durchdringung der Sphäre des Affect-
lebens vom Lichte der Intelligenz Mass und Regel zu Theil
würde. Die natürliche Liebe zu sich und zu Seinesgleichen,
sowie die natürliche Abneigung gegen das, was der persönlichen
Neigung und den selbstigen Interessen widerstrebt, ist einer
höchsten Vergeistigung und Veredlung fähig, und erscheint in
dieser verallgemeinernden Vergeistigung als die angeborne Liebe
zu den Objecten der angebornen Ideen, als die Liebe zum
Guten und Rechten, zum Schönen, zur Ordnung und Harmonie,
zur Fülle, Einheit und Ruhe, so wie andererseits als Abscheu
vor dem Schlechten, Hässlichen, Ungeordneten u. s. w. Die
dem Herzen angehörigen natürlichen Affecte sohliessen sich
1 Ne osta che quei sensi intorno a materiali obbjetti si aggirano, percioc-
che con leggi di numeri e di misure, con proporzioni e corrispondenze
si spiegano intorno alla materia, e non altrimenti. Sovrana mente, p. 41.
Zwei philosophische Zeitgenossen und Freunde G. B. Vico’s. II.: T. Rossi. 125
mit den angebornen Ideen des menschlichen Geistes zu einer
lebendigen Einheit zusammen, und constituiren in Verbindung
mit ihnen eine dem Menschen angeborne natürliche Regel des
menschlichen Thuns und Handelns, die allerdings einer fort
schreitenden Rationalisirung unterliegt, aber die ersten Ansätze
einer rationalen Auffassung der praktischen Lebensbeziehungen
des Menschen in sich schliesst.
Rossi’s Polemik gegen Locke ist, soweit es sich um die
Erweisung der im menschlichen Seelenwesen vorhandenen An
sätze der geistigen und sittlichen Lebensentwickelung des Men
schen handelt, durchaus im Rechte; es fragt sich nur, ob die
von Rossi nachgewiesenen Ansätze der Lebensentwickelung
vollkommen richtig aufgefasst, und mit dem lebendigen Wesen
der Seele in Einklang gebracht seien. Rossi geht von dem
Gedanken aus, dass die menschliche Seele zufolge ihrer Ver
bindung mit dem menschlichen Leibe und zufolge des hieraus
resultirenden Versetztseins ihres Erkenntnisslebens mit sinn
lichen Elementen keine reine Intelligenz sei, und demnach die
ihr grundhaft eignenden universalen Erkenntnissansätze von
der Essenz der Seele zu unterscheiden seien, obschon die Seele
ohne dieselben nicht als ein von der körperlichen Realität
unterschiedenes Geistwesen gedacht werden könnte. Dieser
accessoriscke Charakter der universalistischen primitiven Er
kenntnissansätze bildet einen auffallenden Gegensatz zu den
angebornen Affecten, welche unmittelbar mit der Essenz der
dem Leibe eingesenkten Seele selber schon gegeben sind, und
mit dem lebendigen Sein der Seele absolut zusammenfallen.
Die Scheidung zwischen Herz und Geist im Leben des inneren
seelischen Menschen ist gewiss eine vollberechtigte; aber das
Herz muss, um als grundhafter Ansatz der sittlichen Lebens
entwickelung gelten zu können, selber schon als eine geistige
Realität gedacht werden; ja noch mehr, als der ursprünglich
gegebene Ansatz der entwickelten geistigen Selbstigkeit des
Menschen muss es das selbstige Denk- und Willensstreben des
Menschen initialiter bereits in sich schliessen, so zwar, dass es als
ein besonderer, von Geist und Wille unterschiedener Constituent
des psychischen Selbstlebens erst dann und insoweit erscheint,
als in der fortschreitenden Auswickelung des inneren seelischen
Lebens Geist und Wille als selbstige Factoren desselben
126
Werner.
sich herausgebildet haben, die mit dem Herzen als zuerst vor
handenen Grundfactor eine lebendige Dreieinheit constituiren,
in welcher aus dem ersten Factor der zweite, nämlich der
Geist, und aus beiden der dritte, der Wille als centrale Mitte
einer besonderen psychischen Lebenssphäre sich heraussetzt.
Rossi fasst das Herz oder die Sphäre des Affectlebens aus
schliesslich als Mittelpotenz zwischen Geist und Leib, und
bringt es zu keiner klaren Scheidung zwischen psychischen
Affecten und sinnlichen Empfindungen; er sucht, wie für das
actuelle Denken, so auch für den Affect die Wurzel in der
sinnlichen Empfindung. 1 Diese psychologisch unwahre An
schauung, in welcher die sinnlich-leibliche Basirung des Affect
lebens und die Wirkungen desselben auf das leibliche Herz
mit dem psychischen Wesen des Affectlebens confundirt werden,
hat zweifelsohne ihren Grund in Rossi’s unvermittelter Annahme
der aristotelischen Definition der Seele als Actus corporis, aus
welcher zugleich seine vorerwähnte Erklärung des accessorischen
Charakters der sogenannten angebornen Ideen verständlich wird.
Eben so klar tritt aber hiebei zu Tage, dass er das denkhafte
Wesen der Seele nicht zu erfassen vermochte, und zwar aus
dem Grunde, weil er gemeinhin den Geist oder die Denknatur,
unter deren Begriff auch jener der denkhaften Menschenseele
zu subsumiren ist, nicht nach seinem inneren Wesen, sondern
lediglich nach seinem Hinausgerücktsein über das räumlich
quantitative Sein der körperlichen Realität in’s Auge fasste.
Daraus liess sich der universalistische unificative Charakter
des Geistes im Allgemeinen, des menschlichen Seelenwesens
im Besonderen ableiten ; sofern aber letzteres als Actus corporis
reales Unificationsprincip des Leibes ist, büsst es bei Rossi
die Fähigkeit ein, unmittelbar durch sich selbst die Gesammt-
heit alles Seienden ideell zu umgreifen, da es unmittelbar durch
sich selbst ideell nicht mehr umgreifen kann, als es real als
höchste Fassungsform der sichtbaren Wirklichkeit umgreift.
1 Come la sensazione, per una via verso il cielo, dell’ uomo ascendendo
... di grado in gradi diradandosi ed illustrandosi sempre piü, va ulti-
mamente a terminar nelle cogitazioni, che sono il sapere dell’ uomo:
cosi la sensazione medesima, per altra via, di mano in mano maggior
finezza e maggior delicatezza acquistando, finalmente nel cuore va a
finire, e negli affetti che ne sono il volere. Animo dell’ uomo, p. 137.
Zwei philosophische Zeitgenossen und Freunde G. B. Vico : s. II.: T. Rossi. 127
Daher die Nothwendigkeit jener accessorischen Zugaben, mittelst
welcher es befähiget werden soll, den durch die sinnliche Er
fahrung gelieferten Erkenntnissstoff unter das absolut Allgemeine
zu subsumiren, und alle relativen Allgemeinheiten aus dem
absolut Allgemeinen zu verstehen.
Daraus ergibt sich nun im Besonderen für Rossi die
absolute Wichtigkeit der angebornen Gottesidee als absoluter
Voraussetzung aller übrigen Ideen. Locke konnte — bemerkt
Rossi — da er alle übrigen angebornen Ideen verwarf, auch
das Angeborensein der Gottesidee nicht gelten lassen, während
umgekehrt derjenige, welcher an den übrigen angeborenen
Ideen festhält, umso mehr an der absoluten Voraussetzung
derselben festhalten muss. Die Ideen des Seins, des Wahren,
des Rechten, Guten und alle übrigen Ideen, welche die Univer
salien des menschlichen Wissens und die Partialelemente der
metaphysischen Essenz constituiren, sind in die Gottesidee
derart verflochten, dass sie sich von derselben gar nicht ab-
lösen lassen. Der Gottesgedanke ist ein absolut notlrwendiger
Gedanke; der menschliche Geist kann insgemein nichts End
liches denken, ohne dass er zugleich das Unendliche mitdenkt;
der Gedanke einer determinirten Zahl, Ausdehnung, Dauer
oder Species involvirt jederzeit den Gedanken einer unendlichen
Zahl, Ausdehnung, Dauer oder Essenz. Unendlichkeit, Noth
wendigkeit und Universalität sind eine und dieselbe Realität,
daher mit dem Gedanken des Unendlichen zugleich auch jener
des absolut Notliwendigen und der absoluten Allgemeinheit
gegeben ist; aus der Denknothwendigkeit des Unendlichen
folgt somit auch jene des absolut Notliwendigen und absolut
Allgemeinen, welche beide in Verbindung mit dem Unendlichen
das göttliche Sein charakterisire'n und constituiren. Das Un
endliche ist wesentlich substanziell, und die endlichen Species
sind als Variationen dieses substanziellen Seins die Modi des
Unendlichen; denn das Endliche geht nicht aus dem Nichts,
sondern aus dem reellen unermesslichen Schoosse des Unend
lichen hervor, und eben so die Erkenntniss des Endlichen aus
der Erkenntniss des Unendlichen. So wenig als das Endliche
und Contingente aus dem Nichts hervorgehen kann, eben so
wenig kann es aus dem Nichts verstanden werden; also muss
es aus dem Unendlichen verstanden werden. Der Geist muss
128
Werner.
es ans dem Unendlichen verstehen können, weil er selber uni
versell und unbegränzt ist; er ist nicht auf diese oder jene
determinirte und particuläre Erkenntniss beschränkt, sondern
vermag alle Erkenntnisse zu umfassen. Dieses Argument für
die Universalität des menschlichen Geistes hat allerdings eine
sehr relative Bedeutung, und besagt nur so viel, dass das
Fassungsvermögen des menschlichen Geistes durch die Auf
nahme irgend einer bestimmten begränzten Zahl von Erkennt
nissen endlicher Dinge nicht erschöpft werde; dass er auch
eine unendliche Zahl von Erkenntnissen endlicher Dinge in sich
aufnehmen könne, wollte gewiss Rossi selber nicht behaupten,
schon darum nicht, weil er eine unendliche Zahl endlicher
Dinge ausser Gott nicht zugeben konnte. Demnach ist die
Universalität des menschlichen Geistes als eine begränzte Uni
versalität, als eine der endlichen Zahl der Dinge ausser Gott
adäquate Seinstotalität und Fassungscapacität zu verstehen, die
überdiess in einem speciellen Congruenzverhältnisse zur Bedeu
tung der Seele als realer höchster Fassung der sinnlichen Welt
dinge stehen muss, weil eben nur unter dieser Voraussetzung,
wie oben dargelegt wurde, der Begriff der angebornen Ideen
in deren Unterschiede von actualen Erkenntnissen, die unmittel
bar schon mit dem Sein der reinen Intelligenz gegeben sind,
sich erhärten lässt. Das menschliche Erkennen der endlichen
Dinge im Lichte der Gottesidee ist, wie Rossi selber hervor
hebt, nicht ein Erkennen des menschlichen Geistes aus sich
selber, sondern aus Gott oder aus der Idee des Unendlichen;
wenn nun dem menschlichen Geiste selber Unendlichkeit bei
gelegt wird, so liegt hier ein bedenkliches Ineinanderfliessen
des göttlichen und menschlichen Geistes vor, welches auf einer
Fusion der dem menschlichen Geiste in negativer Weise vin-
dicirten Unendlichkeit mit der positiven Unendlichkeit des
göttlichen Geistes beruht. Damit ist nun die Richtigkeit des
gesammten Beweisverfahrens zu Gunsten des Angeborenseins
der Gottesidee in Frage gestellt. Dasselbe bewegt sich schon
darum in einem fehlerhaften Zirkel, weil es die Realität des
göttlichen Seins, welche auf Grund der angebornen Gottesidee
sich erproben soll, als Voraussetzung des Vorhandenseins der
angebornen Gottesidee postulirt. Als reelles positives Ergebniss
resultirt aus Rossi’s Argumentationen nur so viel, dass alles
Zwei philosophische Zeitgenossen und Freunde G. B. Vico's.. II.: T. Rossi. 129
relativ Seiende auf ein absolut’ Seiendes zurückweise, alles
relativ Wahre aus einem absolut Wahren verstanden werden
müsse. Sofern nun das absolut Wahre und absolut Seiende
Gott heisst, ist Gottes Sein gewiss eine primäre Denknothwen-
digkeit, auf welche der Gesammtzusammenhang einer rational
geordneten Weltauffassung zuletzt und zuhöchst gestützt ist;
und in diesem Sinne lässt sich allerdings von einer dem mensch
lichen Geiste angebornen Nothwendigkeit, Gott zu denken,
sprechen. Hiebei bleibt aber zu beachten, dass eine angeborne
Denknothwendigkeit ihrem Begriffe nach etwas von einer an
gebornen Idee Verschiedenes ist, dass ferner von einer ange
bornen Denknothwendigkeit doch nur in uneigentlicher Weise
gesprochen werden kann, da der Geist oder das Denken sich
nicht selber angeboren sein kann. Die Erfassung der Denknatur
des menschlichen Geistes lässt eine Beweisführung für das
Vorhandensein angeborner Ideen nicht blos als überflüssig
entfallen, sondern sogar als ein denkwidriges Unternehmen
erscheinen, welches auf einer unzureichenden und verfehlten
Auffassung des menschlichen Geistwesens beruht.. Wir sehen
diess bei Rossi, der einerseits den menschlichen Geist zu tief
herabdrückt, andererseits aber wieder ungebührlich über seine
wahre Höhe hinaufhebt, und beides darum, weil ihm die specu-
lative Idee der menschlichen Selbstigkeit als der geschöpflichen
Gegenbildlichkeit des göttlichen Seins fehlt; denn einzig mit
dieser ist eine klare und bestimmte Unterscheidung des mensch
lichen Geistes vom göttlichen und zugleich die unlösliche Wechsel
beziehung zwischen beiden gegeben, aus welcher sich erklärt,
wie der menschliche Geist, obwohl alles in seinen Fassungs
bereich fallende aus sich selbst erkennend, dasselbe dennoch
zuhöchst aus Gott verstehen müsse, und nur im Lichte der
göttlichen Wahrheit verstehen könne. In den Fassungsbereich
des geschöpflichen Geistes als eines concreten Totalwesens fällt
alles Seiende nach dem Masse seiner geschöpflichen Fassungs
kraft, somit auch Gott, dessen Sein als absoluter Geist für den
in seiner relativen Absolutbeit sich erfassenden geschöpflichen
Geist eine denknothwendige Wahrheit ist.
Rossi stützt seine eigenthümliche Auffassung des Ange
borenseins der Gottesidee auf den Satz, dass der menschliche
Geist das Endliche nicht aus dem Nichts, sondern nur aus
Sitzungaber. <i. phil.-hist. CI. CXII Bd. I. Htt. 9
130
AVc r n c r.
dem Unendlichen als absoluter Voraussetzung des Endlichen
verstehen könne. 1 Diese Alternative hat nicht jene ausschliess
liche Geltung, welche Rossi ihr heilegt; denn daraus, dass
Alles schliesslich und zuhöchst aus dem Unendlichen oder Ab
soluten verstanden werden müsse, folgt nicht, dass es zunächst
nicht aus sich selber d. i. aus der Idee seiner selbst verstanden
werden könne, und dass der geschöpfliche Geist dieses nächste
und unmittelbare Verständniss nicht aus sich selbst schöpfen
könne. Er muss vielmehr das ideale Verständniss des Endlichen
zunächst aus sich seihst schöpfen, weil es sonst für ihn über
haupt nicht vorhanden wäre; er weiss von den in Gott existen
ten Ideen der Dinge nur darum, weil er sie nachträglich in
sich selbst reproducirt, und in dem Vermögen dieser nachbild
lichen Reproduction besteht eben die gottverwandte Lichtnatur
des geschöpflichen Geistes, die mit dem Sein desselben un
mittelbar zusammenfällt. Die specifische Weise der im mensch
lichen Erkennen statthahenden nachbildlichen Reproduction er
klärt sich aus der specifischen Seinsweise des menschlichen
Geistes als eines mit einem sinnlich-leiblichen Perceptionsorgan
zur realen Lebens- und Wesenseinheit zusammengeschlossenen
lebendigen Formprincipes, welches darauf angewiesen ist, zu
nächst die sinnliche Wirklichkeit der Dinge in sich abbildlich
zu reproduciren, um hiedurch zu der, der geistigen Lichtnatur
der Seele entsprechenden idealen Apprehension der Dinge solli-
citirt zu werden, in welcher der selbsteigene seelische Gedanke
des Dinges aufleuchtet, der von dem auf den absoluten Geist
sich zurückbeziehenden geschöpflichen Geiste als Reproduction
des göttlichen Gedankens vom Dinge erkannt wird.
1 Siccome non vi puö essere finito particolare e contingente, che non vi
sia il necessario essere universale ed infinito; che altrimente 1’essere
finito dal nulla verrebbe fuori alla luce e il nulla sarebbe possibile:
cosi non si puö apprendere essere finito particolare contingente, che in-
sierae non s’ inten da T essere necessario universale ed infinito; altrimenti
il finito nel nulla e dal nulla si verria a conoscere; e il nulla sarebbe
nobile, cioe sarebbe possibile o potente al conoscere. Il finito non dal
nulla, ma dal real fecondo amplissimo seno dell’ infinito procede e di
pende; e nello stesso modo dalla vera feconda amplissima cognizione
dell’ infinito la cognizione del finito similmente procede. Sovrana mente,
p. 51 sg.
Zwei philosophische Zeitgenossen und Freunde G. B.’ Vico's. II.: T. Rossi. 131
Rossi fasst die sogenannten angebornen Ideen als Er-
kenntnissansätze auf, in welchen er die Correlate der die Welt
materie gestaltenden realen Potenzen sieht. 1 Da die Potenzen
sich nicht ohne ihr Wirkungssubtract denken lassen, so muss
er auch die Idee der Materie für eine angeborne Idee nehmen, 2
welche, wie er weiter hinzufügt, nur im menschlichen Geiste,
nicht aber in den reinen leiblosen Geistern sich vorfinden
kann. 3 Wir möchten umgekehrt dafürhalten, dass das Bedürf
nis einer angebornen Idee der Materie weit eher bei den
reinen Geistern vorhanden sein müsste, die dem realen Contacte
mit der Materie entrückt, das Vorhandensein derselben nicht
auf dem Wege der Erfahrung inne werden können. Rossi
schneidet diesen Einwand durch die Erklärung ab, die er von
der angebornen Idee der Materie gibt; sie ist ihm die allen
besonderen Sinneswahrnehmungen vorausgehende allgemeine
Sensation der Menschenseele, gleichwie die angeborne Gottes
idee die allen Besonderen Intellectionen vorausgehende univer
sale Intellection ist. 4 Die psychische Empfindungsfähigkeit
besteht aber unabhängig von der Perception der materiellen
Körperlichkeit, und fällt mit der geschöpflichen Passibilität der
1 Come le parziali essenze comuni semplici e prime sono prime all’ essere;
cosi le prime comuni e semplici idee e nozioni sono prime al sapere.
Tutto il lavoro di tutto 1’ essere, da quelle prime parziali essenze con
varii conjugi variamente contesti, per tutta 1’ infinita varietä delle cose
proviene e dipende. E da quelle prime nozioni e idee delle prime par
ziali essenze espressive, variamente combinate, tutto il lavoro della
scienza si propaga. O. c., p. 43.
2 L’ una e 1’ altra idea della materia e di Dio e universale di universale
interminato essere espressiva; quella di essere variabile e cieco, questa
d’ invariabile e intelligente. L’idea della materia e universale: & il piano,
diciam cosi, di tutto il lavoro di tutte le idee meno ampie e meno uni-
versali, e di tutte le idee minute e particolari materiali. O. c., p. 50.
3 La idea della materia alle menti pure, quanto per noi di quello stato
si puo pensare, e pellegrina; ma alla mente dell’ uomo, per la costitu-
zione, e naturale. O. c., p. 53.
4 L’ idea della materia non e una idea nel senso e nell’ intendimento dell’
uomo partitamente descritta, ma adegua tutta la estensione di tutto
1’ umano senso. Esso uman senso, tutto quanto e, e idea universale dell’
universale materia. E 1’ idea di Dio non e una particolare idea nella
mente dell’ uomo descritta, ma tutta la intelligenza e tutta la mente
adegua; essa intelligenza ed essa mente tutta quanta ella e, e univer
sale idea dell’ universale essere divino. O. c., p. 51.
9*
132
Werner.
Seele zusammen; die Perception der materiellen Körperlichkeit
ist nur eine durch die Verbindung der Seele mit dem Leibe
involvirte specielle Modifieation der allgemeinen Passibilität der
Seele als Innewerden eines Widerstandes und einer Hemmung
ihrer Expansionsthätigkeit durch die materielle Wirklichkeit.
Die reine Materie als solche aber ist gemeinhin nicht Gegenstand
einer Sensation, sondern eine Denkabstraction und Denk-
supposition, über deren Giltigkeit und Werth die philosophische
Reflexion sich zu verständigen sucht. Bei näherem Zusehen
erscheinen Gott und die Materie oder die actuelle Unendlich
keit und die formlose Unbestimmtheit in Rossi’s Denksystem,
wie bereits hervorgehoben wurde, als die beiden äusseren Ter
mini der seelischen Perceptionsfahigkeit; der mit jeder dieser
beiden eingränzenden Realitäten zu verbindende positive Seins
inhalt lässt sich aus dem Verhältniss der Seele zum Leibe,
sofern darin das Verhältniss Gottes zur Materie sich reflectirt
und abgestaltet, eruiren; so dass Rossi’s gesammter Apparat
der angebornen Ideen sich letztlich auf die lebendige Apprehen-
sions- und Perceptionsfahigkeit der Seele reducirt. Diese Fähig
keit der Seele fällt aber mit der Essenz der Seele zusammen,
indem sie das Sein derselben als realer Weltpotenz constituirt;
somit entfällt mit dem Begriffe der Seele als denkhaften realen
Seins die Nothwendigkeit einer Annahme von angebornen Ideen
als Zugabe zu dem seiner Idee nach lebendigen Sein der Seele.
Wie Gott seiner Idee nach alles Wirkliche und Denkmögliche
in eigenster Wesenheit ist, so ist die Seele ihrer eigensten
Wesenheit nach der lebendige Denkansatz alles Cogitablen
was ist oder sein kann, und in dieser ihrer Wesensbeschaffen
heit ein geschöpfliches Abbild des göttlichen Seins.
Im Uebrigen muss zugestanden werden, dass Rossi’s Lehre
von den der Seele angebornen Ideen und Principien der Con-
struction seines Weltsystems vollkommen angepasst ist. Wie
die dem menschlichen Leibe eingesenkte menschliche Seele
das höhere Correlat der bewusstlos wirkenden Weltseele ist,
so sind die angebornen Ideen die Correlate der dem Weltstoffe
eingesenkten Samen, welche in Kraft des Wirkens der Welt
seele im Weltstoffe sich entfalten, denselben gestalten und in
den Gestaltungen desselben die schöpferische Denkconception
des göttlichen Geistes actuiren helfen sollen. Die Samen der
Zwei philosophische Zeitgenossen und Freunde G. B. Vico's. II.: T. Kossi.
133
Dinge sind wolil nichts anderes, als die zu Realprincipien ge
wordenen Species oder Artbegriffe der Dinge, welche im Stoffe
sich zu individuiren und zu plurificiren haben; das Grund-
princip der Individuation ist die diffuse Vielheit der an sich
gestaltlosen Materie, welche in der aufwärts steigenden Reihe
der Stoffbildungen bis zum Menschen hinan immer mehr der
unificirenden Macht der Allgemeinheit unterworfen werden soll.
Den angebornen Denkprincipien der menschlichen Seele ent
sprechen die der beseelten Weltmaterie immanenten directivert
Ideen, 1 deren specifischer Träger die Weltseele als das dem
Stoffe eingegeistete Ingenium Naturae ist. Das Correlat dieses
Ingeniums ist die menschliche Seele als Ars substantialis, welche
in ihrer idealen Gestaltungsthätigkeit das reale Bilden der Welt
seele in höherer Weise reproducirt. Die Auffassung der mensch
lichen Seele als Ars substantialis erweist sich aber als Hinder
niss der Erfassung des denkhaften Seins der Seele in deren
geistiger Selbstigkeit und der darin begründeten wesenhaften
Geschiedenheit vom sinnlichen Naturdasein, wie im Besonderen
aus Rossi’s Annahme einer angebornen Idee der Materie hervor
geht. Er sah sich zu dieser Annahme hingedrängt, weil er die
menschliche Seele als ein Mittleres zwischen der Materie und
der reinen Geistigkeit ansah, anstatt sie als das in seinem
speeifischen Verhältnisse zur sinnlichen Realität determinirte
Sein des Geistigen zu erfassen.
6.
Rossi erklärt Locke’s Bestreitung der angebornen Ideen
aus der Abneigung desselben gegen die Cartesische Doctrin,
und sucht im Besonderen die Cartesische Erweisung der ange
bornen Gottesidee zu rechtfertigen, weil diese nicht blos von
den Lockeanern, sondern gemeinhin in den zur Zeit herr
schenden Schulen angefoehten werde. Der Sinn der Cartesischen
Beweisführung ist, es sei dem Menschen natürlich, Gott zu
denken; das Vorhandensein der Gottesidee als natürlicher
Ueberzeugung lasse sich weder aus der Natur des Menschen
1 Le ideali direttrici . . . che il sovrano uffizio hänno di reggere i moti
e le operazioni. Animo dell’ uomo, p. 228.
134
Werner.
oder des menschlichen Denkvermögens, noch aus den Ein
drücken der äusseren Naturwirklichkeit auf den inneren Seelen
menschen ohne Zuhilfenahme einer unmittelbaren göttlichen
Mittheilung ausreichend erklären; somit ist die Gottesidee dem
menschlichen Geiste immittelbar von Gott selber eingezeugt.
Cartesius unterscheidet dreierlei Arten von Ideen: von Aussen
erworbene, selbstgebildete, angeborne Ideen; als absolutes Wahr
heitskriterium stellt er gemeinhin die vollkommene Evidenz des
Gedachten auf. Die Evidenz der von Aussen erworbenen Ideen
besteht in der vollkommenen Uebereinstimmung des mensch
lichen Gedankens oder der menschlichen Vorstellung mit einem
empirischen, sinnlichen wahrnehmbaren Sachverhalte oder Ob
jecte; die Evidenz einer selbstgebildeten Idee in ihrer voll
kommenen Denkmöglichkeit. Die Existenz Gottes lässt sich
nicht auf denjenigen Wegen als absolut wahr erproben, auf
welchen sich die erworbenen oder selbstgebildeten Ideen als
richtig erproben; ihre thatsächliche Evidenz beweist daher
einen vom Ursprünge der beiden genannten Arten von Ideen
verschiedenen Ursprung der Gottesidee. Die Gottesidee ist
zusammt den übrigen angebornen Ideen nach Rossi überhaupt
keinem Wahrheitskriterium unterworfen, weil diese Ideen un
mittelbar durch sich selbst wahr sind; es ist dem menschlichen
Geiste natürlich sie zu denken, und die Natur kann nicht
lügen. Nur die ektypischen und archetypischen (nachbildlichen
und vorbildlichen) Ideen unterliegen dem von Cartesius auf
gestellten und gemeinhin anerkannten Wahrheitskriterium (Klar
heit und Deutlichkeit der Vorstellung oder des Begriffes), und
ihr Wahrsein ist von dem Grade des Durchgreifens der ange
bornen Ideen und Denkprincipien in ihnen abhängig. Diess
hat am wenigsten in den ektypischen Ideen statt; es wird
auch von denselben nichts anderes verlangt, als dass sie rich
tige Bilder der Aussendinge seien. Anders verhält es sich mit
den archetypischen Ideen, welche die der unmittelbaren Wahr
nehmung entrückten Wesenheiten der Dinge wiedergeben sollen;
die Wesensformen der Dinge können nur durch Kunst und
Wissen geistig reproducirt werden. Hier stellt sich nun aller
dings die Nothwendigkeit einer Bürgschaft für das Gelungen
sein • der Reproduction ein; Rossi verlangt ausser der von
Cartesius urgirten Klarheit und Deutlichkeit auch noch die
Zwei philosophische Zeitgenossen und Freunde G. B. Vico’s. II.: T. Rossi. 135
Lebendigkeit und Beständigkeit als Wahrbeitsproben der arche-
typischen Ideen, und lässt durch das simultane Zutreffen dieser
vier Kriterien dasjenige eonstituirt werden, was er den höchsten
Grad geistiger Evidenz nennt. 1
In der von Rossi dem Cartesisehen Wahrheitskriterium
gegebenen Erweiterung reflectirt sich auf’s Deutlichste der
Unterschied seiner Denkanschauung von jener des Cartesius;
er fasst die archetypischen Ideen als Reflexe der dem Welt
stoffe immanenten realen Bildungsmächte, während Cartesius
von solchen realen Bildungsmächten nichts weiss, sondern un
mittelbar Alles durch die Macht des göttlichen Willens als
absoluten Bewegers der Materie gewirkt sein lässt. Rossi steht
entschiedenst für das Universale in re als Mittelglied zwischen
dem Universale ante rem und Universale post rem ein, während
in der Cartesisehen Philosophie der speculative Begriff des Uni
versale als ein dem überwundenen Denkstandpunkte der Scho
lastik angehöriger Begriff einfach abgeworfen ist. Auf diese
Grunddifferenz lassen sich alle jene Punkte zurückführen, in
welchen Rossi gelegentlich seinen Gegensatz zur Cartesisehen
Anschauungsweise betont; Rossi besteht auf der Wahrheit des
speculativen Begriffes der Wesensform, fasst die menschliche
Seele als eine lebendige Universalform, in welcher der mensch
liche Leib als Organ der Seele befasst ist, reagirt gegen die
pseudospiritualistische Abtrennung des Sinnlichen vom Geistigen,
fasst die sichtbare Naturwelt als ein von Gottes Kraft beseeltes
lebendiges Ganzes auf, und verwirft die auf rein mechanistische
Principien gestützte Naturorldärung der Cartesianer und die
damit zusammenhängende Verwandlung der Naturphilosophie
in Physik. Die engere Verkettung des Geistigen und Sinnlichen
zieht eine entschiedenere Unterordnung der empirischen Er-
kenntniss unter die speculative geistige Erkenntniss nach sich,
worin Rossi das eigentliche Wesen und bleibende Wahre des
Platonismus sieht im Gegensätze zu den Cartesianern, bei
welchen sich in Folge der Emancipation der sinnlich stofflichen
Wirklichkeit von ihren idealen Fassungsformen der platonische
1 Le quali doti con una sola voce ,clarissimum visum‘ tutte si compren-
dono, perciocche la somma chiarezza distinzione, vivacita, costanza ha
seco necessariamente. Sovrana mente, p. 64.
136
Werne r.
Idealismus zu einem abstract räsonnirenden Vernunftrationalis
mus abschwächte. Während im Cartesianismus der endliche
geschöpfliche Geist und die materielle Wirklichkeit einander
als zwei gewissermassen coordinirte Modi der geschöpflichen
Substanzialität gegenübertreten, deren ausgleichende Vermitte
lung im göttlichen Sein als übergeordneten Dritten gefunden
wird, hebt Rossi die in der Disparität des beiderseitigen Seins-
werthes begründete Unterordnung des Materiellen unter das
Geistige entschiedenst hervor, und bezeichnet Geist und Materie
als zwei von einander weitest abstehende Genera Veri, von
welchen das eine in einem höchsten, 1 das andere in einem
allerniedrigsten Grade 2 am Wahrsein Antheil hat. Dass das
geistige Sein im Verhältniss zum materiellen Sein den Charakter
des Hellen, Lichten, Klaren an sich habe, wird von Rossi’s
Seite bereitwilligst anerkannt, nebenbei aber auf die im Vernunft
rationalismus der Cartesianer nicht beachteten mysteriösen Seiten
hingewiesen, welche die Natur des geistigen Seins als der voll
kommenen Identität des in seiner untheilbaren Einheit beschlos
senen Vielen darbietet.
Trotz dieser durchgreifenden Abweichungen von den
Lehren und Anschauungsweisen der Cartesischen Schule stellt
sich Rossi in ein ungleich freundlicheres Verhältniss zu Cartesius
als Vico, welcher in der Cartesischen Naturlehre eine Repristi-
nation des epikuräischen Physikalismus, und in der Carte
sischen Denklehre eine Wiedererneuerung der stoischen er
kennen zu sollen glaubte. 3 Der Grund dieses verschiedenen
Verhaltens der beiden einander so nahe stehenden italienischen
Philosophen zum Cartesianismus liegt ohne Zweifel darin, dass
1 II vero della natura spirituale con nodo ed intreecio soprammodo inge-
gnoso congiugne insieme due apparenti contradittori unitä e numero,
grandezza ed inestensione, pienezza ed indiyisibilita, penetrabiiith e sal-
dezza, potere sommo ed immobilitä, ed altri altresi, che da quell’ uno
primajo si possono agevolmente col pensamento esplicare. II quäl vero
e avvilupato, enimmatico e maraviglioso. Animo dell’ uomo, p. 20 sg.
2 L’altra maniera di vero per contrario e senza nodo alcuno, e senza in-
gegno, tutto per ogni verso sminuzzato, sciolto, sparso, sparuto e sfugge-
vole, posto nell’ infimo grado del vero, o nell’ ultima vilezza di essenza
e di conoscenza. Ivi.
2 Vgl. meine Schrift: Vico als Philosoph und gelehrter Forscher (Wien,
1879) SS. 14 und 113.
Zwei philosophische Zeitgenossen un*i Freunde G. B. Vico’s. II.: T. Kossi 137
Rossi in einem grundwesentlichsten Punkte seiner Naturphilo
sophie sich auf Cartesius stützte, und auch aus der Cartesischen
Lehre vom Geiste manche Gedanken schöpfte, welche er für
die Ausgestaltung seines eigenen Denksystems verwerthete.
Weit davon entfernt, in Cartesius als Naturphilosophen mit
Vico einen wiedererstandenen Epikur zu sehen, fasste er viel
mehr die dem antiken Atomismus direct entgegengesetzte
Lehre des Cartesius von der unendlichen Getheiltheit der
Materie in’s Auge, welcher er seine unbedingte Billigung ange-
deiben Hess, und in welcher er ein Mittel fand, die von ihm
adoptirte aristotelische Naturlehre in soweit umzubilden, dass
sie mit der platonischen Auffassung der Ideen als Gestaltungs-
principien der Materie sich in Einklang setzen liess. Dasjenige,
was Rossi am Epikuräismus als Unphilosophie ver-urtheilt, ist
der in einem ungeistigen sinnlichen Vorstellen wurzelnde Ato
mismus als Hinderniss der Gewinnung der Idee vom Geiste
als untheilbarer Einheit; wenn die auseinander liegende Vielheit
materieller Q.uanta als das ursprüngliche Erste genommen wird,
so ist der Begriff des Geistes als der sich in sich selbst gefasst
haltenden und als solche sich selbst erfassenden Seinstotalität
eine pure Unmöglichkeit. Cartesius hat aber nach Rossi den
anerkennenswerthen Versuch gemacht, den Geist als die im
Denken sich selber fassende immaterielle Substanzialität zu
erweisen, welche, sofern sie die unendliche Diffusion der aus
einanderliegenden Seinsvielheit absolut ausschliesst, als die ab
solute Einigung derselben in sich selber verstanden werden muss.
Indem er das Wesen der Materie in die Ausdehnung setzte und
diese als die dem Sein des Geistes entgegengesetzte Seinsweise
darlegte, indem er weiter die mit der unendlichen Getheiltheit
gegebene unendliche Vielheit des materiellen Seins betonte,
stellte er damit zugleich auch das wahre Wesen des der Materie
entgegengesetzten Geistes als des die Vielheit in einer absoluten
Identität des Vielen mit sich selber in sich fassenden Seins
in’s Licht. Cartesius versah es nach Rossi nur darin, dass er
sich die Consequenzen seines Begriffes vom Geiste als denken
der Substanz nicht klar machte; er begnügte sich damit, das
Denken auf eine von der körperlichen Realität unterschiedene
Wesenheit zurückgeführt zu haben, ohne weiter zu untersuchen
unter welchen Voraussetzungen eine Substanz eine denkende
138
Werner.
Substanz sein könne; statt dessen blieb er beim menschbeben
Denken als einer gegebenen Tkatsache stehen, und nahm das
selbe unmittelbar ftir das Wesen der Geistsubstanz. Auf keinen
Fall will jedoch Rossi zugeben, dass man Cartesius für die
Entstehung des Spinozismus verantwortlich mache; die von
Spinoza vorgenommene Umdeutmjg und Umgestaltung der Car-
tesischen Lehre gehe ausschliesslich auf Rechnung des Spinoza
selber,' dem zufolge seiner oberflächlichen Auffassung der
Cartesischen Doctrin die latenten tieferen Bezüge derselben
entgiengen.
i.
Rossi unterzieht das Denksystem Spinoza’s einer kritischen
Beleuchtung in der dritten Hauptabtheilung seiner Mente sov-
rana del mondo, welches Werk in seiner Gesammtanlage auf
eine Widerlegung des Spinozismus abzweckt. Er hält sich in
seiner Kritik desselben an die auf den ersten Blättern der
Ethik Spinoza’s enthaltenen grundlegenden Definitionen, Axiome
und Propositionen, welche er der Reihe nach durchgeht, und
mit kritischen Reflexionen begleitet. Spinoza beginnt die Reihe
der seiner Ethik vorausgestellten Definitionen mit der Begriffs
erklärung der Causa sui als desjenigen, dessen Essenz die
Existenz involvirt. Diese Definition ist nach Rossi an sich
richtig, habe aber bei Spinoza einen zweideutigen Zusatz, der
ihre Richtigkeit in Frage stelle, 2 indem das menschliche Unver-
1 Dalla famosa cartesiana definizione dell’ anirno dell’ nomo, che noi con
nna brieve disputazione latina nel suo vero e proprio senso abbiamo
esplicata e difesa, egli, lo Spinoza, non potendo penetrare nell* ampio
e profondo di quella natura, ma nelle superficiale cognizione fermandosi.
subitamente si condusse a credere che V anima ragionevole altro che un
fluore di minute e lubriche cogitazioni non fosse, e percio materiale
ella fosse e mortale. E da qnello, che nella medesima scuola della
materia si deffinisce, non brigandosi di estimare la necessaria indisso-
lubil comunicazione dei rapporti dell' ordine ed ingegno mondano, ma
sol nei moti e modi materiali affissandosi, col primo aspetto di quelle
cose termino le osservazioni* e cosi gli parve, deposta dal soglio la mente
creatrice e formatriese, il principato dell' unirerso alla cieca materia
coneedere. Sovrana mente, Prefaz.
2 Pie betreffende Definition lautet : Per causam sui intelligo id, cujus essentia
involvit exist entiam, sive id, cujus natura non potest intelligi non existens.
Zwei philosophisch«» Zeitgenossen und Freunde G. B. Yico's. II.: T. Rossi. 139
mögen, die Natur einer Sache als ein nicht Existentes zu
erkennen, die Existenz der gedachten Sache denknothwendig
machen soll. Spinoza beabsichtigte durch diesen erklärenden
Zusatz augenscheinlich die Materie als Causa sui denkmöglich
erscheinen zu lassen; dass sich in der Idee der Materie kein
Gedankenmoment darbietet, zufolge dessen die Existenz der
Materie als nothwendiges Consequens der Essenz der Materie
erschienen, soll auf Rechnung der Unzureichendheit der mensch
lichen Denkkraft gehen. Spinoza’s Absehen ist darauf gerichtet,
der Materie den Seinsprimat zu vindiciren: diess erhellt sofort
aus der zweiten Definition, 1 welche darauf abzielt, die Materie
als etwas schlechthin Unbegränztes hinzustellen, indem sie nicht
blos in suo genere unbegränzt sein, sondern auch durch den
Gedanken nicht soll begränzt werden können. Aber gerade
das Gegentheil ist wahr; die Materie ist in keiner Weise un
begränzt, der Geist hingegen ist es auf alle Weise. Das Wesen
der Materie wird durch Ausdehnung und Zahl constituirt; Aus
dehnung und Zahl sind an sich indifferent, ungewiss und unbe
gränzt, sofern sich im Denken derselben niemals an ein definitives
Ende gelangen lässt, haben also mit der wahrhaften realen
Unendlichkeit nichts gemein. Die der wahrhaften realen Un
endlichkeit zukommende Fülle und Vollendetheit, Geschlossen
heit in sich selber, Bestimmtheit und Gewissheit sind Eigen
schaften des geistigen Seins, nicht der Materie, welche Princip
und Ziel ihres Seins nicht in sich selbst, sondern ausser sich
hat, und desshalb, so viel an ihr ist, in der diffusen Vielheit
ihrer innerlichen bis in’s Unendliche gehenden Unterschiedenheit
in s Unendliche auseinanderstreht, um so auf reale Weise zu
constatiren, dass sie in jedem einzelnen Theile ihrer selbst das
Unendliche ausser sich hat. Daraus folgt, dass die Essenz der
Materie ein reales Unendlichsein nicht hlos nicht einschliesst,
sondern geradezu ausschliesst. In Folge dessen, dass die
Materie Princip und Ziel ihres Seins ausser sich hat, ist der
von Spinoza aufgestellte und an sich richtige Begriff der
1 Die Definition lautet : Ea res dicitur tiuita in suo genere, quae alia ejus-
dem naturae terininari pot-est, Ex. gr. corpus dicitur finitum, quum
aliud semper inajus coneipiraus. »Sic etiain cogitatio alia cogitatione ter-
miuatur. At corpus non terminatur cogitatione, neque cogitatio corpore.
140
Werner.
Substanz 1 auf die Materie nur relativ anwendbar; er verkehrt
sich in Unwahrheit, wenn die Materie als etwas gedacht wird,
was ohne das ihr Sein bedingende Sein des Geistes real möglich
wäre. Das Sein der Materie ist durchgängig von jenem des
Geistes abhängig, während dieses vom Sein der Materie völlig
unabhängig ist; daher ist nicht die Materie, sondern der Geist
die primäre Substanz oder Substanz in absolutem Sinne. Der
Geist als primäre absolute Substanz ist Gott; die spinozistische
Definition Gottes 2 ist geflissentlich so unbestimmt gehalten, dass
sie auf das Sein der Materie bezogen werden kann; Spinoza
spricht von unendlich vielen Formen, welche das Wesen Gottes
in sich fasse, während doch die absolute Einheit des göttlichen
Seins als absolute Geistigkeit die unbegränzte Vielheit der
Formen der Materie schlechthin ausschliesst. Das göttliche
Sein ist ihm ein Complex von Contradictionen, es gilt ihm
unter Einem als die absolute Unendlichkeit und als die Nega
tion derselben, als ein Sein, von welchem unter Einem Alles
affirmirt und negirt werden müsse. Das Richtige ist, dass von
Gott Alles affirmirt werden muss und nichts negirt werden
darf; es gehört zum Wesen der absoluten Intelligenz, dass sie
alles Denkbare und Wissbare in sich fasst und sich gegen
wärtig hält, hiedurch wird eben ihr Sein constituirt. Darum
ist in ihr das reale Sein dem Wissen und Erkennen vollkommen
adäquirt, und dieses jenem; sie ist darum eine sich selbst voll
kommen lichte Wesenheit. Die geistige Continenz ist so gross
und derart beschaffen, dass sie in innerster Durchdringung
aller Dinge mit denselben real sich identificirt. Würde sie die
Dinge nicht auf diese Art real in sich fassen, so wäre sie nicht
Continenz, sondern Inoontinenz; die Sprache selber gibt durch
ihre bildlichen Bezeichnungen der Denkfunctionen diese Auf-
> Vgl. Spinoza, Etlüc. I, Def. 3: Per substantiara intelligo id, quod in se
est et per se cogitatur i. e. cujus eoneeptus non indiget conceptu alte-
rius a quo formari debeat.
2 Vgl. Spinoza, Ethie. I, Def. 6: Per Denm intelligo ens absolute inlinitum
h. e. substantiam constantem infinitis attributis, quorum unumquodque
aeternam et infinitam substantiam exprimit. Dico absolute inlinitum;
nam quidquid est in suo genere inlinitum, de eo infinita attributa negare
possumus; quod autem absolute inlinitum est, quiequid est ad ejus essen-
tiam pertinet, et negationem nullam involvit.
Zwei philosophische Zeitgenossen und Freunde Gr. ii. Vico’s. II.: T. Rossi. 141
fassung des geistigen Seins als die gemeinmenschliclie zu er
kennen. 1 Andererseits muss allerdings Gott von den Dingen,
die er denkt, unterschieden sein; er kann die einander aus-
schliessenden Formen der Dinge nicht in sich fassen, weil er,
wenn er diese realen Formen selber wäre, in ihnen aufgehen
würde, dieselben nicht zu denken im Stande, somit nicht
Intelligenz wäre. Es wäre nun nahe gelegen, hieraus den
Schluss zu ziehen, dass Gott die Dinge nicht real in sich fassen
könne, dass überhaupt die vom göttlichen Denken ideal um
fassten Dinge nicht den absoluten Lebensinhalt des göttlichen
Geistes ausmachen können. Damit hätte aber Rossi seinen
Begriff vom Geiste aufgeben müssen; und so glaubte er denn
annehmen zu sollen, dass die beiden contradictorischen Bestim
mungen, welchen gemäss Gott einerseits die Dinge selber ist,
andererseits aber dieselben nicht ist, gleich wahr seien, und
Gottes wunderbares Wesen darin bestehe, die ermässigende
Ausgleichung dieser beiden Contradictionen zu sein.
Hienach bestimmt sich denn auch bereits der philoso
phische Werth der von Rossi versuchten Widerlegung Spinoza’s.
Von einer wirklichen Widerlegung kann schon desshalb keine
Rede sein, weil Rossi den eigentlichen Grundgedanken Spinoza’s
nicht richtig fasste; der naturalistisch-realistische Pantheismus
Spinoza’s fällt nach seinen philosophischen Intentionen, wie
ein neuzeitlicher italienischer Beurthciler der Mente sövrana
Rossi’s 2 mit vollem Rechte hervorhebt, nicht unter die Kategorie
des Materialismus, unter welche Rossi denselben einbezieht. 3
1 he operazioni dell’ intendimento non con ältre nozioni che con quelle
del penetrare, includere, contenere e comprendere concepiamo; e le lin-
gue piu belle, e credo le altre ancora, con quelle denominazioni con-
vengono a significarle. Si richiami lo Spinoza dal sepolcro, o venga
de’ suoi alcuno, o ne riveli 1’ arcana maniera con che la mente figuri,
esprima e raprensenti le co.se senza che le contenga, o come le con-
tenga senza che le penetri e nel suo proprio reale essere le conchiuda,
e non sia con quelle per reale identita strettamente avvinta. Sovrana
mente, p. 89.
2 Tommaso Rossi e Benedetto Spinoza. Saggio storieo-critico del Prof.
Pietro Ragnisco. Salerno, 1873.
3 Non e l 1 estensione infinita od il materialismo che vuol porre lo Spinoza,
come crede il Rossi, ma il pensiero della estensione, 1’ infinito del finito,
ovvero l 1 idealismo del materialismo, cioe 1’ intelligibilita della materia,
142
W emo r.
Hat Rossi den Grundgedanken Spinoza’s nicht richtig erfasst,
so kann es sich nur um die Frage handeln, in wieweit Rossi von
seinem Denkstandpunkte aus Spinoza gegenüber im Rechte sei.
Dass er den spinozistischen Denkstandpunkt nur relativ über
wunden habe, gibt sich in dem Gottesbegriffe kund, welchen
er jenem Spinoza’s substituirt; Rossi selber bestimmt das Ver-
hältniss beider Gottesbegriffe dahin, dass jener Spinoza’s absolut
unvereinbare Widersprüche, sein eigener aber ausgleichbare
Widersprüche in sich fasse. Die Ausgleichung ist ihm im Be
griffe des Geistes gegeben, der eben so denknothwendig sei, wie
die in ihm enthaltenen Contradictionen, bei deren Nichtvorhanden
sein der Alles in sich fassende Geist selber nicht sein könnte,
somit gar nichts wäre. Rossi beschuldiget Spinoza, dass er den
Geist in der Materie habe imtergehen lassen; Rossi selber unter
schied zwar den Geist von der Materie, drang aber nicht bis zur
Erkenntniss des selbsteigenen Wesens des Geistes vor. Er wusste
das Wesen des denkhaften Geistes nicht von der Bezogenheit des
Gedankens auf die kosmische Vielheit loszulösen; diese Bezogen
heit galt ihm als so wesentlich, dass er durch die kosmische Viel
heit den absoluten Inhalt des Seins und des Lebens des Geistes
constituirt werden liess. Dass damit auch eine Verendlichung
des göttlichen Sein involvirt war, merkte er nicht, weil er die
primär im Aussereinandersein der Materie gegebene kosmische
Vielheit als eine unbegränzte Vielheit dachte; die unbegränzte
Vielheit schien ihm nicht die Gefahr einer Verunendlichung
des Weltdaseins in sich zu schliessen, weil er die unbegränzte
Vielheit in der in’s Unendliche fortschreitenden realen Selbst-
theilung der ihrem Umfange nach endlichen und von der Macht
der universalen Geistigkeit begränzten Materie sah. Die in’s
Unendliche fortschreitende reale Selbsttheilung und Selbstunter
scheidung des materiellen Seins machte ihm die unendliche
Formabilität der Materie erklärbar, deren der Möglichkeit nach
unendlich viele Formationen ihm den Denkinhalt des unend
lichen Geistes constituiren. Von der wesentlichen Bezogenheit
des geistigen Seins auf die absolute kosmische Vielheit war er
la quäle e nella mente. Ma questa mente non k separata dalla materia,
ma e la sua intellettivita ... II punto principale della dottrina spino-
zistiea e l’unita della natura naturante e della natura naturata, 6 questo
panteismo, come direbbero i suoi avversari. O. c., pp. 9, 10.
Zwei philosophische Zeitgenossen und Freunde G. B. Vico’s. II.: T. Rossi. 143
so sehr durchdrungen, dass er sich dasselbe nur als ein seiner
Idee nach unendliches Sein denken konnte, und das Vorhanden
sein endlicher Geister nur als eine zwar sicher constatirte, jedoch
philosophisch nicht deducirbare Thatsächlichkeit hinnahm. Das
Vorhandensein endlicher Geister ist theils durch das mensch
liche Selbstbewusstsein, zufolge dessen die von der sinnlichen
Leiblichkeit unabhängige Realität des Menschengeistes feststeht,
theils durch die Offenbarung constatirt, welche uns das Vor
handensein höherer geschöpflicher Geister lehrt. 1 Die Berufung
auf das menschliche Selbstbewusstsein constituirt einen der von
Rossi in der Cartesischen Doctrin gesuchten Anknüpfungs
punkte, und veranlasst ihn zur Betonung des Unterschiedes
zwischen Bewusstsein und Wissenschaft, in welchem er einen
im menschlichen Denkleben wiederscheinenden Reflex der im
Gedanken des göttlichen Seins sich aufweisenden und ver
mittelnden Contradictionen erkennt. 2
Aus dem bisher Gesagten lässt sich hinlänglich entnehmen,
welchen Werth und welche Bedeutung der Anschluss an Car-
tesius für Rossi hatte; er war ihm das Mittel, sich den panthei-
sirenden Anschauungen seines Landsmannes Giordano Bruno
zu entringen, deren Ueberwindung für Rossi ein weit ernst-
1 Degli spiriti puri, che ne la coscienza dimostrare ne il senso puö attin-
gere, la cognizione dalla teologia rivelata e uopo aspettare. Sovrana
mente, Prefaz.
2 E cosa tanto manifesta, che 1* essere mentale vuoP essere infinito, che
ragione di uomo non puö rintracciare come possa esservi mente finita;
ma nondimeno che ci sia il dimostra la coscienza, e in questo dobbiamo
riposarci, e il segreto modo nel numero di tante cose che al finito in-
tendimento sono ascose, lasciare. Come il dovere di mente infinita non
puö seuotere il certo di mente finita che addita la coscienza, cosi la
presente realita di mente finita non puö infoscare la realita di mente
infinita che la scienza ne assicura. Anzi mirabilmente la cognizione
deir una la cognizione dell’ altra conforta ed illustra: perciocche la
scienza della mente infinita che e sopra la materia, ne fa conoscere che
la mente finita, poiehe e mente, e immateriale ed im mortale; e la mente
finita poiehe vi e in realta, e realmente essendo fa fede che V essere
mentale non e per contraddizione di attributi impossibile, ma per con-
venienza e connessione possibile, ne fa intendere che la mente sovrana
universale ed infinita, la quäle se per contraddizioni non e impossibile,
per somma eonvenienza e connessione ö necessaria, dee esservi neces-
sariamente. O. c., p. 92.
144
Werne r.
lieberes geistiges Bedürfniss als die Bekämpfung des spinozisti-
schen Denksystems war. Der fatalistische Rigorismus des letz-
tei-en stiess ihn entschieden ab, während die phantasiereiche
Weltanschauung Bruno’s unläugbar eine grosse Anziehungskraft
auf ihn ausübte. Das philosophische Denkunternehmen Rossi’s
erklärt sich in allen seinen Eigenthümlichkeiten bis in’sEinzelnste
hei’ab, wenn man es als einen Versuch betrachtet, unter
Beibehaltung der ihm unverfänglich erscheinenden speculativen
Ideen des Weltsystems Bruno’s die Irrthümer desselben zu
eliminiren. Rossi adoptirte aus der Cartesischen Lehre genau
so viel, als ihm zur Ei-reichung dieses Zweckes nötliig schien.
Er bedurfte vor Allem eines geistigen Stützpunktes zur Ge
winnung der philosophischen Ueberzeugung von der Realität
des endlichen Geistes in dessen wesenhaftem Unterschiede von
der köi’perlichen Realität. Dieser Unterschied war in Bruno’s
Monadismus zu einem graduellen Unterschiede herabgesetzt,
in Folge dessen mit der Unvergänglichkeit der Menschenseele
auch jene aller übrigen Monaden als Grandsubstanzen des
Universums ausgesprochen; damit hieng weiter die Aufhebung
des Unterschiedes zwischen Matei-ie und Form in den Welt
dingen zusammen, sowie die Ausgeburt aller Formen aus dem
Schoosse der Materie zufolge der Immanenz der Formursache
als thätigen Principes in der Weltmaterie,. Die diesen An
schauungen Bruno’s entgegengesetzten Aufstellungen Rossi’s
sind letztlich, wie wir sahen, auf die nach seinem Bekenntniss
philosophisch nicht deducii’bare, sondern lediglich durch die
Aussage des menschlichen Selbstbewusstseins sichei-gestellte
Realität des endlichen Menschengeistes gestützt. So bot ihm
also die Cartesische Lehre den nothwendigen Rückhalt zur
Ablehnung der mit dem kirchlichen Glaubensbewusstsein nicht
verträglich erscheinenden Lehren des Nolaners. Auch die auf
Cai’tesische Principien gestützte Bekämpfung des Epikur und
Lucretius kann indirect als Polemik gegen Bruno genommen
werden, sofei’n dieser in seiner Vertretung der Idee einer un
endlichen Welt auf jene beiden alten Philosophen sich berief,
und seine Annahme von unvergänglichen substanziellen Grund-
componenten des Universums gleichfalls eine verwandte Seite
mit dem antiken Atomismus darbot. Dagegen behielt Rossi
aus Bruno die Annahme einer Weltseele, so wie die Lehre
Zwei philosophische Zeitgenossen und Freunde G. B. Vico's. II.: T. Rossi. 145
von der Coincidenz aller Gegensätze im göttlichen Sein bei,
obschon er beide Lehren den Exigenzen seines eigenen Denk
systems gemäss modificirte; er nimmt ferner mit Bruno Macht,
Weisheit und Liebe als die Grundbestimmtheiten des göttlichen
»Seins oder unendlichen Geistes, nur mit dem Unterschiede,
dass er dieselben nicht wie Bruno als Umdeutungen, sondern
als analogisirende Verdeutlichungen des kirchlichen Dreieinig
keitsdogma ansieht. Aus seiner Opposition gegen den Mona-
dismus erklärt sich sein Eintreten für den aristotelischen Natur
begriff, und zwar, wie er ausdrücklich betont, für den richtig
verstandenen Naturbegriff des Aristoteles im Gegensätze zu
der von Bruno gebilligten averroistischen Deutung desselben.
Wenn Bruno betont, dass die Natur von Innen, nicht gleich
der Kunst von Aussen her auf den Stoff gestaltend einwirke,
so erklärt Rossi, dass neben der das substanziale Sein der
geformten Dinge erklärenden Naturwirkung auch der in Kraft
der Weltseele der Natur immanente künstlerische und rationale
Wirkungstrieb nicht übersehen werden dürfe. Er konnte aber
den natürlichen Wirkungstrieb mit dem künstlerischen und
rationalen Wirkungstriebe vergesellschaften, weil er zufolge
seiner aus Cartesius geschöpften Anschauung von der Materie
das Formprincip ausserhalb diesselbe verlegte. Allüberall aber,
wo der von Rossi principiell in den Vordergrund gestellte
Gegensatz von Geist und Materie nicht in Frage kam, stossen
wir auf eine überraschende Denkverwandtschaft Rossi’s mit
Bruno. Bruno’s Auffassung des göttlichen Sein als des aus
einer absoluten centralen Mitte heraus seine Wirksamkeit ent
faltenden und ausbreitenden Weltprincipes, und die Nachbil
dung dieser Thätigkeitsweise in jedem einzelnen Lebenskreise
und in jedem einzelnen Lebewesen, die Gegenüberstellung des
Geistes und der Materie als des Ruhenden und Bewegten, des
»Seelischen und Körperlichen als des activen und passiven Seins,
der Lebensgeist als das zwischen beiden Vermittelnde, der
Aether als Universalprincip der sichtbaren Wirklichkeit zu-
sammt den besonderen Seinsweisen dieses Principes als Luft
und als Lebensgeist u. s. w. sind lauter Ideen, die sich auch
bei Rossi vorfinden. Rossi's Abweichung von Bruno beginnt in
der Auffassung der Weltseele, deren Unendlichkeit Rossi nicht
zugeben kann, da die Welt nicht unendlich sondern endlich
Sitznngsber. d. phil.-hist. CI. CXII. Bd. I. Hft. 10
146
Werner.
ist; auch kann er die Weltseele in ihrer kosmischen Location
nicht so hoch stellen wie Bruno, dem sie das Möchte im Uni
versum als göttlich durchgeistetem Weltstoffe ist, während sie
Rossi als bewusstlose Intelligenz der sichtbaren Wirklichkeit
immanent sein lässt, über welcher der Mensch und die leib
losen Geistwesen der Schöpfung stehen. Auf diese Grund
differenz in Auffassung der Weltseele lassen sich alle übrigen
Abweichungen Rossi's von Bruno’s Weltlehre zurückfuhren.
Während Bruno die Coincidcnz aller Weltgegensätze bereits
in der Weltseele statthaben lässt, verlegt Rossi die vermittelnde
Ausgleichung der auf seinen Denkstandpunkte sich aufdrän
genden universellsten Contradictionen, welche die absolute Die
selbigkeit und das Sein des absolut Dieselbigen im Anderen und
als Anderes betreffen, in den unendlichen Geist. Während aus
Bruno’s Idee der unendlichen Welt, in welcher Mittelpunkt
und Umkreis allüberall zusammcnfallcn, sich die lebendigen,
beseelten Monaden als Grundcomponenten des Universums er
geben, muss Rossi den Monadismus im Interesse der Lehre
von der Weltendlichkeit bekämpfen; daraus ergeben sich alle
übrigen schon erwähnten Abweichungen Rossi’s von Bruno,
das Dringen auf die Auseinanderhaltung von Stoff und Form,
die actuelle unendliche Selbsttheilung der Materie und deren
absolute Subjection unter die Macht des geistigen Formprin-
cipes sammt allen anderen daran sich knüpfenden Consequenzen.
8.
Es erübrigt schliesslich noch, Rossi’s geistiges Verhältniss
zu Vieo und P. M. Doria in Betracht zu ziehen. Mit Doria
hat Rossi bestimmte nähere Beziehungen zur Cartesischen Lehre
gemein, mit dem Unterschiede jedoch, dass, während Doria als
philosophischer Forscher von Cartesius seinen Ausgang nahm,
und in Folge seiner Nichtbefriedigung durch die Cartesische
Lehre auf die platonisch-pythagoräische Tradition zurückgriff,
Rossi vom Anfänge her an die idealistisch-platonischen Tradi
tionen der italienischen Philosophie sich anschloss, und auf die
Cartesische Lehre insoweit Bezug nahm, als es ihm nöthig schien,
um das Menschenwesen aus der Verschlungenheit in den Process
Zwei philosophische Zeitgenossen und Freunde G. B. Vico's. II.: T. Rossi. 147
des kosmischen Alllebens loszulüsen und in seiner concreten
Eigenart und kosmisch universalistischen Bedeutung zu ver
stehen. Indem ihm hiebei der Mensch in den Mittelpunkt der
philosophischen Weltbetrachtung rückte, begegnete er sich geistig
mit Vico, welchem von vorneherein die Seinstotalität im Ge
schichtsdasein des Menschen concentrirt erschien, aus eben diesem
Grunde aber die Cartesische Philosophie zufolge ihres völligen
Hinwegsehens von den geschichtlichen Existenzbedingungen des
geistigen Menschendaseins geradezu anstössig war. Rossi legt
entschieden höheren Werth auf die Cartesische Philosophie als
Vico, weil er das Bedürfniss fühlte, sich der von Vico als selbst
verständlich angenommenen universalistischen Bedeutung des
Menschenwesens philosophisch zu vergewissern, was ihm indess
freilich nur sehr unvollkommen gelang, indem ihm, wie wir
sahen, die cartesische Philosophie wohl dazu verhalf, sich der
thatsächlichen Existenz endlicher Geister zu versichern, nicht
aber dazu, die philosophische Denkmöglichkeit solcher Existenzen
zu erweisen. Damit rechtfertigte er indirect Vico’s ablehnendes
Verhältniss zur Cartesischen Lehre in deren unmittelbar ge
gebenem historischem Bestände, anticipirte aber zugleich ahnungs
voll jenes zukünftige Entwicklungsstadium der neueuropäischen
Philosophie, in welchem der ideell vertiefte Gedanke vom Wesen
des Geistes die geschichtliche Berechtigung des Cartesianismus
als Durchgangspunktes zu einer geistig vertieften Auffassung
des Menschen klar machen sollte.
Vico verzichtete auf ein abschliessendes Urtheil über die
von Rossi und Doria festgehaltene cartesische Annahme ange
borener Ideen; er beschränkt sich auf die Forderung, die idealen
Anschauungen in platonischem Sinne als geistige Perceptionen
des ewig Wahren anzuerkennen, gibt aber die Entscheidung
der Frage über den Ursprung der Ideen dem geschichtlichen
Entwicklungsgänge der Philosophie anheim. 1 Ihm stand im All
gemeinen nur so viel fest, dass der Mensch im Acte der idealen
Apprehension in einem unmittelbaren Contacte mit Gott sich
befinde, und die suscitirenden Einwirkungen der sinnlichen
1 Animos liumanos liominum generationi praeexstare, falsum. Ideas menti
Dons vel dum eam creat indit, ut Itenato Cartesio, vel per occasiones
aut creat, ut Antonio Arnaldo, aut exliibet, ut Malebranchio videtur.
Constant. Jurisprud. ei 5.
10*
W.e r n r r.
HS
Aussenwelt die Gelegenheitsursachen des Aufleuchtens der Ideen
im menschlichen Geiste seien. Es ist nun kein Zweifel, dass
Vico die Idee, soweit sie die einigende geistige Fassungsform
des Vielen und Differenten ist, dem menschlichen Geiste als
solchem vindicirt; der Geist selber aber ist ihm nur insoweit
und insofern, als er von Gott berührt wird, thätig und lebendig, so
dass das Zustandekommen der idealen Apprehension als ein gott
gewirkter Act gefasst werden zu müssen scheint. Darnach wäre
dem menschlichen Geiste nichts anderes als das Vermögen
der idealen Apprehension von Natur aus eigen, und er selber
eigentlich dieses Vermögen in substanzieller Wirklichkeit. Der
Geist als diese substanzielle Wirklichkeit heisst bei Vico Animus,
die Mens ist ihm die gottgewirkte Actualität des geistigen Licht
vermögens, und als wirkliches Licht mit Gott in Eins verflossen.
Bei dieser Unbestimmtheit der Auffassung wollten Doria und
Rossi nicht stehen bleiben, und glaubten dem menschlichen Geiste,
um seine Denkmächtigkeit zu erhärten und ihn bestimmt vom
göttlichen Geiste abzuscheiden, einen angeborenen Geistgehalt
vindiciren zu müssen. Beide Hessen sich aber hiebei von ganz
verschiedenen Denkmotiven leiten. Doria, für welchen das
philosophische Gewissheitsinteresse im Vordergründe stand, und
welcher seiner Zeit in der Hoffnung, einen sickeren Rückhalt
gegen den Skepticismus zu finden, an Cartesius sich angeschlossen
hatte, sieht im Wissen des menschlichen Geistes um sich selbst
das erste Gewisse, auf dessen Realität ihm durch denkstrenge
Schlüsse die Ideen von Gott,' vom Wahren, vom Guten und
Gerechten, von der Ordnung gestützt sind. 1 Das Sein des
menschlichen Geistes hat jenes des göttlichen Geistes zu seiner
denknothwendigen Voraussetzung, mit welcher zugleich auch die
Wahrheit der ausser dem menschlichen Geiste seienden Dinge
verbürgt ist, indem ihre Wahrheit nichts anderes als der in
Gott existente Gedanke derselben ist; das Gleiche gilt von den
Ideen des Guten und Gerechten, welche keine Illusionen sind,
sobald es feststeht, dass sie Gedanken des weltschöpferischen
göttlichen Geistes sind. So ist denn die Wahrheit der natür
lichen und moralischen Daseinsordnung auf die denknothwendige
Existenz Gottes gestützt, der als das unendliche allervollkom-
1 Vgl. Doria, Filosofia P. I, Propos. 7 et 8; P. II, Propos. 19.
a
Zwei philosophische Zeitgenossen und Freunde G. B. Vico’s. II.: T. Kossi. 149
menste Wesen gedacht werden muss, weil er nur unter dieser
Voraussetzung als die absolute Ursache der endlichen Dinge,
ihrer Wahrheit und Vollkommenheit gedacht werden kann und
zugleich auch der unabweislichen Idee des absolut Vollkommenen
genügt. Diese Idee ist kein selbstgemachtes Product des mensch
lichen Geistes, sie ist in ihm ohne sein Zuthun vorhanden, und
fordert einen zureichenden Erklärungsgrund ihres Vorhanden
seins, der nur in Gott selbst als thätiger Ursache ihres Vor
handenseins gegeben ist. Strenge genommen reducirt sich das
ganze Beweisverfahren Doria’s auf die Nachweisung angeborner
Denknothwendigkeiten, welche der auf sich selber und sein
Verhältniss zu den Dingen ausser ihm reflectirende menschliche
Geist in sich entdeckt; die Grundstlitze dieser Reflexion ist die
durch das menschliche Selbstbewusstsein verbürgte Gewissheit
von der Realität des menschlichen Geistes als einer von allen
sinnlich wahrgenommenen Dingen verschiedenen unsinnlichen,
zugleich aber denknothwendig endlichen Realität. Es handelt
sich also bei Doria um die Auffindung der unabweislichen Stütz
punkte aller übersinnlichen Wahrheit, als deren erster unmittel
bar gewisser die Realität des endlichen Menschengeistes sich
darbietet, welcher durch sich selbst auf den absoluten Stütz
punkt alles Wahren, auf das göttliche Sein zurückweist. Ganz
anders verhält es sicli bei Rossi, welcher nicht gleich Doria
durch ein antiskeptisches Motiv, sondern durch das Bedürfniss,
die Eingeschränktheit des endlichen Geistes mit der durch die
Idee des Geistes als solchen involvirten Denkvermöglichkeit
und Denkmächtigkeit in Einklang zu bringen, auf die Annahme
angeborner Ideen hingeführt wurde, und unter denselben nicht
angeschaffene Denknüthigungen, sondern vielmehr dem mensch
lichen Geiste immanente lebendige Principien der Wahrheits
erzeugung erkannte. Sie fallen als Ansätze der Wahrheits
erzeugung mit der menschlichen Vernunft zusammen; die Ver
nunft ist aber nicht der menschliche Geist selber, sondern das
primitive natürliche Sein der Wahrheit in ihm, wodurch sein
Denken und Erkennen wahr gemacht, d. i. der durch geistige
und sinnliche Sensation apprehendirte Inhalt seines Denkens
und Erkennens in die Lichtregion der reinen Wahrheit oder
der göttlichen Ideen emporgehoben werden soll. Rossi hat un
streitig eine lebendigere Vorstellung vom Wesen der angebornen
150
Werner.
Ideen als Doria, muss aber das Wesen derselben im Dunklen
lassen, weil sie ihm einfaeb nur Postulate sind, welche sich in
Folge der philosophisch nicht begreiflichen Thatsaehe endlicher
Geister einstellen. Die angebornen Denknothwendigkeiten Doria’s
entsprechen zwar durchaus nicht dem philosophischen Begrilfo
der Idee, stehen aber im vollkommenen Einklänge mit dem ge-
schöpflichen Sein des Geistes als einer der Kegel der gott-
gedachten Wahrheit unterstellten endlichen Denknatur; er hat
somit eine gesündere Vorstellung vom Wesen der angebornen
Ideen, und weiss ihr Vorhandensein aus der Wesenheit des end
lichen Menschengeistes abzuleiten. Man kann sogar sagen, dass
der Begriff der angebornen Idee bei Doria im Verschwinden
begriffen ist und die Lehre von den angebornen Ideen nur in
uneigentlicher Redeweise als Ausdruck des Gegensatzes zum
Locke’schen Empirismus festgehalten wird. Die einzige an
geborene Idee ist bei Doria die Gottesidee, als deren Reflex
der die speculativen Denkfunctionen beherrschende Gedanke des
Unum zu betrachten ist; auf diesen Gedanken sich stützend,
gewinnt Doria die im göttlichen Sein gegebene Unification der
Formen der Weltdinge, deren Complex ihm die überzeitliche
Ideenwelt als absolutes Object der göttlichen Anschauung ergibt.
Die speculativen Functionen beschränken sich bei Doria auf
die Zurückbeziehung der wirklichen Dinge auf die göttlichen
Ideen als die absoluten Wahrheitsgründe des Weltdaseins und
seiner gottgedachten und gottgewollten Ordnung. Rossi wird
von einem tieferen speculativen Bedürfnisse geleitet; ihm handelt
es sich nicht um Gewinnung eines letzten absoluten Haltes gegen
den Skepticismus, sondern um die speculative Deduction alles
Seienden aus der in der Idee des absoluten Geistes gegebenen
höchsten Denksynthese, die als angeborene Idee unmittelbar
durch sich selbst wahr ist, und alle Wahrheit in sich fasst. Es
gelingt ihm aber nicht, aus derselben die Idee des endlichen
Geistes und der Materie zu deduciren, deren Realitäten ihm
vielmehr nur auf dem Wege des inneren und äusseren mensch
lichen Erfahrungsbewusstseins verbürgt sind, trotzdem dass er
von einer der menschlichen Seele angeborenen Idee der Materie
spricht. Ist die Seinsmöglichkeit des endlichen Geistes und
der menschlichen Seele nur auf dem Wege der Erfahrungs
gewissheit constatirbar, so kann auch die der menschlichen
Zwei philosophische Zeitgenossen und Freunde G. B. Vico’s. II.: T. ltossi. 151
Seele angeborene Idee der Materie nicht den Charakter des an
sich Wahren und Denknothwendigen beanspruchen, es wäre
denn, dass der Denkinhalt des absoluten Geistes eine noth-
wendige Beziehung auf das Sein der Materie in sich schlösse.
Und dies scheint bei Rossi allerdings nahezu der Fall zu sein.
Daher die von einer fast geflissentlichen Tendenziösität inspirirte
Polemik gegen den Spinozismus, welche man sich daraus er
klären möchte, dass Rossi den von ihm besorgten Vorwurf des
Naturalismus auf dasjenige System abwälzen wollte, welches
nach seiner Ueberzeugung diesen Vorwurf wirklich verdiente.
Rossi’s exaggerirende Polemik gegen Spinoza beruht auf
einer Confundirung des Naturalismus mit dem Materialismus,
dessen man Spinoza nicht zeihen kann, während umgekehrt
der dem Spinozismus in Wahrheit zukommende Charakter des
Naturalismus durch Rossi’s Idee vom unendlichen Geiste keines
wegs überwunden ist. Rossi beruft sich zu Gunsten der Richtig
keit seiner Auffassung des Spinozismus als Materialismus auf
die Zustimmung Doria’s. Dieser sagt nun allerdings, 1 dass
Spinoza, indem er Gott Intelligenz und providentielle Thätigkeit
abspreche, mit Epikur zusammentrefle; damit will er aber Spinoza
nicht des Materialismus, sondern der Irreligiosität zeihen. Spinoza
habe seinen Ausgang von der Anerkennung der Existenz einer
unendlichen lebendigen Substanz genommen und schien sich
damit Plato anschliessen zu wollen ; er habe jedoch unterlassen,
über die einer unendlichen Substanz zukommenden Vollkommen
heitsattribute sich Rechenschaft zu geben, und so konnte er es
für erlaubt halten, Gott die Intelligenz und providentielle Thätig
keit abzusprechen und die jenseitige Vergeltung der mensch
lichen Handlungen zu läugnen; damit sei er, in seinem Aus
gangspunkte ein Platoniker, ohne es selber zu merken in den
Consequenzen seines Denksystems zum Epikuräer geworden,
d. h. auf jene Sätze gekommen, welche Epikur aus ganz anders
gearteten Voraussetzungen abgeleitet habe. Doria bemängelt
an Spinoza ausser der Abneigung desselben gegen die religiöse
Idee das methodisch unrichtige Denkverfahren Spinoza’s, welcher
die geometrische Methode ohne Restrietion auf die Metaphysik
übertrage. Die Geometrie, welche die uns erscheinenden Eigen-
> Vgl. Doria, Discorsi critici p. 24; Filosoäa 1, Introduz. pp. 52 sgg.
152
Werner.
schäften der Quantität erörtere, setze die Quantität hypothetisch
als etwas Existentes voraus, und gebe dem hypothetischen
Charakter ihrer Unterlage durch Axiome und Postulate, d. i.
durch Lehnsätze aus der Metaphysik Ausdruck. 1 Spinoza wolle
auf dem Boden der reinen Metaphysik selber noch mit Axiomen
und Postulaten operiren, und verwandle hiedurch die Metaphysik
selber in eine hypothetische Wissenschaft. Auf Grund dieses
verfehlten Vorgehens sei es möglich geworden, dass Spinoza
von seinem platonischen Ausgangspunkte auf dieselben Folge
sätze kam, welche Epikur aus seiner falschen Hypothese eines
seelenlosen Vacuum abgeleitet hatte.
Auch Vico äussert sich gelegentlich über Spinoza’s miss
bräuchliche Anwendung der geometrischen Methode auf die
Probleme der Metaphysik, 2 und bekämpft den atheistischen
Fatalismus desselben; s aus der missbräuchlichen Anwendung
der geometrischen Methode glaubt Vico erklären zu sollen, wie
Spinoza, obschon auf sensistischem Standpunkte stehend, dahin
kommen konnte, mit Epikur, dem Verächter der Mathesis, die
unwandelbare Idee des Gerechten im Flusse der sinnlichen
Dinge untergehen zu lassen. 4 Spinoza treffe in Folge dessen
in denselben Punkten mit Epikur zusammen, in welchen die
Skeptiker mit Epikur einig sind; Epikur, Spinoza und die
Skeptiker identificiren gemeinsam den gelegenheitlichen Ent
stehungsgrund des Hechtes mit der metaphysischen Ursache
desselben, welche keine andere, als die im menschlichen Zeit
dasein activ durchgreifende göttliche Idee des Gerechten sei. 5
Das Gerechte ist seinem inneren Wesen nach mit dem Wahren
identisch, und scheidet sich von demselben nur durch sein spe-
cifisches Object ab; in beiden aber, im Wahren und im Ge
rechten, percipirt der Mensch als Denkender die Normen der
ordnenden und regelnden Vernunft, deren geschöpfliches Per-
1 Vgl. über den hierin begründeten Unterschied der mathematischen Er
kenntnis von der rein philosophischen Plato Kepubl. VI, pp. 510 sq.,
auf welche Stelle Doria augenscheinlich Bezug nimmt.
- Vgl. Vico’s Brief an den Erzbischof von Bari, Muzio Gaeta: Opp. VI,
p. 106.
3 Opp. V, p. 620.
4 Constant. Jurisprud., c. 18.
5 Jur. princip. et fin., §. 46.
Zwei philosophische Zeitgenossen und Freunde G. B. Vico's. II.: T. Rossi. 153
ceptionsorgan die menschliche Vernunft als menschliche Denk
vermöglichkeit ist.
Hieraus ist gelegentlich zu entnehmen, dass und warum
Vico von Rossi’s Annahme angeborner Ideen und Denkprin-
cipien ab weicht; sie werden ihm durch die lebendige Präsenz
der göttlichen Wirkungsmacht im menschlichen Denken ersetzt.
Darin ist er aber vollkommen mit Rossi einverstanden, dass
die Vermittlung des in der kosmischen Wirklichkeit gegebenen
Vielen mit der Idee des Einen den Grundinhalt der philo
sophischen Denkaufgabe constituire. Die Idee der Ordnung
schliesst den Begriff des Numerus in sich, zu welchem auch
die formalen Functionen der menschlichen Denkvernunft in Be
ziehung stehen, wie dies bereits durch die Etymologie des Wortes
Ratio angedeutet sei. 1 Den logisch formalen Functionen der
Ratio entsprechen die ideologischen Functionen der mensch
lichen Intelligenz, 2 durch deren ingeniöses Thun das Ausein
anderliegende und Diverse auf seine ideelle Einheit zurück
bezogen und daraus abgeleitet werden soll. 3 Auf diese Weise
sind zunächst durch das induetive Denkverfahren von genialen
Männern in der kosmischen Physik die mathematisch ausdrück-
baren constanten Normen des physischen Geschehens eruirt
worden; der metaphysischen Wissenschaft aber obliegt, die auf
dem Standpunkte der physikalischen Wissenschaft als gegebene
Thatsächlichkeit einfach hinzunehmende Dualität von Ausdeh
nung und Bewegung auf ein gemeinsames ursächliches Real-
1 Ratio Latinis significabat et arithmeticae elementorum collectionem et
dotem hominis propriam, qua brutis animantibus diftert et praestat; lio-
minem autem vulgo describebant auimantem rationis participem, non
compotem usquequaque. Antiq. Ital. sapient. c. 1 (Opp. II, p. 52).
2 Uti verba idearum, ita ideae symbola et notae sunt rerum. Quare quein-
admodum legere ejus est, qui colligit elementa scribendi, ex quibus
verba componuntur, ita intelligere sit colligere omnia elementa rei, ex
quibus perfectissima exprimitur idea. Ibid.
3 Ingenium facultas est in unum dissita, diversa conjungendi; id actitum
Latini, obtusumque dixerunt, utrumque ex geometriae penetralibus, quod
acutum celerius penetrat, et diversa, tanquam duas lineas in puncto
infra angulurn rectum, propius uniat; obtusum vero quia tardius res
intrat, et res diversas, uti duas lineas in puncto unitas extra rectum
angulurn longe dissitas a basi relinquat. Et ita obtusum ingenium sit
quod serius, acutum quod oeyus diversa conjungat. O. c., c. 7, §. 3 (Opp. II,
p. 81).
154
Werner.
priucip zurückzuführen, 1 womit sich die sogenannten Zenoni
schen Punkte als lebendige Strebungen (Conatus) ergeben, die
ein Mittleres zwischen Ruhe und Bewegung, zwischen Gott und
der sinnlichen Erscheinungswelt constituiren.' 2 Vico’s metaphy
sische Punkte sind als eine Verbesserung des Leibniz’schen
Monadismus gemeint; er wollte den Determinismus der Leibniz-
schen Weltansicht durch Verwandlung der geschöpflichen Mo
naden in Medien der göttlichen Kraftwirkung beseitigen, und
die Entstehung der Dinge aus dem Nichts begreiflich machen. 3
Rossi fühlte sich durch diese Erklärung der Entstehung der
sichtbaren Weltdinge nicht befriedigt; er hielt dafür, dass es
Vico nicht gelungen sei, das Phänomen der Materialität zu er
klären, und er kehrte deshalb zu dem von Vico verworfenen 1
Cartesischen Begriffe der Materie zurück. Vico hatte an der
Naturlehre des Cartesius bemängelt, dass sie, statt philosophische
Lehre zu sein, blosse Physik sei; Rossi suchte die Cartesische
Naturlehre in ejne speculative Kosmologie umzubilden, indem
er den Cartesischen Begriff zu jenem der gestaltenden Form
in innere Beziehung setzte. Diese Umsetzung schloss eine rela
tive Rehabilitation der aristotelischen Naturphilosophie in sich,
welche von Vico verworfen worden war, 5 weil er keine der
1 Multo magis decet expeditissiraam divinae omnipotentiae facilitatem, quod
is crearit materiam, quae esset virtus extensionis et motus simul, quam
dupliei opera altera materiam, altera motum creasse. Et bona meta-
physica id suadet; cum enim conatus quid non sit, sed cujus, nempe
materiae modus, eadem creatione materiae eum creatum necesse est.
Id ipsum physicae convenit; exstante enim natura, seu ut scholae di-
cunt, in facto esse, omnia moVentur, antequam exstaret, omnia in Deo
quiescebant; igitur natura conando coepit exsistere, sive conatus natura,
ut scholae quoque loquuntur, in fieri est. 0. c., c. 4, §. 1 (Opp. II, p. 68).
2 Conatus quietem inter et motum est medius. In natura res extensae
sunt; ante omuem naturam res omnem extensionem indignans Deus;
igitur Deum inter et extensa est media res, iuextensa quidem, sed capax
extensionis, nempe metaphysiea puncta. Ibid.
3 Puncta et conatus sunt, per quae primulum res ex sui nihilo existere
occipiunt. Ibid.
4 Vgl. Vico 1. c.: Est in metaphysiea genus rerum, quod extensum non
est, est tarnen capax extensionis. Non id videt Cartesius, quia analyti-
corum more materiam creatam ponit et dividit.
5 Aristoteles metaphysicam recta in physicam intulit; quare de rebus
physicis metaphysico genere disserit per virtutes et facultates. L. c.
Zwei philosophische Zeitgenossen und Freundo G. li. Vico’s. II.: T. ßossi. 155
Natur immanenten plastischen Formprincipien anerkennen wollte,
sondern, wie er die menschliche Idealapprehension der Dinge
unmittelbar durch Gott gewirkt werden Hess, so auch das Sein
und Bestehen der Dinge aus einer continuirlichen Action Gottes
erklärte, ßossi hielt ein Substrat der göttlichen Schaffens- und
Gestaltungsthätigkeit für nöthig; ob die in seinem Sinne auf
gefasste Materie sich hiefür eigne, ist freilich noch die Frage.
Die Umgestaltung, die er am aristotelischen Begriffe der Materie
vornahm, verwandelte dieselbe äus dem an sich blos potentiell
Seienden in das an sich gar nicht Seiende; 1 als Zahl und Aus
dehnung, was sie ihrem Wesen nach ist, ist sie eigentlich etwas
rein Gedankenhaftes, welches, um als real existent gedacht
werden zu können, selber wieder eines Substrates oder Subjectes
bedürfte. Die Materie kann bei ßossi schlechterdings nur einen
Seinsmodus dessen bedeuten, was ausserhalb des unendlichen
Geistes wirklich werden soll; sie bedeutet die einschränkenden
Bedingungen des ausser Gott Seinsmöglichen, welches nur durch
die Immanenz des Geistes in ihm zu etwas wirklich Seienden
werden kann, und in Wahrheit nur den Geist selber zum Seins
inhalte hat. Man wird hier unwillkürlich an Hegel’s Auffassung
der Natur als des von sich gekommenen Geistes erinnert, der
freilich bei Hegel uranfänglich nur in der Form der logischen
Idee als die rein potentielle Seinstotalität existirt, während ßossi
den unendlichen Geist als die aetuelle absolute Seinstotalität zur
activen Voraussetzung des geschöpflichen Universums macht.
Aber wie verhält sich bei ihm das geschöpfliche Sein zum gött
lichen Sein? Nur die sinnlich wirklichen Dinge sind als ge
schöpfliche Existenzen philosophisch dedueirbar, sie sind Parti-
cularisationen der Allgemeinheit des geistigen Seins, welches
mit Gott identisch ist; ihr ßealgehalt wird durch den dem Stoffe
bewusstlos immanenten Geist constituirt, der specifische Unter
schied der Körperdinge als solcher vom Geiste besteht im Niclit-
vorliandensein der dem Geiste zukommenden Universalität. So
1 L’ idea o nozione della materia ne tutti ne parte dei modi particolari
in se implica; altrimenti l’idea alla natura materiale, che di tutti i
modi e paziente e verso tutti & indifferente e indeterminata, saria del
tutto contraria e ripugnante. Adunque la materia nella sua nozione
idea non involge 1’ essere reale, non involge le esistenza. Mente so-
vrana, p. 136.
156
Werner.
erscheint demnach der Unterschied des körperlichen Seins vom
geistigen Sein auf eine blosse Privation (VrepYjaic) reducirt; es
liegt aber offen da, dass sich auf Grund eines Gedankens von
rein negativem Inhalte eine Erkenntniss des positiven Wesens
und Lebensgehaltes der materiellen Wirklichkeit in deren Unter
schiede vom Wesens- und Lebensgehalte geistiger Existenzen
nicht gewinnen lässt, während umgekehrt auf Grund einer Er
kenntniss des positiven Wesens- und Lebensinhaltes des Natur
daseins auch das Verständniss des geistigen Seins sich concretisirt,
und die unterschiedlichen Seins- und Lebensmodi immaterieller
Existenzen in das Licht philosophischer Erkenntniss treten. Es
dürfte sonach kein Zweifel darüber bestehen, dass eine bei der
platonischen Gegenüberstellung von Geist und Materie stehen-
bleibende philosophische Denkforschung zu einem wahrhaft spe-
culativen Weltverständniss vorzudringen unvermögend sei. Rossi
selber sagt uns dies, wenn er die Realität des menschlichen
Geistes als eine blosse Thatsächlichkeit hinnimmt und die Existenz
leibloser Geister blos auf das Zeugniss der Offenbarung hin
annimmt.
Im Uebrigen darf nicht verkannt werden, dass Rossi’s Be
mühen um eine Ineinsbildung des Platonismus mit dem aristo
telischen Naturbegriffe einen Schritt vorwärts über Vico hinaus
bedeutete; und ebenso darf seiner Werthschätzung des Carte
sianismus eine tiefere Wahrheitsahnung nicht abgesprochen
werden. Nur fasste er den speculativen Morphologismus der
aristotelischen Doctrin nicht so tief als es nöthig gewesen wäre,
um den die Philosophie seines Zeitalters beherrschenden mathe
matischen Denkhabitus, wie derselbe bei Cartesius und Lcibniz,
Vico und Doria in verschiedenen Formen zu Tage trat, denk
mächtig zu bewältigen und in die von ihm angestrebte plastisch-
concrete Anschauung der Weltdinge umzubilden; diese Umbil
dung hat sich erst später in der speculativen Naturidee der
nachkant’schen deutschen Philosophie vollzogen. Ebenso ist der
durch die Cartesische Doctrin angebahnte Psychologismus, durch
dessen speculative Vertiefung die pantheisirenden Ausschreitungen
der naturphilosophischen Intuition überwunden werden sollten,
in Rossi’s Denkconception nur erst in schwachen Ansätzen ver
treten und mit seinem Platonismus in eine ungeschiedene Einheit
verflossen. Immerhin hat er aber durch sein Bemühen um eine
Zwei philosophische Zeitgenossen und Freunde G. B. Vico’s. II.: T. Rossi. 157
Ineinsbildung des Platonismus mit dem Aristotelismus und Car-
tesisclien Psychologismus seinem Zeitalter mächtig vorgegriffen
und gleich Vico die speculativen Denkbestrebungen unseres
Jahrhunderts geistig anticipirt; und so konnte es nicht fehlen,
dass, nachdem Vico in seiner eigenartigen Bedeutung verstanden
und gewürdigt worden war, in den Kreisen der Verehrer Vico’s
auch auf Rossi hingewiesen wurde, von dem mit Recht gesagt
werden konnte, dass er unbeschadet seiner geistigen Eigenart
mit Vico congenial sich berührte und dem geistigen Schaffen
desselben ergänzend zur Seite trat. Es lag im naturgemässen
Gange der Dinge, dass auf Vico und Rossi ein Gerdil folgte,
welcher die von Vico verkannten, von Rossi ungenügend ge
würdigten berechtigten Seiten des Cartesianismus in massvoller
Weise zur Geltung brachte, und dadurch die italienische Philo
sophie von den pantheisirenden Ausschreitungen der platonisch-
idealistischen Speculationen ablenkte. Sie sank in diese Aus
schreitungen bei Gerdil’s Zeitgenossen, dem Sicilianer Miceli,
zurück, während gleichzeitig durch Genovesi, welcher der spe
culativen Erkenntniss die reflexive Analyse der inneren und
äusseren Erfahrung substituirte, der Uebergang in die von
englischen und französischen Einflüssen beherrschten Bildungs
zustände Italiens in den letzten Decennien des vorigen Jahr
hunderts angebahnt wurde.
Y. SITZUNG VOM 10. FEBRUAR 1886.
Das c. M. Herr Wilhelm Henzen, erster Secretär des
kais. deutschen archäologischen Institutes in Rom, spricht den
Dank aus für die Beglückwünschung zu seinem siebenzigsten
Geburtstage seitens der Classe.
Das w. Mitglied Herr Professor Gomperz legt eine Rü
den akademischen Anzeiger bestimmte Mittheilung vor: ,Eine
vermeintliche Tragödie des Euripides und ein Pa
pyrus der Sammlung Erzherzog Rainer/
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Academie des Sciences, arts et belles-lettres de Dijon: Bibliographie
Bourguignonne ou Catalogue methodique d’ouvrages relatifs ä la Bour-
gogne. Sciences — Arts — Histoire par Ph. Milsand. Dijon, 1885; 8 n .
Akademie der Wissenschaften, königl.: Öfversigt a Förhandlingar. 42. Arg.
Nr. 6. Stockholm, 1885; 8°.
Bibliotheque de l’Ecole des Chartes: Revue d’Erudition. XLVI. Annee
1885, 6° livraison. Paris, 1885; 8 n .
Bureau, königl. statistisch-topographisches: Beschreibung des Oberamts
Eliwangen. 64. Heft. Stuttgart, 1886; 8°.
Documents inedits sur l’histoire' de France: Recueil des chartes de
l’Abbaye de Cluny. Tome III. 987—1027. Paris, 1884; 4°. — Lettres
de Catherine de Medicis. Tome II. 1563—1566. Paris, 1885; 4°..
Gesellschaft für Literatur und Kunst nebst Veröffentlichungen des kur
ländischen Provinzial-Museums: Sitzungsberichte aus dem Jahre 1884.
Mitau, 1885; 8°.
— k. k. geographische in Wien: Mittheilungen. Band XXIX, Nr. 1. Wien,
1886; 8°.
Grandjean, J. M.: Tableaux comparatifs des principales modifications plio-
netique que presentent les infinitifs des verbes faibles dans les dialectes
germaniques. Laval, 1885; 8°.
159
Instituto historico, geographieo e ethnographico do Brazils: Eevista tri-
mensal. Torao XLVI, parte 1 et II. Rio de Janeiro.. 1883; 8". — Tomo
XLVII, parte I e II. Rio de Janeiro, 1884; 8°. — Catalogo das Cartas
geographicas, hydrographicas, Atlas, Pianos e Vistas existentes na Bi-
bliotheca. Rio de Janeiro, 1885, 8°. — Catalogo dos Manuscriptos exi
stentes em 31. de Dezembro de 1883. Rio de Janeiro, 1881: 8°.
Kiew, Universität: Universitäts-Berichte. Vol. XXV, Nr. 11. Kiew, 1885; 8°.
Louvain, Universitc catholique: Pnblicationen des Jahres 1883—1884.
Militär-Comite, k. k. technisches und administratives: Militär-statistisches
Jahrbuch für die Jahre 1883 und 1884. I. Theil. Wien, 1885; 4°.
Museum kr&lovstvi ceskeho; Casopis. Rocnik LIX: zvazek druhy, tfeti a
ctvrty. V Praze, 1885; 8°.
— Novoceskä Bibliothcka. Cislo XVIII. V. Praze, 1886; 8". — Geschäfts
bericht, vorgelegt in der General-Versammlung am 17. Jänner 1886.
Prag, 1886; 8 n .
Society, the royal geographical: Proceedings and mouthly Record of
Geograpliy. Vol. VIII, Nrs. 1 and 2. London, 1886; 8°.
— the Scottish geographical: The Scottish geographical Magazine. Vol. II,
Nr. 2. Edinburgh, 1886; 8 a .
VI. SITZUNG VOM 17. FEBRUAR 188G.
Das k. lc. militär - geographische Institut in Wien über
mittelt die 31. Lieferung der neuen Specialkarte der öster-
reichisch-nngarischen Monarchie.
Das w. M. Herr Professor Dr. Wilhelm Ritter von Hartei
legt eine Fortsetzung der von ihm nach den Aufzeichnungen
Dr. G. Loewe’s herausgegebenen und bearbeiteten ,Bibliotheca
patrum latinorum Hispaniensis II', enthaltend die Profanhand
schriften des Escorial, vor.
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Academie royale des Sciences, des lettres et des beaux-arts de Belgique:
Bulletin. 54' annee, 3 e Serie, tome 10, No. 12. Bruxelles, 1885; 8°.
Central-Commission, k. k. statistische: Oesterreichische Statistik. IX.
Band, 4. Heft. Der österreichische Staatshaushalt in der Periode 1868
bis 1882 nebst Uebersichten über die Landes-, Fonds- und Gemeinde
finanzen für das Jahr 1882. Wien, 1885; gr. 4°. — IX. Band, 5. Heft.
Statistik der Reichsrathswalilen im Jahre 1885. Wien, 1885; gr. 4°.
Gesellschaft, serbische gelehrte: Glasnik. Kniha 64. Belgrad, 1885; 8°.
Helsingfors, Universität: Akademische Schriften pro 1882—1885. 4°und 8°.
Institute, the Anthropological of Great Britain and Ireland: The Journal.
Vol. XV, Nr. 3. London, 1886; 8".
Johns Hopkins University Studies in historical and political Science.
4° series. I. Dutch Village Coinmunities on the Hudson River. Balti
more, 1886; 4°.
Society, the royal: Proceedings. Vol. XXXIX, Nr. 240. London, 1885; 8°.
v. Harte 1. Bibliotheca patrum latinorum Hispaniensis.
161
Bibliotheca patrum latinorum Hispaniensis.
Nach den Aufzeichnungen Dr. Gustav Loewe’s herausgegeben
und bearbeitet
von
Wilhelm von Hartei,
wirkt. Mitgliede der kaiserl. Akademie der Wissenschaften.
11.
Escorial.
Beat biblioteca de San Lorenzo.
Die Veröffentlichung dieses zweiten Heftes mit lateinischen
Handschriften des Escorial bedarf einer Erklärung und vielleicht
auch einer Entschuldigung. Denn nur eine geringe Zahl der
selben bietet Nachträge zu dem patristischen Inhalt des ersten
Heftes. Die Mehrzahl enthält profane Texte classischer und
späterer Autoren, welche Titel und Programm der Sammlung
ausschliessen. Aber Dr. Loewe hatte auch diese Texte nicht
blos, wie sein im Vorwort mitgetheilter Brief annehmen liess,
insoferne sie Theile patristischer Handschriften ausmachen, unter
sucht, sondern den weitaus grössten Theil derselben mit der
gleichen Genauigkeit wie die patristischen beschrieben. In den
Besitz dieser Aufzeichnungen, unter welchen sich auch noch
einige patristische Codices versteckt fanden, gelangte ich erst,
nachdem das erste Heft bereits zum grössten Theil gedruckt
war. Eine Prüfung liess keinen Zweifel, dass Loewe’s Wunsch,
sie zu veröffentlichen, berechtigt erscheine, wenn auch nur
wenige Stücke sich durch besonderes Alter oder Seltenheit
des Inhaltes auszeichnen. Für die Geschichte der Tradition
und des geistigen Lebens späterer Jahrhunderte hat ja jedes
exacte Verzeichniss der Art seinen Werth. Der Uebelstand
aber, dass nun die lateinischen Handschriften des Escorial in
Sitzungslier. d. phil.-hist. CI. CXII. Kd. I. Hft. 11
v. Har toi.
162
zwei Heften getrennt vorliegen, wird sich durch gut gearbeitete
Indices, welche dem zweiten Bande dieser Bibliotheca beigegeben
werden, beheben lassen. Diese Indices müssen es auch ent
schuldigen, dass diese beiden Hefte noch einen Nachtrag er
halten sollen, welcher sich auf die von Loewe nicht beschrie
benen, aber von Haenel angeführten Handschriften beziehen
wird. Mehrere Angaben Haenel’s zeigten sich nämlich theils
in Bezug auf die Signatur der Codices, theils nach dem Inhalt
im Widerspruch mit positiven Angaben Loewe’s, so dass es nicht
gerathen erschien, ohne weitere Prüfung Loewe’s Verzeichnisse
aus Haenel’s Katalog zu ergänzen. Diese Revision ist Herrn
Dr. Rudolf Beer übertragen worden.
a II 11
(III B 17. 2) 2^ m. bip. pag. 195 toll. s. XV.
(Früher dem Ant. Agostino gehörig, indem f. I 1 ' am unteren
Rande 29 steht, d. i. die Nummer seines Katalogs.) Wappen f. 1 r
unten sehr zerstört. Hieronymi epistolae. Der erste Dormien-
tem 1 te et longo iam tempore legentem —, der letzte Frater 2
ambrosius tua mihi munuscula —.
a IV 6
40 minor. in. 197 foll. s. XIV in.
Enthält ausser anderem Medicinischen Macer. t. 164 1 Her
barum 1 quasdam dieturus carmine uires — f. 197 v Vna dyn-
gridii sic apta solutio fiet. j Laus tibi sit xpe qm über explicit
iste. Dann folgt noch in Prosa: Qualiter debeat ingredi medi-
cus ad egrotum -—.
a IV 12
»0 in. Gl foll. a. 1168.
f. l r ein fiorent. Miniatur rahmen; unten Wappen: Adler. Vor-
setzblatt'' m. s. XV/XVI: iste über fuit impressus florenciae anno
14S7 ut habetur in elencho verbo Renuccius quidam. al. m.
s. XVI: Hypocratis Epistole et Bruti per Renutium aretinmn
latine. 1 f. l r (goldene Mag.) renucii aretini in hippocratis me-
1 Damasi ep. 13, 371 M. — 2 Hier. ep. I, 208.
1 Gert, des Odo Magdunensis, vgl. Rose Hermes VIII, 63 Anm.
1 Heber Rinucci da Castiglione und seine Uebersetzung der Hippokr.
Briefe vgl. Voigt, Die Wiederbelebung des elassischen Alterthums II 2 , 8ü.
Bibliotheca patruni latinorum Hispaniensis.
163
dici epistolas e graeco ad nicolaum -v- in latinum conuersa prae-
facio incipit — f. 60 v id eos denegare nec.esse est. (r.) ziXoc
Neapoli 1468 -x- Iulii | Ioannes Marcus Petri Stroqae florentini
discipls : parmae oriundus Antonello Petruciano auersano raor-
talium felicissimo Diui Ferdinadi Re | (f. 61 r ) gis secretario muni-
ticentissimo perpetuoque musarum amatori tranquille transcripsit.
Vale q legeris.
a IV 13
(IV I) 17) 80 m. 82 foll. s. XIII in."
Enthält des Boetius Arithmetica. f. l r In dandis accipien-
disque muneribus — f. 80 v continetur integritas. Zum Schluss
Figuren. Auf einem eingehefteten Pergamentblatte m. s. XIII:
Saltus Girberti (Text und Figuren).
a IV 30
(IV A 13 VI G 28) 4P minor. in. 46 foll. s. XIII.
f. l r Priscianus minor. Quoniam 1 in ante expositis — f. 45 v
Student doctrine explicit.
b I 4
(I H 29) 20 in. bip. pag. 2<>o foll. s. XI wie es scheint in westg. Schrift.
f. 262—265 sehr verstümmelt, f. 1 und f. 2 enthalten einen
Index der Passiones nach den Monaten geordnet (die Monate haben
spanische Namen), wohl s. X V in. geschrieben. Er verweist auf die
Folia der Handschrift, die von derselben Hand foliirt ist, die den
Index geschrieben hat. Das 1. Blatt der Handschrift ist f. 268;
da nun diese im Anfänge vollständig ist, im Index aber auf nie
drigere Seitenzahlen Bezug genommen ivird, so ist sie gewiss der
2. Band (der 1. Band enthielt 52 Vitae; wenigstens bei dev 1. des
vorliegenden am Rande: l ui. Diese Zahlen sind zum Theil von
1. Hand corrigirt, zum Theil von der Hand des Indexschreibers)
einer grossen Vitae Sanctorum-Sammlung, deren Gesammtinhalt
sich aus dem Index ersehen lässt, f. 2 v Cardena und weiter
unten die Zahl 105. Initialen mit Fleckt mustern, zum Theil recht
nett. f. 3 r ganz mit rothen und blauen Majuskeln geschrieben,
f. 3 r a mit grösseren, f. 3 r b mit kleineren, f. 3 r a ist gefüllt von in
ne diii incipiunt passiones scorum martyrum de reliquo ad per-
1 Vgl. Bibi. Hisp. I unter a IV 13.
’ Prisciani inst. gr. 1. XVII, 1.
164
v. Har toi.
fecturn exarate. f. 3 l 'b. In ne see et indiuidue trinitatis incipit
passio scissimi dionysy qui a loco ariopagita et patriattico (sic)
prenne — tertio fere ab eadem urbe miliario requiescit. ducto
angelico detulit. Die eigentliche Vita beginnt f. 3 T a Post beatam 1
ac salutiferam dni nsi ihu xpi passione. Die letzte Vita ist- be
titelt f. 262 r a Vita uel obitus sce castissime uirginis et confes-
soris xpi | f. 262 r b Fuit 2 in ciuitate alexandria uir magnificus
nne pafnutius curam gerens — abrupt schliessend f. 265 v b queris
uidere hominem monacbum de palatio teudosii.
b I 5
(I B 9 I D IG) 20 ra. bip. pag. 273 foll. s. XIV.
Gregorius, Moralia in Hiob. f. l’a (r.) Incipit in exposi-
cione iob beati gregorii über primus | (in margine: Job • i° • a ).
()ir erat 1 in terra hus nomine iob (r.) Incipit explanacio liysto-
rica q continet capitula • x • | ()ccirco scs uir ubi habitauerit —
f. 273 T b abrupt schliessend im. 31. Buche: cum culpas delinquen-
cium iuste ulcisci desiderat. (Auf der letzten Seite unten m. s. XVI:
muy mag! Juan de balenzia.
b I 6
(II D 5) 20 m. bip. pag. 10G foll. s. XII.
f. l r a (Mag.) in xpi nomine incipiunt capitula Dialogoru
gregorii pape urbis rome de libro primo. Es folgt dieser Index,
am Schluss: (Mag.) expliciunt capit. lib‘ primi incipit textus. |
Quadam 1 die dum nimiis — f. 106 v a hostia ipsi fuerimus (Mag.)
explicit dialogorum über quartus. Es folgen eine Masse Schreib-
seleien. Ausgedehnter ist f. 106 v b m. s. XII/XIII: In cumme-
moratione Reliquiarum in eclesia b dyonis [ | requiescentium
hoc erit offf | u. s. io.
b I 7
(II D 67 II M 17) 20 tn.
Es sind zwei Handschriften. 1. bip. pag. m. 50 foll. s. XIV
bis XV\ Gregorii Dialogi. 2. 1 Col. m. 04 foll. s. XV. Casti-
1 Nicht die Vita bei Surius V. SS. X, 283. — 2 Vita S. Enplirosynae
73, 643 M.; ygl. Esc. I III 13 f. 160 r .
1 Greg. Moral, in lob I, 17.
i Greg. dial. 1. I (II, 149).
Bibliotlieca patruiu latinoruin Hispaniensis.
165
Hämisch, f. l r (r.) Aqui eomen§a el noueno libro de la uida
de ihü xpo q es el terceno et postrimero uolumen el ql tracta
de la su pas’ion. Capit° primero de eomo le tractaron los cne-
migos crueles la su rauerte.
b I 8
Gregor, Moralia quarta parte. Castilianisch.
b m 3
40 m. (bip. pag. von f. 106 ab) 304 foll. s. XV in. 1
Enthält eine Masse Theologisches mit vorausgehendem Index,
z. B. Jacoibus de Todi, Isac de Syria, Simon de Janua etc., aber
auch Homilien und, Aehnliches von Caesar. Arelat., Chrysostomus,
Ambrosius, Hieronymus, Augustinus etc.
b III 9
40 m. 90 foll. s. XV.
f. 1 r Wappen, nicht ausgefüllt. Miniatur rahmen. Hierony
mus über Seneca. Lutius 1 — interfectus est, dann Seneca-
Pauluscorrespondenz und Senecae epist. icelche schliessen reliqrut
n scire. vale. 2
c I 4
(M 15 NI 12) 2o raax. m. bip. pag. 411 foll. s. XIV.
Der Hauptinhalt ist nach Bibliothekarsvermerk: Decretum
Gratiani cum Apparatu Bartholomei Brixiensis. Ausserordent
lich viel Randscholien und Eintragungen späterer Hände. Auch
auf den Vor- und Nachsetzblättern befindet sich eine Masse Ver
merke. Die Handschrift hat feine Miniaturen, die sich auf den
juristischen 'Text beziehen, von der Art wie in den Handschriften
von Avila, lange, schmale Gestalten und starke, ausgeführte Zeich
nung mit schwarzen Strichen, f. 1 T (Vorsetzblatt) ausser Anderem
von verschiedenen Händen. Geiuna uigila modicum bibe sepe
labora | Te tene calidum si uis expellere reumam | Virginis
intacte cum ueneris ante figuram | Pretereundo caue ne silea-
tur aue.
1 Vgl. Knust, Archiv d. G. f. iilt. d. Gesch. VIII, S. 810.
1 Senec. ed. Haase III, p. 476. — 2 Senec. epist. mor. XIII, 3 (II, p. 254H.).
166
v. Hartei.
Sanguineus Largus amäs ilai’is rides rubeique coloris \ multum petit
Cantans carnosus satis audax atquc benignus /multum petyt(sic)
Fleumaticus Huic sompnolentus piger in sputamine ml'tus \ parum “petit
Hebes huic sensus pinguis facie color albus / et multum p‘
eolericus Versutus fallax irascens prodigus audax \ multum apetit
Astutus gracilis siccus croceyque coloris / 7 paru potest
malencolieus (sic) Invidus et tristis cupidus dextreque tenacis \ parum appetit
Non expers fraudis timidus luteyque coloris. / et parum potest
f. 407 v Satnta (sic) fidis xpi rosa lumen hie patuisti
Tempora per multa iaeuisti quoq3 sepulta
Fac nos transire mala gaudia sca uenire
Yt precibus tantis iungamur federe scis.
Istam arengam fecit dns • ]0]0 • (an soso ?) abbas vige jus-
sessen cum decretum perfecit in lectura sua et ipm in monte-
pesulano legit. Bonum certamen certaui —. f. 408 r Magister
constanti' medico* sumus fisicus et monachus moij sei benedei
montis cassini. reliquit hee que secuntur de ligno ffraxino scripta
humane posteritati. Certissime lignum fraxini has virtutes ha
bet —. | Septe gaudia beate • m • matris ih’u xpi filii dei j Gaude 1
uirgo mater xpi q p auro concepisti gabriele nuncio | Gaude quia
deo plena peperisti sine pena —. Dominus papa boniffacius
quartus fecit et ordinauit sequentem planetum beate uirginis
marie matris dei et coneessit cuicunque deuote in honore dei
et ipsius genitricis dicenti pro qualibet uice gra sei Spiritus • vii •
anos “ xl quadragesimas de indulgencia | Stabat mater dolorosa
iuxta crueem laerimosa eum pendebat filius —. f. 410 v a m. s. XIV.
(r.) Incipiunt mirabilia rome | ()iu'iis - urbis romc h't turres • ccc ■
xli • castella • xlviii • f ppugnacl'a -vii- milia nonaginta portas xn
(4 Columnen) — f. 411 ‘b q ipa scriptura declarat ^ Expliciunt
mirabilia Romc d'o gratias Amen. Auf dem letzten Nachsetzblatt
m. s. XV in., wie es scheint, steht: Ite. Io decret costa lx fl. dor,
und andere Preisbestimmungen, zuletzt ein Verzeichniss der Bezüge
(die ausradirt sind) des preposito de palacio, sacrista maior,
dispensarius u. s. w.
1 Mone II, p. 172. — 2 H. Jordan, Topographie der Stadt Rom II, 607.
Bibliofclieca patrum latinoruin Hispaniensis.
167
c III 17
(III 11 36) SO m. 202 foll. s. XII/XIII.
f. 202 v m. s. XVI: muy mag y R do Sefior hermano puan-
garosal (sic) mi senor. f. l r Titel von späterer Hand: Incip lib
Tractus ipaliesis epis. (sic) Isidori. | Inprincipio 1 creau deus celum
— f. 103 v (vor der Doxologie) stque uniu'sa misteriis consummata.
(Mag.) explicit tractatus ysidori ispalensis epi. | Propono qd dopn’
halo nuq morietur — Nullus höo moritur sic halo n moritur
(22 Zeilen), f. 104 r Actuus rome pit absq. dtu'o (u ex d, i. e.
datiuo) — Rex et papa fauent. fauet et patriarcha datiuo
(10 Zeilen) —. Es folgen zwei Auszüge: Hyronimus in danielis
explanatione. De antixpo. | Nec putemns iuxta quovdä —. De
temporibus antixpi Beda. Duo certissima necdum instantis —.
Unten 3 Zeilen: Qui timet —. f. 105 r Qstiones ab orosio proposite
& a beato augustino exposite. Licet 2 multi et jibatissimi — t“. 114 v
n r pdee. Explicit ad orosium bi augustini. Es folgt: Item setencic
ex libris eiusdem excepte (sic) aduersum manicheos. Quare fecit
ds —. f. 122 T (r.) responsiones prosperi contra inpugnationes
heretico^, i. 127 r aurelii augustini de ciuitate dei aduersus pa-
ganos lib sic incipit — f. 132 r Ubi dicit apls inimicicias con-
tentiones. f. 133 1 ' (Maj.) incipit prologus. Hystorie (sic) :i sacre
legis —. Buch 1 beginnt f. 133 v In principio fecit ds. Das Werk
schliesst f. 202 1 ' vor der Doxologie: misteriis consumata. (Maj.)
explicit tractatus isidori ispaliensis epi 1 —
c IV 11
(VI G 6 IV E 19) SO in. 112 foll.
Es sind 2 Handschriften. 1. f. 1—76 1 Col. s. XII. Palladius
de agricultura. f. l r a (die Indices der Bücher sind zweigetheilt)
(r.) De agricultura. Palladii rutilii tauri emiliani uiri inP op’
agclte. incipit tituli (sic) libri primi. Es folgt der Index von Buch /.
f. l'b unten (r.) De p'ceptis rei rustice. f. l v Pars est prima
prudentie — f. 76 v hof -vi- ped ix- | #, Desinit hoc scriptum
multis uen'abile dictum. Eine andere, aber nicht viel spätere Hand:
Undetriginta pedes ianuarius atque december
Horis undena prima memorantur habere
1 Isid. in Vetus Test. Cap. 1 (V, 2U1.). — 2 Aug. dial. quaest. 65 (VI, 733).
— 3 Isid. quaest. in Vet. Test, praef. V, 259.
168
v. Hartei.
Barbas . ars . ars . ars . min ,/ut menses seriatim
Ludicra . bis . ars . minuut höre seriatim
Inque modnm similem minuere pedum racionem
In ( ppis horis alii menses seriatim
Horas & menses altnos ocipe binos
Sexta man’ sola duodeeima n 1it umbras
In medio mensis (i ex e) menses numerare memento.
2. bip. pag. s. XIII. f. 77—112. Am Ende verstümmelt.
Quoniam ca« decisio p iudice hg tminari videndum est primo —
abrupt schliessend f. 112 v b actor uniuersitatis constitutus. Vor
setzblatt II von der 1. Handschrift von Bibliothekarshand: Pratica
caua« (sic) forensium ciuilium et criminalium et iterum de exer-
citio causa«. Auf dem Nachsetzblatt f. 113 r in spanischer Sprache
eine Notiz über eine Sonnenßnsterniss vom 29. Juli 1478 von 12 Uhr
Mittags an, wobei die Sterne sichtbar wurden.
c IV 19
80 in. 159 foll. s. XII. ex.
Priscianus maior. f. 1 T m. s. XIII Queritur cur omne
stud[ ] genus sapientie dix. Ideo quia —. | f. 2 r Queritur cur
p’ op’ pactum spatiosius ueniam petiit potest — Qique monet
ut qd hic d? . eil un' ueracit — ualeat. Darauf folgt:
Me discat 1 doctum qui nult fore dogmate fultum
Fons ego doctrine sum denique sedule cuote
Me legat 2 antiquas qui uult proferre loquelas
Qui me non sequitur uult sine lege loqui
Nam me quisque auidis manibus constringere querit.
Die Initialen stammen von einer Ild. m. s. XV. f. 3 1 ' nach der
Ueher schrift beginnt die eigentliche Grammatik: Cum omnis 3 elo-
quentie — f. 159 T sidera polus. Es folgt Hoc penu. 1 peni —algus
(3 Zeilen) und über Adverbien sursum —retro.
C IV 21
80 ch. 172 foll. s. XV.
Auf dem Vorsetzblatte die Abschriften zweier Inschriften:
M • TREBIVS • VBNER1VS 1 ütC. Ulld AVREI.IAE ANIMAB DVL • 2 etc. f. l r
1 ? — 2 Prise, eil. Hertz GL. II, praef. p. VIII, n. 22 = Anth. lat. 737 R.
= Poet. lat. aevi Car. ed. Diimmler I, p. 298. — 3 Prise. 1. c. p. 1. —
4 Ib. p. 192?
1 C. I. L. V, 2274 ohne Varianten. — 2 C. I. L. V, 1631 ohne Varianten.
Bibliotheca patium latinurum llispaniensis. 169
Die Vita des Horatius und über seine Metra: Horatius Flaccus
libcrtino pro natus in apulia cum patre —. f. 5 T —7 T (in blauen,
rothen und grünen Mag.) Epitaphien in Distichen:
Homonea
Tu qui 3 secura procedis mente parumper
Siste gradum quaeso uerbaque pauca lege —
f. 7 t Quodque mihi eripuit mors immatura iuuente
Id tibi uicturo proroget ulterius.
Es folgen f. 8 r ff. die Oden, Ars poeticq,, Epoden, Satiren, Episteln
des Horatius. \ f. 172 v In iocis Galli poetae. 4
C IV 22
4=0 min. ch. 216 foll. s. XV.
f. l r — f. 39 r Tibulli elcgiae — f. 39 r acerbe! tace.' Dann
folgt das Epitaphium und die Vita: Albius Tibullus regalis eques —
utiles sunt. Obiit — epitaphium. f. 39 v — f. 84 v Catulli Vero-
nensis über incipit ad cornelium ()ui dono —- f. 84 r dabis sup
plicium. TeXoq.
Ad patriam 2 uenio longis a tinibus exul
Causa mei reditus compatriota fuit.
f. 85 r propertii aurelii nautae monobyblos feliciter incipit | Qyn-
thia prima suis — f. 160 v uehantur aquis finis.
t’. 161 r cpistola saphos ad phaonem siculum eius amatorem
incipit 3 | Qum quid ubi aspecta — f. 165 r petantur aquae TEAOC
f. 165 r ()idia 1 bella puella candio (sic) — f. 166 v semimortuum
Finis. f. 165 v Qst locus 5 in primo t’elix Oriente remotus —
f. 167 v punica grana legit. f. 168 ist leer. f. 169 r (eine andere
Handschrift) Catulli veronensis poetae epigrammaton liber inci
pit | Cornelio suo | Qui dono lepidum. — f. 216 T At iixus ufis ß |
Catulli Veronensis poetae libellus linit.
Mantua 7 uirgilio gaudet Verona Catullo
Peligne gentis gloria dicar ego.
- 1 C. I. L. VI, 12652. Vgl. Anth. lat. II, p. XLIX. — 1 Anth. lat. II,
p. XLI not. E.
1 Tib. IV, 20. 4. — - Vers. Beneuenuti de Campexanis de Vioencia in
Bähren’s Ausg. I, p. 112. — 3 Ovid. Her. XV. — 1 Anth. lat. II,
p. XLI E. — 5 Lactantii de aue Phoenice (Anth. lat. nr. 731 R). —
0 Cat. carm. 116, vs. 9. — 7 Ovid. am. III 15, 7.
170
v. Kartei.
d IV 3
80 minor. ch. s. XVI.
Ausser vielem Anderen spanische Sprichwörter, f. 161 1 Apan
cluro diente agudo. Fortitudo in aduersis necesaria est. A cauallo
comedor cabestro corto prodigus eget gubernatione — f. 173 v
yo le digo quese vaya y el descalca las bragas. Ferner f. 175‘ ff.
ein Bücherverzeichniss mit Preisen, nach den Buchhändlern geordnet,
wie: Sigismundus Feidranbend Franehfurt. Bei einigen Werken
ist bemerkt non extant (also eine Art Lagerkatalog). Von anderen
Städten sind besonders Basel, Antwerpen, Cöln vertreten, f. 11 r
steht: Fr. Stich versus reperti in Bibliotheca s. Victorini in Gallia,
floruit iste monachus anno 1288.
Dum Rex Henricus regnabit origine natus
Hic Rex bis factus tarn re quam nomine dietus
Lilia vir fortis propriis euellet ab ortis
Rex cadet et vulgus militia francia clerus
Farne siti ferro flamma pesteque peribunt
De Anglia
Pax inimica ciui, pax haeo pax falsa uocetur
Flam flan consurgent; Hispani uiribus urgent
Scotus uastabit, dum vvahius arma leuabit
Inter nodosum montem fontemque petrosum
Corruet Anglo« gens pertida fraude suorum.
e II 1
20 m. oblong. 117 toll. s. X ex.
Schwarzer Ledereinband mit königlichem Wappen. Die Hand
schrift ist wohl in England geschrieben und kam dann nach Frank
reich. Auf ersteres weist f. I 1 ' die gleichzeitige ags. Notiz: thas
boc syllth aelfgyth gode intohoretune, auf letzteres die Schreib
seiei auf einem Schmutzblatte s. XIV/XV: Coment avan celuy
pour cbier. Die mit sehr viel Glossen und Scholien besetzten
Ränder sind sehr beschnitten, f. 3 r Boetius de consolatione
philosophiae: (r. Mag.) in nomine summi tonantis incipit pro-
logus libri boetii. Qaeri ("Q später geschrieben) a uonnullis
solet etc. Daran schliesst sich eine Besprechung der verschiedenen
Bibliotheea patruin latinorum Hispauiensis.
171
Metren des Boetius 1 — f. 8 r qi simplices computari. Dann
folgt m. s. XI als Blattfüllung: Nam quoque 2 quid dicam — Cor
pus relinquis j f. 8 v (r. Maj.) incipit über anicii manlii seuerini
boetii ox cons. ord. patrum de consolatione philosophiq | Car-
mina 3 qui quondam — f. 117 v im 5. Bucke abrupt schliessend
equalis ee &iä igit sps scs.
e ni 13
20 dl. 140 foll.
1. Des Plautus acht Stücke, die Aulularia am Ende, worauf
die Subscription folgt: Plauti poete comici clarissimi eloquentis-
simeque (sic) octaua Et Vltima comedia Vllularia Explicit die
uigessimo Octauo Septembris 1441 Huius operis finis feli-
citer fuit.
2. Juvenal mit der Subscription: explicit 1462 sexto nonas
martis i uigessima tertia hora.
e III 17
?
(IV I 2 VA 27) 80 altior. m. s. XIV.
Valerius Maximus. Am Anfänge sind die Blätter oben be
schädigt. f. 1 r die erste vollständige Zeile lautet: ausit ei? c ppoito
et uotis. Die Handschrift schliesst f. 128 v supplitio coegit.
Deo gratias Valerii maximi über Nonus bie tinem habet.
e in 18
(V A 24 IV L 6) so mai. 121 foll. s. XII et XIV.
f. 1—39 ist s. XII, das Uebrige im 14. Jahrhundert ergänzt.
f. 1 r (r.) macrobius de saturnalibus ad eustaebium filium suum. |
Multas uariasque res in hac uita — f. 39 v plegentib; canebam;
Im | f. 40 r (die Partie s. XIV beginnt) mo pueri — f. 121 r re-
pugna humori 7 c | (r.) Explicit über macrobii the°dosii con-
uiuo%. Amen. Amen. Deo gras.
1 Vgl. Boet. ed. Peiper, praef. p. XXIV, XXIX sqq. So wird die Vita
Boetii auch in anderen Handschriften B. Paris, 12961 und 14380)
eingeleitet und auf sie folgt Lupus de metris (p. XXV Peip.). — 2 Boet.
p. 101, 37—102, 72. — 2 Boetius cons. phil. 1. 1 (p. 3 P.).
172
v. Hartei.
e in 19
(III C 8 IV 1 3) 80 mai. m. misc. 276 füll.
D Di" de f. I 1 '—174 r Curtius Rufus. f. 178 1 Eutro-
pius mit Paulus s. XIV ex. f. 177 v D. Joannes maria celega
noti': vcnetiarum hunc emit librum die 28 mis Aug“ in Riuoalto.
Anno 3i ■ d • xxxxvinp f. 237 v Ciceronis ad Herennium Rhetoricov
novorum litj primus incipit. Et si negotiis — & excrcitatione. Hoc
opus expletum per me b’ellefinum Claraschum Cremone Ciuem
Millesimo quadringentesimo quarto decimo die lune quarto iunii
in Terra Castrileonis. deo geacias amen.
e III 20
(IV Li III E II) 40 ra. 11« foll.
Es sind 2 Handschriften. 1. f. 1—80 s. XIV. f. 1 T oben
M. Danduli ■ oxlviii • Am Ende verstümmelt. Nach Bibliotliekars-
hand auf dem Vorsetzblatt Petrus Bertorius de homine niorali.
2. s. XIV ex. f. 81 r unten: D Di“ de Cicero de officiis.
f. 116 r folgen Versus xii sapientum s - bassilii asmcni liomani
euforbi iuliani. hilasi. paladii. asclemadis. eustenii pompetiani
maximini et uitalis positi in epitaphio marci tullii ciceronis. 1
e IV 24
8° iu. incmbr. 102 foll. s. XII.
Cicero’s Somnium Scipionis cum Macrobii Commentariis.
JL ? e
Auf dem Schmutzblatt steht: Compre este libro en V. a V. eonobi.
1545. de Ant°. Tellez librero con otros seys libros. f. 46 T arbor
scientiarum, f. 52 r introducciones porpbirii | Qiii quidem —
umane sciencie racionabil, f. 98 v Introducciones dialetice (sic)
artis scitm • m • Gr. paganellum | Incoantibus dialecticam utile
est etc.
f II 10
(Z 1« — 2 III A 7 V O G). 10 ch. bip. pag. 217 foll. s. XV/XVI.
Grosses, spanisch-lateinisches Dictionar, mit streng beobachteter
Reihenfolge, mit eigenthümlichen Accenten, die durch die Handschrift
durchgehen, versehen. Es schliesst f. 217 r a Zumbar (o baser aquel
sonido q bas en las abejas f bümbino as. bombinäui bombinätum.
1 Anth. lat. 603—612, 784, 785 R.
Ribliotlieca patrum latinoruin Hispaniensis.
173
Das Glossar enthält zahlreiche Citate: f. 84 r b Enpobreger. Päu-
pero as. äui. ätum. uerbo antiguo plauto in milite 1 dise. q im-
proba pro meritis (sic) uitio dfim precio pauperauit, auch sach
liche Ausführungen: f. 40 r a Centauros Clamaron a los primeros
q caualgaron a cauallo porque la gente ignara de aquel tpb
pensauan que el cauallo y el cauallo era todo unx(o del.) animal,
y pensauan que eran monstruos. h’ cen^urus i- conpuesto es
de centum y de aura qs vieto Dise aura porla semejanga que
los cauallos tienen conl uieto en la ligeresa. y dise centus por
que peletronio o segund otros Xion fue el primero que en grecia
biso caualgar a cauallo cient omes äegund que mas largo se
cuenta enl xq°. libro de ouidio de metamorfoseos.
f n n
(VII E 3 III A 6) 40 ch. hip. pag. 482 foll. a. 1488.
Ist ein Theil eines grossen lateinischen und lateinisch-spani
schen Dictionars von 0 ab. Die Einrichtung ist eine solche, dass
nebeneinander zweimal derselbe Stoff (links rein lateinisch, rechts
lateinisch-spanische Uebersetzung mit Erweiterungen) behandelt
wird, z. B.:
f. l r a O littera diuersas ora- f. l r b O es letra que fase di-
tiois partes efficit. Nam inter- uersas partes de la oracion ca
dum interiectio est dolentis. Vt algs veses es interiection de
o deus in quanta — qen se duele. como 0 deus in
quanta —
Nach dem Ende folgt f. 481 r a (r.) Preteriti laboris atque
ulterioris propositi mentio | Consumaui tandem iam laboris diu-
turni qualitatisque diffieillime opus quod incoeperam imperante
illustrissima domina Helisabeth castele legionis aragonie atque
sicilie regina. Dann zählt der Verfasser seine Werke auf und
bespricht, ivas er noch vorhabe. Gegen das Ende: dignentur —
orare pro me Alfonso Palentino. Am Ende die Subscription:
• 3° • Idus februarii m cccc lxxxiii. Auf diesen Schlussabschnitt ver-
weist eine Bibliothekarshand auf dem Vorsetzblatt v : Es obra de
Alonso de Palencia, ut constat f. 481 et sqq. la quae esta ya
impressa.
1 Plaut. Mil. III, 1, 132.
174
r. Härtel.
f n 12
(V L 9) ch. 20 133 foll. s. XV.
Uebev den Inhalt von f. 1—f. 77 v vergl. Bibi. p. I. Hisp.
I, Hl. Auf die Ameis des Mapheo Veglii folgen f. 86 r einige Epi
gramme:
Pastor oves et arator agros et proelia miles
Instruxi, aeterno clarus lionore maro
Ecce maro cuius divino caiunine musa
Per silvas et agros ad fera bella venit.
Pascua 1 — tumnlus
Filius euandri pallas quem lancea turni
militis occedit more suo iacet hic 2
In ciceronem (dl. ni.)
Sum Cicero arpinas. dedit usque ad sidera notum
Lingua mihi patrie nomen at ipse meae.
In marium
Tullius eloquio Marius sed cognitus armis
Arpini nostri gloria uterque sumus.
In kyriacum
Hec tibi kyriace iam tandem carmina mitto
Quae poscis culici carmina digna tuo
Felix kyriace tu kyriacissime certe
Quis te cum tantis credat egere bonis.
Finis.
Es folgen weitere Gedichte des Mapheo Veglii. f. 91 r F pe-
trarcha in Affrica. Hic postquam -—. Versus de agno dei. Bal
samus —. Epytbapbium Lucidi dyaconi. Lucidus ipse —. ad
contempnendum prospera. Sit tibi pulchra —. ad sustinendum
adversa. Si cecus claudus —. epitapbium iosep patriarcke con-
stantinopol. Ecclesie antistes —. f. 117 r ein Gebet für die Zeit
der Pest quam misit dns dux mediolani pisas. Dann Herculis
imago 3 in palatio dno% florentie bos ht ad pedes versus, ipa uo
amicta pelle leonis et tyrsum tenens manu vultu indicabat herile.
1 Anth. lat. praef. p. XLV1II R. — 2 Am Rande findet sich bei diesem
Distichon die Bemerkung: Ist.i non sunt mafei vegei. — :i Vielleicht der
mit Lysippus’ Namen bezeichnete Hercules, jetzt im Hofe des Palazzo
Pitti, der in der ersten Hälfte des IG. Jahrhunderts sich im Signoren-
palast befand.
Bibliotlicca pätrum laiinorum Hispaniensis.
175
Ipse premens geminos elisi parvulus angues
Disieei ingratas urbes sevosque tirannos
Oppressi. dirasque feras et tartara vici
Terrarum domitor quondam nunc voce perhenni
Per claros celebror populos virtutis imago
Nunc mihi persimilis talem florentia sedem
Exhibuit proprioque tenet servatque sigillo
und noch weitere Humanistengedichte.
f III 11
(IV L 1 III A 25). 20 m. 151 t'oll. s. XIV.
D Di" de Statius' Thebais. Vor setzblatt v m l :
Associat profugum tydeo primus polinicem
Tydea legatum docet insidiasque sec.undus
Tertius hemonidem canit et uates latitantes
Quartus habet reges ineuntes prelia septem
Mox furie lemni quinto narrantur et anguis
Archemori bustum scxto ludique leguntur
Dat graios thebis ct uatem septimus umbris
Octauo cecidit tydeus spes iida pelasgis
Hipomedon nono moritur cum parthenopeo
Fulmine percussus dccimo capaneus supatus
Undecimo scsc perimunt per uulnera fratres
Argiam flentem memorat duodenus et ignes.
Es folyt Soluitur 1 in primo — uincere tliebas, hierauf das
Bild: Eteocles und Polynices mit einander kämpfend, f. l r (r.)
Papinii surculi (sic) Statii Thcbaidos über primus incipit feli-
citer | Fraternas acics —. Zwischen den einzelnen Büchern stehen
elegante Argumente zu je 12 Versen: f. 10 v nach cornua mitram 2 :
At maia genitus süperas remeabat ad auras
Excitusque lierebo iam seuus laius ibat.
Tiresie uultum in somnis mentitus et ora
Ärmari in fratrem dirum ethiocla perurget.
Perfossumque senis iugulum faciemque recludit.
1 Dieselben Verse linden sich nach einer freundlichen Mittheilung des
Herrn Custos Dr. H. A. Lier in zwei Exemplaren der editio Veneta
a. 1483 des Statius, welche die Dresdner Bibliothek besitzt, von ver
schiedenen Händen s. XV geschrieben. — 2 Thebais I, 720.
176
v. Hartei.
(E Moxque suas thalamis natas sociauit adrastus.
Deiphilem tidei. argiam polinicis amati.
d Sed cupidus regni foi-tem cadmeius heros
Tidea legatum mittit. qui fedei'a fi’ati’em
Posceret impei’ii d Ille sne non imemor ire
Quinqxxaglnta xxiros legatum obsidere iussit.
Q.uos strauit telis uictor patriamque reuisit.
fr.) Explicit über Primus. Incipit scd'us.
f. 21 T nach ad argos 3 :
Perfidus interea missonxm sera uirorum
Tempora dum queritur dum spectat colla i-ecisa
Tideos inuisi tune tanta ex cede relictus
Aduenit hemonides socionnn funera pandens.
d Jupiter binc martern stimuüs flammauit amaris
Spargeret ut thebis argisque incendia belli,
d At venus liermione memorat tbebasque tuetur.
Tune duo discentes pugne psagia uates
Explorant diuos. cernuntque instare futui-as
Crixdeli populo strages sed dicere mussant.
d Hie ferus insistit capaneus. bellumque lacessit
Yociferans. spernitque deos. sociosque fatigat.
(r.) Incipit Tei’tius über. f. 31 r nach assurgere eure 4 :
Nox septem bellona ui ros in pi'elia cogit.
Primus init bellum mestus longeuus adrastus
Itque gencr fulgens priis dirceus in ai-rnis.
Inde ferox animi tideus iam seuit in hostes.
Hei-culeam ipomedon pixbem mouet inclitus armis
Et capaneus atrox tliebas excindere querit.
Anphiaraum prodit coniunx iam perfida uatem.
Parthenopeus init trepida geniti-ice maniplos.
At contra ethiocles tbebanos instruit omnes.
Nec non tii’esias infernas consulit umbi’as
Argiuisque sitim baebus molitur et estus.
.Ysiphile molistrat limpbas langia perennes.
fr.) Incipit quartus über. f. 42 v nach agnoscere turmas
Postquam pulsa sitis et membi'a leuata fluentis
Inachide iuuenes ante omnes mitis adrastus
3 Theb. II, 743. — < Tlieb. III, 721. — 3 Theb. IV, 842.
Bibliotheca patrnm latinorum Ilispaniensis.
177
Isiphiles celum gentem priamque requirit
(I Ingemit illa quideni et tandern uix mesta profatur.
Lernnos erat patria. princeps mihi sanguinis euan.
Hic ueneris rabie etas cunta perempta uiro« e.
(X Ast ego sola meum carum miserata parentem
Committo incolumem uentis. mox ipsa per undas
Excessi gemina linquens iasone prolem.
(X Hec fata archemorum sacro serpente peremptum
Conspicit euridice genitrix miseranda querelis.
Jclaniat al. m.
Intonat et placat graio« turba ligurgum.
(r.) Quintus über incipit. | f. 53 r nach induit umbram 6 :
Ut puer est functus serpens qs uulnere lesus
Instituunt danai ludos hortamine uatis.
Fama uocat cuntos. aruis ac menibus adsunt.
Primus sudor equis euenit eertamine campi.
Extitit bic dorion uictor pelinice cadente
Primus oeclides sed sumpsit pmia laudis.
(T Decipitur cursu puer arcbas. postea uictor
(T Hipomedon disco laudatur ab agmine iacto
(I Vix rapitur lacon capanei cestibus alti.
(T Tideus agileum superauit agone palestre
(E Rex probibet binos nudo concurrere ferro
Ipsi iactanti remeat iactata sagitta.
(r.) Incipit sextus über. | f. 64 v nach arundo recursus 7 :
Tune iouis imperio martern cillenius ales
Excitat in graios resides (T tune ille furorem
Instaurat belli, ac tbebas ardentibus offert.
(C Lapdacios tendit lacrimis defendere über.
Antigone e muris socio« discere uultus
f- 65 1 Exquirit lidus cui pandit singula phorbas
(X Mox iocasta gemens natum graiosque precatur
Et placidus thebas ineat/ fremque reposcat
Imperium, tideus j>hibens sua uulnera narrans
(T Tigrium interitus partes pugnare coegit
Bellantem curru amplüaraum telluris biatus
Obruit, ingemuitque cadens. lucemque reliquit.
(t.) Septimus über incipit | f. 77 r nach reclusit auerno s :
5 Theb. V, 753. — ' Theb. VI, 921. — 6 Tlieb. VII, 823.
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. CXII. Bd. I. Hft.
12
178
v. Härtel.
Tune grauiter superos obiurgat rector auerni
Ipsumque anphiaraum terret / cui pauca furenti
Jam tenui uoce et pauidus supplexque profatur
Coniug'is infande inditium! subitamque ruinam.
(E Anxius inaebidas uatis dolor urget amissi
tE Sidonii exultant memorantque insignia gentis
(E At graium jjeeres similem pietatis honore/// (m er.)
Tkiodamanta legunt; natis qui” munera seruet.
(E Hinc thebana phalanx illinc ruit inacha pubes.
Vulnera uulneribuR geminant funduntque uicissim
Corpora magna uirum. tune multa cede furentem
Tidea deiectum telis tritonia fleuit;
(r.) Octauus über incipit. j f. 87 T nach lumina nipba":
Oenide interitu magni dircea iuuentus
Eminet. (E At danai contra ,[> corpore anbei
Arma ferunt. furit ante alios cadmeius beros.
(E Hie ferus bipomedon bostes jisternit et instat
Exanimem rapiens socium sed imagine falsa
Luditur. aonii incumbunt. retrahuntque cadauer.
Tune hismenon fluuium tbebano sanguine mutat
Feruidus bipomedon. (E Tumidoque in gurgite mersus
Creneam obtruncat moriens simul increpat agmen
(E Moxque drias mortis stimulis rapit arma supbus
Partbenopeum sternit iacentem tela diane.
Ille cadens droceum alloquitur matremque requirit;
(r.) Nonus. | f. 100 r nach suspende diane 1 ":
Quatuor afflictis ducibus fiducia belli
Sidoniis crescit graio4 obsidere castra
(E Tune iuno mittit que somnum concitet irim.
Tbebanis subito soluuntur mebra so.pore
(E Tbiodamas stimulat nocturna in plia graios
Fata docens. uigilantque iacentia Corpora ferro.
(E Decipit incautos pietas hopleum atque dumanta
Oenide exanimis leti dum mebra reportant.
(E Pandere tbiresiam compellunt debita tbebis
(E Tune patrie uitam largitur' sponte meneceus
Mox capaneus scalis conscendit menia seuis
» Theb. VIII, 706. — 10 Tlieb. IX, 907.
Bibliotheca patrum latinorum Hispaniensis.
179
Fulmine percussus turrim complectitur ardens.
(r.) Decimus über incipit. | f. 113 nach meruisse secundum 11 :
Tune capanei ardentis danaos incendia terrent.
Castra petunt miseri. (C Eumenis impar tempore belli
Tbesiphone gentis gemine exaturata cruore
Germane auxilium poscit (E fratresque nocentes
Diuersis agitant stimulis (E tune omina dira
Horrescit tirius ductor (E mox epitus au*tor
Armatum frem pulsantem cuspide portas
Nunciat. ille celer gaudens rapit ipius arma
(E Nee mfis lacrime reuocant [ nee uota sororis
(E Postquam sacrilegis telis defossus uterque
f. 114 r Defleuit pietas früm miserata ruinam.
Oedipodem creon tbebanis menibus arcet.
(r.) Undecimus über incipit. | f. 124 r nach amplectitur umbra ’ 2 :
Postquam alterno ceciderunt uulnere fres
Moxque creon deflens persoluit iusta menetheo
Busta negans uictis (E At graias fama purget
Querere clam mres per campos mebra suo^
Vix argia sui corpus polinicis amati
Repperit (E Antigone polinicis funera querens
Aduenit ignare. communia funera plangunt
Succensusque rogus flammis communibus ardet.
(E Theseaque euadne constanti uoce precatur
Iret ut ad thebas uindex. aliosque triunphos
(E Mox ille infrendens optatque uocatque creonta
Quem sternit telo l graiorumque immolat umbris.
1. 124 t (r.) Duodecimus. | Das 12. Buch schliesst f. 135 T referen-
tur honores. | (E Papinii sureuli Statii Thebais expücit feücit'
bn püctata et correcta cum optima orthographia | (E Deo Gratias
Amen; f. 136 r (r.) Incipit Statins Achilleidos | Magnanimum
eacidem — f. 138 v pectora mauült. Die Achilleis schliesst f. 151 r
ad littora uenit.
Papinii Sureuli Statii Achilleidos Tholosensis
Liber Quintus 7 Vltimus explicit feliciter. Amen.
Pannus semiferi matrem deducit ad antra
Lter uirgineo pelidem celat amictu
" Theb. X, 93(5. — 12 Theb. XI, 7(51.
i2*
180
v. Hartei.
Tm-tius occultas resecat calcante tenebras
Rmis ambiguum manifestat quartus acbillem
EAcidem quintus narrantem tradit achinis.
f. 136 T In pn huius autoris — tu in. narrat u d k Soluerat etc.
Einleitung zu und Anfang einer Interpretation von Statius
Achilleis.
f III 19
(IV I 16 IV E 7) 40 altior. m. 85 foll. s. X/XI.
Die Hs. ist nicht in Spanien geschrieben, sondern sie stammt
aus den Niederlanden, f. l r (r. Maj.) uitruuii de architectura
lib -| • (Maj.) Cum diuina tua mens et numen imperator caesar |
imperio potiretur orbis terrarum — omnes disciplinae rationes |
(r. Maj.)-] i-; • De arcbitectis instituendis. | Arcbitecti est scientia
pluribus disciplinis —. Die Commissurae der Bücher pjlegen so
zu sein wie f. 26 r (r. Maj.) uitruuii über tertius explicit; incipit
üb quartus. Am Rande von etwa gleichzeitigen Händen einige
Glossen, besonders aber werden seltene Worte des Textes wiederholt.
f. 72 r vor dem Anfänge des 10., am Schlüsse des 9. Buches: in
ci pi am s cm be re ; Der Vitruvius schliesst f. 83 v mebra • in • x
uoluminib' liaber* expücata. f. S4 r (r. Maj.) uitruuii üb deci-
mus explicit feliciter. Es folgt m l : Uncia caerae colügit infu-
sura aeris —. | (r. Maj.) de ponderibus | Calculus e ciceris —.
(r. Maj.) de liquidis [ Cocleas habet dimidiam dragmam —. |
(r. Maj.) conf dialtea calisticum recipit baec | Euisci radices —.
(r. Maj.) Tinctio uitri prasini | Tere uitrum bene —. dann vier
weitere tinctiones (in schwarzen Maj., je eine Zeile), (r. Maj.)
crisocolon | In omnia —. Letzteres schliesst f. 85 r & coruixtn
cum ipsasis species. (schw. Maj.) specieru et ponderum atque
colorum sumpta ex pliisicis probamenta finiunt amen. Es folgt (r.
Maj.) de rosato | Quinque libras rosae pridie purgutae (sic) in nini
ueteris x- sextariis mergis & obstringis adies -x- Despomati mellis
ACIO tu2
lib adicies & ueteris (r. Maj.) de oleo lilimio |. Per olei libras
singulas dena lilia curabis infundere & uas uitrum quadraginta
dieb’ locare sub diuo. de oleo roseo. In olei (i ex o) übras
singulas rosae purgate singulas uncias mittis & vii. diebus in sole
suspendis et luna de rodomeli (darüber Hidromeli m 2 ) In suci
rosae sextariis singulis libras singulas mellis admisces & diebus
xl sub sole suspendis; finit AHTHN0Y OYGAH0nPH<t>HXGOPA:
Bibliotlieca patium latinorum Ilispauicnsis.
181
CXPYneCJPY OYOAH0MYCHPYXUPAYA.' f. 85 v folgen zwei
Briefe: Semp dnö semper patri epscpo (o ex i m 2 ) L////// (einige
Buchstaben nass ausgewischt) omni pconiorum genere efferendo
(o ex i mf) ■ h • suus. quo magis uiuo Unde magis sim uobis obno-
xius. In dies inuenio — patrem et dnm opto preualere peren-
niter v Precellentissimo et si (si ex iä nu) potestatis tum etia
pietatis insignibus radianti dnb nfb k- regi deuotissima beato*
medardi et sebastiani congregatio fideles et continuas orationes
sieut — (abrupt schliessend) nisi ex tesauro eccie quo nras. Auf
? t
dem äusseren Rande m. s. XI: Alleluia Vox exulta ti onis in &
salutis et tabnaculis iustorum mit Neumen.
f IV 7
(25. -10 III fl 70) 80 m. 21 foll. s. XV. 1. Hälfte.
SaUust’s Catilinarium.
f IV 14
(III II G7) 80 min. m. et ch. 81 foll. s. XV.
f. l r (r.) incipiuut perioche libro* titi liuii pathauini feli-
citer | Aduentus enee in italiam et res geste primo — f. 81 *’
plures bonores dedit (r.) Finhmt perioche oium Hbiw T. Liuii
Patauini. Deo Gratias.
f IV 18
(20. 2G III II 24) 120 misc. 149 foll. s. XIII.
Mit interessanten Initialen, f. 1 ()ateria cuiuslibet artis
generaliter est id quod operatur —. Tres positc sunt sne in
amicitia nulla tarnen earum ( pbatur prima est ut eodem —.
f. 2*' (r.) Rectorica (sic) uetus tullii incipit | Sepe 1 et multum hoc
mecum cogitaui — f. 75 v ut reliquis dicemus. f. 76 r (r.) In
cipit rectorica noua tullii | Etsi 2 in negociis familiarib; impediti
—- f. 136 r c'sequemur et exercitatione. f. 136 Y folgen von
einer Hd. s. XIV die Verse: Hie iacet 3 Arpinas — a tribus
ille uiris.
cliart. s. XV f. 138 fl. Cicero de paradoxis, f. 139 In quo 1
uirtus sit — f. 149' repudiabat utrum [
1 d. i. legenti uita et pre(= per)feutura (= perfectio); scriptori uita et
misericordia.
1 Cie. de invent. I, 1. —) Cic. ad Herenn. I, 1. — 3 Anth. lat. G03 bis
611, 4 K. —• 4 Paradoxon II—VI 2, 48,
182
v. Hartei.
g I 7
20 n». 287 foll. s. XV.
f. 1 r ein prachtvoller Miniatur rahnen, unten Wappen (darüber
Cardinaishut). Livius, 1. Decade. Am Ende f. 287 1 ' (nach: diem
Esculapio supplicatio habita e) titi liui ab urbe condita über
explicit, petrus middelburh scripsit nec non de zeelandia finis
deo gratias.
g I 8
(123 I B 7 I L 10) 20 m. bip. pag. 219 foll. s. XIV.’
f. l r der Raum f ür eine Miniatur unausgefüllt. Livius, 1.,
3. und ein Tlieil der 4. Decade. f. l r a ohne Ueberschrift: ()ac-
turusne sim opere precium — f. 80 v b babita est | f. 81 r a
Miniatur: Zwei Reiterhaufen reiten auf einander zu, über beiden
je eine Gottheit mit Flügeln, links eine weibliche, rechts ein alter
Mann. In parte operis mei ücet — f. 157 v a cogmina familie.
f. 158 r Raum für eine Miniatur unausgefüllt. f. 158 r a ()e quoque
iuuat — f. 219 r a conciliabulaque edixerunt.
g I 13
(U K 3 f. 3r oben 18. 12) 2» m. bip. pag. 321 foll. s. XIV.
f. l r (Vor setzblatt) in Majuskeln als Inschrift geschrieben:
titi liuii | bistoria romana | quam | iacobus cuiacius, | et | iustus
lipsius | doctissimi possessores | babuere | ioannes woverius ant-
uerpi | te, quisquis es, [ monet | monumento se isto nunc frui, |
simul, | quae noua sunt, sensim consenescere, | quae uetera,
semper amari. Livius, 1. und 3. Decade. f. l r Titi Liuii über
primus | Facturusne sim opere precium etc. Zu Anfang eine
Miniatur, wie der Hirt Faustulus die Wölfin mit den Kleinen
findet — f. 164 v b supplicatio babita est | (r.) Titi liuii über
decimus explicit | f. 166 r a Titi Liuii über xxi. f. 166 r b Zu An
fang eine Miniatur: Einem mit Scepter auf dem Throne unter
einem Baldachin neben seinem Rathe sitzenden Könige überreicht
ein Mann mit Speer knieend einen Brief, (r.) Titi liuii ab urbe
condita decada tercia über uicesimus primus Incipit feüciter | In
parte operis mei licet micbi pfari quod — f. 321 v a imperium est.
g in i
20 minor. m. 72 foll. s. XVI in.
Ovidii Heroides.
Bibliotheca patnun latinorum Hispaniensis.
183
g HI 3
(II D 17 IV K 7) 80 altioris m. 96 foll. s. XV.
Schöner gepresster Ledereinhand mit prachtvollem Florentiner
Miniaturentitelblatt; f. l r ist ein Wappen getilgt. Platonis epistolae,
lateinisch.
g in 5
(IV L 10 III D 24).
Es sind 2 Handschriften: 1. 8° minor. m. hip.pag. s. XIV in.
D Di 0 de f. l r a Capitelindex, f. 2 r b (r.) Incipit Uber
solini de mirabilibus inundi | Solinus aduento salutem. Cum
et auriu — f. 40 r b lingue stagnatur. Laus tibi sit xpe qm
über explicit iste. — 2. 8° maior. m. hip. pag. s. XV in. f. 41 r a
über est benediti dandulo, M. Danduli lxxui l Mei benedicti dan-
dulo'est. f. 44 r a Adsit principio vii-go maria meo. Iulii solini siue
gramatici poliuis t're (sic) ab ipso editus et recognitus de situ
orbis trav et de singulis q in mundo habentur. 1 Iulius sobnus
aduento salutem. ()uoniam quidam ipacientius —. ()um et
aurium clementia — f. 76 T b insula* qualitatem | Graii iulii solini
de mirabilibus mundi polihistor explicit. | Benedictus deus et
pater dm nrf ylm xpi qui me ad buc finem fecit feliciter per-
uenire. Amen.
g m e
(IV L 12 III A 21) 8» maior. m. 101 foll. s. XIV.
Mit interessanten Initialen (ital. s. XIV). f. l r (r.) Incip (sic)
primus über lucani. | Corduba 1 me genuit rapuit nero prelia
i
dixi — plus m coma placet. Dann folgt Buch 1. Buch 10
schliesst: Obsedit muris calcantem menia magnum (r.) Explicit
decimus über lucani. Es folgt:
Preponit 2 primus über inueliit inuocat atque exponit —
Apius exponit pars proxima seditionem.
g III 7
(1Y L 11) 2o minor. m. 207 foll.
Es sind 2 Handschriften. 1. Vorsetzblatt stark ausgestrichen
? ?
von einer Hd. s. XV: Angl//// '///s d h//////// s 1451 in die xxvm
1 Vgl. Mommsen ed. Sol. praef. p. XXXVI.
1 Luc. comm. Bern. ed. Usener p. 6 = Anth. lat. 668 ß. — 2 Antli. lat.
930, 1—30.
184
v. Ha rt ol.
ianuarii; von einer Hd. s. XVI in. auch zum grössten Theile aus-
radirt: yiberu/7///////////////////////// de sasoferato d porto gruario
?
do cor Ciuis Videns Ano: 1503. Ovids Metamorphosen s. XIV
in Italien geschrieben, f. I 1 ' In noua — f. 177 v Siquid ht ueri
uatum presagia uiuam. Explicit über quintns decimus ouidii
methamö | Deo grä Amen, oliue 14 it barbatus rigido nupsit. |
Es folgen m. s. XV die Verse: M. o.
En castus 1 pbaeton tabula tibi pictus in bac est
Quid tibi uis dipirum q pbaetonta facis
und Verse Juvenals.
2. f. 179 r Vorsetzblatt Marci danduli Andreae filii liic codex
est (durchstrichen) f. 180 1 'oberer Rand: M. Danduli xvn (auch
durchstrichen). Auf der letzten Seite (f. 207 r ) m. s. XV in Maj.
ausradirt: iste über est mei fortini filii domini thome dandulo
uenetiarum ciuis nobilissimi. Titel m. s. XVI: In metamorpboscs
Ouidii Alegoriae. 2 Die Hs. ist s. XIV und beginnt f. 180 1 ' Quo-
niam uniuscuiusque poete finis mentes hominum curat informare
ideo
in omnibus. Unde in principio istius übri sicut aübi dem est
q ethice • i • phye morati supponitur iste über. Ideoque unaqqj
transmutatio in hoc libro scripta merito ad moros est reducenda.
or
(E Prima igitur transmutatio est de chaos in -4- elementa que
sic uersibus est descripta. Nature dns — f. 207 r adoraret ipm
r p deo Expüciunt Allegorie Ouidii metamorphoseos. deo gras
amen. Darunter wohl m l : Constitit duc duobus.
g HI 8
(IV I 17 IV F 6) 10 m. 48 foll. s. XIV.
f. l r (r.) Sexti iulii frotini stratogematon (sic). Cum ad in-
struendam rei militaris sciam unus — f. l v gerenda sunt. Es
folgt in Roth ein Index: De occultandis consiliis—. Dann beginnt
das Werk: Portius cato deuictas a se ciuitates — f. 48 v et na-
uali et pedestri plio uicti sunt Amen deo gras. m. s. XV add.:
Explicit Iulius Frotinus. Explicit Ju. Frötinb Viel Randbemer
kungen s. XV.
1 Encaustm Martial IV, 47. — 2 Vgl. A. Graf, Roma nella memoria et
nelle immaginagioni del medio evo II, 300.
Bibliotheca patrum latinorum Hispaniensis.
185
g III 12
(III A 20 IV L 19) So altior. m. s. XV ctiva Mitte.
f. I 1 ' (r.) Propertii Vmbris (s add. m v ) Meuanii Poete Elegio-
graphi clarissimi incipit über primus ad tullurn | Cynthia prima
suis — f. 73 r ossa uekuntur equis (sic) (r. Maj.) linis deo gra-
tias amen.
g III 18
(IV F4 IVl 25) 8° ch. 134 foll. s. XV.
f. 2 r Onozander ad Q. Verannium De optimo Imperatore
eiusque officio per Nycolaum Saguntinum e greco in latinum
traductus. | Equitandi aut uenandi —. f. 39 1 Iuuenci Celii Calani
Dalmate historia de Atliila liuno« rege. Huni qui & auares —.
f. 47 r Pauli Moraceni uiri patricii ueneti de origine uetustate
ac incremento clarisque facinoribus ueneciarum dominii & urbis
aduersus emulos & detractores. Cum improperantes plurimos —.
f. 77 r Origo uetustas clara facinora illustris domini ueneciarum
& urbis deque comiciis regiineqs paulus morasenus patricius
uenetus. Sepenumero equidem poscere uisus es —. f. 104 1 (r. Maj).
censorinus de natali die ad quintum cerelium incipit. | Munera
ex auro uel quae — f. 128 v & intentu singulorum fieri sempiterna
manifestum est ec | de coeli rosicioNE | Celum 1 circulis quinque
distinguitur — f. 134 v si sillam surripias fieri heroicum.
g III 21
(III B 120 IV I 26) 80 m. 254 foll. 8. XV/XVI.
Livius, 3. Decade.
g III 22
(IV L 23 IV A 5) 80 maior. in. 196 foll. s. XIII in.
f. l r (r.) Me* legat — loqui. | Prisciani Gramatica. Cum
omis aeloquentiae — f. 196 v (im 16. Buche) nee lucidus ethera
sid'e polus. (r.) Explicit über prisciani gramatice artis ad iulianü
consulem ac patriciuin. Es folgt ein griechisches Alphabet mit
den lateinisch geschriebenen Namen der Buchstaben, f. 161 r unter
Bll steht die Subscriptio: Explie li-ber—xi ■ de pnrticipio Inoip
iib ■ xii De c pnoie.--itl-.- de—eins speeiobus Artis prisciani uiri
dissertissimi gramatici cesariensis doctoris urb rome constantino-
poli lib undecimus explicit.
1 Vgl. Escor: R III 9 f. 120 * und & I 3 fol. 234 r . — 1 Anth. lat. 737.
186
v. Harte 1.
g III 27
80 ch. 1S8 foll. s. XV.
Enthält ausser Laurentii Rusii Marescalci de natura equo-
rum über (es ist eine besondere Handschrift a. 1476 geschrieben)
Pomponius Letus in Ter. Varr. 3 libros de 11. Varronis de L.
L. 1. iv. et inithim quinti.
g IV 30
(25. 41) 8° m. 22 foll. s. XIII.
Hildeberti Cenomanensis epi, item versus Magri Marbosi
(so m. s. XVI) Scribere 1 qiposui —. f. 13 v und f. 14 r von anderen
Händen Verse, besonders grammatisch gleichlautende Worte ver-
1 ? !
schiedener Quantität, f. 14 v in. s. XIII/XIV: es do (de?) pedro
por la gr'a de dios obispo de siguenca. f. 15 — Schluss: Gram
matisch-philosophisches: Noia su vocabla inposita etc.
h II 2
(II Ii 16) 2» m. 118 foll. s. XV.
Mit reizenden Florentiner Miniaturen. Jacobus Laurentianus
scripsit. Eutropius cum addictionibus Pauli diaconi.
h ni 23
(IV L 1 III E 22) 8« maior. in. 165 foll. s. XIV. *
1. Engelberti Abbatis speculum virtutum ad Othonem auf
dem Vorsetzblatt von Bibliothekarshand. Auf demselben Feder
proben s. XIV/XV. Darunter: Arles in plo ethov. f. 1—4 Capitel-
index; auf demselben Blatte unten eine goldene Sonne auf blauem
Grund; das Werk beginnt f. 4 1 ' Excellentibus 1 et gl'osis — f. 133 1 '
sunt maiores. Darauf folgt ein Nachwort.
f. 136 l 'ff. ist eine andere Handschrift s. XIV bip. pag., ent
haltend Cicero de officiis. Quamquam te marce fili — f. 164- v
pceptisqj leitabe. Es folgen m. s. XV einige Definitionen f. 161 r a
m l über Cicero und das Werk de officiis. Marcus Tullius Cicero
princeps — de duobus utilibus utilius alto.
& m i4
40 minor. in. 203 foll. s. XV.
D Di 0 de Inhalt: Gellius.
1 Marbodus de myster. missae 171, 1178M. — 1 Pez, Bibi, ascet. III, 1—498.
Bibliotheca patrum latinorum Hispaniensis.
187
& IV 17
s. XVI.
Aussen steht m. s. XVI: De Dorta de Motalegre. Lexikali
sche Auszüge aus dem Thesaurus linguae latinae, auch Brief-
phrasen etc.
& IV 28
8» oh. 167 foll. s. XIV ex.
Enthält im Anfang ysidorus de ■ vn • mirabilibus mundi '
Miraculum primurn capitolium rome tocius — tarn mirabilis edificii.
H III 24
80 ch. (f. 153 und 156 membr.) 234 foll.
Die Handschrift ist interessant durch die vielen Subscriptionen.
Alter Index auf dem Pergamentvorsetzblatt: Dieta salutis per octo
distinciones, Themata dnicalia et comunia sco*q Colationes dni-
cales et sanctorum, Speculü pccoris bti augustini, Simbolum qipha^
et aplo*, De usuris concupiatis (?) et ecce ////stö, Sermones sei
augusti ad monachos, ffranciscus xiinez de triplici appatu mundi,
Liber de lig vite de bonauentura, Contemplationes mri an. de
turrecremata. f. I 1 ' Verba sunt q comisit mabome suo familiari
ante suam mortem pt sunt in suo alcorano. missa dno magistro
alfonso de iaben de regno granate. anno doi 1486 me pnte qui hoc
scripsi petro de pane et vino existente in catharrogia valencie
(IVerba ista sunt in lingua arabica quam solam ipe mabomet sciebat.
verba sunt hee. ffitaretum. tamenja. mia. tamenja. huathamenja.
inquem). leedm. xiudu. malatemdm. abtexiudim. declaratio ab
eodem facta isto4 vbo^t hec e. Q.ue en 1 ann (ano?) q contara los
xans. mil cccclxxxiii. al comte d mahomet. Si tota universal natura
no es venguda ala mia ley moros cercau ley q no tenju ley.
Das Folgende leer; nur f. 2 V am oberen Bande: (E Capellan d xxx
annos 1481. f. 15 v Explicit parva tabula diete salutis et p me
petru de pane et vino pbfm. rectore indignum ville de aysa.
in vigilia sacre natiuitatis btissime domine nostre et matris di
Marie, anno jiccccxxxviii : lra dnicali • d • aureo numo • xvi • anno
epidemie tristi tempore nimju sicco et calido. vigilante michaele
rodllar nepote ino i eccia ste marie de serranca. gla xpo et eius
1 Vgl. H. Omont, Les sept merveilles du raonde (Bibi, de l’ecole des
chartes 1882, p. 50—55) und Esc, M III 8; über den weiteren Inhalt
vgl. Sitzungsber. CXI. Bd., I. Hft., S. 492 unter & IV 28.
188
v. Härtel.
genetrici marie. f. lß r In noic iliu xpi. | Incipit über qui vo-
catur via vl dieta salutis. die ste holene februarii die earis
p'uij. 1475 [am Rande wohl m.,: mcccclxxv) lra doicali A - aure’
(’ ex o) immer’ (’ ex o) i xm anno quo rex ferdinandus sicilie
princeps cataloie primo genit’ aragoie et valencie fuit assumptus
in regem Leonis et casteile die sciA trium regum mago* paciffice
et quiete diuina gracia disponente (das Folgende von derselben
Hand, aber zu verschiedenen Zeiten, durch — getrennt geschrieben).
Anno quo multi capitales domo4 ubiq; moriebätur et anno elapso
aduenit et oppressit fames byspaniam. — ffaneca frumenti • xim '
sols — et valncie • xvii solos. — ego petrus de pane et vino suscepi
possessionem de Rectoria de Aysa die sei ioliis bbte iunii et
cantaui primam missam ibidem lra dnicali o- aureo numero xv.
Et anno isto babuimus anat d'o • 1477 • Et anno millesimo qua-
tuorcentesimo septuagesimo nono in mense ianuarii die xv obiit
Ccm" 1 ’ nf rex diis Iohannes fr regis aüfonsi de Neapoüm. et pr
Regis fferdinandi, Regis paciftici totius regni de castella et de
leone. Cuius Capllanus indig’sum ego et tiüus fris mi miobael
d pane et vino. — Deffuntus est diis iobs morrano casuis principio
aprilis dnica die anno 1483. — alqgar et abuesca. multum oleum —
~ o i
Anno • 1483 • xvi • die sept applicui ualen. cü jnlitore p blasco q
ut me spoliaret uenit ad me ad domum nicolai. a quo auditis
q audiuit detrabendo de me. de multis q deus seit dixit supsit
audaciä me spoliare. et tenens margaritam in sua domo faine
oppresserunt ipse et concubina sua belisabetb et obiit mane sei
nicolai i 4. liora. post mediam noctem. pmtes coicata corpof do
et peruncta cum liiis verbis: mcc moff ilice ala mia anima q
p ma fe yo pgare p vos aconia vos aiobana et yo men vay ab
diu qtä beras cosetas man clamada ab la mia may. Iacet
prima in primo anglo eccie see ni d albal. ante abbatiam. f. 16 v
folgt ammonicio Augustini. Propicio xpo fres ■—. f. 17 v am
Rande: anno d'o -148- | f. 115 v [1478J Explicit via vcl dieta
salutis. vigilia s bartolo. | f. 126 r Expleuit opusclm eplav. quarto
die septembris in ecclia de Aysa. tpfe valdo sicco . anno . d'o
‘ 1478 - p me malescriptu indignii ibide rectorem p- de pane et
vino dulci noie xpi et sue genitricis marie benedicto am. | f. 128 r
anno -1479- | f. 137 r Enpego xxn. madii c p raubis veniens 1472.
i i ) >
f. 138 v In sco bieroio -xxv- maii anno d'o mcccclxxii | f. 138 bis r
Bibliotheca patrum latinorum Hispaniensis.
189
Pulcrum et utile mirachn contra vilcs blasfemios tractum cesara-
guste sub ascesione cl'o veniendo Valencia anno domi. 1473. |
f. 146 r Patratum opusculum vigilia pentecosts ipulsacoe vespo%
• xiii • madii f p lra doicali -a- aureo numero • xm- Anno doi anat'
■ 1475 ■ mcccclxxv. anno fertili et pluuiali. | f. 147 r Ex capella castri
Roderici de rebolledo de bbro extractum. die sabbti • vm • aprilis
cum maxima pluuia anno dni mcccclxxv. | f. 148 r Sermones
Augustini scripti sunt i xiA anno 1475. lfa. do'. a. aureus nume-
rus xm - tp’ mortalitatis. | f. 197 v Patratum opusclm die sei Ar-
cbägli michaelis mensis mai anno doi mcccclxxv anno valde bono«
fructuü fertili et iubilei xxv ab altero iubileo tune regnante in
aplica sede Nicolao ppa -v- et nunc ppa sisto ordis sei francisci.
Hoc anno in epipbia fu‘ assumptus senj’ princeps nf ferdinandus
in regem casteile et de leon (r.) Placeat xpo regi eum faciat
regem granate regni. | f. 206 v Explicit opparatus (sic) de princi
medio et fine mundi Editus a magistro ffrancisco eximeniz de
ordine frm mino%. Ac p me petrum de pane et vino scriptum
ab originali Mag“ dni Andree catalani. In eius loco de Sollana.
vicesima die mensis april. in iiy fra otte pasce refis. anni. d'o.
Mille cccclxxiii. | f. 234 r Expliciunt xxx contemplationes totius
noui testamenti domni nostri ihu xpi edite a Reüendissimo In
xpi pre et dno magistro Antonio de Turre conbusta Cardinale
sacre petri sedis romane. 1476. 24 septembris alquegar.
I II 11
80 maior. in. bip. pag. 133 foll. s. XIII.
Enthält, wie es scheint, den Commentar zu einer canonischen
Schrift, dessen Vorrede beginnt: Cum rnulta sup concordia —.
De trono dei procedunt fulgura — humanum genus. Tractat’
de iure canonico etc.
I III 21
(22. 24 V X 8) 80 cb. u. m. inisc. Codex 108 foll. wolil meist s. XV ex.
f. l r Seneca de remediis fortuitorum (mit den einführenden
Worten: Hunc librum conposuit seneca etc.) | Licet 1 cunctorum
—. f. 13 r Adae de montaldo 2 genuensis carmiuibus edita pasio
] Senec. ed Haase III, p. 44G. — 2 f. 38 r verweist die Notiz einer Biblio-
tliekarshand auf Fabricius Y, p. 8G, col. 2, wonach Adam de M. G. ca.
a. 1480 blühte; vgl. Voigt, Die Wiederbelebung des classischen Alter-
tliums I 2 , Ö13.
190
v. Hartei.
dni nri ifi.ii x ad alfonsum regem inclitum | ()ragonum sublime
decus clarisima laurus —. f. 40 r ()unquit ubi 3 aspecta est stu-
diose lictera dextre — f. 46 v Vt michi leuchadie fata petantur
aque. finis | deo gracias | amen. | Quis scripsit scribat semper
cum domino viuat p' 1 marcillo nuncupatur qui a deo benedi-
catur amen. f. 48 r ()ancredus (n ex m) fuyt princeps saler-
j
nit uir quidem mitis (am Rande: Ista e pstola discurdi* (s exp.)
et sigismunde) — f. 55 T sepillere anbos fecit. f. 56 r Incipit
ermaphroditus (a ex o) uirgilii ] Dum mea 5 me —. f. 57 r De-
scripcio xatiue.
Inter oliueta crebasque (sic) uirencia moros
clarificata
Nec non pineta lustrata in montibus altis
Urbs stat condita cuius fertur xatiua nomen
edificatas
Sercas celsa uides istic (ic ex uc) p meia tures
dibidencia
Hic scopulos sasosque duo* (s exp.) cindencia saxa (x ex s)
Hane illustrase super alta cacumia quo<t
Ce]] 115 certat atqs deug ptinge castra
Subt' quo% calce (ce ex te) sub int’ pendit' antrum
Obunbrans sacrum fontem cum rupis amictu
Qui discilat claras omni tpore ninfas
Post urbis sequitur pars uilla nouaque dicta
Inferior Castro set sublimior tarnen vrbis
Maiori menbro cadens supra scopulosa
Altaque montanea sub muro inter utramque
Maior post residet urbs multo milite plena
Ciuibus agricolis variis utentibus arte
In domibus ul optbs (?) post per opita uicos
Plateasque domos intra patrias culmas
Sic lapidum quadratorum fabre fabricantur
Ffontes et super iHarum pinnas statua*
Sculture renitentes sunt cum sole micantes
Preterea mille ferre cernes ydola cupri
Ursorumue leonum per sua gutura claros
Amnes in lapidis piscisnas (sic) fonte uomentes.
Iam topografia nequit odas pandere plene
Nunc xatiueses (u ex corr.). set dupna (sic) lampade fulta
3 Ovid. Her. XV, 1—120. — 4 — Petrus. — 5 Antli. lat. 786 E.
Bibliotheca patrum latinorurn Hispaniensis.
191
Pansius ac fulgencius indentur renitentes
Estque repansus iam calamus nra metra dando
Scapllabitur (sic) et prosain podiabit arandi.
f. 02 r Opistolarum gefia mlta ee non ignora ('? lim illud
certissimum —. Die nächsten Briefe beginnen: Et negocia, quö
se En i/t ne epistola audeo narare —. Ibi gratulor mihi gaudeo
te —. Qceepy perbreues lit'as tuas—. Der letzte f. 68 r M. C. T.
rebacio s. g. (an s?). ()uam sint morosi q amant ul ex h' in-
telligo — f. 68 T me aduc non legysse turpem utique 1113 e
vale. f. 70 r Parce mihi domine | Nicbil enim sunt dies mei etc.
Busspsalmen, weitläufig in Kola abgetheilt und viel Scholien
dazwischen, f. 84 r Epistolare oticium est ut abssentis de hiis
rebus —. Dann folgt auch Rhetorisches — f. 108 r transmiti
ualeamus Amen deo gras (al. m.) Talaueritas al cabo del lib°.
Liber petri margilla.
J II 9
20 149 foll. s. XVIII.
Ist wie die Madrider Handschrift (S 164) eine Copie des
bekannten Toletaner Codex (17, 4), enthaltend : Virgilii Cordu-
bensis philosophia und die Verse (vgl. S 164). Die Vorrede der
Handschrift nimmt Bezug auf Feijoo, der im Theatro Critico
T. III, Diseurs. VII, §. 10 et 11 über die Schrift und den Codex,
aber in sehr ungenauer Weise gehandelt. Die vorliegende Copie
ist a Franscisco Xaverio de Santiago Palomanio Toletano accura-
tissime exeripta. Die Vorrede beginnt: Hallando me en la ciudad
de Toledo anno de 1753.
J m 28
(II 82 M III 28 II. N. 14) 80 cli. 47 foll. saec. XV.
Wohl in Spanien geschrieben, f. 1 r unterer Band: Arco . s
libro -14 -f-, f. 1* Heu 1 uita in ope g'im’ tirneat' amicä —
sordidulus. nescit pululet unde salus. f. 2 r ihs | ()um anima-
duerterem 2 q3 plurimos liomines grauiter erare — noli concu-
picere (sic) illud es tu de agere q iustu3 est libent' feito amare3.
Das Gedicht beginnt: ()i deus est aiaus nobis (n ex u mf) ut
carmina ducunt (sic) — f. 3 T nach Dapssi! interdum not et
cis esto i
amicis esto c'fuer fellis senp t proxim' esto. Nun folgt andere
1 Matthaei Vindoc. Tobias ed. Müldener (Gotha, 1855) p. 57, vs. 975—1022.
— 2 Catonis phil. lib. ed. Hauthal (Berolini 1869) p. 1.
192
v. Hartei.
Tinte und etwas andere Schrift: Qeluris 3 si forte uelis conoscere
cultus Virgilium legito q si rnage nossce laboras —. f. 4 V
Weitere Abschnitte sind: ()oc quicuque 4 uelis carmen —. f. 5 V
()ecuram s quicunque cupis —. f. 7 v ()ox° diuina sonat —.
f. 8 t ()egia magestas ois terena potestas —. f. II 1 ' ()auper
amabilis et venerabilis et benedictus — f. 13 r ///curas ter-
renas magno cniciamini plenas fudicus (sic) expelit uicm graia
velit Exitus ostendit quo mudi (sic) gloria tendit Hie über est
ssitus qui scripsit senp sit vmnus (sic) f. 14 r ()x agro 7 ueteri
uirtutum semina mo« —. Die Handschrift schliesst f. 4G':
Non punit gladio dni clemencia nulli
Infert suplicium materialle deus
Sic deus.
K I 10
(17. 7) 20 m. 222 foll. s. XV.
f. l r unten: ~ Hie. Surite. f. l r Umrahmte Miniatur, auf
einem Streifen darin Ä bael. Enthält Livius, 1. Decade.
L I 15
20 ch. misc. 230 foll.
Enthält eine Menge moderner Abschriften, Collectaneen u. dgl.,
z. B. f. 196 r de notis sentenciarum. Preterea quedam scriptu-
rarum notae apud celeberrimos etc. f. 89 Inschriftliches,' z. B.
pietatis facies virginis | c. pansa . c . f . c ■ n Roma sedens coro-
natur a Victoria | cetegvs (Puer in capro) | l. papivs • celsvs •
iii • vir (Canis et auis, lupa et picus, Iuno cornuta) in alio trivm-
pvs, f. 90 sqq. Index von Münzen En la libreria, f. 77 ff. Index
legionmn ex duabus columnis nuper effosis xxxm legionum
nomina, que aliis quoque locis sparsa uix cognoscuntur, sunt
autem ut ex Dione intelligimus, seueri tempore Parthicae i. ii .
et m • conscriptae —. Bei den Legionen wird vermerkt, wo sie bei
Schriftstellern Vorkommen. Vorher werden f. 75 die Centuriae
Vespasiani nuper effosae genannt, f. 25—32 und (an f. 32 an-
3 Lib. n, ib. p. 23. — 4 Lib. III, ib. p. 35. — 5 Lib. IV, ib. p. 45. —
6 Vgl. Neues Archiv f. d. Gesell. X, 410. — 7 Matthaei Vindoc. Tobias
p. 19, vs. 1.
1 Vermutblich Copien von Münzlegenden.
Bihliotheca patrum latiriörum Hispaniensis.
193
schliessend) f. 56—60 (f. 51 r enthält ein zugehöriges Stück, f. 60
scheint abrupt zu schliessen) Copie eines Glossars, f. 25 r glossa-
rivm | latinvm. ex Codice uetustissimo literis Langobardicis (seu
ut uocant Gothicis) scripto ante annos sexcentos. Ex Biblio-
theca S 1 ' Ioannis de la Pena in Regno Aragoniae qui iam in
Biblioteca Comitis de Olivares asseruatur
x
* *
*
deerant in codice multa
*
uocis aquae scaturientis
Bimatos duplicatos etc.
L in 6
80 altior. ra. 71 foll. s. XIII in.
Ein grosses Stück des ersten Blattes ist herausgerissen; damit
sind auch die alten Signaturen verschwunden, f. l r a (r.) De agri-
cultura. Palladii rulili auri ameliani tun inl opus agriculture.
Incipit tituli libri primi. Es folgt der Index f. l r b (r.) 1. De
pceptis rei ruf | Pars est prima prudef | ipsam cui preceptuf |
=— f. 71 T (r.) V. De rapis condiendis (schic.) Rune rapa i partes
minutas recisa et leuit.
L III 10
(II 39) 80 m. 48 foll. s. XIX.
Ex Bibliotbeca Jo. Ja. Cliiffletii. fol. l r Omnis 1 bomines
qui sese student — f. 17 r atque gaudia agitabantur. (Mag.)
incipit lib iugurte. explicit lib catiline | Falso qritur — f. 45 v
in illo site sunt . explicit . f. 47 v beginnt abrupt in einem gram
matischen Tractat: sepia. Excipitur sepelio et deriuata ab eo
ut sepulchrum —- que e an h potest ee longa.
L III 11
(23. 19 II 14) 8« ra. 82 foll. s. XIV/XY.
Cicero de officio (sic), f. l r unterer Rand Wappen getilgt.
Am Ende: Qui tenet 1 eloquii — gloria restituit und noch ein
paar Verse mehr fast ganz ausgetilgt.
' Sallnst. Catil. c. 1.
1 Anth. lat. G09 E.
Sitznngsber. d. phil.-liist. CI. CXII. P»d. I. Hft.
13
194
v. Härtel.
l m 12
80 oblong, in. 102 foll. s. XIII in.
Virgil’s Aeneis. f. l r liunc 1 phenissa tenet — iuturna la-
tinos. Den einzelnen Büchern sind die sogenannten Ovifi scheu
Argumente vorgesetzt, einigen ausserdem aber auch Verse eines
andern Argumentes, so
f. 2 r Edocet exeidium troie clademque secundus,
f. 11 v Tercius a troia uictos canit equore teucros,
f. 18 r Quartus item misere duo uulnera narrat eliise,
f. 26 v Manibus ad tumidiun quinte celebrantur honores
L III 13
(10. 37) 40 64 foll. s. XI/XH.
f. l r M. Tullii ciceronis rethoricoram über primus incipit
feliciter | Saepe 1 & multu hoc cogitaui mecu —. Buch 2 beginnt
f. 32 v , schliesst f. 63 que restant in reüquis dicemus. (Maj.)
M. Tullii ciceronis rethoricorum über ■ n • explicit. Es folgt von
derselben Hand: de ivdeo. Quid igitur in Oriente actum fuerit
ad corroborandam fidem catbolicam non silebo. Iudaei cuiusda
uitrarii fiüus cum apud xpianos pueros ad studia litterarum
exerceretur (die Judengeschichte erzählt: Ein Judenknabe geht mit
zur Christmesse; sein Vater wirft ihn deshalb in den brennenden
Ofen, ohne dass das Feuer ihm Schaden thut. Das Kind sagt
aus, dass Maria es mit ihrem Mantel geschützt. Der Vater wird
in den Ofen geworfen und verbrennt fast spurlos. Mutter und
Kind, werden Christen) — mulsi iudeo« exemplo | hoc in urbe
illa sunt saluati. | (Maj.) de iudeo qui imaginem xpi furatus
est. Nam et in isto nunc teinpre per credulitatem integram
tanto (Ein Jude stiehlt eine imago Christi, die er durchbohrt,
und trägt sie nach Hause. Das hervorfliessende Blut führt zu
seiner Entdeckung) — f. 64 r iudei repperiunt: Qua aecclae red-
dita furem lapidib; obruerunt explicit.
L m 20
40 rainor. m. bip. pag. 105 foll. s. XIII.
Summa frafris Kaymundi.
1 Aen. I, G70 bis XII, 448.
1 Cic. de invent. I, 1.
Bibliotheca patrnm latinornm Ilispaniensis.
195
l ni 21
40 cb. 206 foll. saec. XVII.
Titel: Dittionario italiano uolgare armeno e Persiano. Es
scheint aber der Hauptsache nach ital. - türkisch zu sein. f. 1 r
steht auch von gleichzeitiger Hand:. Introdutt®. p la üngua Turca
und anderes: Andrea Ducier ferarese nel 1630.
L in 33
m. 40 minor. III + 78 foll. s. X cx.
f. 78 r von derselben Hand wie im Nonius und Paidus Festi:
i i
lib s Pet Gandensis eccl'e. Servanti benedictio: tollenti male-
dictio • Q foliura tulerit i curtaverit / anathema sit. f. I—III
ch. s. XVI enthält Stellen alter Schriftsteller, die zu Vegetius de
re militari sachliche Beziehung haben, f. 1 T Federprobe: f pbatio
incausti und: Flavins life De omnib; reb; f. 1 T (r. Mag.) flaui
uegeti renati uiri inlustris epytoma rei militaris libri numero
or , ,
• iiii • | Incipit feliciter in nomine di summi Primus über lectio-
nem edocet iuniorem — uictoriam | (r. Maj.) incipiunt tituli libri
primi j I Eomanos ■ omnes gentes • sola armoru — uirtutis (r.
Maj.) praefatio nunc loquitur. Antiquis temporibus mos fuit
— f. 2 t inuenies. (r. Maj.) I Romanos • omnes gentes sola ar-
morurn exercitatione uicisse | Nulla enim alia re uidemus po-
pulu. R. orbem — f. 13 r mercede conducere. [ (r. Maj.)
flaui uegeti renati uiri illustris epitoma de delectu atque antiqua
exercitatione tyronum digesta per titulos. primus über explicit;
(al. m) incipit über secundus f. u. r. u. ill. comitis. epitoma
institutorum rei militaris de commentariis eatonis (schw. Maj.)
augusti traiani et adriani nec non etiam frontonis | (r. Maj.)
incipiunt capitula. Es folgen die Capitel des zweiten Buches
und die Vorrede, dann das zweite Buch. Res igitur —f. 26 r
das dritte. Primus über — f. 47 r et militis. | (r. Maj.) explicit
über tertius. incipit über quartus flaui uegati (a in e corr. m. 2)
renati. uiri illustris. epitoma institutorum. rei militaris. feliciter j
Agrestem ineultamque — f. 56 T in obsidentum potestate con-
sistere. 1 (schw. Maj.) explicit über quartus flauii uegeti. renati.
uiri ill comitis. epitoma institutorum rei militaris de commen-
1 Veg. IV, c. 30 (p. 150, 3 L 5 ).
13*
196
v. Hartei.
tariis catonis. angusti. traiani et adriani nec non etiam frontonis
sumtum et per titulos digestum. f. 57 r ist leer. f. 57 T Index
von 16 Capiteln des folgenden Buches, dann I Praecepta belli
naualis — comittitur | (Maj.) expliciunt capitula. incipit lib belli
naualis. flauii uegeti. r. ü. ill. comitis | f. 58 r (r. Maj.) xxxi prae
cepta belli naualis. | Praecepto 2 maiestatis — f. 65 v monstra-
uerat. | (r. Maj.) Flauius eutropius (p m 2 ex d) emendaui sine
u
exemplario constantinopoli. consulatu ualentiniani agusti (u mj)
mo ~
yii (mo mj).'. .'. Hierauf folgen Auszüge: (r. Maj.) ag in lib
de civitate di Eleganter enim & (& in ras.) ueraciter alexandro
— classe imperator (sechs Zeilen), f. 66 r Index zu den Aus
zügen aus Aethicus und Isidor, (r. Maj.) I ex libro aetici philosofi
(seine. Maj.) de nauium indagatione (und so lauter Capitel über
Schiffe) de nauibus quae appellantur uagationes. | (r. Maj.) ex
libro aethimologiarum isidori de navibus et instrumentis earum.
(schic.) II De partibus nauium fabrorum u. s. w., was auf Schiffe
Bezug hat. Dieser Theil schliesst im Abschnitte de funibus mit
catapiorates. f. 67 ist leer.' f. 68 1 ' folgen die weiteren Auszüge,
zu denen oben die Capitel gegeben sind: (Maj.) aetici | de nauium
indagatione philosopbi | Gran di enim scrupulo idem philosophus
applicuit. in pauca nempe nauali gubernaculo uelox stilus in-
nectens —. Die weiteren Capitel beginnen: Nauium inuentores —,
Lamia nauis indirectum —, Seit bae et griphes —, Carina ob
agilitatem —, Camera nauis opinatissima —, Heberiotae naues
quibus —, Yagationes nauiculas —, f. 72 r uel adsertione scri-
psimus | f. 72 v (Maj.) ex libro aethimologiarum isidori de naui
bus et instrumentis earum. | incipiunt capitula —. Artium 3 qua-
rundam — f. 76 r lineae que mataxam. f. 76 v -)- ex libro
to 0
orosii ■ vi • ( t0 m 2 ) titulo xviii (° m 2 ) qualiter antonius ab octa-
uiano caesare uictus sit. | Antonius 4 attabanen armeniae regem
— f. 78 1 ' brundisium peruectus est.
1115
(IT 2) 2° cli. bip. pag. 127 foll. wohl noch s. XIV.
f. l r a prim' liber. | Ego omi 1 off’o ac potius pietate erga
te —. Das 16. Buch schliesst f. 127 r a in medio foro uidero
2 Veg. IV, c. 31. — 3 Isid. Etym. lib. 19 (IV 414). —
(p. 414, 10 Z.).
1 Cic. epp. ad fam. I, 1.
* Oroaius VI, 19, 3
Bibliotheca patrum latinorum Hispaniensis.
197
dissamabor (sic). Me ama et uale Explicit über epistolaruin
tulij. Es folgen die Verse:
Sex nonas maius: october: iulius: et mars
Quatuor at reliqui tenet idus qlibet octo
Ianus et agustus denas nonaque decenber
Iulius october: mars: maius: epta decemque
Iunius aprilis. September et ipse nouember
Ter senas retinent: febr’q3 bis octo kaledas
Et si fuerit bis sextus ei supabdit vn'.
M I 21
(II 37 12. 22) 20 m. 90 foll. incl. Vor- und Nachsetzblatt a. 1423.
f. 4 1 ' Suetonii orationis (sic) duodecim cesa* istorie inci-
piunt. Iullius cesar diuus C Annum agens cesar — f. 86 v inse-
quentium principum. Deo gratias amen. ()ompletus est über
suetonii oratoris tractans (s m t e corr.) de uita duodecim cesa«
per me iohanne de parazzo (a syllabae az e corr.) ciuem & no-
tarium officii bulleta^ ciuitatis mediolani sub anno dni nostri
yh'u xp'i millesimo quadringentesimo uigesimo tertio scd'a in-
dictione die uero trigesimo mensis octobris hora uigesima
prima, f. 87 r genolagia (sic) quatuor cesarum [ Julii cesaris.
diui Augüsti. Tiberii & Claudii. f. 89 r m. s. XVI. petrus sancbo
not et. f. 90 r allerlei Schreibseleien s. XV, worunter f. 2 r nomina
ponderum secundum morem antiquum. In der Initiale jeder
Vita steht das Bild des betreffenden Kaisers, schlechte Arbeit.
M II 7
(II 15 19. 19) 20 m. 1 + 117 foll. s. XIV.
Der Codex ist meist Palimpsest; die alte Schrift s. XIV in.
enthält so etwas wie Acten oder Urkunden. Die obere Schrift ent
hält Lucan mit vielen Glossen und Scholien, f. I eine Einleitung.
f. l r gehen die 4 Verse Corduba 1 — placet voraus. B. 10 schliesst,
f. 117 1 calcäte menia magnum | Explicit über lucani scripti et
ipleti agratia grigorii de plebe///,/ (sei del.) Sei' stefani tpf scis-
simi i xpo patris et dni diii inocetii diuina prouidetia pape///
(no del.) vn die 22 mesis maij liora uigesima prima. | f. 117 T
al. m. add.:
1 Epitaphium Lucani v. I—4 (Luc. comment. Bern. ed. Usener p. 6 =
Anth. 1. 668 R).
198
v. llartel.
i s’uat
Nullus arnor durat n fructus amore
Quilibet est tanti munera quanta facit.
M II 8
([1 13 2«. 14) 2» cli. 197 toll. s. XV in.
Die alte Nummer irung zeigt, dass f. 1—5 fehlen. Von f. 1 ist
noch ein kleines Stückchen erhalten. Das letzte Blatt ist auch fast
ganz ausgerissen, f. 6 r Ultima 1 concurät funesta plia rnüda —
£ 197 v ]nt i equore classes | ]ibi igs. Unter den Federproben be
findet sich auf dem Vorsetzblatt m. s. XVI: Magi escolan de
nuestra senora de Monserat. Auf dem Vorsetzblatt v desgl.:
Un milagro de un escolan
Como vn escolan hiria a la Montayna y crobose la cabesa
?
I a la ora misma se la torno jeem mas q
i
Sabro a la magdelena j caro Asta al rio
I no se bage mal jnan de Ribera.
. M II 9
49 m. 150 foll. s. XV.
f. l r Este libro es de la Vnibersidad de Salamanca fecho
ano 1566. Am Ende verstümmelt. Inhalt: Gellius.
M II 12
(II 3 II 14) 20 m. et ch. 77 foll. s. XV in.
Cicero de Officiis, de senectute, de amicitia, Paradoxa, de
somno Scipionis.
M II 15
(16. 20) 20 m. bip. pag. 87 foll. s. XIV.
Valerius Maximus.
M II 16
(II 61 ill [in ras.] 11) 20 ch. 176 foll. s. XV.
Die Vor- und Nachsetzblätter (4) sind in. s. XII, wie es scheint,
in der Schrift von Monte Cassino geschrieben, f. l v adcevolam
Si dederint 1 superi — f. 2 r Martialis epigrammata. Am Ende
f. 172 undique lucus aues Fint (sic) laus deo optimo maximo
(r. Maj.) m. ualerii martialis epigrammaton über ultimus finit
per me petrum cesanum diuo pontifice maximo ir regnante anno
1 Luc. Phars. I, 40 —• X, 497.
1 Mart. I, 103.
Bibliotheca patruin latinorum Hispaniensis.
199
eiusdem vi. f. 176 1 ' tu. s. XV: § -v- k. iunii Anni i- ponti-
ficatus d Sixti - im- die fausta sacratissimi corporis christi R, dm
d. Cardinalis neapolitanus legatus de latere Vrbem romam ex-
cessit porta trigemina in expedictione aduersus Tui'cum eodem
d. n. ppa cum dicto legato usque ad naues longas proficiscente:
signis p'cedentibus quorum octo insignia dm. n. preferebant:
iligneam arborem: cetera« una petri (i ex um) ac pauli simu-
lackra: in alia legati maio« insigne. in tertia crucis salutifere
signum ac ubi uentum est ad naues bnedixit eis in imaque
earum regressus d. n. cum (c an t'f) cetu cardinalium concessit
indulgentiam plenariam proficiscentibus Omnibus in sanctam
expedictionem signisque vexilo« nauibus hxis post benedictionem
in urbem. d. n. se recepit. f. 176 v (Maj.) in georgium trape-
zuntium platonis calumniatorem epigrama. | Dum nigro Iacerat
Trapezuntius ore platonem — Notus eras quä si tarn male notus
eris (8 Distichen). Dann folgen einige Excerpte.
M II 20
(ü 16) 20 m. bip. pag. 120 foll. s. XIII ex.
Am Anfänge verstümmelt. Ex bibliotheca Io. Iac. C’hiffletii.
Senecae epistolae. f. 2 r beginnt abrupt in der Paulus-Seneca-
correspondenz. patientiam 1 demus omnimodo eos. f. 3 r b be
ginnen die Briefe ad Lucilium —• f. 120 r a reliquerunt nicbil
scire 2 (Maj.) expliciunt epistole senece ad lucilium.
M II 21
(19. 18) 2« in. et ch. 125 foll. s. XIV.
f. l r (r.) Valerii maximi factorum et dictorum memora-
bilium über primus incipit. Nach dem Index: Urbis rome ex-
terarum — f. 118 r (9. Buch) iusto impendi suplicio coegit Deo
gracias. f. 118 v (r.) Incipit über dissuasionum ualerii maximi
ad Rufum ne ducat uxorem. 1 | Loqui prohibeor et tacere non
posum: grues odi et uocem ulule — f. 122*' ne prestigiatis occulis
tendas quo ego timeo sed ne honeste scripsisse uidear. Vale
' Sen. ed. Haase in, p. 478, G. — 2 Sen. ep. raor. C. XIII, 3 (III,
p. 254 H.).
1 Valerius ad Kufinam de non ducendä uxore; vgl. Wright The latin poems
coramonly attrib. to W. Mapes (London, 1841) p. IX und .T. Grimm,
Kl. Sehr. III, 79.
200
v. Hartei.
Deo gracias. | f. 122 v (r.) Genologia scipionum claro« uiro*. |
Inter famosos et elaros scipiones quos doctor egregie — f. 123 v
ideo prima racio papie uerior imo minus falsa, et iiec de genea-
logia scipionum suüciant. Es folgt Alexandri animositas über
Eigenschaften des Alexander, Pyrrhus u. a. f. 124 r (r.) De digni-
tatibus et officiis populi romani q vtentis (sic) et primo de regibus.
In primis fuerunt rome —. Dann de nominibus et officiis in
bello. de prouinciis itbalie —; letzteres schliesst f. 125 r Sexta
decima et ultima prouincia sunt ti - es insule • s • Sicilia Sardinia
et Corsica: —
M III 2
20 minor. m. 167 foll.
Leges Wisigothorum. f. 164 r subscriptio (r.) Conpletus uide-
a a a a
licet est über iste -xvi- klas iunii in era m-co-xx-vi-;
M III 10
(17. 24 II 90) 20 minor. m. bip. pag. 38 foll. s. XIV.
Ces. Dictatoris m. s. XVI.
f. 38 T Hie. Surite. f. I 1 ' (r.) Iulii celsi Constantini de bello
Gallico über primus | Gallia //// (est er.) ois diuisa est (est m.
s. XVI) in ptes tres qua% —. Die Titel der einzelnen Bücher
sind vom Bubricator viel kürzer gegeben, als sie wq auf dem unteren
Rand verzeichnet sind, so f. 6 T b (r.) Iulii celsi constantini de
bello Gallico über secundus, unten m,; Iulius celsus constantinus
• bc • lege • c • cesaris. cf. belli gallici über primus explicit et
incip fs. f. 33 r unten eine Note m. s. XVI, dass auch Petrarca,
uir quantum illa tempora tulerunt in literis apprime eruditus,
einem Julius Celsus das Werk zugeschrieben habe, wie der Schreiber
dieser Handschrift, f. 38 r b schliesst die Handschrift: potius di-
scectandi (sic) quam belli gerandi (sic); am unteren Rande (ivas der
Rubricator gar nicht berücksichtigt hat): iul’ (celsus del.) celsus
constan. ex leg. tin feficit'. cesar'. pent (sic) max. ephimers r'um
gesta* belli galeci lib'. vm. explic feliciter. f. 38 r a am Rande
bei maiore urulatoe conciüantur —• atque ita rem modando disce-
serunt von einer Hand s. XVI: Desunt in v. Cod. Cardinafis
Mendozae.
i
Bibliotheca patrum latinorum Hispaniensis.
201
M III 11
(13. 29 II 78) 20 rninor. ra. 25 foll. s. XII ex.
f. l r beginnt abrupt: fecerat. 1 Ob que uictis carthaginen-
sib'. capto — f. 25 r ex ea tempestate spes atque opes ciui-
tatis in illo site. | (r.) Explicit über salustii deo gratias. rn. s. XIII
add.: Quo metu italia oiliis contremuerat. Illique et inde atque
ad nra memoria romani sic habuere. f. 25 v in. s. XIII: Moribus
in sanctis/ pulcra est concordia pacis. | cum multis unum/ con-
uenit ad plac; (sic) \ Qui capud esti teriä (sic) cocedite scribere
uerurn (Dieser Vers ist von anderer Hand nachgezogen).
Moribus in sanctis r pulcra est concordia pa
Die Handschrift hat von ziemlich gleichzeitiger Hand Glossen.
f. 2 r disceptarent] • i • diuiderent. concessere] ■ i ■ collocauere.
f. 11 r contra belli faciem] extra morem. ib. pmixti uelites] uelo-
ces pedites. f. 20 r in plio cstor] osultor. Ferner Randbemerkungen
einer Hand s. XVI. f. o v A./// (d er.) iines amicos] apparet
scriptum fuisse adtines. f. 4 r numidie mauretaniamj att. maure-
taniam. in numismate Hadriani mavretania legitur quod etiam
s
obseruauit Pierius. f. 9 V senatl (us sic corr.) decreta neglexisset]
scriptum fuisse apparet senati. f. 19 r socordia flagitiositior] att.
f. 24' ( p nob suauisse] att. suauisse pro suasisse. ib. j> se
breuiter et modice c p re p. benignus et habundantius respondit.
Tum iugurtbaj att. hanc lectionem quae in omnibus manu
scriptis exemplaribus desideratur.
M m 12
(21. 17 n 79) 40 m. 95 foll. s. XIV ex.
Ein Theil der Blätter ist Palimpsest. Cicero de officiis. Am
Ende f. 95 l ' (r.) Explicit panecii über de officiis quem beatus
ieronimus nominat librum cotidianarum accionum. Et dicitur
panetius a pan quod est totum et etbius quod est etbicus |
Beat’ Aug’ Excedunt cunctos bi libros phylosopborum Libri
quos fecit tres tullius officiorum | Excedunt libros cunctorum
pborum | Isti quos fecit tres tullius officiorum.
m m 14
40 m. bip. pag. 113 foll. s. XI.
Nonius. »
1 Sallust. lug. e. 5, 4.
202
v. Harte 1.
m ni 15
(tl 33) 2« minor. 125 foll. s. XV.
f. l r unten der Wappenraum nicht ausgefüllt. 1. Deckel
Innenseite m. s. XVI: Don Juan de Salas. Quinti Curtii Ruffi
de gestis Alexandri macedonu regis incipit über feliciter. | Inter
hec alexander — f. 125 v ac nomini bonos habetur | (r.) Explicit
über Q. curtii de gestis alexandri.
M m 16
<n 6 10. 34) 40 m. 257 foll. a. 1395 nuo. XXV.
f. 1 T Vorsetzblatt: ~ Hie. Surit^. f. 3 1 ' oben m. s. XVI:
Don Juä de Hosn, am unteren Rande das bekannte Wappen
mit H I zur Seite. Auf einem Nachsetzblatt Hie. Surite, ganz
oben: sei 1395. Etwa drei Zeilen etwas unterhalb ist Hie. Surite
ausradirt. Inhalt: Senecae tragoediae.
M III 19
20 min. oblong, m. 246 foll. s. XII in.
f. I 1 ' am unteren Rande ist etwas (Besitzernotiz?) ausge
schnitten, nur noch H I (in Goldbuchstaben) erkennbar. Prisdan
B. 1—16 mit Scholien, die aber nicht so zahlreich sind wie in
Q 1 16.
M m 24
?
(19. 32 TI 45) 80 maior. m. 231 foll. s. XV.
Hie. Surite. f. I 1 ' ein Wappen, ziemlich ruinirt. Enthält
Lactantii Institut. I. 7, de ira dei, de opificio dei.
M III 25
(14. 34 II 7) 80 maior. m. 213 foll. s. XIV.
Inhalt: Senecae tragoediae. f. 213 v Iste über est mei Gu-
liermi Maruffi fili domini Merualdi Emptus a francisco de bor-
lasca in sicilia p d° xx quam monetam solui oberto spinole
condam domini benedicti deluculo anno domini mccccxxxviii Gu-
liermus Maruffus Manu propria. | Haud facile emergunt quo%
virtutibus obstat. al. m. Has tragidias abui ego alfonsus de
velasco a pdito gillermo gratis pro bona amicicia cum recepit
yspal et iuit ianuam ano dni 1454. Vorsetzblatt v : Iste über
est dni ///////////////. consigat sibi per dnu obertum spinulis noie
francisi borlasc cuis (sic) est.
ßibliotkeca patrura latinonun Hispaniensis.
203
N II 1
20 m. 262 foll. s. X1V/XV.
Die Handschrift ist fast ganz Palimpsest; die untere, um
Vieles ältere Schrift lässt Acten oder Urkunden erkennen. Sie
enthält die ersten acht Stücke des Plautus, f. l r abrupt beginnend:
ex tragoedia 1 comoediä ut sit Omnibus — f. 120 v atq? ex-
tollite | Plauti Epidicus explicit | Est opus expletum plauti uatis
cathedrati | Comedici tragici istoriarum compositoris | Sit patri
siimo deo laus xpo filio decus | Spiritui sancto triplex bonor
unus et amen | Tu deus omnipotens scriptori da sanitatem |
Spiritui /// (qs del.) pacem et ocl’is manibus q? salutem. Ganz
unten: non est completum nisi cor sit pisce repletum. f. 121
bis f. 262 Macrobü Saturnalia.
TT n 9
(19. 14. III IT 2) 40 ch. et m. bip. pag. 255 foll. s. XV in.
Senecae epistolae. Vorher geht ein Index, dann Hieronymus
über Seneca, Paulus-Senecacorrespondenz, Epitaphium Senecae,
Epistolae Senecae; am Ende f. 255 1 ' esse felices. Vale 1 | (r.)
Deo laus et gloria | Mentis colonus et cultor mo« Lucius anneus
Seneca et moralis phie emulator studiosissimus et btissimo paulo
applo mira familiaritate coniunctus ad amicum suum lucilium
has morales fecit eplas p libros distinguens mira exortacione
uitam moralem continentes.
TT n 10
(TI 15 16. 18) 20 ch. et m. bip. pag. 168 foll. s. XV in.
Hieronymus über Seneca, Epitaphium Senecae, Paulus-Seneca
correspondenz, de clementia ad Neronem, de remediis fortuitorum,
de quatuor uirtutibus cardinalibus, epistolae; am Ende f. 168 v a
esse felices. Vale 1 (£ Epistolarum Senece explicit uicessimus
secundus et ultimus qui continet cxxnn epistolas. Deo gracias.
1 Plauti Amph. 54. Nach einer Randbemerkung Loewe’s scheint dieser
Codex zu den bessern Vertretern der jungen Classe zu gehören.
1 Sen. ep. mor. 1. XX, 7 (III, p. 417 H.).
’ Sen. ep. mor. 1. XX, 7 (III, p. 417 II.).
204
v. Har tel.
N II 11
(10. 19 n 13) 20 ch. et m. 103 foll. s. XV in.
Senecae epistolae. Vorher geht Hieronymus über Seneca und
die Paulus-Senecacorrespondenz. Die Handschrift schliesst abrupt:
exherce tu ut mortem axcipias et si ita res
N n 12
(IC. 19) ch. et m. 40 US foll. s. XV in.
Terentii fabulae.
n n 13
20 ni. bip. pag. 111 foll. s. XV in.
Letztes Nachsetzblatt unten: Este libro costo ■ 35 • be§os en
padua a -15- de abril de • 1521 • j el ducado de oro vale -280-
becos. Commentar zu Valerius Maximus. f. l r a vübis rome | Poscis
clarissime marchionuru oranda« auidus rerum alta mente ut
valerii maximi —. Das Prohemium beginnt f. 2 r a Premissa
eommendatione multipbcis materie.
N H 20
(22. 14 TI 4) 20 m. bip. pag. 173 foll. s. XIV.
f. 3‘a Iustinus (epitome Trogi). f. 93 r a Lucii annei flori
epytboma de bistoria Titi Liuii. f. 131 r a Iulii frontini stra-
tegematon libri.
N II 21
20 m. 88 foll. s. XIV/XV.
f. I 1 unten m. s. XVI: Pedro Amador de Lazcano. Senecas
109 Episteln. Vorher gehen Hieronymus über Seneca, Paulus-
Senecacorrespondenz und Epitaphium.
N in 6
(IG. 22) 40 ch. 312 foll. s. XV.
Senecae tragoediae. Sie schliessen abrupt: non dextra fuit.
fata quis damnat sua.
h m io
(19. 24 If 59) 20 rainor. m. 180 foll. s. XV.
(Nachahmung älterer Schrift.) Auf der inneren ersten Deckel
seite: Hie. Surite. f. l r (r.) Breue iudicium ad discretionem
duo4 pliniorum secundov. Et primo de maiore auunculo. | Plinii
duo fuisse noscuntur eodem nomine — f. 2 r epistolan epla sexta
decima (r.) De Plinio secüdo iuniore | Plinius iunior maioris
Bibliotheca patrum latinornm Hispaniensis.
205
plinii ex sorore nepos — f. 2 V diligens lector inueniet (r.) Ex-
plicit breue iudicium super declaratione amborum Pliniorum
Secundo*. Sequitur opus Epistob« Plinii iunioris. f. 3 1 ' (r.)
Plinii secundi epistolarum über primus incipit feliciter. Der
l. Brief ist an Septicius gerichtet, der letzte (B. IX, 40, no. 226)
schliesst paruulum acquiritur - vale- (r. Maj.) plinii secundi iu
nioris epl’arum über nonus et ultimus explicit feliciter. cuius
Spiritus in pace requiescat. amen. Am Rande m. s. XVI: En
el infierno no estara muy (?) en paz. Der Rest der Handschrift
ist rotli geschrieben, f. 158 r tabula omnium Epl’arum Plinii se
cundi iunioris per ordinem numeri infrascripti exponens sum-
marie uniuscuiusque epistole materiam. | Ante declarationem
epistolarum primo prepositis (sic) sunt duo argumenta siue
iudicia superficialr cuiusdam oratoris. aliqui putant fuisse sue-
tonii tranquilli. clarissimi sua etate et nostra bistorici. de cogni-
tione scilicet amborum plinio« — f. 180 r quid in estate facti-
taret. | (Maj.) expliciunt declarationes noni et ultimi libri. et
hactenus omnium libro* epistolarum plinii secundi iunioris. cuius
Spiritus in pace requiescat amen —: Deo laus.
N m 15
20 minor. bip. pag. 137 foll. s. XIV.
Eine moralische Geschichten- und Anekdotensammlung. Vor-
t i
wort: (r.) Incip ( plog' in libro q intitulatur de donis | Quoniam
plus exempla quam uerba mouent sm gg. et facilius intltu
capiuntur —. Der 1. Theil handelt de timore mundano. 1 Am
m
Ende ausführlicher Index. 2 B. Ex de quoda scolari tbeutonico.
Tf III 16
(TI 5 19. 31) 20 minor. m. 153 foll. s. XIII.
Stammt aus Frankreich. Vorsetzblatt r m. s. XIII/XIV:
• 3 ■ napes | grant 7" petites, 2 paires de dras, 2 toiles. Ferner
m. s. XIII/XIV Index der Handschrift. Vorsetzblatt v wohl s. XI]
in.: (T libri cenece (sic). Darnach: (E in boc uoluie continentur
libri senece seil, eple senece ad paulum 7 pauli ad senecam et
über de uirtutibus. It lib s de beneficiis (C it lib' de clemencia
1 Anecdotes historiques — tircs du recueil inddit d’Etienne de Bourbon do
minicain du XIII“ si&cle par A. Lecoy de la Marche (Paris 1877) p. IG.
200
v. Härtel.
acl neronem (I it über de bono ul remedio mortis (E item
über de sapientia (E item über de paupertate Item über de
moribus (I Item epl'e ad lucillum Item octo libri nibus.qoibus |
(E est ualor huius uoluminis nouem francorum quos parisius unus
dns offerebat pro eo. Eemit eum ///////////////////p///////// fran
corum idem parisius anno düi mccclxxxxvii////// | Ferner m l (d. h.
eine Hand s. XIII, die oft in der Handschrift vorkommt): Lucius
anneus 1 seneca cordubensis socionis (sic) stoici — a nerone inter-
fectus est. f. l r Credo tibi 2 paule nuntiatum — f. 2 r istine
propera'te'. Yale -K- se'p data -K- av'. Auf dem unteren Rande
ist das bekannte Wappen herausgeschnitten, nur die Initialen H I
sind stehen geblieben, f. 2 1 ' äusserer Rand m. s. XIII: Cura 3
labor meritum sumpti—•. f. 2 V (ohne Titel) Quatuor 4 uirtutum
sp'es multots sapientium — f. 4 V puniat ignauiam. f. 4 V luter 5
multos ac uarios -—- f. 14 r si e magni animi pdere et dare. |
f. 14 r Scribere 6 de clementia nero (n ex u mf) cesar ( pposui ri
quodam m ° a °— f. 16 r r ppositum est. f. 16 r Licet" cuncto^ poe-
tarum carmina — f. 18 r sit ista felicitas. f. 18 *' Li quere s üoc
uobis scio — f. 19 t quam minima, f. 19 v Honesta 9 inquit üepi-
curus —- f. 20 v diuicie insolenciam. f. 20 v Omne 10 peccatum
accio — f. 22 r quod odium ostendit. Explicit seneca de moribus
feliciter. f. 22 v (Briefe des Seneca ohne Titel) Ita fac 11 mi
lucili uendica te tibi — f. 101 r effodiunt si pictagore credo.
f. 101 v m. s. XIII: de naturalibus cäsis (am Rande von m. s. XIV
fortgesetzt) se qonibus incipit über i’ de grandine et niue arnnei
senece. | Grandines 12 hoc modo — f. 152 1 ' etiam sine magistro
uicia discutiuntur. Explicit über nonus incipit decimus. f. 101 v
unten das bekannte Wappen und die Initialen H I, hier beides
intact. Es folgt f. 152 r al. m. s. XIII (am Rande m. s. XIV:
über vnius s qsdä. alii dnt q sit de libro yii) Delectat 13 te qjrnad-
modum — f. 153 v et q’cq'd sec pigue tulit arentib; am unteren
Rande m. s. XIV: üic deücit folium cum dimidio.
1 S. Hieronymus de Seneca in cat. sanetorum (Sen. ed. Haase III, p. 476).
— 2 Ib. Sen. p. 76. — 3 Ib. p. 482 = Anth. 1. 667 K. — 4 Senec. III,
p. 469, 1. —■ 5 Senec. de benef. II, p. 1. — 0 Sen. de dem. I, p. 276. —
7 Sen. de remediis fortuitorum III, p. 446. — 8 Sen.? — 9 Sen. de
paupertate III, p. 458. — 10 Sen. de moribus III, p. 463. — 11 Sen.
epist. mor. ad Lucilium I, 1 (III, p. 3 H.). — 12 Sen. nat. quaest. IV,
3, 1 (II, p. 249). — 13 Ib. lib. IV, praef. (II, p. 238).
Bibliotlieca patrum latinornra Hispaniensis.
207
w in 17
20 minor. m. 152 foll. s. XII/XIII.
Ex bibliotlieca Io. Iac. Chiffletii. Medicinische Schriften.
f. 2 r am unteren Rand von gleichzeitiger Hand:
Magnus alexander bellum mandauit atbenis
Infestus populo totius urbis erat
Ibat aristoles caute temptare tyrannü
Si prece I pretio fallere posset eum.
Q,uem procul aspitiens sceptrum capitisque coronain
Testans non faciam si qua rogabis ait.
Mutat aristotiles causam subtiliter urbem
Obsideat frangat menia marte petat.
Penituit iurasse ducem bellumque precanti
Dat pacem cauti lusus ab arte uiri.
W III 21
(II 17 II 9) 40 m. 173 foll. s. XIY cx.
Auf dem Vorsetzblatt T : Admodum Illustri D. D. Francisco
de Cheuedo Sancti Iacobi Equiti Trium linguarum Peritissimo
ac Bonarum Artium patrono, et Cultori eminentissimo Antoninus
Amicus CI. Messanensis L. Ann. Senecae Tragedias has M. S.
Obseruantiae et Beneuolentiae Tesseram | D. D. f. 2 1 ' (r.) Lucii
Annei Senece cordubensis. Tragedias über primus incipit. Hercules
furens Primo loquitur Iuno soror Iouis. | Soror tonantis — f. 173 1 '
Fulmia mictas | Explicit über tragediarum Senece Martii Aney.
Deo gras Amen. Laus tibi (sit add. al. m.) xpe quia über ex-
plicit iste.
n in 22
(17. 2G III II 2) 20 minor. m. 2GG foll. s. XV.
f. l v Hiero. Surite. Enthält Caesar's bellum Gail., civil.,
Alex., Afr., Hispan.
TS in 23
80 raaior. raiscell. 59 foll.
Auf dem Vorsetzblatt. v ; Compre este übro con otros seys
de Ant°. Tellez libr en Vallid a V de novj 0 . 1595. 1. f. 1—31
membr. s. XII ex.: Auctor ad Herennium. Beginnt abrupt :
uidetur 1 oppugnari debe. f. 4 V (r. Mai.) explicit lib primus
1 Ad C. Herenn. I, 3, 5.
208
v. Hartei.
incipit ii- ad lierennium, f. 14 r beginnt B. 111, f. 21 T B. IV,
f. 25 T B. V, schliesst darin f. 31'' abrupt inteperante & adul. 2
f. 32 — 39 sind von einer Hand, s. XIV ergänzt, f. 32 r terum
ypolitum — f. 39 r diligentia oseqmur. 3 M. tullii ciceronis ad
lierenniü über sext’ explicit. 2. ch. s. XIV. Vgl. Bibi. p. /.
Hisp. I, Sitzungsber. Bd. CXI, I. Hft., S. 511.
O II 4
(18. 26 N 3) 20 m. et ch. 133 foll. s. XV in.
Justinus (epitome Trogi). Am Ende nach prouincie redegit:
MOROS | G.
O II 5
(27. 7) 20 m. hip. pag. 63 foll. s. XIV in.
Am Anfänge verstümmelt, f. 1 r a beginnt abrupt duas uini
nnara defriti dimidiam. v siml’ — f. l r b bora vi ped'ix. Es ist
die letzte Seite einer Handschrift von Palladius de agricultura.
f. l v a (r.) uitrini (sic) de architectura. Intip lib' i- | Cum di-
uina tua mens — f. 43 r b in decem uoluib’ baberet explicata.
Die folgenden Seiten sind leer. f. 45 r a (r.) Sexti Julii frontini
state gematicon (sic) lib' • ] ■ Incip 7 otiny ex q opetant plio ndü
omisso scd's q ad pliü etiarn ifectä pagat'oes; (sic) ptineat Tercius
q ad inferada (sic) et soluendam obsidionem ual'a't. Incipit f pleg'
(sic) seqtis opis | Cum ad instruendam —Buch 4 schliesst f. 63’ b
et nauali et pedestri plio uicti sunt. Explicit deo gr'as. Amen.
O II 7
20 m. hip. pag. 237 foll. s. XIII.
Enthält das Werk (oder die Werke?) Odo’s, so das Remedium
animarum. 1 f. 144 v b,/tncZet sich ein Abschluss perueniamus plante
dnb nfo • i • x (r.) Explicit über euangborum dnicalium. | Com-
pltum est boc opus anno ab incarnatione domini mill • cc ■ xix •
pdie kl ianuarii a magfb Odone ad laudem ipsius qui est
alpba et to. f. 236 1 ' von einer Ild. s. XIII: Innocentius seruus ser-
uorum dei Sacro p'sente concilio ad dei memoriam sempiternam.
Ad apl'ice 2 dignitatis apice licet indigni dignatoe diuine maiesta-
tis assu'pti omniu' xp'iano4 curam uigili sedulaque (umfasst
2 Ib. IV, 34, 46. — 3 Ib. IV, 56, 69.
1 Fabric. V, 148. — 2 Innoc. IV bei Pottbast Reg. Pont-if. n. 11733 (1245
iul. 17).
Bibliotheca patrum latinorum Hispaniensis.
209
beinahe 7 Columnen) — illi au't ad q°s in eode' imperio impera-
toris spectat electio eligant libere successorem. De p'fato u'o
sicilie regno c puid'e curabimus cum eowlem ffm nro« cosilio sic'
uiderimus expedire. Dat' lugdun' • xvi • kls augusti potificatus
Sri annö tercio. s. v.
O II 12
(27. 16) 2» ch. 147 foll. s. XV in.
Mit sehr feinen rotlien und blauen Initialen, f. 2 r Qicero
lucio uenturio suo salutem. collegi 1 ea que —. ()bditum optum
absconditum — f. 3 r ()onficit pagit transigit paciscitur. f. 9 1 '
Incipit Salustii Catilina, f. 28 v Salustii Jugurtha, f. 72 1 ' M'arci
Tullii Ciceronis in Salustium inuectiua. f. 74 1 ' Gay Crispi contra
Tullium inuectiua. f. 75 T (r.) Marci Tulii Ciceronis de re mili
tari incipit über. 2 | Res militaris in tres diuiditur partes equites
pedites et classes equitum. alas dicunt ab eo quod ad simili-
tudinem alarum — f. 79 r postea dissimulari ad postremum olim.
in obliuionem perducta cognoscitur. | Expücit über iste deo
gracias. | f. 80 r De somno Scipionis. Cum in africam — f. 83 r
sompno solutus sum. Tullius de sompno scipiois Expücit. | Hie
iacet :! Arpinas — destituit patriam. Dann noch eine kurze Notiz:
Apollonius rüetor grecus scdiii plutliarcum. f. 84 r Incipit
Cicero de Senectute, f. 100*' de amicitia, f. 118 r paradoxa,
f. 128 r ff. Epistole (20) x super sompnium pbaraonis edite per
Joüannem lemouicensem Ordinate ad Regem Nauerre (Theobald). \
Victorioso principi —.
O II 14
20 cli. 93 foll. s. XV.
f. I 1 ’ Argumente, Dispositionen, Exordia, Colores etc. zu
Cicero’s Reden, f. 51 r Grammatische Notata; zuerst Nomina auf
-osus, dann differentiae etc., am Ende ofüeia Romanorum (Rex.
Rex Romülus omnium primus —), Anweisung Kal. Non. und
Iden jedes Monats zu finden, Erklärung der Monatsnamen u. dgl.
Auf der Innenseite des vordem Deckels oben m. s. XV: Dicitur
quod ista sunt comenta francisci Iusti.
1 Ciceronis Synonyma ed. Baiter et Halm IV, p. 1063. — 2 Vgl. ib. IV,
1062. — 3 Antli. lat. 603— 614 R mit veränderter Reihenfolge der Dichter
namen. — 4 20 Briefe von Johannes von Launlia, herausgegeben von
Wagenseil Altdorf 1690 (vgl. Fabr. IV, 377).
Sitzungsbor. d. phil.-liist. CI. CSCII. Bd. I. Ilft. 14
210
v. Härtel.
O II 17
(26. 15 n 53) 20 m. et ch. 208 foll. s. XIV ex.
Terentii comoedicie. f. l r Natus 1 in excelsis —. Sororem 2
falso creditam — f. 207 r calli. Et uos valete et plaudite | callio-
pius recensui deo gras | (r. Maj.) explicit feliciter phormio pro
sexta et ultima fabula terencii afri ciuis cartaginensis poete anti-
quissimi.
O II 22
(25. 15 II 58) 2». 68 foll.
Es sind 2 Handschriften: 1. m. et ch. s. XIV. f. 1 r (r.)
Plinii epl'arü über primus incipit Plinius secundus. seeundo suo
salutem | ()requenter 1 bortatus es ut epistolas — f. 52 r hanc
gloriä loco seruet. 2 Yale. 2. f. 53—68 m. s. XIV. f. 54 r Omnes 3
bomines qui se se Student — f. 67 v agitabant f. 68 l ' Falso 4
queritur —. pnitiosa libidine paulisper | Deo gras amen. (al. m.)
Explicit Salustius. Dann ist eine Besitzernotiz m. s. XIV aus-
radirt: iste salustius est iacobi et??? fratrum.
O III 1
(II G 14. 26) 80 altior. m. 8. XV ex.
f. 2 r unten ein Wappen: gelbe Streifen und Punkte auf
rotliem Grund, f. 2 r Epistolae Bruti per dominum ranutium e
greco in latinum traductae (Vorwort ad suminum dominum nico-
laum. Beginnend: solent beatissime). Der 1. Brief Brutus Per-
gamenis. Audio 1 uos —. f. 18 r Leonardi aretini prohemium in
basilium e greco in latinum conuersum. Ego tibi hunc librurn
Coluci —. Der Tractatus beginnt: Multa sunt fili que cohor-
tantur —. Am Rande von Bibliothekarshand: uidetur esse tractatus
de erudiendis discipulis. de quo uid. Gesner. in Leonardo Aretino.
f. 33 v Ciceronis Paradoxa, f. 50 r Probae cento. Iam dudum
temerasse — religione nepotes | (r. Maj.) probae uxoris adelphi
femine peritissime centona ueteris et noue legis interpres doetis-
sima finit foeliciter. (schw. Min.) Mortales uisus medio in ser-
mone reliquit —. Voraus geht: hec de Proba adelplii coniuge
ioannes bocacius de certaldo de Claris mulieribus inseruit | Proba
facto et nomine —.
1 Anth. lat. 734. — 2 Andriae periocha.
1 Plin. ep. 1,1. — 2 Plin. ep. V, 6, 46. — 3 Sali. De coni. Cat. — 4 Sali,
lug. c. 1—3, 3.
1 Vgl. Epistol. gr. ed. Hercher p. 178.
Bibliotheca patrum latinorum Hispaniensis.
211
o m 5
(19. 34 n 71) 80 altior. m. 144 füll. s. XII ex,
f. 1 Excerpta grammaticalia. f. 2 r (r.) Prisciani cesariensis
gramatici über primus De arte grammatica incipit. Cum omnis
eloquentie doctrinam — f. 143 v lucid' etlira sida ( e m. 2 ) pol’.
Hierauf folgt ohne Titel: Pronoia pmitiua s't octo diriuatiua
iste
septe. ego tui sui sibi se a se ille ipse ipse (corr. mf). liic is. ms
tuus suus nr uf nfas ufas. nostratis uratis (und andere Pronomina)
— Virgl’ cuiu pec\ Terenti’ in eunuco. quid uirgo cuia est. Plautus
liic cuias h’ cuiatis. declinauit in bacbidibus. Scio spül eius
maiorem ee multo quod folles taurini babeant pnestinum opinor
esse ita erit gloriosus. Equidem coniunctio est. et non compo
situm ab eo quod est ego quidem, quamuis ita esse quidam
putauerunt sed male. Nam equidem facio equidem facis, facit
dicimus. Ego autem facit et ego facit nemo dicit sed ad pri-
mam personam tm refertur ego facio. et quidem (sic) simplex
esse etiam salustius ostendit in catil’. Equidem ego sic existimo
patres conscripti. quod si esset compositum quidem | f. 144 r ab
eo quod est ego quidem. postquam equidem dixit ego non ad-
deret. Paulisper 1 tantisper Plautus in asinaria blanditer. in
aularia donicum pro donec. nec non pro non aüouorsum (uo ex ue)
in bacbidibus noenu pro non. In captiuis donicu citissime utro-
que uorsum. In cassina affüctum (sic) alio quouorsum protinam
sopiuscule — In ampbitrione nequiter affüctum tuatim somni-
culosim (sic) examussim’ q'deq'(siq) clandestino. Perniciter. Dann
folgen von anderer Hand die griechischen Buchstaben mit ihren
Namen und Zahlenwerth, f. 144 v deunx sextans etc. Dann wieder
von verschiedenen Händen: diuisiones temporum septem sunt
Atbomum — und Nouem sunt generales accentuum regule. Due
de monosillabis et due etc.
O III 9
(II 39 28. 15). 80 m. bip. pag. 11G foll. s. XIII in.
Auf dem Vorsetzblatt m. s. XIV/XV: Es dl Tbesoro. Von
anderer Hand: Modo sum eps Concben de Toledo. Ebenda:
Este übro es de lopegio (dies Wort ganz unsicher) frrs amo de
' Dieses Stück über die Plautusadverbien stimmt im Wesentlichen mit
dem von Ritschl Opusc. II, S. 23t f. lierausgegebeneu Tractat.
14*
212
v. Harte 1.
? ? ? ? ? ?
■fnigo lops de medoea | aen gel/// | furcare el lunes le tome el
!
martes le ensorqe ame ~ ~ Dann von derselben Hand: ynicus
lupi canonicus toletanus | ynicus | ex parte mea ynici | f. l r ab
(Maj.) palladii rutilii tauri emiliani uiri illustris op’ agculture
incip felicit tituli libri primi. Es folgt der Index, dann de preceptis
rei rustice. | Pars est prudentie — f. 46 v b bora xi pedes xxix |
(Maj.) palladii rutilii tauri emiliani uere illustris opus de agri-
cultura feliciter explicit. f. 47 v m. s. XIII/XIV: Cum ego
rrodericus ffrri archidiacon’ liopten. nec non rrector castllano%
In Studio salamantino inmemor relaxacionis iuramenti p me fee
a principio me creacois in rrtorem. Egidio garsie socio ecce
corduben. iniunxerim uobis dnis doctoribus — roborari ad fir-
mitatem et testimonium premiso«. f. 48 l 'a (r.) Fla. uegeti. renati
uiri illustris comitis epytoma rei mi. lib n'uo uu incipiunt feli
citer. | Primus über electionem docet — f. 81 ¥ doctrina monstra-
uerat (r.) Fl’ eutropius emendaui sine exemplario ostätinopoli
osul ualentiniano aüg et (et exp.) vn. et abieni. Fl’ uegeti renati
uiri illustris lib’ im- explic felit | (schw. Maj.) sexti lutii fron-
tini strategematon über i- incipit. prefatio incipit. | Cum ad
instruendam — f. 115 v a eodem die et nauali et pedestri p'lio
uicti s't. | (seine. Maj.) iulii frontini strategematon über quartus
explicit. Es folgen spanische und lateinische Zusätze, meist Re-
cepte u. dgl.
O III 13
80 m. 1G1 foll. s. XV.
Im Anfänge verstümmelt, enthält Curtius Rufus.
O III 15
m. IV. 85 foll. s. XV.
Leonard,us Aretinus de hello punico. Subscription am Ende
f. 85 r leonardi aretini commentariorum primi belli punici über
. iii • et ultimus explicit quem cuius est gratie questor calamo
q3 libenter scripsci grato fulginas ego antonius luce finituin sub
ioue micante. libre fere medio cursu.
O III 16
80 oblong, ra. 163 foll. s. XV.
In Italien geschrieben, enthält f. 2 1 ' Cicero, Tusculanae Quae-
stioves, f. 92 r de legibus, f. 125 r (r. Maj.) Vastatio troie | Cor-
5!
Bibliotbeca patrum latinornm Hispaniensis. 213
nelius 1 nepos salustio crispo salutem Cura multa athenis — f. 139 T
protenorem horcomeneum. 2 vastatio troie secundum daretem fri-
gium a coi'nelio nepote ad crispum salustium de greco in latinum
traducta explicit. | (Maj.) breuissimus troiani belli cömentarius.
f. 142 r (r.) -ic-
• HERMES •
TRISMEGISTVS MERCV
rius de diuinitate ad asclepium incip 13 | Asclepius iste pro sole
mihi est deus. deus te nobis — f. 163 v & sine aialib; cenä. |
Explicit Hermes Trismestrus de na diuinitatis & deo% que sanctus
augustinus ad lfarn allegat in libro de eiuitate dei. Apuleius
traduxit ex greco in latinum.
O III 17
(30. 21) 80 m. 109 foll. s. XII cx.
m. s. XVI: Ex Bibliotbeca Io. Iac. Chiffletii. f. l r Flacci
oratii lib oda^ incip, f. 41 v Incip lib epodum, f. 50 T Explic lib
pm’ epodum. Incip scds (cs j'olfjt das Carmen saeculare), f. 51 T
i Incipit lib poetice doctrine, f. 58 r incijl lib sermonü ad moce-
natem, f. 88 r incip über epistola^ — f. 109 r lasciua decentius
aetas explic lib flacci oratii felicit Flacci oratii lib explic felicit. |
Es folgt von m. s. XIII ex. ein grosses Gedicht in circa 144 Versen,
214
v. Hartei.
Mea t'stis aia ~ us; ad m/// (o eras.)
Orphanä ambsii uidens häc coli
Dolorosa io heu heu tste (sic) s-
Ois mde nocuit mors uif ex-
Modo est Bonoia bona uidu-
o
Patno grammatice tota minor
t
Tot' müd’ oqri p et orphe-
Et cur e ambsio vita iä sb'l
Später werden die Schriftsteller aufgezählt, die Ambrosius tractirte,
indem wohl so die Verse Dolens pro Ambrosio dolet priscianus,
Donatus uirgilius prosper et lucanus, Cato et boetius statius
alanus, Seneca ouidius plato claudianus etc. zu verstehen sind,
und dann wird gesagt, dass Ambrosius Gerardo suas scolas do-
nauit, dessen Lob in den Schlussstrophen gesungen icird. Auf diese
folgt ohne Spatium ein anderes Gedicht auf den Tod des Ambrosius:
Oro d'm patrem sca suam rogo matrem
Qd' m det fari placeat <y cq.' scolari
Flebilis heu niestos faciä uY s; honestos
o >
Ambsii (es fehlt morte) doleo mete cohorte —
f. 109 v b Reddam’ g mun'a do exh(7) 1 xenia
Et debitas ? (sic) sobrias do feram’ gras.
Es folgt ein mit sehr bleicher Tinte von anderer Hand s. XIV ge
schriebener Brief: C. V'. d’ rauena • c • idä dilecto suo filio in
litterarum studio bononie comoräti salute. <j meruit dessistere
11111
obitum plurium tuorum sociorum etc. Dieser Horaz befand sich
also einst in Bologna und stammt offenbar aus Kreisen, die der
Universität nahe standen. So sind auch die Ränder besonders in
dem späteren Tlieil mit Glossen und Scholien vieler Hände be
schrieben, welche wahrscheinlich auf Horazvorlesungen zurüchgehen.
Auf derselben Seite steht quer am äusseren Rande m. s. XIV/XV
(es ist wohl dieselbe Hand, die den Brief schrieb, oder eine ziem-
? i
lieh gleichzeitige): Iste über est formigini filii cödam dni amad*
aca Morcarii de Rauena hmnis magne bonitatis. Auf derselben
Seite unten m. s. XV: scripti vY neapoli i porta Regia | Egregie
nidi sum regia porta platee | Menia nobilitans hic vrbis par-
thenopee.
Bibliotheca patrum latinorura Hispaniensis.
215
O III 22
(23. 21 II 41) 80 m. et ch. 61 foll. s. XIV, wie es scheint.
Sehr eigentümliche, älteren Ductus nachahmende Diamant
schrift. Auf f. l r (Vorsetzblatt) ni. s. XV: Sequntur duo argu
menta super ambabus historiis salustianis edita p angelum decem-
brem (sic) ytbalicum oratorem et primo in catilinariam historiam |
Insignis genere eloquio ui denique magna
Corporis atque animi l sed erat catilina maligno
Ingenio. nam sponte subit uesania mentem
In patriam ferro ac flammis armare cohortes
Implessetque nefas nisi iam cicerone retecta
Consule flagicia atque armis compressa fuisset
Cum duce tota acies. sic consul uictor et bostem
Obruit et tanto soluit discrimine romam
Seq in jugurtinä
Milicie meritis iugurta adscribitur heres
Peno% imperio qd' rex micipsa tenebat
Iempsale germanis pariter sub adherbale uictis
Perfidus Los gladio geminos iugurtba necauit
Sed mox ipse suis penas cum sanguine soluit
Flagiciis bello namque est superatus et afro
Imperio exutus romam deducitur omni
Ridendus poplo capitoliique arce ruendus.
f. l v von Bibliothekarshand: Angeli Decembrii super ambabus
Historiis salustianis. f. 2 r beginnt Sallust’s Catilina, f. 22 r
Jugurtha.
O III 24
80 oblong, m. 129 foll. s. XII.
Auf den Vorsetz- und Hinterblättern sind m. s. XVI in. allerlei
Notizen aus Classikern eingetragen, die meist zur Erklärung von
Ilorazstellen dienen. Diese Notizen scheinen von dem Besitzer, der
sich auf der am hinteren Deckel klebenden Seite eingeschrieben:
H. Surite, herzurühren, f. 2 1 ' stehen m. s. XIII einige Namen
(Geber von irgend etwas) verzeichnet, wonach sich die Provenienz
aus Frankreich ergibt. Darin kommt vor z. B. beuriot ix d la
ferne hubert etc. f. 2 T Q. horatii flacci libtini über carminum • i •
incipit, f. 49 v Incipit lib ejde (sie) epodon, f. 60 r Incip carm scla[
(weggeschnitten); dann folgt f. 61 x ohne Ueberschrift die ars poetica;
am Rande ist die monströse Figur gezeichnet, die Horaz im Anfänge
216
y. Hartei.
bespricht, f. 69 r Incipit se r monü üb • i • , f. 104 T Incipit eplav
üb ad mecenatem primus — f. 129 v Eideat et pulset lasciua
decentius aetas.
O III 25
80 m. 10S foll. s. XIII.
Rother Ledereinband. Am Rande finden sich viele Glossen
und Scholien. Die Handschrift enthält folgende Gedichte Claudian’s
(nach Gesner’s Zählung): 2, 15,18, 19, 20, 11, 9, 10, 16,17 (6, 7),}
21, 22, 23, 24, 27, 28, 25, 26, 27 (also zweimal).
O III 26
(II 45 N II IS) 80 m. et ch. 8G foll. 8. XV.
Die Handschrift enthielt früher zu Anfang Petri Pauli Ver-
gcrii De ingenuis moribus et liberalibus studiis adolescentiae,
ivas jetzt herausgerissen ist. f. 2 r Vita esopi latina per rinuncium
facta ad reueredissimura (sic) patrem dominum tbomam. tr (?) See
susannae pbrm car. postea vero.nico. pp • v • 1 Die Vorrede be
ginnt: Quas nimirum —. Die Vita schliesst f. 40 r qui mortis
esopi auctores fuerunt (r.) Finis. f. 42 r prologus. Despicienti
mihi etatis. f. 43 v De vvlpe et aquila. Vulpes & aquila ami-
ciciam •— f. 86 r suis officere uidemus | (r.) Explicit Esopus
clari 1 " 1 ac prantissimi oratoris omniboni Leonicensis de greco in
latinum traductus. Am hinteren Deckel (Innenseite) m. s. XV ein
Brief mit der Bitte um Verwendung (10 Zeilen): Noü mirari si
cupio — obsequi studiis vale.
O III 28
m. 80 oblong. 00 foll. s. XII/XIII.
Ex bibliotheca Io. Iac. Chiffletii. Lucan. f. 2 r incipit pri
mus lib' Bella p emachios (sic) — f. 90 1 ' magnu. Explicit Paulus
constantinopolitanus emendaui manu mea solus M Annei lucani
belli ciuil üb x m ’ explicit Legenti uita et pfectura Scriptori uita
et fortuna Hugqnis Epitaphium bugonis regis. Objecit muris
calcantem menia magnum.
1 Da die Anfänge von 16 und 17, sowie von 6 und 7 in Loewe's Auf
zeichnungen, welchen die Abfolge der Anfänge in S III 29 zu Grunde
liegt, dieselben Nummern haben, ist die Stellung dieser Paare un
sicher. Vgl. P m 24.
1 Ueber diese Uebersetzung des Rinucci da Castiglione vgl. Voigt, Wieder
belebung d. kl. A. II 2 , 85.
Bibliotheca patrum latinorum Hispaniensis.
217
O III 31
4° m. bip. pag. 123 foll. s. X.
Der Codex hat 15Quaternionen, die durch Zahlen be
zeichnet sind, die ersten drei auch durch Buchstaben (so: ' c ’mj —
f. 123 v b von einer Hand s. XII/XIII: Liber sancti petri gan-
densis ecclcsie. Seruanti benedictio tollcnti maledictio. Qui fol
ex eo tulerit uel curtauerit anathema sit. f. l v stehen von ziem
lich gleichzeitiger Hand als Füllsel folgende Glossen: epicherema
species syllogismi in rhetorica cui deest conclusio ceroma mix-
tura colorum unde pingitiu - generaliter dicitur iniuria omne qd
n iure fit specialit alias contumelia qua greei hybryn appellant
Alias culpa quam greei aoicen dicunt alias iniquitas & iniustitia
iniuria
qua graeci aaican (sic) uocant. corona interrasilis q diuersas
figuras instrumento opificis crebro radente atque incidente acci-
piat. f. 2 r a u. c. epistola dire cta karolo apaulo (sic) | Di-
uinae 1 largitatis munere —. f. 2 v a (r.) Incipiunt excer|pta /////
pauli ex li|bris festi pompeii de significatione uerbo|rum.
Augustus locus sanctus ab auium — f. HG v a Uernis e rames
salia auguria. Auf dem unteren Rande dieser Seite hat eine andere
Hand geschieben: uebere portare uel trahere ueredos antiqui
dixef qd ueherent redas id est ducerent. f. 116 T b ist leer. f. 117 r
ohne Überschrift: Ne de 2 tuorurn praeceptorum domine —. Das
Werk beginnt: Sandapilä antiqui dici uoluer und enthält LXII
Nummern; die letzte schliesst f. 122 r b tua uerba tarn delenefica
EXPLICIT LIBER FULGEN | TII EPI • SEA ADCAl|cIDIVM GRAMMATICVM |
feliciter; | f. 122 v von derselben Hand: Pegma est quod in
scenis machinamentum ferreum instar rastri dentati unde pul-
pitum terebrabatur etc., dann Erklärungen über cambio, optimates,
uomex, teges, cardiacus, mechanicus, fiscus, zidetzt Tentigo tensio
inmoderata cuiuslibet rei. f. 123 r ist leer. f. 123 T von gleich
zeitiger Hand (wohl derselben, die sich im Anfänge der Handschrift
zeigt): Pro caligine oculorum. Accipe feniculi radicem et ter
cum pane triticeo et inpone sup oculum. Item alia. Accipe su-
cum tanezete et mitte indc oculum | Contra apostomum. Apii
feniculum. ruta • xepta • (sic) senetionem, artemisia. ueruena.
marrubium album. uetonica. sumitatem runice. De unaquaque
1 Sext. Pomp. Fest. ed. Müller p. 1. — 2 Fabii Planciadis Fulgentii exp.
sermonum ant. (Auct. myth. ed. Staveren, p. 707).
218
v. Har toi.
manipulum • i• Piper mediam unciam et sestarium -i- de nino
albo et bibat omni die duos staupos. mane frigidum et uespere
calidum | Contra paralisin. Saluia sauina pelusella. gamandreia.
pipenilla. fcbrefugia. frafolium. milfolium. ipirico id e triscalamo.
vetonica. agrimonia. satureia. ancusa. rad. idest calcatrippa.
Blidona radice. Menta nigra, cerfolium. et tere cum uino & pipero
& melle dispumato | Potio contra senecam. Abblactam minorem.
senetionem. calcatrippa. febrefuiam. Solsequia. Has tere cum
aqua. Et per tres dies, da bibere infirmo. uno quoque die plc-
num staupum. Dann folgt die oben angegebene Provenienznotiz.
P II 22
merabr. bip. pag. 143 foll. s. XIV.
En ceste partie dit licontes qe li rois — Si sse teist atant
li contes de lancelloth ci endroit. | Darnach 8 Kurzverse: Romain
qui moy ex’eist (?) —• Enzi com je ai dit enssi soit: —
P III 8
(L 35) 8" m. 117 foll. s. XIV.
Aus England stammend, f. I 1 ' Cum uolueris facere Optimum
nigrum recipe ffrondes uitis etc. und, eine Masse Recepte für Tinte,
Viscum, Rosen, die im, Winter wachsen sollen, über modus scribendi
ut non legas litteram nisi cum uirga, modus scribendi litteram
que non legitur nisi cum puluere; facere scriptam eneam, argen-
team uel auream; modus scribendi litteram que non legetur
nisi mediante aqua und Aehnliches; f. 2 V unterer Rand englisch
von anderer Hand. f. 7 V Incipit tractatus de pbisonomia. [ Ele-
gans 1 est nature cognicio — f. 18 v et non mendacem. ()expli-
ciunt tractatus de pbisonomia amen | f. 19 r Qncipit tractatus
de ciromancia optime correctus. ()iromancie requiritur cognicio —
f. 51 r in formam lepre siue in lepram. amen, explicit tractatus
eximie ciromancie compilatur (sic) per magistrum rodericum de
maioricis in uniuersitate oxonie. q> Robertus Lowlworth. f. 51 v
()ontra mures et ratones scribe in quatuor lapidibus etc. und
andere Recepte, darunter viele englisch m l} f. 52 r z. B.: for
moreyne of bestys: take barlyche in a vessel and lete rede th'
ou -ui] - gospellis — than sey thys oryson, f. 52 r for th® fyuer.-
take hi. leues of mellefoly. and stamp byt 7 drynke byt ■ in •
1 Avicennae physiognomia ed. V. Rose aneed. gr.-lat. I, 175,
Bibliotlieca patrum latinorum Hispanicnsis.
219
dayes — f. 54 r do of the pouder yn tliy cyzene (?). | Nunc finitur
opus. f. 54 ff. folgen längere Notizen über die Pest des Jahres 1348,
welche de ptibus transmarinis in australem sinum anglie ad por-
tum qui dicitur melcombe in dorsetia applicuit und die sie be
gleitende Theuerung. f. 55 1 ' über die Regierungsjahre englischer
Regenten von Wilhelm dem Eroberer ab. f. 56 r ()um plura sint
exorbitancia et enormia inter professores ordinis sei benedicti
nigro-’-f monacho^ i anglia reformacione digna aliqua bic duxi
notanda. Et primo incipiendum (die einzelnen Stücke beginnen
mit Item) — f. 62 l ' panno lineo et camisiis eciam interdictis.
f. 64 r (r.) Anno regni regis henrici quinti nono ultima ebdomada
mensis a'prilis conuocatus fuit totus clerus ad apparendum coram
rege ac respondendum concilio eiusdem in domo capitulari West-
monasterii monasterii (sic) sup obiecta eis opposita. Et taliter
responderunt monacbi nigri ordis quoad ipos ptinentes ut post-
ponitur p capitula subsequencia. | Cum sacra monacho« religio —
f. 70 r expressa licencia sciencia et consensu eo’. f. 72 ff. Frater
Iacobus de Cessolis sup/// ubro de ludo scacho^. Quito« 1 fra-
trum —. f. 117 T von anderer Hand: Exodi | Primum decalogi
mandatu est dns deus — lex tota pendet et prophete.
P III 9
4° minor. m. 100 foll.
1. f. 1—18 s. XIV. Tabula super boetium de consolacione
Philosophie edita a fratre Iohanne de fayt prius monachi sancti
amandi in pabula postmodum uero abbate sancti bauois gan-
densis tornacen dyocesis. 1 2. f. 19 — Schluss s. XIII/XIV.
f. 19 r Ex Bibliotheca Jo. Jac. Chiffletii. (r.) Incipit über boecii
primus de consolatione anicii malii torquati seuerini boetii con-
sulis ordinarii et patricii. Carmina qui — f. 98 r almifici deo
laudes referimus Explicit über boecii de consolatione philoso-
phie Finis hic est summe laudes tibi xpe resumme | Qui degis
solio cum patre perpetuo | Sit pax scribenti uita salusque le-
1 Frater Jacobus de Cessolis, über de moribus hominum et officiis nobi-
lium super ludo scbaciorum ed. Köpke (Mitth. aus den Hss. d. Ritter-
Acad. zu Brandenburg a. H. II, 1879); vgl. v. d. Linde, Gesch. des
Schachspiels I, Beil. S. 19 ff.
1 Vgl. Boet. ed. Peiper praef. LXIII und die Boetius-Hss. Valentian. 383,
613 (Mangeart, Append. p, XLII), Paris. 14603 u. a.
220
v. Hartei.
genti | Lector amore dei sepe memento mei. Von einer Hand
s. XIV: über boecii seuerini precii unius ducati et dimidii und
noch einmal: Liber boetii seuerini. q (sic) emptus e pro pretio
uni’ ducati cum dimidio. Ebenda unten m. s. XIV/XV: Detur
fri guillo bürgen actu blico m o tu pisien ord frm p'dicato%. f. 98 v
m. s. XIV eine ausgelöschte Besitzernotiz, welche beginnt: Iste
über est mei fris ////////// Iohis und sclüiesst: de luca ordinis
predicatorum.
P III 23
(III 11 15 21. 23) 89 m. bip. pag. 175 foll. b. XIII.
Von derselben Hand, von welcher die Bezeichnung in II 15
herrülirt, steht f. 2 r oben: Pöblet. Enthält ausser Anderem f. 2 r
tractatus moralis in vn- uiciis capitalibus. f. 94 T b m. s. XIV:
Librum istum emi ego (e al. m. s. XIV in ras.) mgr iobannes
de prussia abedello studii pro n floreis | (al. m. in ras. s. XIV)
et postea ego frater franciscus Rubei emi illerde a mgro bndo
qralt pro -xii- solidis. f. 95 r a Incipit epla siue gesta aug 1 qiio
elegit sibi epm successorem. 1 | Gloriosissimo Tbeodosio duodecies
et ualentiano iterum augusto consule sexto kls octobr. Cum
aug’ eps vna cum Peligiano et Martiniano — f. 96 r b et r p eraclio
pbfo diib p'cem fundatis. amen. | Explicit epla seu gesta aug' qnÖ
sibi elegit epm successorem. f. 97 * ff. De uirtutibus. f. 175 r
unten m. s. XIII: Anno dni • m • cc • xmj • capta fuit ciuitas vle-
de. f. 175 T in. s. XHI/XIV: ■ (£. Iste libr est sce h- de popu-
leto (populeto al. m. in ras.).
P III 24
80 in. oblong. 95 foll. s. XIII.
Bräunlicher gepresster Ledereinband mit einem Wappen, dar
stellend einen Cardinaishut, darunter einen Schild mit drei sich
kreuzenden Ff eilen. Der erste Theil der Handschrift enthält fol
gende Gedichte Claudian’s (nach Gesner’s Zählung): 2, 3, 4, 5, 4
(also zweimal), 15, 18, 19, 20, 11, 9, 10, 6, 7, 8, 16, 17, 21, 22,
23, 24 (bis Transtra ligant bed'e malum circumflua uestit =
vs. 366). Hierauf folgen f. 57 r Scortea 1 non illi — f. 95 v Quid
loca quid jtfugi r pfuit usus equi.
1 Augustini ep. 213 (II, 966 M).
1 Ovid. Fast. I, 629 bis V, 592.
Bibliotlieca patrum latinorum Hispaniensis.
221
Q I 4
(M 13) 2° in. bip. pag. s. XIV.
Plinius, Naturalis liistoria. f. l r a Vita plinii ex catalogo
uirorum illustrium tranquilli. Plinius secundus. Plinius secundus
nouocomensis —. Auf den Brief an Vespasian (Libros naturalis
historie —) folgt das 1. (Index-) Buch. Die Handschrift ist sehr
splendid geschrieben und am Ende einzelner Bücher sind mehrere
Columnen frei. Deshalb wird vom Schreiber immer ausdrücklich
bemerkt, dass nichts fehlt, z. B. am. Ende des 18. f. 213 l 'b Nicti
defficit in • vi • columpnis sequentibus. Schliesst mit dem 37. Buche
f. 405 r a Experimenta pluribus modis constant. Dann eine Zeile
leer, worin von anderer Hand: nil deficit. Primum pondere —.
f. 40G 1 ' eine Stelle aus Buch 28. Auf dem Nachsetzblatt 1 ': Ab
AupsXtocvo «jepvavos^ Tieppa st Qpßs | xviii. kal. oct. a. d. mdccclxxi |
lectum foeliciter (die ganze Seite ist ausradirt). Naclisetzblatt v
m. s. XV: Retulit mibi frater iacobus cumesis (?) socius domini
? ? ?
ministri quod oxonie in libraria mini/// u vidit libros plinii de
gestis romanorum.
Q I 8
(L 2 III II I) 2° m. bip. pag. 223 foll. saec. XIV.
Am Anfänge verstümmelt, f. 2 r beginnt im Index zu den
Briefen Seneca’s. Diesen ist vorausgeschickt f. 3 r a das Stück:
Mentis colonus et cultor —. Buch 22 schliesst f. 83 v b. f. 84 r a
De remediis fortuitorum, f. 85 v a de septem liberalibus arti-
bus | de septem 1 liberalibus studiis —, f. 87 r b de quatuor
uirtutibus 2 , f. 88 Y a Senecae declamationes. | Exigitis 3 rem
magis — f. 107 v b malo inuentus. f. 107 v b de questionibus natu-
ralibus, f. 139 r a Prouerbia | Alienum 4 est omne quicquid op-
tando — f. 141 r a Zelari aut. homibs; uitiosum est. Non quid®
(d del., in marg.: fecit) sed quem admodum — f. 142 T a propo-
situm est. f. 142 v a de moribus. Omne peecatum (i est — f. 143*b
qui odium ondit. f. 143 r b (in marg.: ista sunt precepta pita-
gore) fugienda 7 sunt Omnibus modis — qiximos deo fecit.
1 Seneca ep. 1. XIII, 3 (88) = ed. Haase III, 246. — 2 Mart. Dum. ib.
III, 468 H. — 3 Annaei Senecae controv. 1,1. — 4 Publilii Syri sent.
ed. Woelfflin p. 65, vgl. p. 136 Anm. — 5 Sen. ? — c Publilii Syr. p. 136
= Senec. III, 463 H. — 7 Sen. de moribus III, 467 (nr. 144) H.; L.
Annaei Senecae Monita ed. E. Woelfflin (Erlangen, 1878) S. 17; vgl.
Escor. S II 3.
222
v. Hartei.
Stateram ne tn sileas (sic) — quicquid libuit licuit. | (r.) Explicit
seneca de moribus. Incipit über primus de clementia ad nero-
nem. f. 143 v b Scribere 8 de clementia. Buch 2 schliesst f. 149*'a
praua flectantur. | (r.) Excepta de libro ar (— Aristotelis)
ethicov £m tnslationem de arabico in latinum. Unusquisque
hominum recte dirigit — f. 150 v a omixti sunt. Explicit über
excepto^ de libro etüieon aristotelis. Incipit über eiusdem de
benefitiis primus. Inter multos 9 —. f. 176 r b de prouidentia dei.
f. 182 r a de beata uita. f. 188 r a de tranquillitate animi. f. 192 v b
de breuitate uite. f. 200 r a de spetiebus et remediis ire. f. 213 r b
ad martiain de consolatione filii sui. Nisi te 10 martia — f. 223 v b
uadit omnibus secuüs Deo gratias.
Q I 9
(IG 5 IT 37) 2« ra. 178 foll. s. XV.
f. l r unten ein Wappen. Auf der inneren Seite des hinteren
Deckels steht: Codex Mattbei Ioannis & amicov und Hiero. Surite.
Ciceronis epistolae ad Atticum. f. l r (r. Maj.) m. t. ciceronis
epistolarum ad atticum über primus incipit feliciter | Cicero
attico salutem. L. Clodius tr. pl. designatus — f. 178 r non
seruentur magna, ünis. j (r. Maj.) M. t. c. epistolarum ad atticum
1 xyi explicit feliciter.
Q I 10
(17. 14 II 70) 2° m. 81 foll. s. XV.
Blatt 1 der Handschrift (f. 3) ist s. XVI ergänzt, f. 4 r be
ginnt abrupt: ent non argui credamus 1 — f. 81 r et nauali et
pedestri prelio uicti sunt. | (r.) Tsao;. | (r. Maj.) iuüi frontini
de re militari über quartus et ultimus finiit.! • Am 'hinteren Deckel
klebt das r. Blatt einer Handschrift s. XV m. 2° mit dem An
fänge: ()um ad instruendam rei militaris scientiam unus ex
numero studiosorum eius accesserim eique destinatio quantum
cura nostra etc.
8 Senec. declam. I, p. 27(1 H. — 9 Sen. de ben. I, 1 (II, p. 1 H). — 10 Sen.
ad Marciam de cons. 1 (ib. p. 111).
1 Sext. Iulii Frontini strateg. praef. (ed. Dedericli p. 2, 1. ö).
Bibliotheca patrum latinoium Hispaniensis.
223
Q I 11
(II 36) 20 m. bip. pag. 102 foll. s. XIII in.
Ex Bibliotheca Io.. Iac. Chiffletii. Vor setzblatt v m. s. XIII
(r.) Nomina regionum contincntium infra se jpuintias ■ cxii] 1 • |
Italia. gallia. africa. liispania. illii'icus (2. Col.) — Ci. celemen-
sium Ci. uinsiciensium i - uentio (r.) Expliciunt nomina ciui-
tatum regionis galliarum. f. l r a (r.) Epistola consularis iulii
solini gramatici | Quoniam 2 quidam impatientius potius —. f. 2 r b
(r.) Item eiusdem ad aduentum. Solinus aduento salutem j Cum
et 3 aurium — f. 2 v b psequentur fide.,. (r.) finit epistola | (r.)
Prime partis capitula sunt bec (am Rande r.: Capitulatio fie
beret eplas p'cedere). Es folgt der Index von Buch 1. f. 3’b
(r.) Polybistoris iulii solini ab ipso editi & recogniti prima pars
incipit. Caplm primum. De origine & nomine urb rome | Sunt 1
qui uideri uelint — f. 61 r b sui congruere insularu qualitatemy
f. 61 T r Consularis iulii solini gramatici polybistor ab ipso editus
s recognitus explicit. f. 62 r a (blau) Incipit ( p marco marcello
ofcf (r.) marci tullii ciceronis ad gaium iulium cesarem (sic) |
Diuturni 5 silentii — f. 67 r b accerit (sic) (r.) Oratio tullij ciceronis
J>. m. marcello explicit. Incipit pro • q- ligario | Nouum crimen —
f. 72 r a bis te daturum (r.) Explicit t p. q. ligario oi’atio. Incipit
pro rege deiotar*o (i eras.) | Cum in omnibus — f. 77 r a ab
ineunte etatey (r.) Explicit oratio marci tullii ciceronis pro rege
deiotaro. Incipit über eiusdem de senectutey y | Utile si quid
ego — f. 91 r b re expti f pbare possitisy (r.) Explic' über marci
tullii ciceronis de senectute. Incipit libellus annei senece de
gratia nati continentissimi uiri qui paulo apostolo misit epistolas
& paulus ei y | Omne peccatum 0 — f. 93 v b tue beatitudinis
(r.) Explicit. Seneca de remediis fortuito^ ad callionem | Licet 7
cunctorum poetarum — f. 96 v b in domo sit ista felicitas (r.)
Explic' lib senece ad callionem de remediis fortuito*. Incipit
tplogus in sinonimis artis retborice Ciceronis. | Cicero lucio
ueturio suo salutem. Collegi s ea — f. 97 r a capiamus inicium
1 Ex laterculo Polemii Silvii 12 (Geogr. lat. min. p. 132, 12 E.) und Notitia
Galliarum 17 (p. 144, 12 K.). — 2 Solinus ed. Mommsen, p. 233. —
3 Ib. p. 3. — 4 Ib. p. 6. — 5 Cic. pro M. Marcello. — 6 Liber de
moribus Senec. ed. Haase III, 492. — 7 Ib. HI, 446. — 8 Cic. ed.
Orelli 7 IV, 1063 mit starken Abweichungen.
224
v. Hartei.
(r.) Explicit jdogus. Incipiunt sinonima artis retüorice | Abdituin
opertum obscurum absconditum obumbratum — f. 101 v b abrupt
schliessend, wie es scheint: in fide est. in tuto. in clientela; denn
f. 102 r a schliesst nicht an: le u accidens Düsum n p'r. & jxw
q'dem equal e participatiol accidentium ü li q'de mag', illa u
minus. St quidem alio & jmunitatcs 1 jpetates eo% q dicta s't.
sg sufficiunt etia li ad discretionis eo% amunitatis qs traditionemy
Explicit | Von einer andern Hand s. XIII:
Quid 9 leuius fama (für flama)? fulmen; quid
fulmine? uentus;
Quid uento? mulier; quid muliere nicbil.
Andere Ild.: Rusticus est vere qui turpia de muliere
Dicit nam uere sumus omnes de muliere.
s. XIV, wie es scheint: (T Iste über est ste marie belle uallis.
Q I 13
20 ra. 245 foll. s. XV.
Enthält, alle Stücke des Plautus. f. 1 r unten ein Wappen;
im oberen Felde ein schwarzer Adler auf gelbem Grunde, im. mittleren
angei.vs, im unteren eine schildförmige, fünfzackige gelbe Krone
mit abwärts gehenden Strahlen auf blauem Felde.
Q I 14
20 m. bip. pag. 251 foll. s. XIII/XIV.
Der Codex ist offenbar ein Exemplar des grossen Florilegium
Gallicum, von dem es in Paris zwei Handschriften gibt. Die
Columne hat beiläufig 35 Zeilen (oder Verse) im Durchschnitt. Dar
nach kann man den Umfang der Excerpte jedes Autors ungefähr
berechnen, f. l r a Prudentius 5 1 / 2 > f- 2 r b Claudianus 54, f. 15 v b
Virgilius l3 l / 2 , f. 19 r a Val. Flaccus Argon. 2, f. 19 v a Statins
Thebais 19, f. 24 r b Statius Achilleis 2, f. 24 v b Ducanus 22 l / 2 >
f. 30 v a Ovidius Metamorpli. 21 l l. l , f. 35 v b Ovidius Fasten 8,
f. 37 T b Ovidius Heroldes 4 l / 2 , f- 38 T b Tibullus fast 7, f. 40 v a
Ovidius ohne Titel (3 B.) 4, f. 41 v a Ovidius de arte (auch aus den
Metamorpli. ?) 9, f. 43 T b ofo aiacis cc ulixem (mit Antw.) 10 3 / v
f. 46 v a Ovidius de remediis 4 1 / 2 , f. 47 T a Ovidius in ibin P/ 6 ,
f. 48 r a Ovidius tristia 18 l / 2 , f. 52 T a Ovidius de ponto 18,
f. 57 r a Horatius carmina, in poetria, in eplis, in sermonibus,
9 Vgl. Novati, Carm. medii aevi p. 24.
Bibliotlieca patrum latinorum Hispaniensis.
225
zusammen 62, f. 72 v a Juvenalis 41, f. 82 v b Persius 7, f. 84 r a
Martialis fast 33, f. 92 v b Petronius 9 l / v f. 95 r a Vergilius in
culice/ast 2, f. 95 v a Vergilius in etlma etwas mehr als 1, f. 95 v b
De laude pisonis non tm genere clari set etiam uirtute niulti-
plici. Lucanus. (UÜberschrift der Seiten: Lucanus in catalecton)
5 l / 3 , f. 97 “a Calpurnius in bucolicis 3 / l; f. 97 r b Terentius fast 8,
f. 99 r b Sallustius fast 15, f. 102 v b Boetius 19 l / 4 , f. 107 v b Ex
Platone 2‘/ 2 , f. 108 r b Ex Marciano uersus 6 Zeilen, f. 108 r b
Ex Macrobio (somn. Scip.) 3, f. 109 r a Priscianus in proemio
libri de' octo partibus 2 Zeilen, Tullius in pernio libri primi
rhetoricorum. Dann folgen wie im Codex der Privatbibliothek
des Königs in Madrid: de offic., amic., senect., paradox., zuletzt
Oratori est comprehendenda etc. f. 135 r b Quihtüian de oratoriis
institutionibus 34*,, f. 144 *'a Quintilian in libro eausarum 9,
f. 146 r b Seneca ad Lucillunt (Briefe) 78, f. 165 T b Ciceroreden,
wie im Cod. del Key, 11 '/ 4 , f. 168 v b Plautus in aulularia fast 4,
f. 169 T a Macrobius Saturnalia 6, f. 177 r a Seneca declam., de
benef., clementia, remed. fortuit., quat. uirtutt., moribus, natural,
quaest. (wie im Cod. del Key) 57 l / 2 , f. 185 v b ex Agellio (sic)
noctiü attica« S'-f, f. 187' b Caesar bell. gall. civil. 6 M / 4 , f. 189 v a
Sidonius in epistolis 33, f. 197 v b Cassiodorius epist. 6 1 / 2 , f. 199 v a
Süetonius de xn cesaribus 7 0. Scliliesst mit den Excerpten aus
Domitian : oein memoriani decerneret.,, Explicit. Verba scriptoris
ad lectorem:
Dicta tenes ueterum lege singula collige rerum
Exempla et morum retine decreta priorum
Finis adest operi. sint uota precesque laboris
Premia sit ueri tua gra pi^gnus anioris.
f. 217 r a Incipit prologus libri jmerbiorum petri aldefunsi qui
appellatur clericalis disciplina. 1 1 Dixit petrus aldefulsi — f. 232 r b
p infinita seculo4. secula. am. Explic' lib' qm'bio^; petri aldefusi.
Incipiunt sententie a diuersis ph'is delecte | Cum quidam stolidus
audiente pictagora etc. Der erste Theil schliesst wohl mit f. 233 r a
Pars sacrilegii e re paupem dare n paupibj Amicitia anponenda
e oibj rebs bumanis — f. 233 v a eonsolatio omiscetur. Dann
or i
folgen wieder Auszüge: seneca de im ututibus, dann Publilius,
f. 237 r a Seneca de bencfitiis, f. 237' b Excid' (sic) de clementia
1 Vgl. Petri Alfonsi disciplina cleric. ed. Fr. W. V.‘ Schmidt (1827) p. 33.
Sitzungsber. d. pbil.-hist. CI. CXII. Bd. I. Hft. 15
226
v. Härtel.
impatoris, f. 238 r a ex egesippi historia, cicero i pliilippicis, it
ad brutum, de officiis, f. 238 T a except de epistolari lib° iero-
nimi | Omni luce manifestius est — f. 241 Y a quam familiaris
inimicus. Hierauf folgen iolis crisostomus, snie ieronimi, sententie
or
sual de d'icis • s • ier et primo de expoe matbei und expos. im
prophetarum, dann ivieder aus Briefen, f. 246 Y b Incipiunt pro-
uerbie salois, f. 249 r b Liber sapientie, f. 249 Y a lib' eccl'iasticus,
f. 250 r b Ex controuersia ciceronis in salustium — f! 251 r a In-
firmi ai est n posse pati diuitias. Der Rest des Blattes ist leer.
Q I 15
20 m. 179 foll. s. XV.
f. 1 — f. 165 r Nonius; darnach folgt noch: Qngiportus
generis masculini nt apud multos. neutri Plautus 1 in cistellaria
carnificis angiporta — Yictus pro nita — ortus uirtus figuras
Explicit.
Q I 16
20 m. 24S foll. s. X/XI.
Priscian, Buch 1—16. f. 1—21 sind s. XIH ergänzt und
in derselben Zeit die alten Initialen durch neue ersetzt. Die alte
Handschrift beginnt: nt cesareus romuleus ferreus — f. 228 v
quod midtis iam ostendimus und hat zahllose Rand- und Marginal
scholien verschiedener Jahrhunderte, f. 213 r am Anfänge von
Buch XIII: Tbeodorus 1 memorialis s eplarum & adiutor que-
storis spi (sic) scripsi manu mea in urbe roma eonstantinopoli
februaru mauortio cs ule.
Q I 18
(IT 12 I G II) 20 m. bip. pag. 1G4 foll. s. XIV in.
f. l v (Vorsetzblatt) und f. 2 T m. s. XIV ex. verschiedene
Excerpte aus Seneca, Ovid etc., dann das Gedicht der Anthol.
lat. 667. f. 3 r in Goldschrift: Incipit über senece. Seneca
nouato senece menie filiis salntem. Exigitis 1 rem magis
— f. 34 r b malo inuentus. (r.j Expliciunt declamationes senece.
1 Nonius, Cap. TU, p. 190 bis p. 232 M. Ob früher dieses Capitel aus
gelassen und hier nachgetragen wurde, ist aus Loewe’s Aufzeichnungen
nicht zu entnehmen.
1 Vgl. Gramm, lat. ed. Keil II, praef. p. VIII.
1 Sen. Controv. I 1,
Bibliotheca patrnm latinorum Hispaniensis.
227
Bocii (sic) änei Senece de benefitiis lib' • i’ • incipit, f. 54 v b de cle-
mentia ad neronera, f. 56 T a de moribus, f. 58 r a de remediis
fortuitorum bono*q f. 60 r a de quatuor virtutibus, f. 62 v a de paup-
tate, f. 63 r a die Seneca-Paulus-Correspondenz, f. 65 r a (r.) In
cipit epl’a alexandri regi (sic) mag macedonis ad magno s'uum ari-
stotelem matremque suam atque sorores. de situ indie et itine%
uastitate et de uariis generibus bestiarum et serpentium et de
miraculis. 2 | Semper memor tui — f. 70 r b ipedirem. Deo gratias.
f. 73 r a Schluss (r.) Incipiunt epistole Senece trasmisse ad
Lucilium • i • — f. 162 y dos q> se vale. f. 164 r Verzeichniss der
Werke, die Seneca verfasste, von derselben Hand s. XIV ex., die
oben die Excerpte schrieb.
Q I 21
20 m. bip. pag. 190 foll. s. XIII in.
f. 2 r oben: Ex Bibliotheca Jo. Jac. Chiffletii. f. l r Emi
hoc uolumen apud librarium vesontinum qui vna cum aliis
plerisque iuris ciuilis libris hunc quoque libram cmerat ex
uetere biblyotheca Stephani de Yasis 1593. J. Chiffletius me-
dicus Vesontinus. f. 190 r b m. s. XVI: Iste über est carolo
de Yasis burgüdo. f. l r enthält einen Index der Handschrift
m,. f. 2 r a (r.) Marci tullii de arte rethorica liber ()imus in
cipit | ()e et mul tum 1 hoc mecum cogitaui —. Buch 2 schliesst
f. 37 r a q restant in reliquis dicemus | (r.) Explic de arte re
thorica liber scds. Incip ( plogus marci tullii ad herennium.
Etsi in negotiis familiaribus impediti — f. 72 r a consequemur
exercitationis. [ fr.) Tullii ciceronis ad herennium liber sextus
explicit. Der Rest dieses Blattes ist leer. f. 73 r a oben (r. nicht
von derselben Hand wie die übrigen Rubrika, aber s. XIII):
Tullius de natura deorum. Principium libri deest. Das erste
Blatt vorher ist herausgeschnitten, der Falz ist noch sichtbar.
Das Werk beginnt jetzt f. 73 r a nich scire didicistis. Tum ego—.
Das 3. Buch schliesst f. 104 T a similitudine uidetur esse f ppensior |
(r.) Marci Tullii cic. de diuinatione liber primus incipit |
Vetus opinio est — f. 1.34 v a que cum essent dicta surre-
ximus | (Maj.) m. t. ciceronis de diuinatione liber -n- explic
eiusdem de fato incipit | Quia pertinet — f. 139 T a ul si uolt'
2 Vgl. Mai, Auct. dass. VII, 184.
1 Cic. de inuentione 1. I. 1.
Io*
228
v. Härtel.
a ^
oi'b; natalit. m. t. c. explicit über de fato | (r.) Incip' m. tullii
ciceronis über i - de officiis ad filium suum m. cicerone | Quam-
quam te — f. 178 v b pceptisque letabere explicit tullius de offi-
tiis | (r.) über macrobii. in saturnalibus | Primis mensis post
— f. 190*'b atque ita spiramentis effluit tabes faculenta (sic).
Q II 12
(20. 12 124 n 3) 20 m. et ch. 124 foll. s. XIV ex.
f. l r rechte Ecke oben: Hiero’ Sürita — f. l r Cesareos 1 pro-
ceres — obitumque peregit. Es folgen Suetons Kaiserbiographien,
an deren Schluss f. 122 v (r.) Versus Sidonii in übrum Gaii
Suetonii tranquilli de vita duodecim cesarum | Cesareos — pegit. |
(r.) Versus eiusdem Sidonii de duodecim cesaribus | Primus 2 re
galem — neronem | (r.) De longitudine Regni eo4 vs’ | Iulius 3 ut
— babenis | (r.) De finib; seu morte eorum | Exegit 1 penas —
fratres (r.) Expliciunt versus Sidonii. f. 123 v ist leer. f. 124 r
(r.) Dignitates et oflicia romano« | Senatores a senectutc appellati
— f. 124 v censebantur capite censi.
Q II 15
20 m. 120 foll. s. X ex.
f. 120 T am unteren Rande m. s. XVI: Este libro costo en
pauia ■ 44 • quatrines a • 6 • de margo de 1521. y el ducado
vale -440- quatrines. 1 Die Handschrift hat 15 Quaternionen,
von welchen der letzte ohne Bezeichnung ist; sie enthält einen ano
nymen Donatcommentar. f. l r Vniuscuiusque rei scientia que-
ritur febimologia ipsius artis. Multi dicunt artem dictam esse
apotes aretes ide auirtuto — f. 120 r aut arebus incongruis aut
arebus paribus. f. 77 r findet sich ein Stück De diffectiuis uerbis.
Incipit tractare de his uerbis quae uerba naturali ratione non
possunt tota declinari. quid est tota. id est per omnes persones
per omnes modos etc. f. 120 T m. s. XI ein Gedicht, versus
anacyclici: 2
1 Ausonii carm. XXI, I, p. 112 Scli. — 2 Ib. vs. 6—17. — 3 Ib. vs. 18—
28. — " Ib. vs. 33—41.
1 Nach Ewald (S. 271) vermuthlich aus Bobbio; von Fernando Colon in
Italien gekauft, kam die Handschrift später in nicht näher bekannter
Weise aus der Colombina in den Escorial. — 2 Gedicht auf den heiligen
Columban von Dümmler im N. Archiv veröffentlicht V, 622.
Bibliotheca patrum latinerum Hispaniensis.
229
Nocte dieque gemo dominum quia sentio tristem
Et quia hunc timeo nocte dieque gemo —
Custodiam puerum tibimet seruire iubebo
Crescere quem uolui custodiam puerum.
Q II 23
20 m. parv. oblong. 177 foll. s. XII.
Priscian, B. 1—16, schliessend f. L43dann von anderer
Hand s. XII die Bücher de constructione; die Graeca sind zum
Theile (jeschrieben, gegen das Ende fehlen sie fast vollständig und
es sind kleine Lücken gelassen.
BI2
(III II 35 I 7 I) 20 max. in. bip. pag. 266 foll. s. XIV in.
Zweimal: Iliero. Surite. f. l r unten ein Wappen, neben
welchem m. s. XVI bemerkt hat: Insignia clementis vi et Gregorii xi
summorum pontificum. f. l r a Cicero’'s Tusculanae Quaestiones,
5 Bücher. £ 61 r a Philippicarum libri quatuor. f. 83 r a Inuecti-
carum (sic) in Catiünam libri iv. f. 98 v b de artibus ad lucullum
(am Rande s. XVI: als achademica^) | Magnum ingenium 1 —
nostras descendimus. £ 120 v b Causa quam fecit tullius ad ro-
manos pridie quam mitterctur in exilium | Si quando 2 — hec est
causa quam fecit. £ 124* b Salustius contra Tullium. Prauiter 3
et iniquo —. £ 125*'b Cicero pro marcho marccllo, £.128 v b Cicero
pro Quinto licario. £ 132 v a Cicero pro rege deietario (sic).
£ 135 r b Inuictiua tullii otra Salustium. Ea dcmuni 1 —. £ 137 v b
Inuectiua Salustii contra Tullium {wie oben £ 124 r b) grauiter 5 et
iniquo —. £ 139 r a Incipit über de achademicarum tullii | Non
eram nescius (m. s. XVI hat corrigirt: über de finibus bonorum
et malorum). £ 189 r a De Uniuersitate tullius | Multa sunt 8 a
nobis et in achademicis coscripta — atque munere neque dabf.
£ 193‘b de re militari über tullii | Res miütaris 7 in tres diui-
ditur partes — perducta* cognoscitur. £ 196 r b über tullii de
essencia mundi | Multa sunt 8 —. £ 200 v b M. tullii nceronis (sic)
in c. verrem über primus. incipit | Si quis ufm — £ 266 l 'a ac-
cusare necesse sit. Expliciunt uerrine.
1 Cic. Academic. priorum 1. II. — 2 Cic. ed. Baiter et Kayser XI, p. 156.
— 3 Ib. p. 147. — 4 Ib. p. 149. — 5 Ib. p. 147. — 6 Ciceronis Timaeus
VIII, p. 131. — 7 Vgl. Cic. ed. Baiter et Halin IV, p. 1062. — 3 Cic.
Timaeus, f. 189 r de uniuersitate betitelt.
230
v. Hartei.
BI4
(15. 3 II 50) 2*> max. m. bip. pag. 205 füll. s. XIV.
Mit Initialen, die Figuren zum Theile noch auf Goldgrund
(besonders Krieger, Leute mit einem Buche in der Hand, aber
auch Lucretia, die sich den Tod gibt f. 65 v b). Hiero. Suritae.
f. l*'a (r.) Incipit prephatio Titi liuii i libro ystoriarum romana«
ab urbe condita | Acturusne sim opere ptium si —- darent. f. l‘b
(r.) Explicit pfatio. incipit über primus | Iam primum omnium —
f. 72 r b supplicatio liita est. Rest des Blattes leer. f. 73 r a In
parte 1 operis mei licet michi pfari qnod in principio — f. 145 v a
cognomina familie. 2 | (r.) Titi liuii über decimns. de bello punico
secnndo. explicit. Es folgt ein Buch- und Capitelindex zu dieser
Decade. f. 147 r a (r.) Titi liuii de bello macedonico libcr pri
mus | Me quoque 3 iuuat — f. 205 T a conciliabulaqj edixerunt. 4
Von der Hand, des Hier. Surita, ivie es scheint: Deest bona
pars buius libri und: Ad hunc item locum habentur in altero
v ■ c • meo.
R I 5
(II dO 15. 7) 20 m. bip. pag. 218 foll. s. XIV in.
f. l r unten: ~ Ilie. Surite. Titel: Plinius naturalis bistoria
tranquillus, Vita Plinii e catalogo uirorum illustrium. Das
Werk ist vollständig und schliesst f. 218 v a ostant primü pondere.
Dann noch einmal: ~ Hie. Huritc.
EI7
(15. 8 n 30) 20 ch. 321 foll. s. XV.
f. I 1 (r. Mag.) L. iuni moderati columellae rei rusticae über
primus incipit foeliciter. | ()reccpta quae sequantur qui rusticari
ueünt —. ()aepenumero ciuitatis nostrc — f. 224 r multa scisse
dicuntur non omnia. f. 224 v (r. Maj.) L. iuni moderati columell$
rei rustice über tredecimus explicit foeliciter. f. 225 1 ' (r. Maj.)
Varronis rerum rusticae de agricultura über primus incipit foe-
liciter |()ui graeci de agricultura scripserint. que —. B. 3 f. 291 v
summatim üoc quem exposui babito. | M. T. Varronis rerum
rusticarum de Villaticis pastionibus über tertius explicit. Es
folgt ohne Titel M. Porcius Cato de agri cultura: ()st interdum
' Liv. XXI, c. 1. — 2 Liv. XXX, c. 45, — 3 Liv. XXXI, c. 1. — 4 Liv.
XXXIX, c. 14,
Bibliotlieca patrum latinorum Hispaniensis.
231
praestare propter mercaturis rem quaerere non tarn — f. 321*'
nec tinea nec uermes tangent. | Marci ktonis (sic) de re ru-
stica über explicit.
E I 12
(III n 38 17 3) 2" m. 3C0 foll. s. XV.
f. l v Hiero. Surite. An der Spitze ein Index der Hand
schrift, von Hiero. Surita geschrieben: Orationes Ciceronis, quae
in hoc codice habentur. Pro lege Mänilia, pro Milone, pro Cn.
Plancio, pro P. Sylla, pro Archia, pro P. ,Quinctio, pro L. Flacco,
pro A. Cluentio, pro M. Celio, pro M. Marcello, pro Q. Ligario,
pro rege Deiotaro. ad Equit. R. priusquam (Si quando 1 inimi-
corum —), in senatu post reditum, ad populum post reditum,
Crispi Sallustii et resp. 2 , in Catilinam, pro P. Sestio, de pro-
uinciis cos., pro domo sua, de harusp. resp., pro L. Cornelio
Balbo, in Vatinium testem, pro A. Caecina, de agraria lege
contra P. Seruilium Rullum (Qu$ res 3 aperte —), ad populum
contra legem agrariam (Est hoc 4 in more —), secunda contra
Rullum (Commodius 5 fecissent—), in L. Pisonem, pro C. Rabirio
postumo, pro C. Rabii’io perduellion., pro Q. Roscio (beginnt
abrupt: malitiam 6 naturae crederetur), pro L. Murena, pro
Sexto Roscio. Gegen das Ende der Handschrift, sind verschiedene
Lücken gelassen, bisweilen mit der Bemerkung: Hic deficit, oder
am Ende einer Rede: deficit reliquum.
E I 13
(17. C n 32) 2" m. s. XIV/XV.
Quintiliani Institutio Oratoria. | f. l r Epistola (von der
Hand des Mich. Ferrarius). (r.) Marcus fabius quintilianus victorio
(victorio exp. al. m. s. XV et add.: triphoni salte). Auf dem
Rande von der Hand des Mich. Ferrarius beigefügt: causa edendi
operis oib’ iä ajpbati | Efflagitasti quotidiano conuitio — ueniant |
(r.) Marcij Fabij Quintiliani de institutione oratoria liber primus
incipit. Primo proemium. Secundo quemadmodum prima cle-
mentia (sic) tractanda sunt (in sint corr. al. m.). \ Post impe-
tratam studiis meis quietem —. B. 12 schliesst f. 250 petimus
bonam uoluntatem. (r.) M. F. Q. institutionum orato% ad uic-
1 Ciceronis or. pridie quam in exilium iret XI, p. 156 ed. Baiter et Kayser.
— 2 Ib. p. 147. — 3 Cie. de lege agr. I, 1. — 4 de lege agr. II, 1. —
5 de lege agr. III, 1. — 6 pro Q. Roscio 1.
232
v. H arte 1.
toriurn marcelium über ultimus explicit. Iolies de nobillibus de
sarcana scriptor minimus oiuj aliov lioc opus scripsit Iohannes
propria manu. Omnium scov. et sua Optimum finit. Zwischen
diese Rubrica und den Schluss des Quintilian hat eine spätere
Hand roth eingefugt: Michael ferrarius emendauit lmnc Quinti-
lianum cum Quintiliano Laurentii Vallen oratoris optimi etutrius-
que lingue peritissimi lingue tarnen latine quam excellentissimi
quem ipse sibi emendasse scripsit Apostillas qs manu eiusdem
in eo scriptus bic transcripsi 1454 vm augusti. Vorher (zwischen
dieser Rubrik und dem Schlüsse des Quintilian) ist 1 / 4 Zeile aus-
radirt, die roth geschrieben war; man erkennt mit hinreichender
Sicherheit: -H- S////////9, also Hieronymi SuriQ. Von dessen Hand
steht neben dem Vermerk des Michael Ferrarius: Emendationes
ex libro Laurentii Yalensis und auf einem Nachsetzblatt: ~ Hie.
Suritcj, auf demselben aber von der Hand des Michael Ferrarius
geschrieben: Antiqui uersus nescio cuius super instituciones:
Prominet eloquio mirandus Quintilianus
Quem bene punctantis est veneranda manus
In uetusto codice declamationum:
Inuidia quondam suppressus rhetoricorum
In lucem redeo Quintilianus ego.
Ferner von H. Surita auf f. 2 V (Vorsetzblatt): ~ Hie. Surito,
und etwas weiter unten: Ex uetustissimo Codice lmnc fuisse de-
scriptum glossule quijda marginis indicant 11' prescrtim vm. xi.
Das bezieht sich z. B. auf Steilen wie f. 167 v (Buch 8 gegen Ende)
Summo loco posui est b' de cesuris supstitio (supiectio s. I. al. m.)
uirtus eius ex diuerso, ivozu am Rande bemerkt vielleicht ?», :
superstitio. h'. resumitur textus codicis uetustissimi, und weiter
oben (woran das oben Copiiie jedenfalls anschliesst) similitudine
ducte (dazu am Rande: ducte bic deficit Codex uetustissimus).
Ebenso f. 158 r sj quedam et ex iis que dicta non sunt. Dazu:
ex bis que dcta. bic resumitur textus uetustissimi codicis. f. 215 V
(Buch 11) ul' paulo pertinatiorem. Dazu am Rande immer wieder
von derselben Hand: ptinatore. h' deficit codex antiquus. Dazu
hat H. Surita bemerkt und daneben ein C gesetzt: uetustissimum
codicem fuisse, ex quo bic fuit descriptus, in proximo capite
docet. et lib. vm. f. 219 r zu ut duplici motu uiuetur: duplici
hic resumitur textus antiquissimi codicis. f. l v (Vorsetzblatt)
Bibliotheca patrum latinorum Hispaniensis.
233
stehen von einer Hand s. XV/XVI Auszüge: Iudicii 1 signum tellus
sudore madcscet —aus Cicero: ii° de diuinatione, Suetonius
Vespasiani uita und einige von der Hand des Hier. Surita.
f. 2 1 ' findet sich von einer Hand s. XV der bekannte Brief des
Poggio an Guarinus Veronensis, in welchem er meldet, dass er den
Quintilian, praeterea libros trcs primofe et dimidiatum (sie) quarti
c. Valerii Flacci Argonauticon et expositiones tanquam tliema
quoddam super octo Ciceronis orationibus Q. Asconii Pediani
in St. Gallen gefunden, datirt Constantie xvn kl Ianuarias Anno
Christi m • cccc • xvn. 2
R I 16
(III II 2 17. 11) 2" m. 153 foll. s. XV in.
Mit schönen Initialen. 1. Deckel v : ~ Hie. Surite :—. m. s. XV:
Dy sapte ab uyt ores de maty e dyes huy de m’arc any. 1453.
dies 8. ores 8. ays 1453. \ Ilecort detot \ ynotot. f. l r m.
s. XV: Compri Io fransecli Bertran aquest libre d la marma-
soria den Bfit sphiges p mans d mossen • p ■ truyolls fuere e de
guilem sacoma corredor d libres e costa ///////////// florins. (an
dere Tinte) ki es pagat ep tant ne fas Memoria| al.m. s. XV:
falsus onor iuuat niendax insania terret. f. 4 V Index m. s. ZF in.
der Handschrift, die also früher enthielt: Ciceronis de finibus,
officiis, tusculanis questionibus, diuinatione, amicitia, fato, pado-
xis, senectute, natura deorum; jetzt fehlen der erste und die
letzten Bestandtheile von de amicitia find.) an. Hinterer Deckel 1 :
1483 die 25 Jenuarj
Clara dies pauli larguas fruges indicat anni
Si fuerint nebule perient animalia queque
Si fuerint uenti designat prelia genti
Si pluit aut ningit sequitur caristia magna.
Dann folgt noch einmal: —: H. Surite.
R III 4
(II 31) 2° minor. 152 foll. s. XIII in.
f. 1 r oben: Ex Bibliotheca Jo. Jac. Chiffletii. f. l r (r. Maj.)
sic incipiunt aeneides a uirgilio; sed tucas et varus poete ab
augusto iussi superflua deleuerunt sicque deleti sunt isti uersus
Ille ego — uirumque cano. (r. Maj.) Versus ouidii nasonis |
1 August, de civ. dei XVIII, c. 23 (II 2 , 28ö D.) ; vgl. Schnorr’s Arcliiv f
Litg. IX, S. 117. — 2 Vgl. Herrn. Kloss Rh. M. XXX, 458.
234
v. Hartei.
Eneas 1 primo libre (sic) depellitur horis —. Dann in Prosa:
In exponendis auctoribus hec consideranda sunt — f. 2 r ut iam
nunc dicat. | (bunte Maj.) uersus ouidii magni Primus ' l habet —.
f. 2 V beginnt die Aeneide, welche schliesst f. 149 r sub ubras (r. Maj.)
explic. lib xii. (Verzierte Maj.):
Mantua 3 me genuit calabri rapuere tenet nunc
Parthonope (sic) cecini pascua rura duces.
(r. Maj.) versus virgil’ pro recuperandis agris | Nocte 1 pluit tota —
sanus eras (r.) alii versus | Humor 5 alit — puer. Durch Maj.
her vor gehoben: Caedite 6 romani — Parthenope. f. 151 T (r. Maj.)
De uita uirgilii | Virgilius iste mantuanus eiuis fuit — f. 152 1 '
libidinis fuit haec de uita ipsius dicta sufficiant. (r. Maj.) ex-
plicit uita uirgilii doctissimi poetarum. Federproben s. XIII:
uirgilius a uirga lauri und:
Sit tibi gra sit sapiensia (sic) firmaque detur
Inquinat omia sola supbia (sic) si dnetur.
R III 16
(25. 28 III II 5) 2° minor. m. 99 foll. s. XII.
In Spanien geschrieben. Cassiani institutiones monachorum,
12 Bücher.
R III 23
(25. 31) 2° minor. in. 40 foll. s. XIV.
Nach alter Zählung die noch mehr vorfand waren es foll. 54.
Lucani Pharsalia. Vorher: Corduba 1 me — placet. Die Hand
schrift schliesst f. 40 r Explicuit turmas et signa minantia
pugnam. f. 40 T ist nicht beschrieben, aber vielerlei Eintragungen
sind ausradirt.
S I 9
2° m. bip. pag. 102 foll. s. XIII in.
Titel: Autentica Iustiniani. Die Hs. enthält an den Rändern
eine Masse Scholien und Glossen verschiedener, darunter sehr feiner
und charakteristischer Hände s. XIII, worunter auch ein Brief.
Diese Rechtshandschrift war offenbar in Bologna, f. l v m. s. XIII:
In die Iouis • n • (. bol. it' oia. die Veneris bol inter totum —. f. 2 r
1 Anth. lat. 1 nr. I R. — 2 Anth. 1. 634 R. — 3 Sueton. rell. ed. Reiffer
scheid, p. 53 und 63. — 1 Anth. 1. 256—259. — 5 Anth. 1. 260—263. —
« Anth. 1. 264. 351. 88. 233. 495—565, 3, 740 R.
1 Lucani epitaphium in Comment. Bern. ed. Usener p. 6.
Bibliotheca patrum latinorum Hispaniensis.
235
unten m. s.XIIIstehen die Verse: Sicucl rosaprimi ueris. cito transit
et non redit. sic et forma mulieris et delicie quas queris. | In
rasionales fcre solent laqueos timere et tu pme rai'oälis cur non
caues a tot malis. Ebenda auch s. XIII: B. dei gra (carno-
tensi canonico durchstrichen) ecle 'romane subdiacono. locterius
id quod est notum. Quoniam amicorum et absentium negocia
procurare et eius qui ei uigiliis insudat maxime cogitare uob
Status uri negotium in futurum in eo consiliabor minus discretus
statui reuelare. Notum sit uobis Studium decretorum et legum
hoc tempore uehementer bononie uigere — arcbidiaconus autem
cui mandastis quatuor uncias auri ue ex quo gregorius intrauit
bononiam ibi non fuit. statum autem ufm ///// sitir citius quam
p’sumus se uobis si placet scire cupimus. Yalete.
In demselben Codex f. 159 v a m, Qbeatissimo epo. sin-
gulas uite m' usque contcmplatio rei est sacra et ex hoc eue-
bens aia' ad dm et non solum — f. 1(51 r b opi effectuique tra-
dere festinet. al. m. s. XIII (am Rande Feud II 55): Imperator
federicus dei gratia romane et sep aug uniuersis suo subiectis
imperio. Imperialem decet solertiam • k • p • curam gerere et
subiectorum commoda inuestigare ut regni utilitas incorrupta
persistat et singulo^ Status iugiter' seruetur illesus. Quapropter
dum ex predecessorum nostrorum more uniuersali cuia roncalie
pro tribunali sederemus a principibus italicis — sacramento
fidelitatis imperator nominatim excipiat. (f Regalia sunt — (am
Rande Feud II, 56) Federicus di gra romano4 imperator semper
augustus uniuersis suo subiectis imperio. hac edictali lege in
perpetuum ualitura iubemus uos nostro subiectis imperio ueram
et perpetuam pacem inter se obseruent. et ut inuiolata inter
omnes perpetuo seruetur duces marcones comites capitanei ualua-
sores —. (T It saccim’ sacramenta pube% sponte facta —.
S II 2
2" in. bip. pag. 184 foll. s. XV in.
f. l r Index der Seneca-Handsclirift, wonach sie früher viel
vollständiger ivar; in demselben werden verzeichnet: Clem. ad Ner.,
benef., declamat., de iracundia, prouidentia dei, *epistole ad
lucill., tranquill., consol. ad elbiam, ad martiam, Vita beata, bre-
uitas uite, *tragedie, de rem. fort, de moribus, de formula ho-
236
v. Ilartol.
neste uite, epp. Sen. ad Paul. *Questt. naturales. Die mit *
bezeichnten Stücke fehlen jetzt nach der Bemerkung von Biblio-
thekarshand. •
S II 3
(III K 3) 2o m. löiso. 282 foll. s XIII/X1V.
f. l r a de clemencia ad neronem, f. 8‘b epistolae ad Lu-
cillum mit vorausgesetztem Index. Unterschrift derselben in roth
f. 10 v b Expliciunt capitula supra singulas eplas anneilulii senece
ad lucillum. Entis (= mcntis) colonus et cultor luorum lutius an-
neus seneca et moralis ph’ye emulator studiosissim’ et beatis-
simo paulo apl’o mira familiaritate coniunctus ad amicum suum
lucillum has morales fecit epl’as. p libros distinguens mira ex-
liortatde doctrinam moralem continentes incipit über primus.
De colligenda et sistenda fuga tpis et non esse pauperem cui
etiam modicum sat est—. f. 117 r a de septem liberalibus arti-
bus. De liberalibus studiis u quid sentiam — f. 119 ‘b de quatuor
virtutibus. Quatuor 2 uirtutibus tu spes —. f. 121 T a (nach circa
22 Zeilen Rasur) de uerborum copia ad btm paulu x apostolum.
Quisquis 3 prudentiam—. f. 127 r a Incipit primus über eiusdem
ad nouatum senecam melifilios declamationum Exigitis 1 rem —,
f. 155 r a de questionibus naturaübus. Quantum —. f. 199 v b pro-
ucrbia Alienum 5 est omne — uiciosu est. f. 202 r a de proui-
dencia dei m 2 . Non quid sed que admodum (sic) —. f. 204‘ b de
moribus. Omne peccatum G — f. 205 v a et miserabilioribus ser-
uiens. Das folgende: Cum iudicamus amare cum amamus iudi-
care — agnosci amat qui odium ostendit steht nach der Be
merkung einer Hand s. XVin einer Handschrift nicht, welche das
folgende: Fugienda 7 sunt Omnibus modis — bomines proximos
deo facit habe, das darauf folgende: Stateram 8 ne transileas
id est ne pretergrediaris iusticiam — relinquendos. Seueritas
iudiciorum paterna est discipline (sic) amica est rerum huma-
narum et diuinarum cum beniuolentie caritate consencio (sic)
1 Sen. ep. XIII, 3 (85) = III, 24G H. — 2 Martini Dum. de formula
honestae vitae (Sen. III, p. 469 H.). — 3 Ib. c. II (Sen. III, p. 469 H.).
— 1 Ann. Seneeae controv. I, 1. — 5 Publilii Syri sent. ed. Woelfflin
p. 65; vgl. p. 136 not. — 0 Publilii Syri sent. p. 136 AV. = Sen. III,
463 H. —• 7 L. Annaei monita ed. AVoeltflin (Erlangen, 1878) p. 17,
1. 1—6. — 8 Ib. 1. 9 bis p. 18, 1. 7.
Bibliotheca patrura latinornm üispaniensis.
237
— Nihil facias quod fecisse peniteat Seneca paulo. tulit 9 p'sccw
etas — f. 106 r a libuit licuit aber wieder nicht, f. 206’a Inter
multos et uarios errores temere — reuertitur et tocius sp'em
pd ///////////// (5—6 Buchstaben ausradirt) (fehlt wieder in
jener Handschrift), f. 207 r a de beneficiis. Inter multos 10 uarios
errores — f. 223 r a perdere et dare (r.): Expli c' über annei
lucii senece de b'a uita ad gallionem. incipit lib' eiusdem
de tranquillitate animi ad serenum, Inquirenti 11 —. f. 230 r b
de breuitate uite. Maior 12 —. f. 237 v a de ira. Exegistis 13 —.
f. 250 v b Nisi 14 te marcia scirem —. f. 255 v a Sepe 15 iam
mater —. f. 260 r a de prouidentia dei. Quesisti 16 a me —.
f. 263 v als Buch 2 quomodo in sapientem nec iniuria nec con-
tumelia cadit. Tantum 17 —. f. 268 v a de beata uita ad gallionem.
Uiuere ls gallio — f. 269 v b caducu cui’ statio ac. | f. 270 r a
andere Hand wohl auch s. XIIIjXIV, alphabetisch geordnete Sen
tenzen: Avida est piculi — f. 270 v a petatur ultio | Alienum 19
est quicquid — f. 272 r a palam lauda (da ex do). | De bene-
fitiis (Auszüge aus den 7 Büchern, wie eine andere Hand s. XIV
bemerkt), f. 276 r a de quatuor virtutibus Quatuor 20 uirtutum spes
esse —, f. 277‘a non quid sed quemadmodum —, f. 277 T a in-
cipiunt- senteneie quo^da pkilosopho*. Nulle sunt occulciores
— f. 278 v a ea fou'it sulcus. | Omne peccatum 21 acco — odium
ostendit. | f. 279‘b precepta pitagore. Fugienda 22 sunt — pro-
ximos deo facit enigmata ar lis (= Aristotelis) Stateram (m add.
mj) ne transilias — relinquentes. Seueritas — peniteat. Seneca
paulo. tulit — libuit licuit. C Explicit Seneca de moralibus.
f. 279 v a de clemencia neronis. Scribere 23 de —. f. 280 r b de
remediis. Licet 21 gremium — f. 281 v a diuicie insolenciam.
Explicit. Es folgt von anderer Hand: Enrico (sic) 25 iuris
scienciarum titulis doctori famosissimo. Bernardus siluestris
9 Sen. ep. 12 ad Paul. (III, p. 4S0, 1. 7—9 H.). — 49 Sen. II, 1 H. —
11 Sen. de tranq. an. I, 171 H. — 12 Sen. ad Paulinam I, 197 PI. —
13 Ib. de ira I, 35 H. — 14 Ib. Consolatio ad Mareiara I, 111 H. —
15 Ib. ad Helviam matrem I, 237 H. — 10 Ib. I, 3 H. — 17 Ib. I, 17 H.
— 18 Ib. I, 139 H. — 10 Publilii Syri sent. ed. Woelfflin, p. 65; vgl.
p. 136 Anm. — 20 Martini Dum. de formula honestae vitae in Sen.
HI, p. 469 H. — 21 Publilii Syri sent. p. 136 W. = Sen. III, 463 H. —
22 Vgl. fol. 205 T a. — 23 Sen. I, 276 H. — 24 Sen. III, p. 446 H. —
25 Vgl. Bern. Silv. ed. Wrobel p. 5.
238
v. Härtel.
opus suu ////. | Ieronimi presbri (in libro de uiris illdstribus
add. al. m.) Lucius 26 Ennius Seneca — interfectus est.
f. 281'b ist die Seneca-Pauluscorrespondenz zum grossen Theüe
von einer anderen Hand s. XIV ergänzt (von f. 282 r a occa-
sionem captantem ab); am Ende f. 282 v a cura 27 labor meritam
— ossa tibi.
S II 4
(III K 4 n. e. 14) 4" m. 1S7 foll. s. XIV/XV.
f. 1 r Auf Hieronymus de vir. ill. über Seneca und die Paulus-
Senecacorrespondenz folgen die Briefe Seneca's. Die letzten Brief-
anfänge sind Peperceram 1 tibi et quitquid—. In ipsa 2 scipionis
affricani uilla —. In ipsa scipionis affricani uilla — (also zwei
mal dieser Brief). Naufragium 3 antequam nauem —. De libe-
ralibus 1 studiis quid senoiam —. f. 112 r Seneca de Remediis
fortuito* —. f. 114 T Seneca de Copia uerborum siue de qua-
tuor uirtutibus. f. 118 r Actoritates episolarum Senece. Ita fac 5
mi lucili —. 125 T Seneca de beneficiis — f. 187 v hoc est
magni animi perdere et dare. Et est finis. (Maj.) explicit
septimus lucii annei senece de beneficiis siue de liberalitate ad
liburtinum amicum suum liberalem.
S II 5
(III Iv 8 II E 4) 4° m. bip. pag. 199 füll.
Es sind zwei Handschriften. 1. s. XIV f. l r a Senecae epi-
stolae ad Lucillum — f. 94'b cü itelliges infelicissimos esse
felices. Vale, (r.) Hic finis e epbw. hec ub que sequitur i aliqbj
libris ponitur epla lxxxvii. alibi reperio libellum per se cuius
titulus talis e: de septem liberalibus singulariter docet q ad
uirtutem ain$ no pducut s$ ppat. | De liberalibus 1 studiis qd
sentiam scire desideras — f. 96 T b nichil scire. vale (C finis
eple siue libelli de liberalibus septem. deo gratias. amen. Von
einer Hand s. XIV/XV: Iste über est itndissimi dni domini
prothonotarii. f. 97 enthält von anderer Hand als die Handschrift
s. XIV ex. einen Index, Inhaltsangabe sämmtlicher 123 Briefe
26 Sen. III, p. 476. — 27 Epitaphium Senecae ib. III, p. 482 = Anth. lat.
667 E.
1 Sen. epp. lib. XII, 3 (85). — 2 Lib. XIII, 1 (86). — 2 Lib. XIII, 2 (87).
4 Lib. Xm, 3 (88). — 5 Lib. I, 1.
1 Sen. ep. lib. XHI, 3 (III, p. 246 H.).
Bibliotheca patrnm latinorum Hispaniensis.
239
des Sencca. 2. f. 98 r a folgt eine andere Handschrift a. 1468,
ebenfalls der Briefe des Seneca. Sie beginnt jetzt abrupt mit:
quem transire 2 ne possis — f. 136 v a infelicissos (sic) esse feüces. 3
or ti
Vale. In isto uolumine eontinentur cxxim epl’e Senece cum xxn
libris quo% ultimus cliuino auxilio sufragante perfectus est anno
dni • m • cccc • lxviii Ultima mensis septenbris. Alfonsus miosoru
(sic), f. 197 r a (lila) Incipit über senece super remediis fortuito*
prologus. | Hunc übellum composuit — schliesst abrupt f. 199 T b
nec iurgia disceptacionesque comoueas.
S II 8
2o ch. bip. pag. ut vid. 197 foll. s. XV in.
D Di 0 de Nff.. Commentar zu den Tragödien des Seneca.
f. l r a ()ria gna theologie distingui —f. 197 r b mittes fulmina for-
tius ipso genitore . s • zone. A cuius aliorumque demonum fulmine
et infestatione liberet nos dns ylis xps cui e honor et gloria in
scla sclo4 Am Am Am. Eine andere Hand hat beigefügt: 1376,
ivas Felix oder seineVorgänger fälschlich 1316 lesen. Heber den Ver
fasser des Commentars finden sich drei Notizen verschiedener Hände:
f. l r am oberen Rande s. XVI: Haec commentarki sancti Thomae
prorsus sunt, id constat ex simili exemplari, quod habet Regium
sancti Laurentii coenobium, ubi initio depictus est monachus
dominicano habitu scribens. Et citat hic frequenter sua in
Boetium commentaria. al. rn. s. XVI: Potius videntur Fratris
Lucq qui omnia senecq opera alterius est commentatus eodem
fere stilo. al. m. Schmutzblatt y : Nec seiiia Ambrosii de Morales,
neque Aue Montani placet sed potius sunt comentaria fratris
Thome Anglici qui dubio procul sup boetium de consolatione
scripsit. idem senciendum de alio exemplari lmiusbibüo II B 13
(daneben II K 18).
S II 17
2° ch. 155 foll. s. XV.
Gellius.
S II 22
(III IT 28 II II IC) 20 m. 61 foll. s. XIV.
Boethius de consolatione philosophiae mit ausführlichen
Commentaren. Vorsetzblatt: Anicii manlii seuerini boetii excon-
sulis ordinarii patricii de cosolacioe pliie über p'm’ incipit. |
2 Sen. ep. lib. II, 3 (15) (III, p. 34, 1 H.).
3 Ib. lib. XX, 7 (124).
240
v. Hartei.
f. I 1 ' Carmina q' quodä — f. 61 v cementis. Explic üb’ Boetii
de consolatione. Gloria, laus et honor sit tibi xpe p que lib
explic iste.
S III I
(IV I 29 IV B 2) 8° raaior. merobr. 181 foll.
Es sind zwei Handschriften. 1. bis f. 90 Iuuenalis Satirae
s. XVI; 2. f. 91—181 Terentius s. XV, wie Prosa geschrieben,
indem der Schreiber alte Schrift nachgeahmt (sogar bis auf die
keulenförmige Verdickung der Schäfte einiger Buchstaben).
S III 5
(V G 33 IV E 23) 8° m. 141 foll.
Es sind zwei Handschriften. 1. s. XII ex. f. l r (r.) Macro-
bii Ambrosii incip über super sompnura scipionis | Cum in 1
affricam uenissem — f. 71 r continetur integritas. 2 (Maj.) finit
über macrobii ambrosii theodosii uiri eloquentissimi. Im Anfänge
stehen viele Randscholien, besonders f. 71, 72. 2. s. XI/XII: D Di 0
de Piff. f. 73 Recepte u. dgl. s. XIII. f. 74 r Somnium Scipio
nis in africa | Cum in affricam uenissem — f. 125 T continetur
integritas. f. 126 T (Maj.) osio epo. calcidius archidiaconus |
Ysocrates 3 in exhortationibus —. Unus 4 duo tres quartum —
f. 141 r pspicuo. Tu autem dne miserere nri. Hierauf von
etwas späterer Hand:
Hinc aries taurus gemini cancer leo virgo
Libraque scorpius arcitenens capricornus et urna
Qui tenet & pisces.
Dann m. s. XV auf Rasur in Maj. (es stand öfters dieselbe
Notiz, ist aber auch sonst ausradirt): Francisci • s • abadini Codex
liic est vale. f. 141 v wieder Recepte s. XIII.
S III 7
8° ch. XXIV et 281 foll. s. XV.
Auf dem Vorsetzblatt von m. s. XVI: Domitii Calderini Vero-
nensis 1 in Martialis Epigramata libri 14. | Eiusdem in Ibim
Ovidii. | Eiusdem in aliquot cieeronis eplas forte alterius autoris.
f. IT' Collecta /////////////// (domitii er.) sup eplas cieeronis ad
1 Macrob. ed. Eyssenhardt, p. 624. — 2 Ib. p. 641, 16. — n Chalcidii in
Timaeum Platonis prooemium ed. Wrobel, p. 3. — 4 Ib. p. 5.
1 Vgl. Voigt, Wiederbel. II 2 , 396.
Bibliotheca putrnm latinorum Hiapanicnsis.
241
lentulum: Argm prime eplae. Occupata Re pu ca opibus pompei
—. f. XXI' Vorrede zum Martialcommentar (r. Überschrift ge
tilgt) : Laurentio medici sal. In omni administrandae ciuitatis
genere — f. XXIV 1 ' et elaborata fuerunt. Zur Zeitbestimmung
kann dienen f. XXII V Cum superioribus diebus pontificum sufifra-
giis präesul florentinus declaratus eet — f. XXIII V idem efficere
studui supior triennio quo romae publica mercede docui in syllio
ciceroni siluis päpinii aliisque quos professi sumus scriptoribus.
f. 1 r beginnt der Martialcommentar: M Valerius Mar lis bispanus
fuit ex nobili oppido — f. 248 v aue galli. fine. f. 249 r collecta
in ouidii ibim | Quecunque de ouidio eins — f. 277 v et Dionysus.
tsXw? deo gras. Am Schlüsse ein Index. Die Handschrift scheint
ganz autograph zu sein.
S III 9
80 misc 112 foll.
f. l r unten: D Di 0 de M^. f. l r s. XV in. membr.: ma-
neries uerborum tarn personalium quam impersonalium. | Omne
itaque uerbum aut est personale—. f. 20 r s. X1II/XIV membr.
Priscianus de constructionc (m. s. XVI am unteren Rand f. 20 r
es de la primera arca) — f. 73 T gl'ari studet doctrine. (C Ex-
plicit priscianus minor über de constructione. (I Latls tibi sit
x qm über expücit iste | Poncius boc scripsit quod legitur in
supra dcis. | f. 74 r ch. s. XV: Donatus de partibus orationis
(Auszüge), f. 81 r Tbrenos in uictorinum ab oi bono discipulo
desideratum. Prima feltrensem studiosa pubes —. f. 82 r Versus
palauicini. | Victorine iaces feltrensis gloria gentis —. Ebenda
ohne Uebersclirift (2 Disticha): Usque sub extremis uixit sua
gloria terris. | f. 83 1 Donatus de oeto partibus orationis, am
Ende unvollständig.
f. 93 r m. s. XIV (unten D Di° de VifJ) m. rec., betitelt:
Gramatica antiqna. | Ianua sum rudibus primam cupientibus
artem — f. 106 v ceteras partes orationis in oratione.
Disce puer dum tempus babes dum sufficit etas
Transcit (sic) enim temps non iteranda dies.
Pinis. | f. 107 r Cum ego 1 cato animaduerterem quam plurimos
bomines — f. 112 r fecit me coniungere binos Finis.
1 Catonis plül. lib. ed. Hauthal (Berlin, 1869) p. 1.
Sitzunpshor. d. phil.-Hist. CI. CXII. Bd. I. Hft.
10
242
v. Hartei.
s III 10
80 259 foll.
Es sind zwei Handschriften. 1. f. 1—79 s. XV, in Italien
geschrieben, enthält Juvenalis. f. l r unten ein Wappen. 2. f. 80
— Schluss ch. s. XV, enthält Horaz und Persius. Auf dem
Pergamentvorsetzblatt m. s. XV ex. steht ausgestrichen: Marci
Aurelii hic über est, ausserdem: D Di 0 cle Die zweite
Seite dieses Vorsetzblattes (f. 80 T ) füllt ein Brief s. XV, dessen
Zeilenanfänge weggeschnitten sind:
]dnationes vras recurrimus. quo per continuä reru expientiam
cognouimus illas j> singu
]cundissimo animo amplecti. que gi’ata nobis esse intelügant
et potissime que scandala nro*t
]pater dns tue epüs & nunc patriarcha Venetus editum feeiss«;,
ne ciues nre copellos
]& dricias & nisi ad certarn mensuram sub excoicationis pena
fefe ("~aZ. m.) ////// auderent. Quod
]tü extitit secutu exinde est q> ciuiü nra% quedam uidentes conui-
cinas ciuitates. ab
jtatis licet huiusmodi lniam non hrent nec habilitatem & mo-
duih illam impetrandi. ea
Jpiculo. Et ppea nmlta oriuntur scandala. Quare q miis . f. vflis
attente et
]et pro errorib euitandis libeat apud süraitm pont intercedere
& supplicare &
Jpaterna pietate & clementia: dignetur lmiusmodi editum reuo-
care & uelle ut
]in (ex is) stricturis non sint obnoxie. sed ualeant libere et im-
pune pdea ornamenta
]in lioc profecto q" 10 . d. vre nob pmaxime complacebunt. Data
in nostro
]lv 10 .
S III 13
(TV A 22 VI H 11) 80 ch. (U foll. s. XV ex. '
In Spanien geschrieben, f. 1 r moderne Ueberschrift: Catonis
disticha | Cun aiaadu'terc 1 —. Das Werk beginnt f. 1 T Si deus
est animus — f. 8 r Mirat. u'bis nudis me escribere u'sus Hec
1 Cat. phil. lib. ed. Hauthal, p. 1.
Bibliotlieca patrum latinornm Hispaniensis.
243
breuitas facit. sensus iügere binos. Folgt ohne Ueher schläft :
Qartula nrä tibi mandat dilecte salutes Pauca videbis ibi set n’o
mea dona refutes (T Dulcia sunt anime so'lacia q t mado —-
f. 1G' (T Q tenebras nescit. mirique decore nistecit (sic) et cuicüq
datur signe (sic) fine bcatificatur | hoc tibi detmunus qui regnat
ternus et unus. Perficitur über contenti. | Incipitur über tbobie |
Ex agro 2 ueteri uirtutum semina mov Plantula iusticie pullulat
ampla seges — f. 63'' Ynic’ in trino sis beneditus (sic) amen.
Insontes 3 elegi dormite quiescite uob'
Conpacior ffesis inparitate pedum.
Explicit explicitum thobiam qj legit instet Tliobiam merito re-
gione (sic) sequi | Iste über es script’ j quis scripsit sit | bne-
diet’ Iobaiies | uocatur adno bne | dicatur amen. Iiie und da
finden sich in dem Gedichte spanische Glossen (vgl Esc. K III 24).
S III 16
40 min. m. 224 foll.
f. l r am unteren Rande: D Di° de Es sind vier
zusammengebundene Handschriften. 1. f. 1—95 Persius und. Ju-
venal s. XV. f. 95 r am Ende: Baptista de nigris de rima3° me
escripsit. 2. f. 100—176 Juvenalis und Persius s. XV. f. 176t
am Ende: Explicit obscurus per totum persius orbem.
8. f. 180—205 s. XIV. f. 180 r D. Di? de f. 181’' (r.)
Incipit über prudenti columbe de adam eua. | Eua 1 columba fuit
— f. 185 v Et potuit septem signacula pandere solus (blau) Ex
plicit über prudenti columbe. | f. 187 r Cartula nra tibi portat
rainalde salutes — f. 190 r celica sperat. Pauper amabilis et mise-
rabiüs — f. 193 r Hec tibi det munus qui regnat trinus et unus. |
Explicit über sancti bernardi. | Et est mei /////////// | Et Antonius
fecit miehi. Am. | f. 193 v Tres 2 leo naturas et tres lit inde figuras
— f. 198 v Cui si non alii placeant hec metra tebaldi (sic). |
a . m . b . n | Laus x Refferre gra D. A. D (?). B'°. | f. 194•' Etbio-
pum t'ras fervida toruit estas — f. 205 v Desine qd restat ne
desperacio ledat Explicit über Tbeodola (sic) 3 . Amen.
2 Matthaei Yind. Tobias ed. Mueldener, p. 19, vs. 1. — 3 Schluss des
Tobias vs. 2123.
1 Prudeutii Dittochaeon, p. 470 (Gl, 1075 M.). — 2 Hildeberti Cenom.
Physiologus 171, 1117—1124 M. — 3 Goldast, Man. bibl. (Francf. 1620).
16-'
244
v. Hartei.
4. f. 207 r fF. Pindarus Thebanus, ohne Titel beginnend: Iram
pande michi pellide diua superbi — f. 224 v Tuque faue cursu
uatis iam pliebe pacto. | (Hierauf zwei Zeilen ausradirt.) Explicit
über pindari (al. m. bomeri) Deo gras" An). | (r.) Explicit über
bomeri. Deo gras Am. | (achte.) :
Pindarus liunc secum trans pontmn uexit liomerum
Si licet argiuum dedit esse poeta latinum.
Pindarus b)inc librum fecit sectatus bomerum grecus bomerus
erat sed pindarus ipse latinus. Darauf eine Zeile ausradirt.
S III 19
80 m. 125 foll. s. XII ex.
Ovid’s Metamorphosen. Im XV. Jahrhundert wurden ergänzt
f. 97—106 (Rara per ignotus — bumeros rigentem 1 und. f. 123
bis 125 Quod petis bic — psagia uiuam. 2 Darauf ist eine Zeile
ausradirt. Explicit ouidius metamorpboseos deo gras. al. m.
Bell«« socii — uincitis anno. al. in. Hic ego qui iaceo 3 — ossa
cubant.
S III 22
80 ch. 92 foll. s. XV.
f. I T Albii Tibulli vita, welche mit dem Epitaphium schliesst.
f. III ist leer. f. 1—45 r enthält Tibull, schliessend Rumor acerbe
tace. 1 Finis.
f. 4G r Tres mibi bis denis ierant cum messibus anni
Cum scripsi carmen culte Tibulle tuum
Tristis eram: & leto uoluissem fundere uitam
Finire & longis tempora dura 2 maüs
Interdum sacris lenibam fata camonis
Fortunam uotis spe superante suis
Incautos Fallit sic nos inopina senectus
Albicat et canis, qui modo leuis erat
Sic bominum uariis errat gens inscia uotis
Sic ruit ad stygios irrita turba lacus
Quo magis erranti fas est ignoscere uates
Tristis erat dum te scriber* Aemilius
' Metam. XU, 600 — XIII, 913. — * Metam. XV, 637—879. — = Trist.
IH, 3, 73.
1 Tibull. IV, 14, 3. — 2 ducta in dem unten folgenden Epitaphium auf
Properz.
Bibliotheca patruni latinorura Hispaniensis.
245
f. 47 v Propertii vita ()Ris quoque blandi bettir (}) sex 3 — f. 40 1
beg. Properz — f. 91 1 ' assa (sic) uehuntur equis 4 (sic) | Finis |
Carmina quis potuit tuto legisse Tibulli
Yel tua cui' opus Cynthia sola fuit
Epitapliion
Ardoris nri magne poeta iaces
f. 02 r Infelix eadem nobis fortuna manebat
Qua sensit calamos Albius ante meos
Quum tua non letus scripsi monumenta properti
Hei milii quam dura conditione miser
Tres mihi bis denis ierant cum messibus anni
Omnia perpetuis tempora ducta malis
Una erat in tanto nobis medicina dolore
Quam dabat Aonia Calliopea lyra
Tristia tum gratis lenibam fata Camenis
Fallebatque suis spes quoque sepe dolis
Quo magis erranti fas est ignoscere vatis
Tristis erat dum te scriberet Aemilius.
S III 23
S« m. 118 füll. s. XI.
Terenz; rotlier Ledereinband. mit Rost. Die Quaternionen
sind von f. 50 ab bezeichnet., f. 114 v steht qr vii- f. 0—16 ist
ein Theil einer andern Handschrift, der ganz willkürlich dazwischen
gebunden ist: kleinstes 8° m. s. XII/XIII. Auf dem Schmutz
blatte m. s. XVI: Hie. Suritij. f. 1 s. XVjXVI: Lanzalotto und
unter Hie. Surite: A<\ii\v<\‘A.oiTto. f. 117 v und f. 118 v sind ara
bische Notizen eingeschrieben. Die hinteren Schmutzblätter f. 117
und 118 sind Theile einer Handschrift s. X, Metrisches enthaltend.
f. 117 r ist ganz ausradirt und s. XI darauf geschrieben Unu
queq. sic uocaü ds — in hoc maneat aput dm. f. 118 r ist allein
zum Theil noch lesbar, f. 0—16 zu einer andern Handschrift ge
hörig, enthält die Vita des Terentius: f. 9 r Terencius affricanus
fuit et deuicta cartagine a scipione roma ductus est cum aliis
eaptiuis — f. 9 T (T fecit prologum istum introducens callio-
pium ita loquentern: Poeta cü primü studiü suum ad boc appli-
3 Collega Schenkl verweist zum Verstiindniss dieses Anfangs der Vita in
scharfsinniger Weise auf Ovid, Tris(tia) 11,465: Invenies eadem blandi
praecepta Properti. — 4 Prop. V, 11, 102.
246
v. Hartei.
cuit ut scrif)et hac intentionem — f. 16 T (T Cu phedria no ueniret
q miserat tliais pgndo ad eü loquitur h secü. (I Tremo iä
corpore. Die eigentliche Handschrift beginnt f. l v Simo nuptias
se uelle celebrare simulabat serui illius eulogias ei detulerunt
et ministri quod unus quisque poterat quidam pisces etc. Es
sind Scholien zu Terenz; davon eine Probe von f. 3 r : daüus. Hie
Sc -i- simo dns hls ita loq.bat secü boc dauus ut simo possa
audire tarnen fingebat se se illü animadutere • isis • Ita pol qui-
i
dem est o lesbia itinere ego dum uenirent coeper simul loq de
pamphilo * glicerio qd animum suu pamphil'. timore patris
uellet aglicerio amouere. Tune lesbia dixit raro inueniri posse
si
uiru se'uatore fidei mulieri ( pmiss&. Ad qua misis modo rpdt.
ita ~ o lesbia ut audiuit simo. Ab andria est & li • i • ancilla ~
glicerii que uenit de andro Simo & dauus audiebant quo ille
due loq.bantur si ille n audiebät eos. In isis s’ liic pamphil’ in-
trupit etc. Schliesst in den Notizen zu Phormio f. 28 T Dauus
amicus sü pplaris geta. Hic introducit quendä fabrü noin dauu
loqnte secü. — in nupeiis filii dni sui. f. 29 und f. 30'' ab ent
hält in je vier Columnen auf der Seite Tironische Noten mit Inter-
pretament, wohl einige Capitel aus den Commentarii. f. 31 r (Maj.)
Terentii Afri uita incipit ] Terentius afer genere extitit ciu\
cartaginensis. Reütente autem scipione • r • deuicta cartagine &
intfecto annibale — f. 31 T & passibula uocat' uenit. uersus te-
rexcii Natus 1 in — cautus erit. Dann folgt das Argumentum zur
Andria: Sororem falso — charino ciuge. f. 32 r Terencius comi-
cus genere quidem extitit afer ciu' uero cartaginensis Scipione
autem remeante uictorie acartagine ad urbe romanä p’ inter-
fectione annibalis iste quicum multis aliis —. Es folgt Metri
sches, über Acte, Comoedia u. a. schliesslich auf die Andria hin
führend: & alloquebatur pplm inquiens Poeta cum primum —.
f. 35 steht das öfter vorkommende Wappen, ein Adler auf Gold
grund. f. 56 r (Schluss der Andria) ualete ego calliopius recen-
sui. Es folgt Eunuch, f. 79 r Heaut. (mit Argumentum in Maj.),
f. 100 v Adelphoe (postquam poeta sensit scripturam). Die Hand
schrift schliesst f. 115 v mit Syre accede liuc ad me libere sto
Syr bene facis.
1 Anth. lat. 734 E. (vgl. Umpfenbach, Terent. praef. p. XXV).
Bibliothcca patrum latinorum Hispaniensis.
247
S III 25
80 ra. 85 £611. s. XV. 1
Auf dem Vorsetzblatte steht: d. d. a. Rome die Iu. Ann.
1625. Folgt eine Rubrica. Ausonii Carmina. Die Graeca, für
welche freier Raum gelassen wurde, fehlen, f. I 1 ' (goldene und
blaue Maj.) Ausonii peonii (eoni in ras.) poete disertissimi
über primus incipit | Pkoebe potens numeris — f. 85 v Aemula
cecropias ars imitetur apes (r.) expliciunt ea ausonii fragmenta
(jup, inuidia cuncta corradens uetustas ad manus nras uenire
permisit. uale.
S III 27
(II 33 18. 21) 80 cl). 41 foil. a. 1453.
f. l r fr. Maj.) iulii frontini de aquae ductibus urbis über
primus incipit feliciter. | Cum omnis res ab imperatore delegata
— f. 32 v per oflfensas tueri prestitit finis (lila) Rome anno a
nat dni mccccl qnto per me Ioannem Vynck clericum colonien
dioc transcriptum feliciter. f. 14 r (r. Maj.) commentarius primus
explicit incipit secundus. | Persecutus ea — f. 35 r (r. Maj.)
incipit romanae urbis regionum breuis descripcio regio prima. 1
] Porta capena cötinet aede honoris — f. 41 r portas ■ xv ■ poste-
rulas xv- in circuitu uero eius sunt milia.
S III 29
in. 80 obl. 87 toll. s. XIII.
Schwarzer gepresster Ledereinband., am Rand mit vielen
Glossen und Scholien. Die Handschrift, enthält folgende Gedichte
Claudian’s (nach Gesner’s Zählung): Nr. 33, 34, 35, 36 (Incipit
•ui’- über — qualem p sompnia uidi = vs. 437), 2 (in rufinum
• i’- lib' incipit), 3, 5, 6, 7, 8, 11, 9, 10, 16, 17, 4, 15, 18, 19
20, 21, 22, 23, 24 (mit vs. 370 schliessend).
S III 30
80 m. 62 £611. s. XIII.
Hora tius , ars poetica, sermones, epistulae. Mit Noten in
rabbinischer Schrift.
1 Vgl. Ausonii opusc. ed. C. Schenkl, praef. p. XXVI.
1 Jordan, Topogr. d. St. Rom. II, S. 541.
248
v. Härtel.
T I 6
20 in. s. XIV.
Mit höchst interessanten Miniaturen: Buch der Spiele (Schach,
Puff, Mühle etc.) Ueberall sind die Spielenden und die Probleme
dargestellt; Trachten etc. maurisch.
T II 2
(II K 1 I D 4) 20 m. 168 füll. a. 1437.
Schöne italienische Handschrift. £ l 1 ' mit florentinischem
Miniaturrahmen, unten ein Wappen: Ein Baum auf goldenem,
schwarz umsäumtem Schild. In grünen Sammt gebunden. £ l r
(r. Maj.) m. t. c eplav ad acticum et primo ad m. brutum über
primus incipit felicitcr | Marcus tullius cicero bruto s. L. clo-
dius 1 tr. pl. — £ 168 r etiain atque etiarn rogo - fr. Maj.) m.
t. c. eplaru über • xv • et ultimus explicit. scriptus per me ioan-
nem andree de eolonia sub a a m ccccxxxvii. die n nouebv floren-
tiae vale felix —:
T II 4
(II K 7 I D 7) 20 m. 125 foll. s. XV.
£ 425 T m. s. XVI: orationes -m- tvi.lii c- Este libro es
de don Iuan de fonseca obpo de burgos Arcobpo de rosano
es de los que le dio pedro de guzrnan de los que uuo de sutio
don Ramirez de guzman obpo de Catania dio gelo en vallid
, , O
a. xv de nouj de m4 xmi (?) anos. In Italien geschrieben.
£ l r eine umrahmte Miniatur, unten ist das Wappen nicht aus-
gefüllt. Enthält Ciceros Reden, nach dem Index: Pro Pompeio,
M. Marcello, A. Ligario, Milone, Plancio, Sulla, M. Licinio et
Archia, Deiotaro, Cluentio, Quincio, Flaeo, pro suo reditu in
patriam, post redditüm in senatum, pridie quam iret in exiüum,
pro Sextio, Murena, domo sua, Celio, Cornelio, in Vatinium, de
responsis auruspicum (sic), de prouinciis consularibus, pro L.
Flaco, de petitione consulatus ad . . pro Roseio, in L. Pisionem,
contra Rullum, pro lege agraria, in Rutilium, pro C. Rabirio • n •,
pro Cecina.
1 Ciceronis ep. ad M. Brutum 1,1. — 2 Cic. epp. ad Att. XVI, 16 F.
Bibliotheca patrum latinorum Hispaniensis.
249
T II 5
(II B 7 III L 5) 20 oblong, m. 116 foll. a. 1484.
Horatius. Am Ende: (r.) antonius sinibalclus. flor'. | tran-
cripsit | pro | ill ,no ac i^” 10 Domino dno. Io. d aragonia • t t • S li •
| Hadryani. Presb 0 . Car 1 * | doctissimo | Florentie | anno dni Sri
ybu -x- MCCCCLXXXiin. Die Schrift stimmt durchaus; die Anfangs-
miniatur und die Initialen würde man eher ins s. XVI in. zu
setzen geneigt sein. f. 1 r ist durch schöne Miniatur im Renaissance
stil geschmückt: Pilaster, Laubgewinde, Putti, Satyren etc. Die erste
Initiale zeigt Iloraz lesend.
T II 6
(II A 3 III L 6) 20 ch. 203 foll. s. XV.
D Di" de Nachsetzblatt r m. s. XV: Nicolai Canalis
• q • dni B’tholoinei liic über est. Enthält Seruius in Aeneidem,
schliessend mit den Noten zu XII 952 ävSpsTYjia •/.«• vjßvjv (sic). Es
folgt (r. Maj.) mit ineinander geschriebenen Buchstaben: mauri seruii
doctissimi et clarissimi uiri incliti unieique poetae latini uirgilii
maronis mantuani libris aeneidos elegantissima et facundissima
explanatio foeliciter explicit -mcccclx- Es folgen schwarz und
rotli zweimal mit geringen Varianten: &c~zp Ijsyot ya.tpouscv iostv
-aotpiSa y.ai oi OyAatTeuovvs; iosTv Atpiva, iütw v.y.\ oi YpäsovTsq leih
ß'.ßXfeu T£A0C.
T II 7
(II B 8 III L 10) 20 m. 176 foll. s. XIV.
f. l r (r.) Publii Ouidii Nasonis Peligncnsis Metbamorpboseo 8
Liber prim’ incipit | In noua fort animus — f. 175 T presagia
uiuam (sic) \ d'o gras | Versus millenos bis sex in codice seriptos
or
Set ter quinque minus continet ouidius. (t De ebaos | De im
etatib’ | De gigantibs u. s. w. Index der 15 Bücher bis f. 176 T
De gleba in lioie3 | De aduentu esculapii in romam.
T n 8
20 in. 289 foll. s. XV.
Zwanzig Stücke des Plautus. Die ersten acht haben Epidicus
am Ende. f. 10 T findet sich m. s. XV die Bemerkung: In multis
codicib’ Aulularia octaua est. Auf dem Deckel v werden die letzten
zwölf Stücke m. s. XV als mea aetate inuentae bezeichnet.
250
v. Hartei.
T II 9
(II A 7 III L 11) 4» m. 209 foll. s. XIV.
f. l r am unteren Rande: D. Di 0 de Mit beachtens-
werthen Initialen. Enthält Virgil’'s Bucolica, Georgica und Aeneis.
f. 200 v schliesst: sub umbras. | Publii u'gilii maronis über Explicit
Deo gras. f. 207 r von anderer Hand s. XV: P. Virgilii maronis ma-
reti (a ex o) über icipit. Oattare 1 cuneas repetamus camine (sic)
noces. Es sind 99 Verse; sie schliessen f. 208 r mit Migrabunt caus
alia(sic) in copora rerum. f.209 r m. s. XV: Virgilius inecenati suo
salutem. Ruffum pomponium übertum tuum nouelle nidi — suus
est. Vale. Unten: M. m. antonio fradelo carissimo. Ein Theil
der Handschrift ist Palimpsest, die alte Schrift nicht viel älter
als die Handschrift. Am Rande viele Scholien.
T II 10
20 in. 205 foll. s. X ex.
Servius in Buc. Georg. Aen. f. 1 und 2 ([jucolica ut ferunt
inde — male enim quidam alegoriam uolunt') sind s. XIV er
gänzt, in demselben Jahrhundert wurden die alten Initialen der
einzelnen Bücher ausradirt und durch neue ersetzt. Sie ist der
anderen Serviushandschrift sehr ähnlich im äusseren Habitus.
Der Commentar schliesst f. 205 T im 12. Buche der Aeneis, in der
Interpretation von feile ueneni. 2
T II 11
(II A 8 III L 18) 20 m. 152 foll. s. XIV ex.
Vergil’s Aeneis. Den einzelnen Büchern sind die dem Ovid
zugeschriebenen Argumenta (ohne Erweiterung) vorgesetzt. Die
Handschrift ist durch goldene Initialen ausgezeichnet.
• T II 13
(III K 6 IID 20) 40 altior. in 59 foll. s. XIV ex.
D. Di 0 de 1. f. I 1 ' Cogitanti 1 michi sepe numero et
memoria uetera repetenti — f. 49 T me iprudenciä suscepisse
Explicit über marci tullii ciceronis de oratore. deo gras. f. 50
ist leer.
1 Verg. Dirae.
1 Servii comment, ed. Lion II, p. 95—98 ad Buc. vs. 5. — 2 Servii com-
raent. ed. Thilo II, p. 646 ad vs. 857.
1 Cicero de oratore.
Bibliotheca patrum latinorum Hispaniensis.
251
2. f. 51 r Studeo 2 mi pater latine ex te audire ea que michi
tu (m l del.) de ratione dicendi grece tradidisti si modo tibi est
occium 7 si uis. M. An est michi cicero qs (sic) ego mali qj
te qs — f. 59 v maius expecto. amen deo gras, amen deo gras.
T II 16
(III L 21 II C 21) 2» minor. ch. 1 Col. 73 füll. s. XV.
f. l r De doctrina mensae (moderne Ueberschrift) 1 :
Mense doctrinam da nb' dicere xpe
Da sursum donans obtima dona bonis —
f. 3 V (L Nec tergas dentes nee primo pocl'a temptes
Est über esplectus (sic) sit doctor niese replet’
Exit’ ostedit quo mudi gl'ia tedit
DEO GRAS
f. 4 1 ' Parua 2 pulex et amara lues iimica puellis — f. 5 r Et iam
nil mailet quam sibi se socium Explicit ouidius de doctrina
pulicis. f. 5 V ist leer. f. 6 r moderne Ueberschrift: Henri ei Im-
peratoris deploracio depositionis suo 3 | Quomodo sola sedet pro-
bitas flet et ingemit allef! ffacta vl’//// ut uidua que prius uxor
erat — f. 56 r Et legant hunc übrum/ qui docet p’dtä uitare. |
Ffinito libro sit laus et gl'ia xpo amen. f. 57 r Sepe lupus 4 qui-
dam p pascua lata uagantes Aripuit multas opilionis oues —•
f. 60 v (T Et male dilusum conpetit opiüo Explicit ouidi’ de lupo
deo gras (Z Ffinito libro sit laus güa xpo amen. f. 61 r ()it 5 deo
laus glia laus ? benedico iohanni pariter petro 7 laurencio Quos
misit trinitas in hoc naufragio Ne me pmitteret uti coniugio
(T Vxorem ducere — f. 68*' Post euuangelium ffinito nupco
ffinito libro sit laus glia xpo Amen. f. 68 T ()antica conponä
nüc in me tristia narrans Sum sic conuictus q> psallere suficit
arti (T Per longum tempus (Erzählung eines Traumes; es wechselt
Vers und Frage)'' — f. 73 r filioque unigenito suo atque spui
sancto optuli prout decet:—:—
2 Cicero de partitione oratoria dialogus.
1 Vgl. Escor. K III 24, f. 71. Knust verglich diesen von Jacob nach einer
Hamburger (?) Handschrift herausgegebenen Phagifacetus und fand noch
ein zweites Exemplar in einem Matritensis ohne Nummer. — 2 Ovi-
dius de pulice in Goldast’s Catalecta p. 75; vgl. Bartsch, Albrecht von
Halberstadt p. V. — 3 Henricus Septemmallensis (Sammarianus) ed. von
Fabricius bibl. m. ae. und Leyser, hist. poet. p. 453 ff. — 4 E. Voigt,
Kleine lat. Denkm. der Thiersage, S. 58. — 5 Vgl. J. Grimm, KI. Sehr.
III, 80. — 6 Incerti somnium amatorium (Knust).
252
v. Hartei.
t n 17
in. 4° 213 foll. s. X.
Servius zu Vergil’s Buc. Georg, und Aen. vollständig. Einzelne
Blätter sind s. XV ergänzt, nämlich f. 11—14, 19, 22, 44, 45,
68, 69, 144, 147, 150, 209, 228, 229.
T II 20
(II D 21 V K 1) 20 m. 103 foll. s. XV.
f. l r Florentiner Miniaturrahmen, Wappen nicht ausgefüllt.
Cogitanti 1 mihi saepenumero et memoria uetera repetenti per-
beati fuisse — f. 103 r animos nostros curamque laxemus finis :
foelix.
T II 21
(92) 40 m. 221 foll.
Es sind zwei Handschriften. 1. f. l r ff. Ciceronis epistolae
ad familiäres, 1. Col. s. XV in., scldiesst in einem Briefe an Tiro
abrupt f. 149 v naufragio piculu est. Incredibile.
2. f. 152 ff. hip. pag. a. 1373. f. 152 r (r.) incipit über
tranquilli (li ex ini) Suetonii de uita et moribus duodecim prin-
ciptim romanov cesav — f. 221 r b in sequentium principum. Ex-
plicit über xii' i ults suetonii Tranquilli de uita et moribus - xii •
principum scriptus octaua octobr -1373- idictoe n- (von pum
scriptus an von anderer Hand in Rasur, indem mindestens drei
Zeilen ausradirt sind), f. 221 v a ohne Titel Qesareos 1 ( pceres —
i r < iusta piacula freg.
T III 11
(II A 16 IV L 13) 40 m. 164 foll.
Es sind zwei Handschriften. 1. m. s. XIV/XV bip. pag.
Senecae tragoediae (nach einem modernen Index befinden sich
in ihr: Hercules furens, Tbyestes, Thebais, Edipus, Troades,
Medea, Agamemno, Octauia, Hercules Oetaeus. f. I 1 ' steht ein
Wappen, im oberen linken Felde vier Balken, im rechten ein Kreuz,
daneben ■ i - a •
2. (Alte Nummer 131) 61 ff. m. 1. Col. s. XV in. Terentii
Comoediae mit vielen Randbemerkungen, f. 61 unten: D Di°
de
1 Cicero de orat. I, 1.
1 Ausonii Caesares XXI, I—41 Sch.
BiblioLheca patrum latinornm Hispaniensis.
253
T III 12
(V K 24 III D 25) 40 m. 29 foll. s. XIV.
Annei lucii senece declamationum über. Diese Excerpte.
imfassen .9 Bücher; das erste beginnt: Exigitis 1 rem magis, das
letzte schliesst däpnatus est proditor malo inuentus.
T III 13
(II A 15 IV L 7) 2» minor. 217 foll.
Auf dem Vorsatzblatt: 131, undunten: D Di" de Es
sind zwei Handschriften. 1. f. 1 ff. ch. s. XV. Vergil’s Aeneis mit
Argumenten (das erste beginnt: Primus habet libicam —). f. 191 v
schliesst: sub umbras Deo gratias amen.
Anna 1 soror que me suspensam insomnia terrent
f. 192 r Fer*arie (sic) uellem dulces gustare pepones
At no pmitit pestis amara mihi
Hic über cari batiste et nenpe sodali
Rodigii nactus batista de stela quoqs uocatus
Qui scribit (it ex at) scribat semper cum domino uiuat.
2. f. 193 ff. 7nembr. et du s. XV. Cicero, Inuectiuae in Cati-
linam, f. 209 v Inuectiua salusti contra ciceronem, f. 211 v In-
vectiua oro t. cicerois contra salustium, f. 213 v Cic. pro Marco
Marcello (Diuturni sillentii 2 — f. 217 1 quod de ipo me sentio).
T III 14
(IV Ij 22 IV A 30) 80 ra. 237 foll. s. XV in.
Vergibs Bucolica, Georgien, Aeneis. Auf diese folgt f. 225 r
Mapbei uegbii eneidos über xm. | Turnus 1 ut —. f. 236 stehen
Argumente zu den drei Werken und dann zu den einzelnen Thailen
derselben (z. B. zu jeder Ecloge), und so auch zum 13. Buche
der Aeneis. f. 236 r (r.j
Qualis bucolicis quantus tellure domada
Eneidum fuerit vates lege carmina nra.
Auf das Argument zum 13. Buche (f. 237 v Conubium instaurat —)
folgt ipsius Virgilii epitaphium. Mantua mo 2 — rura duces |
(r.) Deo gratias.
1 Senecae Controv. I. praef., p. 57 Kiessl. (vgl. praef. p. VII).
1 Vgl. Aen. IV, 9. — 2 Cic. pro Marc. §. 1—32.
1 Maphei Vegii Laudensis opusc. sacra in der Magna bibl. patr. t. XV,
Coloniae 1622, p. 955 (vgl. G. Voigt, Wiederbel. II 2 , 41). — 2 Suetonii
rell. ed. Reiff, p. 53, IG, p. 63, 7; Wiener Stud. IV, 169.
254
v. Hartei.
T III 15
80 altior. m. IGO foll. s. XV.
Ciceroreden mit vorausgeschickten Argumenten. Inhalt der
Handschrift nach Index auf dem Vorsetzblatt: Pro Pompeio, pro
M. Marcelo (sic), pro Ligario, pro Milone, pro Deiotaro, eple
familiäres aliquot, de amicitia.
T III 16
(IV II 21 III D 9) 40 m. 149 foll. s. XV ex.
Ciceronis epp. ad familiäres. Die Handschrift gehörte wohl
einem Paul Bembus, wie Sclireibseleien vermuthen lassen: paulus
bembus fecit. paulus bembus. Auf dem zweiten Vorsetzblatt m.
s. XVI in.: Noti (sic) dieque legas si uis adisere librurn | Quis
hoc furtin rapiet uolumen.
T III 18
(V G 22 III D 17) 80 m. 235 foll.
Hs sind zwei Handschriften. 1. s. XV. f. l r Ciceronis orator
ad Brutum | Utrum difficilius —. f. 50 r Ciceronis Brutus |
Cum e cilicia decedens —. f. 118 v Topica | Maiores nos res —.
f. 137 r De fato | Quia que pertinent —. f. 152'' Ciceronis Aclia-
demico« über | In cumano nuper (mit feiner Initiale) — schliesst
schon f. 164 r fuit quadam facultate.
2. s. XIV f. 165 ff. ()tsi 1 negotiis familiaribus — f. 235 r
cosequemur exorcitationis Tulii Ciceronis ad Hereniü (sic)
rethorica. Explicit ciceronis opus: facundie maxime.
T III 23
(129 IV D 7 VI G 13) 80 ln, 137 foll.
Hs sind zwei Handschriften. 1. f. 1 ff. s. XV. f. I 1 ' unten:
D Di 0 de Cicero de Claris oratoribus. | f. 2 r ()um e cilicia
decedens Rliodum uenissem — f. 48 v operosa est aconcursatio
magis opportuno^.
2. f. 49 r ff. s. XIII. f. 50 am unteren Rande: D Di 0 De
Cicero de inuentione. f. 50 r ()epe et multum —• f. 97 r
i reliqs dicemus. Es folgt ohne Titel (vielleicht stand derselbe
auf einer jetzt ausradirten Zeile) dev Auctor ad, Herennium | ()tsi
negotiis familiaribus (f. 125 und 126 sind von späterer Hand
1 Auctor ad Herennium.
Bibliotheca patrum latinorum Hispaniensis.
255
ergänzt) — f. 133 r preceptionis dil'&entia csequamur exercita-
tionis. f. 133 v von anderer Hand: r. Explicit lib ttius Boetii
de locis dyaleticis. incipit quartus de locis rethoricis. ()i quis
operis 1 titulum diligen' examinato — f. 1.37 v topica a not)
translata conscripsimus expeditum est.
T III 25
ch. 80 165 foll. s. XIV/XV.
Titel von Bibliothekarshand: Rhetorica triplex incertorum
et Tabulq Laurentii de Aquilegia retliorice. 1
T III 26
(21 III n 26) 80 m. 30 foll. s. XV.
Priscianus Cesarien in xii. metra. P. Virgili. Die Hand
schrift ist Palimpsest. Darunter Tabellen mit arabischen Ziffern.
Vor- und Nachsetzblatt, auch abgeschabt, aber nicht beschrieben,
sind Tlieile einer Plautusliandschrift. Vorsetzblatt v : mercator
libanvs servvs. ()t demonstrate sunt mihi hasce edes.
V I 14
(III II 81) 20 m. bip. pag. 252 foll. s. XIV ex.
f. 252 r unten: ~ Hie. Surite:—; ebenda m. s. XVI: Es del
monesterio de Nuestra Senora de Aula dei de la Cartuxa.
Plinius, historia naturalis, schliesst: primum pondere (C Explicit
uolumen plinii secundi de naturali hystoria in quo continentur
libri tricesimi septimi in nomine patris 7. ti. spi. sa. Darauf
eine Handzeichnung mit Röthel und Tinte, einen Kapuziner dar
stellend. Der Anfang des zweiten Buches fehlt.
V III 1
(V K 2 II 1) 22) 2° minor. m. 103 foll. s. XV.
f. l r (ohne Titel) Antequam 1 de republica p. c. dicatn —
f. 103 r qui morte uicerunt.
V III 2
(II D 1 V K 6) 40 m . 260 foll. s. XV.
Es sind zwei Handschriften. 1. s. XV. f. I 1 ' befindet sich
eine Miniatur, darstellend fünf Männer, welche eine Unterredung
1 Boetii de differentiis top. 1. 4 (64, 1205 M.).
1 Vgl. Fabricius bibl. IV, 531 M.
1 Cic. or. Philipp. I, 1 — XV, 38.
256
v. H artel.
abhalten in einem Garten sitzend, einer, entfernt davon, schreibt
das Gehörte nach. Cogitanti 1 miclii sepenumero — f. 96 r laxe-
mus. f. 96 v Utrum 2 difficilius aut — bricht ab f. 126 1 ' me im-
prudentiam suscepisse. 2. f. 129 *' unten ein Wappen (wohl das
des Bischofs von Tarragon). f. 129 r De oratore | Cogitanti mihi
— f. 266 r laxemus (r. Maj.) Marci Tullii Ciceronis de Oratore
ad Quintum fratrem über tercius et idtimus feliciter finit.
Deo gratias | (r. Min.) Quinto Ianuarii Anno a natiuitate do-
mini • m • cccc • Q.uinquagesimo. Quinto. f. 266 v m. s. XV, wie
es scheint: liic über est archiepiscopi tarraconensis.
V III 3
(V K 4 II D 4) 2» ch. 155 foll. s. XIV/XV.
f. l r unten: D Di° de Nff,. f. l r m. t. c. epistolarum
Über primus incipit | m. t. c. sah publio lentulo ()go omni 1 of
ficio ac pocius etc. Enthält ausserordentlich viele Glossen, Cor-
recturen, Varianten, Scholien etc. Die Handschrift scheint bis
Cicero an Tiro (cum uehementer 2 tabellarios —) mit den übrigen
zu stimmen. Dieser Brief bricht ab mit: noluerint et quia sibi
noluit und es folgen f. 148 T Brutus an Cicero (particulam 3 lit-
terarum —). f. 150 Cicero an Octauius. Si per 4 tuas legiones
mihi — f. 151 v simul fugere decreui. Epla. b. fabricii et
Emilii cos. ro no % sup proditione scripta ad regem pirrum in
qua accusatur S3 quosdam timocares cui’ filii i miuio regi pocla
— necare. Nach der Adresse: ()os fl pro tuis iniuriis continuo
animo — si caueas iacebis | pirrus rex consuübus et pplo ro.
laudes grasqs scripsit captionesque omes quos secum liebat con
suübus restituit. deo et cunctis sanctis gras Amen Expliciunt. Es
folgt von gleichzeitiger,im äusseren Habitus etwas verschiedener Hand:
Cecilius Ciceroni. Quod t' 6 decedens pollicitus sum —. Celius
Ciceroni. Sane q 7 Iris -g. c- deiotari suinus commoti—. Cicero
Celio. Sj cur 8 (sic für Aedili curuü) sollicitus eqd eram de
rebus urbanis —. Celius Ciceroni. Non dum 11 sj acriter nos
tue —. Desgl. Pudet 10 me t‘ ofiteri —, desgl. Gratulor 11 t' affini-
1 Cic. de oratore 1,1. — 2 Cic. orator.
1 Cic. app. ad fam. 1,1. — 2 Ib. XVI, 21. — 3 Cic. ad Brut. I, 16. —
4 Cic. ad Octav. — 5 Gellius III 8, 8. — 0 Cic. epp. ad fam. VIII, 1.
— 7 Ib. VIII, 10. — 8 Ib. X, 12. — s ib. VIII, 11. — '0 Ib. VIII, 12.
— 11 Ib. VIII, 13. —
Bibliotheca patrum latinorum Hispaniensis.
257
täte uidi, desgl. Tanti 12 non fuit arsacem —, desgl. Et qn 13 tu
hoiem ineptiorem —, desgl. Ergo me 14 potius fuissj proficisci —,
desgl. Examinatus 16 sum —. Zwischen das letzte und vorletzte
Blatt, welche anschliessen, ist eines mit etwas anderer Schrift ein
geschoben f. 154 mit Brutus Attico. Scribis 10 mihi mirari cicero-
nem — sibi uoluit uale.
V m 4
(V K 5 I D 10} 40 m. et ch. 127 foll. s. XIV/XV.
f. l r Cicero, de off dis, 3 Bücher, f. 74 r paradoxa —
f. 82 r estimandi sunt. Marci Tullii Ciceronis über de para-
docbis explicit deo gratias. f. 82 T Cato brti auunculus dum in
senatu — f. 83 r propinquos aliquando (handelnd über die Ab
fassung der Paradoxa u. dgl.). 1 f. 83 T euicta Cartagine a maiore
scipione longo tempore post uenit — f. 84 v habeat ullum cum
uirtute comercium. fr.) Explicit Tullii über de paradochis deo
gras. f. 85 v Einleitung zu de senectute. f. 86 r Cicero de senec-
tute | 0 tite siquid ego adiuto —. f. 102 T Einleitung zu de ami-
citia, f. 103 r Cicero de amicitia. f. 120 r
Quenam 2 sürna boni? mens quae (quae ro 2 ) conscia recti
Pernicies homini q maxima? solus homo alter
Quis diues? qui nil cupiet. quis pauper auarus
Que dos matrone pulxima? uita pudica
Que casta est? de qua mentiri fama meretur
Quid sapientis opus? cum possit nolle nocere
Quid stulti jiprium? non posse et uelle nocere.
f. 121 r Liber annei lucii senece de quatuor uirtutibus. Quatuor 3
uirtutum species — f. 127 r contempnat ignauiam explicit deo
gratias. Die Handschrift ist sehr bemerkenswert wegen ihrer
Initialen: f. l r Cicero, f. 103 r eine Person in halbem Körper.
Die spitzenartigen Initialen gehören zu den feinsten, besonders
t. 121 r , 86 r , 51 r . Eigentümlich sind einige verzierte Unter
schriften von derselben Art, wie sie im 16. Jahrhundert üblich.
12 Ib. Vm, 14. — » Ib. VIII, 15. — «« Ib. VIII, 17. — Ib. VIII, 16.
— ,6 Cic. ad Brut. 17.
1 Wie es scheint, das Vorwort der Paradoxa. — 2 Hildeb. Cenom. earm.
129 (171, 1438 M.). — 3 Martini Dum. de formula honestae vitae (Sen.
ed. Haase III, p. 469, 1).
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. CXII. Bd. I. Hft. 17
258
v. Hartei.
V III 5
(III K 19 II D 3) 20 min. m. 255 foll. s. XV.
f. 1 *' Miniaturrahmen, die Wappenstelle nicht ausgefüllt.
Cicero ad familiäres, 16 Bücher.
V III 6
(V K 9 VA 27) 2° m. bip. pag. 240 foll. s. XIII ex.
Verschiedene Werke von Cicero, f. l r a (r.) Marcii tullii. lib'
incipit. introducens lucullum loquentem ad ortensium. | Magnum
ingenium lucii luculli — f. 12’b nos ad nauiculas nras descen-
dimus. al. m. Explicit liortensius. | f. 21 v (r.) Marci Tullii
ciceronis de natura deorum über primus incipit | Cum multe
res (res in ras.)—. f. 33 v a (r.) Incipit üb' secundus feüciter. |
Que cum —, f. 50 r b (Buch 4) Que cum balb’ — f. 59 v b uide-
retur esse propensior \ (r.) Marci tullii ciceronis de natura deo4
über t'cins explicit. | f. 60 r a (r.) M. T. C. über primus tuscu-
lana% qbnu ic-ipit | Cum defensionum—. Buch 5 schliesst f. 110 r b
alia nulla potuit inueniri leuatio. | (r.) explicit ti über tusculana*
qbnü (es folgt eine Bemerkung m. s. XV). f. 111 r (r.) M. T. C.
lib' siue explanato in thimeum pl'onis incipit. | Multa st a nobis
et in chademicis conscripta — f. 115 r b jcessu atg mun'e neq;
dabitur. | (r.) Explicit. M. T. C. disputato sr tbimeü platonis.
f. 117 r (r.) M. T. C. de legibj lib'. p'm’ incipit. Lucus quidem
ille —. Buch 3 schliesst f. 130 r a et id ipm que dicis specto.
f. 131 r a (r.) M. T. C. de finibus bono% et malo% lib' inci (inci
m l del.) primus incipit. | Non eram nescius —. Buch. 3 schliesst
f. 168 r a preximus oiiis. j Explicit tullius de finibus bonorum et
malorum. Deo gratias. f. 168 T a (r.) M. T. C. de diuinatione
über primus incipit | Vetus opinio est iam usque —. Buch 2
schliesst f. 188 T b cum esscnt dicta surreximus. f. 188 v b (r.)
M. T. C. über de fato incipit. | Quia pertinj ad mores — f. 292 r b
si uolunt oib? naturaüter. f. 192 T a (r.) Oratio tullii pro rege
deiotaro accusato super jidicione [ Cum in omnibus grauioribus
— f. 195 v a clemencie tue. f. 195 v a (m 2 s. XIV in ras.) oracio
Tullii pro marcho marcello de clemencia. | Diuturni silencii —
f. 197 v a accesserit. f. 197 v a (r.) Oratio tullii pro quinto liga-
rio. | Nouum crimen — f. 200 r a daturum. (r.) Explic j> quinto
ligario | Tullius post annum osulatus sui expulsus ab urbe re-
uocatus senatui Dgratulatur sic | Si pres • c • pro — f. 201 r b
ßibliotheca patrum latinornm Hispaniensis.
259
nichil. | (r.) Incipiunt inuecciones tullii //// in catilinam | Quous-
que tandem — f. 204 r a mattabis (sic), (r.) Incipit über secun-
dus. | Et tandm — f. 206 v a scel'e defendet. | (r.) Incipit über
tereius | Rem -p'- q'rites — f. 209 r a q'rites (r.) Incipit über
quartus. | Video p. c. — f. 211 r b possit. | (r.) Explicit oratio
tullii in catelina. f. 211 v a (r.) Philipicav. M'. tullii cic'onis lib'
p’m’ icipit. | Antequam de. re. p. — f. 214 r b reique. p. acces-
serit. | (r.) pbilipieav lib' p'm’ explic Incip' lib' scds. | Qm fato
meo — f. 223 r b m'eatur. | (r.) M' tullii cic'onis i senatu oro q>
r . t
huit an die • xm • kl. Ian’. pbilipicav lib' ff expüc. Incip lib'
t'ci’. | Serius oia — f. 226 T a censuerunt. | (r.) Explic lib'
t'cius. Incip* q L ‘rtus. | Freqntia nfm— f. 227' b libertatis exarsu-
mus (sic). | (r.) Marci tullii cic'onis. pliiüpica* I. im. explic. Darauf
ein Blatt leer. f. 229 r a m i am oberen Rand: assit principio sca
maria meo. | De fato * dignum est considerare quid est et in
quo —. Auf dem unteren Rande al. rn. s. XIII: (E In sigillo
a'< script erat quam sapiencior e qui ocltat sciam quam nouit/
quam ille q 1 r ])palat illa quam n nouit (I In sigillo plonis quam
> * CI
faciüus e mou’e qetul quam qetare motum. (C In sigillo soctis!
quam amic’ hois e sapiencia ei’. 7 iimicus eins stlticia ei’ —
f. 240 r a de fato et eo quam i nobis. Explicit.
V III 7
(V K 8 III D 1) 20 minor. cb. 88 foll. s. XV in.
Auf dem Vorsetzblatt r m. s. XV: Marci Aurelii bic über e.
f. l r am unteren Rande: D. Di 11 de Cicero, Tusculanae
Quaestiones.
V m 8
(VE! II D 5) 20 m. 120 foll. s. XV meä.
I
f. 1 r sehr feiner Miniaturrahmen. Der Wappenraum ist nicht
ausgefüllt, f. l r orator ad M. Brutum —. f. 42 r Brutus.
Cum e cilicia decedens rbodum — f. 98 r magis oportunorum
(am Rande m { : Parum deest). f. 98 r Partitiones Oratorie. f. 120 v
(r. Maj.) expliciunt partitionis oratorie marci tullii ciceronis
feliciter. Alter Einband mit Pressung: in der Mitte eine sitzende
Frau, in den vier Ecken ein Phönix.
17*
260
v. Hartei.
v in 9
(V K 10 IID 6) io ch. 227 foll.
Es sind drei Handschriften. 1. f. 1 r s. XV. Inc. Ciceronis
officioruin libri in — f. 101 v pceptisqs letabere. vale finis amen.
Hierauf folgt das Gedicht: Tullius 1 expertos — bonestum;
darauf:
Qui scripsit scribat semp cum dno uiuat
Viuat in celis bector (sic) bomo fidelis.
2. f. 107 ff. andere Handschrift hip. pag.: Inc. Tusculanae
quaestiones — f. 165 r a potuit inueniri leuatio M. Tullii Ciceronis
tusculanae questionum über feliciter explicit. Anno natis dni
o o a m
Millesimo cccc • 18 • Indctoe -ii- primo die mesis augusti. p me
andream de scto fldr exemplatus est. Deo gratias. Es folgt von
anderer Hand als Epitaphium Ciceronis eine Zusammenziehung
der Gedichte der Anth. lat. 605—607 (R.). f. 166 r a Maiores
nos res — f. 174'a no debita accedere (E Explicit Tbopica.
m. t. Ci. 3? me andream de scto flör opificata. | f. 175 r a (von
anderer Hand) ()tudeo mi pater latine ex te audire — f. 187 T b
nullum maius expecto Deo gras, marci tullii c. de ptitione artis
rhetorice ad filium c. über explicit. finitus xxx a die Marcii 1421.
3. Andere Handschrift hip. pag. s. XV in. f. 188 r zierliche
Einfassung und unten das Wappen von Petrus de Luna (Papst
Benedict XIII). Petrus de Luna, de consolatione uite humane.
Quoniam secundum aplm — f. 227 v a Explicit liber de consola-
cione theologie alias uite humane quem compilauit scissim’ Pater
dns petrus de luna quondam bhdict’ papa pp ipm compilatus e.
Valentinus est qui me scripsit.
V III 10
(V K 12 n D 10) 4« 152 foll.
Es sind zwei Handschriften. 1. f. 1 — f. 90. f. l r ()ogi-
tanti 1 — f. 86 v curamque laxemus | (Maj.) m. tulii ciceronis
de oratore liber explicit feheiter amen. (Min.) Die Iouis 2.
(Janua* in ras.) 1427 hora. 23". Ego Iohaes parentinus not i
iudex Ordinarius scripsi hunc tulium de oratore in domo magri
gulielmi poita supra angulo cimiterii heremitano« padue ad lau-
dem et gliam nois dei ei’que genetricis matris marie totiusque
1 Anth. lat. 784 R.
1 Cicero de oratore.
Bibliotheca patrum latinorura Hispaniensis.
261
curie triumphantis. amen. f. 88 und 89 enthalten m. s. XVI
in. zwei Verzeichnisse (italienisch): 1514 Extento de la heredita
de • d • dona Cristina Et p° p vin uenduto. che sono baij
quindixe araxo delivej etc. Später ein Posten aus dem Jahre 1515.
f. 89 r 1514 Spexe fate p noie de la heredita de ■ 3 • dona xna.
2. f. 91—105 s. XIV. f. 91 r am unteren Rande: D Di 0
de f. 91—98 merribr. f. 91 r ()rdo ratois expostulat ut
amicorum alter — f. 94 r Noblitas queque plus /////nne (drei
Buchstaben unlesbar) gp laudis degeiiantibus solet affere. Expli-
ciunt exordia (nach m. s. XVI: Exordia Guidonis fabri). 2 f. 94 r
Vsus ortogrophye (sic) | ()cce q vsus bt cedut sibi sepe sonantes
— f. 94 v ista tibi do | Expliciunt u'sus ortogropbie. Dann zwei
Notizen über Amicicia & Adullatio. f. 95 r moralitates in decretis
hee | Nemo p* accusari de eo — (scheint zu schliessen) f. 97 v
alter ad alt'm phs. 2° Ethyco% (am Rande: documenta) | Celu///
(s er.) est amor q nö patitur —. Bonoiam qre venisti pmeditare.
(Also wohl von einem Studenten s. XIV in Bologna geschrieben.)
Disce puer dft tps bes du suffic etas
Dampna fleo rerum sj plus fleo däpna die%
Quisqs p l reb^ succm’ere nemo diebj
Vt uer dat florem, flos fructum fructus odorem
Sic Studium morem ms sensum sensus honorem
Nullus inops sapiens u res i copia sensus
Si salamon pauper stultus ut alter eet
Vir bn vestitus j> uestibus esse pitus
Creditur amille lq 3 idiota sit ille
Qui (Si m 2 ) caret ( a m 2 ) ueste n c sit uestitus honeste
Nullius e laudis h L sciat ee q audit. I
f. 98 r a De gestis Ouidij dci nasois. Capta tya sic tdüt ystoie
cum Enea venit de frigia. qdä solepnis (sic, an Subnonensis?J.
q solepnem regioem a suo noie applauit de cuius regiois opido
piligno natus fuit ouidius naso cog°mie a magnitudine nasi
dictus —, 4 Diese Vita handelt zum Schlüsse über die Auffindung
2 Guido Faba, vgl. Rockinger, Briefsteller und Formelbiicher S. 177. Die
Exordia, welche auch der Vatic. 5107 bietet, scheinen nicht ediert zu sein.
— 3 Eine Abbreviatur, die Loewe als unverständlich nachzeichnete;
sie wiederholt sich im letzten Vers. — 4 Vgl. H. Cocheris, La vieille
ou les derniers amours d’Ovide, poeme fran^ais du XIV siede etc.
Paris, 1861, und H. St. Sedlmayer, Wien. Stud. VI, 143 ff., 145 Anm. 13.
262
v. Härtel.
des Gedichtes de vetula im Grabe Ovid’s zu Tomi: In capite
uero sepulcri capsella eburnea est inuenta et in ea über ipse
de vetula nulla vetustate consumptus. cuius litteras non agno-
scentes indigne eum miserunt constantinopolim vacacii principis
tpr. De cnius mandato leoni sacri palacii f pthonotario traditus
ca
est. 7 ipse eu plectü puuit (sic) 7 ad ml'ta climata d'riuauit. |
f. 98 T libri opilati p ouidium | Ouidius Epla«. itines vsus 3800 |
Ouidins d’ sine titulo 5 vs’ 2372 (es folgen die übrigen echten Ge
dichte) — 0’. de ybin. Vsus 642 | 0’. de vetula Vsus 2362 | O’.
de pulice. Vsus 34. | 0’. de sotupno. Vsus 46 | 0’. de senec-
tute Vsus (die Zahl fehlt) | 0’. de nuce. 6 200 (dann vier Zeilen
bis auf 0’. nicht ausgefüllt), f. 98 r b Ovidiu’. de puelis. 7 Vsus
404 | 0’. de medicamine faciei. V. 100 | 0’. de pbilomena v. 72 |
0’. de rebus (sic). Vsus *44 (eine Ziffer verwischt oder ausgelöscht) \
0’. de ludo. Vsus 80 | O’. de cuculo. Vsus 54 | O’. de vino.
Vsus (die Zahl fehlt) \ 0’. de medicaie aurium. V. 28 8 | 0’.
de quatuor buoribus. !l V (die Zahl fehlt) | 0’. de osea et cionea.
V. 48 | 0’. de* (s er.) distributione midierum. V. 44 | O’. de
libro iouis. Vsus * (1 er.) 91 | 0’. de schacbis. 10 V. 32 | O'. de mira-
bifibus niundi. V. 118 (die folgenden vier Zeilen bis auf 0’. nicht
ausgefüllt), libri opillati p uirgiliu | (die folgenden 11 Zeilen von
anderer Hand) Primus est unus über non hns titulum et incipit |
Copia sitilca 11 caput greca redimita mitella | Crisbu sub crocalo
docta mouere lacus (sic) | Scdus est et non | Tercius de consti
tutione uiri boni | Quartus de triplici rosarum expansione |
f. 98 v b Quintus de confectione moreti | Sextus priapeia | Septi-
or
mus bucolica | Octauus Georgica et continet im libros | Nonus
Eneis et continet xii libros | Libri opilati p tulium | Tubus de
ofbciis | de supliciis | philipica | yconomica | frumentaria | Re-
toricba | Oro .fcio (sic) | Oro f p valerio | de senectute | de rebus
5 D. h. die Amores; vgl. Sedlmayer, S. 147. — 6 Die Nux hat 182 Verse.
— 7 Bei Fabricius, der den Anfang abdruckt, über trium puellarum.
— 8 21 Verse im Neapolitanum Nr. CCLXI. Vgl. A. Kunz, P. Ovidii
N. libellus de med. faciei. Vindob. 1881, S. 11. Es steht auch im Ottob.
3325, Vat. 5367 und sonst. — 9 Sedlmayer a. a. O. 149; vgl. Esc.
or
N III 17 f. 98 v im Capitelindex zum über Galieni: de //// humoribus
qualiter aegros faciunt. — 10 Findet sich auch im Neap. m. LVII,
Vatic. 5106 und VII, 7 der Nationalbibl. in Florenz. — 11 Copa Syrisca
caput Anfang des Ged. Copa.
Bibliotheca patrum latinorum Hispaniensis.
263
rustici siue de agricultura, | Vine | aratrum | oro ciceronis j> mi-
ca
lone | ofo Roscio | Oro r p plancio | Oro jj scauro | De re pu. |
De sigs | De ptua vrbana j De ptua ceciliensi | oro c p cornelio |
oro r p vareno | oro ( p celio | ofo f p ceeina. f. 99 r (von hier ab
Papier) eine Ars dictandi. f. 104 1 ' et non iubsus et iubsurus
explicit ortographya mag 1 venture de bergamo (E Temporibus
partä furtiuis ortographya (I Accipe de calamo bartole digne
prior. Es folgt iceiteres Orthographisches — f. 105 r meliore ma-
rito Ne sit opus vanum, bartole pone manum. | f. 107 r a m. dl.
Parisius de althedo, Ortbographia (dieser Theil der Handschrift
ist bip. pag.) — f. 115 v a Orto completa iam sistat pena graphya
i
Laus tibi sit leta ugo genitrixque maria. am. f. 117 r ff. Rheto-
rica Aristotelis interprete Guillielmo. f. 152 5 wohl Besitzernotiz
s. XIV in. zum Theile abgeschnitten; lesbar sind die Buchstaben:
i t ? i t i
Paaimn . . . untatis Lojoulis.
V III 11
(V K 11 II D 7) 40 ch. 263 foll. s. XV in.
Ciceronis Rhetorica uetus. f. 2 r Sepe 1 et multum -—. f. 86 r
()ad honorem dne retborice f p longitate euitanda —. f. 97 r ()tsi 2
///// negociis familiaribus—. f. 241 r nach dem Index: Anonymi
ars litterarum conseribendarum. Qononie // natus natali studet
urbe —.
v in 12
(V K 13 1ID 18) '10 m . 199 foll. s. XV in.
f. l r unten ein Wappen (unklar), darunter zwei Initialen.
Die zweite ist u. Enthält Cicero ad familiäres (16 Bücher).
V III 13
(V K 14 IID 9) 20 räinor. in. 198 foll. s. XV.
f. l r Wappen nicht ausgefüllt, f. l r m. t. ciceronis episto-
larum über primus incipit ad lentulum lege feliciter. vale, j Ego
omni 1 officio — f. 198 v uidero disuiabor (sic), vale, finis. y.at
xsAb; (sic), (r. m t ) Siluester ex antiqua prole pisanorum natus j san-
guine palmiero-7 cretus bas eplas scripsit -:—. Nach einem grossen
Spatium (schw.): Siluester pisanus genere palmierorum natus bas
Tullianas epistulas sibi ipsi scripsit vale. Wieder nach einem
1 Cie. de inventione 1. I, 1. — 2 Cic. ad Heremiium 1. I, 1.
1 Cic. epp. ad fam. I, 1.
264
v. Hartei.
grossen Spatium: Siluester pisanus genere palmierorum natus
bas Tullianas epistolas sibi ipsi scripsit. Vale.
v m 14
(V K 15 1ID 12) 40 rn. 213 foll. s. XIV.
f. l r am unteren Rande: D Di 0 de f. l r Qicero
creatus p'tor romanus in sequenti ordne q pompeiana appellatur
duo psuadere nititur ppl'o. ro. seu quiritibus ap quos nunc primo
uidetur orandi locum atque aditum habuisse — Pro pompeio |
Quam quam micbi —. In ähnlicher Weise gehen im Verlaufe der
Handschrift Argumente den Reden voraus. Das der Miloniana
i
z. B. beginnt f. 8 V Qitus annius Millo ciuis romanus s infestis-
simum et inimicissimum Eomanum ciuem —. Es folgen f. 9 V
pro Milone, f. 21 l ' pro Plantio, f. 34 r pro Silla, f. 44 r pro Archia,
f. 48 T pro Marcello, f. 52 v pro Ligario, f. 56 r pro Deiotaro,
f. 61 r oratio regraciatiua de eius reuocatione ab exilio ([]i pres
oscripti pro uris —), f. 66 v oratio purgatiua criminis exilii sui
ad populum ([]uod precatus a Ioue —), f. 70 r pro domo, f. 87 r
pro Celio, f. 96’ pro Cornelio, f. 104 v c. Vatinium, f. 108 1 ' de
aruspicum responso, f. 116 r de prouinciis sortiendis, f. 122 T pro
Cluencio, f. 141 T pro Quintio, f. 150 v pro lucio flaco, f. 161 r pro
se ad senatum et ad milites, f. 163 v pro sextio, f. 175 r pro
murena, f. 188 v eomentariü petitionis osulatus ad Q frem, abrupt
schliessend f. 193 v aut nil ualeat bec sunt que puta. f. 194 r
(andere Hand und anderes Pergament) pro Aulo Cecina, f. 206 r
pro Sextio Roscio, abrupt schliessend f. 213 T in lionore et in
pretio. et iam nunc ul
V III 15
(V K 17 U D 11) 8« altior. ch. 219 foll. a. 1468.
f. l r unten: D Di 0 de Auf einem Nachsetzblatt ältere
Besitzernotiz s. XV (zweimal): Iste über est ////. f. l r (r.) Marci
Tulii Ciceronis oratorum eloquentissimi epistolarum ad publium
lentulum über primus incipit foeliciter. | Ego omni 1 officio ac
potius — f. 219 v in medio foro uidero dissamabor (sic) mea ama
val. | (r.) MArci Tullii Ciceronis eplarum ad Lentulu suum
über. xvi. explicitur. Deo laus. Venetiis p me -iq- m • cccclxviii
die xvi. Julii hora uero -xv- | (al. m. schw.) ~ rfuis —
1 Cic. epp. ad fam. 1, 1.
Bibliotheca patrum latinoruro Hispaniensis.
265
V III 16
(V K 18 III D 2) 80 altior. ra. 84 foll. s. XV.
f. I 1 ' Umrahmte Miniatur, unten ein Wappen. Ciceronis de
ofßciis lihri III.
v in 17
(V K 20 HD 14) 40 m. 250 foll. s. XV (etwa Mitte).
Es sind zicei Handschriften. 1. f. 1 r Cicero de oratore.
Cogitanti — f. 160 r animos nostros curamque laxemus. | (Maj.)
m. tulli ciceronis de oratore über tertius explicit. lege feliciter.
2. f. 161—250. f. 161 r m. t. c. orator incipit feliciter. | Utrum
difficilius aut maius esset negare -— f. 250 r si operosa esta (sic)
concursatio magis oportuno*. fixis.
V III 18
(V K 19 III D 3) 80 maior. m. 126 foll. a. 1461.
f. l r ein hübscher Miniatur rahmen (r. Maj.): marci tullii
ciceronis de finibus bonorum et malorum über incipit lege eum
feliciter | Non eram nescius — f. 125 v porreximus omnes (r. Maj.)
m. t. c. de finibus bönorum ct malorum über quintus et ultimus
explicit feliciter. laus deo. f. 126 r (r. und schw. Maj.) gherar-
dus cerasius ciuis florentinus hunc librum manu propria scripsit
• • . . . O o o
in ciuitate norentie anno domim m • cccclxi • de mense aprelis
et maij.
V III 19
(IV K 12 II D 15) 40 m. 132 foll. s. XV.
Es sind zwei Handschriften. 1. s. XV. f. 1 r Cicero ad
Herennium | Etsi negociis — f. 38 r consequemur exercitationis.
2. s. XV in. f. 39 1 ' am unteren Rand: D Di 0 de f- 39 r
(r. Maj.) principis eloquentie marci tiülii ciceronis de oratore
über primus feliciter incipit | Cogitanti — f. 132 1 curamque
laxemus | (Maj.) m tullii ciceronis de oratore über tertius explicit
feliciter. | (r. Maj.) de oratore opus ciceronis nobilissimum explicit.
V III 20
(V K 22) 40 m. 205 foll.
Vorsetzblatt: D Di 0 de Es sind zwei Handschriften.
1. Cicero, epistolae ad familiäres, beginnend mit dem Briefe an
Lentulus: Ego omni — f. 166 v dissauiabor. me ama. vale M. Tullii
Ciceronis Eplaru über xvi explicit ac tote eple scripte p me
G. A. facto fine xvi Augusti Anni mcccc i.v fec. sit xthoc
lavs deo. 2. f. 168 — Schluss s. XIV: De eonscribendis epistolis:
QAlutatio sine mentis intentio —abrupt schliessend f. 205 v Con-
tulit e' tres uncias auri annuas dillecto sotio nro pbro 1. qb?
bo. ptecesor (sic), f. 168 r unten fast ganz weggeschnitten: D Di 0
de
V ni 21
(III D 5 K 13?) 80 altior. m. 184 foll.
Es sind zicei Handschriften. 1. s. XV. f. 1 r unten ein Wappen.
Auf goldenem Grunde ein schwarzer Löwe und ein rother Balken.
Cicero, Tusculanae Quaestiones, 5 Bücher. 2. f. 115 — Schluss
s. XIV: Aristotelis Etbica | Omnis ars et omnis doctrina —.
f. 116 r unten: D Di 0 de M^_.
V III 22
(IV K 19) 80 maior. in. 123 foll. s. XV.
Cicero, Tusculanae Quaestiones.
V in 23
(IV K 23 III D 13) 80 m. 253 foll. s. SV.
Es sind zwei Handschriften. 1. Enthält nach dem voraus
geschickten Index folgende Reden Cicero’s: pro Pompe io, M. Mar
celo, Ligario, Deiotaro, Millone, Archia, Plantio, pridie quam
iret in exilium, in Vatinium, pro suo redditu ab exilio. 2. f.
145 ff. Ciceronis Orationes Philippicae, schliessend f. 251 v qui
morte uicerunt. deo gratias referamus. explicit | (r.) marci tulii
ciceronis eloquentie mein- f. 252 r oria laudabilis ad sepulcrum:
Hic iacet 1 arpinas manibus tumulatus amici — f. 253 r Seruitio
pressam destituit patriam.
Z IV 5
8° m. s. XIV in.
Titel: Grammaticalia latina.
1 Anth. 1. 603—614.
N ach trüge.
f III li. Die Argumente zu Statius Thebais, die ich in den mir hier
zugänglichen Ausgaben nicht nachiveisen konnte, fand Herr Dr. Moritz Krohn
nachträglich in der Ausg. Venet. per Jo. Petr, de Quarengis Bergomensem
1498 die XV. Jan.
VII. SITZUNG VOM 3. MÄRZ 1886.
Das k. und k. Ministerium des Aeussern übermittelt die
dritte Lieferung des ersten Theiles des holländisch-chinesischen
Wörterbuches von Schlegel.
Das c. M. Herr Professor Dr. von Luschin-Ebengreuth
in Graz übersendet die zweite und dritte Abtheilung eines
Separatabdruckes seiner rechts- und culturgeschichtlichen Stu
dien : ,Oesterreicher an italienischen Universitäten zur Zeit der
Reception des römischen Rechtes'.
Laut einer der kais. Akademie gewordenen Mittheilung
hat Se. Majestät der König Oskar II. von Schweden und Nor
wegen zwei Preise gestiftet für die besten Arbeiten über zwei
orientalische Themata: 1. ,Geschichte der semitischen Sprachen'
und 2. ,Darstellung des Culturzustandes der Araber vor Mo
hammed'.
Die Kirchenväter-Commission legt den im Druck vollen
deten XIV. Band des ,Corpus scriptorum ecclesiasticorum lati-
norum', enthaltend die Werke des Lucifer Calaritanus in der
Bearbeitung des w. M. Herrn Wilhelm Ritter von Hartei vor.
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Ackerbau-Ministerium, k. k.: Statistisches Jahrbuch für 1883. II. Heft.
Wien, 1885; 8».
Berlin, Universität: Akademische Schriften pro 1883—1885.
Christiania, königlich norwegische Universitäts-Bibliothek: Norges gamle
Love indtil 1387. 4 d0 Bind. Christiania, 1885; 4°.
Faculte des Lettres de Bordeaux: Annales. 2 e serie, No. 3, 1885. Paris,
1885; 8°.
Gelehrten-Gesellschaft, serbische: Glasuik. Kniha 63. Belgrad, 1885; 8°.
Gesellschaft, königliche für nordische Alterthumskunde: Aarbijiger for
Nordisk Oldkyndiglied og Historie. 1885. 4 Hefte. Kjijibenhavn; 8°.
Tillaeg til Aarbijiger for Nordisk Oldkyndighed og Historie. Aargang
1885. Kjijibenhavn, 1886; 8°.
—- kaiserlich russische geographische: Berichte. Tome XXI, 1885, Nr. 6.
St. Petersburg, 1886; 8°.
Mittheilungen aus Justus Perthes’ geographischer Anstalt von Dr. A. Peter
mann. XXXII. Band, 1886. II. Gotha; 4°.
Rostock, Universität: Akademische Schriften pro 1884—1885. 25 Stücke
4° und 8°.
Society, the Asiatic of Bengal: Bibliotheca Indica. N. S. Nrs 541—560.
Calcutta, 1885—1886; 4° und 8°.
— the Royal Asiatic: Journal of the China Braneh. N. S. Vol. XX, Nr. 4.
London, 1886; 8°.
— American oriental: Proceedings at New-York, October 1885. New-
York; 8".
Verein für Hamburgische Geschichte: Mittheilungen. VIII. Jahrgang 1885.
Hamburg, 1886; 8°.
Wissenschaftlicher Club in Wien: Monatsblätter. VII. Jahrgang, Nr. 5.
und ausserordentliche Beilage Nr. II nebst Jahresbericht für 1885 bis
1886. X. Vereinsjahr. Wien, 1886; 8°.
Stöber. Quellenstudien zum Laurentianischen Schisma.
269
Quellenstudien zum Laurentianischen Schisma
(498 — 514).
Von
Phil. Dr. Fritz Stöber.
Vorliegende Arbeit ist unter der Einwirkung des bei
gedrängtester Kürze zugleich inhaltsreichen und klärenden Auf
satzes von Friedrich Vogel: Die römische Kirchensynode von
502 (in v. Sybel’s Hist. Zeitschrift 50, 400—412) entstanden.
In der genannten Studie wird ein neues, von den bisher ent
worfenen durchaus differirendes chronologisches System für die
Ereignisse des Laurentianischen Schisma entwickelt und gezeigt,
dass die sämmtlichen, bisher zwei verschiedenen Jahren — 501
und 502 — zugetheilten Synodalversammlungen ausschliesslich
dem Consulatjahre des jüngeren Avienus (502) zuzuweisen sind.
Auf Grundlage dieses neuen, in allen Punkten nachgeprüften
und als wohlbegründet erkannten Systemes soll im Folgenden
die Reconstruction der so bedeutungsvollen Ereignisse des
Schisma versucht werden. Da wir an wenigen Punkten der
älteren mittelalterlichen Geschichte ein so reichhaltiges Quellen
material für historische Zwecke zu verwerthen in der Lage sind,
so schien die Aufgabe lockend, dieses Quellenmaterial, echt
zeitgenössisch und den Stempel entschiedener Parteidarstellung
an sich tragend, in seinen wechselseitigen Beziehungen, viel
fältigen Gesichtspunkten, widerspruchsvollen Tendenzen zu
untersuchen und damit ein Bild der Zeit und ihrer charakte
ristischen Strömungen zu gewinnen. An mehreren Stellen
bot sich zugleich die Gelegenheit dar, auf Vogel’s eigentlichen
Gegenstand, die chronologische Frage, zurückzukommen, seine
Argumente zu unterstützen und zu ergänzen.
270
Stöber.
Zum Schlüsse ist es dem Verfasser eine angenehme Pflicht,
dem hochwürdigsten Domcapitel zu Cüln für die liberale Ueber-
sendung des werthvollen Cülner Codex 212 nach Wien öffent
lich seinen ergebensten Dank abzustatten.
I. Die Vita Symniaclii int Liber Pontißcalis und uer
Anonymus Blanchinianus.
Die wichtigsten unter den über die Periode des Lauren-
tianischen Schisma überlieferten Quellendarstellungen sind uns
in den beiden Lebensbeschreibungen des Papstes Symmachus,
als Theile der unter dem Namen des Liber pontificalis (= L. p.)
bekannten und verbreiteten Sammlung von Papstbiographien 1
überliefert. Der älteste Rest einer derartigen Collection wird
durch den nur fragmentarisch auf uns gekommenen Codex
XXII der Veroneser Capitularbibliothek s. VI' 2 repräsentirt.
Der noch erhaltene Theil der Handschrift beginnt mitten in
einem der zum Schlusstheil der Vita Anastasii II (49ß — 498)
gehörigen Sätze, worauf dann die Vita des Papstes Symmachus
(498—514) in ihrem ganzen Umfange und ein Katalog der fol
genden Päpste bis auf Vigilius (f 555) mit Angabe der Namen
und der Pontificatsdauer sich anschliessen. Da die Päpste von
Symmachus bis Vigilius in der Handschrift mit den Nummern
52 bis 60 bezeichnet sind, wird ersichtlich, dass in dem Frag
ment das Ende einer vollständigen Sammlung von Papstbiogra
phien vorliegt; die Sammlung war, wie Abbe Duchesne unter
Berücksichtigung von Grösse und Dichtigkeit der Schrift be
rechnet, 3 erheblich kürzer als die übrigen, heute noch erhal-
1 Früher irrthümlich als Werk des Anastasius Bibliothecarius betrachtet
und betitelt; Ausgaben: Job. Vignolius: Liber Pontificalis,(Romae, 1724);
Migne: Cursus patrologiae latinae tom. 127, 128; neuestens eine kriti
sche Ausgabe von Abbd L. Duchesne in der Bibliotlieque des ecoles
fran^aises d’Athenes et de Rome, 2 feme sdrie, III, 1. 2, seit Juli 1884 im
Erscheinen begriffen (Paris, Thorin).
2 Nach dem Urtheil Duchesne’s ins 6. Jahrhundert gehörig; die Handschrift
soll nach Cav. de Rossi (bei Duchesne p. 43) mit dem im Jahre 517
geschriebenen Veroneser Codex (des Lector Ursicinus) verwandten Schrift
charakter aufweisen.
3 Duchesne, Introduction p. XXXI.
Quellenstudien zum Laurentiunisdien Schisma.
271
tenen, vollständigen Recensionen des eigentlich sogenannten
L. p. Auch bringt der Vergleich des Fragmentes im Veroneser
Codex (An. Bl.) 1 mit diesen im engeren Sinne als L. p. be-
zeichneten Textesformen formell wie inhaltlich sehr bedeutende
Gegensätze an den Tag. Formell, denn von dem präcisen, for
melhaften Charakter des L. p. hebt sich die freiere Stilisirung
des An. Bl. scharf ab; 2 inhaltlich, denn die Papstleben Anasta
sius II. und Symmachus’ geben von einem der Auffassung des
L. p. durchaus entgegenstehenden Parteisinn Kunde. Für die
Zeit der Bildung und Entstehung dieser Sammlung bieten sich
begrenzende Momente in dem hohen Alter der Handschrift
und in dem Abschluss des Papstkataloges mit Vigilius (555)
dar. Die über Laurentius und Symmachus handelnde Partie
kann sogar mit Rücksicht auf den in derselben unverkennbar
ausgeprägten Parteicharakter als wesentlich gleichzeitig mit
den geschilderten Ereignissen selbst angenommen werden. Da
in der Notiz über Anastasius der kirchliche Zwiespalt zwischen
Rom und Byzanz in Folge des Acacianischen Schisma als noch
immer fortbestehend bezeichnet wird, 3 so sind wir berechtigt,
den betreffenden Theil der Darstellung oder doch dessen Grund
lage mit Duchesne noch vor das Jahr 519 4 zurückzuversetzen.
Viel weniger feststehend ist die zeitliche Fixirung des
eigentlichen L. p. in seinen verschiedenen Textesformen. Denn
da uns diese Sammlung in verhältnissmässig jüngeren Codices
— frühestens des 8. und 9. Jahrhunderts — überliefert ist,
sind wir für die Bestimmung der Abfassungszeit lediglich auf
die Hilfsmittel der inneren Kritik angewiesen. Abbe Duchesne
hat in seiner Etüde sur le über pontificalis, 5 wie in der Ein
leitung seiner Ausgabe eine Anzahl sehr beachtenswerther
1 Nach dem ersten Herausgeber Josef Bianchini: Anastasius Bibliotliecarius
(Romae, 1735) 4, 69 gewöhnlich als Anonymus Blanchinianus (= An.
Bl.) bezeichnet; neueste handschriftlich genaue Wiedergabe in der Aus
gabe des L. p. von Duchesne p. 43 ff.
2 Duchesne p. XXXI.
3 inaniter hactenus inter ecclesias Orientis et Italiae tarn Schisma nefa-
rium perdurare . . .
4 Kurze Zeit nach dem Regierungsantritt des Kaisers Justinus zu Ostern
des Jahres 519 wurde die Aussöhnung durch eine officielle Feier in
G'onstantinopel zum Ausdruck gebracht.
5 Bibi, des ecoles franc^aises d’At.henes et de Rome. Paris, 1877.
272
Stöbe r.
Momente beigebracht, durch welche die erste Entstehung des
L. p. in den Zeiten des Laurentianischen Schisma oder in der
nächsten Folgezeit erwiesen werden soll; der L. p. zeige sich
ebenso wie An. Bl. als zeitgenössische Parteidarstellung, nur
eben mit den dem An. Bl. direct entgegengesetzten Syrnrna-
chianischen Ueberzeugungen und Tendenzen durchdrungen. Ge
gen Duchesne’s Annahme ist von Seite hervorragender deutscher
Forscher, namentlich von G. Waitz, Einspruch erhoben worden, 1
durch welchen indess nicht so sehr die Hypothese von der
Entstehung des L. p. in den ersten Jahrzehnten des sechsten
Jahrhunderts widerlegt, als der Möglichkeit einer Reconstruction
der Urform des L. p. aus den handschriftlich vorliegenden
Texten entgegengetreten wird. Die Annahme, dass den heute
zu Gebote stehenden Textesformen ältere, zeitgenössische Be
richte zu Grunde liegen, wird auch von den deutschen Forschern
keineswegs ausgeschlossen und nur über den Zeitpunkt der
endgiltigen Sammlung und zusammenfassenden Gestaltung be
wegt sich vornehmlich der kritische Streit. 2 Für die Zwecke
dieser Abhandlung kömmt es zuvörderst auf die Verwerthung
der in An. Bl. und L. p. enthaltenen Angaben über Symmaclius
und Laurentius an, und der ausgesprochene Parteicharakter
dieser Erzählungen in beiden Quellen wird es kaum zweifelhaft
bleiben lassen, dass dieselben mindestens über einem Kerne
gleichzeitiger Aufzeichnungen sich gebildet haben. Ferner dürfte
im Anschluss an Duchesne’s Untersuchungen zugestanden werden,
dass der auf das Schisma bezüglichen Relation des unter dem
Namen Catalogus Felicianus (= F.) überlieferten, bis auf
' Vgl. Waitz’ Aufsätze und Anzeigen im Neuen Archiv: Ueber die ver
schiedenen Texte des L. p. 4, 215—237; 5, 229 f; 8, 405; Ueber den so
genannten Catalogus Cononianus 9, 457—472; Ueber die italienischen
Handschriften des L. p. 10, 455—465; vgl. auch die zusammenfassendo
Anzeige von Waitz in Sybel’s H. Z. 44, 135—145.
2 Waitz in der H. Z. 44, 145: ,Aus inneren Gründen mag die Forschung
dahin gelangen, einen Theil der uns erhaltenen Aufzeichnungen dorthin
(d. i. ins 6. Jahrhundert) zu setzen; aber in ihrer ursprünglichen Gestalt
. . . überliefert sind diese nicht. 1 Vgl. auch P. Ewald im N. A. 10, 423,
welcher vermuthet, die einzelnen Biographien seien auf etwa gleich
zeitige Aufzeichnungen basirt, welche mit dem vaticanischen Archiv,
vielleicht mit den dortigen Registern der Päpste, in engerem Zusammen
hänge stünden.
Quellenstudien zum Laurentianisclien Schisma.
273
Felix IV. (f 530) reichenden Excerptes ein höherer Anspruch
auf Alter und Ursprünglichkeit der Darstellung zusteht als der
vollständigen Textesrecension des L. p. (= P). Insbesondere
die dem Katalog F im Gegensätze zu P eigenthümlichen Worte 1
über Symmachus’ Kirchenregiment: Hic amavit clerum et pau-
peres; bonus prudens humanus gratiosus — charakterisiren
sich als die emphatische Lobeserhebung eines für den Papst
zugleich als Parteihaupt begeisterten zeitgenössischen Refe
renten. 2 Indem wir es also auch im einschlägigen Theil des
L. p. mit einer im Wesentlichen auf gleichzeitige Berichte
zurückführenden Relation zu thun haben, stehen sich beide
Darstellungen der Periode des Schisma im L. p. und An. Bl.
als tendenziöse Concurrenzarbeiten, litterarischer Ausfluss der
selben kirchenpolitischen Fehde gegenüber, mit dem rivali-
sircnden Bemühen, die Erinnerung an die nächst zurückliegende
Vergangenheit im Sinne ihrer besonderen Parteianschauungen
zu fixiren. Insoweit nun beide gegnerische Darstellungen, trotz
ihrer gegensätzlichen Auffassungen und Interessen, eine Reihe
von Thatsachen übereinstimmend bezeugen, sind wir durch
diesen Einklang zugleich in die Lage gesetzt, eben diese Facten
als zuverlässig und historisch feststehend zu qualificiren. Unter
diesem Gesichtspunkte lässt sich als glaubwürdig verbürgt un
gefähr die folgende Entwicklung des Schisma festhalten.
In Consequenz einer gleichzeitig vollzogenen Doppelwahl
entstand heftige Zwietracht unter Clerus und Volk von Rom,
1 Neben P und F kommt noch der Catalogus Cononianus, ein bis auf
Conon (687) reichendes Excerpt, in Betracht; auch in diesem Katalog,
welcher nach Ducliesne’s Urtheil mit F zusammen die erste Redaction
des L. p. darstellt, ist die für F charakteristische, in P fehlende Stelle
zu finden; vgl. Duchesne, p. 96.
2 Für die Priorität von F und K vor der vollständigen Recension P in
den weiter folgenden Viten der Päpste von Hormisdas bis auf Felix IV.
(514 - 530) hat Duchesne gleichfalls einige sehr bezeichnende Differenzen
glücklich hervorgehoben (p. LXII sq.). Wenn z. B. K (Cat. Cononianus)
berichtet, die Wahl Felix IV. sei: ex iusso Theoderici regis erfolgt und
dann P dies in ein: cum quietem umwandelt (Duchesne, p. 106 f.), so
wird ersichtlich, dass es sich bei späterer Textesrevision um die Hinweg
räumung eines anstössigen Präcedenzfalles handelte; der Vorzug des
durch die Kataloge (Duchesne’s ,erste Edition“) gebotenen Textes gegen
über P (,zweite Edition“) an dieser Stelle wird auch von Ewald N. A.
10, 418 eingeräumt.
Sitznnqsber. d. pliil.-hist. Ci. CXII. Bd. I. Hft. 18
i
274
Stöbor.
welche erst durch das Eingreifen und die Entscheidung des
Königs Theodorich zu Ravenna beschwichtigt werden konnte.
Papst Symmachus wurde anerkannt, Laurentius durch das Bis
thum Nuceria entschädigt. Nach einigen Jahren aber' ward
wider Symmachus wegen unterschiedlicher Verbrechen vor dem
Könige die Anklage erhoben; der Papst wurde von einem
Theile des Senats und Clerus aufgegeben, ein Visitator der
römischen Kirche in der Person des Bischofs Petrus von Alti-
num bestellt und schliesslich eine Synode zusammengerufen,
welche in Betreff der wider den Papst vorgebrachten An
schuldigungen richten sollte. Diese Synode sprach den Papst
von aller Verschuldung los, vermochte aber nicht durch ihre
Entscheidung die Ruhe und Ordnung in der Hauptstadt wieder
herzustellen; vielmehr blieb Rom noch lange Zeit nachher 2
durch die wüthendste innere Fehde zerrissen.
Diese in Bezug auf den thatsächlichen Inhalt überein
stimmenden Angaben erscheinen nun freilich im Vortrage der
beiden Quellen sehr verschieden gefärbt und beleuchtet. So
wird die Entscheidung des Königs im ersten Schisma nach
Aussage des Symmachianisch gesinnten Autors zufolge Ueber-
einkunft beider Parteien angerufen und erfolgt nach den Ge
sichtspunkten der Billigkeit und des Rechtes: 3 der An. Bl.
dagegen stellt die Consultation des Königs als erzwungen dar 1
und lässt den Sieg des Symmachus durch Bestechung (multa
pecunia) bewirkt werden. Die Angabe des Anonymus scheint
allerdings nicht aus der Luft gegriffen. Aus Ennodius’ Brief
wechsel erfahren wir, dass Papst Symmachus in einem nicht
näher bestimmten Zeitpunkte eine beträchtliche Geldsumme (400
Gold-Solidi) zu Ravenna aufnehmen liess; die Summe wurde
durch Bischof Laurentius von Mailand einigen vornehmen Grossen
unter Ennodius’ Bürgschaft ausbezahlt, die ganze Angelegenheit
aber als eine höchst delicate "behandelt, so zwar, dass nach
Jahren noch, als es galt den zahlungssäumigen Papst an seine
1 L. p. (Duchesne p. 260): post annos vero III3; ich gebe in den folgenden
Citaten aus L. p. und An. Bl. durchwegs den Text der Ausgabe Ducliesne’s.
2 An. Bl.: per annos circiter quattuor.
3 hoc. constituerunt partes . . . Quod tarnen aequitas in Symmachum in-
venit cognitio veritatis et factus est praesul Symmachus.
4 coguntur . . . regium subituri iudicium petere comitatum.
Quellenstudien zum Laurentianischen Schisma.
275
Verpflichtung zu mahnen, Ennodius nur mit äusserster Reserve
hierüber sich zu äussern wagt. 1 Vogel comhinirt nun die von
Ennodius mitgetheilte Thatsache mit den im An. Bl. berichteten
Vorgängen am königlichen Hoflager im Jahre 499 und ver-
muthet, das Geld sei dem Zwecke gewidmet gewesen, einfluss
reiche Hofkreise im Sinne der Symmachianischen Sache zu
beeinflussen und zu gewinnen. 2
Aehnlich unterschieden ist der Bericht beider Darstellungen
über die Ausstattung des Laurentius mit dem Bisthifm Nuceria;
der Symmachianische Autor bezeichnet sie als ein gnadenreiches
Zugeständnis des barmherzigen Siegers, während der Lauren-
tianer behauptet, diese Verdrängung vom Schauplatze sei nur
durch vielfältige Drohungen und Versprechungen zu bewerk
stelligen gewesen. Umgekehrt gilt wiederum die Bestellung
eines bischöflichen Visitators für den Parteigenossen des an
geschuldigten Papstes als canonenwidrig und eine Frucht der
Umtriebe und Ränke der adeligen Gönner und Förderer des
Schisma, wogegen der Laurentianische Berichterstatter ver
sichert, der Visitator sei nur entsprechend der fast einmüthigen
Forderung der hiezu competenten Kreise vom Könige entsendet
worden. — Kennzeichnend für das nachmalige tendenziöse
Zurechtlegen des Vorgefallenen ist die Differenz beider Rela
tionen in Bezug auf die Einberufung der Synode; das Verdienst
derselben wird im L. p. ohne jede Einschränkung dem Papste
1 cf. Ennodii epist. ad Luminosum (Editio F. Vogel in M. G. Auctores anti-
quissimi t. VII) p. 83, is: scitis optime, quae a vobis . . . sanctus
pater vester domnus episcopus postulavit, ut expensa, quae pro neces-
satibus domni papae Ravennae facta est, redhibitione pensaretur. certis
enim potentibus, quorum n omina tu tum non est scripto si
gn ari, novit dominus, quia plus quam quadringentos auri solidos ero-
gavit. hos me fidem dicente concessit; und ähnlich wird das Anliegen
des Ennodius in anderen Briefen an römische Geistliche vorgetragen,
vgl. p. 223, 12; 229, 13.
2 Vgl. Vogel’s praefatio zur Ausgabe p. IX sq. Welch bedeutender Kosten
aufwand bei strittigen Papstw T ahlen erheischt ward, zeigt am besten
König Athalarichs Verfügung (Cassiodor’s Varien IX, 15), durch welche
die Maximalsätze des für solche Zwecke zu verwendenden Geldes fixirt
wurden; vgl. H. Usener: Der römische Senat und die Kirche in der Ost
gothenzeit (Comment. philol. in honorem Mommseni. Berlin, 1877) S. 761
und J. Langen: Geschichte der römischen Kirche von Leo I. bis Niko
laus I. (Bonn, 1885) S. 313 ff.
18*
276
Stöber.
Symmachus beigelegt, 1 während der Anonymus nur von einem
königlichen Berufungsbefehle, welcher durch die Bitten von
Senat und Clerus veranlasst worden, Kunde zu haben scheint. 2
Sogar noch erheblicher wird die Entfernung beider gegnerischen
Quellen von einander in der Darstellung des Ausgangs der
Synode; einerseits bemüht sich der Symmacliianische Autor,
eine einstimmige Entschliessung der versammelten Synodalväter
glaubhaft erscheinen zu lassen; 3 andererseits werden von dem
Laurentianfsehen Darsteller die Beschlüsse der Synodus Pal
maris als eine ungerechte, einseitige und autoritätlose Partei
abmachung rücksichtslos verworfen und der boshafte Zusatz
angefügt, nach einer solchen Entscheidung sei den Bischöfen
der Symmaehianischen Faction kein anderer Ausweg ge
blieben, als in eiliger, verwirrter Flucht Rom zu verlassen. 4
' Eodem tempore B. Symmachus congregavit episcopos CXV. Mit dieser
Behauptung geht der Verfasser der Vita noch über die Darstellung des
Synodalprotokolles selbst hinaus, welches für den Papst nur das Ver
dienst der Initiative in Anspruch nimmt, die Einberufungsordre dagegen
ganz richtig vom Könige ausgehen lässt-, vgl. das C(onstitutuml S(ynodale)
der Synodus Palmaris nuin. 2 bei A. Thiel: Epistolae Romanorum Ponti-
ficum (Brunsbergae, 1868) 1, 658 f. und weiter unten S. 302, n. 3.
2 Synodus in urbem Romam pro voluntate senatus et cleri, iubeute rege,
de eins excessibus iudicatura convenit; insoweit begründet, als auch
Theodorich in einem Schreiben an die Synode (bei Thiel p. 672) er
klärt, es habe seiner Weisheit und Voraussicht der beste Weg geschienen:
ut iuxta petitionem senatus et cleri ad congregandos ex diversis pro-
vinciis causam revocaret antistites (vgl. auch p. 680); die durch das
Synodalprotokoll bezeugte Einflussnahme des Papstes auf den könig
lichen Berufungsact (C. S. 2) wird dagegen in der Laurentianisclien
Parteidarstellung selbstverständlich ignorirt.
3 Tune ab Omnibus episcopis et presbiteris et diaconibus et omni clero vel
plebe reintegratur sedis apostolicae B. Symmachus. In Wahrheit war
jedoch ein grosser Theil der Bischöfe während des Synodalverlaufes
untreu geworden und hatte sich absentirt, so dass von 115 zusammen
gerufenen Bischöfen nur 75 das Protokoll der Synodus Palmaris unter
zeichnen; vgl. auch weiter unten S. 293, n. 2.
4 quae sibi utilia visa sunt, pro Symmachi persona constituunt et sic
urbem in summa confusione derelinquunt; wie später besprochen werden
wird, fand schon wenige Wochen nach der Synodus Palmaris, am 6. No
vember 502, eine neuerliche, fünfte Syuodalsitzung statt, an welcher
die bei Weitem überwiegende Mehrheit der Subscribenten der Palmaris
theilnahm; schon durch Anführung dieser Thatsache wird die Behauptung
Quellenstudien /um Laurenlianischen Schisma.
277
Was schliesslich die blutige Stadtfehde betrifft, durch welche
nach dem Ende der Synode der Frieden Roms auf Jahre hinaus
erschüttert ward, so war dieselbe nach Angabe des L. p. durch
die adeligen Gönner des Laurentius und Mehrer des Schisma
ins Leben gerufen und im Fortgang erhalten worden; der
An. ßl. hingegen möchte alle Verantwortung und Schuld für
diese gefährlichen Händel nicht undeutlich dem siegreichen
Papste zuzuschieben unternehmen. 1
Neben der tendenziösen Gestaltung des in beiden Quellen
gemeinsam enthaltenen inhaltlichen Materiales verdient die
charakteristische Auswahl des besonderen Erzählungsstoffes in
jeder der beiden Quellen nähere Berücksichtigung. Wenn die
Symmachianische Vita die Intriguen und Gewaltacte der Gegner
mit sichtlichem Vergnügen ausmalt und dagegen die Eintracht
und Standhaftigkeit in den eigenen Reihen rühmend erhebt,
so übergeht sie auf der anderen Seite vorsichtig und geschickt
dasjenige, was der Erinnerung peinvoll sein musste; indem
Berufung und Ausgang der Synode in den Umfang eines einzigen
Satzes prägnant zusammengedrängt werden, vermeidet es die
Quelle, alle demüthigenden Zwischenfälle aus dem Verlaufe der
wechselvollen Synodalentwicklung zu berühren. Um so werth-
voller sind ihre Mittheilungen über die Actionen der Schis
matiker. Hier erfahren wir alles Wesentliche über die Be
theiligung römischer Grosser an der Bewegung.' 2 Die Anklage
wider Symmachus, die entscheidende Anregung zur Bestellung
des Anonymus über das fluchtähnliehe Auseinandergellen der Synodal
bischöfe wesentlich erschüttert; vgl. auch weiter unten S. 307, n. 3.
1 (Laurentius) qui eo tempore Kavennae morabaiur, Symmachi violentiam
persecutionemque declinans . . . ; die dem Papste imputirte Gewalt-
thätigkeit und Verfolgung stimmt schlecht zu der unmittelbar vorher
behaupteten Zerstreuung der Bischöfe seiner Faction, die sich in der That
in äusserst gefährdeter Situation befanden.
2 Die Theilnahme mächtiger Laien an der Erhebung des Laurentius und
der Fortentwicklung des Schisma wird durch Theodoras Lector und
indirect durch Ennodius bestätigt (vgl. weiter unten S. 333 ff.). In
der Laurentianischen Darstellung des An. Bl. werden die Namen dieser
einflussreichen Grossen nicht genannt, da der rein geistliche Charakter
der schismatischen Erhebung in keiner Weise getrübt erscheinen sollte.
Vgl. M. Büdinger: Eugipius in den Sitzungsberichten der kais. Akad.
der Wissensch., phil.-hist. Classe XCI, S. 809, n. 2.
278
Stöber.
des Visitators, endlich die römische Stadtfehde werden in dieser
Relation auf die unheilvolle Anstiftung der Exconsuln Festus
und Probinus zurückgeführt, denen gegenüber der Exconsul
Faustus als getreuer Schirmherr der römischen Kirche kämpfte.
Dieser Symmachianische Vorkämpfer ist uns als einer der
nächsten Gönner des Ennodius selbst aus dessen lebhaft ge
führter Correspondenz wohl bekannt; es ist Flavius Probus
Faustus Junior, Consul des Jahres 490, Vater der Consuln
Avienus und Messala, einer der ersten Würdenträger des Ost-
gothenherrschers. 1 Die Art wie Ennodius brieflich gegen Faustus
über das kirchliche Schisma sich äussert, zeigt, dass dieser
eifrigste Parteigänger des Papstes mit dem grossen Dignitär
in allen entscheidenden Punkten sich eins wusste, dass beide
gleich warm für den Hierarchenpapst eintraten, gleich bitter
die Notli der Spaltung beklagten. 2
Eine erwünschte Bestätigung auch anderweitig überlieferter
Nachrichten bietet sich mit der Mittheilung der Vita, nach
welcher die Häupter des Schisma, der Gegenpapst Laurentius
und der Visitator Petrus, von feierlicher Verdammung getroffen
wurden, weil sie bei Lebzeiten des rechtmässigen Papstes un
gesetzliche Ansprüche auf dessen Sitz erhoben hatten. 3 Die
1 Als solcher wird er in Cassiodor’s Varien häufig genannt, scheint indess
nicht zu Cassiodor’s Freunden gezählt zu haben (cf. Var. III, 20). Vogel
praefatio p. XVI weist auf den Zusammenhang hin, welcher zwischen
dem politischen Einflüsse der rivalisirenden römischen Adelsfamilien
und den Phasen des Schisma besteht. Im Consulatj alire von Faustus’
Sohne Avienus (502) erweist Theodorich seine wohlwollende Zurück
haltung gegenüber der Synode; später (504), während der römischen
Stadtfehde, gelangt dagegen Cethegus, Sohn des Förderers der Schisma
tiker, Probinus, in den Besitz des Consulates; während Faustus’ Quästur
und im Consulatjahre seines zweiten Sohnes Messala (506) wird dann
der kirchliche Hader durch das Eingreifen des Königs zu Symmaclius’
Gunsten geschlichtet.
2 Ennodii epist. I, 3; Vogel p. 10, 3i (an Faustus): quasi nescire alicui
Christiano liceat malum, cui Roma subcumbit. barbaras nationes et a
nostro limite toto paene orbe discretas continuis haec conicio lamentis
ingemescere et ad solacium nostrum lacrimas commodare.
3 (Symmaclius) facto synodo purgatur a crimine falso et dämnatur Petrus
Altinans invasor sedis apostolicae et Laurentius Nucerinus, quare vivo
episcopo Symmacho pervaserunt sedem eius. Tune ab omnibus episcopis
et presbiteris et diaconibus et omni clero vel plebe reintegratur sedis
apostolicae B. Symmaclius.
Quellenstudien zum Laurentianischen Schisma.
279
Begründung nimmt deutlichen Bezug auf die Bestimmungen
der Synode vom 1. März 499, welche das Anathem verhängt
über alle diejenigen, welche bei Lebzeiten des Papstes und
ohne denselben zu Itathe zu ziehen, auf die künftige Neu
besetzung des apostolischen Stuhles hinzielende Anschläge unter
nehmen oder unterstützen.' Zweifelhaft bleibt aber, zu welchem
Zeitpunkte und von welcher kirchlichen Autorität die in Rede
stehende Anathematisirung ausging, da der Text der betreffen
den Stelle der Vita, insbesondere wegen des passiven Ausdrucks
(purgatur, damnatur, reintegratur) unklar lässt, ob die Synode
selbst das Anathem über Petrus und Laurentius verhängt habe.
Jedenfalls steht die Thatsache fest, dass bereits auf der fünften
Synode vom 6. November 502 ein neuer Bischof von Nuceria,
Aprilis unterzeichnet, demnach mindestens die Absetzung, wahr
scheinlich auch die Bannung des Gegenpapstes der Abhaltung
dieser Synode vorangegangen war. Ferner wissen wir aus dem
Libell des schismatischen Diakons Johannes vom 18. September
506, dass solchen, die in späterer Zeit zur Gemeinschaft des
legitimen Papstes reuig zurückkehrten, die Verdammung von
Gegenpapst und Visitator als ausdrückliche Bedingung der
Wiederaufnahme auferlegt ward. 2 Da wir nun in den Proto
kollen der vierten und fünften Synode keiner besonderen ver
dammenden Sentenz wider die Häupter der schismatischen
Partei begegnen 3 und auch eine Verurtheilung lata sententia
1 Symmachi epist. 1 bei Thiel p. 646, num. 4: ut si quis presbyter aut
tliaeonus aut elericus, papa incolumi et eo inconsulto, aut subscriptionem
pro Romano pontificatu commodare . . . tentaverit aut aliquod certe suffra-
gium polliceri. .., loci sui dignitate vel communione privetur.
2 Symmachi epist. 8 seu Libellus Johannis diaconi, quem obtulit sancto
papae Symmacho bei Thiel p. 697: consentiens quae veneranda synodus
iudicavit atque constituit, anathematizans Petrum Altinatem et Laurentium
Komanae ecclesiae pervasorem et schismaticum ...
3 Thiel p. 697, u. 2, führt aus dem Protokolle der Synodus Palmaris
(C. S. 3) die Bitte der Synodalväter an den König an: ut visitator, qui
contra religionem, contra statuta veterum vel contra regulas maiorum
a parte cleri vel ab aliquibus laicis fuerat postulatus, ex ordinatione
antistitum. . . prima fronte recederet, und folgert aus dieser Stelle, dass
mit um so grösserer Wahrscheinlichkeit diel Verdammung des Visitators
durch die Synode angenommen werden müsse; in der mitgetheilten
Stelle ist jedoch nur von einer Petition der Synode an den König um
Zurückziehung einer durch die weltliche Autorität erlassenen Verfügung
280
Stöber.
deshalb ausgeschlossen erscheint, weil die Strafsatzungen der
Palmaris nur gegen die abtrünnigen Cleriker, nicht gegen schis
matische Bischöfe gerichtet sind, 1 so werden wir wohl anzu
nehmen haben, dass die Anathematisirung beider Parteiführer
nicht von der Synode, sondern vom Papste allein, wahrschein
lich während des kurzen Zeitraumes zwischen der vierten und
fünften Synode verfügt wurde. 2
In ihrer gesammten Haltung vertritt die Vita Symmachi ein
mit unverkennbarer Schärfe ausgeprägtes Parteiinteresse, indem
sie die Auffassung und Stellung der Synodus Palmaris in allen
Punkten zur eigenen macht. In einem relativ sogar noch gestei
gerten Masse gibt die Darstellung des An. Bl. die oppositionelle
Tendenz ihres Urhebers zu erkennen. Zwar nimmt dieser für
sich den Schein vollkommener Friedfertigkeit und Mässigung in
Anspruch und verfehlt nicht jede Entzweiung und Zwietracht
auf das lebhafteste zu missbilligen und zu beklagen; doch bei
aller zur Schau getragenen Versöhnlichkeit hält er die volle Recht
mässigkeit, ja Pflichtmässigkeit der Laurentianischen Erhebung
mit allen ihren Consequenzen aufrecht. In der Absicht der sitt
lichen Rechtfertigung des Schisma befleissigt er sich, auch
die gegen Symmachus vorgetragenen Anschuldigungen in ihrer
ganzen Ausdehnung und Schwere mitzutheilen: in erster Linie
Fleischessünden, 3 ferner Irrungen in der Ansetzung der Oster
feier, 1 endlich canonenwidrige Verschleuderung des Kirchen
gutes: quod contra decretum a suis decessoribus observatum
ecclesiastica dilapidasse praedia et per hoc anathematis se
vinculis inretisset. Das hier angezogene Gesetz ist uns in
die Rede, keineswegs aber wird durch dieselbe eine geistliche Fest
setzung der Synode bezeichnet.
1 C. S. n. 11, p. 666.
2 Für die Abtrennung der Bannung von den Beschlüssen der Synode spricht,
dass im Libell des Johannes die Anathematisirung der Schismatiker als
ein zweites Moment neben der Zustimmung zu den Satzungen der Synode
erwähnt wird; vgl. S. 279, n. 2.
3 Vgl. weiter unten S. 320 f.
4 Ueber diese Osterdifferenz, welche entstand, indem Symmachus den alten
84jährigen Cyklus vertrat, die Laurentianer dagegen sich an den der
byzantinischen Regel näher verwandten Victurischen Cyklus hielten,
vgl. Duchesne: Etüde p. 175 ff. und insbesondere Br. Krusch: Die Ein
führung des griechischen Paschalritus im Abendlande im N. A. 9, 104 ff.
Quellenstudien zum Laurentianischen Schisma.
281
seinem dem Protokoll der fünften Synode inserirten Wortlaut
erhalten. 1 Ungeachtet des durchaus billigenswerthen Tenors
seiner Verfügungen erregte es Anstoss schwerster Art in kirch
lichen Kreisen, weil es die versuchte Normirung kirchlicher
Verhältnisse durch die staatliche Autorität König Odoakar’s
und seines Patriciers Basilius darstellt. Da nun aber dieses
Decret von keinem Einspruch der Päpste Gelasius und Ana
stasius II. getroffen war, konnte es in den Augen der Schis
matiker als von den Vorgängern des Papstes Symmachus obser-
virt und zu Recht bestehend gelten, und Symmachus hatte nach
der Auffassung seiner Ankläger dui-ch angebliche Verletzung
dieses Gesetzes sich den — von Laien verhängten — Kirchen
bann zugezogen. Die gefährlichen Consequenzen dieser An
schauung lassen es wohl begreiflich erscheinen, dass Symmachus
unmittelbar nach erfolgter Restitution seine Sorge dahin wandte,
von dem Vorwurf der Uebertretung eines vermeintlichen Kirchen
gesetzes sich zu lösen, indem er durch die von ihm berufene
— fünfte — Synode die von Laiengewalt ausgegangene kirch
liche Verfügung für nichtig und unverbindlich erklären liess. 2
— Ausser diesen bestimmten Vergehungen und Verbrechen
werden dem Papste auch im Allgemeinen verwerfliche mora
lische Qualitäten Schuld gegeben, als Gewaltthätigkeit und
Verfolgung, 3 Bestechung, 1 Simonie, Verweltlichung in allen
Beziehungen. Aus solchem Grunde sei das Andenken des sieg
reichen Papstes durch übelste Nachrede im Gedächtnisse der
Mit- und Nachlebenden entstellt geblieben. 5
Nicht minder eingehend und mit unverkennbar befriedigter
Rückerinnerung vergegenwärtigt der oppositionelle Bericht
erstatter alle die Phasen, welche das Verhältniss des Papstes
und seiner Partei zum Könige durchlaufen. Wir erfahren durch
ihn, was keine andere Quelle direct berichtet, von der ursprüng-
1 Symmaeki epist. 6, bei Thiel p. 685 ff.
2 Ibid. num. 11, p. 689.
3 Vgl. weiter oben S. 277, n. 1.
4 Vgl. weiter oben S. 274 f.
3 Am Schlüsse der anonymen Vita: Symmachum vero postmodum quamvis
victorem de multis rebus fama decoloravit obscenior et maxime de illa
quam vulgo conditariam vocitabant, necnon et de ordinibus ecclesiasticis,
quas acceptis palam pecuniis distrahebat.
282
Stob er.
liehen Absicht Theodorichs, den angeschuldigten Symmachus
vor sein Hofgericht zu. ziehen, damit er sich vor demselben
wegen der Abweichungen in der Osterfeier verantworte. 1
Während eines Aufenthaltes zu Eimini aber, noch während
der Reise an den königlichen Comitat, habe der Papst in Er
fahrung gebracht, dass zugleich mit ihm mehrere Frauen, mit
welchen er fleischlicher Vergehungen angeklagt ward, als Zeu
ginnen vor das Hofgericht gestellt wurden. Auf diese Kunde
hin sei Symmachus entflohen und der König, erzürnt über die
Unbotmässigkeit des Angeklagten, habe an Senat und Clerus
von Rom Weisungen über die weitere Durchführung der Ge
richtssache ergehen lassen.- Darauf sei nocli der römische
Clerus mit der Anklage wegen Verschleuderung des Kirchen
guts wider Symmachus aufgetreten, allgemein sei die Bestellung
eines Visitators vom Könige erbeten worden und endlich sei
über königliche Berufung die Synode zusammengetreten, welche
über Symmachus’ Vergehungen richten sollte. 3 Der erste Theil
dieser Nachrichten — über die anfängliche Absicht des Königs,
ein weltliches Gerichtsverfahren wider den Papst einzuleiten
— findet volle Bestätigung in Theodorichs wiederholten Ver
sicherungen, er hätte die Angelegenheit mit Unterstützung seiner
Grossen in vollkommen befriedigender Weise zur Erledigung
zu bringen vermocht, wenn er nicht in derselben den specitisch
kirchlichen Charakter erkannt und sie deshalb vor das geistliche
Forum verwiesen hätte. 4 Solche Zurückhaltung und Scheu des
1 Ad comitatum convo[cat] rationem [quasi de] festivitatis dissonantia reddi-
turum ...
5 praecepta super eius quodadmodo damuatioue, entstellend etwa für
iudicatione.
3 de eius excessibus iudicatura.. .; den Laurentianern scheint excessus
ein beliebtes Schmäliwort gewesen zu sein, welches sie auch in ihrem
Pamphlet gegen die Synodus Palmaris auf Symmachus anwendeten;
cf. Ennodius (ed. Vogel) p. 62, 33: Symmachi quos vocatis excessus ...
4 Theodorich äussert sich in einem seiner an die Synode gerichteten Prä-
cepte, bei Thiel, epist. 5, Appendix, uum. 13, p. 678 f.: quum si uos de
praesenti ante voluissemus iudicare negotio, liabito cum proceribus nostris
de inquirenda veritate tractatu, viam Deo auspice potuissemus invenire
iustitiae, quae nec praesenti saeculo nec futurae forsitan displicere
potuisset aetati. Sed quia non nostrum iudicavimus de ecclesiasticis
aliquid censere negotüs, ideoque vos de diversis provinciis fecimus evo-
Quellenstudien zum Laurentianischen Schisma.
283
Königs vor der Behandlung rein geistlicher Angelegenheiten
ist übereinstimmend auch aus Cassiodor’s Varien ersichtlich;
mehrfach zieht Theodorich geistliche Personen wegen weltlicher
Verbrechen vor ein weltliches Gericht; unerweislich aber, dass
dasselbe um einer geistlichen Verschuldung willen eingetreten
wäre. 1 Wenn daher die vom An. Bl. zuvörderst angeführten
Anklagen wider Symmachus, Fleischessünden und die Ab
weichung in der Osterfeier betreffend, einen öffentlichen und all
gemeinen Charakter trugen wegen des mit den bezeichneten
Sünden verbundenen Aergernisses und insbesondere wegen der
aus der Differenz in der Osterfeier erwachsenden gefährlichen
Bedrohung der Ruhe und Ordnung Italiens, und wenn solchen
Anklagen durch eine Verantwortung des Angeschuldigten vor
staatlichem Gerichte entsprochen werden musste, so lag es da
gegen Theodorichs Absichten durchaus ferne, eine interne kirch
liche Angelegenheit zu berühren, indem er auch die zuletzt
erhobene Anklage wegen Verschleuderung des Kirchengutes
vor sein Forum gezogen hätte; vielmehr dürfte, gerade diese
einen rein kirchlichen Charakter tragende, vom Clerus selbst
vorgebrachte Anschuldigung den König zur Abtretung des Falles
an das Synodalgericht bestimmt haben.
Dem Anonymus danken wir ferner eine inhaltsreiche,
freilich zugleich höchst tendenziöse Darstellung des Synodal
verlaufes. Auch er berichtet, übereinstimmend mit dem Synodal
protokolle der Palmaris, von der Annahme des Anldagelibells
durch die Synode, ohne jedoch der principiellen Zurückweisung
zweier Anklagepunkte 2 Erwähnung zu thun; die der Synode
vom Könige crtheilte Ermächtigung, auch ohne vorgängige
Untersuchung die Anklagesache zu entscheiden 3 wird absichtlich
cari . . . ; fast wörtlich übereinstimmend auch App., nuin. 14, p. 680,
mit der Begründung: quia causa est dei et clerieorum.
1 Var. IV, 18 wird die Untersuchung anbefohlen wider einen des Leichen
raubs bezichtigten Priester Laurentius; Var. I, 9 enthält die Freisprechung
des Bischofs von Aosta von der gegen ihn erhobenen Anschuldigung
wegen Landesverratlis. Aber auch in diesem Falle werden die falschen
Ankläger, weil geistlichen Standes, vor ein geistliches Gericht verwiesen.
Zu vergleichen die informirenden Ausführungen von F. Dahn: Die Könige
der Germanen 3, 190 f., über die juristische Seite des Verhältnisses.
2 cf. C. S. nurn. 5, bei Thiel p. 660 f.
3 cf. Epist. 5, App. num. 6, bei Thiel p. 674.
284
Stöber.
ignorirt; der Ueberfall des zur Synode ziehenden Papstes durch
die Laurentianer 1 aus begreiflichen Gründen mit Stillschweigen
übergangen. Dagegen sind die gefährlichsten Schwächen in
der Haltung der Hierarchenpartei von dem oppositionellen Dar
steller scharfsichtig erspäht und schonungslos blossgestellt. Das
Symmachianische Princip: quod a nullo possit Romanus pontifex,
etiamsi talis sit qualis accusatur, audiri wird in der anonymen
Vita sowohl als in der Laurentianischen Schmähschrift gegen
die Synode energisch zurückgewiesen und der Standpunkt der
schismatischen Cleriker principiell gerechtfertigt, welche auf
dem regelmässigen Gerichtsverfahren und einem aus demselben
zu gewinnenden Synodalurtheile beharrten. 2 Während so die
Haltung der Laurentianer als schriftmässig und canonisch be
gründet rühmend erhoben wird, trifft auf der anderen Seite
die Hierarchenpartei der schärfste Tadel und Spott des Autors.
Die Wirksamkeit der Synode wird sarkastisch als Mehrung von
Zwist und Hader ausgedeutet, 3 die Entscheidung der Palmaris zur
unverbindlichen Parteiabmachung herabgedrückt. 1 — Von be
sonderem Werthe ist uns des Anonymus Bericht über die Folge
ereignisse und den endlichen Ausgang der Kirchenspaltung.
Vier Jahre noch tobte der Kampf in Rom, während dessen
die Parteien wiederholt um des Königs Gunst und Schutz sich
mühten, bis endlich Symmachus durch die geschickte Ver
mittlung seines Abgesandten, des Diakons Dioscorus, das Ueber-
gewicht erlangte und Theodorick zum persönlichen Eingreifen
1 cf. C. S. num. 6, bei Thiel p. 062.
2 Tune aliquanti episcopi videntes nihil se in causa proficere, clerum qui
discesserat a consortio Symmachi, semel et iterum commonent, ut ad eum
praetermisso revertatur examine. Qui se nequaquam hoc facere posse
respondit, priusquam tantis criminibus impetitus discussione regulari
vel absolvatur si innocens fuerit, vel si reus extite[rit] a sacerdotio
deponatur. Damit scheinen sich die Laurentianer auf den ursprünglich
geäusserten Willen des Königs zurückzubeziehen; vgl. Theodoriehs
Praecept bei Thiel, App. num. 4, p. 672 f: ut (Symmachus) sub synodalis
aequitate sententiae aut propter innocentiam absolutione gauderet aut
propter obiecta convictus reatui subiaceret.
3 Cumque synodus sub hac dissonantia plus inter partes ministraret fomenta
discordiae und mehrfach analoge Wendungen; vgl. indess auch die rügen
den \ybrte des Königs, Thiel, App. 5, p. 673: Quis de tarn numeroso
concilio sacerdotum magis nasci crederet. confusionis ambiguum?
4 Vgl. weiter oben die S. 276, n. 4 angeführte Stelle.
Quellenstudien zum Laurcntianisclien Schisma.
285
in der römischen Kirchenfrage vermochte. Nun erst trat Lauren
tius jene römischen Titelkirchen ab, in deren Besitze er seit
Jahren gewesen. Wenn der An. Bl. behauptet, der Gegenpapst
habe sich freiwillig und aus Liehe zum Frieden nachzugeben
entschlossen und sich sodann auf ein Landgut seines Schirm
herrn Festus ferne allen Welthändeln zurückgezogen, 1 so
geht doch aus dem ganzen Zusammenhänge der Erzählung
mit voller Klarheit hervor, dass die Fügsamkeit des Gegen
papstes oder seiner Partei nur durch den überlegenen Willen
des HeiTSchers erzwungen war. 2
Höchst wirkungsvoll ist die contrastirende Gegenüber
stellung des Lehensendes beider Päpste: Laurentius in selbstge
wählter Zurückgezogenheit und Askese seine Tage heschliessend,
Symmachus aber im Genuss seines Sieges nur schuldvoller und
auch späterhin niemals eines unbestrittenen Besitzes seiner
Macht sich erfreuend; denn um seiner sittlichen Mängel willen
blieb die Kirche bis an seinen Tod (Juli 514) im Zustande
des Schisma. 3 Wenn Ennodius in seinen noch während Sym
machus’ Pontificate verfassten Lobpreisungen auf Theodorichs
Regierungserfolge die Wiederherstellung des kirchlichen Frie
dens in Rom als ein Hauptverdienst des grossen Herrschers
erhebt, 4 so scheinen seine Angaben nur in Bezug auf Symmachus’
Restitution in den römischen Kirchenbesitz, nicht aber in Bezug
auf die Rückkehr der vormaligen Eintracht und Einmüthigkeit
aller Kirchenglieder verstanden werden zu müssen. Dass erst
mit Symmachus’ Tode, als beide Parteien in gemeinsamer Er
wählung des Nachfolgers Hormisdas sich aneinander schlossen,
die alte Kircheneinheit sich herstellte, rühmt Cassiodor im
1 (Laurentius) urbem noluit diuturna conluctatione vexari ac sua sponte
in praediis memorati Patricii Pesti sine delatione concessit ibique sub
ingenti abstinentia terminum vitae sortitus est.
2 (Rex) patricio F[esto] praecepta dirigit admonens, nt omnes ecclesiae
tituli Symmacho reformentur et «mim Romae pateretur esse pontificem.
3 Pro quibus rebus usqno ad finem vitae eius ecclesia Romana in sebis-
matae perduravit.
4 Ennodii Epist. IX, 30, bei Vogel p. 318,27: quia in societatem capitis
sui aliqnando Romana membra coierunt. iustum erat, ut et B. Petrus
apostolus sedi suae ecclesias et senatui liberiori per dominum partes
debitas reformaret.
286
Stöber.
Ckronicon 1 als eine besondere Zierde seines Consulatjahres
(514). Cassiodor’s Mittheilung wird aufs Beste gestützt durch
eine Stelle in der Grabschrift des Papstes Hormisdas, in welcher
zum Preise des Verewigten angeführt wird, dass er der Kirche
ihren inneren Frieden zurückgegeben habe. 2 Welch tiefe, lange
nachzitternde Erregung in den Mitlebenden zurückgeblieben,
dafür sind uns eben in den nach beider Gegenpäpste Tode 2
abgefassten Vitae Symmachi noch lebendige Zeugnisse erhalten.
In der That war die kirchliche Frage nur zu enge mit den
bedeutendsten politischen Entscheidungen verknüpft, so dass
das Verhältniss der katholisch-italienischen Populationen zum
Germanenkönigthum, die Beziehungen beider zum oströmischen
Imperium durch dieselbe aufs Innerlichste berührt wurden. Um
Tlieodorichs Stellung inmitten einer katholisch - kirchlichen
Gomplication von so entscheidender Wichtigkeit zu würdigen,
bieten nun eine Anzahl aus der Synodalentwicklung selbst
hervorgegangener Documente die wünsekenswertheste Handhabe
dar: die Protokolle der Synoden von 499 und 502 und die
zwar nicht vollständig, aber in wesentlichen Theilen erhaltene
Correspondenz zwischen der Synode und Theodorick im Jahre
502 vergegenwärtigen uns den Verlauf der Entwicklung in
einer Reihe bedeutungsvoller Momente und die Chancen des
Erfolges beider Parteien in den rasch vorüb erziehen den Stadien
des Ereignisses; wir widmen diesen officiellen Actenstiicken,
welche ein hohes, wenngleich nicht uneingeschränktes Ansehen
für sich in Anspruch nehmen dürfen, den nunmehr folgenden
Abschnitt dieser Erörterungen.
1 Th. Momrasen: Die Chronik des Cassiodorus Senator (Abhandlungen der
sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften 8, 547 — 696); zum Jahre
514: Senatore v. c. cons.: Me etiarn consule in vestrorum laude temporum
adunato clero vel populo Romanae ecclesiae rediit optata concordia.
2 De Rossi: Inscriptiones Christianae 2, 108: Sanasti patriae laceratum
scismate Corpus restituens propriis membra revulsa locis. Vgl. Duchesne
in Note 4 zur Vita Hormisdae p. 272 über den analogen Ausdruck der
Vita dieses Papstes: Hie composuit clerum.
3 Wie Biidinger: Eugipius p. 810 bemerkt, dürfte aus der Folge der Er
zählung im An. Bl. zu entnehmen sein, dass Laurentius’ Tod noch vor
jenem des Symmachus erfolgte.
Quellenstudien zum Laurentianischen Schisma.
287
LI. Synodalsten.
Aus Symmachus’ Pontificate besitzen wir Synodalacten
für die Jabre 499 und 502. Das erste unter dem Vorsitz dieses
Papstes abgebaltene Concil trat am 1. März 499 in der Peters-
kirehe zu Rom zusammen. Im Protokolle ist als Grund der
Berufung die binkünftige Verbinderung ähnlich tumultuarischer
Vorgänge, wie sie bei der letzten Papstwahl sich ereignet batten,
angezeigt. 1 Es wird ein Entwurf vorgelesen und von der Ver
sammlung acceptirt, welcher den römischen Clerikern aller
Grade jede auf die Neubesetzung des päpstlichen Stuhles bei
Lebzeiten seines rechtmässigen Inhabers und ohne dessen Beirath
gerichtete Machination bei Verlust der Amtswürde untersagt. 2
Das Protokoll ward von den Bischöfen der römischen Kirchen
provinz und von dem stadtrömischen Clerus unterzeichnet; an
der Spitze der Cleriker subscribirt: Coelius Laurentius archi-
presbyter tituli Praxidae, nach der übereinstimmenden Meinung
der Gegencandidat auf den päpstlichen Stuhl, welcher wohl
kurz nach dieser Synode für seine Fügsamkeit durch Verleihung
des Bisthums Nuceria belohnt wurde. Im Contexte der Synodal
satzungen scheint nur eine Bemerkung auffällig und näherer
Betrachtung bedürfend, die Bestimmung: Si quod absit tran-
situs papae inopinatus evenerit, ut de sui clectione successoris . . .
non possit ante decernere, siquidem in unum totius inclinaverit
ecclesiastici ordinis electio, consecretur electus episcopus. 3 Es
tritt in derselben die Anschauung zu Tage, dass der Papst
zur Verhütung von Zwiespalt und Schisma das Recht und die
Pflicht habe, seinen Nachfolger zu designiren; übereinstimmend
1 Symmachi Epist. 1, bei Thiel p. 645: ut episcopalem ambitum et con-
fusionis incertum vel populärem tumultum, quem per subreptionem diaboli
usurpatione aliquorum tempore ordinationis meae constat exortum ... in
futurum possimus robuste ac vivaciter amputare (Erklärung des Papstes
Symmaclms).
2 Thiel p. 646: nt si quis presbyter aut diaconus aut clericus, papa inco-
lumi et eo inconsulto, aut subreptionem pro Romano pontificatu commodare
aut pittacio promittere aut sacramentum praebere tentaverit aut aliquod
certe suffragium polliceri vel de liac causa privatis conventiculis factis
deliberare atque decernere, loci sui dignitate vel communione privetur.
2 Thiel p. 646.
288
Stöber.
mit dieser Auffassungsweise werden aucli in der vorangehenden
Verfügung der Synode (vgl. S. 287, Note 2) ausschliesslich die
jenigen Cleriker mit geistlichen Strafen bedroht, welche ohne
Befragen und Beirath des Papstes (papa ... inconsulto) mit der
Wiederbesetzung des apostolischen Stuhls sich befassen. Die
bezeichnete Auffassung scheint nun insbesondere mit einer Be
stimmung der vom Papste Hilarus am 19. November 465 be
rufenen römischen Synode in Betreff der Succession auf den
spanischen Bischofssitzen in Widerspruch zu stehen. Hilarus
rügt es als einen gefährlichen Uebelstand, dass mehrfach
Bischöfe beim Herannahen ihres Lehensendes ihren Nachfolger
designiren und auf solche Weise ihr Sacerdotium gleich einem Erb
gute weiterzugehen sich vermessen; durch ein solches Verfahren
werde der regelrechten Wahl derogirt, indem persönliche Gunst
an Stelle der allgemeinen Zustimmung des Volkes trete. 1 Man
bemerke aber, dass das Verbot nicht gegen die Designation als
solche, sondern nur gegen private Abmachungen des Bischofes
ohne Zuziehung der für die Wahl competenten Kreise (Clerus,
Adel und Volk) gerichtet ist. Dagegen scheint die Designation
des Nachfolgers durch den jeweiligen Bischof im Falle der
Zuziehung der berechtigten Vertreter aus Clerus und Adel,
die auf den Namen des zu wählenden vielleicht eidlich ver
pflichtet wurden, 2 wegen Vermeidung der aus Wahlstreitigkeiten
sich ergehenden Tumulte und Unruhen, als die regelmässige
Form der Succession in Rom betrachtet worden zu sein. 3 Dass
sie selbst noch im vierten Jahrzehnt des sechsten Jahrhunderts
dort herrschend gewesen, wird durch einen glücklichen Fund
in unerwarteter Weise bestätigt. Aus der Handschrift dos Dom-
1 Hilari Epist. 15 bei Thiel p. 162: Denique nonnulli episcopatum . . .
non divinum munus sed haereditarinm putant esse compendinm . .. Nam
plerique sacerdotes in mortis confinio constituti in locum snnm feruntur
alios designatis nominibus subrogare: nt scilieet non legitima exspectetur
electio, sed defuncti gratificatio pro populi habeatur assensu.
2 So vermutliet schon Hinschius: Kirchenrecht 1, 227; vgl. ferner J. Langen
a. a. O. S. 221 und S. 303 ff.
3 Ein unerwarteter Hintritt des Papstes, so dass derselbe keine Designation
vornehmen könnte, wird von der Symmachianischen Synode geradezu als
öffentliches Unheil betrachtet; Thiel p. C4G: Si quod absit transitus
papae inopinatus evenerit, . . .
Quellenstudien 7.um Laurentianischen Schisma.
289
capitels zu Novara XXX, 66 sind durch Amelli 1 drei werth
volle Documente des Jahres 530 ans Licht gefördert worden,
deren erstes, das: Praeceptum papae Felicis morientis, per quod
sibi Bonifac-ium archidiaconum suum post se substituere cupiebat, 2
eine Designation des Nachfolgers durch den sterbenden Papst
enthält in der Form, dass der Papst in Gegenwart der Presbyter
und Diakonen, der Senatoren und mehrerer Patricier dem Boni-
fatius das Pallium überreichte. 3 Allerdings erregte dieses Vor
gehen Felix IV. lebhafte Opposition, insbesondere in den sena-
torischen Kreisen, wie aus dem zweiten, neu erschlossenen
Documente, einer Contestatio Senatus, zu ersehen ist. 3 Aber
immerhin versuchte später auch Papst Bonifatius das Beispiel
seines Vorgängers nachzuahmen, indem er dem Vigilius die
Nachfolge zu sichern sich bestrebte; an dem principiellen
Widerstande des Clerus scheiterte sein Vorhaben, und der höchst
unbeliebte Papst musste in den demüthigendsten Formen, wie der
L. p. erzählt, die bereits vollzogene Designation des Vigilius
für ungiltig, ja für sündhaft erklären. 5 Damit war ein be-
1 Erste Edition durch Amelli: La scuola cattolica di Milano. Vol. XXI,
122; dann bei Duchesne: Melanges de l’ecole de Rome 3, 239 und Le
Liber Pontificalis p. 282; wichtige Textesemendationen bietet P. Ewald:
Acten zum Schisma des Jahres 530 im N. A. 10, 412 ff.
2 Die Ueberschrift ist zwar erst nachträglich dem Aetenstiicke vorgesetzt,
der Ausdruck: papae morientis aber in buchstäblicher Bedeutung richtig,
da das Document nach Ablauf der achten Indiction abgefasst ist, dem
nach in den September 530 gehört, und Papst Felix schon Mitte Sep
tember dieses Jahres, wahrscheinlich am 13. September 530 verstarb;
vgl. Ewald S. 415 f.
3 Cui etiam praesentibus praesbiteris et diaconis et senatoribus atque
patriciis filiis meis, quos interesse contigit, pallium tradidi.
4 Die Contestatio Senatus, gerichtet an den gesammten Clerus von Rom,
verfügt empfindliche Strafen gegen Jeden, der bei Lebzeiten eines Papstes
für die Ordination eines anderen sich bemüht oder für sich selbst der
gleichen Bestrebungen ins Werk setzt; durch diese Bestimmung scheint
auch einer Rechtsüberschreitung von Seiten des Papstes selbst vorgebeugt
werden zu sollen; vgl. Ewald a. a. O. S. 419 f. und Mommsen: Ueber
die Acten zum Schisma des Jahres 530 im N. A. 10, 581 ff.
5 Vita Bonifatii II, bei Duchesne p. 281: Hic eongregavit synodum in
basilica B. Petri apostoli et fecit constitutum, ut sibi suceessorem ordinaret.
Quod constitutum cum cyrographis sacerdotum et iusiurandum ante
confessionem beati apostoli Petri in diaconum Vigilium constituit. Eodem
tempore factum iterum synodum, hoc censuerunt sacerdotes omnespropter
Sitznngsber. d. phil.-hist. CI. CXII. lid. I. Hft. 19
290
Stöber.
deutungsvoller Anspruch des Papsttlmrus auf eine bis Uber das
Lebensende hinausreichende Machtfülle zurückgedrängt, der
Opposition des Clerus und Senates nach kurzem Bestehen ge
opfert. Für das Pontificat des Symmachus aber, welches in vielen
Punkten zur Stärkung der päpstlichen Autorität Entscheidendes
geleistet hat, ist die Fixirung eines so ausserordentlichen Macht
anspruches in hohem Grade bezeichnend.
AVir gehen über zur Betrachtung der auf das zweite
Laurentianische Schisma und die Synode von 502 bezüglichen
Actenstücke. 1 Die chronologischen Ansätze für die Synode
dieses Jahres giengen lange in der mannigfaltigsten AYeise aus
einander und waren insbesondere störend beeinflusst durch die
Verwerthung der Protokolle der sogenannten fünften und sechsten
römischen Synode, welche erst durch P. Hinschius’ Forschungen
(1863) als Fälschungen Pseudo-Isidors erwiesen worden sind. 2
Dann hat Friedrich Vogel in seinem bereits erwähnten Aufsatz
die Kritik um einen wesentlichen Schritt weiter gefördert, indem
er zeigte, dass die bisher von einander als besondere Synodal
versammlungen unterschiedenen, fortlaufend gezählten römischen
Synoden des Symmachus nur aufeinander folgende Sitzungen
derselben grossen Synode sind, die vom Frühjahre bis in den
reverentiam sedis sanctae et qüia contra canones fuerat hoc factum et quia
culpa eum respiciebat, ut successorem sibi constitueret; ipse Bonifatius
papa reum se confessus est maiestatis, quod in diaconum Vigilium sua
subseriptione cyrograplii; ante confessionem beati apostoli Petri ipsum
constitutum praesentia omnium sacerdotum et cleri et senatus incendio
consumpsit.
1 Symmachi epist. 5, bei Thiel p. 651—681; sie umfasst das Constitutum
Synodale vom 23. October 502 und einen nach fortlaufenden Nummern
gezählten Appendix, welcher eine ßeihe königlicher Praeceptionen an
die Synode, eine ßelation der Synode an den König und das zur Ver
lesung auf der Synode bestimmte Anagnosticum Theodorici bietet.
2 NoehHefele’s sorgfältige Darstellung in dpi-Conciliengeschicbte (Freiburg
1875; zweite Auflage) 2, 633 ff. und Dalin’s lebendige Erzählung in:
Könige der Germanen (Wiirzburg 1866) 3, 214 ff. sind durch die Be
nutzung der Fälschungen Pseudo-Isidors beeinträchtigt. Aber selbst das
im Jahre 1883 erschienene Buch von Costanzo ßinaudo: Le fonti della
storia d’Italia (476—568) verwendet diese gefälschten Synodalprotokolle
für die auf p. 77 gebotene, übrigens auch sonst in manchen Punkten
ungenaue Zusammenstellung der Symmachianischen Synoden.
Quellenstudien /.um Laurentianischen Schisma.
291
Spätherbst des Jahres 502 tagte und vom Könige berufen war,
um über die Schuld des Papstes zu richten. Wir glauben daher
im Folgenden von den verwirrenden älteren Meinungen gänzlich
absehen zu sollen und versuchen zunächst das in den Acten-
stücken enthaltene Material in systematischer Ordnung zu ent
wickeln und zu gruppiren, indem wir die in den Documenten
selbst gemachten Mittheilungen über Zahl und Reihenfolge der
einzelnen Synoden (eigentlich Synodalversammlungen, lateinisch:
synodus, conventus, congregatio) hervorheben.
1. Laut Bericht von C. S. 3 fand die erste Zusammen
kunft der vom Könige berufenen Synode in der Basilica Julii statt,
in welcher auch eine principielle Erklärung des Papstes erfolgte,
dass er sich dem Synodalurtheile freiwillig unterwerfen wolle.
2. Nach erfolgter Abreise eines Theiles der Bischöfe von
Rom befiehlt Theodorich in seiner dritten Praeceptio das Zu
sammentreten einer neuen Synode am 1. September und spricht
die Erwartung aus, dass dieser secundus conventus die Sache
zu endgiltiger Entscheidung bringen werde. Dieselbe Erwartung
findet sich in der vierten Praeceptio bezüglich der secundae
congregationis venientis repetita iudicia gleichfalls peremptorisch
zum Ausdruck gebracht. Dass diese zweite Synodalsitzung auch
wirklich zu Stande gekommen, entnehmen wir mit Gewissheit
aus der Relation der Bisohöfe an den König, in welcher sie
angeben, einem königlichen Befehle gemäss, den Papst viermal
ex secunda 1 synodo besendet zu haben. Von eben dieser den
Papst beschickenden Synode ist auch in C. S. 5—7 Mittheilung
gemacht und erfahren wir an dieser Stelle, dass sie in der
Ilierusalem basilica Sessoriani palatii tagte.
3. Der Codex Vaticanus 1997 2 betitelt die Relation der
Synodalbischöfe an den König in einer Randglosse als tertia
synodus habita Romae und bietet uns mit dieser Bemerkung
das einzige direkte Zeugniss für die Abhaltung der dritten
Synodalsitzung dar. Der Titel ist jedoch in vollkommen richtiger
Erkenntniss des Hauptinhaltes dem Actenstiicke vorgesetzt;
denn in demselben ist von der im königlichen Aufträge voll
zogenen Besendung des Papstes ex secunda synodo als von
1 Emendation Tliiel’s für das handschriftliche secunsanda.
2 Nach Thiel ]>. XXXV noch saec. VIII.
19*
292
Stöber.
einem bereits zurückliegenden Stadium der synodalen Vorgänge
die Rede und hiedurch angezeigt, dass der Haupttheil des
Berichtes (Nummer 10 und 11) eine spätere, folglich die dritte
Synodalsitzung darstellt. Die dritte Synode berathschlagte über
das nach der erfolgten Weigerung des Papstes, vor Gericht
zu erscheinen, einzuschlagende Verfahren und suchte durch
übrigens erfolglose Bemühungen den römischen Senat und den
dissidenten Clerus zu einem Ausgleich zu vermögen.
4. Mehrere Handschriften bezeichnen das Constitutum vom
23. October502 übereinstimmend in der Ueberschrift als: Quarta
synodus habita Romae Palmaris. 1 Der Zusammentritt dieser
vierten Synode war durch die fünfte Praeceptio des Königs
vom 1. October gefordert worden und für dieselbe Theodorichs
Anagnosticum zur Verlesung bestimmt. Sie fasste nach ein
dringlicher Berathung und erneuerten Vorstellungen an die
Dissidenten die entscheidenden Beschlüsse und legte in einem
zusammenfassenden Protokolle die Geschichte sämmtlicher vier
Synodalsitzungen nieder. Die Ereignisse speciell der vierten
und letzten Sitzung sind in C. S. 9- 11 behandelt. 2
Die zeitliche Fixirung der vier Synoden gelingt nur an
nähernd innerhalb gewisser Grenzen. Die erste wurde nach
Angabe des An. Bl. kurze Zeit nach Ostern eröffnet; die zweite
begann, dem Befehle des Königs gemäss, zweifellos am 1. Sep
tember ; die dritte, über welche die bischöfliche Relation Kunde
gibt, jedesfalls nach dem Eintreffen der königlichen Botschaft
vom 27. August, deren Befehle von dieser Synode zur Aus
führung gebracht wurden, und hinreichend früh, so dass noch
unterm 1. October das Antwortschreiben des Königs (Praeceptio
V) erfolgen konnte. Setzen wir mit Vogel die räumliche Distanz
1 Ueber die Ortsbezeichnung: Palmaris vgl. P. Coustant bei Thiel p. 88 f.
und Vogel S. 410.
2 Gegen obige, im Anschluss an Vogel’s Darlegungen versuchte Anreihung
der Synodalsitzungen spricht nur scheinbar die Stelle der dritten Prae
ceptio, in welcher der König seinen Verdruss ausspricht über die Bischöfe,
welche: iterata quae coeperunt reliquere iudicia. In der Tliat war der
dritten Praeceptio nur eine Synodalsitzung vorangegangen, der Ausdruck
ist aber durchaus parallel demjenigen in App.5 (Praeceptio IV): secuudae
congregationis venientis repetita iudicia und bezieht, sich auf ein
Kommendes, Zukünftiges, welches durch die eigenmächtige Entfernung
der Bischöfe von vorneherein preisgegeben war.
Quellenstudien zum Laurcntianischen Schisma
293
zwischen Ravenna und Rom mit neun bis zehn Tagereisen an,
so erhalten wir ungefähr 5.-22. September zur Begrenzung
dieses Synodalabschnittes. Das Protokoll der vierten Synode
endlich ist am 23. October ausgefertigt und bezeichnet zugleich
den zeitlichen Abschluss der ganzen langen Reihe von Synodal
verhandlungen mit diesem Tage.
Zwischen die Synoden schieben sich eine Anzahl könig
licher Befehlsschreiben und Berichte der Synodalbischöfe an
Theodorieh ein. Drei Praeeeptionen, die dritte, vierte und fünfte,
sind handschriftlich noch erhalten und in den Ueberschriften
mit den entsprechenden Nummern versehen; sie sind datirt
vom 8. und 27. August (dritte und vierte Praeceptio zwischen
der ersten und zweiten Synode) und vom 1. October (fünfte
Praeceptio zwischen der dritten und vierten Synode). Die
beiden ersten Praeeeptionen sind handschriftlich nicht mehr
überliefert, jedoch ihrer Hauptrichtung nach aus dem Texte
des C. S. zu constatiren: das allgemeine Einberufungsschreiben
des Königs an die italischen Bischöfe (C. S. 1. 2.) und des
Königs abschlägiger Bescheid auf die Bitten des Papstes und
der ersten Synode (C. S. 4). 1
Von den Synodalberichten ist dem Texte nach nur der
jenige über die dritte Synode erhalten; doch lässt sich der
wesentliche Inhalt mehrerer vorausgegangener Relationen aus
den Antwortschreiben des Königs theilweise reconstruiren. So
belobt das dritte Praecept die in Rom verbliebenen Bischöfe,
dass sie es vorgezogen, die königliche Willensmeinung zu er
forschen, statt nie die anderen, weniger gewissenhaften Synodal
genossen das anbefohlene Gericht noch vor seiner Vollendung
im Stiche zu lassen; 2 mit dieser Consultation des königlichen
Willens muss auch verbunden gewesen sein die Beschwerde
über gefährliche stadtrömische Tumulte 3 und die Bitte um
Verlegung der Synode an den königlichen Hofsitz Ravenna,
1 Iussus est regis praeceptionibus papa Symmachus... cum impugna-
toribus suis in disceptatione confligere; in Bezug auf die Zählung der
Praeeeptionen stimme ich mit Tbiel p. 93 überein.
2 App. 1: nos potius de reditu vestro secundo consulere, quam indictum
concilium alienae facilitatis imitatione deserere.
3 App. *2: Moleste igitur aceepta confusione, quae nata est,... propter
turbam, quae aut casu aut vitio aliquorum contigit.
294
Stöber.
um durch des Herrschers sichernde Gegenwart vor vielfältiger
Bedrohung geschützt zu werden. 1
Zwischen die königlichen Schreiben vom 8. und vom 27.
August fällt sodann eine weitere Relation der Synode, deren
Datum mit Rücksicht auf die Distanzverhältnisse zwischen
Rom und Ravenna mit fast vollkommener Genauigkeit auf den
17. oder 18. August sich bestimmt. In derselben — so erfahren
wir aus der vierten Praeceptio — betonten die Bischöfe aufs
Nachdrücklichste alle Schwierigkeiten, welche einer endgiltigen
Lösung des Falles entgegenstünden. Diesen Vorstellungen be
gegnet Theodorich mit einer lebhaften, ja gereizten Erörterung
der Billigkeit und Zweckmässigkeit seines eigenen Verhaltens,
wie des von ihm den Bischöfen auferlegten Amtes (App. 6);
er wirft, die Frage auf, ob es denn eine so unerträgliche For
derung sei, wenn die Kirche -von ihren Dienern selbst den
Frieden begehre. 2 Einer bestimmt ausgesprochenen Bitte der
Bischöfe dagegen um Gewährung sicheren Geleites für den
vorgeladenen Papst gibt Theodorich durch Entsendung einiger
vornehmer Gothen nach Rom gnädige Erfüllung. 3
Noch eine erheblich frühere Gesandtschaft an den König
war von der ersten Synode abgeordnet worden in der Absicht,
die vom Papste auf dieser Synode gestellten, von den Bischöfen
1 App. 3: Nam Ravennam, rjuemadmodum speratis, non putavimus revo-
candum esse eoncilium . ..; iuxta desiderium vestrum, quo nos poscitis
esse praesentes .. .
2 Vogel’s Urtkeil (S. 408), dass Theodorich sich in dieser, der vierten
Praeceptio bereits ,viel weniger ungehalten 4 im Vergleich zur dritten
Praeceptio ausspreche, lässt sich gegenüber Aeusserungen des Königs
wie App. 6: Numquid laboriosa, numquid conscientiae vestrae gravia,
numquid inimica proposito, ab antistitibus suis pacem poscit ecclesia,
et ab his, quibus per religionis professionem iustitiae cura debeat esse
propensior, fides tumultuosam exspectat intentionem? — schwerlich auf
recht halten*, die Bischöfe selbst verstanden die Rüge sehr wohl; cf.
App. 11: Voluimus . . . pacem iuxta praeceptum et voluntatem vestram
reddere civitati; quae res et proposito nostro amica est et beatitudini
vestrorum temporum congruebat.
3 App. 7: Et ne quid omisisse videamur, quum necessarium credideritis
episcopi Symmachi in cognitione praesentiam, Gudilam et Bedeulplmm
sublimes viros, maiores domus nostrae, quos de praesente misimus cum
illustri comite Arigerno. Ne quid dubitationis habeat iussio nostra, sacra-
menta praestabunt satisfacturi designato episcopo . . .
Quellenstudien zum Laurentianisclien Schisma.
295
gebilligten Forderungen Theodorich zur Annahme zu empfehlen;
die Bitten dieser Legation wurden aber vom Könige verworfen.’
Für die letzte bischöfliche Relation — zwischen der vierten
und fünften Praeceptio des Königes, demnach Mitte September
abgefasst — besitzen wir ausser dem Texte des Documentes
selbst noch einen von den Synodalbischöfen verfertigten Aus
zug im Protokolle der Palmaris (C. S. 7). Man bemerkt aber,
dass die Relation und ihr Excerpt dem Umfange nach beträcht
lich differiren. Nach den in Nummer 5 und 6 des Protokolles
vorgetragenen Erzählungen über die Thätigkeit der Sessoriana
und den Ueberfall des Papstes beginnt Nummer 7 mit den
Worten: His ita actis et reljus varia confusione turbatis, iterum
nos ad iustitiam contulimus principalem . . . Cuius mansuetudini
omnia per relationis seriem, sicut res poscebat, ingessimus, inti-
mantes etiam saepe nominatum papam post caedem . . . fuisse
commonitnm; sed allegasse eum per directos episcopos . . .
Die Synode gab also dem König zusammenhängende Kunde
(per relationis seriem) von dem in der Zwischenzeit seit der
letzten Relation (17. 18. August) Geschehenen und fügte sodann
den Bericht über die versuchte Ausführung des königlichen
Befehles, betreffend die Vorführung des angeschuldigten Papstes,
bei. Vergleicht man damit den Inhalt der Relation, so beginnt
dieselbe mit dem zweiten Theile des im Excerpte Gebotenen,
mit dem Danke für die erhaltene Praeceptio (vom 27. August) 2
und mit der Meldung über die unverzügliche Ausführung der
Gebote des Königs. 3 Das Weitere über Symmachus’ Verhalten
und seine unbotmässige Weigerung vor der Synode zu erscheinen,
stimmt im Excerpte wie in der Relation aufs Genaueste überein.
Indem aber die Antwort des Papstes in der Fassung der Relatio
eine Anspielung auf den Ueberfall als ein durchaus bekanntes
1 C. S. 4: Digna res visa est maximo sacerdotum numero, qnae et merc-
retur effectum; decernere tarnen aliquid synodus sine regia notitia non
praesumpsit. Sed suggestio insta per legatorum negligentiara non meruit
secunduin vota responsum.
2 App. 8: praeceptis ad nos moderatlssimis per maiores domus Gndilam
et Bedeulplium missis .. .
3 App. 9: Ideoque nos toto affectu et obsequio iussioni vestrae parere
voluimus et ad papam .. . qnater consacerdotes nostros ex secunda synodo
direximus.
296
Stöber.
Ereigniss enthält, 1 ist klärlich ein Bericht über das Geschehene
bereits vorausgesetzt. Wahrscheinlich bestand demnach die in
C. S. 7 -kurz zusammengefasste Relation der Bischöfe aus zwei
Theilen, deren erster — die Erzählung von den Vorfällen seit
Eröffnung der Sessoriana — beim Eintreffen der königlichen
Botschaft vom 27. August bereits fertig vorlag und welchem
später nach dem missglückten Versuche, den königlichen Befehl
durchzuführen, ein zweiter Theil hinzugefügt wurde, der uns
heute in seinem Wortlaute durch den Text der handschriftlich
erhaltenen Relatio episcoporum ad regem repräsentirt wird.
Aber die Relatio hat auf der anderen Seite auch einen
inhaltlichen Mehrbestand gegenüber dem Excerpte des Synodal-
protokolles. Der Inhalt von App. 10 und 11, die Erwägungen
der Synodalbischöfe nach erfolgter AVeigerung des Papstes und
die erfolglosen Bemühungen der dritten Synode, den Senat sowie
die Schismatiker unter dem Clerus zum Beitritte zu bewegen,
ja die Existenz dieser dritten Synode selbst werden im Synodal
protokolle mit keinem Worte berührt. Es ist nun bezeichnend
für die bei Abfassung des Synodalprotokolles obwaltenden
Tendenzen, dass diese gänzlich übergangene dritte Synodal
sitzung mit zu den peinlichsten Erinnerungen der versammelten
Bischöfe gehörte. Der Papst hatte seine Sache von derjenigen
der Synode getrennt, die Vollziehung des königlichen Auftrages
war immöglich gewoi'den, alle Verständigungsversuche mit den
geistlichen Gegnern erwiesen sich als vereitelte Hoffnung. 2 Die
Bischöfe klagen, sie seien den Ränken ihrer Feinde nicht mehr
gewachsen, 3 an Leib und Leben bedroht; 1 sie haben nur eine
Bitte an den Herrscher übrig: gnädige Entlassung von dieser
Stätte des Misserfolges und der Gefahren. 5 Ein so bedeutungs
voller Moment hat in dem Protokolle der Palmaris keine Er-
1 App. 9: Deinde quum convenirem cum clero meo crudeliter demactatus sum.
2 App. 11: Nec admouitioni clericorum defuimus, quibus regulariter volui-
mus subvenire; qui etiam salutare monitum contempserunt.
3 App. 12: quoniam calliditati saeculari sacerdotum simplicitas non sufficit.
1 Ibid.: iam diutius nostrorum mortes et pericula propria Romae pati non
possumus.
6 Ibid.: Sed concedite nobis optatissimo praecepto vestro, ut ad ecclesias
nostras liceat nos reverti, quia post haec quae suggessimus nihil est,
quod a nobis possit ordinari.
Quellenstudien zum Liiurcntianischen Schisma.
297
wähnung gefunden, so wenig als die auch in früheren Relationen
ausgesprochene Bitte der Bischöfe um Sicherung durch die
Gegenwart des Königs, eventuell durch Verlegung der Synode
an Theodorichs Hofsitz Ravenna. Nach dem Abschluss der
Palmaris, als die Synodalväter, ermuthigt durch Theodorichs
gnädiges Entgegenkommen (namentlich in Praeceptio V) zur
unbedingten Lossprechung des Papstes ohne vorgängige Unter
suchung, zu den Geboten der Restitution des Kirchengutes und
allgemeiner Wiedervereinigung mit dem römischen Kirchen
haupte sich aufgerafft hatten, ward der Gedanke an den früher
gezeigten Kleinmuth, der um zeitlicher Gefahren willen die
Sache selbst aufzugehen im Begriffe stand, gewaltsam zurück
gedrängt; diese Rücksicht bestimmte die Väter bei der Redaction
des Synodalprotokolles. Unvergessen war noch der harte Tadel,
welchen das Anagnosticum des Arianerkönigs wegen der welt
lichen Furcht katholischer Bischöfe ausgesprochen. 1
Was die inhaltlich übereinstimmenden Partien von Relatio
und C. S. 7, ebenso der fünften Praeceptio und C. S. 8 anlangt,
so schliessen sich beide Excerpte in Wortlaut und Phraseologie
an die vorliegenden Texte aufs Genaueste an, 2 erweisen sich
zugleich aber ungemein geschickt zu Gunsten der Parteisache
abgefasst. Wie unverkennbar Theodorichs kirchenfreundliches
Verhalten und seine tolerante Sinnesart in jeder seiner Enun-
tiationen an die Synode sich kundgibt, immerhin bleibt doch
ein ganz wesentlicher Unterschied zwischen dem Ausdruck
1 App. 14: Nullius ergo personam ante oculos habeatis; quamvis si vobis
aliquis violenter vellet quae iniusta sunt, imponere, remissis rebus vestris
iustitiam custodire debeatis. Nam multi et vestrae et nostrae religionis
episcopi propter Dei causas et de ecclesiis et de rebus suis iactati sunt
et tarnen vivunt. Diese von Theodorich gerügte Zagheit der Bischöfe
bezeugt gegen Dahn 3, 225 fF., dass keineswegs schon mit dem ,Martyrium 4
des Papstes (das ist dem Ueberfall der Laurentianer) der entscheidende
Umschwung zu Gunsten der Symmachianischen Sache statthatte; noch
hing Alles von der ungekannten Entschliessung des königlichen Macht
habers ab.
2 Ich glaube nicht fehl zu gehen, wenn ich den phraseologischen Einklang
dazu benütze, um an Stelle des handschriftlich überlieferten Textes
bei Thiel (C. S. 7): divinitate propria regere dominum, der kaum ver
ständlichen Sinn bietet, die Lesart älterer Editionen (seit Baronius)
herzustellen und übereinstimmend mit dem parallelen Eingang der Relatio
(App. 8) zu emendiren: divinitate propitia.
298
Stöber
der Praeceptionen und der gekürzten, aber auch zugespitzten,
gesteigerten Fassung und Wiedergabe desselben im Synodal
protokolle. 1 Unbedingte Zuverlässigkeit kann deshalb den Ex-
cerpten im C. S. trotz aller Uebereinstimmung im Detail nicht
beigemessen werden; zu sehr zeigen sich Auswahl und Aus
druck von bestimmten Tendenzen und Rücksichten beeinflusst.
Um nun die im Synodalprotokolle niedergelegten, bei
dessen Abfassung leitenden Tendenzen und Interessen ent
sprechend würdigen zu können, ist es erforderlich, in erster
Linie die Frage nach dem Aussteller des Constitutum zu be
antworten. Formell müssen die fünfundsiebzig Subscribenten
der Palmaris 2 unter diesem Gesichtspunkte betrachtet werden.
Da aber die Gesta nicht einer einzigen Session, sondern eines
zurückliegenden, vielumfassepden und wechselvollen Zeitab
schnittes vorliegen, so treten für die besonderen, einzelnen
Partien des Protokolles auch unterschiedene, besondere Gruppen
von Bischöfen in den Vordergrund. So nehmen im ersten
Theile der Erzählung die oberitalischen Bischöfe das Wort,
um — in erster Person — zu berichten, wie sie während ihrer
Reise nach Rom Gelegenheit hatten, den König zu Ravenna
in der Angelegenheit persönlich zu befragen. 3 Dagegen tritt
von C. S. 7 ab ganz deutlich die Symmachianische Synodal-
1 Wenn der König in App. 6 sieh vernehmen lässt: maxime quum haue
vobis pro religionis reverentia et consideratione iustitiae uostra
oracula tribuant faoultatem — und App. 13: Sed quia non nostrum
iudicavimus de ecclesiasticis aliquid censere negotiis, so werden
im Exeerpte des Protokolles (C. S. 8) beide Stellen in geschicktester
Weise combinirt: nec aliquid ad se praeter reverentiam de eccle
siasticis negotiis pertinere.— Eine feine Unterscheidung Dalin’s 3,226,
Note 6 zwischen dem Ausdruck des Papstes in der Eelatio: in potestate
Dei est et domini regis quid de me deliberet ordinäre und dessen
Variirung im Excerpt des C. S. 7: Dominum regem habere quod vellet
ius faciendi, lässt sich nicht mehr aufrechthalten, seit Thiel, gestützt
auf gute, alte Handschriften, den Text an der betreffenden Stelle des
Constitutum festgestellt hat: p. 663 (und Note 34): habere potestatem
autern quod vellet faciendi.
2 Unter den Subscribenten der Palmaris (Thiel p. 667 ff.) ist Hilarus epi-
scopus ecclesiae Tempsanae zweimal genannt, so dass nicht 76, sondern
nur 75 Theilnehmer der Synode zu zählen sind.
3 C. S. 1: Liguriae, Aemiliae vel Venetiarum episcopi, quos ad praesentiam
principis ipse itineris ductus attraxit, consuhümus regem . ..
Quellenstudien zum Laurentianischen Schisma.
299
partei hervor, welche — wiederum in erster Person — von
den Gesandtschaften an König 1 und Senat- Mittheilung macht
und das Synodalurtheil feierlich verkündet. 3 Die Actionen der
Synodalväter wurden formell geleitet durch die an der Synode
theilnehmenden Metropoliten, welche auch als Adressaten der
dritten Praeceptio des Königs genannt werden: Laurentius von
Mailand, Petrus von Ravenna und Marcellianus von Aquileja. 1
Für die Bedeutung und das hohe Ansehen dieser Führer zeugt,
dass beide Synodalparteien sich um ihren Beitritt bemühten,
beziehungsweise ihre Autorität für sich in Anspruch zu nehmen
suchten. 3 Speciell von Laurentius rühmt Ennodius, dass er die
Einigkeit in den getheilten Reihen der Bischöfe hergestellt, die
Schwankenden zur Entscheidung mit sich fortgerissen habe. 6
1 C. S. 7: iterum nos ad iustitiam contulimus principalem . . .
2 C. S. 9: invitavimus senatum amplissimum, quali oportuit, legatione
destinata . . .
3 C. S. 10: Quibus allegatis cum Dei nostri obtestatione deceriiimiis . . .
4 Einer Vermuthung Sirmond’s zufolge wäre Marcellianus von Aquileja
durch eine Abordnung des Bischofs Laurentius von Mailand für die
Sache des Syrnmachus gewonnen worden; cf. Thiel p. 697, n. 1, welcher
dieser Erklärung beitritt. Dagegen hat Vogel: praefatio p. XV durch
seine Interpretation der einschlägigen Stellen aus Ennodius’ Correspon-
denz wahrscheinlich zu machen gesucht, dass Marcellianus bis zu seinem
(nach der gewöhnlichen Annahme im Jahre 504 erfolgten) Tode unter
den Gegnern des Papstes Syrnmachus verblieben sei; in der Tliat ist es
auffallend, dass er weder auf der Palmaris, noch auf der Synode vom
6. November 502 mit unterzeichnet hat. Jener Brief des Ennodius (Ep.
IV, 29, bei Vogel p. 150, bei Thiel p. 731. als Symmachi Ep. 18) an
Papst Syrnmachus, welcher nach der älteren Meinung auf die Umstim
mung des Marcellianus durch das Bemühen des Laurentius von Mailand
bezogen wird, erhält nach Vogel’s Erklärung vielmehr Beziehung auf
den Tod des Marcellianus und die Erwählung seines Symmachianisch
gesinnten Nachfolgers Marcellinus, welche insbesondere durch das Ein
greifen des Patricius Liberins zu Stande kam. Die scharfsinnige Hypo
these bedarf indess noch näherer Quellennachweisungen, um als ge
sichert angenommen zu werden. Gerade die Aehnlichkeit der Namen:
Marcellianus und Marcellinus steigert die Schwierigkeiten der Lösung,
wie z. B. in der Adresse der dritten Präceptio der handschriftlich über
lieferte Name Marcellinus erst in Marcellianus emendirt werden muss.
5 Ennodii Liber Apologeticus p. 59, oo; vgl. weiter unten S. 319, n. 2.
6 Ennodii Dictio in natali Laurenti episcopi p. 4, n: te praesule factum,
ne sacerdotes ministros acciperet furor alienus, ne cruentae indignationi
pontificum sententia militaret . . .
300
Neben der Symmachianischen Partei unter Führung der
erstgenannten beiden Erzbischöfe gab es nun aber auf der
Synode eine Oppositionspartei von beträchtlicher Stärke und
Einfluss, welcher eben auch Marcellianus von Aquileja an
gehört haben dürfte. Das Protokoll bezeichnet die Symma-
chianisch gesinnten Bischöfe als maximus sacerdotum numerus
(C. S. 4), die Gegner dagegen geringschätzig als: aliqui sacer-
dotes oder auch: dissidentes. Immerhin waren die Dissidenten
stark genug, die Annahme des Klagelibells von der Synode
zu erzwingen;' und dass diese Minderpartei durch die Majorität
zum Anschlüsse an die Symmachianische Richtung habe bewogen
werden können, wagt auch das Synodalprotokoll an keiner
Stelle zu behaupten; es begnügt sich vielmehr, nachdem die
Gründe für die Absolution des Symmachus im Gewände einer
bischöflichen Botschaft an den römischen Senat vorgetragen
sind und die Nothwendigkeit betont ist, endlich zu einem
festen, einigenden Beschlüsse zu kommen, einfach hinzuzufügen
(C. S. 10), was als bindende Synodalsatzung, durch höhere
Eingebung geoffenbart, von Allen angenommen werden solle. 2
An Stelle eines solchen stillschweigenden Eingeständnisses
der Fruchtlosigkeit aller Bemühungen zur Wiederherstellung
der früheren Einigkeit tritt im Munde der Gegner der herbste,
beissendste Spott, und so behauptet denn der An. Bl. von den
Entscheidungen der Palmaris, sie seien unverbindliche Sonder
abmachungen jener Parteimänner gewesen, welche jederzeit
für Erhaltung und Mehrung des kirchlichen Zwistes in Rom
gesorgt hätten. 3 Dass die Bischöfe der Symmachianischen Partei
sich nicht zum unumwundenen Bekenntniss der Mangelhaftigkeit
ihrer Entscheidung verstehen mochten, begreift sich um so
1 C. S. 5: aliquibus sacerdotibus visum est, ut libellus, quem accusatores
paraverant.. . suseiperetur a synodo. Die Schismatiker erblickten darin
mit Recht einen Triumph ihrer Partei, cf. An. BL: (Synodus) tandem con-
stituit, ut libellus, quem offerebant accusatores Symmachi, susceptus
inter gesta sollemniter panderetur.
2 Q.uibus allegatis cum Dei nostri obtestatione decernimus, harum necessi-
tatum vel religionum consideratione adstricti et caelestis perpensis Om
nibus quae in causa erant inspiratione secreti. . .
3 Sed moras episcopi n[on ferejntes, cum viderent magis ac magis studia
divisionis augeri, quae sibi utilia visa sunt, pro Symmachi persona con-
stituunt.
Quellenstudien zum Laurentianisclien Schisma.
301
eher, als Theodorich ihnen aufgetragen hatte, ihm von der
anbefohlenen Herstellung der Kircheneinheit Meldung zu er
statten, 1 und die Wiederbringung von Frieden und Eintracht
in Rom und ganz Italien wiederholt als einzig vollgiltigen Be
weis für die Gerechtigkeit der zu findenden Synodalentscheidung
gefordert hatte. 2 Auch in dieser Verschweigung oder Umgehung
des Bedenklichen offenbart sich die vorsichtig ausspähende
Politik der Synode, welche durch jene Schrift, die dem könig
lichen Gebieter Nachricht von der erzielten Lösung der Sache
geben sollte, einen möglichst günstigen Eindruck bei Hofe
hervorzurufen sich bestrebte und zugleich immer noch ihre
energisch vertretenen hierarchischen Ueberzeugungen in allen
wesentlichen Punkten aufrecht zu erhalten wusste.
Der König erscheint in allen Enuntiationen der Synode,
ebenso wie in den halbofficiellen Schriften des Ennodius als
gerechter, milder Herr, dessen Herrschaft für das arg bedrängte
Italien von Gott selbst vorgesehen worden; 3 seine weise Leitung
der katholischen Kirchenangelegenheiten und die Verpflichtung
unbedingten, vertrauensvollen Gehorsams dieser Leitung gegen
über werden feierlich anerkannt, der Wille des Fürsten als
geheiligt bezeichnet. 4 Sich ergebende Differenzen zwischen
dem Wunsch der Bischöfe und dem Willen des Königs werden
entweder übergangen oder so gedeutet, als ob nur der störende
Einfluss äusserer Verhältnisse die Zwietracht bewirkt hätte. 5
Es entspricht dieser zur Schau getragenen Unterwürfigkeit und
Loyalität der Bischöfe als Unterthanen gegenüber dem Könige,
1 App. G: unitatem redditam dissidentibus indicetis...
2 App. 13: liinc Universitas agnoscere poterit iustum sacri ordinis vestri
exstitisse iudicium; App. 14 (Anagnosticum): Nos enim hoc probabimus
vos bene ordinäre, si populo senatui clero pacem integram reddatis.
Quod si minime feceritis, ostendetis vos uni parti favisse.
3 C. S. 7: quem ad Italiae gubernacula ipsa (divinitas) providerit; cf. App. 8,
sowie Ennodii epist. IX, 30.
4 C. S. 9 : quia unum tantae rei reslabat, unde Deo pareremus et sanctae
principis voluntati.
5 Wenn beispielsweise die Bitte des Symmaclius und der ersten Synode
um Entfernung des Visitators und Restitution des römischen Kirchen
besitzes an den Papst vom Könige sicherlich aus principiellen Gründen
verworfen wurde, so wird dieser üble Erfolg im Synodalprotokolle auf die
Nachlässigkeit der Gesandten zurückgeführt.
S t. ö li o r.
302
dass sämmtliehe Synodalentscheidungen von vorneherein an die
Genehmigung des Königs gebunden werden, so dass dieselbe
in C. S. 4 als ausdrückliche Bedingung Vorbehalten wird, 1 wie
dann auch die Verfügung der Palmaris in Betreff der Restitution
des Kirchengutes eingeleitet wird durch die Berufung auf eine
bezügliche Ermächtigung des Herrschers. 2
Es bedurfte sehr glücklichen Lavirens, um bei so strenge
erhaltener Unterordnung unter die Befehle eines arianischen
Gebieters dennoch den Forderungen des hierarchischen Inter
esses niemals zu nahe treten zu lassen, um beide Standpunkte,
der Unterthanentreue und der kirchlichen Prärogative, neben
einander zu wahren. Den Symmachianischen Bischöfen war
diese Kunst in hohem Masse zu eigen. Noch vor Eröffnung
der Verhandlungen, in Audienz zu Ravenna bei dem Könige
betonen die oberitalischen Bischöfe das Recht des Papstes auf
Einberufung der Synode; sie lassen sich durch die mündliche
Versicherung des Königs, die Berufung sei mit Wissen und
Willen des Papstes geschehen, nicht beruhigen und verlangen
Einblick in die betreffenden Documente. 3 Jede einzelne Enun-
tiation des Papstes wird unter Berufung auf die kirchlichen
Canones im Protokolle ausdrücklich gebilligt. Die vom Könige
berufene Synode verdankt ihr rechtmässiges Bestehen doch
erst der besonderen Ermächtigung durch den Papst; 4 der
Visitator, welcher contra religionem, contra statuta veterum
vel contra regulas maiorum, bestellt worden war, soll nach dem
Begehren des Papstes und nach dem Wunsche der Majorität
der Synodalväter sofort entfernt werden (C. S. 3): sicut dece-
bat sanctum propositum; auch als der Papst nach dem Ueber-
fall sein weiteres Erscheinen vor der Synode weigert, ver
zeichnet das Synodalprotokoll beistimmend seine Berufung auf
die kirchlichen Constitutionen, nach denen er ohne Verletzung
' Vgl. die S. 295, n. 1 angeführte Stelle.
2 C. S. 10: Unde secundum principalia praecepta, quae nostrae hoc tribunnt
potestati. ..
3 C. S. 2: Sed potissimus princeps ipsum quoque papam in colligenda
synodo voluntatem snam litteris demonstras.se significavit. A mansuetn-
dine eius paginae postulatae sunt, quas ab eo directas constabat. Has
dari sacerdotibus sine tarditate constituit...
* C. S. 3: auctoritatem ordini colligendo, sicut poscebant ecclesiastica
statuta...
Quellenstudien zum Laurentianisehon Schisma.
30B
der Gerechtigkeit nicht gezwungen werden könne. 1 Nach der
Meinung der Bischöfe ist der Inhaber des apostolischen Stuhles
von Anfang an vergewaltigt worden, 2 und seine unanfechtbaren
Privilegien werden bei jedem Anlasse — in der Audienz zu
Ravenna, im Bericht der dritten Synode und vollends in den
der letzten Entscheidung vorangehenden, dieselbe begründenden
Monitionen der Palmaris (C. S. 9)— kräftig erhoben und mit
Nachdruck vertheidigt. Freilich ist diese feste und consequente
Haltung der Synodalväter erst die Wirkung der in den letzten
königlichen Praeceptionen unzweideutig erwiesenen, wahrhaft
ermuthigenden Zurückhaltung und Unparteilichkeit der Krone.
Höchst kennzeichnend für die unmittelbar nach der Resti
tution des Papstes durch die Palmaris in Angriff genommene,
unternehmende und weitausblickende Kirchenpolitik des Symma-
chus ist schon der erste bedeutende Act seiner neuerlichen
pontificalen Wirksamkeit, die von ihm berufene, unter seinem
Vorsitz tagende fünfte Synode 1 vom 6. November 502. Bevor
jedoch zu deren näherer Untersuchung und Würdigung über
gegangen werden soll, muss einleitungsweise ihr zeitliches
Verhältniss ■ zu den vorhergehenden vier Synoden festgestellt
werden. Man trennte bisher den Consul Rufius Magnus Faustus
Avienus des C. S. und der königlichen Praeceptionen 5 von
dem Consul Avienus iunior der fünften Synode, indem man
sie als die consules ordinarii der Jahre 501 und 502 unterschied.
Dagegen verweist aber Fr. Vogel auf die Möglichkeit einer
1 C. S. 7: se interim, iustitia renitente, statutis canoniois non posse compelli.
2 C. S. 9 geben sie principiell zu bedenken: quanta inconvenienter et
praeiudicialiter in Imins negotii principiis eontigissent.
3 Ibid.: quia quod possessor eins qnondam B. Petrus meruit, in nobilitate
possessionis accessit et claritatem veterem nobis dat de Christi dote rec-
toribus.
4 Handschriftlich bezeichnet mit dem Titel: Quinta synodus S. Symmaclii
papae habita Romae, bei Thiel, p. 682—69ö als Symmaclii epist. 6. —
Versammlungsort der fünften Synode war die Peterskirche, diese Zu
fluchtsstätte des Papstes nach dem Ueberfalle; so hatte Symmachus, der
sich hartnäckig geweigert, auf dem Versammlungsplatze der früheren
Synoden zu erscheinen, nunmehr die Synodalväter zu sich zu bescheiden
vermocht; vgl. Vogel, S. 411.
5 Dieser Consulname in C. S. 1 und App. 3; die Bezeichnung durch drei
Namen Rufio Avieno Fausto in App. 7.
304
Stöber.
doppelten Bezeichnung desselben Consuls (von 502), durch
Angabe des vollen Namens oder durch den Beisatz iunior.
Vogel’s Hinweis ist um so besser begründet, als vor der Desi
gnation eines zweiten Avienus für 502 in der That kein Anlass
vorhanden war, den Consnlnamen durch die ganz ungewöhnliche
volle Namensform zu differenziren; diese charakteristische Be
zeichnung durch drei bis vier Namen zeigt aufs Deutlichste
die Beziehung auf das Amtsjahr des zweiten, gleichnamigen
Eponymus von 502 an. —- Das Inscriptionenmaterial lässt uns
leider für diese Jahre und die in denselben gebräuchlichen
Datirungsformen gänzlich im Stiche; denn römische Datirungen,
die mit Sicherheit dem ersten oder zweiten Consulate zuzu
weisen wären, fehlen, und auch für die Zugehörigkeit gallischer
und anderer abendländischer Inscriptionen zu einem bestimmten
von beiden Jahren haben wir keinerlei zuverlässige Anhalts
punkte; 1 ebensowenig stehen uns Datirungen von Quellen aus
diesen Jahren zu Gebote. 2 Schliesslich ist die von Sirmondus
1 De Rossi führt acht abendländische Datirungen an, welche nur den
Namen des Avienus führen, und meint für deren zwei die Beziehung
auf 501 wahrscheinlich machen zu können. (Inscriptiones Christianae
Urbis Romae 1, 412 sqq.) Im einen Falle aber müsste erst eine ent
sprechende Emendation der Indictionsziffer vorgenommen werden; im
anderen Falle sollte die keineswegs exact feststehende Chronologie der
Bischöfe von Lyon den Ausschlag geben; es ist also auf das bisher be
kannte epigraphische Material in unserem Falle schlechterdings zu ver
zichten.
2 Vogel glaubte noch eine Quelle heranziehen zu können, den Brief des
Papstes Symmachus an Avitus von Vienne vom 13. October 501, datirt:
Avieno et Pompeio consulibus, bei Thiel als Symmachi epist. 4, p. 656 sq.
Aus der Datirung ergäbe sich, dass im October 501 bereits der Name
des oströmischen Consuls in Rom bekannt und officiell verwendet war;
deshalb müsste die Datirung der Synodus Palmaris vom 23. October
schon wegen der Beschränkung auf den weströmischen Consulnamen
nicht ins Jahr 501, sondern erst 502 einzureihen sein. Da aber für
keines der beiden in Rede stehenden Jahre die Datirung nach beiden
Consuln im Abendlande anderweitig zu belegen ist, hat De Rossi 1. c.
die Datirung dieses Briefes: Avieno et Pompeio angezweifelt. Seine Be
denken sind nunmehr bis zur Erkenntniss der absoluten Unbrauchbarkeit
der Quelle in ihrem ganzen Umfange gesteigert worden durch die über
raschenden Aufschlüsse, welche J. Havet neuestens in seinen Questions
m£rovingiennes (Bibi, de l’ecole des ehartes 46, 205—271) geboten
hat; der bezeichnete Papstbrief gehört nämlich ebenso wie derjenige
Quellenstudien zum Lanrentianischen Schisma.
305
anfgestellte, von De Rossi adoptirte Unterscheidung zweier
Avieni in der Correspondenz des Ennodius 1 derart, dass der
Erste, Sohn des Faustus und einer Verwandten des Ennodius, 2
das Consulat im Jahre 501, der Zweite aber, Avienus junior,
Adressat von Ennodius’ Epist. II, 28, das Consulat im darauf
folgenden Jahre 502 bekleidet haben sollte, nicht durch aus
reichende Beweisgründe zu stützen und daher ungeeignet, Licht
in die Frage zu bringen. Abgesehen davon, dass bei dem
ganz allgemeinen, vielfach phrasenhaft gehaltenen Ton und
Inhalt der Schreiben des Ennodius die Scheidung der als
Adressaten genannten Avieni in zwei Personen ohne zwingende
differenzirende Merkmale kaum als berechtigt gelten dürfte, 3
scheint mir auch völlig unerweislich, dass jener Angehörige
beider Geschlechter des Faustus und Ennodius: Rufius Magnus
Faustus Avienus, gerade mit dem Consul von 501 identificirt
werden müsse. Die äus Momenten innerer Kritik abgeleiteten,
stichhältigen und zuverlässigen. Argumente Vogel’s führen viel-
des Gelasius an Rusticus von Lyon vom 25. Jänner 494 (Jaffe-Kalten-
brunner: Regesta Pontificnm n. 634) und der undatirte Brief Anasta
sius II. an Chlodwig (Jaffe n. 745) zu den Fälschungen des Oratorianer
priesters P. Jerome-Viguier (f 1661), aus dessen Nachlass er mit mehreren
anderen unechten Stücken durch d’Achery im Spicilegium 3, 307 heraus
gegeben ist. Nicht nur der gemeinsame Ursprung der angeführten Papst
briefe mit anderen zweifellosen Fälschungen (Testament des Perpetuus
von Tours, Chlodwigs Schenkungsurkunde für Micy, Religionsgespräch
von 499) in dem literarischen Nachlasse Vignier’s verdächtigt diese
Briefe, sondern sie weisen auch auffallende formale Abweichungen in
den Schlussformeln auf, durch welche sie sich von allen anderen Papst
briefen der Thiel’schen Sammlung (461—523) unterscheiden (cf. Tlavet,
p. 255 ff.)- Uebrigens darf trotz des Verlustes dieser Stütze die bewei
sende Kraft der im Texte vorzuführenden Deductionen Vogel’s als un
geschmälert bezeichnet werden.
1 Sirmondi adnotationes ad Ennodii epistolas I, 5 et 12, II, 28, wieder ab
gedruckt bei Migne: Patrol. latina 63, col. 18, 25, 54.
2 So erklärt Sirmond zutreffend die Namen Faustus und Magnus unter
Beziehung auf Ennodius’ persönliche Mittheilungen in epist. I, 5.
3 Sirmondus in der Note zu epist. II, 28 bemerkt: Multa sunt in hac
epistola, quae ostendunt, alium esse hunc Avienum a Fausti filio; führt
jedoch seine Gründe nicht weiter aus. In der Ennodius-Ausgabe des
Wiener Corpus Scriptorum ecclesiasticorum, tom. VI, ex recens. Guil.
Hartelii (1882) ist die Unterscheidung beider Avieni beibehalten, in der
Edition Vogel’s, wie aus dem Register ersichtlich, fallen gelassen.
Sitzungsher. <1. phil.-hist. CI. CXII. Bd. I. Hft. 20
306
Stöber.
mehr zu dem entgegengesetzten Ergebnisse hin, dass der in
Ennodius’ Correspondenz so häufig genannte Jüngling und Sprosse
beider adeliger Geschlechter erst im Jahre 502 die Consulwürde
erlangt habe.
Wie Vogel ausführt, steht nämlich Zweierlei fest: dass
die fünfte Synode vom 6. November unter Avienus junior,
demnach im Consulatjahre des zweiten Avienus (502) stattfand;
ferner aber, dass diese fünfte Synode mit den vier vorange
gangenen bis zur Palmaris auch zeitlich durch den engsten
Zusammenhang verbunden ist. Die wichtige Stelle des Proto-
kolles der fünften Synode (n. 12): Modo quia Deus praesen-
tiam vestram votivam mihi sub qualibet occasione concessit,
volo si placet rem fieri firmam, quam credo ecclesiasticis facul-
tatibus convenire ... ist dahin zu erklären, dass der Papst
die Anwesenheit der aus anderweitigem Anlass (nämlich wegen
der Gerichtssache gegen Symmachus selbst) zu Rom ver
sammelten Bischöfe zu dem Zwecke benützt habe, um noch
eine ihm am Herzen liegende, dem allgemeinen Kircheninteresse
förderliche Angelegenheit (die Bestimmungen über Verwendung
des Kirchengutes) in Ordnung zu bringen. Vogel’s Interpretation
lässt sich sogar noch verstärken durch Heranziehung einer
zweiten Stelle desselben Protokolles (die von Symmachus bei
Eröffnung der fünften Synode gesprochenen Worte) und deren
Vergleichung mit den Satzungen der Palmaris:
Palmaris 11.
Declericis memorati papae,
qui. . . schisma fecerunt...
decrevimus, ut eos satisfacientes
episcopo suo misericordia
subsequatur . . . Ista nos suf-
ficiant cum Dei notitia sin-
cere praetulisse.
Synodus V, 2.
Bene quidem fraternitas ve-
stra . . . quae erant statuenda
definivit et ad iustitiae cumu-
lum pervenit, dum sufficien-
ter universa complectitur. Nec
adiectione indiget plenitudo,
maxime de clericis, quos ...
schisma fecisse apud vos
constitit. Quibus misericor-
diam tarnen . . . non negastis.
Symmachus identificirt ganz augenscheinlich die von ihm
angeredeten Bischöfe der fünften Synode mit eben den Synodal-
Quellenstudien zum Laurentianischen Schisma.
307
vätern, welche die Beschlüsse der Palmaris promulgirt hatten;
er spendet ihnen sein volles Lob wegen der Gerechtigkeit und
Vielseitigkeit ihrer Verfügungen. Diese vom Papste selbst be
zeugte Identität der Bischöfe der vierten und fünften Synode
findet in gleicherweise ihren Ausdruck in der Uebereinstimmung
der Subscriptionen. Von den 75 Subscribenten der Palmaris
kehren 68 auf der fünften Synode wieder, 1 neben denen dann
noch zwölf neue Namen von Bischöfen anderer Sitze erscheinen.
Die Differenzen werden theilweise schon durch die mangelhafte
Ueberlieferung der Bischofsnamen erklärt und gehoben ; 2 ausser
dem aber muss es mit Rücksicht auf die gefährlichen, turnul-
tuarischen Verhältnisse der Hauptstadt in jenen Tagen durchaus
begreiflich erscheinen, wenn einzelne ängstliche Synodalmit
glieder unmittelbar nach der Palmaris von dem Schauplatze
des Schisma sich entfernten. 3 Auf der andern Seite mag eine
Anzahl von Bischöfen, die bisher von den synodalen Vorgängen
sich ferne gehalten hatten, nunmehr, nach der Entscheidung
der Palmaris, ihre Pflicht erkannt haben, dem restituirten
Kirchenhaupte ihre Ergebenheit zu bezeigen. 4 —Ausschlag
gebend dünkt mich der Umstand, dass für die auf beiden
Synoden vertretenen 68 bis 70 italischen Bischofssitze in beiden
Fällen dieselben Namen der Inhaber genannt sind. 5 Wenn im
Synodalprotokolle der Palmaris sowohl (C. S. 1), als in den
Praeceptionen des Königs (App. 3), und ebenso im Laurentiani-
1 Im Texte (n. 1); hiezu kommen in den Subscriptionen noch die
Namen der Bischöfe Eucarpus und Justus, welche gleichfalls an der
Palmaris theilgenommen hatten.
2 Das Verzeichniss der Bischöfe im Texte des Protokolles stimmt mit den
Subscriptionen der fünften Synode wmder in Zahl, noch Anordnung der
Namen genau überein.
3 Auf diese wenigen Bischöfe wäre demnach die Aensserung des An.
Bl.: et sic (episcopi) urbem in summa confusione derelinquunt zu restrin-
giren.
4 Der bedeutendste unter diesen erst nachträglich, wohl aus Rücksichten
der Klugheit, beigetretenen Bischöfen ist Eulalius von Syracus, w-elcher
an der fünften Synode sogar als Sprecher theilnimmt.
5 Dem Bischof von Modena werden handschriftlich allerdings verschiedene
Namen beigelegt: Cassianus, Bassianus, Bassus, doch beruhen diese
Varianten augenscheinlich auf dem Verderbnisse der Ueberlieferung;
vgl. Thiel, p. 683, n. 8.
20*
308
S t ö b e r.
sehen Libellus adversus synodum 1 das hohe Alter, die Schwäche
nnd Mühseligkeit der versammelten Bischöfe so nachdrücklich
betont werden, so erhellt die Unmöglichkeit der Annahme, es
habe sich in der angeblichen Zwischenzeit von über einem
Jahre auf sämmtlichen siebzig Bischofssitzen auch nicht eine
Personal Veränderung ergeben. Und wenn Theodorich aus Rück
sicht auf das hohe Alter der Bischöfe von einer Verlegung
der bereits in Rom zusammengetretenen Synode nach Ravenna
Abstand nahm, 2 wie sollte Papst Symmachus bereits im nächst
folgenden Jahre nach Abhaltung der Palmaris dieselben greisen
Kirchen vorsteher aus allen Regionen Italiensum sich versammelt
haben, um einen einzigen Punkt der römischen Kirchen
ordnung mit ihrer Hilfe zu erledigen?
Alle Erwägungen führen übereinstimmend und man darf
sagen zwingend zu demselben Ergebnisse hin: die fünfte
Synode ist als die letzte, von dem restituirten Papste selbst
einberufene Sitzung der Synode von 502 zu fassen und eine
der ersten officiellen Aeusserungen des wieder zu seiner ober-
hirtlichen Autorität gelangten Papstes; in diesem Zusammen
hang erscheint die Synode zugleich um so bezeichnender für
die unmittelbare Erhebung und Kräftigung der vor Kurzem
noch so tief gedemütliigten Symmachianischen Partei, welche
unter Führung ihres Hauptes sofort zu umfassenden Beschlüssen
von weittragendster Bedeutung sich erhob. 4
1 C. S. 1: consuluimus regem . . . qua nos voluisset aetate fractos, debilitate
corporis invalidos, causa congregari; für die Stelle des Libellns vgl.
Ennodii Liber apologeticus p. 50,18 und weiter unten S. 315, n. 2.
2 App. 3: dum aliorum labore, aliorum permovemur aetate. . .
3 Die vierte und fünfte Symmachianische Synode sind nicht römische
Provinzialversammlungen, sondern Reichssynoden, zn denen die Bischöfe
ex diversis regionibus, de diversis provinciis (C. S. 1; App. 4 und 13)
vom Könige selbst zusammengerufen waren; daher nehmen auch die
italischen Metropoliten von Mailand, Ravenna, Aquileja, Syracits Antheil.
1 Eben dieses ,principielle Auftreten des Papstes gegen die weltliche Ge
walt* scheint Langen (a. a. 0., S. 226, n. 1) unmittelbar nach Sym
machus Wiederherstellung schwer denkbar; und doch entsprach dasselbe
dem Rechtfertigungsbedürfnisse des Papstes, wie der Wahrung seiner
Prärogative am besten, wenn es sich der Anerkennung unmittelbar an
schloss; zudem war die Lage in Rom ein volles Jahr nach Abhaltung
der Palmaris, während der erbitterten Stadtfehde, für die Erhebung
so bedeutungsvoller Ansprüche von geistlicher Seite in keiner Weise
*
Quellenstudien zum Laurentianisclien Schisma.
309
Papst Symmachus bemerkt in einer der auf der fünften
Synode gehaltenen Ansprachen, die Verdächtigungen seiner
Gegner, welche ihm Verschleuderung des Kirchengutes zur
Last gelegt, seien die Veranlassung, um derentwillen er die
zu fassenden Synodalbeschlüsse angeregt habe. 1 In der That
bieten die Satzungen der fünften Synode neben der Erklärung
der Nichtigkeit gewisser von Odoakar und dem Consular Basilius
getroffenen kirchenrechtlichen Verfügungen zugleich eine voll
ständige, nur nachdrücklicher ins Detail eingehende Erneuerung
der im zweiten Theile der verworfenen Constitution enthaltenen
Bestimmungen. 2 Als Grund der Verwerfung wird daher von
geeigneter. Ein weiterer Einwand Langen’s wider Vogel’s chronologisches
System bemängelt die Zuverlässigkeit der von Vogel citirten Angaben
des L. p. und des Auctarium Prosperi über die Zugehörigkeit der Synodus
Palmaris zum Jahre 502; doch hat hangen seine bezüglichen Bedenken
näher auszuführen unterlassen und es gewinnen die Angaben der be-
zeichneten Quellen aus den im Texte dieser Abhandlung besprochenen
Gründen innerer Kritik vielmehr die vollste Bestätigung. — Wenn
Langen schliesslich erklärt, es wäre ,sehr auffallend, wenn nach der
Anklage gegen den Papst um Ostern 501 die nun folgenden Verhand
lungen nicht während des Sommers und Herbstes desselben Jahres,
sondern erst ein ganzes Jahr später stattgefunden hätten 1 , so hat da
gegen Vogel S. 410 die Unmöglichkeit des Zusammentrittes der Synode
im Jahre 501 mit schlagenden Gründen dargethan; wurde ja doch der
Visitator Petrus noch vor Ostern (pro diebus paschalibus), also im Jahre
502, ernannt und erst nach dieser Ernennung folgte der königliche Be
schluss auf Berufung einer Synode.
1 n. 12: ut agnoscant omnes quos in me vanus furor excitavit, nihil
me magis studere quam ut salvum esse possit, quod mihi est a deo sub
dispensatione commissum; vgl. weiter oben, S. 280 f.
2 Im ersten Theile der scriptura sucht Odoakar die Papstwahl unter seinen
Einfluss zu bringen, hiezu durch die angebliche Einwilligung und
den Wunsch des Papstes Simplicius berechtigt. Im zweiten und Haupt-
theile aber werden Bestimmungen wider die Veräusserung des römischen
Kirchengutes getroffen. Eine solche Veräusserung soll — ausgenommen
bei Pretiosen und anderen für den Kirchendienst nicht unmittelbar zu
verwendenden Werthgegenständen — unter allen Umständen strafbar
und ungiltig sein; der ungerechte Erwerber ist gehalten, das ungehörig
angeeignete Besitzthum samint dem Fruchtertrage und ohne irgend
welche Entschädigung zurückzuerstatten. Die stricte Beobachtung und
Einhaltung dieser Bestimmungen wird eingeschärft, indem zugleich
jedem einzelnen Cleriker das Recht eingeräumt ist, gegen eine Ver
letzung dieser Satzungen Einspruch zu erheben. — Sämmtliche eben
310
Stöber.
sämmtlichen Synodalrednern und in der bezüglichen Erklärung
der Synode selbst nicht etwa die Schädlichkeit des Inhalts
der betreffenden Satzung betont, sondern nur die Ungehörigkeit
kirchlicher Erlässe seitens der weltlichen Autoritäten (n. 11):
hanc ipsam scripturam nullius esse momenti, quae etiamsi
aliqua posset subsistere ratione, modis omnibus in synodali con-
ventu . . . enervari conveniebat et in irritum deduci, ne in
exemplum remaneret praesumendi quibuslibet laicis quamvis
rehgiosis vel potentibus in quacumque civitate quolibet modo
aliquid decernere de ecclesiasticis facultatibus. In diesen höchst
präjudicirlichen Worten liegt eine scharfe Spitze gegen jede
Form eines Eingriffs seitens welch immer weltlichen Autorität.
Allerdings ist die Nichtigkeitserklärung unmittelbar gegen einen
Erlass des von Theodorich niedergekämpften, in den Hofkreisen
im schlechtesten Andenken stehenden Vorgängers in der Herr
schaft, Odoakar 1 gerichtet, und sie scheint insofeme einen
durchaus loyalen Charakter zu tragen. Zieht man indess in
Betracht, dass Theodorich gegen die Forderung des Papstes,
gegen die Bitte der Bischöfe und, wie das Constitutum zu
verstehen gibt, auch gegen die kirchlichen Canones den römischen
Kirchenbesitz dem Papste vorenthielt, so gewinnt das: quibus
libet laicis quamvis religiosis vel potentibus zugleich actuelle
Beziehung, und es stellt der Synodalbeschluss eine energische
Rechtsvenvahrung dar wider ähnliche Vergewaltigungen, wie
sie in der jüngsten Vergangenheit an Papst Symmachus be
gangen worden waren. 2 — Die synodale Verfügung hat nun
freilich nach dem Wortlaut des Protokolles durchaus einge
schränkte Geltung, ausschliesslich für den römischen Kirchen-
angeführte Verfügungen kehren, theilweise in übereinstimmender Formu-
lirung, unter den Beschlüssen der fünften Synode wieder.
1 Die üble Nachrede, mit welcher Cassiodor und insbesondere Ennodius
im Panegyricus auf König Theodorich (p. 209,29) Odoakar verfolgen,
erklärt sich zur Genüge aus dem Bestreben, die Handlungsweise des
ostgothischen Herrschers, der seinen Nebenbuhler wohl sogar eigenhändig
ums Leben gebracht hat, besser gerechtfertigt erscheinen zu lassen. Die
byzantinischen Quellen aber haben von der angeblichen Verrätherei und
Verschwörung Odoakar’s gegen Theodorich keine Kunde; vgl. die Zu
sammenstellung der Quellenstellen bei Dahn: Könige 2, 81.
2 Vgl. die S. 303, n. 2 angeführte Stelle des Synodalprotokolles, ferner
Ennodius, p. 58, 23.
Quellenstudien zum Laurentianischen Schisma.
311
besitz, 1 wie sie ja auch durch römische Kirchen Verhältnisse
und deren Verwirrung in erster Linie ins Leben gerufen war;
wir erfahren jedoch, dass die Constitution der Synode sehr
bald einer bedeutsamen Erweiterung auf sämmtliche Kirchen
im Machtbereiche Theodorichs unterzogen wurde. Ein könig
liches Edict vom 11. November 507, an den römischen Senat
gerichtet, 2 verfügt im Sinne vorgängiger Entschliessungen der
venerabilis synodus und des Senates selbst im allgemeinsten
Umfange, dass kein Bischof irgend einer Kirche das Recht
habe, in was immer für Formen das Kirchenvermögen zu
veräussern. 3 Auch auf das dem Reiche Theodorichs gewonnene
oder doch seiner Verwaltung angeschlossene Südgallien wurde
das strenge kirchliche Veräusserungsverbot erstreckt, wie ein
Brief des Papstes Symmachus an Cäsarius von Arles vom
6. November 513 darthut. 4 Indem aber dem Arelatenser Metro
politen das Vicariat in Gallien anvertraut ward, wurde gerade
die canonengemässe Verwendung des Kirchengutes unter die
Oberaufsicht des apostolischen Stuhles gezogen und mit anderen
ein wesentliches Mittel zur Herstellung eines genauen Ab-
1 Der Schluss des Protokolles (n. 18) bestimmt: Huius autem constitu-
tionis legem in apostoliea tantum volumus sede servari, universis eccle-
siis per provincias seeundum auimarum considerationem, quam proposito
religionis convenire rectores earum viderint, more servato.
2 Lex data a gloriosissimo rege Theodorico bei Thiel, p. 695 f.
3 ut nulli fas sit ecclesiae cuiuslibet antistiti sub qualibet alienatione de
proprietate contractus. Das Edict Theodorichs findet sich handschrift
lich auch im Codex 212 des Cölner Domcapitels (ol. Darmstadt 2326)
saec. VI—VII unter n. LI auf f. 131 mitgetheilt, und es schliesst sich
an dasselbe auf f. 131' und 132 nach einem kurzen vermittelnden
Uebergange — abgedruckt bei Maassen: Geschichte der Quellen und
der Literatur des canonischen Rechtes (Graz, 1870) 1, 583 — ein Ex-
cerpt der Canones der fünften Synode an. Die in Note 1 angeführten
Schlussworte des Protokolles, welche die in späterer Zeit nicht mehr
zu Recht bestehende Einschränkung auf die römische Kirche enthalten,
fehlen im Excerpte. — Der Cölner Codex bestätigt übrigens eine
glückliche Emendation Tliiel’s im Texte des Edictes p. 696, n. 85:
consultatione für consolatione der ihm bekannt gewordenen Hand
schriften.
4 Thiel, p. 724, n. 2: Possessiones quas unusquisque ecclesiae proprio
dedit aut reliquit arbitrio alienari quibuslibet titulis atque contractibus
vel sub quoeumque argumento non patimur.
312
Stöber.
liängigkeitsverhältnisses der dem Arelatenser Vicar anvertrauten
gallischen Kirche von der römischen Kirche im sechsten Jahr
hundert. 1
III. Der Libellus adversus synodum und die Gegenschrift
des Enuodins.
Indem wir die Synodalacten als officielle Denkmäler des
römischen Kirchenzwistes von 502 ins Auge gefasst haben,
welche uns neben thatsächlichem Berichte zugleich die Auf-
fassungsweise der schliesslich zum Siege gelangten Hierarchen
partei vergegenwärtigen, konnten wir uns nicht verhehlen,
dass eine streng objective, leidenschaftslose Darstellung des
trotz aller Anstrengungen immer noch nicht beschwichtigten
Streites in diesen gleichzeitigen, officiellen Quellen nicht er
wartet werden dürfe. In der der Palmaris folgenden Entwick
lung des Schisma verschärften sich die Gegensätze nur noch
mehr. Die Festsetzungen der Synode waren weit entfernt von
dem Erfolge begleitet zu sein, den sie für sich in Anspruch
nahmen, und den man am Hofe von ihnen erwartet hatte, von
der Herstellung des kirchlichen Friedens. Die Laurentianer
bemächtigten sich des Augenblickes, ihre lange gehegten
Forderungen in die That umzusetzen. In einer an den König
gerichteten Eingabe empfahlen sie Laurentius als den einzig
rechtmässigen römischen Bischof, und unternahmen es, dem
Könige die angeblichen Umtriebe und Ränke der Symmachia-
nischen Partei zu enthüllen, ja sie setzten damals, nach dem
Berichte des An. Bl., die theilweise Occupation der römischen
1 Hormisdas macht selbst dem allgemein geehrten und durch privilegirte
Stellung ausgezeichneten Bischöfe Cäsarius von Arles ein allzu selbst
ständiges Vorgehen in der Verwendung des Kirchengutes zum Vorwurf
(Hormisdae epist. 150 bei Thiel, p. 989, n. 3; Jafte-Kaltenbrunner:
Regesta Pontificum Num. 864) und Papst Agapitus weigert einer Bitte
desselben Cäsarius seine Genehmigung, weil sie den Constitutionen der
Väter widerstreite: quibus prohibemur, praedia iuris ecclesiae, cui nos
omnipotens Dominus praeesse constituit, quolibet titulo ad aliena iura
transferre (Jafte, n. 891). Vgl. auch die Geschichte der Synode von
Marseille (Hefele: Conciliengeschichte 2, 730 ft'.).
Quellenstudien zum Laurentianischen Schisma.
313
Kirchen für Laurentius durch. 1 Als geeignetes Mittel für die
Bekämpfung des verhassten Papstes und seiner Anhänger
wurde nun auch ein Pamphlet wider die Synodus Palmaris,
betitelt: Libellus adversus synodum incongruae absolutionis,
zur Abfassung gebracht. Diese inhaltlich bedeutende, formell
äusserst gewandte Streitschrift ist zwar nur im Rahmen einer
Gegenschrift des Diakons Ennodius, des Liber apologeticus,
verkürzt und verstümmelt, auf uns gekommen; dennoch lässt
sich erkennen, wie viel Zutreffendes in derselben gegen die
Hierarchenpartei vorgebracht war, mit welcher Geschicklichkeit
und welchem Hasse deren Schwächen ausgespäht und gebrand
markt , deren principieller Gegensatz zur landesherrlichen
Gewalt des Ostgothenherrschers aufgedeckt und für die Zwecke
der Polemik genutzt wurde. Versuchen wir es, das Ganze des
bei Ennodius nur an zerstreuten Stellen mitgetheilten Anklage
materials wiederherzustellen und die ursprüngliche Meinung
und Bedeutung der Laurentianischen Argumente von der tenden
ziösen Umkleidung der Gegenschrift, so weit dies durchführbar
ist, loszulösen.
Die Excerpte, respective Citate, welche Ennodius aus
dem Libellus mittheilt, sind von einander durch die Ein
wendungen und gegnerischen Beweisführungen des Apologeten
geschieden, und nur selten noch lässt sich entnehmen, dass
mehrere bei Ennodius einander folgende Citate auch im
Libell zu einem einheitlichen Ganzen verknüpft waren. 2 Immer-
1 Clerus ergo et senatus electior, qui consortium vitaverat Symmachi, peti-
tionem regi pro persona Laurenti dirigit.. . ut ipse Romanae praesederet
ecclesiae, ubi dudum fuerat summus pontifex ordinatus; quia hoc et
canonibus esset adfixum, ut unusquisque illic permaneat, ubi primrtus
est consecratus antistis, vel si quibusdam commentis exinde remotus
fuerit, eum modis omnibus esse revoeandura. Sic Laurentius ad urbem
veniens per annos circiter quattuor Romanam tenuit ecclesiam . . . Der
Anonymus behauptet also nicht, dass die Occupation der römischen
Kirchen durch Laurentius mit Genehmigung des Königs erfolgt sei;
Theodorich hat eben in den nächsten Jahren bis 506 eine durchaus
zurückhaltende, zuwartende Haltung eingenommen und damit beiden
Parteien die Möglichkeit einer ungehinderten, freien Entwicklung ge
währt.
2 Beispiele solcher Verknüpfung Lib. apol. p. 51, 3«;-. Praelocutioni tarnen
optimae divinum subdidistis exemplum; oder p. 51,3s: huic dicto con-
serentes quasi ad sacerdotes apostropham .. .
314
Stöber.
hin aber sind die fortschreitenden Citate des Liber apologeticus
in der Richtung und Folge der Entwicklung des Laurentiani-
schen Werkes zur Anführung gebracht. Darauf deuten schon die
zahlreichen temporalen Uebergangspartikeln und Anknüpfungen
mit addere und subdere hin. 1 Ueberdies aber bekennt Ennodius
ausdrücklich, er wolle das ganze von den Gegnern aufgebrachte
Beweismaterial vorführen und, ihnen auf dem Fusse folgend,
sie in allen Punkten zurückweisen. 2 Wir sind demnach be
rechtigt zu folgern, dass Ennodius in dem systematisch ge
ordneten Haupttheile seiner Apologie (im Gegensätze zu den
rhetorisch bewegten, dispositionell freier gehaltenen Schluss
ausführungen der Apostelfürsten und der Roma) die Wider
legung dem Gange der Entwicklung im Laurentianischen Libellus
sich anschliessen lässt. Die Annahme wird bestätigt durch
den geschlossenen, dispositionell befriedigenden Gedankenzu
sammenhang, durch welchen die bei Ennodius gebotenen Citate
in ihrer Reihenfolge verknüpft erscheinen und welchen wir im
Folgenden darzulegen unternehmen.
Ennodius’ Polemik nimmt ihren naturgemässen Ausgang
von dem Titel der feindlichen Schrift: (Libellus) adversus
synodum absolutionis incongruae. 3 Schon in diesem Titel war
die eigentliche Angriffsrichtung der Laurentianer zutreffend be
zeichnet, da in der That der ganze Inhalt des Libells nur
dazu bestimmt erscheint, die Ungerechtigkeit und Unverbindlich
keit der Entscheidungen der Palmaris nach allen Seiten hin
näher zu begründen. So wird schon in der Eröffnung des
Libellus die Ungerechtigkeit der Synodal-Constitutionen her
geleitet aus der parteiischen Zusammensetzung des geistlichen
Gerichtshofes selbst; weder seien sämmtliche Bischöfe durch
königliche Berufung versammelt worden, noch sei die Ent
scheidung der Palmaris in vollzähliger Sitzung erfolgt. 4 Nur
1 p. 52,3s: Post Esau mentionem operi vestro ... indidistis; p. 53,12: Sed
sequitur vinculum cuin aenigmate ...; p. 53, 39: Post illa, quae de accu-
satoribus prolata sunt, addidistis und ähnliche Wendungen.
2 p. 51,2i: sed fetidum opus vestigiis insequar et ferrata si valeo calce
contundam; p. 57, 22: Sed promissi memores universa, quae operi ipso-
rum recolimus inserta, tangamus.
2 p. 49, 29.
4 p. 50, 2: non omnes sacerdotes regis ad concilium adscivit auctoritas
nec omnes in iudicatione senserunt.
Quellenstudien zum Laurentianischen Schisma.
315
bei so offenkundiger Einseitigkeit des Synodalgerichtes werde
die rückhaltslos und vor aller Augen hervortretende feindselige
Behandlung der Ankläger erklärbar, die sogar in den Acten-
stticken der Synode durch injuriöse Ausdrücke beschimpft
würden, während dagegen die königlichen Praecepte solcher
Gehässigkeiten sich jederzeit enthielten. 1 Ausserdem aber seien
die zu Rom versammelten Bischöfe notorisch nur altersschwache
und deshalb urtheilsunfähige Greise gewesen. 2 Vergleiche man
beide Parteien nach ihrem ethischen Werthe, so stellen die
Symmachianer, um die Gunst des Königs buhlend, seine
Willensmeinung ängstlich erforschend, weltliche Rücksichten
höher als die Gebote der Religion, 3 im Gegensätze zu den
Anhängern des Gegenpapstes, welche der Mahnung der Schrift
folgend, nur darauf bedacht sind, sich von der Gemeinschaft
der Sünder abzutrennen. 4 — ln Begleitung der mitgetheilten
Argumente und Ausführungen der Schismatiker befand sich
manche interessante Einzelheit, welche in Ennodius’ Citate
mit übergegangen ist. So war den Libellisten die schonungs
lose Verurtheilung der den königlichen Willen consultirenden
Bischöfe als dem Ansehen der Krone derogirend erschienen;
und sie fühlten sich durch diese Erwägung bestimmt, eine
ausführliche Lobeserhebung des Königs zuzulegen, um das Ge
hässige und Bedenkliche des Angriffs auf solche Weise zu
mildern. 5 Ferner scheint der Berufung auf die Schriftstelle
Ps. 49, 18 beigegehen gewesen zu sein eine Interpretation des
1 p. 50, ii: adversarios papae Romani dici non debuisse, qui praedictum
prolatis petitionibus accusabant.. qnod eos isto nomine praecepta regia
non vocassent.
2 p. 50,18: testis est Romana civitas, si omnes episcopi senes et debiles
convenerunt.
3 p. 50,29: plus chartae et scriptioni religionis debitum quam praesentiae
principali.
4 p. 51, e: contra apostolum dicitis impugnatores summi pontificis non
auditos, qui caelestis mandati memores partem suam a consortio adul-
teri subduxerunt; der Apostel ist hier irrthümlich statt der Propheten
(Psalm 49, 18) citirt, wie Ennodius dem Libellisten zum Vorwürfe
macht.
5 p. 51, i: exliinc digressi bonarum rerum in rege laudatis aftectum et
colitis verbis innocentiam quam actibus ignoratis . ..
316
Stöber.
Inhaltes, dass schon blosser Verdacht der Sünde ein gänzliches
Zurückziehen zur Pflicht mache. 1
Von diesem einleitenden Theile ging der Libellus über zur
Erörterung des principiellen Verhältnisses des angeschuldigten
Papstes zur Anklage. Indem die Symmachianer über der Aus
nahmsstellung ihres Hauptes so eifersüchtig wachen, im Beson
deren dessen Recht auf Berufung der Synode zur Anerkennung
zu bringen bestrebt sind, beleidigen sie des Königs oberste
Autorität 2 und entziehen zugleich den gefährlich Erkrankten
(d. i. den sündhaften Papst) jener Heilung, deren er so dringend
bedarf. 3 Sie predigen geradezu die Lehre, dass der Inhaber des
Stuhles Petri die volle Freiheit besitze, nach Willkür zu sündigen. 4
Auf der anderen Seite sind dieselben Bischöfe inconsequent genug;
in der Klagesache den König um Rath anzugehen und damit ihr
Princip der Unverantwortlichkeit des Papstes von vorneherein
wieder aufzugeben.'' Ja gerade die Mitglieder der Hierarchen
partei haben über Symmachus — diesen den Sinnen fröhnenden
Esau nach der Beurtheilung seiner Laurentianischen Gegner 0
■— die strengste Processualform zu verhängen sich entschlossen. 7
Freilich nahmen sie dann auf der anderen Seite den Angeschul-
digten vor der drohenden Vernichtung durch die Aussagen seiner
eigenen Sclaven in Schutz, indem der von den Anklägern an
gebotene, vom König selbst in Aussicht genommene Zeugen-
1 Darauf deutet wohl die höhnende Bemerkung des Ennodius hin, der
den Gegnern die seltsame Rechtsvorstellung unterlegt, p. 51,12: in cri-
minibus obiectis quod non excluditur adprobatur.
2 p. 51, 23: obloeutos sacerdotes praeceptionibus regiis allegatis . . .
opponendo: quis regi debuit dicere, papam oportuisse synodum con-
vocare?
3 p. 52,2: quomodo vos animae eius curationem exhibere rennuitis?
4 p. 52,13: beatum Petrum ... a domino cum sedis privilegiis vel succes-
sores eius peccandi. .. licentiam suscepisse.
5 p. 52, 2e: cur ad principem convenistis, si audiri non licebat impetitum?
6 p. 52 , 33: Post Esau mentionem operi vestro .. . indidistis, conparantes ei
antistitem vestrum, qui senioris naturae beneficium unius cibi commu-
tatione perdiderit et primogeniti canam dignitatem amiserit faueibus ob-
sequendo.
7 p. 53,16: si vera est episcoporum adsertio, sedis apostolicae praesulem
minorum mimquam subiacuisse sententiae, cur ad iudicinm districta con-
ventione productus est?
Quellenstudien zum Laurentianisclien Schisma.
317
beweis durch Sclaven von der Synode verworfen wurde. 1 —
Des Papstes eigenes Verhalten aber war gleich unerhört, wie
sittlich verwerflich. Weit entfernt, dem Beispiele Christi, der
Apostel und Propheten nachzufolgen, 2 weigert er sich, vor dem
Gerichte Minderer zu erscheinen, und rettet sich vor den nur
zu wohl begründeten Anschuldigungen seiner Gegner durch den
vorgeblich canonischen Anspruch auf strengen, unweigerlichen
Gehorsam aller Glieder gegenüber dem kirchlichen Oberhaupte. 3
1 p. 53, 39: Post illa quae de accusatoribus prolata sunt addidistis: cur per-
sonae iussae sint praesentari, quas saepe imperialis flagitasset auctoritas,
ad defraudationem genii pertinere eius, qui nunc in sede apostolica quasi
in quadam arce consistit. Mit dem Ausdrucke imperialis (imperialia
scripta) bezeichnet Ennodius auch p. 59, 14 die wahrhaft kaiserliche
Machtfülle Theodorichs.
2 p. 55, io: ipsum dominum et redemptorem nostrum servorum subisse iudi-
cia et caeli operatorem particulae cuidam sponte subiacuisse terrenae
. . . hoc etiam B. Petrum, hoc Paulum apostolum non horruisse ...
3 In diesem Zusammenhänge scheint mir der Abschnitt p. 56, io zu fassen.
Ennodius deutet die Anschauung der Gegner an mit den Worten: Quis
patiatur vos aequo animo garrientes? ergo nos secundum adsertionem
vestram novellae utilitatis commoda non amamus, dum definitis seniori-
bus praestamus obsequium? und lässt hierauf einen Einwurf der Gegner
als directes Citat aus dem Libellus folgen: Moysi a vobis ieiunia et
Helisei miracula quae egit, dum mortuum suscitavit, si annosa tantum
sectamini, condemnantur; er erwidert mit der spöttischen Frage p. 5G, 17:
idcirco ergo cana miracula non probamus, si iuvenilibus consensum non
praebemus excessibus? si servum domino, discipulum magistro evangelii
memores subiugamus, quidquid potuit prodesse neglegimus? Die Lauren-
tianer behaupten demnach, ihren Gegnern sei bei ihrer steten Berufung
auf altehrwürdige Traditionen jedes Verständniss für die praktischen
Interessen und Bedürfnisse der Gegenwart abhanden gekommen. Zur Be
gründung dieser Klage werden hervorgehoben die von Symmachianischer
Seite an den Tag gelegte Missbilligung von iuveniles excessus — wahr
scheinlich der eigentlüimlichen, schwärmerisch excessiven Richtung der
Laurentianer selbst — und die so nachdrücklich vertretene Lehre von
der nüthigen Unterordnung innerhalb der Kirche. Wenn die Lauren
tianer dagegen auf die in grauer Vorzeit gelegenen Fasten und Wunder
des Moses und Elisäus sich beziehen, und ihren Gegnern Verwerfung
der altehrwürdigen Mirakel insinuiren (wogegen die Symmachianer
durch Ennodius’ Mund selbstverständlich protestiren), so haben die
Schismatiker eben nur die äusserste Consequenz der Lehren ihrer
Gegner gezogen. Während sie selbst der ungehemmten Entwicklung
persönlicher Frömmigkeit und Heiligkeit bis zum Grade der Wunder
wirkung den Vorrang zu geben scheinen, mit Stolz der asketischen
Dieser principielle Standpunkt offenbart sich von Anfang an
in der ungereimten Forderung des unerhörten Rechtes, nach
welchem der Papst eine Synode in eigener Klagesache ver
sammeln dürfe; die ihrem Führer blindlings folgenden Bischöfe
der Hierarchenpartei vermessen sich sogar der falschen Be
hauptung, dass die königliche Berufung der Synode nicht ohne
den Wunsch und Willen des angeschuldigten Papstes erfolgt
sei. 1 Aber eben diese so überaus getreuen Vorkämpfer der
päpstlichen Prärogative wurden vom Papste selbst mit nicht
achtender Willkür gelohnt, indem dieser zuerst ungerufen, eigen
mächtig, ja bedrohlich, mit einem Gefolge erregter Volksmassen
vor die Synode zog, später aber, ordnungsmässig vorgeladen,
trotzig sein Erscheinen verweigerte. 2 Seine eigenen Vertheidiger
liess er rücksichtslos im Stiche, seine Ankläger würdigte er gar
nicht, ihnen Rede zu stehen. 3 Und wie unbotmässig und un
gerecht das Betragen des Papstes, so unklar und schwankend
ist die Haltung der Synode. Während sie selbst die Behauptung
aufstellt, nur durch des Papstes ausdrückliche Ermächtigung
sei ihr wahre, innere Festigkeit und Autorität verliehen worden,
hat sie doch thatsächlich vor erlangter Zustimmung des Papstes
Tugend ihrer geistlichen Führer Laurentius und Paschasius sich be-
rühmen und mit montanistischem Eifer auf der Entfernung eines un
würdigen Kirchenvorstehers beharren, stellen die Symmachianer unbe
dingte Unterwerfung und Fügsamkeit unter die in der Kirche bestehenden
Ordnungen in erste Linie und brandmarken jeden Abfall der Unter
gebenen von ihren kirchlichen Vorständen als Verletzung der Canones
und nicht zu duldende revolutionäre Ausschreitung (cf. p. 57, u).
1 p. 56, 2i: quare papa sine exempli instituto praecedentis synodum con-
vocavit, ut de criminum eius obiectione cognosceret? post haec nos
falsitatis arguitis, cur a principe, quae in praefato negotio scripta sunt,
dicimus postulata; letztere Bemerkung scheint eine Beziehung auf
C. S. 2 zu enthalten; vgl. oben S. 302, n. 3.
2 p. 57, 23: arguitur stilo splendidissimo papa Symmachus, quare conven-
tionem praeveniens cum populorum coetibus examen intrarit et postea
iudicia, cum evocatus quater fuisset, spreverit. Im Folgenden wird auf
die in diesen Volksmassen entzündete Wuth (furor), welche nur auf
gewaltsamen Ausbruch (inferenda violentia) harrte, angespielt, ja Sym
machus geradezu als Vertilger der Synode (extinctor noster) bezeichnet.
3 p. 58, io: indicta causa, derelictis defensoribus papa discessit; p. 59, (!;
Quis eum . . . vidit cum accusatoribus suis aperta ut aiunt pugna con-
fligere ?
Quellenstudien zum Laurentianisclien Schisma
319
ihre Sitzungen eröffnet. 1 Ihre angesehensten, hervorragendsten
Führer, die Metropoliten Laurentius und Petrus, enthielten sich
in ostentativer Weise dauernd der Gemeinschaft mit Symmachus. 2
Wohin aber sollte schliesslich ein Präcedenzfall wie der gegen
wärtige führen, wenn etwa auch die verbindliche Kraft der
Provinzialsynoden wegen Mangels der päpstlichen Gegenwart
und Autorität bestritten würde ? 3
Nachdem somit die parteiische Zusammensetzung des Syno
dalgerichtes, die Verwerflichkeit der hierarchischen Principien,
die Anmassungen des angeschnldigten Papstes, die innere Halt
losigkeit und Inconsequenz der Synode mit Schärfe gekenn
zeichnet sind, erübrigt es, den Papst und seine Partei in den
Augen des weltlichen Gebieters am entschiedensten zu discre-
ditiren, indem seine directe Auflehnung gegen königlichen Be
fehl, die oppositionelle Haltung von Papst und Synode gegen
den vom Könige ernannten Visitator als schwere Verletzung der
königlichen Autorität ins entsprechende Licht gesetzt werden. 4
Die Schuld wird noch erhöht durch den Umstand, dass der
Papst selbst zu wiederholten Malen anderen Bischöfen Visitatoren
gesetzt hatte. 5
Zu diesem aus der Citatenfolge in Ennodius’ Apologie
entwickelten Gedankeninhalte des Libellus wäre aus dem rhe
torischen Schlusstheile nachzutragen, dass die Laurentianer
im Schisma zwischen Bonifatius I. und Eulalius (418) einen
geeigneten Präcedenzfall zu erblicken meinten, um gestützt
auf denselben, mindestens die gleichmässige Verdrängung beider
Gegenpäpste von der weltlichen Autorität beanspruchen zu
können. 0 Auch wissen wir, dass die Libellisten gegen die
1 p. 59, 30: quomodo de causa vel qualitate eius primitus tractabatis,
cum necdum haberet synodus lirmitatem?
2 p. 59, so: venerabilem Laurentium et Petrum episcopos a communione
papae se suspendisse . . .
3 p. 60,7: ergo concilia sacerdotum ecclesiasticis legibus quotannis decreta per
provincias, quia praesentiam papae non habent, valitudinem perdiderunt?
4 p. 60, ls: laesum principem, quare adtributum visitatorem . . . prima
voluimus fronte discedere.
5 p. 61, so: visitatores et aliis episcopis ipse dedit et iustum est, ut facti
sui lege teneatur.
c p. 63 , 34: quid Eulali et Bonifati tempora, dum malorum solacium
quaeritis, revocatis in medium?
320
Stöber.
Evangelieneitate des Synodalprotokolles Front machten, um aus
einem ungenauen und einem zweiten, von ihnen seihst missver
standenen Citate 1 die ungereimtesten Folgerungen wider die
Rechtgläubigkeit der Synodalväter abzuleiten. Der Schlusstheil
des Libells ist um so weniger zu reconstruiren, als Ennodius
selbst durch den Mund des Apostels Petrus erklärt, er erachte
es für entsprechender, alle weiteren verdammungswürdigen An
klagen und Verdächtigungen der Gegner mit Stillschweigen zu
begraben. 2 Immerhin mag dieser Schlusstheil nicht ohne blen
dende Effecte gewesen sein, da Ennodius zum Abschlüsse des
eigenen Werkes sichtlich sein Bestes thut, die Gegner durch
affectvolle, leidenschaftliche Stärke des Tones, wie durch die
Kunstmässigkeit eines sich steigernden und verstärkenden Auf
baues zu überbieten. Aber auch ohne diesen Schlusstheil ist
uns hinreichendes Material geboten, um die Vorstellungsweise
und Kampfesart der Laurentianer kurz nach der Palmaris ent
sprechend zu würdigen, die Berechtigung ihrer Anklagen, die
Geschicklichkeit ihrer Intriguen einer prüfenden Beurtheilung
unterziehen zu können.
Die Vorwürfe der Laurentianer richten sich theils persön
lich gegen Symmachus, theils gegen die Synode. Die wider
Symmachus im Libell erhobenen Klagen befinden sich vielfach
im Einklang mit den im An. Bl. vorgebrackten Anschuldigungen.
So berichtet der Anonymus von fleischlichen Vergehungen des
Papstes :t und auch der Libellus bezieht sich auf dieselben
mit den malitiösen Worten (p. 58,9): mulierum turbas adseritis
urbanis eoloribus cum praefato (sc. papa) ad iudicia convenisse
et . . . ostenditur sexus, qui maiorem antistiti debuisset affectum.
Nach derselben Seite richtet sich ferner der Vergleich des
Papstes mit dem seiner Sinnengier erliegenden Esau; 4 und
auch die Stelle über Moses’ Fasten und Elisäus’ Wunder, welche
1 Es sind die Stellen I. Joh. 1, 8 und Luc. 12, 5 bei Ennodius p. G4.
2 p. 64, 32: ßeliqua obiectionum vestrarum capita non revolvam: prae-
stat silentio damnanda sepelire.
3 [Djumque ibidem (sc. Arimini) . . . aliquantisper moratur, promeridianis
horis super litus maris ambulans vidit mulieres inde transire, cum qui-
bus accusabatur in scelere, quae comitatum petebant regia iussione.
4 Vgl. die weiter oben S. 316, n. 6 angeführte Stelle.
Quellenstudien zum Laurentianischen Schisma.
321
den Symmaeliianern Unglauben gegenüber altehrwürdigen Mira
keln zuschreibt, scheint auf den innerlichen Gegensatz zwischen
der asketischen Partei des Laurentius und den im Weltgetriebe
selbst verweltlichten Symmaeliianern hinzuzielen. 1 Ennodius’
Erwiderung auf so geartete, gehässige Anklagen war eine von
selbst gegebene: stolzes Zurückweisen der Verleumdung und
rügende Darzeigung der gegnerischen Schwächen. Jener hämi
schen Anspielung auf die im Gefolge des zur Synode ziehenden
Papstes erscheinenden Römerinnen hält der entrüstete Apologet
eine lange Reihe von Schriftstellen entgegen, welche insgesammt
die Laster der Verleumdung und Schmähung brandmarken und
überlegene Verachtung derselben lehren.
Schwerer wog ein zweiter Vorwurf. Als Symmachus noch
vor erhaltener Einladung (conventionem praeveniens) aus freier
Entschliessung und mit einem Geleite ihm ergebener Volks
mengen vor die Synode zog, da war — nach Angabe der
Libellisten — seine Absicht, mit den zur Wuth gestachelten
Pöbelhaufen den Richtern Furcht einzuflössen, die Synode zu
vergewaltigen; 2 erst nach dem Fehlschlagen dieses Planes ver
schmähte es Symmachus, fernerhin vor der Synode zu erscheinen. 3
Die Richtigkeit der von den Laurentianern angezogenen That-
sachen muss zugegeben werden. Die viermalige Vorladung
des Papstes, wie seine entschiedene Weigerung, der Vorladung
Folge zu leisten, sind durch das Constitutum und die Relatio
verbürgt. Aber auch die Behauptung, der Papst sei ohne oder
vor ergangener Einladung seitens der Synode erschienen, ent
behrt nicht der Begründung. Wir erfahren nämlich aus dem
’ Vgl. die Erklärung der Stelle weiter oben S. 317, n. 3; dagegen möchte
ich nicht mit Thiel, p. 737, n. 5 das Citat der Psalmenstelle (Ennodius
p. 51 o,) von der Trennung der Gemeinschaft mit den Ehebrechern auf
die in Kede stehende Anschuldigung beziehen; hier liegt einfach biblisch
bildlicher Sprachbrauch vor, und Ennodius erwidert dann auch in
gleichem Stile p. 65, «i: Docetis fornicantibns neminem esse miscendum,
adulteri Laurenti aut sequaces aut praevii, ohne damit gegen den
Gegenpapst eine Beschuldigung wegen Fleischessünden erheben zu wollen.
2 Ennodius p. 57, 2«: ergone illam multitudinem devotae deo plebis non pro
fidei diligentia Christiana magis expectatio quam furor evocavit? quis-
quamne ad inferendam violentiam currens lacrimas eomites habet et
qui studet esse formidini, vultum timentis ostendit?
3 Vgl. oben S. 318, n. 2.
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. CXII. Bd. I. Hft.
21
322
Stöber.
Synodalprotokolle, dass die Boten Theodorichs, jene Grafen und
Hausmeier, welche die vierte Praeceptio vom 27. August zu über
bringen hatten, noch die Spuren der Wunden an den beim
Ueberfall Verletzten wahrgenommen haben. 1 Symmachus’ Zug
zur Synode fand demnach an einem der ersten Sitzungstage
der mit 1. September zusammengetretenen Sessoriana und kurz
vor dem Eintreffen der königlichen Botschaft statt. 2 Da aber
die Synode in einem besonderen Schreiben an Theodorich sich
gewendet hatte, um für den vorzuladenden Papst sicheres Ge
leite zu erwirken, 3 so konnte sie consequenter Weise erst nach
dem Eintreffen der diesbezüglichen königlichen Entschliessung
— das ist frühestens den 6. September — ihre Vorladung an
Symmachus ergehen lassen. Während also das Synodalprotokoll
flüchtig anmerkt (C. S. 6): Et dum inter ista quae essent facienda
tractantur, praefatus papa, ut causam diceret, occurrebat —,
bietet hiezu die gegnerische Quelle eine ganz wesentliche Er
gänzung in der Constatirung, dass der Papst in freier Selbst
bestimmung, ohne den Ruf der Synode, ohne das Einlangen
der königlichen Willensmeinung abzuwarten, vor die Synode
zog; es lag ihm eben daran, die Prärogativen seiner besonderen
Stellung in keinem Augenblicke preiszugeben. — Mit Recht
zwar protestirt Ennodius gegen die dem Papste im Libell unter
legte feindselige Absicht und betont, dass die begleitenden
Scharen nur weinend und fürbittend, nicht drohend und über
wältigend erschienen seien; 4 aber der Apologet selbst bezeugt,
welch mächtige moralische Pression durch dies zahlreiche Ge
leite auf die Synodalväter geübt werden sollte, da der Papst
,fast schon als ein Freigesprochener vor dem Gerichte er
schien, für den der ganze Erdkreis weinend Fürsprache ein-
1 C. S. 6: ut . . . recentimn adliuc vestigia vulnerum illustris vir comes
Angernus et sublimes viri Gudila et Bedeulfus, maiores domus regiae,
perspexissent . . .
2 Langen a. a. 0., S. 227 spricht noch immer von der Rettung des Papstes
bei dem Ueberfalle durch die königlichen Beamten; er folgt hierin der
Darstellung Dahn’s 3, 226, welche indess schon bei Vogel S. 409 n. ihre
Berichtigung gefunden hat.
3 Vgl. weiter oben S. 294, n. 3.
4 p. 57, 31: multitudo illa iuncta sacerdotis officiis adtulit ad nos lamenta,
non iacula, nec venit telis minax, sed fletibus miserabilis . . .
Quellenstudien zum Laurentianisclien Schisma.
323
gelegt/ 1 Wenn also Laurentianische Banden durch blutigen Ueber-
fall das Anlangen des Papstes vor der Synode verhinderten, so
hatten ihre Anstifter scharfsichtig den Moment gewählt, in wel
chem Gefahr im Verzüge stand. In der That folgte diesem
Attentate die äusserste Entmuthigung der Symmachianer; die
Libellisten aber nutzen mit Freuden die zwischen Papst und
Synode eingetretene Spaltung, indem sie, den Riss zu vergrössern,
gegen den Papst und für die sonst so arg geschmähte Synode
Partei ergreifen (p. 57, st) : dum rebus extraneam in praedictum
invidiam sermone colligitis, paulisper reverentiae nostrae (sc.
synodi) diu cervix superba submittitur. sacram enim congre-
gationem tune vocatis, quando extinctorem nostrum Symmachum
vultis adserere. An dieser wunden Stelle in der Synodalent
wicklung, welche die Gegner glücklich ausgespäht hatten, setzten
sie auch die volle Kraft ihrer Beredsamkeit ein. 2 Indem die
Laurentianer der Synode ihre crudelis pietas auf Kosten des
angeschuldigten Papstes erwiesen, offenbarten sie zugleich ihre
wohlgegründete Erkenntniss, dass in den Geschehnissen der
zweiten und dritten Synode die grösste Gefahr für die Hier-
archenpartei und ihre Principien gelegen gewesen.
Eine weitere und gleichfalls höchst bedenkliche Anklage
ward wider Symmackus wegen Ungehorsams gegen den könig
lichen Befehl erhoben. Hier schliessen sich die Gegner theil-
weise im Wortlaute an den Text des Constitutum an, um
möglichst schlagende Erfolge zu erzielen. Dem im C. S. 4 mit-
getheilten Gebote des Königs, durch welches das unmittelbare
Eingehen in das Processverfahren anbefohlen wird: lussus est
regis praeceptionibus papa Symmachus ante patrimonii vel eccle-
siarum . . . receptionem cum impugnatoribus suis in disceptatione
coufiigere — hat Symmachus in der That nicht entsprochen;
daher die Frage des Libellus (Ennodius p. 59, o): Quis eum
vidit cum accusatoribus suis aperta . . . pugna confligere? Der
Vorwurf war zu wohl gegründet, um eine directe und unge
zwungene Entgegnung zuzulassen; Ennodius musste suchen, in
seiner Replik der Frage eine andere Wendung zu geben, indem
1 p. 57, 35: sed habetis manifestum ex hac re qui bilem furor adeendat,
quia paene absolutes ad iudicia venit, pro quo orbis inlacrimat.
2 p. 57,2s: arguitur stylo splendidissinio papa Symmachus . . .
er einzig das kirchliche Moment der Sache in Betracht zog:
Kirchliche Angelegenheiten haben mit dem weltlichen Forum
nichts gemein; 1 die vom Könige abgelehnte Forderung war,
nach den kirchlichen Canones beurtheilt, eine legale, wohl be
rechtigte, zugleich ein nothwendiger Protest gegen die erlittene
Vergewaltigung; 2 die Personen der Ankläger sind zu niedrig,
um überhaupt als würdige Gegner des Papstes in Betracht
kommen zu können; 3 die Weisheit des Königs aber schützt die
Unschuld und ist gemeinen Verdächtigungen unzugänglich. 4 —
Mit all diesen Scheingründen ist freilich die Thatsache des Un
gehorsams nicht hinweggeleugnet; vielmehr werden ungnädige
Entscheidungen des Königs selbst als durch Laurentianische
Bänke erschlichen bezeichnet 3 und dem gegenüber der be
sondere kirchliche Standpunkt mit unverkennbarer Absichtlich
keit auf das Schärfste präcisirt und behauptet.
Besser gelang es in einem zweiten Falle, denselben Vorwurf
der Unbotmässigkeit zurückzuweisen, in Betreff des widersetz
lichen Verhaltens von Papst und Synode gegen den vom Könige
entsendeten Visitator Petrus. Ennodius führt sehr geschickt aüs,
dass des Königs Verfügung nur formell den Wünschen der Lau-
rentianer entsprochen, factisch aber zum Schutze des Papstes ge
troffen gewesen sei. 6 Als widerrechtlich und ungehorsam müsse
daher nur das Verhalten des Visitators verurtheilt werden, welcher
entgegen dem ihm gewordenen Aufträge es unterlassen, den
Papst in St. Peter aufzusuchen und ihm die königlichen Befehle
1 p. 58, 20: fori nobis in negotio praesenti et platearnra, quarum estis
liypocritae, exempla proponentes . . .
2 p. 58, 23: peregrinum credo aliquid et a ratione separatum postulans
papa discessit. nonne hoc speravit pro statu labentis ecclesiae pastorali
cura constrictus, quod et religiosa providentia et causae ipsius ordo
flagitabat?
3 p. 59, 1: impudentissimi liominum, quem cum quibus vultis decertare?
4 p. 59, io : agnoscitis summi regis praeceptionibus vos in his quae merito
plectenda sunt non muniri . . .; p. 59, 23: cessent impii commenticia
apud illuui simplicitatem fraude mentiri . . .
5 p. 58, 20: liostiliter disruptis, et iam per snggestionem vestram sublatis
ecclesiae opibus . . .
6 p. Gl, 5: uno tempore, una scriptione, sine aeqnitatis detrimento desi-
deria vestra supplentur et eadem carta ad ministerium religionis et ve-
strum destinatur ad gaudium.
Quellenstudien zum Laurentianischen Schisma.
325
zu überbringen (p. 61, u), vielmehr, in die Intriguen der Schis
matiker verstrickt, von den ihm mitgetheilten Weisungen ab
weichend, 1 aus dem Gesandten des Königs zum ungetreuen Partei
mann wurde. 2 Der Vorwurf der Laurentianer wird demnach
wider diese selbst zurückgewendet, welche als Verächter der
Gebote Christi wie des Königs dereinst mit doppelter Strafe
getroffen werden würden (p. 61, as).
Im Zusammenhang dieser Ausführungen erfahren wir auch
einiges Nähere über die dem bischöflichen Visitator vom Könige
gesetzten Verhaltungsnormen; Petrus von Altinum sollte dem
Papste im Namen Theodorichs jene Sclaven ab verlangen, welche
nach Behauptung der Kläger Mitwisser von Symmachus’ Schuld
waren; die Sclaven sollten dann bis zur Vorführung vor das
Synodalgericht bei dem Visitator in Gewahrsam bleiben. 2 Indem
aber Bischof Petrus in Versäumniss seiner Pflicht den Papst gar
nicht in St. Peter aufsuchte, war Symmachus von dem könig
lichen Befehle, betreffend die Auslieferung der Sclaven, formell
nicht in Kenntniss gesetzt. Daher konnte auch die Synode die
im Anklagelibell erhobene Forderung des Zeugenbeweises durch
Sclaven als den Gesetzen zuwiderlaufend zurückweisen (C. S. 5),
was sie einem directen königlichen Befehle gegenüber sicherlich
niemals gewagt hätte. Dass aber der König in Wahrheit von
dem Vorhaben erfüllt gewesen, ein förmliches Beweisverfahren
vor der Synode zu insceniren, bezeugen seine dahin gerichteten
Aeusserungen in der vierten Praeceptio J , und mit Recht berufen
sich die Laurentianer auf des Königs nachdrücklichst wieder-
1 p. 61,14: invisis beati apostoli liminibus ad usum furoris vestri iam
neseius sui advocatur.
2 In diesem Sinne bezeichnet Ennodius p. 61, 25 den königlichen Bevoll
mächtigten als visitator vester, d. h. der Schismatiker.
3 p. 60, 30: ibique papam ab eo salutatum suo ore iussit adfari, ut tra-
deret coepiscopo mancipia nullis subdenda tormentis, servanda profecto
ad disceptationem synodalis examinis.
4 App. 6: ut sicut vobis est inquirendae in hoc negotio voluntas et cura
veritatis, personis illic Omnibus constitutis, per quas potest fides rerum
quaesita conitare, vos noveritis et Deus, quid in ipsa causa iudicare
debeatis. "Wahrscheinlich sind unter den personae illic constitutae
neben den päpstlichen Sclaven auch jene Frauen mitverstanden, welche
als angebliche Mitschuldige des Papstes schon früher vor das Hofgericht
gestellt worden waren.
326
Stöber.
holte Willensäusserung, nach welcher die Sache durch Zeugen
aussagen zum Austrag zu bringen sei. 1 Ganz anders weiss
Ennodius den Sachverhalt darzustellen. Der gerechte Fürst
habe erkannt, dass die Sclavenaussage wider den eigenen Herrn
nach weltlichen und kirchlichen Gesetzen ungiltig sei und des
halb von einem wahrhaft unparteiischen Gerichte nimmermehr
angenommen werden könne. Um nun jede wie immer geartete
Rechtsverletzung hintanzuhalten, habe er vor Allem bei der
Zusammensetzung des Gerichtes die in ungehöriger Weise zu
Gunsten der Klage Gesinnten ausgeschlossen - und überdies die
Folterung der zu verhörenden Sclaven ausdrücklich verboten. 3
Wäre diese Darstellung gerechtfertigt, dann hätte Theodorieh
eine Scheinmassregel verfügt, von welcher er vorausgesehen,
dass sie ohne jeglichen Erfolg und Bedeutung bleiben werde.
Wie wenig eine solche Auslegung den Intentionen des Königs
gerecht würde, zeigt am besten jene ernste Warnung, welche
Theodorieh an die Synode richtet, die Sache nicht ohne vor
gängige Untersuchung zur Entscheidung zu bringen; 1 des Königs
Beschluss war unzweifelhaft, ein strenges Processverfahren in
allen Formen von dem Synodalgerichte durchführen zu lassen.
Schon die bisher mitgetheilten Klagepunkte gegen Sym-
machus’ Person enthalten zugleich wesentliche Belastungs
momente wider die Synode als Mitschuldige des angeblich so tief
in Schuld und Sünde verstrickten Papstes. Aber auch für sich
allein ist die Synode Object und Zielpunkt des ausgebreiteten
und vielseitigen Hauptangriffes der Libellisten: Parteilichkeit
und Urtheilslosigkeit, Kriecherei und Unbotmässigkeit, hals
starriges Festhalten an verwerflichen Principien und schmäh
liche Inconsequenz werden ihr nebeneinander zum Vorwürfe
1 Vgl. die oben S. 317, n. 1 eitirte Stelle.
2 p. 61, 7: boni enim principis praevidit inquisitio servilem adsertionem
innocenti examine non probandam. in electione enim venerandorum
iudicum ipse accusantes extra ordinem reppulit, ipse ad spem retulit
accusatum. Vgl. auch 'die Beschwerde der Schismatiker bei Ennodius
p. 50,2: non omnes sacerdotes regis ad concilium adscivit auctoritas.
3 Vgl. die oben S. 325, n. 3 angeführte Stelle.
4 App. 14: Si autem indiseüssam (causam) dimiseritis, datis exemplum
sacerdotibus omnino male conversandi . . . Ita dico et modo, ne ira-
scantur sancti patres nostri: ne per eos, quum non discusserint et ita
iudicaverint, consuetudo peccandi Omnibus sacerdotibus generaliter fiat.
Quellenstudien zum Laurcntianischen Schisma.
327
gemacht, Manches von dem Vorgebrachten nicht ohne theilweise
Begründung. Wenn das Synodalprotokoll die Ankläger fast
ständig mit den Ausdrücken: adversarii, aemuli, inimici be
leidigt, so steht diese polemische Haltung der Synode in un-
vortheilhaftem Gegensätze zu der in den königlichen Praecepten
jederzeit beobachteten, ruhig sachlichen Bezeichnung als accu-
satores. 1 Mit richtigem Blicke haben ferner die Laurentianer
die Unsicherheit in dem Betragen der Synodalväter, deren
Schwanken zwischen Papst und König, kirchlichen und staat
lichen Pflichten hervorzuheben gewusst. Den Bischöfen wird
im Libell die Alternative gestellt, entweder das hierarchische
Princip festhaltend sich jedes Gerichtes über den Papst zu ent
halten — dann begingen sie einen Act offener Auflehnung gegen
den königlichen Willen —, oder aber ihrer Unterthanenpflicht
nachzukommen und den Papst wie jeden anderen Angeklagten
ohne weitere Vorbehalte vor ihr Gericht zu laden, zu verhören
und zu richten — dann liessen die Bischöfe seihst alle ihre
geistlichen Prärogative im Stiche. Den Mittelweg, welchen die
Synodalväter thatsächlich einschlugen, verurtheilen ihre Gegner
als das Ergebniss innerer Haltlosigkeit und weltlicher Rück
sichten. Indem die Symmachianer auf der einen Seite ängst
lich nach dem Willen des Königs ausspähen, dessen Meinung
durch persönliche oder schriftliche Consultation zu erforschen
bestrebt sind (p. 50,2s), betonen sie andererseits, und dies sogar
dem Könige gegenüber, das besondere und ausschliessliche Recht
des Papstes auf Berufung der Synode (p. 51, 25); indem sie die
völlige Erhabenheit des Papstes über jedes irdische Gericht laut
und feierlich verkünden (p. 52,27), wollen sie doch wieder
denselben Papst einem strengen Processverfahren unterwerfen
(p. 53, iß). 2 Zum Lohn für diese ihre stetig umschlagende Haltung
' Am wenigsten entsprechen jene schmähenden Ausdrücke, wo es sich
um excerpirende Wiedergabe aus königlichen Praeceptionen im Synodal
protokolle handelt; daher setzen die Libellisten (bei Ennodius p. 59,6)
mit Kecht accusatoribus für impugnatorlbus des C. S. 4 ein; vgl. beide
Stellen weiter oben S. 323.
2 Bezeichnend ist der übereinstimmende Vorwurf, welcher von gerade
entgegengesetzter Seite, durch den strengst hierarchisch gesinnten
Avitus von Vienne gegen die Synode erhoben wird; cf. Aviti epistola
ad Faustum et Symmachum (Mon. Germ, auctores antiquissimi t. VI 2 ex
recens. ß. Peiperi) p. 64, 2s: Quod synodus ipsa venerabilis laudabili
328
Stöber.
wird die Synode schliesslich von dem durch sie so hoch erho
benen Papste selbst aufgegeben und damit entschwindet ganz
zweifellos jeder Pest ihrer angemassten Autorität (p. 57,21). —
Dieser gefährlichen Argumentation gegenüber war Ennodius nur
im Stande, einige übertreibende Auswüchse der Polemik abzu
schneiden ; 1 der eigentliche Kern aber blieb unwiderlegbar, und
es weiss Ennodius im Wesentlichen nur den einzigen Einwurf
vorzubringen, das den Bischöfen zur Last gelegte Eingehen auf
das Processverfahren sei nothwendig gewesen, um die Ränke
der Gegner zu entlarven und zu strafen. 2 Uebrigens blieb die
unbequeme, aber unleugbare Thatsache aufrecht, dass die Bi
schöfe im Verlaufe der ganzen schwierigen Entwicklung mehr
fach auf den Punkt gekommen waren, ihre eigene wie des
Papstes Sache aus Muthlosigkeit preiszugeben. 3
Bedenklicher noch als alle erwähnten waren die Angriffe
des Libellus nach der ethischen Seite hin. Schon Theodorich
hatte in seinem Anagnosticum eindringlich vor dem schlimmen
Beispiele gewarnt, welches aus einer Entscheidung ohne vorher
gehende Untersuchung sich ergeben würde. 4 Seine belierzigens-
werthe Mahnung hatte ihren Eindruck auf die Bischöfe nicht
verfehlt. In den Vorstellungen, durch welche die Synodus Pal
maris die Einwilligung des römischen Senates für die beab
sichtigte Lösung des Papstes von der Anklage zu gewinnen
constitutione prospiciens causam, quam, quod salva eins reverentia
dictum sit, paene temere susceperat inquirendam . . .
1 Der Frage des Libellus, worüber denn die Synode noch vor dem Er
scheinen des Papstes habe handeln dürfen, da ihr doch erst durch
Symmachus’ Autorisation wahre Festigkeit und Giltigkeit der Verhand
lungen und Beschlüsse verliehen worden (C. S. 3), erwidert Ennodius
aufs Glücklichste (p. 59, 32): tractatus nostri provinciam et narratis et
quaeritis. hinc eramus nempe dubii, quia quemadmodum loquimini, non
habebat synodus firmitatem.
2 Cf. p. 53, 35: istos (sc. accusatores) quae domus evomeret, qui scire
potuisset nostra collectio, nisi praesentes? et impugnationis qualitatem
unde nisi ex scripta propositione didicisset? — Und übereinstimmend
p. 57, 7 : nam et hoc a rege nostra poposcit allegatio, ut abscisis cleri-
corum praeiudiciis de accusatorum papae merito per liumanum os super-
nura iudicaret imperium.
3 Vgl. die Ausführungen weiter oben S. 296 f.
4 App. 14: Si autem discutitis causam, vel sub aliquo colore melius cau
sam iudicatis. Si autem indiscussam dimiseritis . . . vgl. oben S. 326, n. 4.
Quellenstudien zum Laurentianischen Schisma.
329
sucht, soll der gefährlichsten Einwendung durch die Erklärung
vorgebeugt werden, die angebliche Schuld des Papstes sei dem
höchsten Gerichte Gottes zu überlassen und die Synode sei zu
dieser Zurückhaltung um so mehr verpflichtet gewesen, als zu
gleich die grössten Bedenken wegen der Autorität des römischen
Stuhles im Wege stünden; in der gegenwärtigen Lage sei es
vor Allem durchaus nöthig, zu einer Einigung zu gelangen,
damit nicht noch mehr Glieder der Kirche verloren gingen. 1
Indem die Synodalväter in dieser Erklärung die unbedingte
NothWendigkeit der Aufrechthaltung der Kirchenordnung und
die strenge Verpflichtung jedes Einzelnen, sich derselben un
weigerlich zu unterwerfen, mit principiellem Nachdruck ver
traten, boten sie zugleich ihren Gegnern eine gefährliche Waffe
zu tief einschneidendem Angriff. Die Libellisten fragen höhnisch,
ob das Privileg eines Nachfolgers Petri darin bestehe, dass dieser
von jeder Heilung ausgeschlossen bleibe (p. 52, 1); nach Ansicht
der Hierarchen müsse der heil. Petrus für sich und seine Nach
folger die uneingeschränkte Freiheit, nach Belieben zu sündigen,
als Privileg erworben und als Erbe hinterlassen haben (p. 52,13).
Diese Einwürfe vermögen freilich nicht, Ennodius in seinen
Ueberzeugungen irre zu machen, er hält die Enuntiationen der
Synode vollinhaltlich aufrecht, theilweise sogar im Ausdrucke
sich auf dieselben zurückbeziehend, 2 und entwickelt so in syste
matischer Entgegnung seine ausgebildete und weitreichende
Theorie von der Autorität des apostolischen Stuhles: der heilige
Sitz erhebt jeden seiner Inhaber zum vollen Glanze von Un
schuld und Sittenreinheit, er entrückt ihn über jeden Zwang
menschlicher Verantwortung, so dass er einzig dem Gerichte
Gottes Rechenschaft zu erstatten hat. 3 In diesem Sinne legt
1 C. S. 9: Et nos viam per hanc quam ipsi vocabant, remissionem pec-
catis non aperire sed claudere, qui quod dicebatur maiori iudicio ser-
vamus . . . und weiter: Et quia non poterant plura sub hac occasione
ecclesiae membra dispergi, sed magis per mansuetudinem sustineri . . .
und endlich: maxime quum illa quae praemisimus inter alia de aucto-
ritate sedis obstarent: quia quod possessor eius quondam B. Petrus
meruit, in nobilitate possessionis accessit et cleritatem veterem nobis
dat de Christi dote rectoribus.
2 Vgl. Ennodius p. 52, 15 mit C. S. 9.
3 p. 52, i5: ille perennem meritoruin dotem cum hereditate innocentiae
misit ad posturos . . . aut enim claros ad haec fastigia erigit aut qui
330
Stöber.
Ennodius dem Apostel Petrus die unumwundene Vertheidigung
des angeschuldigten Papstes in den Mund, welche in der Argu
mentation gipfelt: Alles Fleisch ist sündig; darum richte der
Sünder nicht über Andere, sondern erwarte zutrauensvoll die
Entscheidung des Herrn, der im Ausgange spricht; ist Sym-
machus in Wahrheit schiddig, so wird auch Gottes Gericht
folgen, sobald erst die menschliche Befehdung verstummt ist. 1
Dieselbe Idee des Gottesgerichtes kehrt wieder im Urtheile des
selben Apostels über die zurückliegenden Zeiten des Schisma
zwischen Bonifatius I. und Eulalius (p. 63,3s): illos quos ad
pontificale fastigium intentioni obsequens fervor evexerat, utros-
que reppuli, kunc elegi, quia de illis teste exitu nemo mihi
placuit . . . Die Vorstellung ist der Partei als solcher eigen-
thiimlich; denn Papst Symmachus selbst in seinem Schreiben an
Kaiser Anastasius 2 führt als Beweis für seine Schuldlosigkeit und
die Rechtmässigkeit seiner Ansprüche auf das oberste Kirchen
amt an, dass er inmitten äusserster Gefahr für Leib und Leben
nach Gottes Gerichte glücklich entkommen sei. 3 Damit ist die
eriguntur inlustrat. praenoscit enim quid ecclesiarum fundamento sit
habile, super quem ipsa moles innititur; ferner p. 61,36: aliorum forte
hominum causas deus voluerit per homines terminare. sedis istius prae-
sulem suo sine quaestione reservavit arbitrio. voluit B. Petri apostoli
successores caelo tantum debere innocentiam et subtilissimi discussoris
indagini inviolatam exhibere conscientiam.
1 p. 62, 33: Symmachi quos voeatis excessus, si sunt, illa qua et vos ex-
peetatione sustineo. nefas est peccantem patientiam iudicis non amare
. . . haec illis a me vox debetur studiis, quia deum dixisse teneo, pronum
esse hominem in malitia et omnern carnem amicam esse peecatis . . .;
p. 63, 5: nolite Symmachum papam pressuris vestris iuvare: si reus est,
mihi eredite, cum cessaverit humanae impugnationis ministerium, divi
num mox succedit arbitrium.
2 Apologeticus Symmachi adversus Anastasium Imperatorem; bei Thiel
als Symmachi epist. 10, p. 700 ff.
3 Ibid. n. 7: Dicis me non ordine consecratum. Inter imbres lapidum
tutus evasi: iudicavit deus. Die Stelle wird gewöhnlich auf den Ueber-
fall von 502 bezogen. Thiel (n. 10 zu diesem Schreiben und p. 96f.
der Einleitung) erblickt in derselben vielmehr eine Anspielung auf tumul-
tuarische Vorgänge bei der Wald und Ordination selbst. Die Erklärung
wird gestützt durch den Hinweis auf die Worte des Papstes in Ep. 1,
n. 3: episcopalem ambitum et eonfusionis incertum vel populärem
tumultum, quem per subreptionem diaboli usurpatione aliquorum tem
pore ordinationis meae constat exortum.
Quellenstudien zum Laurentianischen Schisma.
331
Entscheidung über die oberste geistliche Gewalt der Christen
heit irnd die Wandlungen, welche mit ihrem Besitz verbunden
sind, allen irdischen Factoren entrückt und ausschliesslich den
weltlenkenden Mächten des Himmels Vorbehalten. Um so ent
schiedener konnte zugleich die Lehre aufrecht erhalten werden,
welche gegenüber dem Gebote strengster Unterordnung unter
die traditionell geheiligten kirchlichen Autoritäten jeden Wider
stand kirchlich Subordinirter als schlechterdings verwerflich
ausschliesst. Wenn die Laurentianer erklären, einem Haupte
nicht folgen zu können, welches in so vielen Punkten ent
ehrendem Verdachte preisgegeben erscheint, und den vollstän
digen Beweis seiner Unschuld zur Bedingung der Unterwerfung
machen, 1 so stellen sie nach der Weise alter Sectirer die For
derung persönlicher Würdigkeit und Unbescholtenheit für die
Inhaber kirchlicher Gewalten innerhalb der ,reinen Kirche 1 auf.
Dem gegenüber repräsentiren die Symmachianer die orthodoxe
Traditionskirche, welche das Uebel als nothwendig in ihrer
Mitte duldet und vorschneller Aburtheilung entgegentritt. In
diesem schweren Kampfe, wie er in der kirchengeschichtlichen
Entwicklung in häufig sich wiederholenden Abwandlungen uns
begegnet, hat Ennodius als Wortführer der Symmachianer das
Interesse der praktischen Kirchenordnung gegen idealistisch-
revolutionäre Reformversuche gewandt zu vertreten unternom
men und mit dem ganzen Aufgebote seiner in Rhetorenschulen
erworbenen dialektischen Tüchtigkeit die Bahnen abwehrender
Polemik mit Erfolg vorgezeichnet. Seine Vertheidigung zeigt
sich vielgestaltig und wechselvoll, je nach der Art des zurück
zuweisenden Vorwurfes, je nach den Bedürfnissen der Polemik
fortwährend den Ton verändernd. Die Spitzfindigkeit der Ar
gumentation, die häufige Verweigerung eines sachlichen Ein
gehens, 2 die nur allzusehr beliebte Derbheit der Entgegnung
1 An Bl.: Tune aliquanti episcopi . . . clerum qui diseesserat a consortio
Symmachi, semel et iterum commonent, ut ad eum praetermisso rever-
tatur examiue; qui se nequaquam hoc l'acere posse respondit, priusquam
tantis criminibus impetitus discussione regulari vel absolvatur, si inno-
eens fuerit, vel si reus extite[rit], a sacerdotio deponatur.
2 So hält Ennodius (p. 51, s) den Libellisten das falsche Citat Psalm 49,18
spöttisch entgegen und meint sich hiedurch jeder weiteren sachlichen Er
widerung überhoben.
332
Stöber.
werden aufgewogen durch rühmenswerthe dialektische Schärfe
und Gewandtheit, Eleganz und Kraft der Sprache, Mannig
faltigkeit und Freiheit der Bewegung. Eine arg gefährdete
Sache ist selten mit so viel Geschick und Muth verfochten
worden. Aus diesem Grunde ist denn auch Ennodius’ Apologie
für viele der noch in späten Folgezeiten kommenden Vertreter
hierarchischer Richtung vorbildlich geworden. 1
Von dem raisonnirenden Haupttheile des Liber apologeticus
abgetrennt und nach selbständigen Compositionsprincipien sich
gliedernd, folgt der rhetorische Schlusstheil nicht weiter den
Einwendungen und Anklagen des Laurentianischen Libellus
nach; hier werden vielmehr innerhalb einer selbstgeschaffenen,
persönlichen Einkleidung und Scenerie einzelne freigewählte
Punkte der Polemik durch den Mund der als redend ein
geführten Personen 2 zur Erörterung gebracht. Die Rücksichten
auf effectvolle künstlerische Anlage überwiegen natürlich bei
Weitem die Forderungen historischer Treue und Exactheit. In
allen drei Reden gilt es, das Gernüth der Hörer zu afficiren,
eine überzeugende, zwingende Gewalt auf dieselben auszuüben.
Vornehmlich die Rede der Roma, mit welcher die Apologie
abschliesst, ist bestimmt, durch eindringliche Mahnung die
Herzen der Schwankenden zu gewinnen. In ergreifendem Bilde
wird die betrübende Verödung Roms, der heiligen Stätten ge
schildert und beklagt, welche seit der frechen Verletzung der
frommen Stille in der Apostelstadt eingetreten ist. 3 Rom, vor
1 Benutzung des Apologeticus durch Nicolaus I., Johannes VIII. und Gre
gor VII.; vgl. Vogel, Praefatio p. XXVII.
2 Die Apostel Petrus (p. 62, n) und Paulus (p. 65, 24) und zuletzt Roma
(p. 66, ie).
3 p. 63,14: providete ne diutius qualemcumque crucis meae angulum rara
levitarum corona circumdet, mahnt der heilige Petrus, und ähnlich klagt
auch Roma über die so plötzlich eingetretene Zerstörung (p. 67,5). Vom
Heiligeneulte handelt Ennodius in sehr bemerkenswerther Weise auch
p. 61,14, wo er von der Pflichtversäumniss des Visitators spricht, der
es verschmäht habe, in der heiligen Peterskirche vor dem Papste zu er
scheinen; hiedurch habe er, gewissermassen von der Wurzel selbst los
gerissen, jede Hoffnung auf einen dereinstigen Ertrag guter Werke ver
loren (spem bonorum fructuum perdidit a radice separatus). Denn die
heilige Stätte werde als natalis solus von dem Märtyrer in besonderem
Quellenstudien zum Laurentianisclien Schisma.
333
Alters schon der Hauptsitz des Göttercults, nun zur glück
licheren Wohnung des neuen Glaubens geworden (p. 66, ig),
durch die Wiederkehr des goldenen Zeitalters unter Theodorichs
milder Verwaltung beglückt, 1 ward inmitten seiner ruhigen
Entwicklung durch heimliche Feinde gestört, welche auf die
Vernichtung hinwirken. Doch diese Feinde, so bctheucrt Roma
aufs Feierlichste, dürfen niemals unter ihren edelgesinnten Söhnen
gesucht werden, die zwar in Verschuldung verstrickt und von
bösen Anstiftern fortgerissen, nie aber selbst die Führer zum
Schlechten sein können. 2 Die in Wahrheit Schuld tragenden
Verführer sind vielmehr Verworfene, Niedriggeborene, welche
nur durch falschen Schein Ansehen gewinnen und durch Er
regung von Unfrieden und Zwietracht aus jenem Dunkel her
vorzutreten versuchen, in welches sie bald wieder zurücksinken
mögen. 3 — Diese lebhaft bewegte Declamation darf freilich
nicht ihrem vollen Wortlaute nach gläubig hingenommen werden.
Für Ennodius galt es, die hochgestellten, adeligen Römer,
welche nach dem Zeugnisse des L. p. Erreger und Leiter der
schismatischen Erhebung gewesen, in schonender Form von
der Gegenpartei wieder loszureissen und ihnen den Uebergang
Masse begnadet; der Herr vermöge gar wohl, die Natur des Bodens
selbst zu ändern, und zahlreiche wunderbare Heilungen bezeugen die
dem Orte anhaftende Gnadenfülle.
1 Ennodius erhebt vor Allem das barmherzige Walten der Obrigkeiten, so
die mit dem Antritt des Consulats verbundenen milden Schenkungen an
die dürftigen Classen: p. 6G, 40: et enim purpura vestra, qua anni voca-
bulum nobilitatis, subripientem miseris vestimentorum largitate pellit al-
gorem. lieber diese Geschenke vgl. auch Cassiodor’s Bestallungsformel
in den Varien VI, 1. — Dass Theodoricli seine Zeit mit stolzer Freude
als eine gesegnete betrachtete und von Anderen betrachtet wissen wollte,
lehren Cassiodor’s Varien und aus unserem Quellenkreis App. 6: Et qui-
dem pudenda cum stnpore diversitas, Bomanum statum in confinio gen
tium sub tranquillitate erigi et in media urbe confundi: ut desideretur
civilitas in archelatiori, quae est sub hostium vicinitate securo; die Bi
schöfe erwidern (App. 11), sie hätten versucht den Frieden wieder her
zustellen, quae res et proposito nostro amica est et beatitudini vestrorum
temporum congruebat. — Vgl. auch Dahn: Könige 3, 302 ff.
2 p. 67,14: splendor sanguinis, etsi commnnionem criminum incurrit, nescit
tarnen ducem se praebere peccantibus.
3 p. 67, is: vos potius Video, triviorum germina ... quos degenerasse claritas
fuerat, qui per mentitae titulum religionis gaudetis impunitate vitiorum
. .. quos de latebris et specubus productos praesens causa monstravit
334
Stöber.
möglichst zu vermitteln durch Ueberwälzung aller Schuld auf
namenlose Leute der untersten Schichten, die zu eigentlichen
Anstiftern und Verderbern gestempelt werden. Mit den Worten
(p. 67, 13): si qui sunt tarnen summorum, quos vilibus
tempestatis liuius procella sociavit, aliis auctoribus facinorum
participatione maculantur — legt Ennodius selbst wider seine
Absicht Zeugniss ab für die Auffassung der Papstbiographie,
durch welche die Patricier Festus und Probinus als Urheber
und Erhalter des Schisma bezeichnet werden. Ennodius, selbst
ein Angehöriger der altsenatorischen Geschlechter 1 und durch
die mannigfaltigsten Beziehungen mit den erlauchten Adelsfamilien
Roms verbunden, möchte mit aller Emsigkeit und Behutsamkeit
einen Ausgleich mit jenen adeligen Widersachern vermitteln.
Jede Polemik gegen die vornehmen Gönner des Laurentius
ist im ganzen Umfange des Liber apologeticus sorgfältig ver
mieden ; an ihre Stelle werden die geistlichen Schismatiker
vorgeschoben, welche gegen die Pflicht kirchlicher Subordination
gesündigt, ihr Oberhaupt im Stiche gelassen- und selbst unter
den Bischöfen sich Genossen zu finden gewusst; 3 zum Schlüsse
aber werden eben jene berufsmässigen Intriganten und Rauf
bolde , welche Strassentumulte und Ueberfälle zu insceniren
geschickt waren, mit den geistigen Urhebern der Bewegung
recht absichtlich verwechselt. Ein feiner, diplomatischer Kunst
griff des Autors, der zugleich erkennen lässt, wie gefährliche
Gegensätze im weitesten Umfange der kirchliche Hader los
gebunden hatte und wie gerade die vornehmen st'adtrömischen
Kreise, auf deren Haltung es für Theodorichs Regiment in
erster Linie ankam, von dem Zwiespalt wesentlich mitergriffen
worden waren.
1 Epist. I, 5, p. 14, 6 spricht Ennodius seine Freude darüber aus, dass der
jugendliche Consul Avienus, welcher mütterlicherseits mit Ennodius ver
wandt ist, in seinem (Ennodius) Hause die unterbrochene Reihe der
Consulate wieder erneuert habe.
2 p. 57,11: lex ecclesiastica pontificem ab aliis accusatum, priusquam sub
luce obiecta constiterint, exigit non relinqui. vos vero ... ne una vos
ex desertione sacerdotis culpa respiceret, accusastis cum incrementis
delictorum.
3 So den Visitator Petrus, ferner die oben S. 300 erwähnten Bischöfe, im
An. Bl. als electiores antistites bezeichnet, welche die Annahme des
Klagelibells auf der Synode durchsetzten.
Quellenstudien zum Laurentianischen Schisma.
335
IY. Theodoras Lector. — Zur allgemeinen Lage.
Es ist von hohem Werthe, über den Zusammenhang dieser
italischen Verhältnisse und deren Bedeutung für die allgemeine
politische Constellation auch einen oströmischen Zeugen ver
nehmen zu können. Theodorus Lector (avorpiwaT»]?), nach der
allgemeinen Annahme ein unter Kaiser Justinus lebender Autor,
berichtet in seiner Kirchengeschichte II, 17 f. 1 von einer Ge
sandtschaft des römischen Senators Festus in politischen An
gelegenheiten 2 an den Kaiser Anastasius. Festus habe in
Constantinopel unter Anderem auch darauf hingewirkt, dass in
Hinkunft das Fest der Apostelfürsten mit grösserem Glanze
begangen werde; er habe dem römischen Papste Anastasius II.
ein Erwiderungsschreiben des Patriarchen Macedonius II. von
Constantinopel überbringen sollen, er sei schliesslich in Sachen
des Acacianischen Schisma mit dem Kaiser selbst in Unter
handlungen getreten und habe demselben in Aussicht gestellt,
er wolle den Papst zur Unterzeichnung des Henotikon und
damit zur Aussöhnung mit der im Schisma befindlichen morgen
ländischen Kirche bestimmen. Nach Rom rückgekehrt, habe
zwar Festus von dem inzwischen eingetretenen Tode des Papstes
Anastasius Kenntniss erhalten, nunmehr aber durch seine
Machinationen und Bestechungen zu bewerkstelligen gewusst,
dass neben dem von der Majorität erhobenen Symmachus auch
ein dem byzantinischen Einflüsse dienstbarer Gegencandidat
in der Person des Laurentius erhoben wurde. So sei das
Schisma zu Rom hervorgerufen worden, welches durch volle
drei Jahre 3 währte und welchem Theodorich selbst ein Ende
machen musste, indem er eine Synode zur Entscheidung berief,
den Papst Symmachus auf dem apostolischen Stuhle befestigte,
Laurentius aber mit dem Episcopat von Nuceria ausstattete.
1 Excerpta ex ecclesiastica historia Theodori Lectoris, auctore Nicophoro
Callisto bei Henricus Valesius: Theodoriti episcopi Cyri et Euagrii
scliolastici historia ecclesiastica etc. (Amstelodami 1695); ein Abdruck
des Textes bei Migne: Cursus patrol. graecae t. 86, 190 ff.; dem Be
richte des Theodorus folgt auch Theophanes nach.
2 ob civilia quaedam negotia . . .
3 tres continuos annos; im griechischen Texte: rpttöv sviauriv.
336
Stöber.
Als dann Laurentius auch in der Folgezeit Unruhen anstiftete,
sei er über Betreiben des Symmachus abgesetzt und in die
Verbannung verwiesen worden.
Theodoras’ Mittheilungen über den Verlauf des römischen
Schisma sind ungenau und unzuverlässig; er verwechselt ins
besondere das erste und zweite Schisma, die Ereignisse der
Jahre 499 und 502, mit einander. Wenn man ferner die Angabe
des L. p. über die viertägige Sedisvacanz zwischen Anastasius’
und Symmachus’ Pontificate in Betracht zieht, 1 so ist es un
wahrscheinlich, dass Festus, wenn wirklich nach Anastasius’
Tode in Rom anlangend, noch Gelegenheit gefunden habe, auf
die Wahl des Nachfolgers persönlich bestimmenden Einfluss
zu üben. 2
Um so erwünschter und werthvoller sind die Nachrichten
des griechischen Autors über den Zusammenhang des römischen
Schisma mit den politisch-kirchlichen Differenzen zwischen Rom
und dem Ostreiche. 3 In den durch Jahrzehente fortwirkenden
Irrungen, welche in Betreff der monophysitischen Frage auch
nach den Definitionen des Concils von Chalcedon (451) sich
erhielten, hatten die Patriarchen Acacius von Constantinopel und
Petrus Mongus von Alexandrien Abhilfe zu schaffen versucht,
indem sie Kaiser Zeno zum Erlass des unter dem Namen
Henotikon bekannt gewordenen Religionsgesetzes bestimmten
(482), welches Monophysiten und Dyophysiten zu einer Ge
meinschaft vereinigen sollte. Doch die Anerkennung dieses
Henotikon ward in Rom verweigert und die vorgebliche Einigungs
formel vielmehr der Ausgangspunkt neuer, erbitterter Streitig
keiten, durch welche in den Jahren 484 bis 519 die Einheit
der Kirchen des Ostens und Westens völlig getrennt und auf
gehoben ward. Indem Kaiser Anastasius, Zeno’s Nachfolger,
die Forderung der Annahme des Henotikon aufs Entsckiedendste
aufrecht erhielt, fand er bei den römischen Päpsten, vornehm-
1 Nach Thiel starb Anastasius am 17. November 498 und wurde Sym
machus am 22. November desselben Jahres gewählt; vgl. p. 61ö und 639.
2 Dieses Bedenken äussert schon J. B. Sollerius in seiner Sylloge liisto-
rica de S. Symmacho papa bei Boll. A. S. 19. Iul. IV. 634—643, n. 10.
3 Ich folge der Darstellung des Acacianischen Schisma bei J. Hergen-
röther: Handbuch der Kirchengeschichte (Freiburg 1879) 1, 331 ff.; dazu
Quellenbelege 3, 126 ff.
Quellenstudien zum Laurentianischen Schisma.
337
lieh bei Gelasius (492—496), um so unbeugsameren Wider
spruch und sali sich durch denselben zu sehr gewaltthätigem
Vorgehen gegen diejenigen Geistlichen seines eigenen Macht
bereiches gereizt, welche noch immer die Unterzeichnung der
Einigungsformel weigerten. Doch selbst auf dem Patriarchensitze
zu Constantinopel boten sich dem Kaiser nicht jederzeit gefügige
Werkzeuge zur Ausführung seiner kirchlichen Verordnungen
dar; gerade der im Jahre 496 erhobene Macedonius II., obwohl
zur Unterschrift des Henotikon genöthigt, war in manchem an
deren Punkte nicht zu einer directen Verletzung der päpstlichen
Autorität zu vermögen und musste schliesslich durch einen Ab
setzungsspruch der Hof bischöfe aus dem Wege geräumt werden.
Was nun die Rolle betrifft, welche Festus in der Ent
wicklung des Acacianischen Schisma gespielt hat, so erweisen
sich die darauf bezüglichen Nachrichten des Theodorus als
wohlbegründet und verlässlich. Wir erfahren aus dem Anonymus
Valesianus 1 — nach der neueren Meinung ein Fragment aus
der Chronik des Bischofs Maximian von Ravenna (546—556) 2 —
von der Entsendung des Patriciers Festus als Gesandten Theo-
dorichs an Kaiser Anastasius, um denselben zur Herausgabe
der ornamenta palatii zu vermögen, welche vor Jahren Odoakar
an den byzantinischen Kaiserhof abgeliefert hatte. In der That
erlangte der Gesandte vom Kaiser deren ehrenvolle Rückgabe 3
und damit zugleich die officielle Anerkennung des italischen
Ostgothenreiches durch das Imperium. Als gleichzeitig mit dieser
Sendung und ihrem Erfolge führt der Anonymus das römische
Schisma von 499 an 4 und lässt dann die Erzählung.vom Be-
1 Bei V. Gardthausen in der Ausgabe des Ammianus Marcellinus (Lipsiae
1875), Appendix p. 280—305.
2 Wattenbach: Deutschlands Geschichtsquellen, 5. Aufl. (Berlin 1885),
1, 55, n. 3.
3 Num. 04: Facta pace cum Anastasio Imperatore per Festum de prae-
sumptione regni et omnia ornamenta palatii, quae Odoachar Constan-
tinopolim transmiserat, remittit.
4 Num. 65: Eodem tempore contentio orta est in urbe Roma inter Sym-
m ach um et Laurentium; consecrati enim fuerant ambo. ordinante deo,
qui eo dignus fuit, superavit Symmachus. post factam pacem in urbem
ecclesiae, ambulavit rex Theodericus ßomam et occurrit B. Petro devo-
tissimus ac si catholicus. Ueber das zweite Schisma von 502 schweigt
diese Quelle.
Sitzungsber. d. pbil.-hist. CI. CXII. Bd. I. Hft. 22
338
Stöber.
suche Theodorichs in Rom — im Jahre 500 1 — folgen. Aus
der chronologischen Einreihung der Legation des Festus un
mittelbar vor den stadtrömischen Ereignissen von 499 und 500
ist zu ersehen, dass im Berichte des Anonymus auf dieselbe
Gesandtschaft angespielt wird wie bei Theodorus; es ist dem
nach auch die ungefähre Andeutung des diplomatischen Zweckes,
wie sie Theodorus bietet (ob civilia quaedam negotia), durch
die eingehenderen Mittheilungen des bestunterrichteten raven
natischen Gewährsmannes zugleich zu bekräftigen und zu er
gänzen.
Der politische Gesandte griff aber auch in das kirchliche
Gebiet hinüber und suchte auf demselben, ähnlich wie in den
weltlichen Angelegenheiten, eine vermittelnde Thätigkeit zu
entfalten. Die Tendenz ist wohl erklärlich, wenn man sich die
alten Traditionen des römischen Adels und vornehmlich jene
engen Beziehungen vergegenwärtigt, welche die vornehmen Ge
schlechter von Alt- und Neu - Rom im ganzen Verlaufe des
fünften Jahrhunderts verknüpften. Das kirchliche Schisma hatte
nunmehr die bereits früher durch politische Abtrennung ent
standene Entfremdung gesteigert und wurde darum schmerzlich
empfunden. Schon Festus’ Bemühungen für die Hebung des
Apostelfestes in Constantinopel zeigen, dass es dem Gesandten
am Herzen lag, die Uebereinstimmung in den kirchlichen
Bräuchen zwischen den Hauptstädten des Ostens und Westens
zu fördern. Dass Festus von dem Patriarchen Macedonius aus
ersehen wurde, ein Erwiderungsschreiben dem römischen Papste
zu überbringen, beweist, dass man in Constantinopel Zutrauen
zu seiner vermittelnden Thätigkeit in kirchlichen Fragen ge
fasst hatte. Wir besitzen noch ein der Annäherung an den
römischen Stuhl gewidmetes Schreiben der Apocrisiarii von
Alexandrien, 2 dessen Zustellung an den Papst Anastasius sie
in die Hände des Patriciers Festus und der speciellen päpst
lichen Gesandten, der Bischöfe Cresconius und Germanus legten.•’
1 Vgl. Cassiodor’s Chronik zu diesem Jahre.
2 Apocrisiarii sind die ständigen Vertreter des Patriarchates von Alexandria
am Kaiserhofe zu Constantinopel.
3 Thiel, p. 628: Libellus, quem dederunt apocrisiarii Alexandrinae eccle-
siae legatis ab urbe Roma Constantiuopolim destinatis. In der Adresse
sind genannt: Gloriosissimo atque excellentissimo patricio Festo et vene-
Quellenstudien zum Laurentianisclien Schisma.
339
Wenn aber Festus zugleich mit den genannten Bischöfen das
Vermittelungsschreiben der Alexandriner übernehmen konnte,
so musste er sich auch mit ihnen in der Vertretung der römi
schen Kircheninteressen eins wissen. Unter solchen Verhält
nissen erscheint die Nachricht des Theodorus durchaus glaub
würdig, dass Festus dem Kaiser bestimmte Zusicherungen
gegeben habe, die auf seinen persönlichen Einfluss auf Papst
Anastasius gegründet waren. Die bedingungslose Unterzeichnung
und Anerkennung des Henotikon durch den römischen Papst
in Aussicht zu stellen, dürfte zwar kaum in Festus’ Macht
gestanden haben; aber die auf die Förderung der Aussöhnungs
bestrebungen gerichtete Thätigkeit des Patricius konnte immer
hin zu bedeutenden Erfolgen führen bei einem Papste, dessen
Betragen in der Frage des Schisma, insbesondere im Gegen
sätze zu dem unmittelbaren Vorgänger Gelasius, eine ausge
sprochen gemässigte Richtung aufweist.
Schon Anastasius II. Begrüssungsschreiben an den Kaiser 1
ist erfüllt von den Versicherungen loyalen Vertrauens und
voller Bewunderung für die Grösse und Weisheit des Imperators;
es abstrahirt gänzlich von den vorausgegangenen Missverständ
nissen und appellirt an das Entgegenkommen des Kaisers,
welcher durch geeignetes Eingreifen die Herstellung eines ent
sprechenden Verständnisses mit der Kirche von Alexandria
erleichtern möge. Nicht minder bedeutungsvoll ist, dass unter
diesem Papste der Ausgleich mit der Kirche von Thessalonice
wirklich zu Stande kam, und dass sogar die Vertreter Alexan
driens von dem bekannten friedlichen Sinne des Papstes die
Möglichkeit einer Annäherung hofften. Dabei sind indess die
Alexandriner weit entfernt, irgend eine Verschuldung ihrerseits
oder seitens der früheren Patriarchen zuzugestehen; sie er
neuern vielmehr in allen Punkten die Glaubensnormen des
Henotikon und verlangen eine Art Rechtfertigung des römischen
Stuhles in Betreff des Tomus, welchen einst Papst Leo an
das Concil von Chalcedon gesendet hatte. Wenn nun auch
Anastasius’ Gesandten sich nicht für berechtigt erklären, auf
rabilibus episcopis Cresconio et Gennano simul cum eius potestate di-
rectis in legatione ab urbe Roma ad . . . imperatorem Anastasium . . .
1 Thiel, p. 615.
22*
340
Stöber.
solche Bedingungen hin abzuscliliesson, 1 so ist doch schon die
Uebernahme des Libells zur Vorlage an den Papst ein hervor
ragendes Zeugniss der versöhnlichen Tendenz, in welcher ihre
Aussendung erfolgt war. Ein um so schwereres Missgeschick
für die von Papst Anastasius inaugurirte, friedliebende Kirchen
politik war der nach kurzer, zweijähriger Regierung erfolgte
Tod des Papstes und die Erwählung des Symmachus im ent
schiedenen Gegensätze zur Richtung seines Vorgängers.
Der Liber pontificalis brandmarkt das Andenken Anasta
sius II. in schärfster Weise: dieser Papst habe durch seine
sündhaften Zugeständnisse an die Partei des Acacius die offene
Erhebung seines eigenen Clerus verschuldet und sei durch
Gottes strafendes Gericht plötzlich aus dem Leben dahinge
schieden. 2 Indem nun derselbe Darsteller das Leben des Nach
folgers Symmachus als das Musterbild eines vollkommenen Ponti-
ficates im günstigsten Sinne zur Abfassung bringt, zeigt er
zugleich deutlich an, dass Symmachus selbst nach dem Wunsche
der Gegner des Anastasius zur Regierung gekommen sei. Wie
natürlich verkehrt sich die Beurtheilung beider Päpste im An. Bl.
1 Num. 7, p. 632 f. : Vestra igitur reverentia suscipiens fidem nostram,
hanc se praesuli Eomanae ecclesiae Anastasio asseruit relaturum: quem
et paratum exsistere memorabat satisfacturum illis, qui fuissent, a
nobis pro hac causa transmissi. Illud etiam asserebat, contra hanc fidem
Dioscorum, Timotheura Petrumque sensisse, nostrae quondam civitatis
arcliiepiscopos, nec deberi in diptychis eorum nomina recenseri. Nos
contra poposcimus, aut produci adversus eos, qui adstruant talesque de-
monstiAnt, aut si non reperirentur, qui eos convincere potuissent, nobis
pro eorum persona satisfacientibus acquiescat . . . Vestra autem sanctitas
renuit dicens, non sibi fuisse praeceptum ab apostolicae sedis antistite
de bis facere quaestionem.
2 Duchesne p. 258: Eodem tempore multi clerici et presbiteri se a com-
munione ipsius erigerunt, eo quod communicasset sine cousilio presbi-
terornm vel episcoporum vel clericorum cunctae ecclesiae catholicae
diacono Thessalonicense nomine Fotino qui communis erat Acacio et quia
voluit occulte revoeare Acacium et non potuit. Qui nutu divino per-
cussus est. Kürzer, jedoch im selben Sinne berichtet hierüber das Ex-
cerpt K; in F fehlt die Stelle. — Dass übrigens Anastasius keine directe
Verletzung der kirchlichen Satzungen zum Vorwurf gemacht werden
kann und die schlimme Nachrede dieses Papstes einzig auf die Partei
darstellung des L. p. als Quelle zurückzuführen ist, zeigt J. v. Dül-
linger: Papstfabeln (München 1863), p. 12411'.; vgl. Thiel, p. 614 f. und
p. 620, n. 30.
Quellenstudien zum Laurcntianisehen Schisma.
341
in das directe Gegentheil. Symmachus wird mit entschiedener
Missgunst behandelt, Anastasius aber — so viel lässt auch
das kurze, uns heute erhaltene Fragment noch erkennen —
mit schmeichelhaftester Anerkennung überhäuft. Der Autor
behauptet geradezu, wer den herrlichen Brief des Papstes an
den Kaiser gelesen, der müsse aus den in demselben vorgetra
genen, auf himmlische Autorität gestützten Erörterungen er
kennen, wie völlig grundlos seit jenen Tagen das so verderbliche
Schisma in der Kirche fortbestehe. 1 Die Ueberzeugung macht
sich geltend, dass es den auf die volle Aussöhnung gerichteten
Bestrebungen dieses Papstes sicherlich gelungen wäre, der
unheilvollen Spaltung ein frühes Ende zu bereiten; soweit ent
fernt sich der Laurentianische Berichterstatter von der Auf
fassung des Symmachianischen L. p., welcher jedes Entgegen
kommen des Papstes gegen die Wünsche der orientalischen
Kirche als sündhaftes Zugeständnis verurtheilt.
Eigentlicher Nachfolger des Anastasius der Gesinnung
nach war der Gegenpapst Laurentius, der, wie Theodorus be
hauptet, durch das Geld des Festus — wir dürfen vielleicht
auch sagen des byzantinischen Kaisers — zur Erhebung kam
und dann fernerhin, je nach dem Kufe und den Weisungen
des mächtigen Patricius, mehrfach auftauchte und wieder ver
schwand, ohne eine besondere politische Existenz für sich zu
beanspruchen. Selbst in der Laurentianischen Darstellung des
An. Bl. wird der Gegenpapst jederzeit nur als Parteigeschöpf
ohne Sonderwillen erwähnt. Zuerst als Gegencandidat neben
Symmachus aufgestellt, dann auf den Sitz von Nuceria ver
wiesen, nach kurzer Zwischenzeit aufs Neue hervorgezogen
und als Prätendent erhoben, vor der Symmachianischen Partei
nach Kavenna geflüchtet, wiederum unter günstigen Aspecten
in Rom eingeführt, längere Zeit im Besitz mehrerer römischer
Kirchen und eines Tbeiles der Stadt, endlich nach Theodorichs
entscheidendem Eingreifen auf ein Gut seines Schirmherrn
Festus gerettet, wo er als frommer Asket seine Tage beschliesst;
1 F. 1 des Veroneser Codex beginnt mitten im Satze: . . . imperatorem
Anastasium directa per Cresconium et Germanum episcopos, quae tanta
scripturaruin caelestium auctoritate suffulta est, ut qui hanc intenta
mente sub divino timore perlegerit, inaniter hactenus inter ecclesias
Orientis et Italiae tarn schisma nefarium pordurare cognoscit.
342
Stöber.
selbst die Gegner, selbst der kampfeseifrige Ennodius, wissen
ihm kaum Uebles nachzusagen, nur dass sich eben seine Person
mit der verhassten Sache der Schismatiker identificirt. Es ist
wohl glaublich, dass Laurentius persönlich jene Vorzüge be
sessen habe, welche seine Anhänger ihm nachrühmen, und dass
die eigentliche Schuld für allen gehässigen Zwist und blutige
Fehde nicht ihn, sondern jene Machthaber trifft, zu deren
Dienste er erhoben und ausgenützt ward.
Ganz anders, individuell und persönlich tritt uns Symma-
chus’ Erscheinung gegenüber, von Anfang an ihrer Absichten
und Ziele klar bewusst und jedes Moment zu deren Verwirk
lichung klug verwerthend. Symmachus verdankt dem Gegen
sätze zu Anastasius II. vermittelnder Richtung seine Wahl.
Er offenbart unverhohlen seine von dem Vorgänger differirende
Gesinnung, indem er eine von Anastasius bezüglich der galli
schen Kirchenverhältnisse getroffene Verfügung rücksichtslos
aufhebt und dabei das Andenken des Dahingeschiedenen mit
strengen Worten der Rüge trifft. 1 Dem Kaiser gegenüber ent-
schliesst er sich zwar, den ersten Schritt zu thun, und da
Anastasius das übliche Beglückwünschungsschreiben an den
neugewählten Papst ausser Acht gelassen, seinerseits die Corre-
spondenz zu eröffnen; indem er dies aber thut, wahrt er zu
gleich schon im ersten Briefe die Interessen der Kirche und
bringt dem Kaiser gegenüber das Gerücht zur Sprache, durch
welches Anastasius der gewaltsamen Verfolgung der Recht
gläubigen im Oriente beschuldigt ward. 2 Anastasius erwiderte
1 Symmachi epist. 3 vom 28. September 500 an Aeonius von Arles bei
Thiel, p. 655: quod decessor noster sanetae recordationis Anastasius trac-
tans confusionem proviuciae aliqua contra veterem eonsuetudinem ius-
serit observari, deeessorum suorum videlicet ordinationem, quod non
oportebat sub qualibet necessitate, transgrediens; epist. 4, in welcher
dieser Tadel zurückgezogen wird, ist eben jene Fälschung Vignier’s.
- Der Brief selbst ist nicht mehr erhalten; über seinen Inhalt vgl. epist. 10,
n. 11 bei Thiel, p. 705: Quod quia per occupationes fortasse publicas
tua creditur praeteriisse tranquillitas, ne magis honorum meum quam
sollicitudinem dominici gregis appetere iudicarer, appellare non destiti
meis vos sponte colloquiis, vulgatum fuisse designans, quod tua serenitas
directa militari manu compelleret eos, qui se a contagione perfidorum
multis temporibus abstinere delegerint,, vi et armis in praevaricatae com-
munionis consortia detestanda.
Quellenstudien zura Laurentiunischen Schisma.
343
mit einem sehr heftigen Libellus, in welchem er dem Papste
Unregelmässigkeiten bei seiner Erhebung, verrätherische Um
triebe im Bunde mit dem römischen Senate, endlich manichäische
Irrgläubigkeit zur Last legte. Daraufhin liess Symmachus ein
scharf prononcirtes Bechtfertigungsschreiben ausgehen, welches
von der Vertheidigung zu bitteren Gegenanklagen übergeht
und zugleich den Anspruch erhebt, das Verhältniss des aposto
lischen Stuhles zum oströmischen Imperium nach hierarchischen
Gesichtspunkten principiell zu entscheiden, die Gleichwerthig-
keit beider Gewalten, ja selbst die Ueberordnung der höchsten
geistlichen Macht als vollberechtigte Forderung des römischen
Episcopates öffentlich declarirt. 1
Eine so kühn und weit ausblickende Polemik wider den
mächtigen Herrscher des Ostreichs zu unternehmen, bedurfte
der Papst eines sicheren Rückhaltes; ein solcher war ihm durch
die endgiltige Erklärung Theodorichs zu seinen Gunsten ge
worden. Wenn der König lange geschwankt hatte, einer von
beiden Parteien definitiv den Vorzug zu geben, so mochten
politische Gründe für ihn massgebend gewesen sein. Die Ver
bindung, welche Festus’ Gesandtschaft mit dem Ostreiche ge
schaffen, war aufs Aeusserste gefährdet im Momente, da Theo-
dorich den durch die byzantinische Partei erhobenen Papst
fallen jiess. Die in der Mitte des ersten Jahrzehnts eintretenden
Verwicklungen zwischen dem italischen und dem oströmischen
Reiche in den Donauländern, der Plünderzug der byzantinischen
Flotte gegen Tarent 2 zeugen von der raschen Erkaltung in den
Beziehungen beider Herrscher und Reiche. Die Erwägung, dass
die byzantinisch gesinnte Adelsfaction unter Umständen der
Selbständigkeit der gothischen Herrschaft gefährlich werden
könne und jene Partei die Gunst des Königs verdiene, die
ihrerseits der starken Stütze des Königthums zur Weiterführung
1 Symmachi epist. 10, u. 8 bei Thiel, p. 703: Conferamus autem ho
norem imperatoris cum honore pontifieis: inter quos tantum distat, quan-
tum ille rerum humanarum curam gerit, iste divinarum . . . Itaque ut
non dicam superior, certe aequalis honor est.
2 Diese Ereignisse gehören in die Jahre 505 und 508; vgl. Dahn, 2, 133 f;
daselbst auch die Angabe der Quellenstellen aus Ennodius’ Panegyricus
(p. 211), den Chroniken Cassiodor’s und des Marcellinus Comes, ferner
aus den Varien (I. 16, II. 38, V. 16, 17).
344
Stöber.
des kirchlichen Kampfes gegen den Osten bedurfte, hat wohl
mit andern einen bestimmenden Einfluss auf die Entscheidung
Theodorichs in der kirchenpolitischen Frage geübt. Als in
späterer Zeit, nach Beilegung des Acacianischen Schisma (519),
die alten innigen Beziehungen zwischen dem römischen sena-
torischen Adel und dem oströmischen Impex-ium sich aufs Neue
anknüpften, da erwachte auch unmittelbar das Misstrauen des
Königs und führte in überschneller Entwicklung zur Katastrophe
des altrömischen Adels, damit aber auch zu dem Zusammen-
stiu-z einer der wichtigsten Grundlagen hin, auf welcher das
italische Gothenreich selbst sich aufgebaut hatte.
Aus dem weiteren Verlaufe des Streites vennögen wir
noch einen Moment, freilich bei nur halb ei-heilender Beleuch
tung, ins Auge zu fassen, die im Jahre 511 verbliebenen Reste
des Schisma uns zu vei-gegenwärtigen. In diesem Jahre hat
der Abt Eugippius 1 sein Commemoratoi-ium Uber das Leben
des heil. Severin zum Abschlüsse gebracht und dem römischen
Diakon Paschasius übersendet mit der Bitte, das in demselben
enthaltene Rohmatei-ial durch seine literarische Kunst zu einem
wahren und erbaulichen Lebensbilde des heiligen Mannes zu
gestalten. 2 Paschasius ist uns aus Gregors des Grossen Dialogen
(IV, 20) bekannt als einer der eifrigsten Anhänger des Gegen
papstes Laurentius, der bis an sein Lebensende 3 in seiner
Opposition verharrte und, obwohl durch einstimmigen Beschluss
der Bischöfe besiegt, der Partei des von ihm hochgeschätzten
xxnd geliebten Laurentius treu blieb. 4 Uebrigens war Paschasius
nach dem Urtheile Gregox-s ein Mann von hervoi-ragender Heilig
keit, der insbesondere durch Almosenspenden sich als Wohlthäter
1 Diese Namensform wird auch von dem neuesten Herausgeber P. Knüll
im Wiener Corpus scriptorum ecclesiasticorum (t. IX) als die handschrift
lich bestbelegte beibehalten.
- Paschasius war der Verfasser eines theologischen Tractats über den
heiligen Geist.
3 Dieses erfolgte nach Gregors Angabe noch bei Lebzeiten des Symmachus.
4 omnium post unanimitate superatus in sua tarnen sententia usque ad
diem sui exitus perstitit illum amando atque praeferendo quem epi-
scoporum iudicio praeesse sibi ecclesia refutavit. Auf die theilweiso Un
genauigkeit dieser Mittheilungen hat Büdinger: Eugipius, p. 808. hin
gewiesen.
Quellenstudien zum Laurentianischen Schisma.
345
der Armen und wahrer Asket erwies. 1 Seine Sünde sei Un
wissenheit, nicht Bosheit des Herzens gewesen und habe darum
auch nach dem Tode des Pascliasius ihre Sühne finden können. 2
So mächtig sprach die Tradition noch am Ende des Jahr
hunderts zu Gunsten des schismatischen Parteiführers und so
wohlwollende und versöhnliche Beurtheilung fand derselbe bei
dem grossen Papste. Einer so scharf prononcirten Persönlichkeit
wendet nun Eugippius seine unumwundene Werthschätzung und
Verehrung zu; schon die Anrede: Domino sancto ac venerabili
Paschasio diacono ist bezeichnend, da Pasehasius entweder von
Anfang an durch den Gegenpapst Laurentius ernannt worden 3
1 mirae sanctitatis vir . . . elemosinarum maxime operibus vacans, cultor
pauperum et contemptor sui.
2 Durch die Fürbitte des Bischofs Germanus von Capua.
3 So vermuthet Büdinger p. 810, weil Pascliasius’ Name in den Verzeich
nissen der römischen Diakonen von 494 und 499 fehlt. Dem Verzeich
nisse von 494, einzig bei 0. Panvinius: Epitome pontifieum Romanorum
(Romae, 1557) p. 19 ff. zu linden und daselbst ohne Angabe der Quelle
unter der Uebersehrift: Tituli cardinales omnes S. Romanae Eeclesiae
nec non illis Candidatorum nomenclaturae sub Gelasio I anno 494 zum
Drucke gebracht, scheint indess die Autorität einer besonderen Quelle
abgesprochen werden zu müssen. Mit dem Verzeichnisse der Synodal
beisitzer von 499 (bei Thiel, p. 651 ff.) stimmt es in den Namen der
Presbyter und Diakonen fast vollständig überein, verändert aber deren
Ordnung und vertheilt sie unter moderne Kategorien: Presbyteri cardi
nales; Arcliipresbyteri titulorum cardinalium; Presbyteri minores titu-
lorum XI; Diaconi cardinales VH. — Die Regionszahlen der Diakonen
differiren in beiden Verzeichnissen, indem bei Thiel, p. 653 f. nur die
bekannten sieben kirchlichen Regionen, bei Panvinius aber 14 Regionen
genannt sind. Ohne hier auf die von Duchesne (Revue des questions
historiques 94, 217 ff.) gegen Jordan (Topographie der Stadt Rom 2,
315 —328) geführte Polemik eingelien zu wollen, durch welche das Fort
bestehen der 14 Civilregionen des Augustus im Mittelalter wesentlich in
Frage gestellt wird, können wir nach den Ausführungen beider Autoren,
sowie De Rossi’s (Roma Sotterranea 3, 515 ff.) soviel als feststehend be
trachten, dass für kirchliche Zwecke bereits in sehr früher Zeit, sicher
noch vor dem Abschlüsse des Chronographen von 354, eine besondere
Eintheilung in sieben Diakonatbezirke durchgeführt war. Die Zuweisung
je zweier Regionen an jeden der sieben Diakonen im Verzeichniss bei
Panvinius erscheint nur noch verdächtiger wegen der mechanischen Art
der Auftheilung; es wird nämlich jedem Diakon eine der Regionen von
1—7 und daneben immer die um 7 höhere zugelegt. Die auf solche
Weise vereinigten Regionen 2 und 9, 5 und 12, 6 und 13 stellen aber
oder, wenn überhaupt je durch einen legitimen Papst befördert,
durch seinen Abfall und durch sein Verharren im Schisma
lange schon Absetzung und Bann sich zugezogen haben musste.
Die Stellung beider Männer zu einander wird vollends ersicht
lich durch die einleitenden Worte im Erwiderungsschreiben des
Paschasius. Dieser empfindet dankbar das ihm von Eugippius’
,kundiger Beredsamkeit' gespendete Lob; indem Eugippius ,in
seiner glücklichen Buhe ihm solche Werthschätzung zu Theil
werden lasse, verschmähe er es, die vielgeschäftigen Bitterkeiten
der Sünder zu wiederholen; er selbst aber — Paschasius —
ertrage den Verlust der Scham durch liebreiche Betrachtung'. 1
Man erkennt den vereinsamten Standpunkt des einzig durch
das Bewusstsein inneren Werthes gehobenen Schismatikers. Die
von wenigen Freunden noch ausgehenden Zeichen der Theil-
nahme und Achtung erfreuen und trösten ihn, der durch die
unausgesetzten Angriffe der Gegner sich in seinem Innersten
verletzt fühlen musste (pudoris iactura). Seine Widersacher
bezeichnet er, der rigoristischen Parteianschauung gemäss, rück
haltlos verurtheilend als Sünder (peccatores).
Neben dem freundschaftlichen Verhältnisse zu diesem ent
schiedenen Vertreter der Opposition hatte sich Eugippius, wie
aus seiner Correspondenz zu entnehmen ist, auch schätzbare
Beziehungen zu angesehenen Mitgliedern der vornehmen Adels-
familien — Bischof Fulgentius von Buspae, die römische Dame
Proba —- zu gewinnen gewusst. In all diesen Persönlichkeiten
aber: Paschasius, Fulgentius, Proba findet sich derselbe aske
tische Sinn ausgeprägt, dieselbe Abkehr vom Irdischen, welche
nach dem Augusteischen Eintheilungssysteme gerade die entgegen
gesetzten Enden der Stadt dar. Da nun seit dem zwölften Jahrhundert
eine von der Augusteischen differirende, neuerliche Eintheilung der Stadt
in vierzehn Regionen herrschend wurde, so ist wahrscheinlich, dass der
Bearbeiter ein ihm vorliegendes echtes Verzeichniss (vielleicht eben das
jenige aus dem Jahre 499) zwar benutzt, jedoch mit Rücksicht auf mo
derne Institutionen verändert hat.
1 Eugippii Commemoratorium de Vita S. Severini ed. Sauppe (M. G. Auct.
Antiq. I 2 ), p. 3, 21. Die Stelle des Antwortschreibens ist zuerst von
Büdinger, p. 811 in diesem Zusammenhang verwerthet worden: dum
nos peritiae tuae facundia et otii felicitate perpendis, amaritudines occu-
pationesque multiplices peccatorum retractare contemnis, pudoris iactu-
ram dilectionis contemplatione sustineo.
Quellenstudien zum Laurentianiselicn Schisma.
347
an dem Gegenpapste Laurentius von dessen Anhängern gerühmt
wird. 1 Und andeutungsweise gibt sich eben diese Gesinnung
auch in Eugippius’ eigenem Werke zu erkennen. Wenn in der
Vita Severini des römischen Weltreichs wie einer lange ver
gangenen Grösse gedacht ist - und das Andenken Odoakar’s
im freundlichen Sinne erneuert wird, so stellt sich der in ,glück
licher Ruhe' lebende Klostervorsteher von Lucullanum in bedeut
samen Gegensatz zu jenen zahlreichen römischen Lohrednern,
welche Theodorichs Herrschaft als die glorreiche Wiederbelebung
des Imperiums feierten. Gehörte Eugippius, wie wir annehmen,
mit zu den Freunden und Verehrern des Gegenpapstes, so war
ihm nach dem Fehlschlagen der Ausgleichsverhandlungen mit
dem Osten, als der innere Zwiespalt beider Reiche und Kirchen
immer offener zu Tage trat, auch die Hoffnung auf Wieder
herstellung des Imperiums entschwunden.
1 Vgl. die näheren Ausführungen und Belege bei Büdinger, p. 806, n. 1;
p. 810.
- Eugippius ed. Sauppe, p. 18,20: per id tempus, quo ßomanum constabat
Imperium; vgl. Büdinger, p. 797.
VIII. SITZUNG VOM 17. MÄRZ 1886.
Se. Excellenz der Curator-Stellvertreter Herr A. Ritter von
Schmerling spricht in einem Schreiben an den Präsidenten den
Dank aus für die ihm in der anlässlich des fünfundzwanzig
jährigen Jubiläums des hohen Curatoriums am 10. d. M. ab
gehaltenen feierlichen Sitzung zu Theil gewordene auszeichnende
Begrüssung.
Das w. M. Herr Professor Dr. Alphons Huber in Inns
bruck übersendet eine für das Archiv bestimmte Abhandlung
unter dem Titel: ,Die Kriege zwischen Ungarn und den Türken
1440—1443 kritisch untersucht/
Die Abhandlung geht an die historische Commission.
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Academia, Real de la Historia: Boletin. Tomo VIII, Guaderno II. Madrid,
1886; 8°.
Accademia, R. delle scienze di Torino: Atti. Vol. XXI, Dispensa 1“. Torino,
1885; 8".
Akaderaia umiejetnosci w Krakowie: Zbiör wiadomosci do Antropologii
Krakowej. Tom. IX. W Krakowie, 1885; 8". — Sprawa wykopalisk
mnikowskich. Dodatek do Tomu IX S ° Zbioru wiadomosci do Antropo
logii Krakowej. Krakow, 1885; 8°.
— — Acta historica res gestas Poloniae illustrantia. Tonrns VIII, Vol. II
(1507—1586). IV Krakowie, 1885; 4 a .
— — Pamietnik. Wydziaty: Filologiczny i historiczno filosoficzny. Tom. V.
IV Krakowie, 1885; 4°.
— — IVewnetrzne Dzieje Polski za Stanisl'awa Augusta (1764—1794)-
Tom. IV, Czesc I. IV Krakowie, 1885; 8°.
349
Carinthia-. Zeitschrift für Vaterlandskunde, Belehrung und Unterhaltung.
LXXV. Jahrgang. Klagenfurt, 1885; 8 n .
Central-Commission, k. k. statistische: Oesterreicliisehe Statistik. X. Band,
1. Heft. Bericht über die Erhebung der Handelswerthe und Haupt
ergebnisse des auswärtigen Handels im Jahre 1884. Wien, 1886; Folio.
Freiburg i. B., Universität: Akademische Schriften pro 1884 —1885.
48 Stücke, 8° und 4°.
Gesellschaft, k. k. geographische in Wien: Mittheilungen. Band XXIX,
Nr. 2. Wien, 1886; 8°.
Harz-Verein für Geschichte und Alterthumskunde: Zeitschrift. XVin. Jahr
gang, 2. Hälfte. Wernigerode, 1886; 8°.
Society, the royal geographical: Proceedings and Monthly Records of
Geography. Vol. VIII, Nr. 3. London, 1886; 8°.
— the Scotish geographical: The Scottish geographical Magazine. Vol. II,
Nr. 3. Edinburgh, 1886; 8°.
IX. SITZUNG VOM 31. MÄßZ 1886.
Von Druckschriften sind mit Begleitschreiben eingelangt:
,Archäologisch-epigraphische Mittheilungen aus Oesterreich-
Ungarn', Jahrgang IX, Heft 2, übersendet von der Direction des
archäologisch-epigraphischen Seminars der Wiener Universität.
,Die böhmischen Landtagsverhandlungen und Landtags
beschlüsse vom Jahre 1526 bis auf die Neuzeit/ Band IV,
1574—1576, eingesendet von dem Landesausschusse des König
reiches Böhmen.
Von Herrn Dr. Franz Martin Mayer in Graz wird eine
Abhandlung: ,Aus den Correspondenzbüchern des Bischofs Sixtus
von Freising, 1474—1495' übersendet mit dem Ersuchen um
ihre Aufnahme in das Archiv.
Die Abhandlung geht an die historische Commission.
Von dem w. M. Herrn Dr. Pfizmaier wird eine für die
Denkschriften bestimmte Abhandlung: ,Der chinesische Dichter
Pe-lö-thien' vorgelegt.
Das w. M. Herr Professor Friedrich Müller legt eine für
die Sitzungsberichte bestimmte Abhandlung unter dem Titel:
,Die Musuk-Sprache in Central-Afrika. Nach den Aufzeichnun
gen von G. A. Krause' vor.
351
In ihrer Sitzung am 17. März hat die philosophisch-histo
rische Classe beschlossen, dass die zur Verfügung stehende
Zinsenmasse des Savigny-Stiftungsvermügcns im Betrage von
4100 Reichsmark dem Professor der Rechte und correspon-
direnden Mitgliede der kais. Akademie der Wissenschaften Herrn
Dr. Arnold von Luschin-Ebengreuth in Graz zur Herstellung
eines mit biographischen Notizen ausgestatteten Repertoriums der
bis zum Jahre 1630 an italienischen Rechtsschulen nachweis
baren deutschen Studenten mit Ausschluss jener, welche zu
Bologna und nur da bis zum Jahre 1547 immatriculirt waren,
zu gewähren sei.
Vorstehender Classenbeschluss wurde in der Gesammt-
sitzung vom 26. März d. J. zum Beschlüsse der kais. Akademie
der Wissenschaften erhoben.
An Druekseliriften wurden vorgelegt:
Aeademia Romana: Etymologicum magnurn Romaniae. Dictionaml Lim-
bei istorice si poporane a Romänilor. Fasciöra II. Acat — Aflu. Bueu-
resei, 1886; 4°.
Academie, royale des Sciences, des lettres et des beanx-arts de Belgique:
Bulletin. 55 e annee, 3 e s4rie, Tome 11, No. 1. Bruxelles, 1886; 8°.
Akademija Jugoslavenska znanosti i umjetnosti: Starine. Knjiga XVII.
U Zagrebu, 1885 ; 8°.
— — Bad. Knjiga LXXVII.—XII. U Zagrebu, 1885; 8°.
Archaeological Survey of India: Report of a Tour through Behar, Cen
tral India, Peshawar and Yusufzai 1881 —1882. Vol. XIX. Calcutta,
1885; 8°. — Report of a Tour in Eastern Rajputana in 1882—1883.
Vol. XX. Calcutta, 1885; 8°.
Breslau, Universität: Akademische Schriften pro 1884—1885. 60 Stücke
8° und 4°.
Gesellschaft, deutsche morgenländische: Zeitschrift. XXXIX. Band,
IV. Heft. Leipzig, 1885; 8°.
Johns Hopkins University: Studies in liistorical and politic.al Science.
4 th series. II. Town Government in Rhode Island by William E. Foster
III. The Narragansett Planters by Edward Channing. Baltimore,
1886; 8*.
Maatschappij der Nederlandsche Letterkunde: llandelingen en Mededee-
lingen over het Jaar 1885. Leiden, 1885; 8 n . — Leveusberichten der
afgestorvene Medeleden. Leiden, 1885; 8°.
352
Militär-Comite, k. k. technisches und administratives: Militär-statistisches
Jahrbuch für die Jahre 1883 und 1884. II. Theil. Wien, 1886; 4°.
Mittheilungen aus Justus Perthes’ geographischer Anstalt von Dr. A. Peter
mann. XXXII. Baud, 188G. III. und Ergänzungsheft Nr. 81. Gotha; 4°.
Nordisk Ohlskrift-Selskab: Aarb^ger for Nordisk Oldkyndighed og Historie,
1886. 1. Bind, 1. Heefte. Kj<j>benliavn; 8°.
Society, the Asiatic of Bengal: Centenary Review from 1784 to 1883.
Calcutta, 1885; S n .
Wissenschaftlicher Club in Wien: Monatsblätter. VII. Jahrgang, Nr. 6
und Ausserordentliche Beilage Nr. 3. Wien, 1886; S".
Müller. Die Musuk-Sprache in Central-Afrika.
353
Die Musuk-Sprache in Central-Afrika.
Nach den Aufzeichnungen von Gottlob Adolf Krause
herausgegeben
von
Dr. Friedrich Müller,
Professor an der Wiener Universität.
(Mit einer Karte.)
ln den Tsad-See ergiesst sich, aus südlicher Richtung
kommend, der mächtige Schäri-Strom, welcher als letzten Neben
fluss an seiner westlichen Seite den Ba Logon oder den , Fluss
von Logon' in sich aufnimmt. Ob der Ba Logon ein freier
Fluss ist, oder oh er weiter im Süden in noch unbekannter
Gegend sich nur vom Schäri abgezweigt hat, ist bisher nicht
erforscht worden. Ba Logon heisst er, weil er das kleine, Bornu
zinsbare Land Logon durchfliesst; deshalb aber hat dieser Name
auch nur Geltung für eine kurze Strecke aufwärts von der
Vereinigungsstelle des Schäri und des Ba Logon in der Nähe
der Stadt Küsseri. Südlich vom Lande Logon wohnt an beiden
Seiten des Flusses ein kleines Volk, dessen Sprache den Gegen
stand vorliegender Arbeit bildet. Uns ist dasselbe bisher unter
den Namen Musgu, Musgo, Muzgu, Mudzegu, Mussgu, Mäsä und
ähnlich lautenden bekannt geworden. Sie selbst nennen sich
in der Einzahl Mtimzuk, in der Mehrzahl Mamzokoi, mit den
Varianten Manzölcoi, ManSokoi, Mandzohoi, und ihre Sprache
Sen nam Mamzokoi oder liel naui Mamzokoi. Mümzuk, in
welchem Worte z den weichen Zischlaut im Musteralphabet
von Lepsius wiedergibt, ist aus ma-Muzuk, d. i. manu- (des)
Muzuk (-Landes), oder auch Einer (des) Musuk (-Volkes) ent
standen. Von dieser Einzahl wird regelrecht die Mehrzahl
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. CXII. Bd. I. Hft. 23
354
Müller.
Mamzgkoi, für ma-Muzuk-ai, gebildet. Sen sowohl wie fiel
bedeutet Sprache, und fiel naui Mamzgkoi die Sprache der
Musuk-Leute.
Das Verbreitungsgebiet der Musuk — so schreiben wir
im deutschen Texte, um zu verhindern, dass Muzuk wie Mutsuk
ausgesprochen werde — ist sehr beschränkt und uns nach seiner
Ausdehnung ziemlich genau bekannt. Durch etwa anderthalb
Breitengrade wohnen sie zu beiden Seiten des Ba Logon, den
sie seihst Re oder Erg nennen, und der nach Heinrich Barth
hier auch Serbewuel, d. i. Sari ba w$l ,Grosser Fluss' heisst,
ohne sich an einer Stelle mehr als 80 Kilometer vom Flusse
zu entfernen.
Das Volk ist fast durchwegs noch heidnisch und dient
daher den muhammedanischen Nachbarvölkern im Norden,
Westen und Osten als Gegenstand für ihre Sclavenjagden, so
dass die Ausrottung der Musuk nur noch eine Frage der
Zeit ist.
Das Land der Musuk ist 1851 bis 1852 von Heinrich
Barth und Adolf Overweg und 1854 von Eduard Vogel besucht
worden. Da aber alle drei Reisende nur im Anschluss an
Sclavenjagden, die der Sultan von Bornu ausgesandt, voiv
dringen konnten, so war ihnen fast keine Gelegenheit geboten,
die Eigenthtimlichkeiten des Volkes zu erforschen.
Von der Musuk-Sprache ist uns bisher nichts bekannt
geworden, doch hat Heinrich Barth vor nunmehr 34 Jahren
ein Vocabular derselben "gesammelt, das nicht zur Veröffent
lichung gelangt, aber von Gustav Nachtigal im zweiten Bande
seines Werkes ,Sahara und Sudan' benutzt worden ist.
Die Musuk-Sprache ist eine jener Sprachen, welche, vom
praktischen Standpunkte aus betrachtet, jedweder Wichtigkeit
entbehren, und der Verfasser dieser Abhandlung würde ihrem
Studium seine Zeit nicht gewidmet haben, wenn sie sieb nicht
durch zwei scharf in die Augen springende Merkmale von den
Nachbarsprachen, soweit wir diese kennen, auszeichnete. Sie
besitzt einmal grammatische Geschlechter und dann eine hoch-
entwickelte Lautharmonie. Von der letzteren finden sich Spuren
in vielen afrikanischen Sprachen, der Besitz grammatischer
Geschlechter aber kommt ihnen so wenig zu, dass er bisher
in den wenigen angetroffenen Fällen immer auf den Einfluss
Die Musuk-Sprache in Central-Afi'ika.
355
fremder, Geschlechter besitzender Sprachen zurückgeführt
worden ist. Und auch bei der Musuk-Sprache werden wir
daher, wollen wir dem Ursprung ihrer grammatischen Ge
schlechter nachforschen, unser Augenmerk auf Einflüsse richten
müssen, welche von aussen auf die Musuk-Sprache und vielleicht
sogar auf das Musuk-Volk eingewirkt haben. Zukünftige For
scher allein werden im Stande sein, diese Frage einer Lösung
entgegenzuführen, wenn nicht etwa das Musuk-Volk ausge
storben sein wird, ehe ein solcher in das Musuk-Land ein-
dringen wird. Vom sprachlichen Standpunkte möge hier nur
darauf hingewiesen werden, dass der freie, edelgeborene Musuk -
Mann mekelg, Femin. makalai, PI. makalakai, was eigentlich
,roth' und ,braun' bedeutet, oder auch zuivi, d. i. ,geboren',
heisst. Was das Wort muzuk bedeutet, ist nicht bekannt,
lautlich ist es nicht sehr verschieden von dem Namen, mit
welchem sich die Tuärek, die Bewohner eines Theiles der
Sahara bezeichnen, dessen sehr variirender Stamm masay,
maziy, mu§ay u. a. lautet, und der schon bei den Alten als
Mazix, Masix u. s. w. erscheint.
Da bisweilen die Namen, mit welchen ein Volk von seinen
Nachbarn benannt wird, oder welche es selbst diesen gibt,
einiges Licht über Herkommen und Geschichte zu verbreiten
im Stande sind, so mögen hier die einschlägigen Namen folgen.
Die Bewohner des Landes Bornu werden von den Musuk in
der Einzahl meftik — auch mefsk — in der Mehrzahl mafakai
genannt. Ob dieser Name in irgend einem Zusammenhänge
steht mit efek, Plur. afcikai, das ,Stroh', ,Rohr' bedeutet,
kann nicht entschieden werden, sprachlich stünde der Bildung
m-efek, wobei dem m die Bedeutung von ,Person' zukäme,
nichts entgegen. Die Bewohner von Bagirmi werden in der
Einzahl tomo, in der Mehrzahl tomokai, genannt, ein auf
fallender Name, da er im Singular nicht die grammatische
Form eines Völkernamens aufweist. Die Bewohner von Wän-
dala (Mändara) heissen in der Einzahl nioälna, anstatt ma-
ivalna, in der Mehrzahl moalnakai. Ein Bewohner der Stadt
Sina (Zina) im südlichen Logon heisst mdmi. Die übrigen
Namen tragen nichts Besonderes an sich. Die Musuk werden
von den Bagirmiern Masa genannt, was einfach ,Menschen'
oder .Männer' bedeutet.
356
M fl 11 e l*.
Ist nun dem Ethnologen schon jedes Volk und dem
Sprachforscher jede Sprache von Interesse, so muss das doch
doppelt von jenen Völkern und jenen Sprachen gelten, welche,
wie Musuk-Volk und Musuk-Sprache, dem Aussterben ent
gegengehen.
Die physische Seite der Musuk beschreibt Heinrich Barth
in seinem grossen Reisewerke, im dritten Bande, Seite 176 in
folgender Weise: ,Ihr Vorderkopf war, anstatt rückwärts ge
neigt zu sein, bei den Meisten sehr hoch und die Gesichts
linie gerade, aber ihre buschigen Augenbrauen, weit offenen
Nasenlöcher, aufgeworfenen Lippen, hohen Backenknochen und
ihr grobes buschiges Haar gab ihnen ein sehr wildes Aussehen.
Die Gestaltung der Beine mit den nach innen gebogenen Knie
knochen war besonders hässlich. Ueberhaupt waren sie kno
chiger und ihre Glieder weniger schön abgerundet als bei den
Marghi. Sie waren insgesammt von schmutzig-schwarzer Farbe,
weit entfernt von jenem glänzenden Schwarz, das bei anderen
Stämmen einen so wohlgefälligen Eindruck macht und mit der
dunklen Hautfarbe einigermassen aussöhnt. Die Meisten von
ihnen trugen einen kurzen Bart; mehrere hatten ihre Ohren mit
kleinen Kupferringen geschmückt und fast Alle trugen ein aus
Dümgestrüpp grobgeflochtenes Tau um den Hals/
Erwähnenswerth ist noch, dass nach Heinrich Barth die
Musuk keine Pfeile, sondern nur Lanzen und Handeisen besitzen.
Als Quellen für das Studium der Musuk-Sprache haben
dem Verfasser in Tripoli lebende frühere Sclaven vom Musuk-
Stamme gedient, und ganz besonders einer Namens Ali Mut,
welcher in seiner Heimat Ngilemong Bel (nilemaii bei) hiess.
Er stammt aus dem Dorfe Ngilemong, bei Heinrich Barth
Ngelmöng und vielleicht das Ngullemung Gustav Nachtigal’s,
welches einen halben Tagemarsch in östlicher Richtung von
Kade entfernt nahe am Ba Logon oder Re liegt. Kade ist
durch Heinrich Barth als Sitz des Häuptlings Adischen, wie
ihn die Bornu-Leute, oder Edischäko, wie ihn seine Unterthanen
nannten, bekannt geworden. Als Ngilemong Bel aus seiner
Heimat geschleppt wurde, regierte in Kade Edischäko’s Sohn
Mainäzanga.
Da die einzelnen Mundarten der Musuk-Sprache ausser
ordentlich von einander abweichen sollen, so muss besonders be-
"T
Die Musuk-Sprache in Central-Afrika. 357
merkt werden, dass die vorliegende Arbeit die Musuk-Sprache
behandelt, wie sie in Ngilemong gesprochen wird.
tj
Die Laute der Musuk-Sprache.
Die hier zur Verwendung gelangenden Schriftzeichen sind
jene, wie sie von Richard Lepsius in seinem Werke: ,Standard
Alphabet for reducing unwritten languages and foreign graphic
Systems to an uniform orthography in European letters* vor
geschlagen worden sind.
I. Vocale.
a) kurze: a, e, i, o, u, u;
b) lange: 3, q, g, ü, l, ö, ö, ü, ü;
c) zusammengesetzte: ai, au, oi, ou;
d) nasalirte: ä, e, n.
II. Consonanten.
a) faukale: ’, h, K;
b) gutturale: k, g, q, % (y);
c) palatale: Je, n, s, z, S, y;
d) dentale: t, d, n, s, 3-, z (6), r, l;
e) labiale: p, b, m, f, v, w, w.
Es ist nicht sicher, ob alle Laute erfasst worden sind,
besonders scheint es, als ob die Musuk-Sprache auch s, z und
d besässe; y und 6 dagegen scheinen nur als Ausnahmen vorzu
kommen. Gerhard Rohlfs sagt in Bezug auf die Musuk-Sprache
das Folgende: ,Als ich während meines Aufenthaltes in Kuka
im Jahre 1866 mehr Zeit gewann, beschäftigte ich mich mit
der Musgu-Sprache, stiess jedoch manchmal auf unüberwind
liche Hindernisse, um die Laute dieser Barbaren, für die noch
gar keine Buchstaben oder Zeichen erfunden sind, selbst die
von Lepsius und Barth gebrauchten lange nicht ausreichen,
aufzufassen und wiederzugeben. Die Musgu-Sprache ist eine
von den allerschwerverständlichsten Sprachen und selbst die
Tebu-Sprache ist gegen sie leicht zu nennen/ (Ergänzungsheft
Nr. 25 zu Petermann’s Mittheilungen, S. 67 und 68.) Gustav
Nachtigal spricht von der ,an wunderlichen Zisch-, Hauch- und
■
fl
I
■
I
358
Müller.
Kehllauten reichen Sprache der Musgof (Sahara und Sudan II,
S. 531), und über die benachbarte und verwandte Sprache der
Wändala drückt sich Heinrich Barth mit diesen Worten aus:
,In Bezug auf Orthographie will ich nur bemerken, dass die
Verwechselung verwandter Laute ziemlich häufig ist, wie das
hei durch Schrift nicht fixirten und schwer aufzufassenden
Sprachen sich gar leicht erklärt. Dazu kommt, dass auch das
Wändala Ueherfluss an Kehl- und Zungenlauten hat. So finden
wir denn in meinem Material eine mehrfache Verwechselung
zwischen s, S und & auf der einen und & und %, sowie /
\ind x auf der anderen Seite/ (Einleitung zu den Vocabu-
larien, S. CCXXVIII.)
Was Heinrich Barth von der Wändala-Sprache sagt, gilt
auch vielfach von der Musuk-Sprache, wofür als Beispiel das
Wörterbuch unter masakai nachzusehen ist.
Zur Aussprache der Laute.
Die Vocaie sind gewöhnlich kurz, lange scheinen durch
Zusammenziehung zweier entstanden zu sein. Das Verschlucken
kurzer Vocaie, besonders beim Verbum, findet in ausgedehnter
Weise statt.
Der Laut ;, welcher ungefähr aber nicht vollständig dem
arabischen £., \ain, entspricht, kommt nur nach a und e am
Ende der Wörter vor.
R wird etwas weniger scharf gesprochen als das ara
bische £, Ra.
d und g werden am Ende der Wörter bisweilen nur halb
gesprochen. Hiermit kann man die unvollständig articulirten
Explosivlaute im Samojedischen, Chinesischen, in den Kolh-
Sprachen 1 u. a. vergleichen.
^ ist nicht vollständig klar. Ngilemong Bel sprach diesen
Laut derart aus, dass er den oberen Rand der Zunge am harten
Gaumen über den oberen Vorderzähnen anlegte und so an dieser
Stelle einen Verschluss zu Stande brachte. Um das Ausströmen
der Luft auf der linken Seite zu verhindern, verzog er den Mund
1 F. Müller, Grundriss der Sprachwissenschaft II, 2, S. 165 und S. 403;
HI, 2, S. 107.
Die Musuk-Sprache in Central-Afrika.
359
nach rechts und schloss so den Luftweg durch die mittleren
linken Zähne ah und presste dann auf der rechten Seite durch
die mittleren Zähne einen Zischlaut hervor. Wenn man mit
der Zunge und dem Munde, wie angegeben, verfährt und S
auszusprechen versucht, so erhält man genähert den Laut,
welcher hier durch § wiedergegeben wird. Ein Analogon ein
seitig gesprochener Laute existirt im Ehkili in Stid-Arabien,
wo Fulgence Fresnel derartige /-Laute schildert.
Anlaut und Auslaut der Wörter.
Fast alle Laute der Musuk-Sprache, Consonanten sowohl
wie Vocale, können 'Wörter beginnen und enden. Der con-
sonantische Anlaut besteht aus einem einfachen Consonanten,
wenn wir einige wenige Wörter ausnehmen, welche mit kw be
ginnen, doch kommen VocalVerschluckungen in solcher Weise
vor, dass ganze Consonantengruppen als Anlaut erscheinen;
dies besonders bei Verbalbildungen. Daba heisst schlagen,
tim die Trommel; die Frau schlägt die Trommel muni td-be tim,
anstatt ta-d-ciba; sie versteht mich tsteraiiä für ta-saterahd; sie
setzt sich timana (' auf s ist Accent) für ta-samana; sie pfeift
tpsa hüvik für ta-pasa hüvik.
Betonung der Wörter.
In dem einzeln gesprochenen Worte herrscht beim Sub-
stantivum und Adjectivum das Bestreben vor, die letzte Silbe
zu betonen, im Zusammenhang der Rede aber scheint der
Accent keiner bestimmten Silbe anzugehören. Durch das Be
tonen der letzten Silbe wird ein schnelles Hinweggleiten der
Stimme über die Anfangssilben bedingt, und daher sind hier
lange Vocale sowie Doppelconsonanten, welche beide ein Ver
weilen der Stimme bedingen, selten. Diese Hastigkeit der Sprache
erschwert das Erfassen der Vocale der ersten Silben ungemein,
und zur Nachahmung dieser Hastigkeit gehört eine unge
wöhnliche Zungenfertigkeit. Man versuche z. B. die folgenden
Wörter mit der grösstmöglichen Schnelligkeit auszusprechen:
terkekedekai die Löffel; tMäabäKefiebi sie wird meckern, ne
gativ thahabähehebikai.
Veränderungen der Laute.
a) Veränderungen der Vocale.
Die Vocalharmonie.
In der Musuk-Sprache findet sich das Bestreben, nur be
stimmte Vocalreihen neben einander zu dulden, und die Natur
von Vocalen, welche einer Reibe nicht entsprechen, umzu
ändern. Auf der einen Seite halten im Allgemeinen zu einander
e > b .?.> Vi> °h auf der anderen a, o, u, ai, doch treten auch i
und u etc. in eine Reihe. Dieses Bestreben macht sich sowohl
in retrograder wie progressiver Weise geltend, d. h. entweder
die Vocale der an den Stamm der Wörter tretenden Bildungs
silben oder anderer Elemente ändern ihre Natur, um sich mit
den Vocalen des Stammes in Einklang zu setzen, oder die
letzteren ändern ihre Natur, um sich den ersteren vocalhar-
monisch anzureihen. Der gewöhnliche Pluralexponent ist -ai
oder -kai, z. B. Icaldn der Brunnen, plur. kalan-ai. Dagegen
abliik die Schambindc der Frau, plur. ablok-oi für abluk-ai, und
mözohwnl unverheiratet, plur. mozonwal-ai für mozoiiwol-ai.
Der Singular-Feminin-Exponent der Adjectiva und bis
weilen auch der Substantiva ist gewöhnlich i, ai. In welcher
Weise derselbe die Vocale des Stammes beherrscht, zeigen die
folgenden Beispiele: pidem schön, fern, püdum-i, .plur. com.
piidam-ai undpädam-ai] mdfin blind, fern, mulfin-l, plur. com.
malfan-ai; mekelB roth, fern, makal-ai, plur. com. makala-kai;
bil Sclave, bul-i Sclavin, plur. com. bala-lcai.
Das angehängte Objects-Verbalpronomen der 3. Pers. Sing,
des Masculinums lautet ni. Waschen heist masa, er wäscht
sich ameSni und selbst emeSni anstatt a-masa-ni.
Liehen heisst dara, er liebt a-dara; er liebt dich aduru-
kunu für a-dara-kunu; er liebt euch edirikini für a-dara-kini.
b) Veränderungen der Consonanten.
Mehrsilbige Substantiva und Adjectiva, welche im Sin
gular auf -d und -g enden, verwandeln diese Laute im Plural
in t und k, z. B. iioöd Gehirn, Plur. iiootai; harabdg Sandale,
Plur. harabakai. Die Laute s und z verlangen gewöhnlich und
heim Verbalstamme immer die Vocale a und u und gehen in
Die Musuk-Sprache in Central-Afrika.
361
s und z über, wenn a und u in e oder i übergeben. Ich wasche
heisst tanu mmcisa für mu-masa, wir waschen tii mimisi; ich
thue tanu muza, wir thuen tii mizi.
Nominale Stammbildungs-Elemente.
A. Echte.
1. ni a-
Präfixe.
mit den Varianten me, mi, mo, mu. Die ursprüngliche
Bedeutung ist Person, Individuum, dann Ding.
Das Präfix ma bildet:
a) Patronymica: ma-logom, Plur. ma-logomai Bewohner des
Landes Log gm, d. i. Logon.
b) Nomina Agentis: mi-h'il, Fern. mü-Jiali, Plur. mu-Kalakai
Dieb, wörtlich ,Mann des Stehlens' von liala stehlen.
Diese Bildungsart ist durch eine neuere in den Hinter
grund gedrängt, die wir unter 2. kennen lernen werden.
c) Substantiva von Zeitwörtern, wobei die ersteren etwas
bezeichnen, was eine Folge, oder ein Object, ein Zweck
oder ein Instrument der letzteren ist, z. B. sama essen,
mü-stna etwas zum Essen, Speise; mu-güdi das Messer.
d) Adjeetiva, z. B. mg-yonai furchtsam, von gyena, d. i. wa-
ya-na sich fürchten.
2. z fi
lmt folgenden Varianten: sa, se, su, Se, si, &e, t}i, se, za,
zi, zo, zu, za, ze, zi, zu. Die Bedeutung dieses Präfixes
ist wie bei ma- ,Mann, Person'. Es ist verwandt, wenn
nicht identisch mit dif, Plur. dai der Mann, mit ite
der Mann im Margi, mit dem Wandala-Präfixe de- in
derselben Bedeutung. Die Verwendung dieses Präfixes
ist sehr mannigfach, und es ist nicht unwahrscheinlich,
dass es zwei ihrem Ursprünge wie ihrer Verwendung
nach verschiedene Präfixe sind, von denen das eine
,Mann, Person' bedeutet, während das andere vom Verbum
za, da, sa, machen, thun, abzuleiten ist.
Mit ze- werden gebildet:
a) Nomina Agentis von Substantiven und Zeitwörtern. Die
so gebildeten Wörter nehmen durch ihre Behandlungs-
362
Müller.
weise eine etwas zweifelhafte Stellung ein, es ist nieht
ganz klar, ob sie als Substantiva oder Adjectiva anzu
sehen sind. Gegen die erstere Annahme könnte sprechen,
dass ihnen fast beständig noch das Wort ,Mann‘' oder
,Frau‘ vorgesetzt wird, gegen die letztere wieder der
Umstand, dass sie nicht wie die ursprünglichen Adjectiva
wenn sie attributiv oder prädicativ den Substantiven
beigegeben sind, behandelt werden. Vielleicht sind sie
Verbalisations-Participia. Der Topf heisst tokond, die Frau
muni, muni ze-tokena heisst die Töpferin (Töpfer gibt
es nicht). Fangen heisst ima, der Fisch Relif, der Mann
dif; dif z(i)-i mi-Relif bedeutet der Fischfänger, Fischer.
b) Substantiva von Substantiven, ohne deren Bedeutung zu
ändern; pai heisst der Fürst, dif ze-pai heisst auch der
Fürst. Vielleicht ist auch hier Ze-pai Verbalisations-Particip.
c) Adjectiva von Substantiven und Adjectiven. Das Salz heisst
Rom, zu-Rom salzig; toloq schmutzig, ze-tolgq schmutzig.
B. Unechte.
Dieselben bestehen aus Wortzusammensetzungen, welche
mit der Natur der echten Stammbildungs-Elemente in gar keinem
Zusammenhänge stehen, aber ähnliche Dienste leisten wie diese.
1. wala das Ding, bildet mit Substantiven oder Infinitiven
Wörter verschiedener Bedeutung, die den Zweck oder
Inhalt etc. des Substantivs oder Infinitivs ausdrücken.
Das Feuer heisst afu, wala afu Ding des Feuers, Flinte.
Thun za, wala se-zi Ding zu machen, Arbeit; essen sama,
wala emsim, walemsim Ding zum Essen, Speise.
2. a/ri, plur. all na masakai für das Masculinum, ai, aide,
aitu, plur. alinafalakai für das Femininum, werden zur
Bildung von Deminutivformen der Thiernamen verwendet.
Verbale Stammbildungs-Elemente.
A. Echte.
Dieselben sind leider nicht genügend bekannt geworden.
Durch Anhängung der Silbe na oder ha scheint der Inhalt des
einfachen Verbums verstärkt zu werden, z. B. larna essen, da
gegen lama-ha beissen.
Die Musuk-Sprache in Central-Afrika.
363
B. Unechte.
Dieselben bestehen aus Wortzusammensetzungen, zumeist
aus einem einsilbigen Verbum mit einem substantivischen Object.
Thun za, da; d-audla — da wala, Arbeit thun, arbeiten; za laia
Schrift, Buch machen, schi-eiben.
Die einzelnen Wortelassen.
I. Das Pronomen.
1. Das Pronomen personale.
A. Das selbständige persönliche Pronomen.
Singular.
Plural.
1. Pers. tanu
2. Pers. tukunu
3. Pers. masc. ni
tii
tikini
fern, nita
na
ß. Das Pronomen possessivum.
In Wirklichkeit besitzt die Sprache kein adjectivisches
Possessivpronomen, sondern setzt Substantivum und Pronomen
personale in ein Genetivverhältniss zu einander; ,mein Kamel'
wird zu ,ich’s Kamel', oder ,Kamel welches ich’s Ding'. Das
Possessivverhältniss kann daher auf zweierlei Weise ausgedrückt
werden entweder durch die Anfügung der mehr oder weniger
veränderten Stämme des persönlichen Fürwortes (der soge
nannten Possessiv-Suffixe) direct an das Substantivum, oder an
das nachgesetzte Wort naui ,Ding'.
Ar uh der Knabe.
Singular.
Plural.
1. Pers. arün-a] mein Knabe
2. Pers. arün-ku
3. Pers. masc. arüh-ni
aruh-tü
arün-ki
fern, arun-nita
com. arun-nagai.
364
Mülle r.
d-igeni, das Kameel.
Singular. Plural.
1. Pers. d-igeni naui-ya digeni naui-ti
2. Pers. digeni naui-ku digeni naui-ki
3. Pers. masc. d-igeni naui-ni 1
fern, digeni naui-nita { com ‘ naui ' nd 9 ai
Damit vergleiche man: das Kamel des Fürsten digeni
naui pai; das Kamel der Bornn-Lente digeni naui mafakai.
C. Das Subjects-Yerbalpronomen.
Es wird vor das Zeitwort gesetzt und verschmilzt mit
dem Verbalstamme zu einer Einheit.
Singular.
1. Pers. mu, ma
2. Pers. ku, ka
3. Pers. masc. a
fern, ta (tu)
Durch vocalharmonische Einflüsse können die Vocale
dieser Pronomina verändert werden, sie können auch wegfallen,
so dass der consonantische Theil allein übrig bleibt.
D. Das Objects-Verbalprononien.
Es wird hinter das Zeitwort gesetzt und verschmilzt mit
dem Verbalstamme zu einer Einheit.
Singular.
1. Pers. a], ä
2. Pers. ku, lcunu
3. Pers. masc. ni, n
fern, tu
2. Das Pronomea clemonstrativum.
,Dieser' heisst liända, es bleibt unverändert und wird dem
Substantivum vor- oder nachgesetzt.
Plural.
ii, l, yi
ki, kini
com. di
Plural.
mi
ki
j com. e.
Die Mmsuk-Sprache in Central-Afrika.
365
3. Das Pronomen relativum.
Es lautet na, ne und erleidet keine lautliche Veränderung.
Es wird wenig gebraucht.
II. Das Verbuxn.
a) Das echte Verbum.
Der Bau des Verbums beruht auf einem als Subject zu
fassenden Pronominalelemente mit einem prädicativ hinzu
tretenden Nominal-Verbalstamme, welche beiden Theile zu
einer untrennbaren Einheit verschmolzen sind, derart, dass das
Pronominal-Subject selbst dann beim Verbum bleibt, wenn
ihm ein anderes Subject vorausgeht, z. B. dif d-liala der Mann
er geht, nicht dif Mia.
Die meisten Zeitwörter bestehen aus zwei Consonanten
und zwei Vocalen, z. B. lidda zerbrechen, ydma singen, und zwar
sind die Vocale meist a, seltener u, doch nur im Singular, im
Plural dagegen, wohl infolge der Voealharmonie, e und i, wie
gleichfalls auch in den abgeleiteten Formen.
b) Verbalisationen.
Wie es scheint, kann in der Musuk-Sprache jedes Wort
durch Vorsetzung der Subjects-Verbalpronomina zu einem Verbal
ausdrucke gemacht werden. Der Fürst heisst pai, ich bin ein
Fürst tanu m-pai, vergleiche bara suchen, tanu m-bara ich suche;
er ist ein Fürst ni a-pai, er sucht ni a-bara. Schlecht heisst
dür, wollen oder lieben dara; ich bin schlecht tanu mu-dür,
ich liebe tanu mu-dara. Der Plural der Verbalisationen jedoch
weicht von dem der Verba ab.
Verbalformen.
In der Musuk-Sprache können bis jetzt folgende Formen
nachgewiesen werden:
1. Ein Aorist.
2. Ein Perfectum.
366
Müller.
3. Ein Futurum.
4. Ein Präsens.
5. Ein Imperativ.
6. Ein Infinitiv.
7. Ein Participium.
8. Noch andere Formen sind vorhanden; sie bleiben hier
unerwähnt, da sie nicht vollständig bekannt geworden sind.
9. Ein Passivum ist auch vorhanden.
Durch Anfügung der Partikeln kai, pai oder bai können
alle Formen negirt werden.
Bildung der Verbalformen.
1. Der Aorist.
Der Aorist stellt ziemlich rein den Verbalstamm dar.
Gehen lidla, ich gehe tanu mü-fiala.
2. Das Perfectum.
Das Perfectum wird durch die Partikel li, welche der
Aoristform am Ende hinzugefügt wird, gebildet. In anderen
Dialekten lautet sie lai. Dieses Suffix li mit der Bedeutung
,gegangen', ,vorbei' geht mit dem Verbalstamm nur dann eine
feste Verbindung ein, wenn das Verbum ohne nähere Bestim
mung gelassen ist, in jedem anderen Falle ist seine Stellung
eine ganz freie; mit der Negativpartikel kai kann es sich nicht
vertragen, weshalb das negative Perfectum dem negativen Aorist
gleich ist. Gehen lidla, ich bin gegangen tanu mu-Udla-li; lieben
ddra, dif der Mann, ich habe geliebt mu-ddra-li, ich habe den
Mann geliebt mu-dara dif li.
Li kann bisweilen zu blossem l gekürzt werden.
3. Das Futurum.
Das Futurum wird durch eine Art Wiederholung des Verbal
stammes gebildet, wobei der erste Stamm die Vocale a, der zweite
e und i hat. Das End-a des ersten Stammes ist gewöhnlich lang
und wird oft zu a, n, was darauf hindeutet, dass beide Stämme
ursprünglich durch e oder i verbunden wurden. Der erste Vocal
Die Musuk-Spiaclie in Central-Afrika.
3G7
des zweiten Stammes wird oft verschluckt. Aufstehen heisst falca,
Futurum ich werde aufstehen, in voller Form, tanu m-faka-feki,
oder zusammengezogen tanu m-fakä-ßci. Geben heisst sa (za),
ich werde gehen tanu mu-sä-Si.
4. Das Präsens.
Das Präsens wird durch Zusammensetzung von na gai —
iigai, d. i. sein mit, wörtlich ,welcher mit', gebildet. Fett
sein heisst laka, er ist fett a-ngai-liki, wörtlich ,er — welcher
mit — fett sein'. Dieser Form wohnt bisweilen passive Be
deutung inne, z. B. di.f angaifidi gai maranai der Mann ist mit
einem Stocke getödtet worden, wörtlich ,Mann er — welcher
— mit — todt sein (a-n-gai-fidi von fada tödten) durch Stock'.
5. Der Imperativ.
Der Imperativ stellt den reinen Verbalstamm dar.
6. Der Infinitiv.
Der Infinitiv wird durch Vorsetzung der Partikel en vor
den Verbalstamm Plural gebildet. Je nach der Natur des Lautes,
mit welchem das Verbum beginnt, wird en zu am, an, e, el.
Schlagen bala, (ich will) schlagen (tanu nm-dara) em-bill; lassen
na, Infinitiv dn-ni.
7. Das Partieipium.
Ein Partieipium mit activer oder passiver Bedeutung wird
durch Vorsetzung von zi vor den Verbalstamm gebildet. Die
Vocale des letzteren sind i; zi hat verschiedene Varianten.
Tödten fada, getödtet zi-fidi; fett sein laka, fett seiend zi-liki;
gehen Kala, gehend zi-liili.
8. Das Passivum.
Das Passivum wird dadurch gebildet, dass das Partieipium
mit zi- verbalisirt wird. Lieben heisst dara, geliebt zi-dirl, ich
werde geliebt tanu mi-zi-dirl; mi steht für mu infolge rück
wirkender Vocalharmonie.
Ob das Passivum in allen Zeiten vorkommt, ist unbekannt.
Das Verbum ,sein' als Verbalisation wird später behan
delt werden, nach Besprechung der Substantiva und Adjectiva.
368
Müller.
Beispiele für das Verbum.
Dara, lieben.
1. Aorist.
Singular.
1. Pers. tanu mü-dara
2. Pers. tukunu kü-dara
3. Pers. masc. ni d-dara
fern, nita td-dara
b) Negativ.
Singular. Plural.
1. Pers. tanu mu-dara-kai tii mi-diri-kai
2. Pers. tukunu Jcu-dara-kai tikini ki-diri-kai
3. Pers. masc. ni a-dara-kai
fern, nita ta-dara-kai
Man kann auch sagen tanu mu-dara-pai oder tanu mu-
dara-bai u. s. w.
2. Perfeetum.
a) Positiv.
Singular. Plural.
tii mi-diri-li
tikini ki-diri-li
com. nagai e-diri-H.
b) Negativ.
Singular.
1. Pers. tanu mu-dara-kai und dann ganz wie im Aorist.
3. Futurum,
a) Positiv.
Singular. Plural.
1. Pers. tanu m.u-darä-dtiri tii mi-diri-deri
(mi-dri.-dri oder mi-drq,-dri)
2. Pers. tukunu ku-darä-deri tikini ki-diri-deri
3. Pers. masc. ni a-dargi-deri )
P ^ 7 • i com. naqai e-diri-dem.
tem. nita ta-darg-dm J '
1. Pers. tanu mu-ddra-li
2. Pers. tukunu ku-ddra-li
3. Pers. masc. ni a-ddra-li
fern, nita ta-dära-li
com. nagai e-diri-kai.
a) Positiv.
Plux-al.
tii mi-diri
tikini ki-diri
I com. nagai e-diri.
Die Musuk-Spracke in Central-Afrika.
369
b) Negativ.
Singular.
1. Pers. tanu mu-darq,-diri-kai oder mu-drq-dri-kai u. s. w.
4. Präsens.
Singular. Plural.
(1. Pers. tanu ma-n-gai-diri) (tii mi-ti-gai-diri)
(2. Pers. tukunu ka-h-gai-diri) (tikini ki-ti-gai-diri)
3. Pers. masc. ni a-n-qai-diri 1 .
r .... , 7 . . com. (naqai e-te-qai-dim)
iem. nita ta-n-gai-din J
Die eingeklammerten Formen sind nach Analogien gebildet,
ihr Vorkommen aber ist fast zweifellos.
Die negativen Formen werden mittelst kai gebildet. Fett
sein laka, er ist fett a-n-gai-liki, negativ a-n-gai-liki-kai.
2. Pers.
5. Imperativ.
a) Positiv.
Singular. Plural.
. „ | dara-mu
1. Pers. •! ,
| auru-mu
2. Pers. 1 f h 'i .
I ki-din
b) Negativ.
Regelmässig durch Anfügung von kai gebildet.
j ddra
I kd-dara
e/n-diri.
6. Infinitiv.
7. Participium.
zi-dirt liebend und geliebt.
Passivum.
Singular.
Ich werde geliebt
1. Pers. tanu mi-zi-diri
2. Pers. tukunu ki-zi-diri
3. Pers. masc. ni e-zi-diri
fern, nita ti-zi-dirl
Plural.
tii mi-ti-zi-din
tikini ki-ti-zi-dirl
com. nagat
i e-te-zi-din.
Sitzungsber. d. pliil.-bist. CI. CXII. Bd. I. Hft.
24
370
Müller.
III. Das Substantivum.
Allgemeines.
In cler Musuk-Sprache haben wir ursprüngliche und ab
geleitete Substantiva zu unterscheiden.
Bei allen haben wir zu betrachten:
a) Genus,
b) Numerus,
c) Casus.
Die Musuk-Sprache hat
Zwei Genera: Masculinum und Femininum,
Zwei Numeri: Singular und Plural,
während die Casus sämmtlich durch äussere Mittel zur An
schauung gebracht werden müssen.
Nominalstämine.
Etwas mehr als die Hälfte der Substantiva sind vocalisch
auslautend, doch ist zu bemerken, dass % die Endung des Femi
ninum im Singular ist.
Als Nominalwurzeln können wir Bildungen annehmen, die
aus zwei einfachen Consonanten mit einem zwischenstehenden
einfachen Vocale zusammengesetzt sind. Diese Form ist noch
in einer Reihe von Substantiven erhalten, z. B. H%1 die Sprache,
fsl das Blut, bog der Mehlbrei, dan die Wand, fun das Haus,
fan der Regen, Kom das Salz, tim die Trommel, ivar der Bauch,
yem das Wasser u. s. w. Einige einsilbige Wörter scheinen aus
zweisilbigen zusammengezogen zu sein, wie neii das Fleisch,
welches in anderen Dialekten neben lautet, ebenso die mit langem
Vocale, wie hün der Berg, Plur. kuanai, und die auf ai auslau
tenden, bei denen ai aus aya zusammengezogen zu seiu scheint.
Substantiva, die aus zwei Silben bestehen, jede aus Con-
sonant und Vocal zusammengesetzt, sind selten z. B. derSclave
hege, der Käse bäqa. Hierher gehören aber auch einige Femi
nina, z. B. die Frau muni (das Masculinum men Mann ist nicht
gebräuchlich).
Reduplicationen der eben erwähnten Wortformen kommen
in beschränkter Anzahl vor, z. B. bedebede, die Stirn, berbgr,
der Sturm, kenekene der Korb, maSmäse das Augenlid; vielleicht
Die Musuk-Sprache in Central-Afrika.
371
auch fulfili der Wirbelwind, doch ist das nicht sicher, es kann
auch fu-l-fili lauten.
Zahlreicher sind die Substantiva der Form xaxax, wobei
x irgend einen Consonanten und a irgend einen Vocal vertritt,
z. B. bdlak das Schattendach, guldn der Köcher, Jiadeg der Dorn,
klimm die Maus, nelam das Wachs, lielif der Fisch, ke,tdf der
Schmetterling, gidijr der Schwanz, hn<ir (für Samiir, im Logon
semade) der Wind, tettr (im Logon däli) die Ameise, bogul der
Buckel, koh'iO das Blatt.
Wenn der Vocal nach dem ersten Consonanten verschluckt
wird, nehmen die Substantiva bisweilen einen vocalischen An
laut an, z. B. dbgum der Schnabel (verglichen mit dem haussa-
nischen bald der Mund), edmek der Hammel, dumkia (im Haussa-
nischen das Schaf, im Kanurisehen dimi), efri.g der Affe (haussa-
nisch bin), afdi das Mehl (haussanisch fari).
Nominalstäinme mit Verbalstämmen verglichen.
Es gibt wenige Wörter, die ihrer äusseren Form nach zu
gleich als Verbum und Nomen gelten könnten. Die Haupt
unterschiede sind die folgenden:
1. Die Verbalstämme müssen vocalisch auslauten, 1 die
Nominalstämme können vocalisch und consonantisch auslauten.
2. Die Form xax kommt dem Nomen ausschliesslich zu.
3. Die Form xaxax kommt dem Nomen gleichfalls aus
schliesslich zu.
4. Die Formen xa und xaxa gehören fast ausschliesslich
dem Verbum an.
Genus.
Eine überraschende Thatsache ist das Vorhandensein zweier
grammatischer Geschlechter (genera) ausserhalb der Sphäre der
natürlichen Geschlechter (sexus). Das Masculinum ist äusser-
lich nicht kennbar gemacht, das Femininum hat als solches
vielfach die Endung i, z. B. geriam das männliche Nilpferd,
gerim-i das weibliche Nilpferd; pilis das Pferd, pilis-i die Stute;
kusüm die männliche Maus, kusum-i die weibliche Maus; yugiir
der Hahn, yügur-i die Henne.
Häufig tritt am Ende noch ein n auf, dessen Bedeutung unklar ist.
24*
l
372
Müller.
Diese äusserliche Bezeichnung des Geschlechtes findet je
doch nur im Singular statt, im Plural müssen die Ausdrücke
für ,männlich’' und ,weiblich' zu Hilfe genommen werden; z. B.
lautet der Plural von piliü Pferd und piliSi Stute: pilasai. Soll
das natürliche Geschlecht besonders betont werden, so heissen
Pferde pilasai na rnasakai, d. i. Pferde, welche männlich, Stuten
pilasai na falakai Pferde, welche weiblich.
Einige weitere Beispiele von Femininen, die von Mascu-
linen durch Anfügung von i gebildet werden, mögen hier folgen:
mulebubon der männliche Frosch,
mulebubon-i der weibliche Frosch.
lielif der männliche Fisch,
Uelif-t der weibliche Fisch.
fänelc der männliche Vogel,
finik-i der weibliche Vogel.
müqel der männliche Strauss,
müqil-l der weibliche Strauss.
kurek der Esel,
kiirk-i die Eselin.
pdkene der männliche Elefant,
päkanai der weibliche Elefant.
bei der Sclave,
bul-i die Sclavin.
Numerus.
Als Pluralsuffixe verwendet die Musuk-Sprache 1. ai, 2. kai
(akai), 3. äd.
Die Endung ai wird für consonantisch, die Endung kai,
bisweilen qai, für vocalisch auslautende Nomina verwendet.
Infolge der oben erwähnten Vocalbarmonie können sie zu oi
und koi werden.
Die Endung ad, bei welcher das d bisweilen kaum gehört
wird, ist nicht sehr häufig. Sie findet besonders Verwendung
bei den Namen der Körpertheile und bei für die Musuk fremd
artigen Dingen.
Von der Hauptregel, dass die consonantisch auslautenden
Nomina als Pluralendung ai zu sich nehmen, sind jedoch die
einsilbigen der Form xax insofern auszunehmen, als sie beide
Endungen verwenden können. Diese Regel wird uns ein Mittel
Die Musuk-Sprache in Central-Afrika.
373
in die Hand geben, jetzt nicht mehr einsilbig auftretende
Nomina durch ihre doppelten Pluralexponenten als ursprünglich
einsilbige der Form xax zu erkennen
Die auf au und u, für av: und uv:, auslautenden Nomina,
bilden den Plural auf w-ai.
Diejenigen Feminina, welche durch die Endung i von Mas-
culinformen abgeleitet sind, nehmen den Plural der letzteren an.
Bei auf § und z auslautenden Substantiven werden diese
Laute vor der Pluralendung ai in s und z umgewandelt. Das
geschieht auch bisweilen, wenn s oder z im Inlaute der Wörter
Vorkommen.
Die auf d, g, q auslautenden Nomina verwandeln diese
Laute vor der Pluralendung ai in t und k.
Einige Wörter haben unregelmässige Plurale.
Den Namen für Verwandte wird immer a, ä, a,, d. i.
,mein‘, angefügt.
Beispiele.
Consonantisch auslautende mehrsilbige Substan-
tiva, die im Plural die Endung ai zu sieh nehmen:
Singular. Plural.
Holum Holom-ai Schiff
dbgum abgam-ai Schnabel
gidtr gider-ai Schwanz
Horbaq hgrbalc-ai Huf.
Substantiva mit der zu u und au veränderten En
dung aw im Singular:
Singular. Plural.
miisenau musenauw-oi Gift
yahaü yahau-ai Ngosob-Halm
Haiti lialauio-ai Büffel
Vocalisch auslautende Substantiva, welche im
Plural die Endung kai zu sich nehmen:
Singular.
ganai
hniiai
ked-kg
pibnml
Plural.
gana-kai
hona-kai
kad-ka-kai
pumma-kai
Matte
Urin
Knochen
weisse Ameise.
374
Müller.
Substantiva mit der Pluralendung ad:
Singular. Plural.
kerped- lcerped-äd Schulter
kidibi'} kidibid-dd F erse
hün hün-äd Knöchel
kidrin kidren-äd Papagei
malanä malanai-äd Chamäleon
dlbasar albasar-äd Zwiebel
kmdzi kmazi-äd Hemd
Die beiden letzteren Wörter stammen aus dem Arabischen.
Einige wenige auf i auslautende Substantiva nehmen im
Plural nicht kai, sondern ai zu sich, offenbar, weil i die
Femininendung ist und der Plural vom consonantisch auslauten
den Masculinstamme gebildet ist.
Singular. Plural.
azeguni azegon-ai
ergeni ergm-ai
gumuri gamar-ai
Consonantisch auslautende einsilbige und ihnen
gleich zu stellende Substantiva.
Die einsilbigen Substantiva von der Form xax nehmen
im Plural gewöhnlich die Endung akai anstatt ai zu sich, um
die Verschluckung des Wurzelvocales und dadurch doppelcon-
sonantigen Anlaut zu verhüten.
eine Fischart
Krug
Schild
Singular.
fah
fuh
Uom.
emel
efeii
liolüm
faii-ai
fuh-ai
Kom-ai
amal-ai
afan-ai
Jiolnm-ai
Plural auf
akai
fan-akai
fuii-akai
Kom-akai
amal-akai
efen-akai
Regen
Dorf
Salz
flüssige Butter
Asche
Schiff.
Substantiva, welche im Singular ein $ oder z haben
und es im Plural in s oder z umwandeln.
Singular.
louisem
pili§
Plural.
wusam-ai
pilas-ai
Pflanze
Pferd.
L.
Die Musuk-Sprache in Central-Afrika.
375
Substantiva mit verschluckten Lauten im Sin
gular, welche im Plural wieder erscheinen:
Singular. Plural.
■agin agiaii-ai Rauch
mur muar-ai Eid
htm huan-ai Berg.
Unregelmässige Plurale.
Der Stamm des Plurals ist gewöhnlich ein anderer als der
Plural.
dadalcai Grossmutter
all Kind, Sohn, Knabe
dai Mann
maSakat Mann, Männchen (männlich)
falakai Frau, Weibchen (weiblich)
maräüai Teufel.
Zu erwähnen sind noch die Pluralbildungen der Wörter,
welche Körperthcilc des Menschen bezeichnen. Es scheint,
dass diesen Wörtern im Singular früher immer -ku oder -gu,
dem die Bedeutung ,Mensch' zukommt, angehängt wurde. Im
Plural erscheint dann entweder -kokai, oder -dai, doch sind
die Formen etwas unsicher. Für Mund kommt vor mi, memß,
mukü, Plur. mitidai, mukokat, memqkai; für Fuss azl, azegii,
Plur. aziakai, azakai, nzitidai. Wegen der Silbe -ti- ist die
Verbalisation für ,sein £ zu vergleichen.
Casus.
Die Musuk-Sprache hat keine Casus-Formen entwickelt
und muss daher zu Partikeln ihre Zuflucht nehmen namentlich
dort, wo das Nomen durch seine Stellung im Satze nicht hin
reichend charakterisirt auftritt.
des Singulars.
Singular.
add
aM \
ai !
arwai [
aribh j
dif
üs (statt müs)
muni
mir%i
376
Müller.
Nominativ.
Der Nominativ wird lautlich in keiner Weise ausgedrückt:
dif, der Mann; munt, die Frau. Seine Stellung ist vor dem
Verbum.
Genetiv.
Am schärfsten ausgeprägt tritt der Genetiv auf, für den
man vier Stufen der Entwicklung nachweisen kann, von denen
zwei jedoch nur in Bruchstücken erhalten und dem heutigen
Sprachgefühle gänzlich entfremdet sind, derart, dass diese Zu
sammensetzungen vollständig als etymologische Einheiten be
handelt werden.
Die älteste Art der Genetivbildung besteht in der ein
fachen Nebeneinandersetzung der Wörter, wobei die Bestim
mung dem Bestimmten nachgesetzt wird. Diese Bildung finden
wir nur noch in wenigen Wörtern, besonders solchen, welche
menschliche Körpertheile bezeichnen, z. B. aze-gu Fuss-[desj-
Mensch; ar-Jcu Gesicht-[des]-Mensch; ta-denai Eisen - [des]-Ohr,
d. i. Ohrring. Hieher sind auch die Ausdrücke des pronomi
nalen Possessivverhältnisses zu setzen, z. B. fuii-ku dein Haus,
wörtlich ,Haus - [des] - dir'.
Die zweite Art entsteht dadurch, dass zwischen beide
Wörter die Partikel la, die auch als l, r auftritt, eingeschoben
wird. Dieselbe ist nichts Anderes als ein Demonstrativstamm, der
in der Musuk-Sprache selbstständig nicht mehr vorkommt, wohl
aber in der Sprache von Logon. Beispiele sind Holum das Schiff,
Ro-l-um wörthch ,Haus (Holz) - dieses - [des]-Wasser': Jcerped- die
Schulter, ke-r-ped- wörthch , Kopf - dieser - [des] - Oberarm'.
Die dritte Art der Genetivbildung, welche heute noch
im Gebrauch ist, aber immerhin nur in beschränkter Weise,
und welche bisweilen mit der vierten Art verbunden auftritt,
besteht in der Einschiebung’ eines na, abgekürzt n zwischen
den zuerst stehenden Ausdruck des zu Bestimmenden (Nomi
nativ, Subject) und den ihm folgenden des Bestimmenden
(Genetiv, Object). Wie la ein Demonstrativstamm, so ist na
ein Stamm mit demonstrativ-relativer Bedeutung, den wir bei
Besprechung des attributiven Verhältnisses der Adjectiva zu
den Substantiven wieder finden werden. Beispiele sind hui
ridsgu (azilgu) der Oberschenkel == hui n-as-gu wörthch ,das
Die Musuk-Sprachö iu Central-Afrika.
377
Obere welches-[des]-Bein-[des]-Mensch'; hüb n’dsgu der Knöchel
= hüb n-as-gu wörtlich ,Berg (oder Erhöhung) welche - [des] -
Bein - [des] - Mensch'.
Die vierte Art der Genetivbildung endlich ist die ge
wöhnliche. Bei ihr wird naui zwischen die beiden Ausdrücke
gesetzt. Es ist aus na-ici entstanden und bedeutet wörtlich
6 ,welcher - [ist] - Ding', ,seiend Ding von'. Beispiele sind raunt
naui pai die Frau des Fürsten, wörtlich ,Frau welche-Ding
[des oder dem] Fürst'; d-igeni nauiku dein Kamel = 3-igeni na-
wi-ku wörtlich ,Kamel welches - Ding - du[s]'.
Dativ.
Der Dativ wird durch eine verwickelte Umschreibung
ausgedrückt, indem dem Verbum das entsprechende Objects
verbalpronomen angehängt und das mit dem entsprechenden
kurzen Possessivpronomen versehene Wort wu vor das Substanti-
vum gesetzt wird. Das Wort wu tritt auch auf als wi, wui, wu,
wi, wui, u, ui. Seine Grundbedeutung scheint ,Sein, Existenz'
zu sein, dann ,Natur, Wesen, Eigenschaft', und es ist wahr-
| scheinlich identisch mit wi in naui, ,Ding‘ oder ,das Seiende'.
Ob dem i in wui u. s. w. eine besondere Bedeutung zukommt,
ist nicht ersichtlich. Ein selbstständiger, freier Dativ des Nomens
ist in der Musuk-Sprache unmöglich, denn unser Dativ ist in
ihm ein ganzer Satz.
Geben heisst sa, sah, saha; er hat gegeben a-sa-li, a-sab-
li, a-sana-li; sagen mada, er hat gesagt a-mada-li. Ich gebe
dem Manne heisst tarnt misini (miümini) wun dif, zergliedert
ta-n-u mi-Si-ni (mi-sini-ni) wu-n dif wörtlich ,Person- welche -ich
ich-gebe-ihm Sein - (oder Natur-, Wesen-, Eigenschaft-) er [d. i.
seine Natur] [ist] Mann'. Infolge rückwirkender Vocalharmonie
stehen mi-Si-ni und mi-Sini-ni für mu-sa-ni und mu-sana-ni. Ich
gebe der Frau heisst ta-n-ü mu-sä-tu (oder mu-sdne-tu) wü-tu raunt.
Gib den Bornu-Leuten = Sini-di icu-de mafakai ,gib-ihnen
Wesen-ihr [ist] Bornu-Leute'. Gib mir san-ä] oder san-ä, wü-
ya oder im Jussiv san-ä-si. Gib ihm Sini-ni oder Sini-ni ivui-
ni oder im Jussiv Sihi-ni-si. Gestern hat der König seiner Frau
ein einziges Wort gesagt pai dibi d-mada-tu Kd li ketai wui-tu
muni-ni, wörtlich ,König gestern er-sagt-ihr Wort vorbei [ist
Perfectspartikel] eines Wesen-ihr [ist] Frau-er oder Frau-seine'.
378
Müller.
Der König hat mir ein Pferd gegeben pai a-sä-\ pilii li wu-ya
,König er-gibt-mir Pferd vorbei Wesen - (Person-) mein'. Der
König hat ihm ein Pferd gegeben pai 4-S-ni piliS li wui-ni. Aus
a-sa-ni wird a-Si-ni, e-si-ni, e-S-ni.
Aeeusativ.
Der Aeeusativ wird äusserlich nicht kennbar gemacht.
Gewöhnlich steht er einfach nach dem Verbum, z. B. tanu
mu-zeda buru ich sehe die Eidechse; tanu mu-balan lün ich fälle
einen Baum. Bisweilen nimmt das Verbum das entsprechende
Objectsverbalpronomen zu sich, z. B. dibi-di nagai ,schlagt-sie
sieb Wird das Substantivum im Accusativverhältnisse vor das
Verbum gestellt, dann muss das letztere durch Anfügung des
Objectsverbalpronomens auf das Substantiv zurückweisen, z. B.
ap-dl mafakai ai-imä-h-li e-nigi-n-li die Bornu Leute ergriffen
meinen Vater und banden ihn, wörtlich ,Vater-mein die-Bornu-
Leute sie-ergreifen-ihn-haben sie-binden-ihn-haben'. Zu ai-
imdhli ist nebenbei zu bemerken, dass das Subjectsverbalpro-
nomen der 3. Person des Plurals ai ist, wenn das Verbum
mit i anlautet; das a ist auffallend, man sollte ai-imi-h-li er
warten. Steht das Verbum im Infinitiv, dann scheint der Accu-
sativ vor demselben zu stehen kommen, z. B. er will das
Fleisch essen ni d-dara nen el-limi (für en-limi von lama), es
müsste denn sein, dass es in Wirklichkeit bedeute: ,er will
das Fleisch zum Essen'; ich will Wasser trinken tanu viuda-
raiem (für mu-dara yem ich will das Wasser) en-Si.
Bisweilen wird unser Aeeusativ in der Musuk-Sprache
durch den Instrumental wiedergegeben.
Instrumental (Causativ).
Der Instrumental wird durch die Partikel gai, ga, ge,
welche dem Nomen vorgesetzt wird, ausgedrückt, z. B. ich
schlage (steche) mit dem Schwert tanu m-balah (oder auch mu-
baldn) gai mugüd; ich suche einen Mann, welcher die Musuk-
Sprache versteht tanu mü-dere dif, na a-saterand ge Hel naui
mamzökoi (a-saterand ge etwa ,er-ist-vertraut mit'); ich setze
mich auf den Hinteren mu-smana gai pä (i. e. pa-a), er setzt
sich auf den Hinteren ni a-smana gai pi-ni.
Die Musuk-Sprache in Central-Afrika.
379
Eigennamen.
Hier am Ende der Besprechung der Substantiva dürfte
der Platz sein, einige Eigennamen der Musuk aufzuführen.
Mehrere derselben dürften verbale Ausdrücke sein.
Männernamen: Abädai, Abegoiia, Afdildpi, Agdziam, Äkar-
radai, Akdzni, Akordapai, Alikai (soll das arabische \Ali sein),
Miau, Alloüna, Anadapai, Ardai, AAnapai, Azdiia, Bisa, Dämsa,
Dünia, Ebelelc, Eddbdi, Efels, Efele Bel, ESmetiti, Firmidi, Ha
geren, H'ofio, Karraidi, Kasalai, Mad, Mapaia, Mdplana, Mdrba,
Nilemon, Paul, Para, Piapai, Pinek, Smitkai, Wendi, Zgla (' auf
z bedeutet den Accent).
Frauennamen: Afalai, Alla, Allauta, Anaka, Apirnakai,
Asidkai, Dünia, Edi, Genai, Kaloü, Mcina, Matku, MoJiira, Midi,
Tenämada, Qebatkü, Wendi, Yeban, Zanunkai, Zendesdai.
Unter diesen Namen sind für Männer und Frauen zugleich
im Gebrauch Dünia und Wendi.
IV. Das Adjectivum.
Das Adjectivum unterscheidet sich in formaler Hinsicht
nicht vom Substantivum. Wie dieses besitzt es Formen für das
Femininum und für den Plural und die Regeln, nach welchen
beide gebildet werden, sind dieselben, welche wir beim Sub
stantivum zur Verwendung kommen sahen.
Die meisten Eigenschaftswörter haben eine besondere
Form für das Femininum.
Beispiele.
Singular.
Masculinum. Femininum.
pidem
auch pidem
mefen
[bilem] nicht vorkomm.
mögwa
mirdeg
liehe
mifin-i
bidirn-i
mugvri
mirdik-i
Jidli-ai
Plural.
püdum-i püdamai schön, gut
mäfanakai
bulamakai
mogwäkai
mirdäkai
liahakai
hässlich
schwanger
lang, hoch
schwarz
neu, jung
380
Müller.
Singular.
Masculinum. Femininum.
Hillen
killen
mekelE
geddii
dür (tür)
miirga
bogord
melfih
hüln-i
küln-l
makal-ai
gedan-i
dür-t
murg-ai
bogor-ai
mülfin-i
Masculinum und Femininum.
devök
[m. her] kurt
toloq
Nicht ganz regelmässig sind
Masculinum. Femininum.
bai mai
ivel ul-i (für ioul-1)
Plural.
Htdanai trocken
kiilanai gross
makalakai rotk
gedahai stark
diiarai schlecht
murgakai arm
bogorakcii grau
malfanai blind
davokai bitter
kurakai rein
toloköi schmutzig.
bükcii
walakai
gross
gross, alt.
Comparativ.
Der Comparativ wird durch Umschreibungen ausgedruckt,
die wir später unter den adjectivischen Verbalisationen kennen
lernen werden.
Das attributive Adjectivum.
Die beiden Verhältnisse, in welchen das Adjectivum zum
Substantivum stehen kann, das attributive und das prädicative,
werden in der Musuk - Sprache lautlich scharf von einander
geschieden. Zunächst folgt das Adjectivum dem Substantivum,
zu welchem es gehört, beständig nach, dann muss es mit ihm
in Geschlecht und Zahl übereinstimmen. Das attributive Verhält-
niss wird durch das relative na ausgedrückt, welches zwischen
Adjectiv und Substantiv gesetzt wird, das prädicative Ver-
hältniss aber durch Verbalisiren des Adjectives oder durch die
das Verbum ,sein ( vertretende Verbalisation des Relativprono
mens na, Plural ti. Beim attributiven Verhältnisse steht na für
Die Musuk-Sprache in Central-Afrika.
381
Singular und Plural, für Masculinum und Femininum, kann
aber aus vocalharmonischen Gründen zu ne werden.
Beispiele, dif ne pidim der gute Mann, dai na pudamai
die guten Männer; muni na puduml die gute Frau, falakai na
pudamai.
Das prädicative Adjectivum siebe unter ,Adjectiviscbe
Verbalisationen'.
V. Verbalisationen.
Zeitwort ,Sein'.
Positiv.
Singular.
1. Pers. tanu mu-nd ich bin
2. Pers. tukunu ku-nd
3. Pers. masc. ni a-nd
fern, nita ta-nd
(t-nd)
Plural.
tii rrd-ti-na
tikini ki-ti-na
com. nagai e-te-na
Negativ.
Singular.
1. Pers. tanu md-n-kai
2. Pers. tukunu kd-ii-kai
3. Pers. masc. ni (y)d-ü-kai
fern, nita td-h-kai
Plural.
tii mi-ti-kai
tikini ki-ti-kai
com. nagai e-te-kai
Bei der positiven Form kann der Ton auch auf dem
Subjectsverbalpronomen ruhen.
,Es gibt' heisst d-na, negirt a-n-kai oder a-m-pai.
In ähnlicher Weise werden ndna, täna, nändam mit der
Bedeutung ,hier sein, gegenwärtig sein' verbalisirt, doch wird
wegen des langen ä der ersten Silbe, welches darauf hindeutet,
dass diese Wörter Zusammensetzungen aus na-ana etc. sind,
das Subjectsverbalpronomen der ersten und zweiten Persou im
Singular zu ma und ka, das der dritten Person im Plural kann
a und e sein.
Wir werden nun auf die Darlegung der nominalen Verba-
lisation (der Verwandlung des Substantivums und prädicativen
Adjectivums in einen Verbalausdruck) übergehen, eines Punktes,
welcher die afrikanischen Neger-Sprachen scharf charakterisirt.
382
Müller.
A. Substantivische Yerbalisationen.
bd der Sclave buli die Sclavin
Plur. com. balakai.
Positiv.
Singular.
Masculinum. Femininum.
1. Pers. tanu m-bd ich bin Sclave tanu m-buU ich bin Sclavin
2. Pers. tuJcunu ki-bd tukunu ku-buli
3. Pers. ni e-bsl nita tü-buli
Plur. com.
1. Pers. tii mi-ti-balakai wir sind Sclaven oder Sclavinnen
2. Pers. tikini ki-ti-balakai
3. Pers. nagai e-te-balakai.
Soll auch im Plural das Geschlecht ausgedrückt werden,
dann muss man attributiv ,männlich' oder ,weiblich' hinzufugen
z. B. tii mi-ti-balakai na masakai wir sind Sclaven, tii mi-ti-ba-
lakai na falakai wir sind Sclavinnen.
Negativ.
Singular.
Masculinum. Femininum.
1. Pers. tanu m-bil-kai ich bin tanu m-buli-kai ich bin keine
kein Sclave u. s. w. Sclavin u. s. w.
Plural.
1. Pers. tii mi-ti-balakai-kai wir sind keine Sclaven u. s. w.
Anstatt tanu m-bd ,ick bin Sclave' kann man auch sagen
tanu mu-na bd u. s. w. Das letztere kann ferner in tanu mo-ii-
bd, tanu mo-m-bd oder tanu mo-bd zusammengezogen werden.
Wie das Perfectum vind Futurum der substantivischen
Verbalisationen gebildet wird, ist unbekannt geblieben, doch ist
wahrscheinlich, dass wie bei den adjectivisclien Verbalisationen
das Verbum sa zu Hilfe gezogen wird. Also Perfectum: tanu
mu sa-bd-li (nach Vocalharmonie mi-Si-bd-li) ich bin Sclave ge
wesen, negativ tanu mi-li-hd-kai; tanu mu-sa-buli-li ich bin
Sclavin gewesen, negativ tanu mu-sa-buli-kai; tii mi-Si-balakai-li
wir sind Sclaven gewesen, negativ tii mi-Si-balakai-kai; Futurum
tanu mu-sa-Se-bd ich werde Sclave sein u. s. w.
Die Musuk-Sprache in Central-Afrika.
383
Der Infinitiv wird regelmässig gebildet. Ich will ein Sclave
sein tanu mudara en-Si-bel, negativ tanu mudara en-Si-bel-kai.
Die Formen mit Vorgesetztem zi etc. welche die Substan
tive ,Mann‘ oder ,Frau‘ zu sieb verlangen, dürften das Verbali-
sationsparticipium ausdrücken, z. B. zi-bel Sclave seiend, zu-buli
Sclavin seiend, dif zi-bel Sclave, muni zu buli Sclavin.
Vielleicht kommt dieses zi vom Verbum sa oder za, das
bei der Bildung des Perfectum und des Futurum zur Verwen
dung gelangt.
B. Adjectivische Verbalisationen. (Bas prädicative Adjectiv
im Positiv und Comparativ.)
Wie das Adjectivum in seinen Formen nicht vom Sub-
stantivum verschieden ist, so auch nicht die adjectivische Ver-
balisation von der substantivischen. Schlecht heisst dür, Fern.
düri, Plur. dtiarai. ,Schlecht sein' kann nun auf mindestens
dreierlei Art ausgedrückt werden.
1. Durch Zuhilfenahme der Verbalisation na:
Singular.
Masculinum. Femininum.
Positiv 1. Pers. tanu muna dür tanu muna düri
ich bin schlecht
Negativ tanu muna dür-kai tanu muna dün-kai u. s. w.
Plural.
Positiv 1. Pers. tii mitina dtiarai
Negativ tii mitina diiarai-kai u. s. w.
2. Durch Verbalisation von dür.
Aorist.
3? o s i t i v.
• Singular.
Masculinum.
1. Pers. tanu mu-dür
2. Pers. tukunu ku-dür
3. Pers. ni a-dür
Femininum.
tanu mu-dürl
tukunu ku-düri
nita ta-düri
384
Müller.
Plural.
1. Pers. tii mi-ti-duarai u. s. w.
Die negativen Formen werden regelmässig durch Anfügung
von kai gebildet.
Ein Aorist tanu mu-sa-dür kommt auch vor.
Perfectum.
1. Pers. Sing, tanu mu-sa-dür-li u. s. w.
Futurum.
1. Pers. Sing, tanu mu-sa-se-dür u. s. w.
Infinitiv.
en-Si-dür.
Participium.
zu-dür und mu-dür.
3. Durch Verbalisation des Participium mu-dur.
1. Pers. Sing, tanu
j mu-mu-dür
| m-mu-dür u. s. w.
Das prädieative Adjectiv im Positiv.
Durch die unter 2 gegebenen Formen wird das prädieative
Adjectiv im Positiv gewöhnlich ausgedrückt.
Beispiele.
Der Mann ist gut dif e-pidem, der Mann ist schlecht dif
a-dür; die Frau ist gut munl tu-püdumi, die Frau ist schlecht
raunt ta-dürl; der Mann ist jung dif e-KeJie; die Frau ist jung
munl t-JiaJiai; die Männer sind gut dai e-te-pudamai; die Frauen
sind gut falakai e-te-pudamai.
Das prädieative Adjectiv im Comparativ.
Der Comparativ kann auf zweierlei Weise durch Um
schreibung ausgedrückt werden. Das Adjectivum wird entweder
einfach verbalisirt und der verglichene Gegenstand ohne Weiteres
angefügt, oder es wird ein nicht ganz durchsichtiger Verbal
ausdruck verwendet und diesem das infinitivische Adjectiv
untergeordnet.
Die Musuk-Sprache in Cenlral-Afrika.
385
Gross bai, ich hin grösser als du ta-n-u ma-bai-ku, wörtlich
,Person-welche-ich ich-gross-du' oder noch wahrscheinlicher ist
das Adjectivum als Substantivum gedacht ,Person-welche-ich
ich [bin]-Grosser-deinh Du bist grösser als ich tu-ku-nu ka-bai-ya,
wörtlich ,Person-du-dies du-[bist]-Grosser-mein‘. Er ist grösser
als ich ni abai-ya.
Bei der zweiten Bildungsart tritt uns wieder ein sa in
Verbindung mit wa entgegen, gewöhnlich in der Form aswan,
was, scheint es, in a-sa-wa-ni oder a-sawa-ni aufzulösen ist, denn
der Plural lautet eswüdi, d. i. e-Si-ica-di oder e-siwi-di. Die Be
deutung von aswan ist ,er übertrifft, er ist hoch*. Entweder
ist sawa ein Verbum, das die Objectsverbalpronomina zu sich
nimmt (reciprok), oder sa ist das Verbum allein und wa ein Sub
stantivum, das die kurzen Possessivpronomina erhält. Letzteres
erscheint deshalb unwahrscheinlich, weil Substantiva der Form
,wa‘ dem Sprachgefühl zuwider sind. Diesem aswan etc. wird
der Verbalisationsinfinitiv des Adjectives nachgesetzt. Schwach
muyruf, dieser ist schwächer handa a-swa-h um-muyraf. Leicht
kefelek, es ist leichter a-swa-h eh-kefelek. Süss ngm, dieses ist
süsser handa a-swa-n en-nBm. Bitter devek (devok), es ist bitterer
a-swa-h en-devek, sie sind bitterer e-swü di en-devek.
Zusammengesetzte Verbalisationen.
Dieselben sind nicht immer ganz klar, sind aber, obwohl
einen ganzen Satz bildend, als Worteinheiten anzusehen.
LSeispiele.
Zu Hause sein, in seinem Hause sein.
Singular.
1. Pers. tanii mgwofonäl
2. Pers. htkunu kowofohku
3. Pers. masc. ni (h)äwofuhem
fern, nita täwofuhetu.
Plural.
tii mitiwofumi
1 ik in i kitiwofvh ki
nagai efewofohedi
Die Zusammensetzung ist die folgende: ta-n-u mu-na wa-n
fuh-al, wörtlich ,Person-welche-ich ich-welcher [d. i. ich-bin]
Inneres (?)-sein Haus-mein 1 .
Zweifelhafter ist die Zusammensetzung in der Verbalisation
für ,olme Hemd sein*.
Sitznngsber. d. phil.-hist. CI. CXII. Bd.I. Hft.
25
386
Müller.
Singular.
1. Pers. tanu sapasükai
2. Pers. tukunu sapasükukcii
3. Pers. masc. ni sapaüinikai
fern, nita sapasdtukai.
Plural.
tii sapaSikai
tikini sapaSikikai
nagai sapaSidikai
Auffallend ist zunächst das Fehlen der Subjectsverbal-
pronomina, dann ist zweifelhaft, ob sa ein Substantiv ist mit
dem kurzen Possessivpronomen, oder ein Verbum mit dem
Objectsverbalpronomen; sapa heisst das Hemd: t.a-n-u sapa-sa-
(a)-kai ich bin ohne Hemd, wörtlich entweder ,Person-welche-
ich Hemd-Ding-mein-nicht', oder ,Person-welche-ich Hemd-an-
legen-mir-nicht'.
Zur Vergleichung der Formen möge hier das Verbum ,sich
waschen' im Aorist und Negativ folgen.
Singular.
f m mcisä-kai für m-masa-a-kai
1. Pers. tanu 1 .
'mu-masa-kai
2. Pers. tukunu ku-mas-ku-kai
3. Pers. masc. ni e-meSi-ni-kai
fern, nita ta-masa-tu-kai
Plural.
1. Pers. tii mi-miii-kai für mi-misi-i-kai
2. Pers. tikini ki-miSi-ki-kai
3. Pers. nagai e-miSi-di-kai.
Dass in ,tanu sapasäkai 1 sa verbal ist, wird dadurch wahr
scheinlich.
Nun mögen noch einige Beispiele von Verbalisationen in
Verbindung mit Zusätzen folgen.
Der junge Hund ist schön herge ne lielie e-pidem; die junge
Hündin ist schön hargai na lialiai ta-puduml; die jungen Hunde
sind schön hargakai na liaüakai e-te-pudamai. Ich bin ein blin
der Mann tanu mi-dif ne melfin; ich bin keine blinde Sclavin
tanu m-bull na midfinl-kai; wir sind starke Männer tii mi-ti-dai
na gedanai; sie sind arme Frauen nagai e-te-falakai na murgakai.
Damit vergleiche man die Sätze mit echten Verben: Der Scor-
pion erhebt sich liordi a-faka (a-fka); der hässliche Seorpion
erhebt sich liordi ne me feil a-faka (a-fka); die graue Eselin
Die Musuk-Spracke in Central-Afrika.
387
liegt unten kurki na hagorai t-fanasmai (ta-fana asmai); die
schwarzen Büffel gehen lialauwai na mirdakai e-Heli; dein grosses
Pferd ist gestorben pilis nauiku na bai a-mre-li (a-mara li).
VI. Die Zahlwörter.
A. Die Cardinalia.
^ J kedai
| ketai
2 silu
3 Hu, lou
4 pudit,
5 Sim, 9im
6 Sara, 9-ära
rj l mukezak
I müke-9-ak
j mitüS
| metüis
11 dögo pin kedai
12 dögo pin silu
13 dögo puh (pin) Hu
14 dögo pim pudu
15 dögo pin Hm
16 dögo pin Sara
17 dögo pim mukezak
18 dögo pim metüs
I (j | dögo pin dkela
| dögo pin dekela
„ f dögo dögo silu
20
I saba
21 saba pih kedai
30 dögo dögo Hu
40 dögo dögo pudu
50 dögo dögo Sim
60 dögo dögo Sara
70 dögo dögo mukezak
80 dögo dögo metüs
90 dögo dögo dekela
100 dögo dögo dögo
1000 dübu.
9 dekela
10 dögo
Der Ausdruck für 100 ist nicht ganz sicher, denn man
soll auch zehnmal und für 200 zwanzigmal dögo sagen, was
wenig wahrscheinlich klingt. Dübu, ist ein Fremdwort, welches
in viele Sprachen südlich von der Sahara aus dem Aegyptischen
übergegangen ist.
25*
388
M1111 er.
B. Die Ordinalia.
Die Ordinalia werden durch Umschreihungen ausgedrückt,
wenn wir von den drei ersten ahsehen, und wir haben es bei
ihnen auch mit Verbalisationen zu thun.
Der erste ndfed,
der zweite nasäkal (n&pini?),
der dritte ndmarba.
Bei der Bildung der Ordinalia weiter aufwärts wird das
Verbum ga gehen (?) zu Hilfe genommen und ihm der Verbali-
sationsinfinitiv der Cardinalia hinzugefügt, z. B.:
Ich bin der vierte Mann tanu mi-dif na mu-ga’m-pudu;
ich bin der fünfte Mann tarne mi-dif mu-ga en-Sim; du bist
der fünfte Mann tukunu Ici-dif ka-ga en-§im. ,Ich bin der fünfte
Mann“ heisst daher wörtlich ,Person-welche-ich ich-[bin]-Mann
welcher ich-gehe(?) sein-fünf (machen-fünf?)“.
Die Namen der Finger sind die folgenden (titirm Finger
ist Femininum).
Daumen titirm na mai, d. i. grosser Finger,
Zeigefinger titirm na te-gd ’n-salu
Mittelfinger titirm na te-gd ’n-wu
Ringfinger titirm na tegd ’m-pudu
Kleiner Finger titirm na te-ge ’n-iim.
Hier haben wir schon für die Ausdrücke ,zweiter“ und
,dritter“ die angegebene Bildungsweise mit dem Verbum ga,
und die oben gegebenen Formen nazdlcal und ndmarba können
daher noch etwas zweifelhaft erscheinen. Zumal den letzteren
Ausdruck ist man geneigt für falsch zu halten, da ndmarba
auch ,lialb“ heisst, doch ist die Erklärung dieses scheinbaren
Widerspruches nicht schwer, da der Mittelfinger ebensowohl
der dritte unter den Fingern ist, als auch dieselben halbirt.
Auch in anderen Sprachen finden wir daher dieselbe Aus
drucksweise, nämlich dasselbe Wort für ,lialb“ und ,dritter“.
VII. Andere Wörter und einige Phrasen.
Anstatt Präpositionen, Conjunctionen, Adverbia u. s. w.,
soweit sie überhaupt bekannt geworden sind, der Reihe nach
Die Musuk-Spraclie in Central-Afrika.
389
aufzuführen, halten wir es für besser, diejenigen Sätze anzu
führen, in welchen sie Vorkommen.
Tu-ku-nu ke-meßk zau ku-malagöm ti? Bist du ein Bornu-Mann
oder ein Logon-Mann? Wörtlich: ,Person-du-dies du-
[bistj-Bornu-Bewohner oder du- [bisst] - Logon - Bewohner
Person (?) (etwa?)'.
Tu-ku-mu ke-mämi ti? Bist du ein Bewohner der Stadt Sina
(Zina, Dzina)?
Ku-tü-ku-nu zau mu-ta-n-(u) ti? Du oder ich? Wörtlich: ,Du-
[bist] - Person -du-dies oder ich - [bin] - Person-welche- ich
etwa (?) ?' Hier sind sogar die selbstständigen persönlichen
Fürwörter verbalisirt. Das ti am Ende dürfte dasselbe ti
sein, das wir bei Verbalisationen im Plural linden (z. B.
mi-ti-duarai wir sind schlecht, ti-i wir, ti-lcini ihr) welches
im Singular als ta in ta-n-u, als tu in tu-kunu auftritt.
Die Grundbedeutung dürfte sein ,das Seiende, das Wesen,
die Person'.
Mu-td-n zau ku-tu-ku-nu ti? Ich oder du?
Tina zau mu-td-n ti? Sie (Fern. Sing.) oder ich? Ti steht für
tu oder ta.
Ki-ti-ti-ki-n zau mi-ti-ti(-ti-i) ti? Ihr oder wir? Vergleiche: ,Seid
stark oder sind wir stark?' ki-ti-gedanai zau mi-ti-gedanai ti?
Ta-n-u mü-dara em-fidi-di-kai, Ich will sie (Plur.) nicht tödten.
Dif a-n-wä [iva-ni] d'agai, Der Mann ist in der Stadt.
Muni ta-nwa-t [wa-tu] d-agai, Die Frau ist in der Stadt.
Bai e-te-wa-d [wa-di] ihigai, Die Männer sind in der Stadt.
Dif a-h-wo [wa-ni] fun, Der Mann ist im Hause.
Ta-n-ü mu dere er-rl kir-kai, Ich kann (will) nicht mehr lachen.
Von ria lachen Infinitiv er-rl (rii).
Dibi e-ze-les a-bai, Gestern hat er eine grosse Lüge gesagt.
A-mede dai-ni ze-lee e-dif na-dür, Er sagte zu ihm: wer lügt,
ist ein schlechter Mann.
Dibi d-pa&a mirdi-li e-fidin-ä g<? ri, Gestern hat er eine Geschichte
erzählt, [wegen der] ich beinahe vor Lachen gestorben
wäre, wörtlich: ,Sie hat mich durch Lachen getödtet'.
Aji-a d-medan-ä: ba kaiids pilis, Mein Vater sagte zu mir: steig
auf dieses Pferd.
Mofakai e-deberi-si-li ap-d d-ikan-a: hilemoh iiilemoh lcahas pilis
mafakai aimä-li ali ddm-ku, die Bornu-Leute stürmten
390
Müller.
heran, [da] rief mir mein Vater zu : Ngilemong, Ngilemong
[nimm] dies Pferd, die Bornu-Leute haben deine Ge
schwister (Kinder deiner Mutter) gefangen.
Mafakai aimi-li ap-d a-läua-li e-ni-li mafakai aimi-li pan e-nigi-li,
Die Bornu-Leute haben mich gefangen, mein Vater ist
fortgelaufen, er hat mich verlassen; die Bornu-Leute haben
mich ergriffen und haben mich vollständig gebunden.
Ma tanu, Meinetwegen — mu ku tukunu, deinetwegen — mi
nini, seinetwegen — ma tuna, ihretwegen (Fern. Sing.) —
mi tidi, ihretwegen (Plur.) — mi titi, unsertwegen — mi
ti tikini, euretwegen.
Seil ndui manzokoi ka-zeda-h gdra, Du verstehst die Musuk-
Sprache gut.
Tu-ku-nu ki-zi-ni gamla lou-n hirge (herge), Gib dem Hunde Brod.
Ta-n-u dibi ma-näfsi (-u) wd Sag ui, Ich war gestern in der
Stadt.
Dauai ba mu-ga wd tkagai, Morgen gehe ich in die Stadt.
Aiku-kunu mamasa ? Wie heissest du?
Aiken-a ba hilemoh, Ich heisse Ngilemong.
Ta-n-u mü-ge-zi wadu d-ägai par, Ich komme von der Stadt.
Wola si-Si a-kata-li, Die Arbeit ist beendet.
Fergan-a kidi, Bezahle mich.
Gi-dera (ku-dara) gdmada? Wie viel willst du haben?
Mu-dara silu, Ich will zwei (Piaster).
Ki-ziteran (ltu-zadarah) UeI ndui mamzökoi ll, Du hast die
Sprache der Musuk gelernt.
Dif hdnda e-fidi-h-li gai mardha, oder
Dif hdnda a-n-gai-fidi gai mardha, oder
Dif hdnda a-ha zi-fidi gai mardha, Dieser Mann ist mit einem
Stock getödtet worden.
v
Si-tu gamla ne kwihe ivu-tu pitlusi na puduml, Gebt der schönen
Stute das kleine Brod.
Pai dibi d-madä-l UeI li ketai wh-ya, Gestern hat mir der König
ein Wort gesagt.
Pai e-si-i pilisi-li (pulusi-li) wui-tii (icui-i), Der Fürst hat uns
eine Stute gegeben.
Ku-dara ma? Was willst du?
Alaii a-sa-ku na mögwa, Gott verlängere dein Leben = setze
dich lang.
Die Musuk-Sprache in Central-Afrika.
391
Mafakai 6-diri en-düri (auch en-düri) fun-u, Die Bornu-Leute
wollen unser Land verderben.
Ni a-sa f uh lai (li) pidhn, Er hat das Land schön gemacht.
Ti-ki-ni ki-Hdi ketai, Geht zusammen.
Dif hdnda ana wobar da? Wer ist dieser Mann?
Ki-kezi kenezüwa ? 1 TTr , , .. , 0
_ ' , ; > Wann kommst du zuruck?
Ka-ga kmezuwa ! j
Ge-ge (ka-ga) mefek kene situ? Wann gehst du nach Bornu?
Ka-Kdla-si pada fiti nan silu (na ’n-silu?), Komm nach zwei
Tagen.
H'dla-si wüzetu küskai, Komm vor dem Abend.
Tu-ku-nu ku-ga wa? Wohin gehst du?
Tu-ku-nu ki-lcezu wa (ku-kaza)? Woher kommst du?
Ta-n-u mu-Kalafiali a Kadö, Ich gehe nach Kade.
Mu-Kala-si a Kads par, Ich komme von Kade.
Ki-sah-d digeni kana ziiwa? Wann gibst du mir das Kameel?
Mi-Keli-si ketai, Wir sind zusammen gekommen.
Dif lidla-s sma (sania) buk (bog), Komm, Mann, iss Basin.
Dai Ueli-si Smi (simi) buk, Kommt, Leute, esst Basin.
Dibi mu-sma bug (bog) li a-bai, Gestern habe ich viel (,einen
grossen') Basin gegessen.
Sin-a-s wala, Gib (gebt) mir etwas.
Sin-a-si gdmla mu-lma, Gebt mir Brod zum Essen.
Fan a-Fa kiviiie kwiiie, Es regnet ein wenig.
Mdlli a-liali (a-liala) sine pai, Der Vornehme (Gelehrte) ist
zum König gegangen.
Fun naui-ku d-mine Kade gob ? Ist dein Dorf nahe bei Kade ?
Muni ta-n-dä (-a-a), Ich habe eine Frau.
Momzgkoi Holum e-n-di-di, Die Musuk haben ein Schiff.
Ma&akai e-ti-di-ki? Habt Ihr Männer?
Ni nmnl te-n-de-ni, Er hat eine Frau.
lianda a-kata-li, Dies ist beendet.
392
Mülle r.
Wörterverzeichniss.
Erster Theil.
Musuk und Deutsch.
A.
A, praep., nach.
dbgum, subst., plur. äbgamai,
Schnabel. In der haussani-
schen Sprache bald.
ablük (naui muni), subst., plur.
ablokoi (nauifalakai), Scham-
binde (der Frau). Sie ist ein
handbreiter Streifen Zeug,
welcher zwischen den Beinen
hindurchgezogen und mit
einem Stricke um die Hüften
befestigt wird.
abrasai, subst., plur. abraSakai,
Perle.
adä, subst.,plur. dadakai, Gross
mutter von väterlicher wie
mütterlicher Seite.
ctdini, subst., plur. adanakai oder
adaiiai, Mörser. — arwai
t’ edini, plur. alt n’ adaiiai,
Stösser, wörtlich ,Kind des
Mörser sh
adihkai, subst., plur. adinkakai,
Thon, Lehm.
ädmi, subst., plur. admakai,
weibliches Schaf.
ädwai, subst., plur. ädwalcai,
Fliege.
afd'i, subst., plur. afdakai, Mehl.
Haussanisch fari.
afnalcü, subst., plur. afriakokai,
Affe.
dfü, subst., plur. afakai,
Feuer. — Flinte heisst ivuli
dfü, vielleicht anstatt ivala
dfü, d. i. das Ding des
Feuers.
digai, subst., plur. agaiakcn, Rhi
nozeros.
agth oder agiii, subst., plur. agi-
nai, oder agiahai, Rauch.
alid, subst., Süd.
aüarau, subst., plur. aharauwoi,
Leopard.
alii, subst., plur. all na maitakat,
männliches Kind, Sohn. —
Masculin - Deminutiva der
Thiernamen werden hiermit
gebildet, z. B. aM d-E, plur.
all S-äkai na maSakai, das
männliche Kalb.
ai, aide, aitu? subst., plur. alt
na falakai, weibliches Kind,
Tochter. — Feminin-Demi-
nutiva der Thiernamen wer
den hiermit gebildet, z. B. ai
tu l)ai, plur. all 3-dkai na fa
lakai, weibliches Kalb.
Die Musuk-Spruoke in Central-Afrika.
393
aika, subst., Name ; aikena
ba . . . ich heisse . . ., mein
Name ist . . .
alaü, dllau subst., \i\\n'.,alauwoi,
Gott. Trotz der Aehnlichkeit
dieses Wortes mit dem ara
bischen alläh scheint es echt
einheimisch zu sein.
dlbasar, subst., plur. albasaräd,
Zwiebel. Ist indirect der ara
bischen Sprache entlehnt.
dma, subst., plur. amäkai,
Mutter.
amai, adv., oben, am,cd per fedi,
West.
drnir, amr, subst., plur. amarai,
amrakcä, amrukai, Haut,
Leder.
dmniumi, subst. plur. ammuma-
kai, Biene.
drauf, subst. rnasc., plur. ama-
fai, Mücke.
anai, subst., plur. anakai, Bohne,
Erdnuss.
einem, subst., plur. anamai,
Brust, Milch.
dpa auch ydpa, subst., plur.
apakai, Vater.
arai, subst., plur. arakai,
Auge.
arejü, subst., plur. argokai, Ge
sicht.
arun, subst., plur. ali, Kind,
Frucht, von Thieren und
Pflanzen gebraucht.
arwai, subst., plur. ali, Sohn,
Kind. — arwai damit, plur.
ali damakaia na masakai,
Bruder.
drzuk, subst. masc., plur. arzo-
kai, Schweiss.
dsgu, subst., Fuss.
asmai, adv., unten.
adbuqiiti 1 „
, , . > Begrüssungen.
ad-guti J
azögom, subst., plur. azognmüd,
Umhängeband am Köcher.
Siehe aber sogom.
dzokal, adv., rückwärts.
B.
bäadi, adv., morgen. — kanu
risch bäli.
bdgai, subst. fern., plur. bagakai
na falakai, Sclavin.
bai, fern, mcd, plur. com. bä-
kai, adj., gross, dick.
bdlak, subst., plur. balakai,
Schattendach.
bdqa, subst. masc., plur. baga
kai, Käse, welcher durch
Kochung der Milch bereitet
wird und süss (mm) ist.
bdra, verb., dllau cibara, es
wettert. — bdra honai, uri-
niren.
bdrau, subst.,plur. baraivoi, Pfeil.
— edil naui baraü, plur. edi-
lüdnaidbarem, Bogen, Bogen
sehne.
bedebede oder b&debedakü, sing.,
plur. bedebedakai, Stirn.
bege, subst. masc., plur. bagakai
na ma&akai, Sclave.
berbftr, subst., plur. berbarai,
Sturm.
bog, subst., Basin, ein Mehlbrei.
394
Müller.
bul n äsgu, Oberschenkel.
bülimi, adj. fern., plur. bülamai,
unverheiratet.
D.
da, verh., thun, verrichten.
dagadarai, subst., plur. dagada-
rakai, Laus.
dai, plur. von dif, Leute,
Männer.
dai, subst., plur. dalcai, jedenfalls
Medicin (oder Wunde ?)—dif
sinii dai, plur. dai Simi da-
kai Arzt (vielleicht ,Mann
machend Medicin' oder ? Mann
heilend Wunde').
daiek (für dayak) subst., plur.
daiakai, Zwilling.—Im Haus-
sanischen taguai.
dama (d’ama?) siehe ama.
dan, subst., plur. danai, Wand,
Erdmauer.
ddra, tdra, täran, verb., wollen,
lieben.
darai, subst. fern., plur. darakai,
Braut.
daüai (für dawai), dauwai, do-
wai, adv., morgen.
devok, adj., plur. davolcai, bitter.
dia, subst., plur. diakai, Gross
vater von väterlicher wie müt
terlicher Seite.
dibedu, adv., vorgestern.
dibelat, subst., plur. dibelakai,
Sattel.
dibi, adv., gestern.
dif, subst., plur. dai, Mensch,
Mann,
dihidini, subst. fern., plur. deii-
deh und dihedihakai, Eidechse.
dir, adv., geradeaus.
dirsma, verb., niesen.
düa oder tüa, verb., weinen;
meckern von der Ziege (s.
lialiabd) • miauen.
duf äh, subst., plur. dufaiiai, Lö
we. — duf äh aika der Löwe
brüllt.
düfog, subst., plur. dufakai,
Nacht.
dufra btno, subst., plur. diifra-
kai, Finger, Zehe.
diigwa, subst., plur. dugwakai,
Hütte aus Matten oder Rohr,
während fuh das Erdhaus,
die Erdhütte ist.
dar, auch tür, adj. fern, düri,
plur. düarai, döarai, schlecht.
dnsi, auch düzi, düzi, subst. fern.,
plur. dusakai, duzakai, Baum
wolle, Zwirn.
E.
edi, subst., Nord.
edmdk, subst., plur. edmakai, ad-
makai, Hammel.
ßfdk, auch yefik, subst., plur.
afalcai, Stroh, Rohr.
(f£h, subst., plur. efenakai, afa-
iiai, Asche, Kohle.
efri(g), subst., plur. afriakü,
Affe. — Haussanisch biri.
elesi, oder alesi, subst., plur. ele-
sä(d), elesü(d), Zunge. Ara
bisch heisst die Zunge el-li-
säii, haussanisch hdlisi, älisi,
Die Musuk-Sprache in Central-Afrika.
395
maschaghisch (Sprache der
Tuarek) iles.
emel oder emel naui ‘)ai (,Fett
oder Oel der Kuh 4 ), subst.,
plur. emalakai, amalakai, avia-
lai, flüssige Butter. — Haus-
sanisch mai, entstanden aus
mali. — emel naui ndmmumi,
plur. emalakai naui nimmiml
Honig. — emel zuguZi, plur.
amalakai zugusi, feste Butter.
Vgl. eneb.
enfb, subst. masc., plur. anabai,
feste Butter. Vgl. emil.
ineni, subst., plur. enenakai,
Tbau.
drgenl, subst., plur. ergenai,
Krug, Urne auf den Grab
hügeln.
ehe, subst., plur. ed-akai, Ei.
F.
fad, subst., plur. fadakai, Som
mer, heisse, trockene Jahres
zeit. Vgl. fat, feti, futi.
fdda, fddan, verb., tödten,
schlachten.
fdda, fddan, verb., kochen. —
fada nefi (zusammengezogen
fidinen), Fleisch kochen.
fdka, verb., aufstehen.
falakai, plur. zu muni, Frau. —
Die Singulare fei (bitte im
Wandala = die Leute) für
Mann und fall (fero im Ka
nurischen = die Jungfrau;
imHaussanischen goburo Wit
wer = go nicht, ohne, buro
Frau, vgl. küpir) für Frau
scheinen nicht gebräuchlich
zu sein, ausser in der Zusam
mensetzung mozonwol, d. i.
mo-zon-icol, junger Mann nicht
habend Frau', junger, lediger
Bursche.
fdna, verb., liegen.
fanasmai, verb., schlafen, wört
lich ,unten liegen 4 .
fdnek, subst. masc., plur. fdna-
kai, grosser Vogel. Vgl. fini.
faii, subst., plur.fahai, fanakai,
Regen. —fan ad-a es regnet.
fdra, verb., fröhlich sein.
fat, subst., plur. fatakai Sommer.
fei oder fei, subst., plur. fela-
kai, Blut.
felai naui kawoi, subst., plur.
felakai naui kawoi, Eisen
schlacke. Vgl. das identische
filai.
feti, subst, plur. fetakai, Sonne.
fia (fial) viel.
flau, subst., plur. fiauai, Milch.
filai, subst. masc., plur. filakai,
Excrement von Mensch und
Thier. — Vgl. felai.
fini, auch faini, fanai und fi-
niki, subst., plur.finakai, klei
ner Vogel. Vgl. fdnek.
fiti, subst., plur. fatakai, Weg.
fowai, subst., plur.fowakai, Feld,
Garten.
fülfili, subst., plur. fulfulakai,
Wirbelwind. Vgl. herber,
find, subst., plur. fanakai. Gold.
fun, subst., plur. fanakai, Haus,
Palagt; Dorf. Vgl. diigwa.
füti, subst. fern., plur. futakai,
Sonne, Tag. — füti tuali
amai (zusammengezogen tua-
lamai) die Sonne ist aufge
gangen. — füti tuali asmai
(zusammengezogen tualas-
mai) die Sonne ist unterge
gangen. — füti (ß bnd Mit
tag.
G.
ga, verb., gehen.
gdbaga, subst., plur. gabagakai,
Streifen aus baumwollenem
Stoff; gdbaga ne midi ndif,
plur. gabagakai ne medi dai,
Turban, wörtlich ,der Baum
wollenstreifen des Kopfes des
Mannes 4 . Das Wort ist wahr
scheinlich der kanurischen
Sprache entlehnt.
gdmla, subst., plur. gamlakai,
Brod.
ganai, subst. fern., plur. ga-
nakai, Matte.
gari, subst., plur. garakai, Stier.
gau, subst., plur. gauwai, Krieg,
Heer.
gdsa und kdsa, verb., kommen.
gedäit, adj., fern, gedaiii, plur.
com. gedanai, stark, kräftig,
hart.
geriam, subst. masc., plur. geria-
mai na masakai, männliches
Nilpferd.
gerimi, subst. fern., plur. geria-
mai na falakai, weibliches
Nilpferd.
ge da, verb., stampfen.
gidijr, subst., plur. giderai,
Schwanz.
gilin, subst. masc., plur. gilahai,
weibliche Scham.
girfidi, subst., plur. girfidakai,
der Tag, vergl. füti.
girßdina, adv., heute.
godai, subst., plur. godakai, Mais.
goi, adj., plur. goi, gokoi, mittel,
zwischen gross und klein.
goma, subst., plur. gomakai, Aas.
gordf, subst., plur. gorafai: bdni
gordf, plur. banakai gorafai,
Sternschnuppe.
gu(d) nauifini, subst., plur. go
dai naui finaJcai, Nest des
kleinen Vogels. Im Haussa-
nisehen heisst gida das Haus.
guldh, subst., plur. gulanai naui
bdrau, Köcher.
gumuri, subst. fern., plur. gama-
rai, Schild.
giirnai oder nürnai, subst., plur.
gurnakai Hyäne.
güdir, subst., plur. gudrakai,
Herbst.
H.
hafdna, verb., tanzen.
harabdg, subst., plur. harabakai,
Sandale. Vgl. hgrbaq.
hargai, subst. fern., plur. harga-
kai na falakai, Hündin.
harnai, adj., plur. harnanai,
weich. — einem na harnai
saure Milch.
hdsa, verb., husten.
Die Musuk-Spracho in Central-Afrika.
397
hdrge, subst. masc., pliu - . lierga-
kai na maiakai, männlicher
Hund.
hmnu(g), subst., plur. homokai,
Kopf.
horai, auch Kurai, subst., plur.
horakai, Delebpalme.
hörbaq, subst., plur. horbakai,
Huf.
hordi, subst. masc., plur. horda-
kai, Scorpion.
hör&um: ika h&rd-um schnar
chen.
hoiiai, subst., plur. hohakai,
Urin.
hün, hugn, subst. masc., plur.
hütiai, hüaiiai, hühäd, Berg.
— hün ndsgu Knöchel.
hi'iuq, adj. fern, hüuki, plur. com.
hoiakai, Waisen . . .
hüoi, subst., plur. hookai, Nasen
schleim.
hüvik: psa huvik pfeifen.
H .
)ia: Ha mvr schwören, Eid
leisten.
Hdda, verb., zerbrechen.
liadeg, subst., plur. liadekai,
Dorn. — Ygl. Kideg.
KaKabd, verb., meckern vom
Ziegenbock (s. düa), blöken.
Haieydn, adj., plur. Jiaieyanai,
sauer.
lidla, verb., gehen.
Kaldh, verb., stehlen.
Kalu, subst., plur. Kalauwai,
Büffel.
Kdmoii, subst. masc., plur. Kama-
nai, männliches Glied.
Kdrnan, adj., plur. liarnanai,
feucht, nass.
Kelie, adj., fern. Kdhai, plur. com.
KaKakai, jung, klein, neu. —
tilg ne KeJie, plur. tilakai na
KaKakai, Neumond.
liel oder Kgl, subst., Sprache. —
Im Logon kela-ku Sprache;
im Idaussanischen karia Er
zählung, halisi Zunge, Spra
che ; im Kanuri gul-niskin ich
spreche.
Kalif, subst., plur. Kalafai Fisch.
— ,Fisch' heisst im Wändala
kilfe, im Logon kli, im Haussa
kifi, entstanden aus kilifi (vgl.
eme7).
Kideg, subst., plur. Kadakai,
Hacke. Vgl. liadeg.
Kima, verb., gähnen.
Kodai, subst., steht vielleicht für
zuKodai oder zuyodai Schmied.
Im Wändala heisst egda der
Amboss.
Hohem, subst., plur. liolomai,
Schiff, Kahn.
Kom, subst., plur. Komakai,
Salz.
Küleh, adj., fern. Külni, plur. com.
Kulanai, trocken.
Kurai, subst. fern., s. horai. —
Bei Heinrich Barth urai.
I.
ika oder ka, verb., zusammen
gezogen aus ydka rufen, brüh
Müller.
398
len; krähen. — Im Hanssa-
nischen kukn.
ima, imah, ime, verb., zusam
mengezogen ans »/«in« fangen,
nehmen.—Im Hau ssanisehen
kämet.
K.
ka, verb., thun, machen.
kaikai, subst., plur. kaikakai,
Sand.
kdkarai, subst., plur. kakarakai,
ein Stück Elfenbein, welches
als Schmuck dient und in die
durchbohrtenLippen gesteckt
wird. Wenn es sich in der
Oberlippe befindet, heisst es
kdkarai n'amai, wenn es sich
in der Unterlippe befiudet,
kdkarai n'asmai.
kaldü, subst., plur. kalahai,
Brunnen. Im Lande der Mu-
sulc gibt es keine Brunnen.
kdsa, verb., fallen.
kdsa und gdiza, verb., kommen.
Jcaüwai, subst., plur. kauwdkai,
Lanze. Siehe kawoiund kowai.
katcoi, subst., plur. kawokai,
Eisen.
kdfeWc, adj., leicht.
lcend, sahst., plur. kenakai,
Oheim mütterlicher Seite.
kenckenij, subst., plur. k&iekana-
kai, Korb.
kerpo.d, subst., plur. kerpeiid(d),
Schulter.
ktitdf, subst., plur. ketafai, keta-
fokal, Schmetterling.
kt;!)k<‘, subst., plur. ka&kakai,
Knochen.
kiai, subst., plur. kiakai, Arm
ring, Fussring. (Bedeutet
vielleicht ,Kupfer'.)
kidibid' ndsgit, plur. kidibid-dd,
Ferse.
kidrijn, subst., plur. kidreuäd,
Papagei.
kiri, kirid, Icnd, subst., plur.
kiridakai Stein. Im Lande
der Musuk soll es keine geben.
kmdsi, subst., plur. kmazidd,
Hemd. Ist das arabische
Wort qamis ,IIemd‘.
kt'ibok, adv., übermorgen.
koftära (kdftära]) de,di, subst.,
plur. koftarakai, Fähre aus
Kalebassen.
Icokod Haiti lüii, subst. masc.,
plur. kokodai naui lüafiai,
Baumblatt.
hmkolon, subst. fern., plur. koii-
kijlohai, schwarze Ameise.
kunkoraii, subst., plur. koiiko-
rafial, Schild.
kosgii, subst., plur. kosgokai,
Markt. Ist das kanurische
käsugu. Im Haussanischen
heisst der Markt kaswa, kasua.
Icöwai, subst., plur. kowakai,
Speer.
kran, subst., plur. kraiiäd; Arm.
kuWi, adj., fern, kiilni, plur.
com. külanai, gross.
kitpir, plur. kdpärai, dif na kü-
pir, plur. dai na kupärai,
Eunuch. Im Haussanischen
heisst bura das männliche
Die Musnk-Spraclie in Central-Afrika.
399
Glied; ku entspricht dem
deutschen ,-los', ,un-‘, ,ohne',
,nicht'. Vgl. f'alakai.
kurdk, subst.,'plur. kurakai, Esel.
kuri, adj., plur. kurakai, rein.
kuruni, suhst. masc., plur. ku-
ramai na mahakai, männ
liches Krokodil.
kiirumi, subst. fern., plur. kura-
mai na falakai, weibliches
Krokodil.
kuskai, subst., plur. kuskakai,
Abend.
kiisum, subst., plur. kusamai,
Maus. Im Haussanischen
heisst eine Art Maus (Ratte?)
kii.su.
kuSd (kuSa,), subst., plur. ku-
Sakai, grosser Korb.
kwänai, subst. fern., plur. ktea-
nakai, Dumpalme.
kwliie, adj., plur. kleine, gokwi-
iie (?), klein, dünn.
K'.
Icia (ki/ia), subst. masc., plur.
liiakai, Kupfer.
X.
ya, verb., herabsteigen.
y/ryai, subst., plur. yayakai, Reis.
L.
lala, subst., etwas Geschriebe
nes, Buch. — za laia schrei
ben. — Das Wort laia ist
der kanurischen Sprache
entlehnt, welche ihrerseits
es vom Arabischen über
nommen hat.
ldka, verb., fett sein.
Idma, auch lüma, verb., essen;
dieses Wort wird nur in Be
treff fester Speisen, wie Brod,
Fleisch angewendet; vgl. sd-
ma. — Idma (taba) (Tabak)
priemen.
Idmana, verb., beissen.
laüa, verb., laufen.
Igie, verb., verstehen, hören.
lifan, verb., verkaufen.
lipre, subst., plur. liprakai, Na
del. Ist das arabische elibrah.
lün, liupi, subst., plur. liiahai,
Baum, Holz.
M.
mdda, subst., plur. homukai,
Kopf.
mddras, subst., plur. madrasai,
Schwein.
mddu, subst., plur. mida;madu
mini (munl) zibili, plur. mida
falakai zibili, (Frauen-) Mund
ring, ein Schmuckstück.
mdliarai, subst., plur. ma/iarakai,
rothe Ameise.
mai, fern, zu bai, gross.
maidintku (d. i. rnaidi oder midi
na teku = Kopf der Hand)
na muni links, wörtlich, weib
liche Handoberseite'; mai
dintku na üs rechts, wörtlich
,männliche Handoberseite'.
400
Müller.
malanä, subst., plur. mglanalcai,
malonaiäd, Chamäleon.
mdlli, subst., plur. maliakai,
grosser Mann, Gelehrter,
Vornehmer. Stammt vom
arabischen mulallim (spr.
mgldllirn), der Gelehrte.
malogöm, subst., plur. malogomai,
Bewohner des Landes Logon,
südlich vom Tsad-See.
mamzokoi, plur. von mumzuk.
mdnafai, subst., plur. mana-
fakai, Hase.
mapldta, subst., plur. maplata-
kai, ein Fule, ein Mann vom
Stamme der Fulen, die sich
selbst in der Einzahl ,Pulo',
in der Mehrzahl ,Fulbe‘ nen
nen. In Bornu werden sie
Feläta genannt, wovon ma-
p§lata abgeleitet ist. Nach
Heinrich Barth sollen die
Fulen von den Musuk auch
tSogtsogo genannt werden.
mdra, verb., sterben.
maräliai, plur. von vriiryi.
maranai, subst., plur. maranakai,
Stock, Dreschflegel. — ma
ranai zukauwai naui Jiödai
(zuliödai ?), plur. maranakai
zukauwalcai naui Kodai, Ham
mer, wörtlich ,der eiserne
Stock des Schmiedes'.
markoi, subst., plur. markokoi,
F remder.
märmai, subst., plur. marmakai,
Freund.
mdrd-an, adj., scheckig, vom
Pferde.
mdsa, verb., waschen.
mdssoko, subst., plur. massokokoi,
massolcokai, eine Getreideart.
mataggom, subst., plur. maiüaggo-
mai, Beil.
ma&akai, mit den Varianten
masagai, madagai, madakai,
mazakai, mazagai, masakai,
masagai, plur. von üs (üz, US'),
mdzkora, plur. mozkorakai.
dif na mdzkora, plur. dai na
mozkorakai, Hurer. — muni
na mdzkora, plur. falakai na
mozkorakai, Hure.
mazoüol, vgl. mozoinvol, adj ,
plur. mazönolai, klein.
meda, verb., sprechen.
m&fek, subst., plur. mafakai,
Bewohner des Landes Bornu.
mefia, subst., plur. mefiakai,
Negerhirse.
mekelö, adj., fern, makalai, plur.
com. makalakai, rotli, braun;
edelgeboren, freigeboren.
melfin, adj., fern, mülfini, plur.
com. malfanai, blind.
memö, subst., plur. mididai (?),
Mund, Lippen.
merfeii, subst., plur. merfenäd,
merfaiiai, Nase.
mergi, subst., plur. mergakai,
Mann vom Stamme der Margi.
mdsere, misere, subst. masc.,
plur. masaralcai, muSerakai,
Pfeffer.
me den, med-ed-en, subst., plur.
madahai, mededeiiai, Stern.
midi, subst., Kopf. — gdbaga
ne midi n'dif, Turban.
Die Musnk-Spraclie in Central-Afrika.
401
miliil, plur. muKalakai; dif mi-
Hil, plur. dal muKalakai, Dieb.
minlibe, subst., plur. minlibakai,
Wolke.
m ir de [g], adj., fern, mirdiki,
plur. com. mirdäkai, schwarz,
grün.
mir/i, subst., plur. maräliai,
Teufel.
mid-iner, subst., plur. mi&inerai,
Grab.
modlna (für ma-wdlna), subst.,
plur. moalnakai, Bewohner
des Landes" Wändala, wie
sie selbst, oder Mandara, wie
es die Bewohner von Bornu
nennen. Es liegt südlich von
Bornu und westlich vom
Lande der Musuk.
mucjiva, adj., fern, rriugui, plur.
mogwakai, hoch, lang.
möKo, subst., Ilorn.
möyonai, Furcht, furchtsam.
mözonwol, plur. mozonwalai; ar-
wagov na mözonwol, plur. alia-
goi ne mozonwalai, oder alia-
golcoi ne mozonwalai, junger,
unverheirateter Bursche. Vgl.
mdzoiiol.
niüdi (mudia- mein Schwager),
subst., plur. mudakai, Schwa
ger.
müdigi, subst., plur. mudigta
und mudigakai, Kinn- und
Backenbart.
mudua, subst., fern., plur. mu-
duakai, Schlange.
mugüd, subst., plur. mugudalcai,
Schwert. Vgl. das folgende.
Sitzungslter. (1. pliil.-liisfc. CI. CXIT. Bd. I.
mugüdi, subst., plur. mugudakai,
Messer. Vgl. das vorher
gehende.
mugui, fern, zu mögwa.
mulialt, fern., siehe miliil, plur.
muKalakai; muni muliall, plur.
falakai muKalakai, Diebin.
müliuna, subst., plur. muliana-
kai, Indigo.
müyruf, adj., fern, müyruft, plur.
com. muyrofai, schwach =
mu-yruf; karifi heisst im
Haussanischen die Kraft.
mulai, subst., plur. mulakai,
Haus.
mulebuböh, subst., plur. melbe-
banai, Frosch.
miili, adj. fern., plur. malakai,
schwanger.
rnumzuk, subst., plur. mamzgkoi,
mit den Varianten manzökoi,
mandzgkoi, manSukoi, Mann
vom Stamme ‘ der Musuk.
Man sagt auch dif na mum-
zuk, plur. dai na mamzölcoi.
munai, subst. fern., plur. mu-
nakai, Feigenbaum.
muni, subst., fern., plur. fala
kai, Frau. — muni naui nar-
ivai damä’, Schwägerin, wört
lich: ,die Frau des Sohnes
meiner Mutter'.
muqel, subst., plural. mukalai,
Strauss (Vogel).
mür, subst., plur. muavai, Eid.
— Ha mür, schwören, Eid
leisten. — dif zelii mür, der
Schwörende und der Priester,
welcher den Eid abnimmt.
Hfl:.
26
402
Müller.
mürga, adj., fern, murgai, plur.
com. murgakai, arm.
murdi, subst., plur. murSa
hen, Geschichte, Erzählung,
Fabel.
miisenau, subst., plur. musenau-
icoi, Gift.
mutuhui, adj. masc. und fern.,
plur., mutukokoi, weiss, gelb.
müzi, adj., plur. muzäkai, schön,
wahr, richtig.
muzirbai, subst. masc., plur.
muzirbakai, Blei.
N.
midi, verb.; leben.
ndfe(d), num., der erste.
nämarba, adj., halb. Im Haussa-
nischen heisst mairaba der
Theiler, halb.
nelam, subst., plur. nelamai,
Wachs. —' nelam naui t'em-
mumi, plur. nelamai naui nem-
mimakai, Bienenwachs.
nem, mm, adj., süss.
nena, adj., dauai n£na, über
morgen od. überübermorgen.
neu, nach Anderen neben,
subst., plur. neiiai, nenakai,
Fleisch.
nepini, num., der zweite.
N.
mau, subst. masc., plur. niau-
wai na maiakai, Kater.
niui, subst. fern., plur. niauwa
na falakai, Kieze.
iiürnai, auch gürnai, subst.
fern., plur. nurnakai, Hyäne.
nuyd, subst. masc. plur. nootai,
Gehirn.
0.
ofena, verb., Furcht haben,
uzen . . ., vor . . .
oöör, subst., plur. ooorai, Rück
grat.
P.
pa oder pan, verb., begraben.
pai, subst., masc., plur. päkai,
König, Fürst, Häuptling.
pan, pdna, adj., all, ganz.
pasa, siehe psa.
pekene und pekne, subst., plur.
pakanakai, paknakai, Elefant.
— Seiden naui pekne, plur.
Seiden naui paknakai, Elfen
bein.
pidl, pui(d), subst., plur. piakai,
Winter, Regenzeit.
pidem, adj. fern, pudwnü, plur.
com. pudamai, gut, schön,
wahr, richtig.
pilisi, subst. fern., plur. pilasai
na falakai und pilasakai na
falakai, Stute.
piliS, mit Varianten piliz, püiS,
piliz, subst. masc., plur.
pilasai na maiakai, pilasakai
na maSakai, Hengst.
pini, subst., Stachel.
pisd', subst., plur. pasakai,
Jahr.
Die Musuk-Sprache in Central-Afrika.
403
psa (für pasa), verb.; psn kdvik,
pfeifen.
pus, subst.; mit diesem Namen
werden die Musuk von den
Bewohnern Logons bezeich
net.
pümml, subst., plur. pummakai,
weisse Ameise.
pupuqald', subst., plur. pupu-
qalakai, Backenzahn.
R.
ra, ran, verb., kaufen.
rdfa, verb., laufen.
rdda, verb., rülpsen.
rg, nach Anderen erg, subst.,
plur. rakai, Fluss. Im Haus-
sanischen heisst rua das
Wasser.
ria, verb., lachen. Im Haussa-
nischen heisst ,lachen' daria.
S.
sa, verb., vgl. za, da, machen,
thun; fühlen, sa sai Durst
fühlen, durstig sein.
sa, verb., trinken; (Tabak)
rauchen. Im Haussanischen
heisst ,trinken' sa.
sa, verb., geben.
safö, adj., heiss. Im Haussani
schen heisst ,heiss' säfi, zäfi.
sai, subst., plur. saikai, sakai,
Durst. — sai tu fdda (fuda),
mit dem Objectsverbalpro
nomen, durstig sein, z. B.
tanu sai tu fadal ich bin
durstig, wörtlich ,ich, Durst
er schlägt-mich'.
salawgn, subst., plur. salawohai;
salawön naui lün, plur. sala
wohai naui lüahai, Wurzel.
sama,verb., essen; wird nur von
breiigenund flüssigen Speisen
gebraucht, wie Basin (bog),
eine Art Mehlbrei; küskusu,
eine Art Graupen u. s. w. Vgl.
läma. Im Haussanischen heisst
tslma die Speise, tsi essen.
sdmana, verb., sich setzen. Im
Haussanischen zamne.
sdpa, subst., plur. sapakai,
weites, langes Hemd.
sdra' narku, subst., plur. sa-
rakai n'ardadai, Tätowirung.
sdrda, serte, verb., sdrda tinek,
spucken.
sasdka, plur. sdsakai, dif sa-
sdka, subst., plur. dai sdsakai,
Weber. Im Haussanischen
heisst ,weben' säka, ,Weber'
maisälca.
saterand, verb., verstehen.
sazakai, plur. von se&i.
sedaka, subst., plur. sedadakai,
Opfer. Ist das arabische sa-
daqali.
seddh, setdh, zetäh, zeddh, verb.,
sehen, verstehen, wissen.
sediti, adj., kalt.
sina, verb., sich betrinken.
sküda, sgiita, wahrscheinlich
für sa Jcuda, verb., bellen.
sogoi, subst., plur. sogokai na
makalakai (d. i. der Weissen)
rothe Mütze, Fes.
26*
404
Müller.
sogom, Ruhst., plur. sogomai,
Strick. Ygl. azogom. — su-
gom naui püiS, plur. sogom
nauipilasai (piilasai), Halfter,
wörtlich:,Strick des Pferdes'.
sufcirai, adj. masc., fern, und
plur., reich.
stilä na ms, subst., plur. sulakai
na maSakai, Schwiegervater;
sülä na müni, plur. sulakai
na falakai, Schwiegermutter.
Im Haussanischen heisst der
Schwiegervater suruki, wobei
ki Endung ist.
sümfa, verb., athmen.
siinsuli, suhst., plur. sunsulakai,
Kette, Fusskette zum Zu
sammenbinden der Beine.
swaii (für sdwa), verb., üher-
treffen. Wird zur Bildung
des Comparatives benutzt,
wobei das Adjectiv in den
Yerbalisations - Infinitiv ge
setzt wird, z. B. gumä schwer,
ä-swan un-gumd es übertrifft
sein-schwer, d. i. schwerer;
devok bitter, ä-swan en-devok
bitterer.
S.
Segeld, subst., plur. segelakai,
Enkel. Im Haussanischen
heisst der Enkel zika, zika.
Sembel, subst., plur. Sembelä(d),
Schnurrbart.
sen, subst., Sprache. — Seil
naui mamzokoi, die Musuk-
Spracbe.
SeSieii, subst., plur. sesenä(d),
SeSianä(d), Zahn.
Sozi, plur. sazakai, von za (sa)
abgeleitet; ivola (wdla) Sezi,
plur. wula sazakai, Arbeit.
Smsr, subst., plur. Smsräd,
Wind.
Mel, subst., plur. Suakai, Wurf
eisen.
Siis, subst., plur. suakai, einge
borener dunkelfarbiger Ara
ber. Die Araber, welche von
auswärts kommen, werden
wdsali genannt.
S.
Sa', verb., schwimmen. Vgl.
köftara,'.
Sab, subst., plur. Sabai, Zaun
um das Haus oder Matten
wand des Hauses.
Sa di, s. Sa,, dif Se&i, plur. dai
Sedakai, Schwimmer.
Simen wuiSem, subst., plur. Si
men lousamai, Blüthe.
Simeni, subst., plur. Simakai
(? Simanakai), Flosse. Vgl.
dieses und das vorhergehende
Wort mit dimi.
T.
tdba, subst., plur. tabakai, Ta
bak. Derselbe Name für
Tabak kehrt in den meisten
Sprachen des mittleren Su
dans wieder, auch im Haus
sanischen täba.
Die Musuk-Spraehe in Central-Afrika.
405
tabcilä, subst., plur. tahalakai,
Bett.
tadenai, subst., plur. tadenakai,
Ohrring.
tdlnafa, talnäpa (d. i. tal n'apa
Bruder [?] des Vaters), subst.,
plur. talnapakai, Oheim von
väterlicher Seite.
tdra, s. dura.
tatäkalü, subst., plur. tataka-
lauai, Signalhorn.
teUr, subst., plur. telßräd,
Ameise.
tßnek, subst., plur. tänakai,
Speichel.
terkekedeg, subst., plur. terke-
kedekai, Löffel.
ti, tüku, subst., plur. tiakai, Hand.
tili, subst., plur. tilakai, Mond,
Monat.
tim, subst., plur. timakai, Trom
mel.
tini, subst., Rüssel.
tirimi, subst., plur. tiramai, tir-
makai, grosse dreizinkige
Gabel zum Fangen der Fische,
Harpune. — azi iiaui tirimi,
plur. ezakai naui tiramai,
Zinke der Harpune.
titirhl oder titrih, subst. fern.,
plur. titranai oder titrinäd,
Finger.
tokond, subst., plur. tokonakai,
Topf. Im Haussanischen tu-
kunia.
tolöq, adj., plur. tolokoi,
schmutzig.
tomet, subst., plur. tomokoi, Be
wohner des Landes Bagirmi,
welches im Osten von dem
der Musuk liegt.
tüa, s. düa.
tübelai, subst., plur. tubdakai,
Stuhl.
tiiburi, subst., plur. tubriyäd,
Tüburi, Volksstamm, südlich
von den Musuk wohnend, mit
ganz verschiedener Sprache.
tufki, subst., plur. tufkiku,
Nabel.
tiii, subst. masc., plur. tüakai,
Thräne. Vgl. tüa.
tür, s. dür.
tütuf, tutüf, subst. masc., plur.
tutafai, tutufäd, Pulver.
0.
3a, vgl. za, sa, verb., machen,
thun.
Saba, Sabdri, verb., schlagen,
anpochen, (Holz) schlagen
oder fällen. — dif Sidibi tim,
Trommler; muni liiOibi tim
Trommlerin.
Odgai, auch sepia, zegia, subst.,
plur. Sagakai, zagiakai,
Stadt.
thä oder Sai na muni, subst.
fern., plur. Säkai na falakai,
Kuh. — ai de Sai na muni,
plur. all Säkai na falakai,
weibliches Kalb. — Im Haus
sanischen sa der Ochse, sania
die Kuh; im Logon und im
Wändala Sä die Kuh.
Saiiala (zusammengezogen aus
Sa und ivala ,thun Ding'),
406
Müller.
verb., arbeiten; tii mizwuala
wir arbeiten.
Dt, na üs, subst., plur. Ddkai na
maSakai, Ochs, Bulle. — alii
Dt, plur. all Dakai na masa-
kai, männliches Kalb.
Dedaüan (zusammengesetzt aus
iJa imd dauan)', verb.,
spielen.
Dena, verb., verstehen, hören.
— Im Haussanischen zi.
Dediti, DiDeti, dif DiDeti elküd,
plur. dai DiDeti elkodai,
Schneider; muni DiDeti el
küd, plur. falakai DiDeti el-
kgdai, Schneiderin. — dif
Dediti dibelai, plur. dai na
DeDiti dibelakai Sattler.
Digeni, subst., plur. Digeniäd
und 0igenakai, Kamel.
Dil, subst., plur. Dilakai, berau
schendes Getränk, aus Neger
hirse bereitet.
Dirne,, subst., plur. Dimakai,
Ohr. — Kanurisch simo;
tedisch sl, sümo; logonesisch
semaye; wandalisch semä.
Ditai, subst., plur. Ditakai, Ader.
DiDibi, s. Daba.
U.
udii, subst., plur. uaiiai, Grab
hügel.
udi, subst., plur. udiäd, Insel.
uiyamai, plur. aiyamakai, Hun
ger; uiyamai tu füda (fdda.),
mit dem Objectsverbalprono
men, hungrig sein, wörtlich
,der Hunger schlägt. . /, z.B.
tukunu uiyamai tu fuduku du
bist hungrig.
ulai, subst., plur. ulakai,
Schüssel.
ule, subst., plur. ulekai, ulakai,
Genick.
uli, fern, von wfl.
ura (für wara ?), verb., betteln.
Haussanisch bara.
üra, uran, verb., kaufen.
üs, üD, üz, subst., plur. masakai
(s. dieses), Mann, Männchen.
Im Haussanischen heisst der
Mann mezi, plur. maza.
üyau, adv., schnell.
uzen, praep., vor. — o%ena
uzen . .. sich fürchten vor . ..
W.
wa, verb., gebären, niederkom
men, (Eier) legen, (Frucht)
tragen; gehen. — wa amai
aufgehen (von der Sonne);
wa asmai untergehen (von
der Sonne). —• zuwi der ,Ge
borene', d. i. der frei Gebo
rene, der Edle.
wai, subst., plur. icaakai, Ge
treide.
ivdla, subst., Ding, Etwas. —
icdla lifedi, plur. wdla lifeda-
kai, Vogel. — wdla hadali,
plur. wdla hadalakai, Schlan
ge. — wdla sezl, plur. wdla
sazakai Arbeit. — walemsim
(d. i. wdla im-Simi Ding zum
Essen), plur. walemsmakai,
Die Musuk-Sprache in Central-Afrika.
407
Speise. — wäla äntal ich
habe, wörtlich ,Ding bei
mir'.
war, subst., plur. warai, Bauch.
wärni, subst., plur. wamaltai,
Herz. — wärni pidem ein
gutes Herz. — wärni ädbaiia
das Herz schlägt. — wärni
kulen grossmüthig. — wärni
abai tapfer (,das Herz ist
gross'). — wärninka (wärnin-
kaif) feig (,kein Herz').
iväsali, subst., plur. wasalakai,
wasaliwä (letztere F orm kanu
risch?) weisser Mann, Araber
von auswärts; die eingebore
nen Araber heissen Sus.
wel, adj., fern, uli, plur. com.
walakai, gross, alt, bejahrt.
wuisem, subst., plur. wusamai,
Pflanze.
W.
wodnm, subst. masc., plur. wo-
domai Wind. — da löodimi
einen Wind lassen.
wyki, dif dngoi ivyki, plur. dai
zuhuki, magerer Mann; muni
zewuki magere Frau. S. zu-
hogu.
¥.
yahaü, subst., plur. yahauai,
Halm des Ngosob.
yäma, verb., singen.
yek, subst. masc., plur. yäkai,
Ziegenbock.
yem, subst., plur. yemakai,
Wasser.
yej, subst., plur. yesai, Friedhof.
Die Todten werden in tiefen
Gruben in den Häusern be
graben. Einige solcher Grä
ber beisammen heissen yeS.
yir, subst. plur. yirakai, Haar.
yir nä mada Kopfhaar; yir na
mku oder n'amku Schnurrbart.
yugür und yugür na üs, subst.
masc., plur. yagorai na ma-
Sakat, Hahn. — yugür aika
der Hahn kräht.
yüguri und güguri na mni (d. i.
münz), subst. fern., plur. yago-
rakai na falakai oder yagwa-
rakai oder yogarakai Henne.
Z.
za, zah, auch da, sa, ka, verb.,
thun, machen.
za, verb., geben.
zäfarai, plur. zafarakai, dif zä-
farai, subst. masc., plur. dai
zafarakai, Kaufmann.
zämfa, subst., plur. zamfakai,
Korb. — Haussanisch zämfg.
zaniima (aus za na yama), verb.,
singen.
zefidineii, plur. zefidinanakai, dif
zefidin&ii, subst. masc., plur.
dai zefidinanakai, Koch, wört
lich ,Mann machend-kochen-
Fleisch'.
zefüii, plur. zefanai, dif zefüii,
plur. dai zefanai, Stadtbe
wohner, Dorfbewohner.
408
Müller.
zeged-i, plur. zegä&akai, dif zege-
3i, plur. dcd zegad-akai,
Schmied. — Varianten sind
zuyodai, zoyotai, liodai, zulig-
dai, zuyodai.
zegia, subst., plur. zagiakai,
Stadt. — V arianten sind segia,
!}dgai, plur. d-agalcai.
zeüorüm, plur. zeüdramai, dif
zeüorüm, plur. dai zeüdramai,
Ackerbauer.
zemai, subst., Ost, von ze-amai
die obere Gegend?
zemiryi, plur. zemaräüai, dif ze
miryi, plur. dai zemaräüai,
Zauberer, Hexenmeister, Zau-
berdoctor, wörtlich ,Teufels
mann'.
zemöyo'nai, adj., plur. zimoyona-
kai, furchtsam.
zenumi, adj. fern., plur. zena-
makai, schönbrüstig, straff-
brtistig. S. anem.
zetdba, plur. zetabakai, gubai
zetdba, plur. gubakai zetaba
kai, Tabaksbeutel.
zetdn, s. seddn.
zetokena, plur. zetokenakai, muni
zetglcena, plur. falakai zeto
kenakai, Töpferin. — Die
Ausübung des Töpfergewer
bes seitens der Männer wird
bei den Musuk als unrein
angesehen, daher es nur
Töpferinnen gibt.
zetoloq, adj., plur. zitolokoi,
schmutzig.
zizedi, dif zezedi ftl, plur. dai
zezedi fatakai, Führer, wört
lich : ,Mann wissend (von
zeda, siehe seddn) Strasse'.
ziama, plur. ziamakai, vgl.
yäma, dif ziama, plur. dai
ziamakai, Sänger; — muni
ziama, plur. falakai ziama
kai, Sängerin.
zibirni, plur. zibirnakai, dif zi-
birni, plur. dai zibirnakai,
Färber. — Im Haussanischen
heisst rini färben, mairini
der Färber.
zidai, subst. , plur. zidakai,
Narbe.
ziderai, plur. zideralcai, dif zi-
derai, plur. dai zideralcai,
Bräutigam.
zimaddm, plur. zimadamai, dif
zimadam, plur. zimadamai,
Reiter.
zimiüelif, plur. zimilialafai, dif
zimiüelif, plur. dai zimiüala-
fai, Fischer.
zmoia, plur. zmaiakai, dif zmoia,
plur. dai zmaiakai, Fuss-
soldat.
zoyotai, siehe zegedi.
zudebdr, plur. zudibiri, dif zu-
debdr, plur. dai zudibiri,
Reiter. Bar, biri wird der
Stamm für,Pferd' sein, der
mit pilis zusammenhängt,
sowie mit dem kanurischen
fir, per; dem Songhai beri,
bari; dem Maba (Haupt
sprache von Wadai) bere-k,
plur. beri; dem Wandala
belissa, die alle ,Pferd' be
deuten.
Dio Musuk-Sprache in Central-Afrika.
409
zuKom, adj., plur. zuKomai,
salzig.
züKulum, plur. züKolomai, dif
züKulum, plur. dai züKolomai,
Schiffer.
zalcauwai, s. maranai.
Z.
zallaü, plur. zallauwai, dif zallaü,
plur. dai zallauwai, Priester.
zebogol, adj., fern, zebogol und
zebuguli, plur. com. bogola-
lcai (zebogolakai?), buckelig.
zefididif, plur. zefididai, dif
zefididif, plur. dai zefididai,
Mörder; muni zefididif, plur.
falalcai zefididai, Mörderin.
zepai, dif zepai, Fürst.
zepi, partic. von pa, dif zepi,
plur. dai zipi, Leichnam, der
begraben ist, wörtlich: ,be
grabener Mensch'. Vgl. zi-
meri.
zepilis, plur. zipilasai, dif ze-
pilis, plur. dai zipilasai, Reiter,
jedenfalls auch Pferdebe
sitzer.
zibarau, plur. zibarauwai, dif
zibarau, plur. dai Zibarauwai,
Bogenschütze.
zibili, madü mim (d. i. muni)
zibili, plur. mida falalcai zi
bili, Mundring der Frauen,
ein Schmuckstück. Vgl. das
folgende Wort.
zibiluwai, hadiqi zibiluwai, plur.
liadaqai zibiluwai, Sichel.
zibirui, lüii zibirui, plur. lüanai
zibirui, Zweig, Ast.
zigedi, dif zigedi wai, Drescher,
wörtlich: ,Getreideschläger'.
Vgl. zeged-i und mugüdi.
zigren, plur. zigranai, dif zigreii,
plur. dai zigranai, Witwer;
muni zigren, plur. falalcai
zigranai, Witwe.
ziliki, s. laka, Fett.
zimeKil, fern, zimidiali, plur.
com. zemaKalakai, zamaha-
lalcai, dif zimeKil, plur. dai
zemaKalakai, Dieb, Gauner;
— muni zimüKali, plur. fa-
lakai zemaKalakai, Diebin,
Gaunerin.
zimeri, von mara, dif zimeri,
plur. dai zimeri, Leichnam,
der noch nicht begraben
ist, wörtlich : ,gestorbener
Mensch'. Vgl. zepi.
zisini, partic. von sina, plur.
zislnakai, betrunken.
zizipel, plur. zizipeli, dif zizipel,
plur. dai zizipeli, Bettler; —
muni zizipel, plur. falalcai
zizipeli, Bettlerin. -—■ Vgl.
ura betteln. — zizipel = zi
(der welcher) zi (thut, von
za, da) pel (betteln, haussa-
nisch bara).
zuhogu, adj., plur. zuhogokai,
mager. Siehe ivuki.
zukur i, adj., plur. zulcurakai, rein.
zuwel, adj., fern, idi (zuli?),
plur. com. zuwalalcai, alt.
S. ioqI.
410
Müller.
Zweiter Theil.
Deutsch und Musuk.
A.
Aas, goma, plur. gomakai.
Abend, kmkai, plur. kuskakai.
absteigen, /a.
acbt, metüs.
Ackerbauer, dif nauon fowai,
plur. dai nauon fowai, siebe
jFarnk. — dif zeKorum, plur.
dai zeKdramai.
Ader, Oitai, plur. %Utakai.
Affe, efri(g), plur. afriakü;
oder afriakü, plur. afriakokai.
all, pan, pdna, päha.
alt, whl, zu will, fern, uli, plur.
walakai, zuiualakai.
Ameise, telir, plur. telsrüd. —
(schwarze) könkoloii, fern.,
plur. Icohkolghai. — (rotke)
mäüarai, plur. maHarakai. —
(weisse) pümml, plur. pum-
makai. — Eine andere Art
soll pirä, heissen (kitinSi
pii’dl?).
anpochen, OdJja.
Araber, in Sudan einheimi
scher, $u£, plur. suakai. —
Fremder, ivdsali, plur. wasa-
lakai und waseliwd.
Arbeit, wdla siizt.
arbeiten, bf-aüala (für !)a oder
za wala).
Arm, kräh, plur. krahä(d).
arm, mürga, fern, murgai, plur.
murgakai.
Armring, auch Fussring, kiai,
plur. kiakai. Vgl. ,Kupfer'.
Arznei, wdla zisim fidai.
Arzt, dif Simi dai, plur. dai
simi dakai.
Asche, efeh, plur. afanai, efe-
iiakai.
Ast, lün zibirui, plur. lüahai
zibirui.
atkmen, sümfa.
aufgehen, von der Sonne, wa
amai.
aufstehen, fdka.
Auge, arai, plur. arakai.
B.
Backenzahn, pupuqaldl, plur.
pupuqalakai.
Bagirmier, Bewohner des Lan
des Bagirmi, tomo, plur. to-
mokai.
bald, agoi agoi.
Basin (eine Art Mehlbrei), bog.
Bauch, war, plur. xoarai.
Baum, lün, plur. lüahai.
Baumblatt, kokoO- natu lüh,
plur. kokod-ai naui lüahai.
Baumwolle, dnSi, auch diizi,
diizi, plur. dusakai, duzakai.
begraben, pa, pah.
Die Musuk-Sprache in Central-Afrika.
411
Beil, maiaggöm, plur. maisag-
gomai.
beissen, Idmana.
bejahrt, ivel, fern, uli, plur.
walakai.
bellen, skuda (sguta).
berauschendes Getränk, aus
Negerhirse bereitet, Oil, plur.
Hilakai.
Berg, hün, plur. hüaiial.
Bett, tabald, plur. tabalakai.
betteln, Ara.
Bettler,xdif zizipel, plur. dai
zizipeli.
betrinken, sich, sina.
betrunken, ziSini, plur. ziSlnakai.
Biene, dmmurni, plur. ammuma-
kai.
bitter, devök, plur. davokai.
Blei, muzirbai, plur. muzirbukai.
blind, melfin, fern, mülfini, plur.
malfanai.
Blut, fei, fei, plur. felakai.
Bogen und Bogensehne, ndil
naui barau, plur. ediläd naui
barau.
Bohne, anal, plur. anakai.
Bornu-Bewohner, mefek, plur.
mafakai.
braun (auch roth), mek.de, fern.
makalai, plur. makalakai.
Braut, daral, plur. darakal.
Bräutigam, dif ziderai, plur.
dai ziderakat.
Brod, gdrnla, plur. gamlakai.
Bruder, sowohl älterer als
jüngerer, dricai damäl, plur.
all damakaia na rnasakal
(d. i. ,Kind meiner Mutter').
Brunnen, kaldn, plur. kalahal.
Brust, dnem, plur. anamai, ane-
makai.
brüllen, vom Löwen, ika.
Butter, flüssige, emel naui d-ai,
oder einfach emel, plur. ema-
lakai, amadakai; — feste,
emel zugusl, plur. amalakai
zugusl, oder eneb, plur. ana-
bai.
Büffel, Hain, plur. Jialauwal.
C.
Chamäleon, malanä, plur. ma-
lanaidd, malanakal.
D.
Delebpalme, koral, auch dural,
plur. horakal. — Bei Heinrich
Barth Aval.
dick, bai.
Dieb, dif midil, oder d.if zima-
dil, plur. dai mudalakai, oder
dai zemadalakai.
Dorf, fuh, plur. funakai.
drei, du.
dreissig, dogodogn du.
dreizehn, dögg pin (pin) du.
Dumpalme, kwänai, plur. kwa-
nakai.
Durst, sai, plur. sakai, sailcai.
dünn, kleine.
E.
Ei, eite, plur. eltakai.
Eid, mür, plur. muarcti.
412
Müller.
Eidechse, dinidini, plur. dine-
dinakai.
ein, kedai. — Im Ilaussanischen
guda die Einheit, das
Stück.
Eisen, kaiooi, plur. kawokai.
Elefant, pekne, plur. paknakai.
elf, dögo pin kedai.
Elfenbein, SesiSh naui pekne,
plur. SeSieh naui paknakai.
Enkel, segeld, plur. segelakai.
entfernt, gaigai.
Erdmauer, dan, plur. danaz.
Erdnuss, anal, plur. anakai.
Erzählung, murdi, plur. mur-
6-akai.
Esel, kurek, plur. kurakai.
Eselin, kurki, plur. kurakai.
essen, wenn die Speise fest ist,
läma, lüma; wenn die Speise
breiig ist, säma.
Eunuch, dif na küpir, plur.
dal na kiiparai.
F.
fallen, kdsa.
fangen, ima.
Farm, fowai, plur. foicakai.
Fähre, aus Kalebassen beste
hend, köftard\ d-eM.
Färber, dif zibirni, plur. dai
zibirnalcai.
Feder,'bädai, plur. bädakai.
Feigenbaum, münai, plur. rnu-
nakai.
fern, gaigai.
fett, ziliki, angailiki. — fett
sein, ldka.
Feuer, dfu plur. afakai.
Feuerstein, kaikai sdfu, plur.
katkakai sdfu.
Finger, tidriii, plur. tidrindd.
Fisch, Relif, plur. Jicdafai. —
Besondere Fischarten tragen
ihre eigenen Namen.
Fischer, dif zimiKelif (ze-ima-
Tielif), plur. dai zimiJialafai.
Fleisch, neu, in anderen Dia
lekten nehen, plur. nehai, ne-
nakai.
Fliege, ädwai, plur. ädwakai.
Fluss, rE, in anderen Dialekten
eri, plur. rakai.
Flügel, gdgaran, plur. gagara-
nai; — Flügel der Insecten
(siehe Feder), bädai, plur.
bädakai.
Frau, muni, plur. falakai.
Fremder, markoi, plur.- mdrko-
koi.
freuen, sich, fdra; er freut sich
afria.
Freund, mdrmai, plur. marma-
kai.
Friedhof, yes, plur. yesai.
Frosch, mulebuboh, plur. mel-
bebanai.
Frucht, ani.ii naui lüii (d. i.
Kind des Baumes), plur. alia-
goi naui lüanai.
früh, daüai par.
Furcht, mo/onai.
fünf, sim.
Führer, dif zezidi fti, plur. dai
zezidi fatakai.
Fürst, pai, auch dif zepai, plur.
pakai.
Die Masut-Sprache in Central-Afrika.
413
G.
ganz, pah, pdha, päha.
gähnen, liima.
gebären, wa. — Die Frau hat
geboren rnuni toali (t-wa-li,
ta-ica-li).
geben, sa, za. — Es gibt, ana;
es gibt nicht, ahkai, ampai.
geboren, werden, wa.
gehen, ga, Kdla.
Gehirn, noöd, plur. hootai.
gelb (auch weiss), mutukui,
plur. mutukokoi.
Genick, ule, plur. ulalcai.
Gescblecbtstbeil, männlicher,
Jiämon, plur. Kamahai; —
weiblicher, gilih, plur. gila-
hai.
gestern, dibi.
Getreide, wai, plur. icaakai.
Getreidespeicher, furai naui
wai, plur. furakai naui wai.
Gift, musenau, plur. musenau-
woi.
Giraffe, äli, plur. älikai.
Gold, find, plur. fanakai.
Gott, dllau, allaii, plur. allau-
wai.
Grab, mi&iher, plur. midiherai.
Grabhügel, näh, plur. uahai.
grau, bogord1, fern.fogorai, plur.
bogorakai.
Gräte, ke.tikt, naui lielif, plur.
katjkakai naui Ualafai.
gross, wfl, fern, üli, plur. v:a-
lakai. — zuwil,fern, üli (zull?),
plur. zuwalakai. — kuleh,
fern, kulni, plur. külanai. —
bai, fern, mal, plur. bäkai.
— Mittelgross, goi, plur. goi
und gogoi.
Grossmutter, von väterlicher und
mütterlicher Seite, ada, plur.
dadakai.
grossmüthig, wdrni kuleii (,Herz
gross*).
Grossvater, von väterlicher und
mütterlicher Seite, dia, plur.
diäkai.
grün, auch schwarz, mirdü(g),
fern, mirdiki, plur. mirdäkai.
gut, pidem, fern, pudumi, plur.
püdamai.
H.
Haar, yir, plur. yirai, yirakai.
Hacke, liideg, plur. Kadakai.
Hahn, yugür na üs, plur. yago-
rai na masakat.
Halm, yahaü, plur. ydhauai.
Hammel, edmek, plur. admakai.
Hammer, marahai zukauwai naui
ligdai (zoüodai?), plur. nxara-
hakai zukauwakai naui ligdai
(zgliodai ?), wörtlich ,eisern er
Stock des Schmiedes*.
Hand, ti, tuku, plur. tiakai.
Harpune, tirimi, plur. tiramai,
tirmakai.
hart, geddii.
Hase, mdnafai, plur. manafakai.
Haus, fuh (s. Dorf), plur. fu-
hakai. — mulai, plur. mu-
lakai.
Haut, drnir, amr, plur. atnarai,
amrakai.
414
M ö 110 r.
Häuptling, pai, plur. päkai.
Heer, gau, plur. gauwai.
Heide, kirdi, plur. kirdakai. Ist
der kanurischen Sprache ent
lehnt.
heiss, safö (aus sa-afu haben d-
Feuer).
Hemd, km/izl, plur. kmaziäd; —
weites, langes Hemd (Tobe),
sdpa, plur sapakai.
Henne, yüguri oder yüguri ndi-
mni (d. i. na muni), plur. yn-
garakai (yagorai), yggarakai
■na falakai. — Die Henne hat
ein Ei gelegt, yüguri tua ede.
Herbst, güdir, plur. gudrakai.
Herz, wdrni, plur. warnakai. —
Ein gutes Herz, icdrni pidem.
— Das Herz schlägt, wdrni
ddbana.
heute, girfidina.
Hexe, muni zemiryi, plur. fala-
kai zemaräliai.
Hippopotamus, masc. geriam,
fern, gerimi, plur. geriamai.
hoch, mggwa, fern, mitgui, plur.
mogwäkai.
Holz, lün, plur. lüahat.
Holzschüssel, ulai, plur. ulakai.
Honig, emcl naui t'ammuini oder
emel naui nammumi, plur.
amalaz naui t'ammumi oder
enielakai naui nemmimi.
Horn, molto. — Horn zum Signal
gehen, tatakaln (s. Büffel),
plur. tatakalauai. — Kuh-,
Ochsenhorn, mglio naui di
(tu?) d-ai, plur. mgJio naui
d'äkai.
Höcker (des Kameles), susü
guri (naui digeni), plur. su-
süguri (naui iHgenakai).
hören, d-ena, Igie.
Hund, masc. herge oder hör ge,
na ns, fern, hargai. plur. har-
gakai, hergakai.
Hunger, uiyamai, icüimai.
husten, hdia.
Hütte, dügwa, plur. dugwakai,
dugokai.
Hyäne, ivurnai, gürnai, plur.
nurnakai.
I.
Indigo, mnJiuna, plur. muiiana-
kai.
Insel, udi, plur, udiäd.
J.
jung, liehe, fern. Jidhai, plur.
Ualiakai.
K.
Kahn, lioli’m, plur. linlomai.
Kalb, männliches, aM De, plur.
all d-iikai na maSakai; —
weibliches, aide i)<ü na muni,
plur. all d-okai na falakai.
Kamel, digeni, plur. digeniäd,
digenakai.
Kanuri, Ilauptvolk von Bornu,
mefek, plur. mafakai.
Kater, hiaü, plur. niauwai.
kaufen, vra, uraii.
Kaufmann, dif zdfarai, plur.
dai zafarakai.
Käse, bdqa, plur. baqakai.
Die Musuk-Sprache in Central-Afrika.
415
Kette, sünsuli, plur. suusidakai.
Kieze, niui, plur. hiauwai.
Kirchhof, yd, plur. ydai.
klein, Kelle, fern, lidliai, plur.
lialiakai. — kwine.
Knabe, arüa goi, plur. alia goi,
alia gokoi.
Knochen, kedke, plur. lcadka-
kai.
Knöchel, hün ndsgu, plur.
hüiidd.
kochen, fdda.
Kohle, efefi, plur. afaiiai, efe-
nakai.
kommen, kdsa, gdza.
Kopf, mdda; korno(g), plur. ho-
mokai.
Korb, zdmfa, plur. zamfakai.
— kenekenE, plur. kenekana-
kai. — grosser Korb, kuiäl,
plur. kuSakai.
Korn, Getreide, icai, plur. waa-
kai.
Kornspeicher, furai naui icai,
plur. furakai nenn icai.
Köcher, guldii, plur. gulahai
naui bärau.
König, pal, plur. päkai.
kräftig, geddn, fern, gedaütplur.
gedahai.
krähen, ika. — Der Hahn kräht,
yugür aika.
Krieg, gau, plur. gauicai.
Krokodil, mase. kuriim, fern.
kärumi, plur. kuramat.
Krone am Baume, gdijir. —
Krone der Delebpalme, göyir
naui liurai.
Krug, ergmi, plur. ergenai.
Kuh, d-ai, plur. dakai: oder
vollständiger sing, d-ai na
muni, plur. däkai nafalakai.
Kupfer, lila, plur. Uiakai.
L.
lachen, ria.
Lamm, armi nedmek, plur.
arüün n edmakai.
laufen, laiia (Idwa), rdfa.
legen (Ei), iva (edi).
Leichnam, wenn noch nicht be
graben, dif zimeri, plur. dai
zimeri, — wenn begraben, dif
zepi, plur. dai zipi.
leicht, kefelek.
Leopard, allarau, plur. aüa-
rauwoi.
lieben, ddra.
liegen, fdna.
Lippe (Mund), meme (nicht ganz
sicher).
Logonbewohner, malogom, plur.
malogomai.
Löffel, terkekedeg, plur. terkeke-
dekai.
Löwe, dvfdii, plur. dufahai.
M.
machen, za, sa, da.
mager, znhogu, plur. zukogokai
— oder sing, zewuki. —- Er
ist mager, angailmki, angoi-
wuki.
Mais, godat, plur. godakai.
Mandara-Mann, modlna (für ma-
wdlna), plur. mgalnakai.
416
M ft 11 e r.
Mann, dif, plur. dai.
Markt, kosgü, plur. kosgö/cai.
Matte, ganai, plur. ganakai.
Mattenwand, Sab, plur. Sabai.
Maus, kusüm, gusüm, plur. kn-
samai.
mäckern, vom Ziegenbock, lia-
liabd; — von der Ziege tüa
(düa).
Mädchen, kleines, dliia goi na
kleine, plur. alia gokoi na go-
kwtiie (?) oder alia goinafala-
kai, alia gokoi na falakai; —
unverheiratetes, dliia goina bü-
limi, plur. alia goi na bülamai.
Medicin, dai (?), plur. dakai.
— zöriim (d. i. za-warum)
kanurisch ?
Mehl, afdt, plur. afdakai.
Mehlbrei, bog.
Messer, mugiidi, plur. muguda-
kai.
miauen, tüa (düa). — Der Kater
miaut, iiiau dtüa; — die
Kieze miaut niui tütüa.
Milch, flau, plur. fiauai; —
saure Milch, an am, plur. ana-
mai na harnai (vgl. ,Brust'
und ,weich').
Mond, tili, plur. tilalcai.
morgen, daüai, daüwai, ddwai.
Mörder, dif zefididif, plur. dai
zefididai.
Mörser, ddini, plur. adanakai,
adaiiai.
Muhammedaner, müslini, plur.
muslamai.
Mund (Lippe), memi; muku,
plur. mididai (?).
Mundring, ein Schmuckstück
aus Elfenbein, kdkarai, plur.
Icakarakai.
Musuk, dif na mumzuk, plur.
mamzökoi, mandzukoi, nlan-
dzokoi, manSokoi.
Mutter, dvma, plur. amäkai.
Muttersbruder, kend, plur. ke-
nakai.
Mücke, dmuf, plur. amafai.
N.
Nabel, tufki.
Nacht, düfog, plur. dufakai.
Nacken, id.it, plur. ulakai, ule-
kai.
Nadel, lipre, plur. liprakai.
Stammt aus der arabischen
Sprache.
Namen, aika.
Narbe, zidai, plur. zidakai.
Nase, merfeii, plur. merfanai,
merfenäd.
Nashorn, ägai, plur. agaia-
kni.
Nebel, mara, plur. marakai.
Negerhirse, mefiä, plur. mefia-
kai.
nehmen, ima.
Nest, ga(d) nauifini, plur. go-
dai naui finakai.
neu, Uelie, fern. Jialiai, plur.
lialiakai.
Neumond, tili ne lielie, plur.
tilakai na lialiakai.
neun, dekela.
niederknieen, gürfa.
niesen, dirsma, Mrsma.
Die Musuk-Spra.che in Central-Afrika.
417
Nilpferd, masc. giriam, fern, ge-
rimi, plur. geriamai.
Nord, edi.
0.
oben, amai.
Ochse, i)e, voller 71c na üs,
plur. thikai na maiakai.
Oheim, von väterlicher Seite,
tdlnafa, oder tdlnapa (d. i.
tal napa, ,Bruder (?) meines.
Vaters*) plur. talnapakat. —
von mütterlicher Seite, keim,
plur. kenakai.
Ohr, d-ime, plur. Oimakai.
Ohrring, tadenai, plur. tade-
nakai.
Orkan, herber, plur. herbarai.
Ost, zemai.
P.
Palast (des Königs), fun (’naui
pai).
Palme, Delebpalmo, linrai, plur.
Uorakai. — Dumpalme, kwä-
nai, plur. kwanalcai.
Papagei, kidrm, plur. kidrmäd.
Perle, ahraiai, plur. ahramkai.
Pfeffer, meSere, plur. masara-
kai, muSerakai.
pfeifen, psa liuvik.
Pfeil, hdrau, plur. barawoi.
Pferd, pilis, pilis, piliz, piliz,
plur. pilasakai, pilasai.
Priester, difzallaü, plur. dal zal-
lauwai. — Priester, welcher
deiiEid abnimmt, dif zeMinür.
Pulver, tütuf, plur. tütüfai, tu-
tufäd.
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. CXII. Bd. I.
ß.
Rauch, agth, plur. aginai, agi-
aiiai.
rauchen (Tabak), sa (taha).
Regen, fan, plur. fahai, faiia-
kaL
regnen, es regnet, fan d-!)a.
reich, sufarai.
rein, kuri und zukuri, plur.
kurakai und zukurakai.
Reis, ydyai, plur. yayakai.
Reiter, dif zepilis, plur. dal
zipilasai. — dif zimaddm,
plur. dai zimadamai. — dif
zudebdr, plur. zudibiri (zu-
S-ibiri).
Rhinozeros, dgai, plur. agaiakai.
Ring, für Arm und Fuss, Mai,
plur. kiakai. Vgl. Kupfer.
— Ring für Mund, s. Mund
ring.
Rohr, efek, plur. afakai.
roth, auch braun, mekele, fern.
mahalai, plur. makalakai.
rufen, ika.
Rückgrat, odär, plur. aoorai.
rülpsen, rd&a.
Rüssel, tini.
S.
Salz, linm, plur. Hqniakai.
salzig, zuüöm, plur. zuliomai.
Sand, kaikai, plur. kaikakai.
Sandale, har ab dg, plur. hara-
bakai.
Sattel, dibelai, plur. dibelakai.
Vgl. Bett und Stuhl.
Hft. 27
Sattler, dif dediti dibelai, plur.
dai na (?) dediti dibelakai.
sauer, Haieydh, plur. Kaieya-
hai.
Schaf, raasc. edmelc, fern, admi,
plur. admakai.
Scham, weibliche, gilih, plur.
gilahai.
Schatten, SeSe, plur. sesakai. •
Schattendach, bdlak, plur. ba-
lakai.
scheckig, von der Kuh, zarai,
plur. zarakai. — vom Pferde,
mdrdah.
Schiff, Holum, plur. Kolonial.
Schiffer, dif züHulum, plur. dai
zuHolomai.
Schild (der Schildkröte), kmi-
korah, plur. kohkorahai. —
(der Menschen), gurnuri, plur.
gamarai.
Schimmel (Pferd), pilis na bo-
gorcR.
schlachten, fdda.
Schlacke, felai namkawoi, plur.
felakai naui'kawoi.
schlafen, fanasmai (fana liegen,
asmai unten).
schlagen, däba.
Schlange, mudua, plur. mudua-
kai. — wdla hadali, plur.
mala hadalakai.
schlecht, dür, fern, düri, plur.
düarai.
Schmetterling, kf.ldf, plur. ke-
tafai.
Schmied, dif zuyodai(\ T arianten
zoyotai, zegedi u. a.), plur.
dai zuyodakai.
schmutzig, toloq, plur. tololcoi;
— zetoloq, plur. zitolqkoi.
Schnabel, dbgum, plur. abgamai.
schnarchen, hör dum.
Schneider, dif ididitih säpa,
plur. dai ididitih sdpa (Hem
dennäher). — dif dideti el-
küd, plur. dai dideti elkodai
(Kleiderstoffnäher).
schön, miizi, plur. muzdkai. —
pidem, fern, püdumi, plur.
pudamai. — ziem.
schreiben, za laia.
Schulter, kerped, plur. keipe-
dä[d].
Schurzfell, dmr, plur. amarai.
Schüssel, ulai, plur. ulakai.
schwach, mu/ruf, fein, mü/rufi,
plur. muyrofai.
Schwager, miidi, plur. mudakai.
schwanger, fern, midi, plur. ma-
lakai.
Schwanz, gider, plur. giderai.
schwarz, mirdefg], fern, mir-
diki, plur. mirdäkai.
Schwein, mddras, plur. madra-
sai.
Scliweiss, drzuk, plur. arzokai.
Schwester, ältere wie jüngere,
aiddma (aid’ama), plur. all
d’amakai.
Schwiegermutter, sülä na muni,
plur. sulakai na falaltai.
Schwiegervater, sulänaüs, plur.
sulakai na masakai.
schwimmen, Sa.
schwören, Ha mür.
sechs, Sära.
sehen, seddh, zetdh.
Die Musuk-Sprache in Central-Afrika
419
Sichel, hadiqi zibiluwat, plur.
hadaqai.
sieben, mükedak.
singen, ydma; zanitma (za
yama).
Sklave, hege, plur. bagakai na
ma&akai; bei, pl. balakäi.
Sklavin, bdgai, plur. bagakai
na falakai; buli.
Skorpion, hurdi, plur. hurdakai.
Sohn, arwai, plur. all.
Sonne, fett, fiiti, plur. fetakai,
futakai. — fiiti tnali arnai
(lualamai), die Sonne ist auf
gegangen. — fiiti tuali as-
mai (tualasmai), die Sonne
ist untergegangen.
Speichel, t&nek, plur. tänakai.
speien, serte tenek; sdrda
tenek.
Speise, walemSim (wala em-simi,
s. sdma, Ding zum Essen),
plur. walemSmakai.
spielen, dedaiian (für za oder
da dawa).
Spinne, meSweg, plur. mejswa-
kat.
Sprache, seit, oder Hel, Hel. —
Die Musuk-Sprache, Sen naui
mamzokoi oder Kd nauimam-
zokoi, d. i. die Sprache der
Musuk.
sprechen, meda.
Stachel, pini.
Stadt, sdgia, zegia, dagai, plur.
zagikai, dagakai.
stampfen, ge da. — Die Frau
stampft Getreide, muni tege-
9a wai.
stark, geddii, fern, gedaiii, plur.
gedaiiai.
stehlen, Hälft.
Stein, Jciri, kirid, krtd, plur.
kiridakai.
sterben, mdra.
Stern, meden, mddeden, plur.
madahai, mededehai.
Stier, kleiner, de na üs, plur.
däkai na maSakai. — grosser,
gart, plur. garakai.
Stirn, bedebedc, bedebedakü, plur.
bedebedakai.
Stock, maranai, plur. maraiia-
lcai.
Strauss, Vogel, min je], plur. mu-
kalai.
Strick, si/gom, plur. sogomai.
Stroh, efek, plur. afakai.
Stuhl, tübSlai, plur. tubelakai.
Vgl. Bett und Sattel.
Sturm, berber, plur. berbarai.
Stute, pilisi, plur. jnlasai na
falakai, pilasakat na fala
kai.
Süd, alid.
süss, nein, nein.
T.
Tabak, tdba, plur. tabakai.
Tag, girfedi, plur. girfidakai.
— Von Tripoli nach Chorus
sind zwei Tage, aHeli a tard-
bidus bar aHeli ai Hirnes efrd
dfti (afdif) silii.
tanzen, hafäna (ha fand).
Tätowirung, sdrd, narku, plur.
saralcai nardakai.
27*
420
Müller.
Teich, äfai, plur. afakai.
Teufel, mir/i, plur. marüliai.
Thau, eneni, plur. enekakai.
Thon, adinkai, plur. adiiikakai.
Thräne, tüi, plur. tüakai.
tlmn, za, da, sa.
Thür, mini marüg. (?)
Topf, tokond, plur. tokonakai.
tödten, fdda, fdta.
Töpferin, muni ze.toke.na, plur.
falakai zetokenakai. — Töpfer
gibt es nicht.
trocken, Jiuleh, Uulen, fern, Külni,
plur. liulanai.
Trommel, tim, plur. timakai,
tamalcai.
Turban, gdbaga ne midi dif,
plur. gabagakai ne medi dai.
U.
unten, asmai.
Urin, lioiiai, plur. hoiiakai.
Urne, auf dem Grabhügel, er-
geni, plur. ergenai.
V.
Vater, dpa, ydpa, plur. dpakai.
Vatersbruder, tdlnafa, tälnapa
(talnapa), plur. talnapakai.
verkaufen, lifdn.
verstehen, legie, d-ena, saterand.
viel, fiar.
vier, pudü.
Vogel, grosser, fünek, plur. fä-
nakai. — kleiner, fini, faini,
finiki, plur. finakat.
vorgestern, dibedu.
W.
Wachs, nilavi naui fdmmuml,
plur. nelamat naui n'emmi-
makai.
wahr, müzi, plur. muzäkai. —
pidem, fern, püdumi, plur.
pudamat.
Waise, masc. artva goi na hiiuq,
plur. alia goi (alia gogoi.) na
hoiakai; — fern, aliia goi na
hüuki, plur. alia goi (alia
gogoi) na falakai na lioiakai.
Wand, dan, plur. daiiai.
waschen, mdsa.
Wasser, yem, plur. yemakai.
Weber, sasdka, plur. dai sd-
sakai.
Weib, muni, plur. falakai.
weich, liarnai, plur. harnanai.
(Vgl. ,Milch').
weinen, tiia, düa.
weiss, auch gelb, mutukui, plur.
mutukokoi.
wettern, es wettert, dllau dbara.
Wind, SmBr, plur. smsräd.
Wirbelwind, fülfili, plur. ful-
fulakai. Vgl. ,Sturm'.
wissen, zetdii. Siehe ,sehen'.
Witwe, muni Zigren, plur. fa
lakai zigranai.
Witwer, dif zigreh, plur. dai
Zigranai.
Wolke, minlibe, plur. minli-
bakai.
wollen, ddra.
Wurfeisen, Süe}, plur. makai.
AVurzel, salawön naui lün, plur.
salaivonai naui lüanai.
Silzungsb. d. Itais. Äkad. d. Wissensch. pUil.-hist. Classe, CXII. Bd., I. Hft., 1S8G.
Die Musuk-Spraclie in Central-Afrika.
421
Z.
Zahn, seSi/Ji, plur. SeSenäd, seiii-
anäd.
Zauberer (vgl. Teufel), dif
zernvr/j, plur. dai zemarcdiai.
zehn, dögo.
zerbrechen, lidda, Hdta.
Ziege, masc. efkeS, voller eflcas
na üs, plur. afkasai na maSa-
kai; — fern, afkusi, plur.
afkasai na falakai.
Ziegenbock, yeh, plur. yältai
— dfkeS na üs.
Zunge, SlSsi, alesi, plur. SleSäd,
elesäd.
zwanzig, dögodggo silu.
zwei, silu.
Zwilling, daieh, plur. daiakai.
zwölf, dögo pin silu.
X. SITZUNG VOM 7. APRIL 1886.
Das c. M. Herr Professor Dr. von Luschin-Eben-
greuth in Graz spricht seinen Dank aus für den ihm gewor
denen Auftrag, ein mit biographischen Notizen ausgestattetes
Repertorium der bis zum Jahre 1630 an italienischen Reclits-
schulen nachweisbaren deutschen Studenten mit Hilfe der
Savigny-Stiftung herzustellen.
Herr P. Beda Schroll O. S. B. sendet das mit einer
Einleitung versehene ,Nekrologiuin des ehemaligen Augustiner-
Chorherren-Stiftes St. Maria in Jona oder Eberndorf" ein und
ersucht um -seine Veröffentlichung in den akademischen Schriften.
Die Mittheilung wird der historischen Commission über
geben.
»
Von Herrn Franz X. Kuhaö, Professor an dem Landes-
Musikinstitute in Agram, wird eine Abhandlung: ,Zur deutschen
Orthographie' übersendet mit dem Ersuchen um ihre Auf
nahme in die Sitzungsberichte.
Die Abhandlung wird einer Commission zur Begutachtung
zugewiesen.
Von Herrn Dr. Ignaz Stich in Wien wird eine Ab
handlung, betitelt: ,Ueber den Convent zu Nizza und die Zu
sammenkunft in Aiguesmortes 1538. Vorzüglich nach venetiani-
schen Quellen. Ein Beitrag zur Geschichte Karls V.' über
reicht.
423
Ferner übergibt mit demselben Ersuchen Herr Dr. Gustav
Turba in Wien eine Abhandlung: ,Ueber den Zug Kaiser
Karls V. gegen Algier, eine Quellenuntersuchung* mit dem Er
suchen um ihre Veröffentlichung in den akademischen Schriften.
Beide Abhandlungen werden der historischen Commission
überwiesen.
Herr Dr. Christian Freiherr von Ehrenfels in Wien legt
eine Abhandlung vor, welche betitelt ist: .Metaphysische Aus
führungen im Anschlüsse an Emil du Bois-Reymondl Der Vor
tragende ersucht um Aufnahme der Abhandlung in die Sitzungs
berichte.
Die Abhandlung wird einer Commission zur Begutachtung
überwiesen.
Herr Dr. Alfred Francis Pribram in Wien hat eine Aus
gabe der ,Berichte des kaiserlichen Gesandten Franz von Lisola 4
vorbereitet, welche er mit dem Ersuchen um ihre Veröffent
lichung in den Fontes rerum Austriacarum vorlegt.
Die Vorlage geht an die historische Commission.
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Academia, real de ciencias morales y politicas: El poder civil en Espana.
Tomo I—HI. Madrid, 1885; 81
— — Necropolis de Carmona. Madrid, 1885; 4°. — Discursos; Madrid,
1885; 8°. — Resumen de sus actas y discursos. Madrid, 1885; 8°. —
Reglemento interior. Madrid, 1885; 121
— — real de Ia historia: Boletin. Tomo VIII, Guademo I y III. Madrid,
1886; 81
Acadcmie, imperiale des Sciences de St.-Petersbourg: Bulletin. Tome XXX,
No. 3. St.-Petersbourg, 1886; gr. 41
Academy, tbe American of arts and Sciences: Proceedings. N. S. Vol.
XII, wliole series Vol. XX. Boston, 1885; 81
Aceademia, R. della Crusca: Atti. Anno 1884—1885. Firenze, 1886; 8".
Bern, Universität: Akademische Schriften pro 1884. 83 Stücke 8° und 41
Johns Hopkins University: Studies in historical and political Science.
4"* series. II. Town Government in Rhode Island by William E. Foster.
IH. The NarrngansettPlanters by Edward C h anning.Baltimore, 1886; 8".
— — The American Journal of Philology. Vol. VI, Nr. 4. Baltimore,
1885 ; 81
424
Kiew, Universität: Uniyersitäts-Nachrichten. Tora. XXV, Nr. 12. Kiew,
1885; 8°.
Museo nacional de Mexico. Torao III, Entrega 7 a . Mexico, 1885; Folio.
Sanskrit Manuscripts in private libraries of Southern India: Lists. Vol. II.
Madras, 1885; 8°.
Society, the Asiatic of Bengal: Bibliotheca Iudica. N. S. Nrs. 561—566.
Calcutta, 1886; 4° and 8°.
— the royal Asiatic, China Brancli: Journal. N. S. Vol XVIII. Shanghai.
1884; 8°. — Vol. XIX, part 1. Shanghai, 1885; 8 U . — Vol. XX, Nrs.
1 and 2. Shanghai, 1885; 8°.
— the Scottisli geographical: The Scottish geographical Magazine. Vol. II.
Nr. 4. Edinburgh, 1886; 8°.
Statistisches Landesamt, k.: Wiirttembergische Vierteljahrshefte für
Landesgeschichte. Jahrgang VIII, 1S85, Heft I—IV. Stuttgart, 1885 bis
1886; 4°.
Statuto dei Padri del Comune della Kepublica Genovese publicato per
cura del Municipio. Genova, 1886; 4°.
Verein, historischer für das Wiirttembergische Franken: N. F. II. Die
Stiftskirche zu Oehringen, von Ernst Boger. Schw.-Hall, 1845; 4°.
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*31
XI. SITZUNG VOM 5. MAI 1886.
Se. Excellenz der Präsident macht Mittheilung von dem
am 24. April d. J. erfolgten Ablehen des w. M. Dr. Eduard
Linnemann, o. ö. Professor der allgemeinen Chemie an der
k. k. deutschen Karl Ferdinands-Universität in Prag.
Die Mitglieder erheben sich zum Zeichen des Beileides.
Die Direction des Obergymnasiums zu Pilgram spricht
den Dank aus für die Ueberlassung akademischer Publicationen.
Von Druckwerken sind folgende mit Zuschriften ein
gegangen :
,Reden, gehalten bei der feierlichen Inauguration des
Rectors der k. k. technischen Hochschule in Wien pro 1885—
188G', eingesendet von dem Rectorate der Anstalt;
,Erläuterungen zur Mayahandschrift der k. Bibliothek zu
Dresden' von E. Forstemann, übersendet von der General-
direction der königlichen Sammlungen für Kunst und Wissen
schaft ;
,Ueber philosophische Wissenschaft und ihre Propädeutik'
von A. Meinong in Graz, überreicht von dem Herrn Verfasser;
Sitzungsbcr. d. phil.-hist. CI. CXII. Bd. II. llft. 28
426
,Golgatha und Oelberg', christologisches Epos von F. W.
Helle, übersendet von dem Herrn Verfasser;
,Griechische Grammatik' von Gustav Meyer in Graz,
zweite Auflage, eingesendet von dem Herrn Verfasser.
Das c. M. Herr Director Conze in Berlin übermittelt
einige Exemplare von A. Brueckner’s soeben erschienener
Dissertation ,Ornament und Form der attischen Grabstelen',
wozu der Apparat der Grabreliefsammlnng mit Genehmigung
der Akademie benützt wurde.
Das w. M. Herr Professor W. von Hartei macht Mit
teilungen über den Fund neuer Bruchstücke aus Sallust’s
Historien in der Handschrift von Orleans Nr. 169 durch Herrn
Dr. E. Haider, welche für den ,Anzeiger' bestimmt sind.
Das c. M. Herr Professor Dr. Adalbert Horawitz legt
eine für die Sitzungsberichte bestimmte Abhandlung unter dem
Titel ,Johannes Faber und Petrus Paulus Vergerius' vor.
Von Herrn Dr. Josef Neuwirth, Docent der Kunst
geschichte an der k. k. deutschen Universität in Prag, wird
eine Abhandlung eingesendet, welche den Titel führt: ,Studien
zur Geschichte der Miniaturmalerei in Oesterreich'. Der Herr
Verfasser ersucht um Aufnahme derselben in die Sitzungs
berichte.
Herr Dr. W. Vondräk in Wien überreicht eine Ab
handlung: ,Zur Kritik der altslovenischen Denkmale' mit dem
Ersuchen um ihre Aufnahme in die Sitzungsberichte.
Die vorgelegten Abhandlungen werden Commissionen zur
Begutachtung überwiesen.
427
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Academie royale de Belgique: Bulletin. 55 c annee, 3 C sdrie, tome XI,
Nos. 2 et 3. Bruxelles, 1886; 8°.
Central-Commission, k. k. statistische: Oesterreichische Statistik. XI.
Band, 2. Heft. Die Ergebnisse des Concursverfahrens in den im Reiclis-
rathe vertretenen Königreichen und Ländern im Jahre 1883. Wien,
1886; gr. 4°.
Gesellschaft, k. k. geographische in Wien: Mittheilungen. Band XXIX,
Nr. 3. Wien, 1886; 8».
— königl. sächsische der Wissenschaften zu Leipzig: Philologisch - historische
Classe. 1885. IV. Leipzig, 1886; 8°.
— allgemeine geschichtforschende der Schweiz: Jahrbuch für Schweizerische
Geschichte. XI. Band. Zürich, 1886; S'\
Grierson, George, A., B. C. S., M. A. S. B., M. R. A. S.: Biliar Peasant Life,
being a discursive Catalogue of the Surroundings of the people of that
provinee. Calcutta, 1885; 8°.
Institnto historico, geographico e ethnographico Brasiliero: Catalogo das
Cartas geographicas, liidrographicas, Atlas, Pianos e Vistas existentes
na Bibliotlieca. Rio de Janeiro, 1885; 8°.
Instituut, lconinklijk voor de Taal-, Land- en Volkenkunde van Neder-
landsch-Indie: Bijdragen tot de Taal-, Land- en Volkenkunde van Neder-
landsch-Indiii. V. Volgreeks, I. Deel, 2. Aflevering. ’s Gravenhage,
1886; 8°.
Kiew, Universität: Universitätsberichte. Tom. XXVI, Nr. 1. Kiew, 1886; 8°.
Lund: Acta Universitatis Lundensis. Tom. XX. Lund, 1883—1884; 4° und 8°.
Mittheilungen aus Justus Perthes’ geographischer Anstalt von Dr. A.
Petermann. XXXII. Band, 1886. IV. Gotha; 4«.
Museo nacional de Mexico: Anales. Tomo III, Entrega 8 n . Mexico, 1885; Folio.
Societä Italiana di Antropologia, Etnologia e Psicologia eomparata: Archivio.
XV n Vol., Fascicolo 3. Firenze, 1885; 8°.
Society, the Asiatic of Bengal: Journal. Vol. LIV, part I, Nrs. 3 and 4.
1885. Calcutta, 1885; 8°.
Proceedings. Nrs. 9 and 10. Calcutta, 1885; 8°.
Strassburg, Universität: Akademische Schriften pro 1884. 36 Stücke
4° und 8°.
28*
428
Verein für Landeskunde von Niederösterreich: Blätter. N. F. XIX. Jahr
gang, Nr. 1—12. Wien, 1885; 8°.
— für Geschichte und Alterthum Schlesiens: Zeitschrift. XX. Band. Breslau,
1886; 8°. — Regesten zur schlesischen Geschichte von Dr. C. Grün
hagen. III. Theil bis zum Jahre 1300 nebst Register. Breslau, 1886; 4°.
Wissenschaftlicher Club in Wien: Monatsblätter. VII. Jahrgang, Nr. 7.
Wien, 1886; 8°.
v. Ehrenfels. Metaph. Ausführungen im Anschi, an E. du Bois-Reymond. 429
Metaphysische Ausführungen im Anschlüsse an
Einil du Bois-Reymond.
Von
Dr. Christian v. Ehrenfels.
Einleitung.
Es darf gewiss als ein charakteristisches Merkmal für
die gegenwärtige Entwicklungsphase des Culturlebens bezeichnet
werden, dass der Antrieb zu metaphysischer Reflexion ge
meiniglich in dem Boden der Naturwissenschaft Wurzel zu
schlagen pflegt. Ein hervorragendes Beispiel hiefür bietet Du
Bois-Reymond in seinen berühmten Abhandlungen ,über die
Grenzen dos Naturerkcnnens' und ,die sieben WelträthseP,
welche bereits zu den mannigfachsten gegnerischen sowie bei
stimmenden Kundgebungen Anlass geboten haben. Ein Vor
zug jedoch dürfte denselben von Freund und Feind in gleicher
Bereitwilligkeit zugestanden werden, der Vorzug der Dar
stellung nämlich, wie er in der Kürze und Knappheit sowohl,
als auch in der eindrucksvollen Plastik der Formulirungen
zur Geltung gelangt. Dieser Umstand war es zunächst, welcher
den Verfasser der vorliegenden Untersuchung dazu bestimmte,
von einer kurzen Darlegung der Metaphysik Du Bois-Rcymond’s
seinen Ausgang zu nehmen, nicht etwa um dann in kleinlicher
Kritik jeder bemängelswertken Position und Ausdrucksweise
entgegenzutreten, sondern um einer Reihe klar und präcise
ausgesprochener Behauptungen gegenüber ebenso bestimmte
Stellung nehmen zu können.
430
v. Ehrenfels.
Du Bois-Reymond’s Weltanschauung lässt sich kurz in
folgenden Thesen zusammenfassen: 1
Der gesammte physische Naturlauf einschliesslich aller Ver
änderungen in und an den Organismen des Pflanzen- und Thier
reiches, einschliesslich also auch aller derjenigen Bewegungen,
welche wir als willkürliche Handlungen des Menschen oder
des Thieres bezeichnen, kann als ein einziges mechanisches
System betrachtet und könnte in seiner Gesetzmässigkeit auch
als solches verstanden werden. Ein Geist, dem bekannt wären
,1. Die Gesetze, nach welchen die zwischen den Theilen des
Systems wirksamen Kräfte sich mit der Entfernung ändern;
2. die Lage der Theile des Systemes in zwei durch ein Zeit-
differential getrennten Augenblicken, oder, was auf dasselbe
hinausläuft, die Lage der Theile und ihre nach drei Axen
zerlegte Geschwindigkeit zu einer bestimmten Zeit' 2 — ver
möchte — ,ein vor- und rückwärts gewandter Prophet' — die
Lage und Bewegung der grössten wie der kleinsten Theile des
Systemes zn irgend einer vergangenen und zukünftigen Zeit
mit absoluter Genauigkeit zu erschliessen. Alle Geheimnisse
der Weltgeschichte wären ihm offenbar; er ,läse ... in seinen
Gleichungen den Tag, da das griechische Kreuz von der Sophien
moschee blitzen, oder da England seine letzte Steinkohle ver
brennen wird'. 3 Ihm ,wären die Haare auf unserem Haupte
gezählt, und ohne sein Wissen fiele kein Sperling zur Erde'. 4
Der menschliche Geist ist von einem solchen Geiste nur grad
weise verschieden. ,Wir gleichen diesem Geist, denn wir be
greifen ihn'. 5 ,Die Unmöglichkeit, die Differentialgleichungen
der Weltformel aufzustellen, zu integriren und das Ergebniss
zu discutiren, ist keine in der Natur der Dinge begründete,
sondern beruht auf der Unmöglichkeit, die nöthigen thatsäch-
lichen Bestimmungen zu erlangen, und, auch wenn dies mög
lich wäre, auf deren unermesslicher, vielleicht unendlicher Aus-
1 Die Bezeichnungen G. d. N. und 7 W. mit den beigeftigten Zahlen be
ziehen sich auf die betreffenden Seitenzahlen in Du Bois-Reymond’s
,Ueber die Grenzen des Naturerkennens. Die sieben Welträthsel“. Des
ersten Vortrages sechste, des zweiten Vortrages zweite Auflage. Leip
zig, 1884.
2 G. d. N. 33.
4 G. d. N. 15.
3 G. d. N. 14.
5 G. d. N. 18.
Metaphysische Ausführungen im Anschlüsse an Emil du Bois-Reyraond.
431
dehnung, Mannigfaltigkeit und Verwickelung/ 1 Der bisherige
Entwicklungsgang der Naturwissenschaften rechtfertigt die Er
wartung, dass wir uns einem solchen Erkennen in stetem
Fortschritte nähern werden, ohne es wohl jemals zu erreichen.
Die psychische Welt oder der psychische Naturlauf be
schränkt sich auf das Seelenleben von Mensch und Thier und
wird in all seinen Bestimmungen durch den Verlauf materieller
Geschehnisse vollkommen bedingt, ohne seinerseits denselben
auch nur im geringsten Masse zu beeinflussen. Das psychische
Phänomen stellt sich ein als Begleiterscheinung gewisser mate
rieller Bewegungen, wie solche einzig in der functionirenden
Nervensubstanz sich realisiren. ,Wo es an den materiellen
Bedingungen für geistige Thätigkeit in Gestalt eines Nerven
systems gebricht, . . . kann der Naturforscher ein Seelenleben
nicht zugeben . . / 2 Umgekehrt kann der Mechanismus des
physischen Geschehens nirgends durch psychisches Eingreifen
gestört werden. ,Der Zustand . . . eines menschlichen Gehirnes
in jedem Augenblick ist die unbedingte Wirkung des Zustandes
im vorhergehenden Augenblick . . / 3 ,Die Hirnmoleküle können
stets nur auf bestimmte Weise fallen, so sicher wie Würfel,
nachdem sie den Becher verliessen. Wiche eine Molekel 1
etwa in Folge der Einwirkung eines Willensaktes ,aus ihrer
Lage oder Bahn, so wäre das ein Wunder so gross als bräche
der Jupiter aus seiner Ellipse und versetzte das Planetensystem
in Aufruhr/ 4
Das also beschaffene Weltganze setzt dem Fortschritte
menschlicher Erkenntniss zwei schlechterdings unübcrschreit-
bare Schranken.
Erstlich werden wir niemals eine Vorstellung von der
eigentlichen Beschaffenheit der Materie erlangen. Dass der
selben die Qualitäten Farbe, Ton, Geruch u. s. w. nicht in
Wirklichkeit oder an sich zukommen können, haben wir er
kannt und darf nicht mehr bezweifelt werden. Ein räumlich
Existirendes ohne irgend welche Qualitäten ist ein Widerspruch;
niemals aber werden wir die wirkliche Qualität der Materie
erforschen, da uns eben nichts anderes gegeben ist, als unsere
1 G. d. N. 19. 2 G. d. N. 45.
3 7 W. 88. 4 7 W. 89.
432
v. Elirenfels.
Sinnesqualitäten. ,Nie werden wir besser als heute zu sagen
wissen, was, wie Paul Erman zu sagen pflegte, hier, wo
Materie ist, im Raume spukt/ 1 Und wie das Wesen der
Materie, so wird uns auch stets der eigentliche Grund ihrer
Wirkungsweise im Weltmechanismus, d. h. also der Grund
der denselben beherrschenden Naturgesetze, verschlossen bleiben.
Ein zweites unlösbares Räthsel ist der Grund des Bedingt-
seins psychischer durch physische Vorgänge. ,Es ist eben
durchaus und für immer unbegreiflich, dass es einer Anzahl
von Kohlenstoff-, Wasserstoff-, Stickstoff-, Sauerstoff- u. s. w.
Atomen nicht sollte gleichgültig sein, wie sie liegen und sich
bewegen, wie sie lagen und sich bewegten, wie sie liegen und
sich bewegen werden. Es ist in keiner Weise einzusehen,
wie aus ihrem Zusammenwirken Bewusstsein entstehen könne/ 2
Die Welt, insoweit sie das anorganische Naturgeschehen und
das Pflanzenleben umfasst, bietet der Erkenntniss nur jene
eine Schranke bezüglich des Wesens von Materie und Kraft;
mit dem ersten Auftauchen psychischer Bethätigung stellt sich
das zweite, desgleichen unlösbare Räthsel ein. ,Der traumlos
Schlafende ist begreiflich, so weit wie die Welt, ehe es Be
wusstsein gab. Wie aber mit der ersten Regung von Bewusstsein
die Weit doppelt unbegreiflich ward, so wird auch der Schläfer
es wieder mit dem ersten ihm dämmernden Traumbild/ 3 ,Damit
ist die andere Grenze unseres Naturerkennens bezeichnet. Nicht
minder als die erste ist sie eine unbedingte. Nicht mehr als
im Verstehen von Kraft und Materie hat im Verstehen der
Geistesthätigkeit aus materiellen Bedingungen die Menschheit
seit zweitausend Jahren, trotz allen Entdeckungen der Natur
wissenschaft einen wesentlichen Fortschritt gemacht. Sie wird
es nie/ 1
,Unser Naturerkennen ist also eingeschlossen zwischen
den beiden Grenzen, welche einerseits die Unfähigkeit, Materie
und Kraft, andererseits das Unvermögen, geistige Vorgänge
aus materiellen Bedingungen zu begreifen, ihm ewig stecken.
Innerhalb dieser Grenzen ist der Naturforscher Herr und Meister,
zergliedert er und baut er auf, und Niemand weiss, wo die
1 G. d. N. 23.
3 G. d. N. 38.
2 G. d. N. 37.
4 G. d. N. 39.
Metaphysische Ausführungen im Anschlüsse an Emil du Bois-Reymond. 4-33
Schranke seines Wissens und seiner Macht liegt; über diese
Grenzen hinaus kann er nicht und wird er niemals könnend 1
Dies in ihren Hauptzügen die Weltanschauung, welche
wir für die folgenden Untersuchungen zum Ausgange erwählt
haben. Da es in der Absicht Du Bois-Reymond’s gelegen ist,
vornehmlich die Unüberschreitbarkeit der Grenzen des Natur-
erkennens zu betonen, so verwendet er weniger Zeit und Raum
auf die ausführliche Begründung des positiven Theiles seiner
Behauptungen, so dass daher auch dort, wo denselben unbe
dingte Zustimmung zu ertheilen ist, manche wünschenwerthe
Beiträge nachzutragen sein dürften. Es werden sich darum
die ersten Capitel unserer Darlegungen blos bestätigend und
ausführend innerhalb der Grenzen von Du Bois-Reymond’s
Weltbilde bewegen, um namentlich die Frage nach der Art
des zwischen physischem und psychischem Geschehen anzu
nehmenden Causalverhältnisses einer eingehenden Erörterung
zu unterziehen und auf solche Weise für einen hierauf sich
eröffnenden weiteren Ausblick den festen Standpunkt zu ge
winnen.
I. Physisches und psychisches Geschehen.
Das Verhältniss zwischen physischem und psychischem
Naturgeschehen lässt sich gemäss der Auffassung Du Bois-Rey
mond’s den wesentlichsten Bestimmungen nach in folgenden
Thesen präcisiren: 1. Alle psychischen Vorgänge sind einzig
ermöglicht und in jeder Beziehung bedingt durch gewisse
materielle Processe, welche ihnen zu Grunde liegen. 2. Niemals
kann ein materielles Partikel durch psychische Kräfte bewegt
oder abgelenkt werden.
Die erste dieser Thesen wird im grossen Ganzen schon
durch die directe Empirie begründet. Wir beobachten das
Vorhandensein der psychischen niemals anders als in zeitlicher
Coexistenz mit bestimmten physischen Vorgängen und haben
daher kein Recht, jene anzunehmen, wo diese fehlen. Ausser-
1 G. d. N. 40.
434
v. Ehrenfcls.
dem aber können wir — nach der Differenzmetbode — den
Einfluss namentlich physischer Abnormitäten auf das psychische
Leben in zahlreichen Einzelfällen verfolgen. Wir sehen ,den
menschlichen Geist gleichsam mit dem Gehirne wachsen . . .
In Schlaf und Traum; in der Ohnmacht, dem Rausch imd
der Narkose; in der Epilepsie, dem Wahn- und Blödsinn, dem
Cretinismus und der Mikrocephalie; in der Inanition, dem
Fieber, dem Delirium, der Entzündung des Gehirnes und seiner
Häute, genug in unzähligen, tkeils noch in die Breite der
Gesundheit fallenden, tlieils krankhaften Zuständen zeigt sich
. . . die geistige Thätigkeit abhängig von der dauernden oder
vorübergehenden Beschaffenheit des Seelenorgans .... Wo
von den anthropoiden Affen zum Menschen die geistige Be
fähigung den durch den Besitz der Sprache bezeiehneten
Sprung macht, ßndet sich ein entsprechender Sprung in der
Hirnmasse vor 4 '. 1 Die Fülle solcher Eiuzelbeobachtungen stellt
es als im hohen Grade wahrscheinlich dar, dass jedes psychische
Phänomen zu seiner Existenz eines bestimmten materiellen
Vorganges bedürfe. Eine noch genauere Rechtfertigung dieses
Satzes wird jedoch erst unter Voraussetzung der zweiten von
den oben angeführten Thesen ermöglicht werden.
Zur Begründung dieser letzteren nun verweist Du Bois-
Reymond kurz auf das Gesetz von der Erhaltung der Energie,
welches ein irgendwie geartetes Eingreifen nichtmaterieller Kräfte
in die Bewegung der Materie verbiete. Dagegen könnte vor
allem das Bedenken erhoben werden, oh denn jenes Gesetz
empirisch mit solcher Präcision nachgewiesen sei, dass man
ein Recht habe, jede, auch die geringste Abweichung davon
als ausgeschlossen zu betrachten; — denn nur um geringe
Abweichungen, um Impulse zur Auslösung von in der Nerven-
substanz angesammelten Spannkräften würde es sich überhaupt
handeln. Allerdings nun ist die directe Empirie unvermögend,
solche Abweichungen absolut auszuschliessen. Unseres Wissens
ist noch niemals bei einem functionierenden, beseelten Organis
mus die Bilanz zwischen der aufgenommenen und der ab
gegebenen Energie einer experimentellen Festsetzung unter
worfen worden; würde dies aber auch und zwar mit den für
i G. d. N. 41.
Metaphysische Ausführungen im Anschlüsse an Emil du Bois-Iicymond. 435
das Gesetz von der Erhaltung der Energie günstigsten Resultaten
geschehen sein, so würden die hiebei niemals auszuschliessenden
Beobachtungsfehler für die Unterbringung von irgend welchen
endlich grossen psychischen Auslüsekräften noch immer ge
nügenden Raum offen lassen, so dass es als schlechterdings
unerreichbar bezeichnet werden muss, über Existenz oder Nicht
existenz jener auf dem Wege directer Versuche zu einer ab
solut sicheren Entscheidung zu gelangen. Sollen wir darum
das Gesetz von der Erhaltung der Energie ganz fallen, oder
doch blos als ein approximatives, von Bedingungen abhängiges,
secundäres Gesetz gelten lassen? — Wenn gewichtige Gründe
für das Vorhandensein psychischer Auslösekräfte namhaft ge
macht werden könnten, dann könnte auch diese Frage actuelle
Bedeutung erlangen; wie die Chancen aber vorgängig vertheilt
sind, ist sie entschieden zu verneinen. Denn von vorne herein
ist die Existenz jener Kräfte nicht wahrscheinlicher als ihr
Gegentheil; jeder Grund, der dem Für oder Wider in die
Wagschale fällt, bringt diese auch schon zum Sinken. Nun
ruht aber das Gesetz von der Erhaltung der Energie auf so
breiter empirischer Grundlage und ist überdies so sehr ge
eignet, Einfachheit und Klarheit in die Betrachtung sämmtlicher
Naturvorgänge hineinzutragen, dass wir, soferne wir überhaupt
ein Recht besitzen, der einfacheren Hypothese den Vorzug
zu ertheilen — und das ganze Gebäude der Naturwissenschaft
würde Zusammenstürzen, wollte man dieses Recht läugnen —
auch befugt sein müssen, einen Satz, welcher sich so sehr wie
der hier in Rede stehende zum obersten Principe eignet, als
solches zu betrachten, so lange alle empirischen Beweisgründe
mit entsprechender Genauigkeit für ihn, keiner aber gegen
ihn Zeugniss giebt. Es wird daher, um für die Existenz psy
chischer Auslösekräfte in einer nur einigermassen berücksich-
tigungswerthen Weise eintreten zu können, vor allem nöthig
sein, dieselbe mit dem Gesetze von der Erhaltung der Energie
in Einklang zu bringen.
Dies scheint nun auf den ersten Anblick gar keine
Schwierigkeiten zu bereiten. Denn wenn jenes Gesetz nicht
mehr besagt, als dass die Summe der potentiellen und der
kinetischen Energie im Weltganzen eine constante Grösse aus
mache, so könnte man dieser Forderung durch Einbeziehung
436
v. Ehrenfel s.
etwaiger an psychische Existenzen geknüpfte potentielle Energie
in die Gesammtmenge derselben leicht Gerechtigkeit wider
fahren lassen. Die landlänfige Ansicht geht ohnedies dahin,
dass sowie bei der Fnnction der Sinnesnerven durch Consumtion
einer irgendwie gearteten, bis in das Gehirn fortzuführenden Be
wegung Empfindung erzeugt, hinwieder durch den Willensact der
Nervensubstanz selbst ein gewisser Impuls zurückgegeben werde.
Das Gesetz von der Erhaltung der Energie scheint aber nur zu
verlangen, dass bei solchen und ähnlichen Transactionen das
Psychische nicht mehr und nicht weniger Energie gleichsam
herausgebe, als es vorher dem Physischen entnommen habe.
Auch reciprok könnte man sich möglicherweise das Verhältniss
vorstellen, indem man dem Psychischen die Rolle des Gläubigers,
dem Physischen die des Schuldners zuschriebe; nur wäre diese
Auffassung weniger dem äusseren Anscheine und dem gemeinen
Dafürhalten entsprechend. Für alle Fälle aber müsste man,
um abenteuerlichen Hypothesenbildungen aus dem Wege zu
gehen, die Schuld an abzugebender Energie, möge sie sich
hie oder drüben vorfinden, jedesmal mit dem Tode des Indi
viduums für ausgeglichen erachten. Dies wäre nun allerdings
eine an sich schon etwas erkünstelte Annahme, welche mit
dem Hinblick auf die Erfahrung an Wahrscheinlichkeit gewiss
nicht gewinnen könnte. Denn wollte man nicht diesbezüglich
eine eigene Vorsehung walten lassen, so müsste man doch bei
einem plötzlichen Tode etwa in der vollsten Kraft psychischer
Bethätigung auch einen ebenso plötzlichen Austausch der Energie
gelten lassen, von welchem empirisch kein irgend beglaubigter
Nachweis zu erbringen ist. Da es sich aber, wie schon er
wähnt, für jeden Fall nur um sehr geringe Grössen handelt,
so wäre es nicht ausgeschlossen, einen solchen Mangel der
Ungenauigkeit unserer Beobachtung zuzuschreiben.
Indessen dürfte die vorgebrachte Hypothese an einem
noch viel' tiefer gelegenen Uebel kranken, welches sie einer
vollständigen Läugnung des Gesetzes von der Erhaltung der
Energie beinahe gleichwerthig erscheinen lässt. Denn wenn
sie jenem Gesetze auch seine äussere, in gewissem Sinne formal
zu nennende Giltigkeit belässt, so beraubt sie es doch gänzlich
seiner für sich selbst sprechenden Klarheit und inneren Durch
bildung, vermöge deren es mit solcher Sicherheit der Ueber-
Metaphysische Ausführungen im Anschlüsse an Emil du Bois-Reymond. 437
zeugung zu einem der obersten aller Naturprincipien erhoben
wurde. Stösse materieller Partikel, welche, anstatt wie anders
wo in der Natur sich auf benachbarte Partikel zu übertragen,
oder Deformationen herbeizuführen, oder Atomverbindungen
auseinanderzureissen, nun im func.tionirenden Centralorgan in
Empfindungen, Urtheile und Gefühle auseinanderstieben, —
Beschleunigungen, welche, anstatt wie anderswo in der Natur
durch Stoss, Elasticität oder Anziehung, — im Gehirne durch
Willensimpulse geschaffen werden sollten; dies sind die Vor
stellungen, welche, ohne dass sie einen Widerspruch enthielten,
dennoch einer nach Klarheit ringenden Naturbetrachtung nur
unter dem Zwange der Nothwendigkeit einverleibt werden
können. Wir sind zwar von einem Ausbau der mechanischen
Naturauffassung noch weit entfernt, nähern uns aber dennoch
einem solchen mit hoffnungsvoller Stetigkeit: die Annahme
psychischer Auslösekräfte jedoch würde jeden Ausblick nicht
nur auf die thatsächliche, sondern auch auf die mögliche Er
reichung jenes Klarheitsgrades in der Begreif bar keit der physi
schen Naturvorgänge ausschliessen, welcher sich allein mit der
mechanischen Darstellung derselben verbindet. Empfindung und
Bewegung sind incommensurable Grössen; keinem Aequivalent
zwischen beiden gebührt vor den unendlich vielen möglichen
irgend ein Vorzug innerer Einfachheit oder grösserer Wahr
scheinlichkeit ; jede diesbezügliche Norm des Thatbestandes
würde den Eindruck vollkommener Willkür hervorrufen; dass
irgend welche Tonempfindung etwa von bestimmter Höhe,
Stärke und Dauer bei ihrer Erzeugung die Tagesarbeit einer
ganzen Pferdekraft verbrauchen sollte, ist von vorne herein
nicht mehr und nicht weniger plausibel, als dass hiezu der
billionste Theil eines Meterkilogrammes hinreichen würde; den
noch müsste man irgend ein solches Verhältniss als dem sach
lichen Verlaufe entsprechend annehmen. Während also kein
Hinderniss vorliegt, sich den gesummten physischen Natur
verlauf als das durchsichtige Wechselspiel eines Mechanismus
vorzustellen, müsste man annehmen, dass, wo sich Materie
zum Nervensystem eines beseelten Organismus zusammenfindet,
dieses Spiel in unbegreiflicher Weise durch das Herein wirken
ganz neuer, mit den bisherigen incommensurabler Motive ge
stört würde. Wollte man nun auch die Einschränkung gelten
438
v. Ehrenfels.
lassen, dass hiebei Energie weder erzeugt werde, noch auch
verloren gehe — dieses Zugeständnis würde wenig mehr
bessern an der durch die psychischen Kräfte nim einmal ge
stifteten Verwirrung, so dass uns eine durch dieselben bewirkte,
wenn auch noch so geringe Abweichung einer Hirnmolekel
noch immer als ein ,Wunder' erscheinen müsste, ,so gross, als
bräche der Jupiter aus seiner Ellipse und versetzte das Planeten
system in Aufruhr'. 1 Wo keine zwingenden Beweggründe vor
liegen, werden wir ein solches allem sonstigen Naturgeschehen
zuwider sich abspielende Ereigniss nicht wohl voraussetzen
dürfen; da aber die in Rede stehende Annahme auch mit der
directen Empirie nur in gekünstelten Zusammenhang gebracht
werden kann, so liegt kein Grund vor, sie weiters noch auf
recht zu erhalten.
Wir sehen darum auch jene Forscher, welche an einer
Beeinflussung des Physischen durch das Psychische gleichsam
um jeden Preis festhalten zu müssen glauben, wie zur letzten
Zuflucht nach Mitteln und Wegen suchen, jene Beeinflussung
als vereinbar mit dem Gesetze von der Erhaltung der Energie
in seiner üblichen, blos die physische Welt berücksichtigenden
Fassungsweise darzustellen. Der Grundgedanke der scharf
sinnigen diesbezüglich unternommenen Versuche lässt sich, ob
gleich dieselben mit Zuhilfenahme der höheren Mathematik
durchgeführt wurden, dennoch vollkommen klar auf elementarem
Wege darlegen. 2 Man denke sich einen mit mathematischer
Genauigkeit aus unelastischem Stoffe hergestellten Kegel der
artig auf eine aus gleichem Stoffe und ebenfalls mit mathe
matischer Genauigkeit erzeugte horizontale Platte aufgestellt,
dass seine Spitze nach unten und der Schwerpunkt genau ver-
tical überhalb derselben zu liegen komme. Der Kegel wird
so im absolut labilen Gleichgewichte stehen bleiben, so lange
er von aussen keinen Anstoss erhält, und die Richtung der
Schwerkraft constant bleibt. Es leuchtet nun ein, dass jede
auch noch so geringe endliche Kraft den Kegel nach beliebiger
Richtung umzuwerfen vermag; es ist aber ebenso offenbar,
dass jede endliche Kraft, welche ihn zu Fall bringt, mehr
1 Siehe Seite 431 der Einleitung.
2 7 W. 99.
Metaphysische Ausführungen im Anschlüsse an Emil du Bois-Beymond. 439
leisten wird, als dies allein. Hie wird dem Kegel noch ausser
dem eine gewisse kinetische Energie ertheilen, so dass die
im Augenblicke seines Auffallens auf die Unterlage ihm zu
kommende Gesammtenergie die von seinem Fall allein her
stammende um ein endliches übertreffen muss. Den im absolut
labilen Gleichgewichte stehenden Kegel so umzuwerfen, dass
ihm nur vermöge seines Falles allein Energie zukomme, ist
eine Aufgabe, welche mit physischen Mitteln nicht gelöst
werden kann. Es wäre nun denkbar, dass in einer analogen
Wirkungsweise gerade die Eigentkümlichkeit des psychischen
Eingreifens in den physischen Naturverlauf gelegen sei, welches
überall dort ein trete, wo sich dieser letztere durch Verwirk
lichung absolut labiler Gleichgewichtslagen gleichsam auf den
Fragefuss stelle. Einen begrifflichen Widerspruch würde eine
solche Wirkungsweise nicht in sich einschliessen. Freilich, wer
dieselbe ,auslösenden Kräften gleich Null' zuschreiben wollte,
der würde hiebei ,von einem in der Infinitesimal - Rechnung
unter ganz anderen Bedingungen üblichenVerfahren unstatthaften
Gebrauch machen'; 1 ein solcher Vorwurf aber könnte nur
gegen den Namen, nicht gegen den Begriff einer derartigen
Wirkungsweise geltend gemacht werden, deren logische Mög
lichkeit keinem Zweifel unterliegt.
Dennoch wird die Hypothese fallen gelassen werden
müssen, sobald man auf die Bedingungen sein Augenmerk
hinlenkt, deren Verwirklichung sie von dem physischen Natur
lauf in Anspruch nimmt. ,So wenig kann die auslösende Kraft
an sich wahrhaft Null sein, dass, soll nicht die Auslösung ver
sagen, sie nicht einmal unter einen gewissen, von den Um
ständen abhängigen „Schwellenwerth“ sinken darf“ . . , 2 mit
diesen Worten sind die bezüglichen Schwierigkeiten dargelegt.
Es ist richtig — wo immer die physische Natur absolut labiles
Gleichgewicht verwirklichte, könnte der psychischen Welt
Gelegenheit geboten sein, ihren Einfluss auf den Lauf der
physischen Veränderungen auszuüben; dass dies aber bei einer
endlichen Anzahl gegen einander sich verschiebender materieller
Partikel und in einer endlichen Zeit auch nur einmal that-
sächlich geschehen sollte, dagegen lässt sich eine unendliche
1 7 W. 100.
2 7 W. 101.
440
v. Ehrenfels.
Unwalirscheinlichkeit mit Leichtigkeit nachweisen. Man denke
sich vor die Aufgabe gestellt, einen Kegel — aber nicht einen
aus vollkommen unelastischem Stoffe mit mathematischer Ge
nauigkeit hergestellten, sondern einen vom Drechsler aus Holz
gedrehten Kegel in der oben beschriebenen Weise zum Stehen
zu bringen und erwäge, nachdem man die Schwierigkeit dieses
Versuches ermessen, dass dieselbe mit Bezug auf einen mathe
matisch genauen Kegel und eine ebensolche Unterlage nicht
hundert-, nicht tausend- und nicht millionen-, sondern gradezu
unendlichmal grösser werden würde; die Wahrscheinlichkeit,
dass es selbst dem absichtlichen Versuche jemals gelingen
könnte, den Kegel in die absolut labile Gleichgewichtslage zu
versetzen, ist eine unendlich kleine. Was aber vom Kegel,
das gilt natürlich von allen analogen Fällen, in denen es sich
um die dargestellte Möglichkeit eines psychischen Eingreifens
in den physischen Naturlauf handeln würde. Denkt man sich
irgend einen endlichen Theil dieses Naturlaufes räumlich und
zeitlich abgegrenzt, so hat man unter Zugrundelegung der
atomistischen Auffassungsweise gar kein Recht, die Verwirk
lichung absolut labilen Gleichgewichtes auch nur für ein einziges
Mal anzunehmen; denkt man sicli aber die Zahl der in einem
endlichen Raume gegeneinander verschiebbaren kleinsten Theile
unendlich gross, so könnte allerdings dagegen die Zahl der
Verwirklichungen jenes Gleichgewichtes eine endliche Grösse
erreichen, nur eben mit Bezug auf unendlich kleine Partikel,
welche Möglichkeit also der eventuellen Einwirkung des Psychi
schen ebenfalls keinen endlichen Theil der Materie unterordnen
würde; — dies müsste aber gefordert werden, da ja die Hypo
these alle praktische Bedeutung verlieren würde, wenn man
(ganz abgesehen von den Schwierigkeiten, welche in dem
Begriffe unendlich kleiner Theile und der unendlichen Zahl
selbst gelegen sind) der Beeinflussbarkeit durch das Psychische
eben nur unendlich kleine materielle Partikel anweisen wollte.
Dass aber der physische Naturverlauf gleichsam so gefällig
sein sollte, der psychischen Welt etwa jedesmal, als diese einen
Willensact vollzieht, in der Verwirklichung einer absoluten
Gleichgewichtslage wägbarer materieller Partikel die Gelegenheit
zum Eingreifen darzubieten — diese Annahme ist sowohl unter
der Auffassungsweise der Materie als einer continuirlichen wie
Metaphysische Ausführungen im Anschlüsse an Emil du Bois-Reymond. 441
auch als einer aus Atomen zusammengesetzten unendlich unwahr
scheinlich, und muss daher, wie scharfsinnig sie immer erdacht
sein möge, ebenfalls fallen gelassen werden.
Idiemit aber ist die letzte Möglichkeit einer Beeinflussung des
physischen Naturlaufes durch psychische Kräfte ausgeschlossen.
Darf demzufolge die zweite der zu Eingang dieses Capitels
aufgestellten Thesen als hinreichend begründet angesehen werden,
so ist nun daran zu erinnern, dass auch die erste im Hinblick
auf die directe Empirie als entschieden wahrscheinlich zu be
zeichnen war, etwaige Zweifel aber betreffs ihrer streng all
gemeinen Giltigkeit noch offen gelassen wurden.
Die allerdings weitgehende Abhängigkeit des psychischen
Lebens von der Beschaffenheit des Centralorganes würde es näm
lich — so weit wir sie beobachten können — noch immer nicht
ausschliessen, dass etwa die psychischen Phänomene irgend einer
Kategorie, deren Zusammenhang mit der Sinnesempfindung we
niger bestimmt einleuchtet, zwar nicht unabhängig von allem phy
sischen Geschehen, aber doch ohne einen eigens zugehörigen mate
riellen. Process etwa als Reaction auf die lediglich psychischen
Reize seitens der Sinnesempfindungen hin sich einstellen könnten.
Manche Psychologen haben dies angenommen und auf Grund
einer solchen Distinction eine Eintheilung der Gdfühle in sinnliche
und übersinnliche oder rein geistige durchzuführen versucht.
Allein die psychologische Empirie spricht wenig für eine solche
scharfe Zweitheilung. Diese müsste nämlich entweder in dem vor
gestellten Objecte des Gefühles, oder in dem Gefühlsacte selbst
begründet sein. Ersteres ist unzulässig, da jede Vorstellung ein
aus der Sinnesempfindung stammendes anschauliches Substrat
enthält. Der Gefühlsact aber in der ihm specifisch zukommenden
Qualität zeigt keine solch gründliche Verschiedenheit, wie sie doch
bei so durchaus verschiedener Entstehungsweise vorausgesetzt
werden müsste; vielmehr fehlt jedes feste Mass, wenn man, ab-
seliend vom Inhalte, die einzelnen Gefühle in jene beiden Kate
gorien zu scheiden versucht. Ueberhaupt zeigt unser gesammtes
psychisches Inventar keine derartige Zweitheilung, wie sie durch
die Entgegen Stellung von psychophysischen und rein psychischen
Phänomenen gefordert wird, so dass, wenn keine anderweitigen
Argumente für diese letztere angeführt werden können, die-
Sitztmgsber. tl. pkil.-liist. CI. CXII. Bd. II. Hft. 29
442
v. Elirenfels.
selbe schon von rein psychologischem Standpunkte aus als
wenig beglaubigt erscheinen müsste.
Noch bestimmter indess entscheidet der Hinblick auf die
Gesetzmässigkeit des physischen Naturlaufes. Stellt man sich
vor, dass die rein psychischen Vorgänge nicht nur eine uner
lässliche Theil- sondern ihre Gesammtursache in den psycho
physischen Phänomenen besitzen, d. h. also durch diese voll
kommen determinirt werden, so lässt man hiemit den eigentlichen
Kern jener Entgegenstellung von rein Geistigem und Sinn
lichem fallen, nämlich die Annahme rein psychischer, von dem
Bau des Gehirnes unabhängiger individueller Dispositionen;
die Hypothese lässt sich dann von gar keinem Standpunkte
aus mehr vertheidigen, sondern tritt nur, wie gezeigt, in un-
nöthigen Gegensatz zur psychologischen Empirie und eomplicirt
das Verhältniss zwischen physischem und psychischem Natur
lauf ohne irgend welche gerechtfertigte Veranlassung. Nimmt
man aber an, dass die rein psychischen durch die psycho
physischen Phänomene nicht vollkommen determinirt werden,
sondern dass sich bei der Erzeugung des rein Psychischen
der Einfluss des Psychophysischen mit den individuellen Seelen
dispositionen compensirt, wie etwa eine physikalische Kraft
mit einer anderen, so hat man zwischen zwei Alternativen zu
wählen. Entweder nämlich es gibt sich die individuelle Ver
schiedenheit der rein psychischen Anlagen durch Körper
bewegungen irgend welcher Art zu erkennen, oder nicht.
Wenn ja, so ist dies nicht möglich ohne psychisches Ein
greifen in den physischen Naturlauf, dessen Unstatthaftigkeit
bereits dargelegt worden; — wollte man aber zugeben, dass rein
psychische Unterschiede niemals in äusseren Körperbewegungen
zum Ausdrucke gelangen können, so würde man, abgesehen
von der Unwahrscheinlichkeit dieser Annahme, dadurch die
Bedeutsamkeit der rein psychischen Individualitäten so gut
wie abgeläugnet haben, da wir dann zum mindesten an An
deren, deren psychische Zustände wir ja einzig durch Beobach
tung ihrer äusseren Bewegungen zu erschliessen vermögen,
eben nur psychophysische, also von ihrem Gehirnbau abhängige
Eigenthümlichkeiten bemerken würden. Es würde abermals
jede auch nur scheinbare Berechtigung zur Aufrechterhaltung
der Hypothese geschwunden sein.
Metaphysische Ausführungen im Anschlüsse an Emil du Bois-Reymond. 443
So ist es auch hier das Gesetz von der Erhaltung der
Energie in der physischen Natur, welches mit vollkommener
Schärfe das Verhältniss zwischen physischem und psychischem
Naturlauf präcisirt. Dieser spielt sich ah in durchgängiger
Abhängigkeit von jenem, jener unbeeinflusst durch diesen,
gleichsam unbekümmert um Auftauchen und Verschwinden
psychischer Existenzen.
Das durch diese zwei Thesen charakterisirte Causalver-
hältniss soll nun begrifflich festgestellt werden.
II. Causalität als nothwendige Folge.
Das Bestreben nach einer klaren Fassung der Art und
Weise, wie psychisches Geschehen vom physischen Naturlaufe
bedingt wird, verweist naturgemäss vorerst auf die in der
physischen Natur selbst hypostasirten Abhängigkeitsverhältnisse
verschiedener Vorgänge unter einander, in denen sich ja unsere
üblichen Begriffe von Causalität am ursprünglichsten mani-
festiren.
Wenn man zwei einander unmittelbar succedirende Vor
gänge in solcher Weise aus dem physischen Naturlaufe heraus
greift, dass man den späteren,, von einem gewissen Zeitpunkte
an sich abspielenden als die nothwendige Folge des früheren,
bis zu jenem Zeitpunkte hin sich erstreckenden betrachten
kann, so sagt man, die beiden Vorgänge stehen im Causal-
verhältnisse zu einander, und nennt den früheren die Ursache
des späteren, und diesen die Wirkung des vorangehenden. 1
Hiebei muss der Begriff des Vorganges in einem weiteren als
in dem Sinne von Veränderung gefasst werden. Der voll
ständigen Ursache eines physischen Naturgeschehens können
nicht nur gewisse Veränderungen oder Bewegungen, sondern
auch Ruhezustände beizuzählen sein. Der wissenschaftliche
Sprachgebrauch begreift unter der Ursache des Flintenschusses
das Vorhandensein des Schiesspulvers ebenso gut als das Nieder
schlagen des Hahnes. Im gemeinen Leben dagegen versteht
man unter Ursache nur denjenigen Theil der im Wissenschaft-
1 A. Meinong, Hume-Studien II, S. 114 ff.
29*
444
v. Eh renfels.
liehen Sinne so zu nennenden Gesammtursache, welcher seihst
Veränderung oder Bewegung enthält, und auch diesen nicht
immer vollständig. Im angeführten Falle würde man nur das
Niederschlagen des Hahnes als Ursache bezeichnen, das Vorhan
densein des Schiesspulvers aber als eine Bedingung, ohne welche
die Ursache nicht zur Wirkung gelangen könne. Die Einzel
ursachen und -bedingungen des gemeinen Sprachgebrauches
werden wissenschaftlich als Theilursaclien bezeichnet, deren
Stimme erst die eigentliche oder Gesammtursache ausmacht.
Auch auf dem Gebiete der Wirkung lässt sich eine ähnliche
Unterscheidung vollziehen, welche aber selbst in der wissen
schaftlichen Terminologie noch nicht üblich geworden ist. Als
Gesammtwirkung eines Vorganges (oder Zustandes) könnte man
nämlich die Summe aller der Einzel- oder Theilwirkungen
bezeichnen, in deren Gesammtursachen jener Vorgang selbst
als Theilursache enthalten ist. Aus dem Umstande, dass man
auch in der Wissenschaft unter Wirkung immer nur eine Theil-
wirkung, unter Ursache aber die Gesammtursache versteht,
erklärt sich die Aufstellung jenes Satzes, dass die Ursache
zwar die Wirkung mit Nothwendigkeit bedinge, diese aber
nicht mit Nothwendigkeit jene voraussetze. Einem durch die
Luft fliegenden Stein z. B. kann man es nicht entnehmen, ob
er mit der Hand oder mit der Schleuder oder auf sonst irgend
welche Weise er in die Höhe geworfen wurde. Wollte man aber
aus dieser unläugbaren Thatsache den Schluss ziehen, dass
bei Kenntniss aller Naturgesetze und des gesammten Welt
zustandes während eines Zeitdifferentiales wohl der künftige,
nicht aber der vorhergegangene Weltlauf vollkommen deter-
minirt wäre,' so würde man sieh hiebei durch eine Aequi-
vocation in dem Worte Wirkung haben verleiten lassen. Der
gesammte Weltzustand während eines Zeitdifferentiales ist Ge
sammtwirkung alles Vorhergehenden ebenso gut wie Gesammt
ursache alles Nachfolgenden, und aus der Gesammtwirkung
kann die Ursache mit eben derselben Sicherheit erschlossen
werden, wie umgekehrt aus der Gesammtursache die Wirkung.
Auch von dem in die Höhe geworfenen Stein z. B. Hesse sich
mit absoluter Genauigkeit bestimmen, auf welche Art ihm die
1 Siehe die Einleitung, S. 430.
Metaphysische Ausführungen im Anschlüsse an Emil du Bois-ßeymond. 445
Bewegung ertheilt worden, wenn alle Wirkungen bekannt wären,
welche der Vorgang des Wurfes ausserdem noch nach sich
gezogen.
Man denke sich nun aus dem physischen Naturlauf ein
Continuum von Vorgängen und Zuständen derart herausgehoben,
dass wo immer man durch Fixirung irgend eines Zeitpunktes
dasselbe in eine frühere und eine spätere Hälfte zertheilen
möge, sich jene als die Gesammtursache jedes einzelnen unter
den succedirenden, diese als die Gesammtwirkung jedes ein
zelnen unter den antecedirenden Theilvorgängen und -zuständen
des Continuums darstelle. Ein solches Continuum nenne man
eine Causalfolge.
Je nach den Anschauungen über die der Materie inne
wohnenden Kräfte ändert sich auch die Gruppirtmg des Welt
mechanismus in gleichzeitig ablaufende Causalfolgen. Wer
mit manchen Naturforschern das Gravitationsgesetz für ein
letztes, streng allgemeines ansehen wollte, welches einer nicht
weiter zurückführbaren Grundeigenschaft der Materie Aus
druck gebe, der müsste den gesammteu physischen Weltlauf
als eine einzige Causalfolge betrachten, da man, um die Ursache
irgend welchen, und sei es des geringfügigsten Ereignisses voll
ständig anzugeben, dann stets auf den ganzen jüngst ver
flossenen Weltlauf zurückverweisen müsste. Hiebei könnte
vielleicht der Fall ein treten, dass sich die Wirkungen zweier
oder mehrerer materieller Partikel auf irgend welchen Vorgang
gegenseitig aufhöben, so dass, wenn es möglich wäre, sie alle
wie durch ein Wunder plötzlich wegzuschaffen, der Effect
darum dennoch unverändert sich eiustellen würde. Trotzdem
wären diese Partikel, respective ihre Bewegungen oder Ruhe
zustände als mit zur Gesammtursache gehörig zu betrachten,
da, wenn man nur eines von ihnen entfernt, die anderen aber
belassen hätte, auch eine Veränderung im Effect zu Tage
getreten wäre, mithin das Vorhandensein jenes Partikels auf
den Verlauf dieses letzteren von Einfluss gewesen sein musste.
Nur bei Annahme des Gravitationsgesetzes als eines secun-
dären oder abgeleiteten stellt sich der physische Weltlauf als
eine Summe gleichzeitiger Causalfolgen dar. Denkt man sich
alle physischen Naturereignisse auf den Stoss kleinster elastischer
446
v. E hrenfels.
Körper zurückgefiihrt, so bildet der Ruhe- oder Bewegungs-
zustand eines einzelnen von diesen Körpern so lange dieser
nicht mit einem anderen zusammenstösst, eine Causalfolge für
sich; beim Zusammenstosse zweier oder mehrerer Körper hin
gegen würden ihre Cansalfolgen für die Dauer der Berührung
in eine einzige verschmelzen, um sich dann gleichzeitig mit
den Körpern selbst wieder von einander loszulösen.
Der so erläuterte Begriff der Causalfolge wird uns zum
Verständnisse einer zweiten, von der bisher betrachteten schein
bar unabhängigen Causalrelation, der sogenannten Wechsel
wirkung, dienlich sein.
Man nennt Wechselwirkung im gemeinen Sinne dasjenige
Verhältniss zwischen zwei Gegenständen, vermöge welches bald
der eine auf den anderen, bald dieser auf jenen ,einwirkt',
d. h. einen Bewegungs- oder mindestens Erregungszustand in
demselben hervorbringt. So spricht man auch von einer Wechsel
wirkung zwischen Leib und Seele. Sieht man genauer zu, so
wird man erkennen, dass bei jeder derartigen ,Einwirkung' in
die Gesammtursache sowohl als in die Gesammtwirkung die
Zustände nicht eines, sondern beider Gegenstände einzubeziehen
sind; blos die Neigung des Sprachgebrauches, als Ursache
und Wirkung lediglich auffällige Veränderungen zu bezeichnen,
erklärt es, dass man die Ursache an dem einen, die Wirkung
an dem anderen Gegenstände zu erkennen glaubt. Nicht der
sprachübliche Begriff der Wechselwirkung ist es somit, dessen
Zurückführung auf den Begriff der Causalität als nothwendiger
Folge Schwierigkeiten bereitet; dieselben ergeben sich viel
mehr angesichts des im wissenschaftlichen Sinne sogenannten
Verhältnisses der Wechselwirkung.
Dieses Causalverhältniss wird nämlich nicht von auf
einander folgenden, sondern von gleichzeitigen Vorgängen oder
Zuständen ausgesagt, von denen keiner als die Ursache des
anderen zu bezeichnen ist, jeder aber auf seinen Gegenpart
einen gewissen Einfluss ausübt, so dass ein jeder durch die
Vernichtung des anderen auch selbst vernichtet oder gestört
werden würde. In Wechselwirkung zu einander nach der
wissenschaftlichen Wortbedeutung stehen etwa die Bewegungen
zweier oder mehrerer um ihren gemeinsamen Schwerpunkt
kreisenden Gestirne (bei Anerkennung des Gravitationsgesetzes
Metaphysische Ausführungen im Anschlüsse an Emil du Bois-Reymond. 447
als eines primären), oder die Ruhezustände zweier Gewichte
an einer schwebenden Wage, oder die Bewegungen zusammen-
stossender elastischer Körper während der Zeit ihrer gegen
seitigen Berührung u. dgl. m. Es wäre begreiflicherweise
vollkommen willkürlich, den einen von solchen Vorgängen
als die Ursache der übrigen, gleichzeitig verlaufenden, heraus
zugreifen, deren jedem dieselbe Berechtigung auf diesen Vorzug
zukommen würde; zudem hat ja nach dem bisher gebrauchten
Causalbegriffe die Ursache der Wirkung voranzugehen.
Auch manche andere naheliegenden Versuche, das Ver-
hältniss der Wechselwirkung aus dem ursprünglichen Causal-
begriffe zu erklären, erweisen sich als unzureichend. So etwa,
wenn man behaupten wollte, dass mit der Aussage, zwei Vor
gänge ständen in Wechselwirkung, dieselben eigentlich blos
als Theilwirkungen einer einzigen Gesammtursache bezeichnet
werden. Die Bewegungen zweier Körper z. B. nach ihrem
Zusammenstosse von dem Zeitpunkte ihrer Trennung an sind
beide Theilwirkungen einer Gesammtursache und stehen doch
nicht in Wechselwirkung zu einander (für den möglichen Fall
nämlich der blos secundären Giltigkeit des Gravitationsgesetzes).
Ebensowenig ist es nothwendig, dass die Theilursachen einer
einzigen Gesammtwirkung in Wechselwirkung stehen; was die
Betrachtung der Bewegungen zweier Körper bis zu dem Zeit
punkte ihrer Berührung deutlich erweist.
So könnte denn der Gedanke wohl auftauchen, als hätten
wir es in der Wechselwirkung mit einer eigentkümlichen zweiten
Species des Causalbegriffes zu thun. Der oben präcisirte Begriff
der Causalfolge hingegen beseitigt die angeregten Schwierig
keiten. Eine Causalfolge nannten wir ein Continuum von Vor
gängen und Zuständen, in welchem, wo immer man durch
Fixirung eines Zeitpunktes eine Scheidung in einen früheren
und einen späteren Theil vornehmen möge, der erstere als
die gemeinsame Gesammtursache aller einzelnen ihm succe-
direnden, der letztere als die gemeinsame Gesammtwirkung
aller einzelnen ihm antecedirenden Vorgänge und Zustände des
Continuums sich darstellt. Denkt man sich nun in einer solchen
Causalfolge eine Scheidung nicht in succedirende, sondern in
gleichzeitig verlaufende Theilvorgänge oder -zustande vollzogen,
so zeigen diese ausnahmlos das Verhältniss der Wechselwirkung,
448
v. Ehrenfels.
da mit der Aufhebung des einen auch der andere aufgehoben
werden würde; ebenso ausnahmslos erweisen sich irgend welche
in Wechselwirkung stehenden Vorgänge oder Zustände als gleich
zeitige Theile einer einzigen Causalfolge, so dass die Gleichheit
des Umfanges jener beiden Begriffe behauptet werden kann. Dass
darum auch ihr Inhalt ein gleicher sein müsse, ist freilich noch
nicht erwiesen, und dürfte es nicht leicht zu entscheiden sein,
ob man, von zwei Vorgängen aussagend, sie ständen in Wechsel
wirkung zu einander, hiebei auch genau denselben Gedanken
im Sinne hat, wie wenn man sie als gleichzeitige Theile einer
einzigen Causalfolge bezeichnet. Es möge uns genügen, den
Begriff der Wechselwirkung durch den der Causalität als noth-
wendiger Folge und seine Derivate vollkommen präcisirt, wenn
auch vielleicht nicht erschöpft zu haben. Da zum mindesten
ein gleiches auch in Bezug auf die sprachüblichen Causal-
begriffe geleistet worden ist, in der Wissenschaft von der physi
schen Natur aber ausser jenen beiden, Wechselwirkung und
Ursache im gemeinen Sinne, nur der Begriff der Causalität
als nothwendiger Folge in Verwendung stehen, so kann man
diesen letzteren als den für die physische Naturbetrachtung
primären Causalbegriff bezeichnen.
Es fragt sich hiernach, ob entweder dieser Begriff selbst
oder eines seiner bereits gebildeten Derivate auch zur Bestim
mung jenes Abhängigkeitsverhältnisses als tauglich erscheine,
welches wir gemäss dem heutigen Stande der Naturwissenschaft
zwischen dem physischen und psychischen Geschehen anzu
nehmen uns gezwungen sahen.
III. Simultane Causalität.
Wer die vollkommene Abhängigkeit der psychischen Ge
schehnisse von den physischen anerkennt, könnte sich zunächst
versucht fühlen, diese letzteren schlechthin als die Ursachen
jener zu betrachten. Hingegen muss es auffallen, dass gerade
bei den Anhängern der genannten Auffassungsweise die Be
zeichnung eines psychischen Vorganges als der Wirkung eines
physischen minder üblich ist, als bei denjenigen, welche eine
,Wechselwirkung zwischen Leib und Seele* im gebräuchlichen
Sinne anzunehmen pflegen, während ihre Gegner dem Psyehi-
Metaphysische Ausführungen im Anschlüsse an Emil du Bois-Reymond. 449
sehen vielmehr die Benennung einer Function der entsprechen
den physischen Organe zu ertheilen gewohnt sind. Der Unter
schied zwischen den hiebei einander entgegengestellten Ab-
hängigkeitsverhältnissen beruht darin, dass eine Ursache als
das unmittelbare Antecedens zu existiren aufgehört haben muss,
sobald die Wirkung beginnt, während das functionirende Organ
begreiflicher Weise gleichzeitig mit seinen Functionen fort
besteht. So sehen wir denn auch für die psychischen Vor
gänge mit der Bezeichnung als Functionen diejenige als Be
gleiterscheinungen des Physischen • ab wechseln; 1 ja Du Bois-
Reymond spricht es deutlich aus, dass er sich die materiellen
Bedingungen geistiger Vorgänge mit diesen der Zeit nach stets
zusammenfallend vorstellt. 2 Bei einer solchen Gleichzeitigkeit
von Bedingendem und Bedingtem ist aber ein Verhältniss wie
zwischen Ursache und Wirkung in der auf dem Gebiete der
physischen Natur anerkannten Bedeutung der Begriffe aus
geschlossen, und dürfte eine so auffällige Abweichung vom
üblichen Causalbegriffe fürs erste befremdlich erscheinen. Nichts
destoweniger ist leicht zu erkennen, dass die Naturforscher
in ihren diesbezüglichen Bestimmungen von einer vollkommen
gerechten Würdigung des Sachverhaltes geleitet waren. Schon
die directe Empirie, welche allerdings ein gewisses Mass von
Genauigkeit niemals überschreiten kann, zeigt dort, wo das
Abhängigkeitsverhältniss des Psychischen am klarsten zu Tage
tritt, bei der Sinnesempfindung, Gleichheit der Dauer zwischen
dem physischen Reizvorgang und dem psychischen Phänomen.
Die stets nur auf kurze Zeitstrecken sich beziehenden Ab
weichungen hievon, sowie die zeitliche Verschiebung der Dauer
der Empfindung gegen die des Reizvorganges lassen sich voll
kommen erklären, wenn man bedenkt, dass erstlich der das
Psychische in letzter Instanz bedingende physiologische Process
von dem unserer Beobachtung einzig zugänglichen äusseren
Sinnenreiz durch Vermittlung der Leitungsnerven erst hervor
gerufen werden muss, zweitens aber in manchen Sinnesnerven
kurze Einwirkungen von aussen länger andauernde Erregungen
erzeugen, so dass eine Differenz in den zeitlichen Bestimmungen
der Empfindung und des sie bedingenden physischen Processes
1 7 W. 89.
2 G. d. N. 34.
450
v. Ehren fei s.
. B
iS
'i
als ausgeschlossen erscheint. 1 Dagegen lässt sich das zeitliche
Verhältniss zwischen Reiz und Empfindung nur unter Annahme
höchst gezwungener und unwahrscheinlicher Nebenhypothesen
auf Succession zurückführen.
Da kein psychischer Zustand ewig währt, so müsste man
annehmen, es werde durch Erfüllung gewisser physischer Be
dingungen in einem beliebigen Zeitpunkte ein psychisches
Phänomen von bestimmter, endlicher Dauer erzeugt. Schon
mit dieser Annahme allein ist eine Reihe von Schwierigkeiten
verbunden. Erstlich besitzen wir ein ausgesprochenes und wohl
auch begründetes Widerstreben dagegen, absolute Raum- oder
Zeitdaten zur Festsetzung letzter Gesetze oder Thatsachen
heranzuziehen. Vielen gilt bekanntlich für die räumliche und
zeitliche Beschränktheit der Welt schon die Erwägung als
genügender Gegenbeweis, dass eine solche Welt eben eine
bestimmte Ausdehnung und Dauer besitzen würde, welcher
Umstand sich als eine nicht weiter zu begreifende Zufälligkeit
fühlbar machen müsste. Alle absoluten Raum- und Zeitdaten
besitzen nämlich gleiche vorgängige Wahrscheinlichkeit bei
irgend welchen Annahmen; wenn daher ein derartiges Datum
unter den unendlich vielen denkbaren in eine bevorzugte Stellung
gebracht wird, ohne dass ein weiterliegender Grund hiefür
sich zu erkennen giebt, so trägt die betreffende Hypothese
das Gepräge der Willkürlichkeit schon an sich, und das Be
streben, sie aus der Naturbetrachtung zu entfernen, kann nicht
unterdrückt werden. 2 So würde sich also an jene Annahme,
es bewirke ein vorangehender Vorgang ein psychisches Phäno
men von bestimmter Dauer, die niemals zu beantwortende
Frage anheften, warum dieses letztere gerade so lange bestehe,
und nicht länger oder kürzer.
Gleichwohl ist diese Schwierigkeit noch gering anzu
schlagen gegen andere aus der gleichen Annahme erfolgenden.
1 W. Wundt, Grundzüge der physiologischen Psychologie, 2. Bd., S. 225 f.
2 Ein analoger Mangel haftet der Anerkennung der Gravitation als eines
primären Naturgesetzes sowie der atomistischen Weltanschauung an,
welche Hypothesen beide, und zwar jene in der Annahme einer Gra-
i vitationsconstanten, diese in derjenigen bestimmter Atomgrössen auf
letzte absolut räumliche und zeitliche Bestimmungen zurückzugreifen
gezwungen sind.
ß
Vi,
-»
'
Metaphysische Ausführungen im Anschlüsse an Emil du Bois-Reymond. 451
Es ist nämlich keineswegs in dem Begriffe der Causalität als
nothwendiger Folge, wie er bei der Betrachtung des physischen
Naturlaufes seine Dienste leistet, ausgesprochen, dass die Ur
sache auf eine bestimmte Zeit hinaus wirke. Immer steht das
zeitlich Aneinandergrenzende, niemals das zeitlich Getrennte
in Causalverbindung. Könnte also die Vollendung gewisser
physischer Bedingungen auch für das Entstehen eines psychi
schen Phänomenes in einem bestimmten Zeitpunkte, so dürfte
sie doch nicht mehr für dessen Fortdauer während einer end
lichen Zeit die vorangehende Ursache ahgeben, vielmehr müsste
man annehmen, dass, so wie auch auf dem Gebiete der physi
schen Natur, der Bestand des betreffenden Dinges, respective
Phänomenes selbst bis zu einem gewissen Zeitpunkte hin seinen
eigenen Fortbestand von diesem Zeitpunkte an bewirke. Nun
besagt aber ein unmittelbar aus dem Causalbegriffe herzuleiten
des Gesetz die Gleichheit der Wirkung bei der Gleichheit der
Ursache. Das psychische-Phänomen, welches sich selbst durch
eine endliche Zeit forterhält, müsste also in Ewigkeit andauern.
Um dieser Consequenz zu entgehen, müsste man also annehmen,
es gebe ausser physischen Ursachen, welche psychische Phäno
mene erzeugen, auch solche, welche bereits vorhandene ver
nichten — oder man müsste sich vorstellen, es bewirke zwar
der Bestand eines psychischen Phänomenes seinen Fortbestand,
aber nur in abnehmender und schliesslich ganz verschwinden
der Intensität. Von Vorgängen, welche psychische Phänomene
vernichteten, gibt die Empirie keinerlei Zeugniss, ausser man
wollte etwa das Aufhören des physiologischen Processes, dessen
Beginnen das psychische Phänomen erzeugt, in solcher Weise
auffassen. Dies wäre indess blos eine gezwungene und un
natürliche Darstellung der Gleichzeitigkeit von physischem und
psychischem Geschehen. Aber auch die zweite der namhaft
gemachten Hypothesen würde nur neue Schwierigkeiten in sich
bergen. Denn man könnte die durch einmalige Verursachung
hervorgerufene Dauer bei einer gewissen Kategorie psychischer
Phänomene unmöglich länger annehmen, als deren kürzesten
der directen Beobachtung zugänglichen Bestand im Bewusst
sein. Da solche Phänomene aber, wie etwa Ton- und Farben
empfindungen, mitunter auch bedeutend länger andauern, so
müsste man sie als durch stete Wiederholung der Ursache in
I
i
i
452
v. Ehren feis.
bestimmten Zeitintervallen gleichsam immer von neuem erzeugt
annebmen. Diese Theilpkänomene aber würden dock keine
continuirlicke Folge bilden. Denn erstens würde jedes einzelne
von ihnen während seiner Dauer an Intensität stetig abnehmen,
zweitens aber müssten sich, wenn nicht das Walten einer be
sonderen Vorsehung zu Hilfe gerufen werden sollte, in der
Reihe intermittirende Stellen, oder Deckungen zweier Theil-
phänomene ergeben. Der Anschein aber von dem thatsäch-
lichen Vorkommen continuirlicher Empfindungen würde die
weitere Hypothese einschliessen, dass wir alle jene Störungen,
obwohl sie vorhanden seien, nicht bemerkten.
Es bedarf keiner eingehenderen Rechtfertigung der unter
den Naturforschern ohnedies gebräuchlichen Auffassungs
weise des Psychischen nicht als einer Folge- sondern als
einer Begleiterscheinung seiner physischen Bedingungen. Was
hier von den Empfindungen gesagt wurde, gilt in ähnlicher
Weise von allen anderen psychischen Phänomenen. Die an
geregten Schwierigkeiten lösen sich indess vollkommen, wenn
man annimmt, dass das Psychische mit dem Beginne ge
wisser physiologischer Vorgänge sich einstelle und so lange
fortbestehe, als diese andauern. Hiemit aber ist, wie erwähnt,
das Verhältniss der Causalität als nothwendiger Folge aus
geschlossen.
Es ist nun noch der Relation der Wechselwirkung (nach
wissenschaftlicher Terminologie) zu gedenken, welche ja Gleich
zeitigkeit zwischen den einander bedingenden Vorgängen er
fordert. Zwar könnte es den Anschein haben, als wäre die
Statthaftigkeit eines solchen Verhältnisses zwischen physischem
und psychischem Geschehen nach den diesbezüglich bereits
angenommenen Thesen schon von vorne herein ausgeschlossen;
näherer Betrachtung aber erweisen sich trotzdem noch einige
Ausführungen als erforderlich.
Wir wurden in dem Vorhergehenden zu der Annahme
gedrängt, dass kein materielles Partikel des Weltmechanismus
durch irgend welche Vorgänge auf dem Gebiete des Psychi
schen in seinen lediglich aus physischen Gesetzen sich ergeben
den Ruhe- oder Bewegungszuständen gestört werden könne,
wohl aber gleichzeitig mit gewissen physischen Vorgängen be
stimmte psychische Phänomene als deren regelmässige Begleiter
Metaphysische Ausführungen im Anschlüsse an Emil du Bois-Reymond. 453
sich einstellen. Die Frage indess wurde noch nicht aufgeworfen,
oh nicht vielleicht dem Psychischen insoferne wenigstens ein
Einfluss auf den physischen Naturlauf zukommen könnte, als
sich dessen Ausbleiben in einem Falle, da es sonst immer
aufzutauchen pflegt, auch durch physiologische Veränderungen
bemerkbar machen würde. Mit anderen Worten: Zugegeben,
dass es lediglich mechanische Kräfte sind, welche die Hirn
moleküle eines Denkenden bewegen — würden sich die Mole
küle auch dann noch nach denselben Gesetzen bewegen, falls
eine übernatürliche Kraft das Zustandekommen der entsprechen
den Gedanken für einen speciellen Fall verhindern würde? —
Es ist leicht einzusehen, dass für einen direc.ten Versuch zur
Beantwortung der Frage keine Möglichkeit vorliegt. Dennoch
würde eine begründete Verneinung derselben das wesentliche
Merkmal der Wechselwirkung in dem Verhältnisse zwischen
physischem und psychischem Geschehen anerkennen. Was
diesbezüglich in unserem Vermögen liegt, ist lediglich die Ent
scheidung der Frage nach grösserer oder geringerer innerer
Wahrscheinlichkeit der Annahmen. Hiezu möge folgendes Bei
spiel behilflich sein:
Es bewegen sich drei Weltkörper 8, E und M gemäss
dem Gravitationsgesetze in einer selbständigen Causalfolge (d. li.
unbeeinflusst von aussen) auf analoge Weise wie etwa Sonne,
Erde und Mond. So oft und so lange der Winkel, dessen
Scheitel in dem Schwerpunkt von E gelegen ist, und dessen
Schenkel durch die Schwerpunkte von S und M hindurchgehen,
eine Grösse zwischen 80 und 90 Graden annimmt, leuchte an
einer gewissen Stelle des Weltraumes ein Licht auf, ohne dass
bei seinem Entstehen sowohl wie bei seiner Dauer und seinem
Verlöschen irgend welche Unregelmässigkeit in dem Laufe
der Weltkörper wahrgenommen werden könne. Ein Beobachter
dieses seltsam beschränkten Weltlaufes gelange nun bei voll
kommener Kenntniss von dessen Gesetzmässigkeit zu dem
Schlüsse, dass ihm die Bewegungen der Gestirne wohl begreif
lich seien, nicht aber das Aufleuchten des Lichtes, welches
sich, ein unlösbares Käthsel, in eine Ordnung hereindränge,
die ohne dasselbe jedenfalls viel klarer als ein in sich ge
schlossenes Ganze anzusehen sein würde. Nun werde ihm aber
von einer höheren Erkenntniss geoffenbart, dass er sich hierin
454
v. Ehrenfels.
täusche, dass die Gesetzmässigkeit im Laufe der Gestirne jenes
gerade bei der bestimmten Winkelgrösse aufleuchtenden Lichtes
zu ihrem Bestände notlnvendig bedürfe und bei dessen ein
maligem Ausbleiben vielmehr in Verwirrung übergehen müsste;
dass die Gestirne, welche einander, sobald sie in einem Winkel
von 30, 40, 50 Graden stehen, ohne Vorhandensein des Lichtes
nach dem umgekehrten Verhältnisse des Quadrates ihrer Ent
fernung anziehen, dieses Verhalten bei einem Winkel von 85
Graden nur vermöge des Lichtes fort zu beobachten im Stande
seien, ansonst aber ihre Anziehungskräfte plötzlich ändern
würden, um ihre Bewegungen unter einem ganz anderen als
dem Gravitationsgesetze fortzuführen, bis die bestimmte Winkel
grösse wieder überschritten sei. Es frägt sich nun, ob dem so
Belehrten der beschriebene Naturlauf in irgend welcher Be
ziehung begreiflicher geworden wäre. — Offenbar nein; im
Gegentheil hätten sich die Räthsel nur gemehrt; denn das
Aufleuchten des Lichtes wäre um nichts erklärlicher geworden,
wohl aber hätte sich in der Abhängigkeit des Gravitations
gesetzes von diesem anscheinend so willkürlichen Vorgänge
ein neuer, unlösbarer Knoten geschürzt.
Die Bedeutung dieses Beispieles für das uns vorliegende
Problem leuchtet ein. Sollen wir uns durch eine jener Offen
barung analoge Annahme das Naturverständniss erschweren,
nur um das Verhältniss zwischen physischen und psychischen
Vorgängen in einen bereits üblichen (Jausalbegriff zu zwängen?
Können wir uns zu der Ansicht bequemen, dass die Natur
gesetze, welche in Millionen von Fällen ohne das Vorhanden
sein beseelter Lebewesen den Verlauf des physischen Geschehens
beherrscht haben, nun plötzlich dort, wo sich, ebenfalls unter
ihrer Herrschaft, ein thierischer Organismus bildet, jenes räthsel-
haften Begleiters, des Psychischen, zu ihrem Fortbestände be
dürfen sollten? — Dies hiesse nur unnöthige Unordnung und
Verwirrungen in die Naturbetrachtung hineintragen. Einseitige
enthält ebensowenig wie wechselweise Bedingtheit einen inneren
Widerspruch, auch wenn sie zwischen gleichzeitigen Vorgängen
oder Zuständen statuirt werden sollte. Ein gewisser Sinn für
Symmetrie mag sich freilich gegen eine solche Annahme sträuben,
wie etwa gegen die Annahme einer Welt mit Anfang, aber ohne
Ende u. dgl. m. Den namhaft gemachten Einwänden aber
Metaphysische Ausführungen im Anschlüsse an Emil du Bois-Reymond. 455
vermag ein solches Widerstreben nicht Stand zu halten. Wenn
die bei Betrachtung der physischen Natur üblichen Causal-
begriffe zur Charakterisirung des Verhältnisses zwischen physi
schem und psychischem Geschehen ihren Dienst versagen, so
hat man eben für jenes Verhältniss einen neuen Begriff ein
zuführen.
In dem vorliegenden Falle fehlt dem bereits erläuterten
Begriffe blos der Name.
Als simultane Causalität wollen wir jene Relation be
zeichnen, bei welcher, im Gegensätze zu der — successiven —
Causalität als nothwendiger Folge, das Bedingende (die Ursache,
der physiologische Vorgang) mit dem Bedingten (der Wirkung,
dem psychischen Zustand oder Processe) Gleichzeitigkeit auf
weist. Die Einführung dieses Begriffes wahrt dem physischen
Weltlauf, welcher allerdings ohne die Existenz des Psychi
schen viel begreiflicher wäre, seine Integrität. Das Psychische
aber erscheint in seinem Werden und Vergehen, seinem Be
harren und Wechsel weder an psychische noch auch direct
an physische Antecedentien, sondern unmittelbar blos an gleich
zeitige physische Processe gebunden.
So vermittelt der Begriff der simultanen Causalität die
relativ klarste Betrachtungsweise des psychophysischen Proble-
mes. Wenn auch die Verhältnisse der successiven Causalität
und der Wechselwirkung an sich unsere Zustimmung leichter
erwecken würden, so sind sie doch unbrauchbar, um das Auf
leuchten der psychischen Phänomene oder des Bewusstseins
mit dem thierisehen Lebensprocesse in befriedigenden Zu
sammenhang zu bringen, und würden, falls man sie durchaus
dem Thatbestande — oder vielmehr diesen ihnen selbst un
passen wollte, den Vortheil der Beseitigung des simultanen
Causalverhältnisses durch viel erheblichere Beeinträchtigung
in der Klarheit unserer Naturbetrachtung mehr als paralysiren;
— es sei denn, dass eine wesentliche Verschiebung der Grund
lagen das Problem in ein völlig neues Licht setze. Ehe wir
indess unsere Untersuchung in solcher Richtung weiterführen,
wird es zweckmässig sein, Ursache und Wirkung auf dem so
räthselhaften Gebiete des simultanen Causalverhältnisses einem
eingehenderen Vergleiche zu unterziehen.
456
v. Ehrenfels.
IV. Analogie zwischen physischem und psychischem
Geschehen.
Auf den ersten Blick möchte es erscheinen, als ob ein
Vergleich zwischen psychischen Phänomenen und den sie be
dingenden physiologischen Processen eben nur Verschiedenheit,
und zwar die gründlichste, weitestgehende Verschiedenheit er
geben könnte, welche wir überhaupt zu constatiren in der Lage
sind; — denn wo sollte sich im Bereiche der vorstellbaren
Naturobjecte eine tiefere Kluft aufdecken lassen, als zwischen
Physischem und Psychischem? — Indessen können auch die
ihrer Wesenheit nach unähnlichsten, im Spraehgebrauche so
genannten unvergleichlichen Bestimmungscomplexe dennoch
Analogie in den Relationen aufweisen, wie etwa die Notenköpfe
einer auf- und absteigenden Scala mit den wirklich zu Gehör
gebrachten Tönen derselben; und es könnte demgemäss die
Frage erhoben werden, ob eine solche Analogie auch zwischen
den Gehirnfunctionen und den sie begleitenden psychischen
Phänomenen anzunehmen sei.
Eine präcise Antwort hierauf verlangt vor allem die Defi
nition des Begriffes der Analogie. Diese ist ein Verhältniss zwi
schen zwei Complexen, welches fürs erste eine gleiche Mannig
faltigkeit der Bestimmungsstücke auf beiden Seiten verlangt.
Zweitens müssen gleichen Bestimmungsstücken des einen gleiche,
verschiedenen verschiedene Bestimmungsstücke des anderen
Complexes entsprechen. Hiemit sind aber die Bedingungen für
Analogie noch nicht erfüllt, was besonders dann einleuchten
wird, wenn man bedenkt, dass ja aller Wahrscheinlichkeit nach
absolute Gleichheit nirgends in der Natur während einer end
lichen Zeit sich verwirklicht. Analogie besteht erst dort, wo
auch allen ähnlichen Bestimmungen des einen ähnliche des
anderen Complexes entsprechen, und zwar den grösseren Aelin-
lichkeiten grössere, den kleineren geringere — wenn auch nicht
verlangt werden kann, dass die Aehnlichlceiten hüben und
drüben, oder ihre Verhältnisse zu einander, die Aehnlickkeiten
höherer Ordnung, absolut gleiche seien. — Diese letztere Ein
schränkung widerlegt einen Einwand, welcher gleich von vorne
herein gegen die Möglichkeit einer Analogie zwischen psyclii-
Metaphysische Ausführungen im Anschlüsse an Emil du Bois-Eeymond. 457
sehen Vorgängen und ihren physischen Bedingungen erhoben
werden könnte. Es zeigen nämlich die psychischen Phänomene
unter einander, wie etwa die Vorstellungsinhalte Farbe, Ton,
Geschmack, das Gefühl, das Urtheil, viel tiefer gehende Ver
schiedenheiten, als sich deren auf dem Gebiete physischen
Geschehens überhaupt aufdecken lassen. Da aber die Analogie
nicht Gleichheit der Aehnlichkeiten oder der Unähnlichkeiten
zwischen den Bestimmungsstücken zweier Complexe verlangt,
entfällt dieses Bedenken.
Was bei der Frage nach Analogie dem psychischen Ge
schehen entgegengestellt werden muss, sind Vorgänge in der
Hirnmechanik, und zwar aller Wahrscheinlichkeit nach Be
wegungen und nicht etwa Spannungszustände materieller Par
tikel. Der äussere Sinnesreiz zum mindesten ist immer ein
Erregungszustand, also eine Bewegung in der Substanz des
Ner ven, auch wo dieser auf einen gleichmässig andauernden
Druck oder Zug reagirt. Wenig glaubwürdig erscheint es
aber, dass sich diese Bewegung nach ihrer Fortleitung zum
Centralorgan in einen Spannungszustand umsetzen sollte, welcher
in seiner Dauer von der Dauer der Bewegung abhängig sein
und zudem ihre verschiedensten Abstufungen erkennen lassen
müsste. Alle Umstände sprechen dafür, dass auch ein sich
gleichbleibender psychischer Vorgang nur durch stete Bewegung
der Hirnpartikel bedingt werde. Materielles Stillstehen würde
nicht psychische Ruhe, sondern psychischen Tod bedeuten.
Sind somit Bewegungen in letzter Instanz bedingend für
das Zustandekommen psychischer Phänomene, so leuchtet es
ein, dass es nur relative Bewegungen oder Bewegungen der
Hirnpartikel in Bezug auf einander sein können. Eine Lage
veränderung des gesummten Organismus macht sich, wenn
dieselbe keine Empfindungsreize im Gefolge hat, in keinerlei
Weise psychisch bemerkbar. Unser Gedankengang ist unab
hängig davon, wie wir uns auf der mit grosser Schnelligkeit
sich bewegenden Erde wenden und drehen, ob wir in dem
Einsenbahnzuge dahinfahren oder Stillstehen, u. dgl. m. — in
soweit nämlich hiedurch nicht die relativen Lageverhältnisse
in unserem Organismus beeinflusst werden.
Wir hätten somit um das vorliegende Problem auf directem
Wege zu lösen, mit der Fülle psychischen Geschehens das
Sitzungsber. d. pliil.-liist. CI. CXII. Bd. II. Hft. 30
v. Ehrenfels.
458
System relativer Bewegungen in der Gehirnsubstanz zu ver
gleichen und die beiden Complexe auf Analogie zu prüfen.
Diesem Verfahren indess stellen sich unüberwindliche Schwierig
keiten entgegen. Denn erstlich ist uns die nähere Beschaffenheit
der relativen Bewegung in der Hirnsubstanz noch so gut wie
unbekannt und nur durch ihre physiologischen Wirkungen,
die bewussten oder unbewussten Ausdrucksbewegungen des
Menschen- und Thierleibes, indirect erschliessbar. Zweitens
aber beruht jede Annahme eines fremden psychischen Phäno-
menes — das wir ja niemals unmittelbar wahrnehmen — eben
auf der Voraussetzung jener selbst durch das Medium der Aus
drucksbewegungen noch immer gleichsam durchleuchtenden
Analogie zwischen Physischem imd Psychischem, welche wir
erst zu beweisen haben. Wollte man daher einem Cirkel-
schlusse entgehen, so dürfte man als empirische Daten blos die
eigenen psychischen Phänomene und die nur unvollkommen
zu beobachtenden eigenen Ausdrucksbewegungen keranziehen.
Hiebei würde sich nun allerdings die Annahme der Analogie
bestätigen, aber eben nur in den sehr approximativen Genauig
keitsgrenzen der Beobachtung.
Hiegegen kann jedoch fürs erste vorgebracht werden,
dass die Analogie zwischen zwei Complexen, von denen der
eine durch den anderen bedingt ist, schon von vorne herein
eine grosse Wahrscheinlichkeit für sich besitzt und somit als
vorhanden anzunehmen ist, so lange keine Gegenbeweise sich
geltend machen; — zweitens aber liefern uns eben jene Um
stände, welche die Entscheidung der Frage durch directe Em
pirie so wesentlich erschweren, den erwünschten Hinweis auf
dem Wege weiterer Vermittlung. Dies leuchtet ein, wenn man
in Erwägung zieht, unter welchen Voraussetzungen wir im
praktischen Leben die Handlungsweise unserer Mitmenschen
vorausbestimmen. Es könnte das bei genügender Kenntniss
aller Bedingungen in zweifacherWeise geschehen. Man könnte
nämlich einerseits, von den psychischen Bethätigungen des
Menschen gänzlich absehend, denselben blos als Theil des
Weltmechanismus in Betracht ziehen und die Bewegungen
seines Leibes, mithin auch seine Handlungsweise zu berechnen
trachten, wie etwa den Fall eines Steines oder das Rollen einer
Kugel; — es bedarf jedoch keiner näheren Ausführungen, in
Metaphysische Ausführungen im Anschlüsse an Emil du Bois-Keymond. 459
welch hoffnungsloses Dunkel uns das künftige Verhalten seihst
unserer besten Freunde gehüllt wäre, wenn wir nur diese Methode
der Bestimmung zur Verfügung hätten. Der zweite, mögliche
Weg, den wir dagegen thatsächlich einschlagen, ist in seiner
logischen Begründung viel complicirter, führt aber praktisch
mit unvergleichlich grösserer Raschheit und Sicherheit zum
Ziel. Um die Handlungsweise eines Menschen für einen ge
gebenen Fall richtig vorherzusagen, trachten wir vor allem
ein möglichst genaues Bild seiner eben dann sich verwirk
lichenden Gemüthsverfassung zu gewinnen, hieraus aber ein
Urtheil über die sich einstellenden Acte des Wollens und
Strebens, und erst in dritter Linie über die physischen Be-
thätigungen abzuleiten, welche diesem Wollen und Streben
entsprechen. Als Prämissen für dieses Schlussverfahren sind
erforderlich erstens Kenntniss der psychischen Dispositionen
des betreffenden Individuums, zweitens Kenntniss der wichtig
sten Gesetze oder Regelmässigkeiten psychischen Geschehens,
drittens endlich Kenntniss der Art und Weise, wie die psychi
schen Acte des Strebens und Wollens sich durch äussere Be
wegungen kundgeben, genauer gesagt, welche Bewegungen
durch die jenen psychischen Acten entsprechenden gehirnphy
siologischen Processe ausgelöst zu werden pflegen. Diese Kennt
nisse werden im praktischen Leben, wie auch in analogen
Fällen bei der Beurtheilung des rein physischen Naturlaufes,
meist durch Associationen ersetzt werden, welche indess nur
dort richtig leiten, wo die Urtheile, statt deren sie eintreten,
wenn überhaupt gefällt, wahr sein würden. Da wir aber die
Handlungen guter Bekannter in vielen, und in gewissen Fällen
auch das Benehmen jedes normalen Menschen mit ziemlicher
Sicherheit vorauszubestimmen vermögen, die Prämissen also,
für welche unsere Associationen eintreten, zum grössten Theil
richtig sein müssen, so folgt daraus, dass jeder Menschenkenner
ein thatsächliches oder — wie man sich ausdrücken könnte —
associatives Wissen um jene näher bezeiclmeten drei Umstände
wirklich besitzt.
Nun leuchtet es aber ein, dass man von den psychischen
Dispositionen fremder Individuen, wie auch von den Gesetzen
psychischen Geschehens, welche sie beherrschen, und von der
Art und Weise, wie sich die Acte ihres Wollens und Strebens
460
v. Ehrenfels.
äusserlich za erkennen geben, nur dann eine bestimmte Vor
stellung zu gewinnen vermag, wenn man — wie schon früher
erwähnt — eine zum mindesten weitgehende Analogie zwischen
psychischem Geschehen und physiologischem Process zur Vor
aussetzung macht. Wir können auf das Vorhandensein fremder
psychischer Phänomene überhaupt nur durch Beobachtung
fremder Körperbewegungen oder Körperzustände schliessen,
welche mit den unserigen nicht Gleichheit, sondern nur grössere
oder geringere Aehnlichkeit aufweisen. Diese Körperbewegungen
aber geben noch keineswegs die physiologischen Bedingungen
des fremden psychischen Geschehens ab, sondern stehen mit
diesen selbst nur in einer unvollständigen Analogie. Es ist
also ein doppelter Analogieschluss, auf welchen sich unser
Urtheil über ungesehene Handlungen fremder Individuen be
gründet. Wenn nun trotz der Mängel, welche jedem derartigen
Schlüsse schon von vorne herein anhaften, dieses Urtheil, wo
genügende Empirie vorliegt, doch eine relativ bedeutende Ge
nauigkeit erlangt, so kann es in seinen Voraussetzungen un
möglich weit von dem Thatbestande abweichen. Diese Voraus
setzungen aber sind: Analogie zwischen Bewusstseinsdaten und
Hirnmechanik, und Analogie zwischen Hirnmechanik und äusserer
Körperbewegung, respective äusserem Sinnenreiz. Dass diese
letztere Analogie keine vollkommene ist, wissen wir aus phy
siologischen Beobachtungen; würde ausserdem die erstere be
deutenderen Ungenauigkeiten unterworfen sein, so liesse sich
die Sicherheit unseres Urtheiles über künftige Handlungen
fremder Individuen in keiner Weise erklären.
Die Analogie zwischen psychischen Phänomenen und ihren
simultanen Ursachen, den Gehirnfunctionen, welche schon von
vorne herein als das überwiegend wahrscheinliche Verhältniss
bezeichnet werden musste, bestätigt sich somit auch durch die
Erfahrung, zwar nicht in vollkommener Präcision, da dies bei
dem gegenwärtigen Stande unserer Kenntnisse überhaupt un
möglich, aber auf desto breiterer Grundlage. Auch dort, wo
wir einen directen Vergleich anstellen können — nicht etwa
zwischen der noch gänzlich unbekannten Hirnfunction selbst
und dem psychischen Phänomen — wohl aber zwischen der
veranlassenden Ursache jener Hirnfunction und den entsprechen
den Bewusstseinsdaten: nämlich bei der Sinnesempfindung,
Metaphysische Ausführungen im Anschlüsse an Emil du Bois-Reymond. 461
zeigt sich die Analogie weitgehend verwirklicht. Dem stärkeren
Reize entspricht beinahe durchaus die stärkere Empfindung; ja
die Analogie ist hierin so ausgebildet, dass man (im Weber’schen
Gesetze) ein functionales Vei'hältniss zwischen Reiz- und Em
pfindungsstärke aufzustellen versuchen konnte. Beim Gehörs
sinne giebt das Qualitätencontinuum der Tonhöhen ein genaues
Schema der entsprechenden äusseren Reizvorgänge. Die Wärme
qualität stellt sich ein bei der absoluten Wärmezunahme an
der betreffenden Körperstelle, die entgegengesetzte Kältequalität
im entgegengesetzten Fall. Der Drucksinn besitzt nur eine
Qualität, und die bisher noch nicht geordneten Qualitäten des
Geruchs- und Geschmacksinnes gestatten keinen Vergleich.
Eine Ausnahme von der Regel scheint dagegen der Gesichts
sinn darzustellen, indem bei ihm einer ähnlich wie beim Ge
hörssinn gerade aufsteigenden Reizscala die an ihren Endpunkten
sich beinahe wieder vereinigende Linie der Spectralfarben ent
spricht. Allein es ist hiebei zu bedenken, dass von den Aether-
schwingungen, welche die Netzhaut afficiren, bis zu den Func
tionen der grauen Nervensubstanz im Centralorgan, welche das
Bewusstseinsphänomen bedingen, eine lange Kette von Mittel
gliedern sich hinzieht, in der die Analogie zum äusseren Sinnen
reiz sich möglicherweise vollständig verwischen könnte. Ganz
geht dieselbe indess auch hier nicht verloren, da immer
noch dem Continuum der Reize ein Continuum der Empfin
dung entspricht. Auch der Umstand, dass die Empfindung
des Weissen möglicher Weise noch im Sehnerven einen com-
plicirteren Vorgang erfordert, als die eben so einfachen Em
pfindungen etwa des Rothon und Blauen, beweist nicht, dass
auch die simultan ursächlichen Vorgänge in der grauen Hirn
substanz noch jene Abweichungen aufweisen.
Als ein anschauliches Beispiel für die Art der in Rede
stehenden Analogie wurde bereits früher auf das Verhältniss
zwischen den Tonhöhen und ihrer Bezeichnung in der Noten
schrift hingewiesen. In Bezug auf die Stärke und Dauer weicht
diese letztere aus berechtigten technischen Motiven von der
eigentlichen Analogie ab und begnügt sich, zum grossen Theil,
wie etwa die gewöhnliche Schrift in Bezug auf die Laute der
Sprache, mit festgesetzten Zeichen für bestimmte Kategorien
ohne Berücksichtigung ihrer gegenseitigen Verwandtschaft. Man
462
v. Ehrenfels.
könnte aber unter Zuhilfenahme dreier Dimensionen jedes
beliebige zeitliche Tongebilde mit vollkommener Analogie im
Räume gleichsam fixiren, wenn man etwa jeden einfachen Ton
durch einen prismatischen Körper darstellen würde, dessen
Höhe der Tonhöhe, dessen Breite der Dauer und dessen Tiefe
oder Dicke der Stärke des Tones entspräche. Auf einander
folgende Töne müsste man in der die Tondauer bezeichnenden,
gleichzeitig erklingende in der Richtung für die Tonstärke
zusammenstellen. Bedenkt man nun, dass nicht nur der Accord,
sondern auch die Klangfarbe verschiedener Instrumente auf
dem Zusammenklang einfacher Töne beruht, so wird man er
kennen, dass in der beschriebenen Art das complicirteste Ton
stück mit allen Nuancen in durchgängiger Analogie zur sche
matischen Darstellung gebracht werden könnte. Dennoch würde
zwischen dem so bestimmten Raum- und dem Tongebilde nicht
die geringste directe Aehnlichkeit bestehen; auch die Verschieden
heiten auf dem Gebiete der Töne wären viel grössere, als die
jenigen unter den Theilen der Raumgestalt. Denn Höhe, Breite
und Tiefe eines Körpers besitzen zwar verschiedene Richtungen,
gestatten aber doch noch einen Grössenvergleich, während Höhe,
Dauer und Stärke eines Tones unter einander unvergleichbar sind.
Wie also ein Tonstück zu einer derartigen räumlichen
Fixirung, so verhält sich — einer überwiegenden Wahrscheinlich
keit nach — die Fülle unserer psychischen Erlebnisse zu ihrer
simultanen Ursache, der Folge relativer Bewegungen unserer
Gehirnpartikel.
V. Ueber die Verbreitung des Psychischen in der Natur.
Sind es somit lediglich relative Bewegungen materieller
Partikel, die wir als simultane Ursache des Psychischen zu
betrachten haben, so taucht naturgemäss die Frage auf, aus
welchen Gründen das allgemeine Urtheil und die Wissenschaft
einmüthig jenes Psychische — insoweit es überhaupt als ver
bunden mit dem Physischen angenommen wird, — auf das
Leben der Menschen- und Thierwelt einschränken und nicht
etwa auch den relativen Bewegungen, wie sie sich in dem
functionirenden Pflanzenleib oder in der anorganischen Natur
abspielen, zuschreiben.
Metaphysische Ausführungen im Anschlüsse an Emil du Bois-Reyraond. 463
Die gleiche Ueberzeugung wird hiebei in verschiedener
Weise motivirt. Für den gemeinen Mann zunächst, welcher
das berührte Problem überhaupt nicht zum Gegenstände des
Nachdenkens erhebt, ist wie in vielen analogen Fällen der
Lauf der Associationen massgebend. Wir werden mit wenigen
Ausnahmen nur bei der Betrachtung lebender Menschen und
Thiere an die Existenz des Psychischen unmittelbar gemahnt;
daher bildet sich die Gewohnheit, nur diesen oder doch ihnen
ähnlichen Wesen Beseeltheit zuzuschreiben. Wo aber dennoch
auch gewisse anorganische Vorgänge solche Associationen wach
rufen, dort betrachtet man,- wie dies namentlich in unserer Zeit
üblich ist, die Analogie als eine zufällige; zur Zeit der anthro-
pomorphistischen Weltanschauung aber wurden die psychischen
Phänomene, zu deren Annahme etwa das Grollen des Donners,
das Heulen des Sturmes, das Lispeln der Quelle geführt hatten,
nicht den anorganischen Naturobjecten als solchen, sondern
ebenfalls menschenähnlichen Wesen zugeschrieben, welche man
sich indess für gewöhnlich menschlichem Anblicke als entrückt
vorstellte. Mit dem Glauben an die Existenz jener Wesen
schwand dann auch die Auffassungsweise anorganischer Vor
gänge als Kundgebungen psychischen Geschehens. Es bedarf
keines weiteren Hinweises darauf, dass solch associatives Ver
fahren, sollte es auch etwa aus Zufall zu den richtigen An
sichten hingeführt haben, dennoch keine wissenschaftliche Ge
währ für die Haltbarkeit seiner Ergebnisse zu bieten vermag.
Eine Begründung jener Einschränkung des Psychischen
scheint dagegen die naturhistorische Classification zu bieten,
welche die Gesammtheit der Naturobjecte in die drei Reiche der
Mineralien, der Pflanzen- und der Thierwelt eintheilt und heute
schon zum Gemeingut der Gebildeten geworden ist. Das Schluss
verfahren hiebei ist ein sehr einfaches: Ebenso wie der Chemiker
eine Eigenschaft, welche er an dem Golde entdeckt, nicht schon
deswegen auch dem Silber und Kupfer zuschreiben wird, ebenso
besitzen wir, die wir psychische Phänomene direct nur an uns
selbst wahrnehmen, hieraus noch keinerlei Berechtigung, dieselben
auch bei den Repräsentanten der anderen Naturreiche vorauszu
setzen. — Es leuchtet indess ein, dass man, je nachdem man das
eigene Individuum durch die Eigenschaften einer Ordnung höherer
oder niedrigerer Ordnung charakterisirt, auf die nämliche Methode
464
v. Ehrenfel
Beseeltheit auch jedem Niehtich, oder jedem Thiere im engeren
Sinne des Wortes, oder etwa allen wirbellosen Thieren ab
sprechen, oder auch der gesammten organischen Welt, oder
allen Naturobjecten überhaupt zusprechen könnte. Wenn man
dagegen hei der Annahme des Psychischen mit Entschieden
heit an den Grenzen der Thierwelt Halt macht, so kann man
sich dem Vorwurfe der Willkür nur durch den Nachweis ent
ziehen, dass es eine ausnehmend tiefe und scharfe Kluft sei,
welche dieses Gebiet von den benachbarten scheidet.
Diesbezüglich ist es vor allem auffällig, dass man Thier-
und Pflanzenreich unter dem Begriffe der organischen Natur
objecte den anorganischen entgegenzustellen pflegt — ein Beweis
dafür, dass auch nach dem Urtheil der classificirenden Natur
historie eine tiefer gehende als die Kluft zwischen Thier und
Pflanze sich dennoch vorfindet. Man wird also jedenfalls die
Merkmale der Thierwelt durch diejenigen des Organischen im
allgemeinen und eine specifische Differenz festzustellen haben,
um ein Urtheil über die Schärfe ihrer Charakteristik zu gewinnen.
Ein Organismus ist ein assimilirender Mechanismus; —
diese Definition bietet kurz das Endergebnis der betreffenden
physiologischen Untersuchungen. Weder die Fähigkeit der
meisten Organismen, durch Ausscheidung ihnen ähnliche Ge
bilde zu erzeugen, noch auch der Umstand, in analoger Weise
selbst entstanden zu sein, darf in die Definition des Organismus
einhezogen werden, da ja jene den Organismen nicht aus
nahmslos zukommt, dieser aber, wie dies die Frage nach der
Urzeugung beweist, niemals für ein nothwendiges Merkmal
angesehen wurde, überdies auch nur eine unpräcise und rela
tive Bestimmung darbietet. Auch die chemische Zusammen
setzung sowie der äussere Habitus der organischen Gebilde ent
halten erstere keine ausschliesslichen, letzterer keine scharfen
Merkmale, so dass zur Charakterisirung jener weiten Classe
physischer Naturobjecte nur der Begriff der Assimilation
übrig bleibt. Der Versuch aber, diesen Begriff selbst wieder
stricte zu definiren, führt gleichfalls bald auf unüberwindliche
Hindernisse.
Ein Mechanismus assimilirt, wenn er während seiner
Function die hiebei sich abnützenden Bestandtheile, (Organe
genannt), durch eigene Thätigkeit reconstruirt. Hiebei ist es
Metaphysische Ausführungen im Anschlüsse an Emil du Bois-Reyraond. 465
der Begriff der eigenen Thätigkcit, welcher die berührten
Mängel erkennen lässt. Dieser Begriff bedeutet im vorliegenden
Falle ein Causalverhältniss, bei welchem der Mechanismus in
vorzüglicher Weise an der Erneuerung seiner Organe betheiligt
ist, das heisst also in seinen eigenen Functionen und Zuständen
den bedeutendsten Theil der GesammtUrsache jenes Vorganges
der Reconstruction darstellt. Dass diese letztere ohne das
Zuthun äusserer Bedingungen oder Theilursachen vor sich
gehen würde, kann nirgends nachgewiesen werden; jeder Orga
nismus bedarf der Nahrung in irgend welcher Form. An
dererseits aber genügt es keineswegs, dass ein Mechanismus
überhaupt und irgendwie als Theilursache bei seiner eigenen
Reconstruction mitfunctionire, um demselben den Charakter
des Organismus zusprechen zu können. So Hesse sich etwa
eine Dampfmaschine zur Neuherstellung eines ihrer abgenützten,
obwohl eben noch brauchbaren Bestandtheile verwenden, ohne
dadurch den Charakter des Organismus gewonnen zu haben,
indem wir unsere eigene Wirksamkeit in diesem Belange viel
höher anschlagen würden, als die der Maschine, wenn auch
die verwendete Kraftmenge auf Seite dieser letzteren eine
grössere sein möchte; — denn auf die Kraftmenge kommt es
bei dem Vergleiche der Antheile an einer Gesammtwirkung
nicht an, da man ja sonst etwa dem Orgeltreter grössere Wirk
samkeit an dem Zustandekommen des Musikstückes zuschreiben
müsste, als dem Orgelspieler. Denkt man sich aber jene
Maschine durch allmäldige Umänderung dahin vervollkommnet,
dass sie ihre sich abnützenden Theile etwa aus dem Eisenerz
selbst ohne weiteres Zuthun von aussen construiren und ein-
setzen, ausserdem dieses Erz nebst der nöthigen Steinkohle
und Wassermenge sich selbst aus der Erde zuführen würde,
und somit nur an eine Stelle versetzt zu werden brauchte, wo
Kohle und Eisen nebst der erforderlichen Wassermenge vereint
sich vorfinden, um durch eine längere Zeitperiode sich selbst
erneuernd ihre Functionen auszuführen, — also wie eine Pflanze
blos des ihrem Gedeihen zuträglichen Bodens bedürfte, um in
Thätigkeit zu bleiben; — so würde dieselbe alle Erfordernisse
in sich enthalten, welche durch den Begriff der Assimilation
bedingt werden. Wenn wir uns dennoch dagegen sträuben
würden, die Bezeichnung des Organismus ihr zukommen zu
466
v. Ehrenfels.
lassen, so könnte dies nur im Hinblick auf den verschiedenen
Habitus geschehen, der aber, wie erwähnt, ebenfalls kein prä-
eises Merkmal abgibt.
Es ist daher recht wohl denkbar, dass zwischen die
Dampfmaschine etwa und den Eichbaum eine Reihe von stufen
weise überleitenden Mechanismen eingeschoben würde, so dass
es unmöglich wäre, die Stelle anzugeben, an welcher der Ueber-
gang vom einfachen Mechanismus zum Organismus sich voll
zieht. Der Begriff des Organismus ist einer mit fliessender
Grenze; keines der ihm ausschliesslich zukommenden Merkmale
gestattet eine präcise Definition.
Hiegegen möchte es befremdlich erscheinen, dass wir
dennoch das Gebiet des Organischen, (den Umfang des Begriffes),
mit vollkommener Bestimmtheit abgrenzen und bei keinem der
uns bekannten Natur- und Kunstproducte im Zweifel darüber
verbleiben, ob es als Organismus zu bezeichnen sei oder nicht.
Dieser Umstand aber gibt keinen Gegenbeweis ab gegen die
Unbestimmtheit im Inhalte des Begriffes, sondern stammt ledig
lich daher, dass die in Wirklichkeit gegebenen Organismen
und Mechanismen Anfangs- und Endglieder einer Reihe dar
stellen, deren mögliche Mittelglieder sich nirgends in der Natur
vorfinden, und auch von Menschen nicht erzeugt werden können.
Die Begriffe des Reichen und des Armen enthalten . gewiss
nur schwankende Bestimmungen, und wer etwa die Aufgabe
erhielte, aus der Bevölkerung einer Grossstadt die Reichen
und die Armen herauszusuchen, der würde wohl mit der be
stimmten Erwartung ans Werk gehen, in vielen Fällen will
kürliche Entscheidungen treffen zu müssen. Würde es sich
dagegen erweisen, dass die Stadt nur von Millionären und
Bettlern bewohnt sei, so könnte die Ausscheidung mit Hilfe
jener unbestimmten Begriffe doch vollkommen präcise und
unzweifelhaft ausgeführt werden. Analog verhält es sich in
Bezug auf die Gebiete des Organischen und des Anorganischen.
Nur ein nicht in der Natur der Sache gelegener Nebenumstand
ermöglicht die scharfe Abgrenzung.
Für die Merkmale der Thierwelt, welche in denen der
organischen Welt und in einer specifischen Differenz aufzu
suchen sind, können somit präcise Bestimmungen von Seite
jener ersteren jedenfalls nicht gewonnen werden.
Metaphysische Ausführungen im Anschlüsse an Emil du Bois-Keymond. 467
Was aber vollends das eigentümliche Charakteristicum
der Thier- gegenüber der Pflanzenwelt anlangt, so genügt es
bekanntlich in seiner mangelhaften Präcision gegenwärtig schon
nicht mehr den praktischen Anforderungen einer bestimmten
zwischen den tatsächlich vorhandenen Organismen zu voll
ziehenden Scheidung, geschweige denjenigen einer festen und
unverrückbaren Definition. Die Fähigkeit zu sogenannten activen
Bewegungen, welche den Anschein einer gewissen Zweck
mässigkeit an sich tragen, ist alles, was den Organismus als einen
Repräsentanten der Thierwelt charakterisirt. Hiebei kann die
Activität in der Bewegung nicht schärfer definirt werden, als
durch die Angabe, dass diese letztere auf irgend welche Aus
lösungen oder Reize hin vermöge angesammelter potentieller
Energie in einer abweichenden Dauer und Richtung und in
einem die Reizgrösse bedeutend überwiegenden Umfange zu
erfolgen habe; —• während die scheinbare Zweckmässigkeit
nichts anderes erheischt, als dass die Bewegungen unter nor
malen Verhältnissen für die Selbst- und Arterhaltung des Orga
nismus günstige Consequenzen nach sich ziehen. Die Untaug
lichkeit aller dieser Bestimmungen zu einer festen begrifflichen
Fixirung bedarf keines weiteren Nachweises. Auch die Sicher
heit, mit welcher wir im gewöhnlichen Leben zwischen den
Repräsentanten des Thier- und Pflanzenreiches unterscheiden,
hat ihren Grund lediglich in dem zufälligen Umstande, dass
die Zwischenglieder uns im Durchschnitte unbekannt bleiben.
Die Thierwelt kann im Bereiche des Organischen nur ebenso
mangelhaft charakterisirt werden, als dieses in dem Bereiche
des Naturgeschehens überhaupt.
Wenn wir somit, ausgehend von der Einsicht, dass nur
eine tiefe Kluft zwischen dem Thierreich und der Gesammtheit
der übrigen Natur die Einschränkung der psychischen Exi
stenzen auf dieses erstere rechtfertigen könne, dessen charak
teristische Merkmale uns zu vergegenwärtigen suchten, so er
gibt es sich nun, dass blos äussere, unwesentliche Momente,
nämlich das seltene Vorkommen, respective gänzliche Fehlen
der möglichen Mittelstufen zwischen Thier und Pflanze, zwischen
Organismus und einfachem Mechanismus, jene Einschränkung
psychologisch zu motiviren, nicht aber logisch zu rechtfertigen
vermögen. Denn denkt man sich die möglichen Zwischenglieder
468
v. Ehrenfels.
verwirklicht, so entfällt jeder auch nur scheinbare Grund, an
irgend einer Stelle mit der Annahme des Psychischen Halt zu
machen; der Zufall aber, dass jene Glieder in Wirklichkeit
fehlen, ändert nicht das geringste an der Sachlage; nur der
Beweis, dass sie unmöglich seien, würde die Einschränkung des
Psychischen begründen.
Du Bois-Reymond, welcher, wie erwähnt, in dem vor
liegenden Probleme der allgemeinen Anschauungsweise bei
pflichtet, begründet dieselbe durch den Hinweis darauf, dass
der Naturforscher ein Seelenleben nur dort zugeben könne,
wo die materiellen Bedingungen hiezu in Gestalt eines Nerven-
systemes vorhanden seien, und lenkt hiemit die Aufmerksam
keit von den Naturobjecten im allgemeinen, denen man ein
Seelenleben zuzuschreiben pflegt, auf die speciellen Organe
und deren Functionen hin, welche wir für das Zustandekommen
psychischer Phänomene als in letzter Linie massgebend be
trachten. Die Veränderungen selbst, welche das Psychische
simultan bewirken, dürften aller Wahrscheinlichkeit nach in
chemischen Prozessen des Aufbaues und Zerfalles der Nerven-
substanz, vielleicht auch im Aufbau allein zu suchen sein;
jedenfalls ist eine solche Annahme für die Einschränkung des
Seelenlebens auf die Thierwelt die günstigste unter den mög
lichen, denn wenn auch die äussere Gestalt des Nervensystemes
keinerlei fixe Bestimmungen enthält, so zeigt doch dessen
chemische Constitution, folglich auch der betreffende Bildungs
und Zerfallsprozess eine schärfer als hei irgend welch anderem
Naturgeschehen zu definirende Charakteristik, welche sich sogar
durch bestimmte Verhältnisszahlen ausdrücken lässt.' Die Be
hauptung, nur der chemische Aufbau und Zerfall der Nerven-
substanz könne als simultane Ursache psychischen Geschehens
auftreten, besitzt einen festen unverrückbaren Sinn; und die
Consequenz dürfte uns hiebei nicht abschrecken, dass wir
demnach auch für den Fall einer künstlichen Erzeugung dieser
Substanz in der Retorte des Chemikers die Existenz psychischer
Daten annehmen müssten. Allein um die Einschränkung des
Psychischen auf eine gewisse Kategorie von physischen Ver
änderungen zu begründen, ist es nicht allein nöthig, dass sich
diese Kategorie als eine scharf abgegrenzte erweise; sie muss
auch in ihrer Eigenart dem sonstigen Naturgeschehen gegen-
Metaphysische Ausführungen im Anschlüsse an Emil du Bois-Reymond. 469
über eine tiefgebende Verschiedenheit aufweisen, welche ihre
exceptionelle Stellung in gewisser Weise rechtfertigt. Da es
sich in dem vorliegenden Falle um einen chemischen Prozess
handelt, so wird es geboten sein, auf die Natur des Chemismus
näher einzugehen.
Du Bois-Reymond stellt die Behauptung auf, dass, ehe
die Differentialgleichungen der Weltformel angesetzt werden
könnten, ... alle Naturvorgänge auf Bewegungen eines sub
stantiell unterschiedslosen . . . Substrates dessen zurückgeführt
sein müssten, ,was uns als verschiedenartige Materie erscheint', 1
. . . und fügt später hinzu, dass die Unmöglichkeit, jene
Gleichungen wirklich zu erhalten und zu discutiren, nicht in
der Natur der Sache, sondern nur in unserem beschränkten
geistigen Vermögen begründet sei. 2 Hiemit ist implicite aus
gesagt, dass die physische Welt aus wesensgleichen materiellen
Partikeln thatsächlich bestehe.
Es wird nicht wohl möglich sein, diesen Ausführungen
unbedingte Zustimmung zu ertheilen. Denn der Umstand, dass
die Sinnesqualitäten nicht den Dingen selbst als Eigenschaften
zukommen, beweist noch nicht, — wie Du Bois-Reymond an
nimmt, 3 — die Wesensgleichheit aller Materie; es könnten sich
einzelne chemische Elemente noch immer durch verschiedenes
Ausmass der ihnen zukommenden Anziehungs- und Abstossungs-
kräfte unterscheiden; und auch für eine aus solch verschiedenen
Elementen aufgebaute Welt könnten die Differentialgleichungen
ihrer Formel gefunden werden, wie etwa für den Mechanismus
eines Spieles aus Bein-, Glas- und Marmorkugeln. Soviel aber
wird Du Bois-Reymond dennoch zuzugestehen sein, dass der
Wesensgleichheit aller Materie dem gegenwärtigen Stande der
Naturwissenschaft gemäss Möglichkeit, ja sogar in einem ge
wissen Grade Wahrscheinlichkeit nicht abzusprechen ist; —
wenn man nämlich in Betracht zieht, eine wie vielartige Mannig
faltigkeit von Stoffen auf die relativ wenigen chemischen Ele
mente bereits zurückgeführt worden. Jedenfalls aber sind die
chemischen Elemente, wenn deren verschiedene vorhanden sein
sollten, durch nichts weiter als durch die Grösse ihrer gegen-
1 G. d. N. 16. 2 G. d. N. 19.
3 G. d. N. 16. Zeile 18 v. o.
470
v. Ehven fels.
seitigen Anzieliungs- und Abstossungskräfte zu unterscheiden,
— da ja die Sinnesqualitäten, in denen sie uns erscheinen,
nicht der Materie selbst zukommen. Es scheiden sich demnach
auch alle' chemischen Processe unter einander sowohl als gegen
über allem sonstigen physischen Naturgeschehen durch keine
tiefergreifende Verschiedenheit, als durch das Ausmass der hie
bei auf irgendwelche Art zur Geltung kommenden Bestimmungs
stücke. Der Chemismus ist nichts von dem übrigen physischen
Naturgeschehen wesentlich verschiedenes. Die Eigenart der
chemischen Function, sowie jeder physischen Function über
haupt, beruht lediglich in räumlichen und quantitativen Be
stimmungen sei es einer einzigen, wesensgleichen Materie, oder
der Anziehungs- und Abstossungskräfte materieller Partikel,
deren Wesensverschiedenheit eben nur hierin begründet ist, sowie
in ihrer Zahl und Geschwindigkeit, — in Merkmalen also, welche
sich zwar scharf präcisiren, dennoch aber zum mindesten stufen
weise in einander überleiten lassen. Die ganz unvergleichliche
Bevorzugung irgend welcher Kategorien physischer Vorgänge
durch die Annahme, dass ihnen allein die Fähigkeit zukommen
solle, psychische Erscheinungen als simultane Wirkungen hervor
zubringen, erscheint demnach in keiner Weise als gerechtfertigt.
Die chemischen Processe sind nichts anderes als Transactionen
von materiellen Partikeln, welch letztere unter einander ent
weder sich gar nicht, oder nur durch verschiedenes Kräfteaus-
mass unterscheiden; — dass gewisse dieser Transactionen psychi
sche Begleiterscheinungen bedingen, wissen wir; (es sind deren
wahrscheinlich mehrere Kategorien, da auch mehrere chemische
Substanzen in der grauen Hirnmasse sich vorfinden); kein
Argument spricht dagegen, dass auch anderen chemischen,
überhaupt allen physischen Veränderungen psychisches Ge
schehen entspreche; — erscheint es da nicht durchaus willkür
lich, das Seelenleben auf die Nervenfunctionen einzuschränken?
Wie wenig wir geneigt sind, die chemische Eigenart der
physiologischen Processe als ausschlaggebend für das Zustande
kommen psychischer Phänomene zu betrachten, zeigt in über
zeugender Weise die Fiction, dass wir etwa von irgend welchen,
den Planeten eines entfernten Sonnensystems bewohnenden
organischen Wesen sichere Kunde erhielten, welche sich bei
durchgängiger Verschiedenheit der Gestaltung dennoch in ana-
Metaphysische Ausführungen im Anschlüsse an Emil du ßois-Reymond. 4-7 1
loger Weise bewegten und entwickelten, und in analoge Be
ziehungen zu einander setzten, wie wir Menschen im gesellschaft
lichen Leben; — nur aber statt aus Kohlenstoff, Wasserstoff,
Stickstoff, Sauerstoff u. s. w. aus irgend welchen anderen chemi
schen Elementen zusammengesetzt wären. Wir würden diesen
Wesen unzweifelhaft ein Seelenleben zuschreiben, und an ihrer
verschiedenen chemischen Constitution keinerlei Anstoss nehmen.
Dass solche Wesen möglich sind, und es nur der entsprechen
den Kunstfertigkeit bedürfte, sie in Wirklichkeit zusammen
zustellen, wird wohl nicht bezweifelt werden können; der Um
stand aber, dass sie in dem Bereiche unserer thatsächlichen
Erfahrung sich nicht vorfinden, bietet ebenso wie der Umstand,
dass die möglichen Mittelstufen zwischen organischem und an
organischem Naturgeschehen fehlen, nur ein psychologisches
Motiv, nicht einen logischen Grund für die Einschränkung des
psychischen Lebens auf die Nervenfunctionen, respective das
Thierleben dar; der Vollzug dieser Einschränkung scheint er
klärlich, aber nicht gerechtfertigt.
Noch eine zweite Betrachtungsweise führt mit besonderer
Ueberzeugungskraft zu denselben Ergebnissen. Es dürfte näm
lich aller Wahrscheinlichkeit nach das uns überblickbare Welt
system dereinst unfähig gewesen sein, Nervensubstanz in irgend
welcher Form hervorzubringen, und durch Milliarden von Jahr
tausenden, oder gar durch unendlich lange Zeit sich verändert
haben, ehe sich jene hochcomplicirte chemische Verbindung
überhaupt bilden konnte. Sollen wir nun annehmen, die Welt
habe sich bis zu diesem Zeitpunkte seelenlos, d. h. ohne Be
wusstsein entwickelt, und erst in dem Augenblicke, da sich
die Atome zu jener bestimmten Verschränkung zusammen
fanden, sei die vollkommen neue Kategorie des Psychischen
plötzlich wie aus dem Nichts aufgetaucht? Erscheint es nur
irgendwie glaubwürdig, dass dieselben Atome, welche sich
früher in den mannigfachsten Relationen gegeneinander ver
schoben hatten, ohne psychische Existenz zu bedingen, nun
plötzlich jene räthselhafte Fähigkeit bethätigen sollten, nur
weil sie in eine neue Lage zu einander gebracht wurden? —
Man wird vielleicht entgegnen, das Verhältniss zwischen Physi
schem und Psychischem sei überhaupt ein unlösbares Räthsel;
auf diesem Gebiete gebe es kein Mehr oder Minder des Wunder
ü
472
v. Ehrenfels
baren. Allein hiedurch Hesse sich erstlich höchstens die Gleich
berechtigung der zwei einander entgegengesetzten Auffassungen
belegen, — zweitens aber ist es kein zu billigendes Vorgehen,
wenn man dort, wo sich eine Schwierigkeit bietet, mit Ver
nunft überhaupt nichts mehr ausrichten zu können vermeint.
Allerdings ist es schlechterdings unbegreiflich, wie Bewegung
der Materie Bewusstsein zu bewirken im Stande sein soll; wir
müssen dieses Räthsel in unserer Naturbetrachtung eben stehen
lassen, solange sich kein Mittel darbietet, es zu beseitigen.
Ein neues, kaum geringeres Räthsel aber würde man diesem
durch die weitere Annahme hinzugesellen, dass dieselben Atome,
deren relative Bewegung in der Nervensubstanz psychische
Phänomene auslöst, — dass ferners diesen verwandte, höchstens
durch quantitative Kräftebestimmung sich unterscheidende mate
rielle Partikel, wie sie sich ausserhalb der Nervensubstanz
gegen einander verschieben und seit undenklichen Zeiten ver
schoben haben, in stummem, finsterem Spieb ohne psychische
Begleiter verbleiben sollten. Und dieses zweite Räthsel können
wir aus unserer Naturbetrachtung entfernen, wenn wir einfach
das Dogma von der Beschränkung des Psychischen auf die
Nervenfunction fallen lassen und psychische Begleiterschei
nungen für jegliche relativen Lageveränderungen in der Materie
annehmen.
Da es sich somit gezeigt hat, dass weder die Motive der
gemeinen Naturbetrachtung, noch auch die Argumente der Natur
historie und Physiologie die Einschränkung des Seelenlebens
auf die Thierwelt zu rechtfertigen vermögen, und da ferners
keine allgemeinere Kategorie physischen Geschehens, welcher
die Nervenfunction untergeordnet werden könnte, sich in solcher
Weise abhebt und von allen übrigen Veränderungen unter
scheidet, dass eine durchaus exceptionelle Fähigkeit, wie die,
Psychisches simultan zu bewirken, hiedurch als gerechtfertigt
erscheinen würde, — so besitzt die Hypothese von der Beseelt
heit aller relativen Bewegung der Materie einen gewissen end
lichen Wahrscheinlichkeitsgrad, welcher zwar nicht zahlenmässig
ausgedrückt werden kann, dennoch aber eine wissenschaftlich
wohl berücksichtigenswcrthe Grösse darstellt. 1
Ueber Th. Fechners ähnlich begründeten Hylozoismus vgl. S. 495 f.
Metaphysische Ausführungen im Anschlüsse an Emil du Bois-Reymond. 473
Ohne hier schon auf die folgenschweren Consequenzen
dieser Hypothese einzugehen, wird es von Vortheil sein, erst
noch einigen specielleren Bedenken gegen ihre Berechtigung
und mögliche Bedeutsamkeit zu begegnen.
Vor allem ist hiebei daran zu erinnern, dass die An
nahme der Beseeltheit aller relativen Bewegung und die An
nahme von Atomseelen, gegen welch letztere Du Bois-Reymond
mit Recht polemisirt, 1 sich wesentlich von einander unter
scheiden. Die Annahme von Atomseelen verlangt so viel Be
wusstseinseinheiten, als Atome vorhanden sind, und postulirt
ferners psychische Existenzen auch für ein unbewegtes physi
sches Weltsystem, welche Consequenzen beide mit der Empirie
nicht in Einklang gebracht werden können. Die Annahme
dagegen von der Beseeltheit aller relativen Bewegung spricht
sich noch in keiner Weise über die Bedingungen aus, unter
welchen die Bewusstseinseinheiten sich gegen einander ab
grenzen, und verlangt auch für eine ruhende materielle Welt
keinerlei psychische Daten; dennoch könnte man sich vielleicht
versucht fühlen, auch gegen sie jenen Satz in Anwendung zu
bringen, welchen Du Bois-Reymond jener ersteren Hypothese
von Atomseelen entgegenhält: ,Entia non sunt creanda sine
necessitateh Man hat eben mit der Annahme neuer Existenzen
möglichst sparsam zu verfahren, und, wenn keine Nöthwendig-
keit vorliegt, besser vollkommen zurückzuhalten.
Nun ist es unläugbar, dass für die Beseeltheit aller rela
tiven Bewegung ein absolut zwingendes Argument, oder Noth-
wendigkeit im eigentlichen Sinne des Wortes nicht vorgebracht
werden kann; wollte man aber hierin schon einen Gegenbeweis
anerkennen, so würde man dadurch den sonderlichsten Conse
quenzen anheimfallen, denn auch für die Beseeltheit seiner Mit
menschen vermag jeder Einzelne nur einen Analogieschluss,
also Wahrscheinlichkeit und nicht Nothwendigkeit anzuführen;
ja die Existenz einer Aussenwelt überhaupt ist desgleichen
nur wahrscheinlich, und selbst Erinnerung an die eigene
psychische Vergangenheit gewährt keine vollkommene Gewiss
heit. Nothwendig unter allen Existentialsätzen, welchen wir
zustimmen, ist nur das ,cogito, ergo sum'. Wenn wir also den
1 7 W 72 f.
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. CXII. Bd. II. Hft.
31
474
v. Ehrenfels.
oben angeführten Satz wörtlich befolgen wollten, so dürften
wir überhaupt nichts anderes, als die gegenwärtigen Daten der
inneren Wahrnehmung als existirend betrachten. Es kann da
gegen nicht bezweifelt werden, dass jener Satz das Wort neces-
sitas nur in dem Sinne von vernünftiger Nöthigung gebraucht,
und folglich nicht mehr enthält, als eine Warnung vor leicht
sinniger Annahme von Existenzen, oder die Angabe, dass von
zwei im übrigen gleich wahrscheinlichen Hypothesen diejenige,
welche eine geringere Mannigfaltigkeit von Existenzen annimmt,
vorzuziehen sei. Nun beseitigt aber in dem vorliegenden Falle
die Hypothese von der Allbeseeltheit relativer Bewegung be
deutende Schwierigkeiten, welche der Einschränkung des Psy
chischen auf die Nervenfunction anhaften; sie ist also wahr
scheinlicher, als die letztere. Somit findet die vorgebrachte
Regel auf sie keine Anwendung.
Ohne eine solche Wahrscheinlichkeit bei unserer Hypothese
bestreiten zu wollen, Hesse sich doch vielleicht die mögliche
Bedeutsamkeit derselben für die Weltbetrachtung in Abrede
stellen. ,Was nützt' —- so könnte man fragen —- ,die Erkennt
nis von psychischen Existenzen, von denen wir uns doch keine
irgendwie determinirte Vorstellung zu bilden vermögen? Aller
dings spricht auch eine grosse Wahrscheinlichkeit dafür, dass
ausser der uns bekannten noch andere, vielleicht unendlich
viele Welten existiren, und doch bekümmert man sich im All
gemeinen sehr wenig um dieselben. Hypothesen, wie die vor
liegende, gehören, wenn sie auch begründet sein mögen, darum
doch in das Gebiet müssiger Speculation/
Hierauf ist jedoch zu erwidern, dass erstlich für denjenigen,
welcher überhaupt dem abstract Gedachten ein Interesse ab
zugewinnen vermag, die abstracte Erkenntniss so hoch bedeut
samer Thatsachen, wie der hier in Rede stehenden, selbst dann
Wichtigkeit besitzen würde, wenn auch keine Aussicht vorhanden
wäre, dieselben jemals in ihren concreten Besonderheiten zu
erfassen; -— zweitens aber es an einer solchen Aussicht gar
nicht gebricht. Allerdings vermögen wir heute, sobald wir das
Gebiet des Organischen überschreiten, auch nicht die leiseste
Vermuthung über die Art psychischen Geschehens auszusprechen,
welche irgend welchen physischen Vorgängen wohl entsprechen
1
Metaphysische Ausführungen im Anschlüsse an Emil du Bois-Reymond. 475
mag. Dies erscheint auch durchaus nicht befremdlich, wenn
man bedenkt, auf welchem Umwege wir jetzt noch unsere
Analogieschlüsse betreffs psychischer Vorgänge zusammenzu
stellen gezwungen sind. Wie schon früher erwähnt, geschieht
dies nämlich nicht auf die, wenn sie möglich wäre, jedenfalls
fruchtbringendste Art eines directen Vergleiches der betreffen
den Nervenfunctionen, sondern, da diese unserer Beobachtung
sich entziehen, durch Ausdeutung der äusseren Körperbewe
gungen des fremden Lebewesens gemäss unseren eigenen.
Wenn uns ein vom übrigen Körper losgetrenntes, durch künst
liche Mittel, etwa durch Einpumpen von warmem, arteriellem
Blut und mechanische Reizung in Function erhaltenes, mensch
liches Gehirn offen dargeboten würde, so vermöchten wir bei
dem jetzigen Stande unserer Kenntnisse dessen psychische
Leistungen ebensowenig zu erschlossen, als diejenigen irgend
welchen anorganischen Geschehens. Offenbar aber ist hierin
ein Fortschritt möglich. Die psychischen Vorgänge der an
organischen und der Pflanzenwelt müssen aus einleuchtenden
Gründen in ebensolcher Weise als mit ihrer physischen Grund
lage in Analogie verlaufend angenommen werden, wie diejenigen
des Thier- und Menschenlebens. Erinnern wir uns hiebei des
diesbezüglich angewendeten Gleichnisses von Tonstück und Par
titur, so können wir behaupten, dass unser heutiges Vermögen in
der Ausdeutung des Psychischen etwa demjenigen eines Dilet
tanten gleichzustellen sei, welcher sich ohne irgend welche
theoretische Kenntniss der Notenschrift, der Harmonielehre und
Instrumentation durch langjährige Versuche und ein dadurch
ausgebildetes instinctives Verfahren die Fähigkeit angeeignet
hat, Aufführungen von Orchesterwerken mit der Partitur in
der Hand zu folgen und sich auch bei dem Anblick der Partitur
neuer, von den bekannten nicht wesentlich verschiedener Ton
stücke ein beiläufiges Bild von ihrem lebendigen Eindrücke
zu entwerfen; — wogegen eine genaue Kenntniss eines jeden
Zeichens der Notenschrift, verbunden mit einer gründlichen
Analyse der verschiedenen Accorde und Klänge, es der ent
sprechenden Tonphantasie ermöglicht, auch die neuesten und
fremdartigsten musikalischen Eindrücke aus dem blossen An
blicke der stummen Zeichen zu gewinnen. Eine analoge genaue
Kenntniss des Verlaufes und der psychischen Bedeutung der
31*
476
v. K li r e n f e 1 s.
Nervenfunctionen sowie ihres Verhältnisses zu dem sonstigen
Naturgeschehen auf der einen, eine entsprechende Vervoll
kommnung der psychologischen Analyse auf der anderen Seite
könnten demnach recht wohl unsere Phantasie dazu befähigen,
aus dem mechanischen Weltbilde der Naturwissenschaft mit
grösserer oder geringerer Vollständigkeit wie aus einer auf
geschlagenen Partitur das ungeheure Gebilde der psychischen
Weltsymphonie abzulesen. Auf diese Möglichkeit auch nur
hingewiesen zu haben, wird aber gewiss nicht müssiger Specu-
lation gleich zu achten sein.
Es ist darum ein hochbedeutsames Ergebniss, welches
wir zusammenfassend in die Worte kleiden können, dass einer
überwiegenden Wahrscheinlichkeit gemäss die Gesammtheit
aller relativen Bewegungen auf einen gleichzeitigen, in seinen
Bestimmungen ihr analogen, psychischen Naturlauf den Schluss
gestatte. •
Es muss, ehe die Untersuchung weiter fortgeführt wird,
darauf hingewiesen werden, dass mit der Anerkennung der
Allbeseeltheit relativer Bewegung die aus den Voraussetzungen
Du Bois-Reymond’s sich ergebende Nöthigung zur Construction
des Begriffes der simultanen Causalität für das Abhängigkeits-
verhältniss zwischen physischem und psychischem Geschehen 1
geschwunden ist, und daher auch diesbezügliche Rectificationen
schon jetzt vorgenommen werden müssten, wenn sich das
Problem nicht angesichts der folgenden, von dem Voraus
gegangenen zunächst durchaus unabhängigen Untersuchung in
vollkommen neuem Lichte darstellen würde.
VI. Die Idealität des Raumes.
Du Bois-Rcymond erwähnt in seinen umfassenden Erör
terungen metaphysischer Natur auf keine Weise das vielbespro
chene Problem der Idealität des Raumes. Ihm gilt es zwar —
mit gutem Grunde — für ausgemacht, dass die Sinnesqualitäten
nicht den Dingen selbst zuzuschreiben sind; er betrachtet aber
durchgehends die Räumlichkeit als eine Eigenschaft, der in
1 Siehe Seite 448 ff.
Metaphysische Ausführungen im Anschlüsse an Emil du Bois-Reyraond. 477
Wirklichkeit existirenden Materie, deren Wesen er freilich für
unergründlich erklärt, ja •— soferne wir ihn recht verstehen
— als ein Räthsel darstellt, bei dessen versuchten Lösungen
der menschliche Geist sich nothwendig in Widersprüche ver
wickeln müsse. Umsomehr ist es zu verwundern, dass hiebei
die Anschauungsweise von der Realität räumlicher Bestim
mungen gleich einem unerschütterlichen Dogma mit keinem
Worte in Zweifel gezogen wird. Wie es sich indess mit der Be
gründung dieses Umstandes auch verhalten möge, — für unsere
Zwecke erscheint jedenfalls ein näheres Eingehen auf das be-
zeichnete Problem als geboten.
Für die Idealität des Raumes lassen sich keine so schlagen
den und unmittelbar überzeugenden Beweisgründe beibringen,
wie für die Idealität der Sinnesqualitäten. Wenn auf gleiche
mechanische Reize hin ein jeder unter den Sinnesnerven dennoch
die seiner Eigenart entsprechenden Empfindungen vermittelt,
so erscheint dem gegenüber die Annahme der Qualitäten an den
äusseren Dingen selbst als eine überflüssige und durch keinen
stichhältigen Grund mehr zu rechtfertigende Hypothese. Wenn
uns aber ein Gegenstand durch den Tast- und den Gesichts
sinn verschiedene Raumvorstellungen erweckt, so kann man
dies unter Voraussetzung einer dem Gegenstände in Wirklich
keit zukommenden Gestalt recht wohl erklären. Dennoch lässt
sich auch die Idealität des Raumes, und zwar auf indirectem
Wege, mit hoher Wahrscheinlichkeit nachweisen. Wer nämlich
die Realität der räumlichen Bestimmungen behauptet, der ver
langt hiemit ein Gleichheits- oder doch quasi - Gleichheits-
verhältniss zwischen unseren Vorstellungsinhalten und den sie
bewirkenden Gegenständen der Aussenwelt, ein Gleicliheits-
verhältniss also zwischen Anfangs- und Endglied einer ver
mittelnden Causalkette, welche sogar zwei Arten der Causalität,
die auf physischem Gebiete herrschende (successive) und die
zu dem Psychischen überleitende simultane Causalität gleichsam
miteinander verknüpft. Hiebei lässt sich auch dort, wo das
räumlich Empfundene die Oberfläche des Leibes nicht direct
berührt, eine Aehnlichkeit zwischen Ursache und Wirkung
bis zur Reizung der peripherischen Nervenenden allerdings ver
folgen ; — das sogenannte Netzhautbildchen ist der wirklichen
Gestalt des Gegenstandes ähnlich. Nun bietet aber bekannt-
478
v. Eh re n f eis.
lieh die Reizung der Nervenenden noch keineswegs die simul
tane Ursache für die Empfindung; diese stellt sich vielmehr
erst auf die Fortpflanzung des Reizes bis zum Centralorganc
ein. Dass sich jedoch auch die räumliche Aehnlichkeit auf diesem
Wege gleichsam fortpflanzen, und etwa die Function der grauen
Hirnsubstanz noch die Gestalt des Netzhautbildchens in irgend
einer Weise zum Vorschein bringen solle — diese Annahme
kann nicht den geringsten Wahrscheinlichkeitsgrad in Anspruch
nehmen; dass aber vollends erst jene Function den ihr allen
falls noch anhaftenden Aehnlichkeitsgrad auf ihre simultane
Wirkung, die Empfindung, übertrage, scheint nun gar nicht
mehr als glaubwürdig, wenn man bedenkt, welch’ gründliche
Verschiedenheit anerkannter Weise zwischen dem psychischen
Phänomen und seiner simultanen Ursache überall dort sich
vorflndet, wo jenes nicht in der Vorstellung von Räumlichkeit
besteht, sondern etwa in anderweitigen Vorstellungen oder in
einem Gefühl, einem Urtheil. Alle diese Daten unseres Bewusst
seins haben nicht die geringste Aehnlichkeit mit jenen Atom
wirbeln, welche ihr Dasein bedingen; weshalb sollte gerade
die Vorstellung räumlicher Gestalten eine Ausnahme machen?
Weshalb sollte sich, wie durch die Brechung der Lichtstrahlen
auf der Netzhaut, nun nach dem Durchgänge der Erregung
durch die Leitungsnerven und dem psycho-physischen Salto
mortale das getreue Abbild des wirklichen Gegenstandes, und
zwar nicht in verkleinertem, sondern in richtigem Massstabe
gleichsam auf die Bildfläche unseres Bewusstseins projiciren?
— Eine solche Hypothese könnte nur durch die Annahme
einer speciellen Teleologie gerechtfertigt werden, gegen welch’
letztere aber der Einwand erhoben werden müsste, dass, falls
eine etwaige Schöpfung den Zweck verfolgt haben sollte, in
unseren WahrnehmungsVorstellungen die wirkliche Aussenwelt
abzuspiegeln, hinwiederum die Idealität der Sinnesqualitäten
nicht zu erklären sein würde. Muss es somit als durchaus un
wahrscheinlich bezeichnet werden, dass die Dinge diejenige
Gestalt besitzen, in welcher wir sie zu erblicken vermeinen,
so ist auch selbst die Annahme, dass ihnen Räumlichkeit über
haupt, also irgend welche Gestalt zukomme, nicht genügend
zu rechtfertigen, denn auch sie beansprucht für die Raum
vorstellung eine angesichts der übrigen psychischen Phänomene
Metaphysische Ausführungen im Anschlüsse an Emil du Bois-Keymond. 4:79
beispiellose, durch keinen Grund erwiesene und mithin höchst
unwahrscheinliche Aehnlichkeit mit ihrer simultanen Ursache.
Wollen wir dagegen die Gesetzmässigkeit, in welcher
sich unter der Voraussetzung der Realität räumlicher Bestim
mungen die physische Natur darstellt, nicht als eitlen Schein
verwerfen, so genügt es vollkommen, anzunehmen, dass die
wirkliche der vorgestellten räumlichen Welt in den Relationen
ihrer Bestimmungsstücke ähnlich sei, oder genauer gesagt, dass
zwischen beiden Analogie (in der schon früher präcisirten Be
deutung des Wortes) bestehe. 1 Diese einzig haltbare Fassungs
weise der Lehre von der Idealität des Raumes lässt der Existenz
und Gesetzmässigkeit eines äusseren Naturlaufes und der Unwahr
scheinlichkeit einer teleologischen Gleichheit zwischen psychi
schen Phänomenen und ihren mittelbaren, physischen Ursachen
gleiche Gerechtigkeit widerfahren und soll daher den folgenden
Ausführungen zu Grunde gelegt werden.
Ehe wir indess auf die Betrachtung jener Beziehungen
eingehen, in welche das Erwähnte zu der im vorigen Capitel
aufgestellten Hypothese gebracht werden kann, ist es noth-
wendig, noch einer anderen, der gewöhnlichen Meinung eben
falls entgegenstehenden Betrachtungsweise von dem Wesen
räumlicher Bestimmungen zu gedenken, welche, mit der Idea
lität des Raumes nur mittelbar zusammenhängend, namentlich
von Seiten der Naturforscher einer energischen Vertheidigung
sich erfreut.
Es ist dies die Lehre von der Relativität aller räumlichen
Bestimmungen, welche von der bekannten Thatsachc ihren
Ausgang nimmt, dass sich die Bewegung irgend eines Körpers
immer nur in Bezug auf andere Körper, gegen welche jener
erstere seine Lage verändert, bestimmen lässt. Eine allen
Körpern der Welt in gleicher Geschwindigkeit und nach gleicher
Richtung zukommende Bewegung könnte mit menschlichen
Mitteln niemals bemerkt werden. Hieran knüpfte man nun
die Behauptung, dass der Begriff einer solchen absoluten Be
wegung des Weltalls überhaupt gar keinen Sinn habe, dass
wir, wenn wir von der Bewegung eines Körpers sprechen, gar
1 Siehe Seite 456 f.
480
v. ETirenfels.
nichts Anderes besagen wollen, als dass er seine Lage in
Bezug auf andere Körper verändere, und dass absolute räum
liebe Bestimmtheit ein Unding sei, welches nicht einmal gedacht
werden, geschweige denn existiren könne.
Dies die Fundamentalsätze der erwähnten Lehre, welche
keineswegs in einem Athem mit der Idealität des Raumes vor
getragen wird, sondern nach der Ansicht vieler ihrer Bekenner
das Wesen der in Wirklichkeit bestehenden räumlichen Quali
täten dargestellt haben soll.
Es ist gewiss bemerkenswert!!, dass der jedem unbefan
genen Nachdenken offenbare Widerspruch dieser Behauptungen
denselben an dem Beifalle, welcher ihnen vielfach zu Theil
ward, so wenig Abbruch zu thun vermochte. Im geraden
Gegensätze zu den angeführten Thesen muss es einem jeden,
welcher in der Analyse dessen, was klar und durchsichtig in
seinem Inneren vorliegt, nicht durch äusserliche Rücksichten
sich beirren lässt, auf das Bestimmteste einleuchten, dass er
den Begriff der relativen gar nicht ohne den der absoluten
Bewegung zu denken vermag, jedenfalls aber dieser letztere
eben so klar und widerspruchslos gefasst werden kann wie
jener. Dies beweist unwiderleglich die Evidenz des Satzes,
dass, — die Existenz absolut räumlicher Bestimmungen vorerst
nur hypothetisch zugegeben, — von zwei Körpern, welche ihre
gegenseitige Lage verändern, mindestens einer, oder beide sich
auch absolut bewegen müssen, unmöglich aber beide absolut
ruhen können. Wären die Begriffe absoluter räumlicher Be
stimmtheit und absoluter Ruhe und Bewegung thatsächlich mit
inneren Widersprüchen behaftet, so könnten sie doch unmöglich
das Material für evidente Urtheile abgeben, — es sei denn
für solche, welche eben ihre Widersprüche behaupteten. Von
einem viereckigen Kreis lässt sich keine andere Behauptung
mit Evidenz aussagen, als eben die, dass er unmöglich ist.
Würde man etwa einsehen, dass, — seine Möglichkeit vorerst
nur hypothetisch zugegeben, — dann jedenfalls seine Diagonalen
und Durchmesser gleich und vierthalb so kurz sein müssten,
wie sein Umfang, so würde man hiemit zweifellos auch die
Möglichkeit seiner Existenz anerkannt haben. Ebenso könnte
der oben citirte Satz betreffs des Verhältnisses zwischen rela
tiver und absoluter Bewegung keine Evidenz besitzen, — welche
Metaphysische Ausführungen im Anschlüsse an Emil du Bois-Reymond. 481
ihm doch zweifellos zukommt, — wenn der Begriff der absoluten
Bewegung selbst Widersprüche enthielte. 1
Aber mehr als dies; — wer die Möglichkeit absoluter
Bewegung nur erst recht erkannt hat, der muss bei unbefangener
Ueberlegung auch einsehen, da.ss relative Bewegung ohne ab
solute eben so undenkbar ist, wie Grössersein ohne Grösse,
wie Gleichheit ohne Gleiches, — oder wie Bewegung ohne
Bewegtes. Die Relativität der räumlichen Bestimmungen ist mit
der Existenz räumlicher Dinge schlechthin unverträglich und
kann daher, so lange man an dieser letzteren festhält; nicht
zugegeben werden.
Dennoch ist es, wie erwähnt, höchst beachtenswerth,
welch’ bedeutender Anhängerschaft sich die kritisirte Lehre
zu erfreuen hat. Der Erklärungsgrund hiefür liegt unzweifel
haft darin, dass wir ein AViderstreben dagegen nicht zu unter
drücken vermögen, einer Bestimmung reale Existenz zuzu
schreiben, welche, wie die der absoluten Räumlichkeit eines
Gegenstandes, für uns niemals irgend welchen Belang erreichen
kann, indem wir ja nur die relativen Ortsveränderungen über
haupt zu bemerken im Stande sind. Es wird daher angezeigt
sein, zu untersuchen, ob diesem AViderstreben nicht etwa im
Hinblicke auf die Idealität des Raumes Ausdruck gegeben
werden könnte.
Die Relativität der räumlichen Bestimmungen scheint
vorerst unter Voraussetzung der Idealität des Raumes alle Be
deutung zu verlieren. Denn wenn es richtig ist, dass Räumlich
keit sich nur in unserer A^orstellung und nicht an den Dingen
selbst vorfindet, — welcher Sinn sollte dann noch der Behaup
tung unterlegt werden können, dass nur relative, nicht ab
solute Bewegung thatsäehlich vorhanden sei? — Dennoch ist
ein Modus denkbar, um den leitenden Gedanken der Relativitäts
lehre auch in Anbetracht der Idealität des Raumes festzuhalten.
Es wurde erwähnt, dass wir, um die Gesetzmässigkeit des
Naturlaufes nicht fallen lassen zu müssen, gezwungen sind, die
wirkliche Aussemvelt als mit der von der Naturwissenschaft
1 Ich entnehme den Gedankeng-ang dieses Nachweises einem Gespräche
mit meinem Freunde Prof. Dr. Alois Höfler.
i
T
1
482 v. Ehrenfels.
angenommenen Raumwelt in Analogie stehend zu betrachten,
so dass jeder in dieser letzteren gegebenen räumlichen Gleich
heit, Verschiedenheit, und grösseren oder geringeren Aehnlich-
keit auch überall in den Dingen selbst begründete Gleichheit,
Verschiedenheit, und grössere oder geringere Aehnlichkeit ent
spreche. Ersetzt man nun in diesem Satze die Begriffe räum
licher Gleichheit, Aehnlichkeit und Verschiedenheit durch
diejenigen der Gleichheit, Aehnlichkeit und Verschiedenheit
räumlicher Relationen, so ist hiemit der Relativitätslehre in
einer haltbaren Form Ausdruck gegeben.
Räumliche Relationen ändern sich zugestandenermassen nur
dort, wo relative Bewegung vorliegt; — man wollte denn der
naiven Auffassungsweise beipflichten, welche die absolute Bewe
gung eines Gegenstandes nicht blos als die Veränderung seiner
örtlichen Bestimmtheit, sondern als eine Verschiebung desselben in
Bezug auf den feststehenden absoluten Raum betrachtet. — Wenn
man also annimmt, dass die wirkliche Welt der räumlichen
nur in Bezug auf die in dieser letzteren sich darstellenden
Relationen analog sei, so schliesst man hierin die Behauptung
ein, dass demjenigen, welches wir als Gegensatz zwischen ab
soluter Ruhe und absoluter Bewegung vorstellen, in Wirklich
keit gar kein Gegensatz entspreche, oder mit anderen Worten,
dass die wirkliche Aussenwelt unsere Vorstellung von absoluter
Räumlichkeit in keiner Weise determinire, und es mithin voll
kommen gleichgiltig sei, ob wir in unserem schematischen
Raumbilde von der wirklichen Welt dieselbe als Ganzes ruhend
oder bewegt vorstellen mögen.
In dieser Weise aufgefasst, ist die Relativitätslehre nicht
allein, wie schon erwähnt, frei von jedem inneren Widerspruch,
sondern sie besitzt auch einen nicht gering zu achtenden Grad
der Wahrscheinlichkeit, indem, — wie die bezüglichen Bestre
bungen der Physik dies am besten bezeugen, — wir nicht an
zunehmen geneigt sind, dass, wenn die absoluten Raumdaten
irgend welche Analoga in der Wirklichkeit besitzen sollten,
dieselben sich uns in keinerlei Weise bemerkbar machen würden. 1
1 Die räumliche Relativitätslehre ist unter anderem auch der viel
bekannten Abhandlung von Clerk Maxwell ,Substanz und Bewegung 1
zu Grunde gelegt.
Metaphysische Äusfühwingen im Anschlüsse an Emil du Bois-Reymond. 483
Wir haben somit die wirkliche physische Welt als ein
seinen dirccten Bestimmungen nach uns vollkommen unbekann
tes Gebilde zu betrachten, welches aber in seinem Bestände
sowold als in seinen Veränderungen zu den Raumrelationen
des physisch-mechanischen Weltlaufes durchgängige Analogie
aufweist. Dieser Satz soll nun mit den Ergebnissen des voran
gegangenen Capitels in Beziehung gebracht werden.
VII. Die wirkliche Welt.
Die Gesammtheit aller relativen Bewegungen, wie der
Weltmechanismus der Naturwissenschaft sie uns darstellt, kann
als Anzeichen für einen gleichzeitigen, in seinen Bestimmungen
ihr durchaus analogen psychischen Naturlauf betrachtet werden.
Dem räumlichen Weltmechanismus der Natur-Wissenschaft
ist keine reale Existenz zuzuschreiben; in Wirklichkeit existirt
eine ihren directen Bestimmungen nach uns vollkommen unbe
kannte Welt, von welcher nicht mehr behauptet werden kann,
als dass sie in ihrem Bestände und Verlaufe zu den Raum
relationen jenes Weltmechanismus Analogie aufweise.
Zu diesen von Du Bois-Reymond’s Weltanschauung ab
weichenden Sätzen haben die Untersuchungen der beiden letzten
Capitol uns hingeleitet. Auffällig ist hiebei die Aehnlichkeit
der Beziehungen, in welche einerseits die gesammte psychische
Welt, andererseits diejenige wirkliche Welt, welche der fälsch
lich für real gehaltenen mechanischen Raumwelt zu Grunde
liegt, zu dieser letzteren gesetzt werden. Von der psychischen
Welt wird behauptet, dass sie zu der Gesammtheit relativer
Bewegungen des x-äumlichen Weltmechanismus in Analogie
stehe, von der dem Physischen zu Grunde liegenden wirklichen
Welt nicht mehr gefordert, als dass sie Analogie zeige zix der
Gesammtheit aller Raumrelationen jenes Weltmechanismus. Es
könnte beinahe den Anschein haben, als genüge die psychische
Welt allen Anforderungen, welche wir an die wirkliche, so
genannte physische,Welt zu stellen berechtigt sind; als gienge
es an, jene an die Stelle dieser zu setzen; als sei es gar nicht
nöthig, zwei in i-äthselhafter Bedingtheit parallel ablaufende
Kategorien des Naturgeschehens anzunehmen; als beruhe jenes
für unlösbar erachtete Problem der Abhängigkeit des Psychi-
484
v. Ehrenfels.
sehen vom Physischen einfach auf einer falschen Fragestellung.
Obgleich dieser Gedanke nicht neu ist, sondern bereits von
Schopenhauer, allerdings in einer anderen, jedenfalls unhalt
baren Modification ausgesprochen wurde, so dürfte dennoch
seine Verschiedenheit von der üblichen Auffassungsweise zu An
fang den Eindruck des Befremdlichen hervorrufen, wovon man,
wie in vielen ähnlichen Fällen, abstrahiren muss, um mit unbe
fangenem Urtheil an das Problem selbst herantreten zu können.
Die vorangegangenen Untersuchungen ergaben die An
nahme eines psychischen Weltlaufes, welcher den physischen
in all seinen relativen Bewegungen begleite, ohne ihn zu beein
flussen. Später zeigte sich, dass der physische Weltlauf in
Wirklichkeit nicht existire, sondern nur ein in Bezug auf dessen
räumliche Relationen ihm analoger. Nun könnte es sich wohl
so verhalten, dass dieser in Wirklichkeit existirende, dem physi
schen entsprechende Weltlauf von dem psychischen verschieden
sei und in ähnlicher Beziehung zu demselben stehe, wie nach
unserem Urtheil, so lange wir ihn noch für wirklich ansahen,
der mechanische Weltlauf. Sollte aber der psychische Welt
lauf alle Bestimmungen enthalten, welche wir an jenem, dem
physischen entsprechenden, wirklichen Weltlauf anzunehmen
gezwungen sind, so wäre es eine unnüthige Complication unserer
Naturbetrachtung und würde gegen den früher angeführten
Grundsatz — entia non sunt creanda sine necessitate — ver-
stossen, wenn wir nicht beide identifleiren würden. Es handelt
sich also zur Entscheidung des Problemes blos um die Beant
wortung der Frage, ob eine Folge irgend welcher Geschehnisse,
welche zu sämmtlichen relativen Bewegungen des Weltmechanis-
mus, wie die Naturwissenschaft ihn construirt, in Analogie steht,
Analogie auch zu seinen sämmtlichen Raumrelationen, — also
zu den Raumrelationen der fingirten materiellen Partikel, —
aufweise. Analogie zu den bei einem einzelnen Atom, wenn
man dieses als endlich gross annehmen wollte, sich ergebenden
Raumrelationen kann nämlich nicht gefordert werden, da die
Analogie zwischen vorgestellter physischer und wirklicher Welt
nur um Willen der Gesetzmässigkeit des Naturverlaufes auf
recht erhalten wird, innerhalb eines einzelnen Atomes aber
keine Veränderungen vor sich gehen.
Metaphysische Ausführungen im Anschlüsse an Emil du Bois-Reymond.
485
Es gibt ausser der relativen Bewegung noch andere Raum
relationen, nämlich die Relationen der Lage. Man könnte
daher meinen, dass ein Verlauf von Veränderungen, welcher
blos zu den relativen Bewegungen des Weltmechanismus in
Analogie steht, darum noch keine Analogie zu dessen sämmt-
lichen Raumrelationen aufweisen müsse; und zwar aus doppel
tem Grunde. Erstens könnte man nämlich hervorheben, dass
auch bei zwei sich gegeneinander verschiebenden Partikeln
ausser ihrer Bewegung eben ihre in jedem Momente fixirbare
Lage zu berücksichtigen sei, zweitens aber in Erinnerung
bringen, dass offenbar gegen einander ruhende Partikel doch
auch gewisse Raumrelationen aufweisen.
Was nun den ersten Einwand anlangt, so muss allerdings
zugestanden werden, dass man im Begriffe der relativen Be
wegung zweier Partikel von deren einzelnen Relationen oder
Entfernungen abseken kann; nicht aber wird es möglich sein,
sich eine relative Bewegung realisirt zu denken, ohne dass
dabei in jedem Momente auch die Raumrelation beider Partikel
determinirt wäre. Wenn wir aber die physische Welt als
analog den relativen Lageveränderungen des Weltmechanismus
betrachten, so leuchtet es keineswegs ein, weshalb hiebei nur
die Bestimmungen der Bewegung im abstracten Sinn, Richtung
und Geschwindigkeit, und nicht auch die nothwendigen Merk
male jeder concreten relativen Lageveränderung, nämlich die
Raumrelationen der Partikel in den einzelnen Zeitpunkten, von
Belang sein sollten; — sind sie es aber, so entsprechen ihnen
analoge Bestimmungen auf psychischem Gebiete, und der vor
gebrachte Einwand bleibt unbegründet.
Anders verhält es sich bei relativ ruhenden materiellen
Partikeln. Diese können nicht als Zeichen irgend welcher
psychischen Existenzen betrachtet werden und weisen doch un-
läugbar Raumrelationen auf. Würden also in unserem mechani
schen Weltbilde solche relativ ruhenden Partikel anzutreffen
sein, so würde dies ein Hinderniss gegen die Identification der
wirklichen physischen mit der psychischen Welt abgeben. Nun
zeigt es sich aber, dass wir nirgends in dem physischen Welt-
mechanismus eine durch irgend welche endliche Zeit andauernde
Ruhelage anzunehmen genöthigt sind, ja dass eine solche An
nahme sogar eine unendliche Unwahrscheinlichkeit einscldiessen
v. Ehrenfels.
48fi
würde. Denn es ist eine anerkannte Thatsache, dass alle
materiellen Partikel als in steter Bewegung und Vibration sich
befindend zu betrachten sind. Dass aber von diesen Bewegungen
auch nur zwei durch die kleinste Strecke hindurch mathe
matisch genau parallel verlaufen sollten, ist nicht wahrschein
licher, als etwa die reale Existenz irgend welcher geometrisch
präcisirbarer Bestimmungen, wie mathematischer Quadrate,
Kreise u. dgl., nämlich sofern wir eine endliche Zahl von
Partikeln in Betracht ziehen, unendlich unwahrscheinlich. Wollte
man sich aber auf eine mögliche unendliche Kleinheit und
daher auch unendliche Zahl der Partikel, oder auf eine mög
liche unendliche Ausdehnung der räumlichen Welt berufen, so
ist an die Widersprüche zu erinnern, welche in diesen Begriffen
schon oft aufgedeckt worden sind. Diese Widersprüche be
weisen freilich nicht die Endlichkeit der wirklichen Welt, welche
ja nicht räumlich ist, und von der wir nicht wissen können,
ob sie bestimmte Zahlengrössen in sich realisirt; sie beweisen
aber jedenfalls, dass, wenn die wirkliche Welt gleichsam nach
innen und aussen hin unendlich sein sollte, dann unser Raum
und Zahlenschema von ihr sich jedenfalls nur in endlicher
Begrenzung mit derselben deckt, und nur so lange wir im End
lichen bleiben als ein taugliches Werkzeug zur Erkenntniss
verwendet werden kann. Es fällt somit auch der zweite von
den vorgebrachten Einwänden; die psychische Welt steht in
Analogie nicht nur zu sämmtlichen relativen Bewegungen,
sondern auch zu sämmtlichen Raumrelationen des schemati
schen Weltmechanismus, weil sämmtliche materielle Partikel
desselben in relativer Bewegung vorzustellen sind.
Darum genügt der psychische Weltlauf allen Anforderun
gen, welche wir an den wirklichen, sogenannten physischen, zu
stellen berechtigt sind, und muss, wenn die Existenzen nicht
unnüthig vervielfältigt werden sollen, für diesen in unser Welt
bild eingesetzt werden.
Es ist offenbar, dass hiemit die beiden grossen Probleme,
deren Unlösbarkeit Du Bois-Reymond auf Grund seiner Welt
anschauung behaupten durfte, wesentlich verschoben und in
ihrer diesbezüglichen Fassung zum mindesten endgiltig beseitigt
sind. Denn die Frage nach der eigentlichen Beschaffenheit der
Metaphysische Ausführungen im Anschlüsse an Emil du Bois-Keymond.
487
Materie, aus welcher ihre Wirkungsweise begreiflich werden
sollte, wird von dem Augenblicke an gegenstandslos, als man
die Materie, respective den aus ihr sich auf bauenden Welt-
mechanismus für nichts Wirkliches, sondern für ein blosses
Begriffsschema ansieht, welches die Regelmässigkeit des wirk
lich Vorhandenen abbildet. Und vollends die Gegenüberstellung
von Physischem und Psychischem auf dem Gebiete der Wirk
lichkeit und das Problem der Abhängigkeit dieses von jenem
verliert alle Bedeutung, wenn man eben nur Psychisches für
wirklich existirend annimmt. Hiedurch aber darf man sich nicht
zu der Ansicht verleiten lassen, die vorgeführte Betrachtungs
weise wolle etwa alles Räthselhafte aus unserer Weltanschauung
entfernen; das erste der beiden Probleme zum mindesten dürfte
proteusartig in neuer Gestalt überall dort wieder auftauchen,
wo immer es menschlichem Scharfsinne gelingen mag, dasselbe
in seiner alten Form als nichtig und bedeutungslos zurück
zuweisen. War uns früher das Wesen der Materie unbekannt,
aus welchem ihre Wirkungsweise sich erklärte, so ist es nun
das der psychischen Existenzen, daraus die Gründe der Art
und Gesetzmässigkeit ihrer Veränderungen einzusehen sein
müssten. Dies mag des Näheren folgende Betrachtung erläutern:
Das Weltbild der naiven Naturanschauung, welche die
Sinnesqualitäten für objetiv real hält und die äussere Natur als
eine Vielheit von einzelnen, in sich einheitlichen Gegenständen
betrachtet, deren gegenseitige Abgrenzung dennoch mit der
grössten Willkür vorgenommen wird, — jene Auffassungsweise,
welche, dem unmittelbaren Eindrücke folgend, den grössten
Th eil der äusseren Objecte als in vollkommener Ruhe und
Starrheit befindlich ansieht, und welcher wir alle so lange
beipflichten, als wir nicht wissenschaftlich denken, bietet von
denjenigen psychischen Existenzen, zu deren Annahme unsere
vorangegangenen Untersuchungen hingeleitet haben, auch nicht
einmal ein schematisches Analogon dar. Wenn man uns irgend
einen Gegenstand der täglichen Erfahrung, einen Stein etwa, ein
Stück Holz, ein Blatt Papier, mit der Frage vorlegen wollte, was
denn nach unserer Ansicht diesen Dingen in Wirklichkeit ent
spreche, so müssten wir antworten: jedenfalls nicht irgend Etwas,
das wir als einheitliche, für sich bestehende Dinge zu bezeichnen
das Recht hätten, sondern eben gewisse. uns derzeit noch
v. Ehrenfels.
4SS
unbekannte Bestimmungen in der Mannigfaltigkeit des psychi
schen Weltlaufes. — Wenn wir von der naiven zu der natur
wissenschaftlichen Betrachtungsweise fortschreiten und den Stein
etwa als einen Complex von Atomen ansehen, welche, obgleich
in steter Vibration befindlich, dennoch ihre gegenseitige Lage
nicht über gewisse Maximal- und Minimalgrenzen hinaus ver
ändern, sondern sich in diesem Zusammenhänge mit Zähigkeit
erhalten, — so sind wir dem wirklich Existirenden mindestens
in schematischer Analogie näher gerückt. Nicht aber lässt sich
behaupten, dass darum, weil die Atome dös Steines in der
Festigkeit ihrer Verbindung sich von der Umgebung abheben,
ihre relativen Bewegungen den Vorgängen eines einheitlichen
Bewusstseins entsprechen müssen. Ueber die Abgrenzung der
Bewusstseinseinheiten in der Aussenwelt lässt sich gar nichts
Bestimmtes behaupten, ehe wir nicht von der mechanischen
Abgrenzung der für unsere eigene Bewusstseinseinheit bezeich
nenden Hirnprocesse eine Vorstellung gewonnen haben. 1 Ge
wisse Probleme, wie das der dunklen, verschwommenen Phantas
men und Empfindungen, und das verwandte bezüglich des
Bewusstseins nicht bemerkter psychischer Daten, auf deren
gegenwärtiges Vorhandensein an uns wir doch schliessen dürfen,
könnten sogar die Vernmthung an einen continuirlichen Ueber-
gang zwischen den Bewusstseinseinheiten nahclegen. Wie dem
aber auch sein möge, — wenn selbst, was nicht wohl anzu
nehmen sein dürfte, die inneren Bewegungen des Steines auf
ein einheitliches Bewusstsein hinweisen würden, so wäre damit
doch noch keineswegs seine gesammtc psychische Bedeutung
erschöpft, da er ja noch in Bezug auf alle anderen Körper
des schematischen Weltmechanismus in relative Bewegung zu
setzen ist und hiedurch auf die mannigfaltigsten psychischen
Bestimmungen hinweist. Analog wie der Stein wären nun auch
die schwingenden Aetheratome zu betrachten, welche unsere
Netzhaut in entsprechenderWeise afficiren, ferner diese selbst
und der erregte Sehnerv. Sic alle würden noch immer auf
fremde Bewusstseinszustände hinweisen; desgleichen aller Wahr
scheinlichkeit nach die aus weisser Nervensubstanz bestehen
den Leitungsbahnen im Gehirn; erst die Erregungen der grauen
1 Vergleiche Fechner’s Vermutlmngen hierüber in dessen Psychophysik.
Metaphysische Ausführungen im Anschlüsse an Emil du Bois-Reym ond. 489
Substanz dürfen als die Schemata unserer eigenen psychischen
Phänomene angesehen werden; aber auch sie besitzen, inso-
ferne sie zur Aussenwelt in Bezug gebracht werden, noch eine
anderweitige, uns unbekannte Bedeutung. Wieso es kommt, dass
alle jene psychischen Processe sich in der Weise gegenseitig
bedingen und in jener Regelmässigkeit aufeinander folgen,
welche der schematische Wcltmechanismus uns darstellt, —
weshalb die, menschlichen Bewusstseinsprocesse nicht in un
mittelbare Wechselwirkung zu einander treten, sondern solcher
Zwischenträger bedürfen, zu denen sie jedenfalls in geringerem
Verwandtschaftsgrade stehen als untereinander, — ob wir bei
genügender Ausbildung unserer naturwissenschaftlichen und
psychologisch-analytischen Kenntnisse eine concrete Vorstellung
von irgend welchen, dem anorganischen Naturgeschehen ent
sprechenden psychischen Processen jemals werden erlangen
können, oder ob uns dieses Reich wegen seiner von den unseri-
gen vielleicht grundverschiedenen Qualitäten für immer wird
verschlossen bleiben wie dem Blindgebornen die Farbenwelt;
— diese und ähnliche Fragen zeigen zur Genüge, dass unsere
Weltanschauung unmöglich den Vortheil beanspruchen darf,
besser als diejenige Du Bois-Reymond’s über das Wesen der
Dinge und den Grund aller Veränderung Aufschluss zu geben.
Ja man könnte sie sogar beschuldigen, dass sie alles dies nur
noch mehr ins Dunkle gebracht habe, wenn sie sich nicht
dennoch in einer Hinsicht vortheilhaft unterscheiden würde.
Nirgends nämlich zieht sie dem möglichen Fortschritte der
Erkenntniss eine unüberschreitbare Grenze. Wenn es auch
kaum zu bezweifeln ist, dass der Mensch den Urgrund der
Dinge niemals werde erforschen können, so ist es doch gar
nicht abzusehen, wie weit aufmerksame Selbstbeobachtung,
scharfsinnige Analyse des innerlich Erschauten und ein genauer
Ausbau des mechanischen Weltschemas den menschlichen Geist
in der Erforschung des der eigenen Wahrnehmung analogen
psychischen Geschehens der Aussenwelt noch geleiten könne,
während nach der Betrachtungsweise Du Bois-Reymond’s nicht
nur das innerste Wesen, sondern auch nur irgend welche von
der Räumlichkeit doch nothwendig bedingte Qualität jener uns
durchaus heterogenen Materie für menschliche Vorstellung ein
ewiges Räthsel verbleiben müsste. Könnten wir vollends mit
Sitzungsber. <1. phil.-hist. CI. CXII. Bd. II. Hffc. 32
490
v. Ehrcnfels.
Du Bois-Reymond den Begriff der Materie als einen direct
widerspruchsvollen bezeichnen, 1 so würde der Vorzug unbe
streitbar auf unserer Seite stehen, da in der selbstständigen
Existenz des Psychischen und in seiner beschriebenen Wirkungs
weise nirgends ein Widerspruch aufzudecken ist; doch dürften
die betreffenden Ausführungen wohl kaum allen Anfechtungen
Stand halten.
Hiegegen könnte man darauf hinweisen, dass ja auch
Du Bois-Reymond die Existenz des Psychischen an Thier und
Mensch anerkennt und in Bezug auf dasselbe sich offenbar in
gleichem Dunkel befinde wie wir, unsere Weltauffassung aber
die Frage nach dem Wesen der Materie schlechterdings elimi-
nirt habe und daher noch immer weniger des Unbegreiflichen
darbiete. Allein hierauf wäre zu erwidern, dass Du Bois-
Reymond , welcher den Realgrund alles Psychischen in die
Materie verlegt, an diesem ersteren keine weiteren Bestim
mungen anzunehmen gezwungen ist, als diejenigen, welche an
demselben wahrgenommen werden, während wir, die wir dem
Psychischen alleinige Existenz und daher auch alleinige Wirk
samkeit zuschreiben, von der Annahme nicht wohl Umgang
nehmen dürfen, dass auch an unserem eigenen Wesen viele,
dessen Wirksamkeit erklärenden Bestimmungen vorliegen
werden, welche uns unbekannt sind.
In Bezug auf die erste Grenze des Naturerkennens, die
wir in erweiterter Fassung als das Problem des Wesens der
Dinge bezeichnen können, hat sich somit nach unserer An
schauungsweise nur die Fragestellung verschoben, die Schwierig
keit selbst aber weder vermehrt, noch vermindert. Anders
verhält es sich betreffs des zweiten Problemes, der Abhängigkeit
des Psychischen von der Materie. Diese Frage würde, falls sich
die Ergebnisse unserer Untersuchung als richtig bewährt haben
sollten, nicht etwa beantwortet, sondern, da sie auf der falschen
Voraussetzung einer Existenz der Materie beruhte, als be
deutungslos erwiesen und endgiltig ansgeschaltet worden sein;
wie es sich ja meistens herausstellt, dass Probleme, welche
ihrer ganzen Natur nach den Typus der Unlösbarkeit an sich
tragen, schon in ihrer Fassungsweise ein falsches Urtheil ver-
1 G. d. N. 20 ff.
Metaphysische Ausführungen iin Anschlüsse an Emil du Bois-Reymond. 491
bergen, und etwa gleich der Frage, ob 3 X 4 grösser oder
kleiner sei als 12, einfach abgewiesen werden können. Wie
wesentlich aber durch die Beseitigung eines so tiefliegenden
Problemes, wie des hier erwähnten, die Einfachheit und Klar
heit unserer Naturbetrachtung gefördert wird, leuchtet ein.
Diese Klärung der Naturbetrachtung bietet selbst einen der
wesentlichsten Wahrscheinlichkeitsgriinde für die Richtigkeit
der hier vertretenen Auffassungsweise von der wirklichen Welt,
welche in ihrer Fundirung nun noch einmal rückblickend mit
möglichster Präcision dargestellt werden soll.
Das Endergebniss unserer Untersuchungen: es existirt
nur Psychisches — ist eine Conclusion aus folgenden Prämissen:
1. Die (fictive) mechanische Raumwelt der Naturwissenschaft
zeigt an keiner Stelle ein Einwirken des Psychischen. 2. Unsere
psychischen Phänomene verlaufen in Analogie zu den bezüg
lichen Gehirnfunctionen. 3. Nicht mir unsere Gehirnfunction,
sondern jede relative Bewegung besitzt psychische Analoga.
4. Die wirkliche, der vorgestellten physischen zu Grunde liegende
Welt ist nicht räumlich, sondern steht nur zu den Raumrela
tionen des mechanischen Weltbildes in Analogie. 5. Der schema
tische Weltmechanismus zeigt an keiner Stelle während einer
endlichen Zeit relative Ruhe zwischen materiellen Partikeln. —
Keine dieser Prämissen besitzt für sich vollkommene Gewissheit;
jeder derselben kommt, wie allen empirischen Sätzen, nur ein
grösserer oder geringerer Wahrscheinlichkeitsgrad zu. Wenn für
das Endergebniss keine neuen, von den Prämissen unabhängigen
Wahrscheinlichkeitsgründe vorgebracht werden können, oder
man solche, wenn sie vorhanden sind, vorerst nicht in Rechnung
bringt, so ist der Wahrscheinlichkeitsgrad desselben nicht
grösser als das Product aus den (durch Brüche kleiner als
1 auszudrückenden) Wahrscheinlichkeitsgraden der Prämissen.
Wie hoch sich in unserem Falle diese Zahl stellen würde, ist
nur sehr beiläufig bestimmbar, da es schwer halten würde, die
einzelnen Prämissen nach ihrer Wahrscheinlichkeit mathematisch
zu taxiren. Am ehesten dürfte man vielleicht zu einem festeren
Masse gelangen, wenn man sich die Frage stellen würde, welche
Grösse die Wahrscheinlichkeitsgrade der einzelnen Prämissen
wohl erreichen müssten, damit derjenige der Conclusion hieraus
die wissenschaftlich eben noch berücksichtigenswerthe Höhe
32*
492
v. Ehrenfel8.
von wenig über */ 2 gewinne. Es würde hiernach der Bruch
IX _L — ()-87 . . • die Minimalgrenze der erforderlichen Wahr
scheinlichkeitsgrade der einzelnen Prämissen ausdrücken, wenn
diese als beiläufig gleichwerthig angenommen werden müssten.
Dies ist jedoch nicht der Fall. Die grösste Wahrscheinlichkeit
unter den aufgestellten fünf Prämissen kommt jedenfalls der
letzten zu, welche als physisch gewiss betrachtet, d. h. ohne merk
lichen Fehler in der Rechnung der Einheit gleichgesetzt werden
kann. Der physischen Gewissheit nahestehend sind die Wahr
scheinlichkeitsgrade der ersten Prämisse, welche sich auf das
Gesetz von der Erhaltung der Energie stützt, und der vierten,
deren Läugnung einen teleologischen Zufall postuliren würde.
Diese letztere Prämisse enthält eigentlich zwei Behauptungen,
die Idealität und die Relativität des Raumes; von diesen Be
hauptungen ist die erste in hohem Masse wahrscheinlich, die
zweite vielleicht nicht so sehr, jedoch ist sie zur Aufrechterhal
tung der Gonclusion auch nicht unbedingt nöthig, wie jene.
Es könnte ja auch einer absoluten Bewegung Psychisches ent
sprechen. Uebrigens zeigt die Zähigkeit, mit welcher sogar
unter widerspruchsvollen Voraussetzungen an der Relativitäts
lehre festgehalten wird, 1 dass dieselbe jedenfalls keiner leicht
wiegenden Vermuthung gleich zu achten ist. Der Bruch nn /ioo
dürfte für die Wahrscheinlichkeitsgrade der ersten und der
vierten Prämisse nicht zu hoch gegriffen sein. Um nun der
Conclusion die oben noch geforderte Wahrscheinlichkeit er-
theilen zu können, bedürfen die dritte und die vierte Prämisse
keines grösseren Wahrscheinlickkeitsgrades als des durch den
Bruch 7., präcisirten. 9 y i00 X 3 A X 3 A X M /inn X 1 = 055 . . .,
also grösser als 1 / i . Die Wahrscheinlichkeit s / 4 aber dürfte den
Hypothesen von der Analogie zwischen Bewusstseinsdaten und
Hirnfunction und von der Allbeseeltheit der Natur wohl zuzu
sprechen sein, wenn man bedenkt, dass diese Wahrscheinlichkeit
zwischen Nichtwissen (V 2 ) und Gewissheit (1) eben die Mitte
einhält. Und wollte man selbst dieses Mass im alleinigen Hin
blick auf die directen Wabrscheinlichkeitsgründe für jene Hypo
thesen nicht zugestehen, so müsste man es doch mit Rücksicht
1 Siehe Seite 480 f.
Metaphysische Ausführungen im Anschlüsse an Emil du Bois-Reymond. 493
auf denjenigen Wahrscheinlichkeitsgrad, welcher dem End
ergebnis aus den Prämissen, nämlich der Hypothese von
der alleinigen Existenz des Psychischen auf directem Wege
zukommt.
Die Existenz des Lichtäthers ist eine für die Undulations-
theorie unentbehrliche Prämisse und besitzt von vorneherein
gleich jeder anderen willkürlichen Annahme eine an die phy
sische Gewissheit von dem Gegentheil angrenzende Unwahr
scheinlichkeit; dennoch stimmen wir ihr bei, eben wegen der
Wahrscheinlichkeit der Undulationstheorie, welche selbst wieder
aus der durch sie ermöglichten Vereinfachung der Naturbetrach
tung hervorgeht, und in rückwirkender Kraft sich nothwen-
diger Weise auch auf ihre Prämisse erstreckt. Analog verhält
es sich in dem vorliegenden Falle. Die Conclusio von der
alleinigen Existenz des Psychischen, deren überwiegende Wahr
scheinlichkeit mit alleiniger Berücksichtigung ihrer Prämissen
vielleicht noch in Zweifel gezogen werden könnte, tritt nicht
wie eine an sich gleichgiltige Erkenntniss in die Reihe der
Lehrsätze’ unserer Naturbetrachtung ein, sondern sie beseitigt
ein Problem, welches, obwohl gleichsam im Mittelpunkte unserer
bisherigen Weltanschauung stehend, dennoch, falls es in seiner
Fragestellung überhaupt anerkannt werden würde, den Stempel
der Unlösbarkeit an sich tragen und einen ewigen Stein des
Anstosses abgeben müsste, ein Hemmniss für jeden tieferen
Einblick in die allerwichtigsten Beziehungen, die wir überhaupt
kennen, eine Schranke, an welcher gleichsam der Verstand
für immer stille zu stehen gezwungen sein würde. Die Hypo
these dagegen, welche, diesen Stein des Anstosses hinweg
räumend, Du Bois-Reymond’s zweite Grenze des Naturerkennens
auf hebt und die Frage, wieso materielle Bewegung Bewusst
sein zu erzeugen vermöge, als eine müssige darlegt, müsste
schon eben um dieser Leistung willen anerkannt werden und
würde ähnlich wie die Undulationstheorie in rückwirkender
Kraft auch ihre erforderlichen Prämissen als wahrscheinlich
darstellen, selbst wenn für diese keine erheblichen Gründe
vorgebracht werden könnten. Nun hat es sich aber gezeigt,
dass im Gegentheil jede einzelne dieser Prämissen mit grösserer
oder geringerer, immer aber mit überwiegender Wahrschein
lichkeit aus der objectiven Naturbetrachtung direct zu gewin-
494
v. EL re lifo ls.
nen war, welcher Umstand somit die Glaubwürdigkeit der
Conclusion um ein Erhebliches vermehrt, jedenfalls aber über
die Sphäre vager Vermuthungen emporhebt.
Hieraus folgt somit, dass, wenn in der Wissenschaft nicht
etwa nur jene Wahrscheinlichkeiten, welche an physische Ge
wissheit heranreichen, Berücksichtigung verdienen, die End
ergebnisse dieser Untersuchungen als wissenschaftlich fundirt
betrachtet werden können.
Schlnssbetracfrtii ugen.
Die dargelegten Anschauungen verlangen trotz ihres ent
schiedenen Gegensatzes zur materialistischen dennoch die Be
zeichnung der monistischen Betrachtungsweise, ja sie stellen
die einzig haltbare Form des Monismus dar. Denn dass der
gewöhnliche Materialismus mit seiner Abläugnung des Gegen
satzes zwischen der für ihn wirklich existirenden Materie und
dem Bewusstsein keine haltbaren Positionen zu bieten vermag,
kann nach den Ausführungen Du Bois-Reymond’s nicht wohl
mehr in Zweifel gezogen werden. Wenn nun diese letzteren
auch in entschieden monistischer Tendenz abgefasst wurden,
so dürfte es doch kaum möglich sein, sich bei der Aner
kennung ihrer Ergebnisse aller dualistischen Anwandlungen zu
entschlagen. Denn jene (schon einmal kritisirte) Auffassungs
weise, wonach die Materie das seit Ewigkeit in ihr gelegene
Vermögen, Psychisches zu erzeugen, erst mit dem Entstehen
des thierischen Organismus bethätigt haben sollte, besitzt etwas
Unbefriedigendes, ja Abenteuerliches in sich, welches nicht
wie bei wohlbegfündeten wissenschaftlichen Annahmen um so
mehr schwindet, je eingehender man den Gedanken erwägt,
— sondern im Gegentheil sich um so unleidiger geltend macht,
je ernster man sich in dieselbe zurecht zu finden sucht, so
dass immer wieder als mindestens gleichberechtigt die Annahme
eines von der Materie losgelösten psychischen Principes auf
taucht, welches in den menschlichen und thierischen Scelen-
proccssen mit der materiellen Welt, dieselbe gleichsam reflcc-
tirend, auf eine schlechterdings unbegreifliche Weise in Contact
trete. Solchem Dilemma hat, wie bereits erwähnt, schon Schopen-
Metaphysische Ausführungen im Anschlüsse an Emil du Bois-Keymond. 49ö
haucr, obgleich in unhaltbarer Form, und in den Nebenaus
führungen mit zahlreichen Widersprüchen behaftet, einen Aus
weg gewiesen. ,Was sich mir als mein Leib darstellt, ist an
sich nichts Anderes als mein Wille; desgleichen sind säinmtliche
äusseren Naturobjecte Wille in verschiedenen Entwickelungs
stufen/ Unsere Grundthese von der alleinigen Existenz des
Psychischen ist hier deutlich ausgesprochen. Wir setzen an
Stelle des Leibes die Functionen der grauen Hirnsubstanz, an
Stelle des Willens, (bei Schopenhauer ein unklarer Begriff),
psychische Phänomene überhaupt, an Stelle der äusseren Natur
objecte äussere Naturprocesse.
Die Lehre von der Allbeseeltheit der Bewegung dagegen
hat, ohne sie durch die Läugnung der Raumwelt zu stützen,
Theodor Feclnter mit grosser Entschiedenheit verfochten und
bis in weitgehende Consequenzen zu einer religiös-poetischen
Weltanschauung ausgebaut. 1 Ihm besitzt nicht nur jedes thieri-
sclie, sondern amh jedes Pflanzenindividuum sein individuelles
Bewusstsein, ja er schreibt ein solches auch jedem einzelnen
Gestirne zu. Aber das Bewusstsein der Erde soll nicht wie
das der Pflanze und des Thieres neben dem unseligen und
ausserhalb desselben bestehen, sondern es soll das unselige in
sieh einschliessen, wie wir etwa einzelne Empfindungen. Der
Erdgeist denkt nach Fechner mit allen irdischen Gehirnen zu
gleich, so wie einer von uns mit den ebenfalls räumlich ge
trennten Ganglienzellen seines einzigen Gehirnes. Und wie der
Erdgeist die Bewusstsemseinheiten der irdischen Geschöpfe, so
vereinigt ein allumfassender Weltgeist alles Psychische zu einem
einzigen, höchsten Bewusstsein. Ein erhabener Pantheismus
bildet den Abschluss des Fechner’schen Systemes.
So wenig wir nun silchc Ausführungen schlechterdings
als poetische Phantasien zu bezeichnen uns bemüssigt finden,
so ist cs doch nicht zu läugien, dass Fechner hiebei zwischen
Dichtung und Religion eimr- und Wissenschaft anderseits
zu wenig scharf unterscheidet, und Lehrsätze, welche ihren
guten Grund besitzen, in enger Verbindung mit solchen vor
bringt, deren Ueberzeugungskraft lediglich in ihrem anspreclien-
1 Zend-Advesta. Nanna oder über tas Seelenleben der Pflanzen. Ueber
die Seelenfrage.
496
v. E h r o n f o 1 s.
den Inhalte gesucht werden darf. Diese Vermengung von
Glauben und Wissen dürfte der Anerkennung derjenigen Partien,
welche den Anspruch auf Wissenschaftlichkeit wohl erheben
können, mehr zum Schaden, als der Verbreitung der Glaubens
sätze zum Nutzen gereicht haben. Besonderen Widerspruch
ist ein Dogma zu erwecken geeignet, auf welches Fechner im
Verlaufe seiner Abhandlungen mit grosser Zähigkeit immer
wieder zurückkommt, nämlich dasjenige von der Existenz der
Sinnesqualitäten ausser uns. Fechner wird nicht müde, hervor
zuheben, dass die Aetherschwingung ausser uns in sich leuchte,
die Luftschwingung in sich töne, und alle Dinge die Qualitäten,
in welchen sie uns erscheinen, in sich zum Bewusstsein bringen,
— wenn auch nur als Theilphänomene des alles umschlingen
den göttlichen Geistes. Nun liegt aber gar kein Grund zur
Behauptung vor, dass das psychische Phänomen, welches der
Aetherschwingung entspricht, Farbenempfinduag sein müsse;
vielmehr dürfte es sich von der Farbenempfindung in analoger
Weise unterscheiden, wie eben die Aetherschvingung von dem
der Farbenempfindung entsprechenden Processe in unserer Ge
hirnsubstanz.
Was aber Fechner’s Metaphysik anlangt, wo sie im eigent
lichsten Sinne des Wortes Sätze von weltumfassender Bedeutung
aixfzustellen sich bemüht, so wird es von Vortheil sein, hiebei
jener Ausführungen Nägeli’s 1 zu gedenken, welche es darlegen,
dass empirische Gesetze, die auf Grund aines begrenzten, end
lichen Beobachtungsmateriales abgeleitet wurden, auch nur für
ein endliches Anwendungsgebiet irgend welche Wahrscheinlich
keit des Schlusses gewähren. Der Blick in die Unermesslichkeit
des Weltalls dürfte gleich dem in das Wesen der Dinge un
fähig sein, jemals zu einer letzten, allen Zweifel beseitigenden
Erkenntniss vorzudringen. Zwischän diese zwei Grenzen ist
unser Naturerkennen eingeschlosssn, wenn anders dieselben
den Namen der Grenzen noch verdienen, da sic nicht etwa
dem Fortschritte eine feste, uni/berschreitbare Schranke ent
gegensetzen, sondern es blos verneinen, dass in der einen oder
1 ,Die Schranken der naturwissensdiaftliclien Erkenntniss*, Anhang- zur
,mechanisch-physiologischen Theorie der Abstammungslehre*, von C.
v. Nägeli.
Metaphysische Ausführungen im Anschlüsse an Emil du Bois-Keymond.
497
anderen Richtung der Gehalt alles Erkennbaren jemals könne
erschöpft werden. Nägeli hat diese Verhältnisse durch den
Ausspruch treffend charaliterisirt, dass die menschliche Erkennt-
niss einer unabsehbaren Entwickelung entgegengehe, ,ohne des
halb der Allwissenheit um den kleinsten Schritt sich zu nähern“.
Nachdem somit die hier entwickelte Weltanschauung in
ihrer Fundirung und allgemeinen Bedeutung hinlänglich be
leuchtet sein dürfte, wird es angemessen sein, auch ihre prakti
sche Verwendbaidceit im wissenschaftlichen Leben der Berück
sichtigung zu unterziehen. Zwar könnte eine solche Ueberlegung
schon von vorneherein dem Einwande begegnen, dass die Wissen
schaft ihre Thesen nicht je nach deren grösserer oder geringerer
Verwendbarkeit, sondern gemäss ihrer stichhältigen oder nicht
stichhältigen Begründung annimmt oder verwirft und sich daher
in jede Ansicht, möge sie übrigens auch noch so unbequem
fallen, hineinzufinden habe, falls dieselbe eben nur in entsprechen
der Begründung vorgebracht werde. Allein ein solcher Ein
wand würde die Berechtigung des wissenschaftlich so vielfach
gebräuchlichen Hilfsmittels der Fiction übersehen haben. Denn
allerdings entscheidet die Verwendbarkeit einer These noch
nichts über deren wissenschaftliche Giltigkeit, wohl aber kann
sic eine bewusst fälschliche Annahme derselben zum Zwecke
der Abkürzung der Denkprocesse hinlänglich motiviren.
Es wird hier nicht nöthig sein, auf die allgemeine Ver
breitung der wissenschaftlichen Fiction des Näheren hinzu
weisen; wohl aber verdient der Umstand Beachtung, dass man
sich während des Gebrauches der Fictionen keineswegs immer
ihrer thatsächlichen Unrichtigkeit bewusst bleiben muss, indem
hiebei nur eine Vereinfachung der Ausdrucksweise, nicht der
Gedankenarbeit selbst erzielt werden würde, sondern dass man
sich auch urtheilend der Fiction, das heisst also dem Irrthume
sich hingibt, und hierin die besondere Tauglichkeit des Ver
fahrens zur Abkürzung langwieriger Schlussketten zu suchen
ist. Nach beendigter Durchführung lässt dann ein Erinnern
an die vollzogene Fiction aus dem Schlussergebnisse leicht das
eigentliche Endresultat gewissermassen abdestilliren.
Wer das Wesen der Fiction in solcher Weise erfasst hat,
der wird bei einigem Besinnen zugestehen müssen, dass ein
498
v. Ehren fei s.
jeder, welcher in der philosophischen Besinnung auch nur bis
zur Läugnung des objectiven Vorhandenseins der Sinnesquali
täten vorgedrungen, doch nothwendig dazu verurtheilt ist, nicht
Minuten und Stunden, sondern vielmehr einen beträchtlichen,
zu allermeist sogar den grössten Theil seines Lebens in der
Fiction, d. h. im eingestandenen Irrthume, und zwar betreffs
der realen Existenz jener Sinnesqualitäten, zu verbringen. Wer
sich die Mühe nehmen wollte, sämmtliche Naturobjecte stets
nur als die aller Sinnesqualitäten entkleideten Aggregate der
Materie zu beurtheilen, wofür er sie seiner physikalischen Ueber-
zeugung nach eigentlich anzunehmen gezwungen wäre, der
würde einen unerträglichen Ballast mit sich schleppen, der ihn
nicht nur für das praktische Leben und zahlreiche Wissens
zweige, wie etwa Geschichte, Zoologie, Geographie u. a. schlech
terdings unbrauchbar machen würde, sondern ihm, allgemein
durchgeführt, selbst bei der Arbeit in der Physik höchst be
schwerlich fallen müsste; vielmehr wird er wohl daran thun,
ohne viel Besinnen die Gegenstände selbst als roth, blau, warm
und kalt zu beurtheilen, so lange der Endzweck seines Nach
denkens ihm dies gestattet.
Wenn wir nun demgemäss die wissenschaftliche Verwend
barkeit der in diesen Untersuchungen entwickelten Weltan
schauung in Erwägung bringen, so geschieht dies im Hinblicke
auf die Frage, ob die charakteristischen Grundsätze unserer
Betrachtungsweise während der naturwissenschaftlichen For
schungsarbeit selbst festzuhalten, oder, falls man auch von ihrer
Richtigkeit überzeugt sein würde, dennoch fictiv ausser Acht
gelassen werden müssten. Diese Frage braucht blos aufgeworfen
zu werden, um auch schon beantwortet zu sein. Es wäre zum
mindesten verfrüht, jedenfalls in keiner Weise gerechtfertigt,
dem Specialforscher irgend welchen Gebietes eine directe Be
rücksichtigung der Idealität des Raumes aufnöthigen zu wollen.
Dieselbe verhält sich hierin zu den gebräuchlichen Positionen
der Naturwissenschaft etwa wie diese zu jenen des gemeinen
Lebens. So unsinnig es wäre, von einem Handwerker zu ver
langen, er solle Eisen und Messing, Holz und Leder ihrer
Farben entkleiden und stets nur als gespenstige Atomcomplexe
sich vorführen, so unsinnig wäre es auch, ein Eingehen auf
die blos schematische Bedeutsamkeit des Weltmechanismus für
Metaphysische) Ausführungen im Anschlüsse an Emil du Bois-Keymond. 490
den physikalischen Calciil, für das chemische Experiment bean
spruchen zu wollen. Auch die Vorstellungen von aussermensch-
lichen und -thierischen psychischen Existenzen werden in dem
selben Masse zurücktreten, als sie bei dem gegenwärtigen Stande
unserer Erkenntniss noch abstract und unausgeführt verbleiben
müssen; und der zu Beginn unserer Untersuchung aufgestellte,
dann aber eliminirte Begriff simultaner Causalität wird als die
tauglichste Fiction für das Abhängigkeitsverhältniss zwischen
Physischem und Psychischem wieder in seine Rechte treten.
Es ist in diesem Zugeständnisse keineswegs ein halbes Zurück
nehmen der ausgesprochenen Behauptungen gelegen, denn aller
dings müssen wir daran festhalten, dass ein jeder, der sich
der Fiction von der Realität der Materie urtheilend hingibt,
hiebei dem Irrthume verfallt.
Die Nothwendigkeit, im praktischen Leben wie in der
wissenschaftlichen Specialforschung von den Ergebnissen meta
physischer Reflexion mehr oder weniger abzusehen, wurde
bereits von der Kant’scken Schule klar anerkannt, derselben
aber durch die Gegenüberstellung empirischer Realität und
transcendentaler Idealität, sowie durch die hiemit im Zusammen
hänge stehende Einfügung des unbestimmten Begriffes der Er
scheinung zwischen Ding und Vorstellung ein, — wie uns
bedünkt, — unhaltbarer Ausdruck verliehen. Denn unserer
geistigen Organisation nach können wir eben kein Drittes
zwischen Ding und Vorstellung percipiren. 1 Die Einfügung der
Erscheinung aber entsprang dem sehr begreiflichen Wider
streben, welches man gegen das Zugeständniss empfand, dass
wir den grössten Theil unseres Lebens hindurch, von der Frage
nach dem Ding an sich absehend, einem unausweichlichen
Irrthum verfallen sein sollten. Es würde nämlich, wenn man
die Existenz eines von der Vorstellung verschiedenen Scheines
zugeben wollte, der Physiker in gewissem Sinne Recht behalten
können, wenn er die Raumwelt, (nämlich als Erscheinung), be
jahen, der Philosoph, wenn er sie, (nämlich als Ding an sich),
verneinen würde. Allein diese gezwungene Vereinbarung beider
Anschauungsweisen hat genau so wenig Werth, als der Begriff
der Erscheinung Klarheit besitzt. Auch würde mit der Ein-
1 F. Brentauo’s Theorie des Urtlieiles in dessen Psychologie, S. 266 ff.
500
v. Ein cnfols.
fligung einer einzigen Kategorie von Erscheinungen noch keines
wegs der erstrebte Zweck wirklich erreicht sein. Denn der
naive Mensch des praktischen Lebens, und ebenso der Gelehrte,
insoweit er diesem Leben angehört, beurtheilen, wie erwähnt,
die Aussenwelt keineswegs in Uebereinstimmung mit der Natur
wissenschaft, und dennoch unterscheiden auch sie zwischen
ihrer Vorstellung und der Realität, welche sie eben als mit
den Sinnesqualitäten erfüllt annehmen. Wenn man aber einer
Anschauung schon umwillen ihrer praktischen Nothwendigkeit
auch Richtigkeit in gewissem Sinne zugestehen wollte, so
müsste man für die Betrachtungsweise des gemeinen Lebens
eine neue Kategorie, und zwar farbigen und tönenden Scheines,
construiren und dieselbe neben dem zwar färb- und tonlosen,
aber immer noch räumlichen Schein der Naturwissenschaft als
zweite Mittelstufe zwischen Ding und Vorstellung einschieben;
— um freilich hiebei auf der Bahn wesenloser Begriffsbildung
in Absurditäten sich zu verlieren.
Es dürfte darum jenem Zugeständnisse wohl kaum zu
entgehen sein, dass der menschliche Geist auf dem Wege
metaphysischer Forschung nur für die kurzen Stunden philo
sophischer Besinnung sich dem Irrthume zu entheben ver
mag. Unsere eigene Constitution, sowie die Beschaffenheit der
Aussenwelt, in welcher wir uns eben betinden, verlangen
aus praktisch zwingenden, ja aus wissenschaftlich methodo
logischen Rücksichten — nicht etwa den bewussten Irrthum,
welcher einen Widerspruch enthielte, — wohl aber das be
wusste oder unbewusste Untertauchen in das Gebiet des Irr
thums, aus welchem uns nur ein zeitweises Emporblicken
gestattet ist.
Allerdings nun wird jede beliebige Anschauungsweise
unbeschadet ihrer Richtigkeit eine um so grössere Einbusse an
Wirksamkeit erfahren, je geringere Zeit hindurch sie den
menschlichen Geist zu erfüllen die Fähigkeit besitzt. Darum
kann beispielsweise die Lehre von der Idealität der Zeit, wie
sicher sic sich auch begründen lassen möge, doch niemals zu
breiterer Entfaltung gelangen, da die Augenblicke, in denen
der Mensch der Erwartung einer Zukunft zu entsagen und von
dem Begriffe der Veränderung zu abstrahiren vermag, jedenfalls
gezählt sein dürften.
Metaphysische Ausführungen im Anschlüsse an Emil du Bois-Reymond. 501
Eine ausgedehntere Berücksichtigung würde dagegen der
hier entwickelten Weltanschauung zweifellos entgegengebracht
werden, falls sie sich in ihrer Begründung als standhaft er
weisen sollte. Actuelle Bedeutung freilich könnte sie erst von
dem Augenblicke an gewinnen, als die Fortschritte der Special-
wisscnschaften eine concretere Vorstellung etwaiger übermensch
licher psychischer Existenzen vermittelt haben würden. Um
sich den Hinblick auf solche Existenzen selbst im praktischen
Leben gegenwärtig zu halten, wäre es nicht unbedingt noth-
wendig, zugleich auch der Idealität des Raumes stets eingedenk
zu bleiben. Der Erdgeist könnte ebenso als Bewohner des
Erdleibes vorgestellt werden, wie der Menschengeist als Be
wohner des Menschenleibes; und es ist heute gar nicht abzu
sehen, welche Enthüllungen diesbezüglich künftigen Genera
tionen noch Vorbehalten sein mögen.
I n h a 11.
Seite
Einleitung 429
Kurze Darlegung der Weltanschauung du Bois-Reymonds.
I. Physisches und psychisches Geschehen 433
Das Psychische ist durch das Physische vollkommen bedingt;
dieses wird von jenem in keiner Weise beeinflusst.
IX. Causalität als nothwendige Eolge 443
Der Begriff der Causalität als nothwendiger Folge und seine
Derivate genügen zur physischen Naturbetrachtung.
III. Simultane Causalität 448
Die Causalrelationen der physischen Naturbetrachtung taugen
nicht zur Priieisirnng des Abhängigkeitsverhältnisses zwischen
Physischem und Psychischem. Es muss hiezu der Begriff der
simultanen Causalität geschaffen werden.
IV. Analogie zwischen physischem und psychischem Ge
schehen 456
Die psychischen Phänomene und die denselben entsprechenden
gleichzeitigen Hirnfunctionen können als in Analogie stehend be
trachtet werden.
V. lieber die Verbreitung des Psychischen in der Natur . . 462
Wir besitzen weder im Hinblick auf die allgemeinen Merk
male des thierischen Organismus, noch auch auf die besondere
Beschaffenheit der Nervenfunction ein Recht, mit der Annahme
psychischer Existenzen an der Grenze des Thierreiches Halt zu
machen, sondern sind vielmehr gezwungen, überwiegende Wahr
scheinlichkeitsgründe für die Allbeseeltheit der Natur anzuerkennen.
VI. Die Idealität des Raumes 476
Die räumliche Welt existirt nur in unserer Vorstellung. Wir
haben die ihr zu Grunde liegende reale Aussenwelt als ein
seinen directen Bestimmungen nach uns vorerst unbekanntes Ge
bilde zu betrachten, welches zu den Raumrelationen des mecha
nischen Weltbildes in Analogie steht.
Metaphysische Ausführungen im Anschlüsse an Emil du Bois-Roymond.
503
Seite
VII. Die wirkliche Welt 483
Die psychische Welt, zur deren Annahme wir gedrängt wurden,
entspricht allen Anforderungen, welche wir an die der physischen
Raumwelt entsprechende wirkliche Welt zu stellen berechtigt
sind. Wir können daher jene an Stelle dieser in unser Weltbild
einsetzen und gelangen so zu dem Schlüsse, dass in Wirklichkeit
nur Psychisches existire. Wahrscheinlichkeit dieses Endergebnisses.
Schlussbetrachtungen 494
Verhältniss der hier dargelegten Weltanschauung zu derjenigen
Schopenhauers und Fechners. Die fictive Giltigkeit der gemeinen
Auffassungsweise. Ausblick.
XII. SITZUNG VOM 12. MAI 1886.
Se. Excellenz der Herr Curator-Stellvertreter macht die
Mittheilung, dass Se. kais. Hoheit der durchlauchtigste Herr
Curator der kais. Akademie der Wissenschaften die feierliche
Sitzung am 29. Mai d. J. mit einer Ansprache eröffnen werde.
Herr Oskar Redlich, Statthaltereiarchivs-Official in Inns
bruck, spricht seinen Dank aus für die zur Herausgabe der
Traditionsbücher des Hochstiftes Brixen (Acta Tirolensia, Bd. I)
gewährte Subvention.
Das Organisations - Comite des am 27. September bis
2. October d. J. dahier stattfindenden siebenten internationalen
Orientalisten-Congresses ladet zur Theilnalnne an demselben ein.
Von Druckwerken sind mit Zuschriften eingelangt:
der XT. Band der ,Feldzüge des Prinzen Eugen von
Savoyen', enthaltend den spanischen Feldzug 1709', bearbeitet
von Herrn J. Ritter Rechberger von llechkron und übermittelt
von der k. k. Kriegsarchiv-Direction;
der XIII. Band der ,Politischen Correspondenz Friedrichs
des Grossen', übersendet von der k. Akademie der Wissen
schaften zu Berlin, und
das Werk ,De sluik-en kroesharige Rassen tuschen Selebes
en Papua', von J. Gerard Friedr. Riedel in Utrecht, eingesendet
im Aufträge des Herrn Verfassers durch Herrn Hofrath A. B.
Meyer in Dresden.
505
Die Kirchenväter - Commission legt den im Drucke er
schienenen VIII. Band, 2. Theil, enthaltend ,Evgippii vita
S. Severini* in der Bearbeitung des Herrn Pius Knüll vor.
Das w. M. Herr Professor Dr. Max Büdinger legt eine
für die Sitzungsberichte bestimmte Abhandlung vor, welche den
Titel führt: ,Acten zu Columbus’ Geschichte von 1473 bis 1492,
eine kritische Studie*.
Das w. M. Herr Professor Th. Gomperz legt eine für
die Sitzungsberichte bestimmte Abhandlung vor unter dem Titel:
,Ueber den Abschluss des Herodoteischen Geschichtswerkes*.
Von Herrn Dr. P. von Hofmann-Wellenhof in Graz
wird eine ,Zur Geschichte des Arminius-Cultus in der deutschen
Literatur* betitelte Abhandlung eingesendet und um deren Auf
nahme in die Sitzungsberichte ersucht.
Die Abhandlung wird einer Commission zur Begutachtung
überwiesen.
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Acad emia Real de la Historia: Boletin. Tomo VIII, Guaderno IV. Madrid,
1886; 8°.
Academie des inscriptions et belles-lettres: Comptes rendus. 4 e s£rie, tome
XIII, Bulletin d'Octobre—Decembre. Paris, 1886; 8°.
— imperiale: Zapiski. Tome L, No. 2 und Tome LI, No. 2. St.-Petersbourg,
1885; 8°.
Akademie der Wissenschaften, königl. preussische zu Berlin: Sitzungs
berichte. Nr. 40—52. Berlin, 1885—1886; 4°.
Genootscliap, Provincial Utrechtsch van Künsten en Wetenscliappen:
Aanteelceningen van het verhandelde in de Sectie-Vergaderingen ge-
houden den 24. Juni 1884 und den 30. Juni 1885. Utrecht, 1884 bis
1885; 8°.
Gesellschaft für Schlesivig-Holstein-Lauenburgische Geschichte: Zeitschrift.
XV. Band, Heft 1 und 2. Kiel, 1885; 8°.
— — Schleswig-Holstein-Lauenburgische Regesten und Urkunden. I. Band,
4. Lieferung. Hamburg und Leipzig, 1886; 4°. — H. Band, 1. Lieferung.
Hamburg und Leipzig, 1886; 4°.
Heidelberg, Universität: Akademische Schriften pro 1884—1885. 17 Stücke
4° und 8°.
Sitznngsber. d. phil.-Mst. CI. CXII. Bd. II. Hft.
33
506
Johns Hepkins University: Studies in historical and political Science.
4 th series. IV. Pennsylvania Boroughs. Baltimore, 1886; 8°.
Landesaint, k. statistisches: Württembergische Jahrbücher für Statistik
und Landeskunde. Jahrgang 1885, I. Band, 1. und 2. Hälfte. II. Band,
1. und 2. Hälfte. Stuttgart, 1885 —1886; 4°. — Supplementband. Stutt
gart, 1885; 4°.
Societä Istriana di Archeologia e Storia patria. Atti e Memorie. Anno
secondo. Vol. I, Fascicolo 3° e 4°. Parenzo, 1886; 8°.
Society, the Royal historical: Transactions. N. S. Vol. III, part II. London,
1886; 8°.
Tübingen, Universität: Akademische Schriften pro 1885—1886. 34 Stücke
4° und 8°.
Verein für Hamburgische Geschichte: Zeitschrift. N. F. V. Band, 1. Heft.
Hamburg, 1886; 8 n .
Gomperz. Ueber den Abschluss des herodoteischen Geschichtswerkes.
507
Ueber den Abschluss des herodoteischen
Geschichtswerkes.
Von
Th. Gomperz,
wirkl. Mitgliede der kais. Akademie der Wissenschaften.
Ich habe aus dem Studium des herodoteischen Geschichts-
werkes vor langen Jahren die Ueberzeugung geschöpft, dass
dasselbe innerlich und äusserlich abgeschlossen vor uns liegt.
Dieser Ueberzeugung habe ich zu wiederholten Malen Ausdruck
gegeben, mehr beiläufig und gelegentlich in einer Besprechung
der Rawlinson’schen Uebersetzung (Zeitschr. für österr. Gymn.
1859, S. 820), eingehend und in ausführlichster Begründung in
meinen ,Herodoteischen Studien' (I, 1—11 und II, 78 ff.). Dass
diese meine Ausführungen nicht Jedermann überzeugen würden,
dass gegen das eine oder das andere der von mir, zum Theil
im Anschluss an Rawlinson, Grote und Otfried Müller vorge
brachten Argumente 1 ein mehr oder minder begründeter Ein
spruch laut werden könnte — darauf durfte ich gefasst sein.
Worauf ich aber nicht gefasst war, das ist die Art und Weise,
in welcher es Adolph Kirckhoff gefallen hat, die von mir
vertretene These zu beurtheilen und zu verurtheilen (,Ueber
ein Selbstcitat IJerodotV, Separatabdruck aus den Sitzungs
berichten der kön. preuss. Akademie der Wissenschaften, 1885,
S. 301—320). Zunächst musste mich die Form dieser Polemik
überraschen. Denn selbst die grossen und wohlverdienten Er
folge, welche dieser hervorragende Gelehrte in seiner langen
Forscherlaufbahn errungen hat, berechtigen ihn schwerlich dazu,
seine eigene subjective Ansicht im Tone selbstsicherster Unfehl
barkeit der objectiven Wahrheit gleichzusetzen, einen Mitforscher
hingegen, der zu einem anderen Ergebniss als er selbst gelangt
ist, schon eben darum — denn nach einem anderen Grunde
33*
508
G o m p e r z.
würde man vergebens suchen — der Unbelehrbarkeit durch
Gründe und des rechthaberischen Eigensinns zu zeihen. Oder
was sonst sollen jene unaufhörlich wiederkehrenden Wendungen
besagen, mittelst deren Herr Kirchhoff es sogleich im Eingang
der Abhandlung für ein ,völlig aussichtsloses und vergebliches
Unterfangen 4 erklärt, den Schreiber dieser Zeilen und solche,
,welche in den gleichen Anschauungen wie er befangen sind 4 ,
zur Anerkennung des wahren Sachverhaltes zu vermögen, oder
in denen er am Schluss seiner Darlegung auf die Hoffnung ver
zichtet, durch dieselbe ,irgend Jemand überzeugt zu haben oder
überzeugen zu können, der aus irgend einem Grunde von dem
Wunsche beseelt ist, dass die Dinge sich anders verhalten
möchten 4 . Ich war bisher des Glaubens, man müsse bei jedem
als rechtschaffen und vorurtheilsfrei bekannten Forscher, er
mag uns nun beipflichten oder widersprechen, keinen anderen
,Wunsch 4 voraussetzen als jenen, die Dinge so zu erkennen, wie
sie sich in Wirklichkeit verhalten, und meinte, hiei'in ein Gebot
edler Gelehrtensitte nicht minder als gewöhnlicher Höflichkeit
ei-blicken zu dürfen.
Doch nicht nur die Form, auch der Inhalt von Herrn
Kirchhoff’s Streitschrift diu-fte mich befremden. Zunächst durch
ihre Besehi-änkung auf ein kleines Theilgebiet der in Vei’hand-
lung stehenden krage. Denn während seine Behauptungen sich
nach wie vor auf den ganzen Umfang derselben erstrecken, um
fasst seine Beweisführung nur einen geringen Bruchtheil dieses
Feldes. Mit unverminderter Zuversicht wird uns sofort in den
Eingangsworten die Lehre verkündet, ,dass Herodot sein Ge
schichtswerk nicht vollendet, im Besonderen die Darstellung der
Ereignisse nicht bis zu dem Punkte hei-abgefiihrt hat, wo zu
schliessen er im Sinne seines ursprünglichen und bis
zuletzt festgehaltenen Planes beabsichtigte — 4 . Fi-agen
wir aber nach den Gründen dieses Glaubens, zumal nach den
Merkmalen, aus welchen wir jenen vermeintlichen Plan zu er-
schliessen bei-echtigt sind, so wird uns keinerlei Antwort zutlieil,
es wäre denn die Berufung auf Dahlmann als eine solche an
zusehen, der ,zuei - st 4 auf diese ,Thatsache hingewiesen 4 habe.
Was finden wir jedoch bei Dahlmann? In Betreff jenes Planes
ganz und gar nichts, in Ansehung des Punktes, bis zu welchem
Herodot seine Ei-zählung herabzufühi-en beabsichtigt haben soll,
lieber den Abschluss des herodoteischcn Geschichtswerltes.
509
nichts als Muthmassungen, welche der treffliche Geschichts
forscher selbst nur als solche ausspricht und die gegenwärtig
Niemand (auch Herr Kirchhoff nicht) in ihrem vollen Umfange
aufrecht erhält, — in Rücksicht der angeblichen Unfertigkeit
des Werkes endlich die Kundgebung eines subjectiven Ein
drucks, welcher sich blos nebenher und wie nachträglich
auch auf ein bestimmtes, der Erörterung zugängliches Anzeichen
stützt.' 2 Der also begründeten ,Thatsache' gegenüber, ,von der
zu hoffen und zu wünschen steht, dass ihr endlich diejenige
allgemeine und ausnahmslose Anerkennung zu Theil werde, auf
welche sie zweifellos berechtigten Anspruch hat', soll das ganze
Aufgebot von Argumenten, welche ich und Andere dagegen ins
Feld geführt haben, nichts besagen und einer Bestreitung nicht
bedürfen. Auf dieses Urtheil war ich allerdings weder durch die
Werthschätzung, welche den Ansichten der Männer, die in dieser
Frage meine Vorgänger sind, bisher entgegengebracht ward, noch
auch durch die Aufnahme genügend vorbereitet, welche meine
,Herodoteischcn Studien' anderwärts gefunden haben. Aber nicht
für die Frage, oh diese Geringachtung meiner ,Ausführungen',
deren Widerlegung ,von allen . . ., welche die richtige An
sicht hegen, mit Recht für unnöthig und gänzlich überflüssig
erachtet werden dürfte', eine verdiente ist oder nicht, wünsche
ich die Aufmerksamkeit meiner Leser zu beanspruchen. Ich
wollte nur den gegenwärtigen Stand der Controverse mit wenig
Worten kennzeichnen. Auf der einen Seite stehen Gründe und
Beweise, sie mögen nun anfechtbar sein oder nicht; auf der
anderen eine schroffe und kurz angebundene Ablehnung jeder
Erörterung, vereinigt mit der Berufung auf einen Eindruck,
welcher der argumentativen Begründung nahezu gänzlich ent-
rathen zu können vorgibt, mit anderen Worten: auf ein intui
tives Urtheil. In solcher Lage erlischt, wie leicht begreiflich,
jede Möglichkeit einer Verständigung.
Allein nicht nur um meine auf die vorliegende Frage be
züglichen Darlegungen in Bausch und Bogen zu verwerfen hat
der ausgezeichnete Berliner Gelehrte die Feder ergriffen. Er
entschädigt uns vielmehr für seine Wortkargheit in jenem Be
tracht durch ein reiches, vielleicht ein überreiches Mass von Aus
führlichkeit in der Erörterung einer einzelnen Detailfrage. An
diesen einen Punkt wird der Faden einer deductiven Erörterung
510
G o m p e r z.
geknüpft, welche das Streben nach strammster Geschlossenheit
sicherlich nicht verkennen lässt. Weit eher wird im Geiste des
Naehprüfenden der Zweifel wach, ob hierin nicht des Guten zu
viel geschehe, ob die starre Conscquenz in der Verfolgung eines
einzigen Gesichtspunktes nicht zur Consequenzmacherei werde,
ob der Faden dieser Deduction nicht vom Hause aus allzu
dünn gesponnen, allzu lang gedehnt und allzu straff gespannt
sei, um an sein Ziel zu gelangen ohne zu zerreissen — ja ob
schliesslich solch ein, man möchte sagen geometrisches Ver
fahren überhaupt der geeignete Weg sei zur Lösung eines histo
rischen, das will sagen eines zusammengesetzten und vielseitigen
Problems.
Herodot erwähnt VII, 213 die Tödtung des Verräthers
Ephialtes, auf dessen Kopf die Amphiktionen einen Preis gesetzt
hatten, durch einen Trachinier Namens Athenades, und fährt wie
folgt fort: c §s ’Aör,vd8ris süto? x-sztsivs p.ev ’ExidXrr,'; St’ akXyjv aWrjv,
GTjV £VW ev Toi; GTi'.CÖE XÖ-fC'.Gl GT)[J.XV£M, STI^Oy; geVTOI jto Axy.s-
oa’.p.oviwv oüSkv rjcraov. Dieses von Dahlmann in gleichem Sinne ver-
werthete Sätzchen ist der Punkt, von welchem aus der Bau meiner
Beweisführung aus den Angeln gehoben werden soll. Denn da der
Geschichtsschreiber in dem Texte seines Werkes, wie derselbe uns
vorliegt, die hier ertheilte Zusage nicht einlöst, so folge hieraus ,mit
Nothwendigkeit, dass Herodot, als er jenes Versprechen nieder
schrieb, seine Darstellung über denjenigen Zeitpunkt hinauszu
führen beabsichtigte, bei welchem sie aus irgend welchen Gründen
thatsächlich zum Abschlüsse gelangt ist —'. (S. 302 == S. 2 des
Separatabdruckes.) Wer gleich uns in Betreff dieser Frage
wesentlich anders denkt, wer aus ,dem Inhalt der Schlusscapitel,
der Anlage des Werkes, der Neigung und Begabung seines
Urhebers' (Herod. Stud. I, 11) den entgegengesetzten Schluss
gezogen hat, wer die Ueberzeugung hegt, dass die Schilderung
des Xerxeszuges und seiner Abwehr, dass die Darstellung der
Grossthaten von Thermopylae und Salamis, von Platää und
Mykale, ,die Vollendung' (um mit Grote 3 zu sprechen) ,des
historischen Planes' unseres Historikers zu bilden bestimmt war,
dass sich zum Abschluss seines Werkes kein Zeitpunkt geeigneter
erwies als eben derjenige, wo dasselbe thatsächlich endet, dass
auf diesen und keinen anderen Schluss die Anforderungen künst
lerischer Oekonomie, die Rücksichten der ethisch-politischen
Ueber den Abschluss des herodoteischen Geschichtswelkes.
511
Tendenz und nicht zum mindesten auch die Winke des Pro-
oemiums hinweisen — diesen und allen ähnlich Denkenden wird
jenes Sätzchen als versteinerndes Schreckbild entgegengehalten.
Auch wird uns jeder rettende Ausweg sorgsam verschlossen.
So mag Jemand etwa meinen, die Nichteinlösung jenes Ver
sprechens beweise nicht mehr, als dass Herodot in einem an
sich geringfügigen Punkte seine Disposition aus uns unbekannten
Gründen verändert und in Folge eines zwar nicht unauffälligen,
aber keineswegs beispiellosen Versehens jene Aenderung namhaft
zu machen unterlassen habe. Allein ihm wird mit schärfster Be
tonung erwidert, dass er durch diese Annahme ,dem Schrift
steller eine durch nichts entschuldbare Nachlässigkeit
zur Last“ lege. Noch schlimmer ergeht es demjenigen, der in
einem ganz anderen Zusammenhänge, und zwar ins Masslose
angewachsenen Verkehrtheiten gegenüber, die lediglich an dieser
einen Stelle mindestens einen Schein von Halt und Stütze
gewinnen, auch der ,Möglichkeit“ gedenken zu sollen glaubte
(Iderod. Stud. II, 79), dass eine Texteslücke — wie deren eine
zu VIII, 120 urkundlich bezeugt sei — jenen vermissten Bericht
verschlungen haben könne. 1 Die blosse Aufforderung, auch
dieser ,Möglichkeit“ nicht völlig zu vergessen, ehe man sich
immer weiter in freilich auch sonst haltlose und abenteuerliche
Folgerungen einspinne, wird sofort zu einer ,Hypothese“ ge
steigert und derselben jeder Anspruch auf Beachtung versagt,
ehe nicht ,der doppelte Beweis“ erbracht sei: einmal, dass
an irgend einer Stelle solch eine Lücke anzunehmen ,zur un
ausweichlichen Nothwendigkeit“ werde, dann aber, dass
in derselben ,die vermisste Erzählung gestanden haben müsse
oder zum mindesten gestanden haben könne“ (S. 3—4). Der
Sinn dieser letzten Worte, die uns zunächst einigermassen ver
blüffen, wird uns erst klar, sobald wir zu dem Haupttrumpf
gelangt sind, welchen unser Gegner (S. 6) gegen uns ausspiclt.
Allen Zweiflern nämlich, die sich durch die bisher vorgebrachten
Argumente noch nicht davon überzeugen liessen, dass die VII, 213
enthaltene Ankündigung 5 über den Rahmen des herodoteischen
Werkes, wie uns dasselbe vorliegt, hinausweist und somit seine
Unfertigkeit ausser Frage stellt, soll der Mund geschlossen
werden ,durch den stricten Nachweis, dass ... ein Bericht
des gewünschten Inhalts im Bereich des achten und des neunten
512
Gomperz.
Buches einen Platz gar nicht hätte finden können —Diesen
Nachweis kennen zu lernen dürften unsere Leser einigermassen
begierig sein; und da derselbe, falls er gelungen sein sollte,
die obschwebende Frage in Wahrheit endgültig entschiede, so
erscheint es angemessen, diese den Kern des Problems treffende
Beweisführung zunächst ins Auge zu fassen.
Wie Herrn Kirchhoff’s systematische Denkgewohnheiten
im Vereine mit der Bedeutung der Sache es erwarten lassen,
ist diese Erörterung in ebenso tief- als weitgreifender Weise
geführt worden. Sollte ihr Ergebniss sich demungeachtet nicht
als stichhältig erweisen, dann dürfen wir diesen Misserfolg ge
trost der Sache selbst und nicht dem Anwalt, der sie vertreten
hat, zur Last legen.
Den Anfang macht eine umfassende Umschau über die
Gesamratheit der hieher gehörigen Erscheinungen. Es werden
alle die Fälle aufgezählt und durchmustert, in welchen Herodot
,seine Leser auf eine Stelle seiner späteren Darstellung verweist'.
Dass in zweien dieser Fälle das ertlieilte Versprechen vom Ge
schichtschreiber nicht eingelöst wird (I, 106 und 184), dieser
Umstand soll uns später noch beschäftigen. Hier haben wir
es vorerst mit jener Anzahl derselben, und es ist dies die
grosse Mehrheit, zu thun, in welchen solch eine Einlösung statt
gefunden hat. Diese wurden von Herrn Kirchhoff vollständig
gesammelt, sorgfältig verglichen und eingehend zergliedert.
Und sicherlich ist dies eine Art von Untersuchung, an der die
Literaturforschung zwar keinen Mangel leidet, von der sie aber
niemals zu viel besitzen kann. Gleichartige Erscheinungen zu
sammenstellen, sie unter einen einheitlichen Gesichtspunkt rücken
und ihnen gewissermassen ihr (wenngleich nur empirisches) Ge
setz abfragen — das ist der Process, durch dessen unaufhörlich
wiederholte und vermannigfachte Anwendung es allein gelingen
kann, dem literar-historischen wie jedem sonstigen geschicht
lichen Thatsachenbestande die ganze Summe von Belehrung zu
entlocken, die in ihm verborgen ist. Diese stets erneute Durch-
pflügung des geschichtlichen Ackers mit ihren sich hundertfach
kreuzenden Furchenzügen ist es, die seine Ertragfähigkeit un
ablässig und oft in ungeahnter Weise steigert. Die Methode
ist dieselbe, es mag sich nun um die bedeutungsvollsten Eigen
tümlichkeiten einer ganzen Sprach-, Cultur- und Literatur-
Ueber den Abschluss des herodoteisclien Geschichtswerkes.
513
Epoche oder um die Einsicht in jene unscheinbaren Züge han
deln, aus welchen sich die Einzelphysiognomie eines besonderen
Schriftstellers zusammen setzt. Reihen verwandter Phänomene
vergleichen und immer wieder vergleichen, ihre Uebereinstim-
mungen und ihre Unterschiede ermitteln — dies heisst in Wahr
heit zugleich den geschichtlichen Rohstoff für die höchsten Ver
allgemeinerungen vorbereiten und das Einzelne stets schärfer
und bestimmter in seiner Eigenart erkennen. Beides liegt dem
geschichtlichen Forscher ob, mag er sich nun Historiker oder
Philologe nennen; und darum muss die vergleichende Methode,
der nichts Grosses zu gross und kaum etwas Kleines allzu klein
dünken darf, mit Fug als das Rüstzeug gelten, dessen er sich
mit nie ermüdender Hand zu bedienen hat. Allein so werthvoll
die Methode, so erwünscht ihre immer weiter ausgedehnte An
wendung ist, von so ungleichem Werthe sind, wie leicht be
greiflich, die durch sie erzielten Ergebnisse. Und da kann ich
denn nicht umhin zu denken, dass das Facit der vorliegenden
Untersuchung eine ganz ausnehmend tiefe Stelle der Werthscala
bezeichnet — freilich nicht in Folge seiner Unhaltbarkeit, son
dern in Folge seiner Selbstverständlichkeit. Auch erscheint die
zuletzt genannte Eigenschaft nicht allezeit mit Recht im Lichte
völliger Harmlosigkeit. Dient doch — wie häufig! — der Ueber-
schuss an Evidenz im Beginn eines Beweisverfahrens dazu, einen
im weiteren Verlaufe sich ergebenden Abgang zu decken. Man
schenkt der Hand, die eben erst eine sonnenklare Wahrheit
festgestellt hatte, nur allzuleicht das Vertrauen, sie werde die
selbe nunmehr auch fehllos anzuwenden wissen. Und wenn
•Jemand sich die Mühe nicht verdriessen liess, das zu beweisen,
was keines Beweises bedurfte, wie sollte man besorgen, er werde
im nächsten Augenblicke das als bewiesen annehmen, was nicht
nur unbewiesen, was seiner Natur nach ganz und gar unbe
weisbar ist? In eben dieser Art verfährt aber unser geehrter
Gegner im vorliegenden Falle.
Das Ziel jener inductiven Untersuchung wird nämlich wie
folgt bezeichnet. Es gelte ,zu constatiren, dass' Herodot bei
jenen Verweisungen und Aufsparungen ,nicht willkürlich, son
dern wie ein vernünftiger Mensch nach Grundsätzen verfahrt,
die in der Natur der Dinge begründet sind' (S. 7). Mit anderen
Worten: der Vater der Geschichte ist kein thörickter Scribler,
514
Gompcrz.
sondern ein guter Schriftsteller qui nil molitur inepte, der auch
in der Disposition seines Stoffes durchweg von verständigen Er
wägungen und (so dürfen wir hinzufügen) von künstlerischem
Takt geleitet und bestimmt wird. Sicherlich! Und so viel war
uns vor jener inductiven Studio genau so zweifellos wie nach
derselben. Allein was wird aus dieser Prämisse (deren ,Selbst
verständlichkeit' Herr Kirchhoff selbst durch die gebotene Rück
sicht auf die ,Voreingenommenheit' entschuldigen zu müssen
glaubt, der gegenüber man ,nicht vorsichtig genug sein' könne)
nunmehr gefolgert? Die Antwort oder doch den Anfang der
Antwort liefert uns der nachstehende Satz, den wir vollinhalt
lich mittheilen zu müssen glauben:
,Somit gelangen wir' (so heisst es S. 13) ,zu der letzten
dieser Verweisungen, der des siebenten Buches, welche uns zu
dieser Durchmusterung der vorangehenden veranlasst hat, wie
ich hoffe, mit der wohlbegründeten Ueberzeugung, dass auch
hier von willkürlichem Belieben nicht die Rede sein kann,
sondern, wenn wir dem Schriftsteller gerecht werden wollen,
wir verpflichtet sind, bei ihm bewusste Ueberlegung und be
stimmt erkennbare Gründe des von ihm eingehaltenen Ver
fahrens vorauszusetzen.'
Hier ist nahezu Alles unbestreitbar wahr, ja durch sich
selbst einleuchtend. Nur ein Wort, welches wir durch den
Druck hervorgehoben haben, 6 erregt unser Bedenken. Un
glücklicherweise bildet aber eben dieses eine Wort die Grund
lage und die alleinige Grundlage der ganzen nachfolgenden
Beweisführung fast bis ans Ende von Herrn Kirchhoff’s Streit
schrift. Da muss es uns denn wohl freistehen — denn auch
die ,Voreingenommenheit' kann diesmal ,nicht vorsichtig genug
sein' —• jenen Satz und jenes Wort unter die Loupe einer
geschärfteren Betrachtung zu legen. Wir sollen — so verlangt
man von uns — auch in diesem Falle bei Herodot nicht willkür
liches Belieben sondern ,bewusste Ueberlegung' voraussetzen?
Ohne Zweifel. Aber auch ,bestimmt erkennbare Gründe?' Ja
und nein, je nachdem darunter an sich erkennbare oder für
uns erkennbare Gründe verstanden werden. Denn nur wenn
wir die Worte im ersteren Sinne verstehen, ergibt sich der Satz
als ein berechtigter Schluss aus der vorangehenden Erörterung;
aber freilich ist er dann unvermögend, irgend welche von den
lieber den Abschluss des herodotoisclicn Geschichtswelkes.
515
Folgerungen zu tragen, welche demnächst an ihn geknüpft
werden. Verstehen wir hingegen die Worte im zweiten Sinne,
dann vermag der Satz zwar jene Folgerungen zu tragen, aber
er fliesst in keiner Weise aus seinen angeblichen Prämissen.
Im letzteren Falle ist der Satz nicht bewiesen, im ersteren ist
er unfähig, irgend etwas Anderes zu beweisen. Nur auf dem
Geleise der einen Wortbedeutung gelangen wir zu dem Satze
selbst, nur auf dem Geleise der anderen gelangen wir von ihm
aus zu irgend etwas Weiterem. Solch eine Vertauschung zweier
Begriffsgeleise nennt man aber eine Aequivocation und den
darauf gebauten Schluss einen Trugschluss. Und zwar stehen
wir hier vor einem scharf charakterisirten Falle jenes Fehl
schlusses, welchen die Scholastiker als fallacia accidentis, einige
Neuere (unter Anlehnung an einen altbekannten verwandten
Ausdruck) als Uebergang a dicto simpliciter ad dictum secun-
dum quid bezeichnet haben.
Doch es bedarf nicht des Appells an die Kunstregeln,
nicht der Einkleidung in das Wortgewand der formalen Logik,
damit die Fehlerhaftigkeit des hier angebahnten und im Folgen
den weiter ausgeführten Raisonnements jedem Auge ersichtlich
werde. In so und so vielen Fällen hat unser Geschichtschreiber
einen Bericht oder eine Ausführung, die er an einer früheren
Stelle geben konnte, für eine spätere aufgespart und auf diese
vorgreifend verwiesen. So oft uns der Inhalt jenes Berichtes
oder jener Ausführung bekannt ist und desgleichen der Zusam
menhang, in welchem sie erscheinen, vermögen wir, wie von
vornherein zu erwarten, die Zwcckgcmässheit des Verfahrens oder
(anders ausgedrückt) die Gründe zu erkennen, welche den Autor
so und nicht anders vorgehen Hessen. Darum — so zu folgern
wird uns zugemuthet — sollen solche Gründe nicht nur an sich
erkennbar, d. h. objectiv vorhanden, sondern auch für uns
erkennbar sein in einem Falle, in welchem jene Voraussetzung
nicht zutrifft, in welchem uns der Inhalt des Berichtes so gut als
völlig und der Zusammenhang mit seiner Umgebung ganz und
gar unbekannt ist. Und weil wir unter diesen Umständen nicht
die Gründe aufzufinden im Stande sind, welche den Historiker
bestimmt haben mögen, einen uns im Wesentlichen unbekannten
Bericht an dieser oder jener Stelle der letzten zwei Bücher
seines Werkes anzubringen oder anbringen zu wollen, darum
516
G o mp erz.
soll die Möglichkeit als widerlegt gelten, dass er irgend etwas
Derartiges zu thun beabsichtigt hat! So steht es um die Basis
jenes stricten Nachweises, ,dass in dem vorliegenden Falle
ein Bericht des gewünschten Inhalts im Bereiche des achten und
neunten Buches einen Platz gar nicht hätte linden können — ‘.
In alle Einzelheiten dieser angeblichen Beweisführung ein
zugehen mag man uns erlassen. Immer und immer wird dabei
der Thatsache vergessen, dass wir über den Inhalt jenes Be
richtes und daher auch über die Art der Anknüpfung desselben
an die Geschichtserzählung ganz und gar im Unklaren sind. Wer
war der Trachinier Athenades, dessen Name nur hier und nirgend
wo sonst erscheint? Was gab es sonst von ihm zu melden? In
welche Ereignisse war er verflochten? Welches war das Streit
object zwischen ihm und Ephialtes ? Mit welchen anderen Vor
gängen war diese Fehde verknüpft? Auf alle diese Fragen fehlt
uns die Antwort; über den ganzen Gegenstand ist eine Wolke
tiefsten Dunkels gebreitet. Wie kann man uns unter diesen
Umständen eine Auskunft darüber abverlangen, welche Stelle
der letzten Bücher sich wohl zur Einschaltung jenes Berichtes
von der Tödtung des Ephialtes durch Athenades geeignet haben
mag, und aus unserer Unfähigkeit, diesem Verlangen zu ent
sprechen, den Schluss ziehen, dass jene Einschaltung überhaupt
ein Ding der Unmöglichkeit war? Und von den unerfüllbaren
Forderungen abgesehen, welche an unser thatsächliches Wissen
gestellt werden, wie überspannt sind auch die Ansprüche an
den Geschichtschreiber und an die bewusste Planmässigkeit
seines Vorgehens! Da Herodot die näheren Umstände jenes
VII, 213 erwähnten Ereignisses weder sofort ebendaselbst, ,und
alsdann selbstverständlich in aller Kürze, mittheilen', noch auch
,als für die Sache, um die es sich handelte, unwesentlich über
gehen wollte' . . ., ,so folgt daraus (so heisst es S. 14), dass
die Disposition des zu behandelnden Stoffes, nach welcher er
arbeitete, ihm ohnehin die Nothwendigkeit auferlegte, an
einer späteren Stelle der Darstellung auf den Gegenstand in
einem anderen Zusammenhänge zurückkommen zu müssen,
und dass diese später sich bietende Gelegenheit sich nach seinem
Urtheile besser dazu eignete, ausführlicher auf die Sache ein
zugehen als die vorliegende, offenbax-, weil der Punkt, um den
es sich handelt, für den Zusammenhang an der späteren Stelle
Ueber den Abschluss des herodotoischen Geschichtswerkes.
517
so wesentlich und darum unumgänglich, wie an der vor
liegenden gleichgiltig und nebensächlich war?' Urtheilten wir
anders, so würden wir dem Geschichtschreiber unentschuld
bares Unrecht' thun . . . ,Wir müssten selbst Willkür
üben, um ihn der Willkür zeihen zu können/ — Doch
nicht nur überspannt sind die Forderungen, die an dieser Stelle
— die mir als Muster der deductiven Behandlung eines Gegen
standes gilt, der eine solche nicht gestattet — ausgesprochen
werden, sie sind auch in sich widersprechend. Oder genügt
nicht die eine dieser Annahmen, dass nämlich jene ,später sich
bietende Gelegenheit sich nach seinem Urtheile' zur ausführ
licheren Behandlung der Sache , b e ss e r' eignete ,als die vor
liegende', um Herodot’s Vorgehen ausreichend zu erklären?
Und fällt nicht die vermeintlich erschlossene ,Noth Wendigkeit',
,auf den Gegenstand' späterhin ,zurückkommen zu müssen' und
was sonst noch mit so wenig gerechtfertigter Emphase behauptet
und weiterhin daraus abgeleitet wird, daneben zu Boden? Halten
wir aber Herrn Kirchhoff an diesem Zugeständnisse fest, das er
sich in einem unbewachten Augenblicke entschlüpfen liess, zu
wie viel bescheideneren Verhältnissen schrumpft dann nicht das
so masslos aufgebauschte Problem zusammen. Oder was Hesse
sich wohl ernstlich dagegen erinnern, wenn Jemand etwa die
nachfolgende Lösung des Räthsels in Vorschlag brächte? Herodot
wollte sich auf einem Höhepunkte seiner Geschichtserzählung
— und eine solche bildet doch wahrlich die Schilderung der
Thermopylenkämpfe — nicht länger, als es sein unmittelbarer
Zweck, den durch Epliialtes geübten Verrath als thatsächlich
stattgehabt zu erweisen, unbedingt erforderte, bei diesem Neben
punkte der Darstellung verweilen. Dazu genügte der knappe
Hinweis auf die späterhin erfolgte Tödtung des Verräthers und
die von dem Todtschläger dafür ein geheimste]} Ehren. Der
Anlass (die aiw)) jener Gewaltthat aber mochte sich nicht mit so
wenigen Worten oder Sätzen mittheilen lassen, als der Historiker
an dieser Stelle darauf zu wenden als angemessen erachtete. So
wäre es denn eine Rücksicht der künstlerischen Oeko-
noinie gewesen, welche ihn dazu bewog, die Haupterzählung
von diesem Beiwerk zu entlasten und dieses einer späteren
Stelle vorzubehalten. Dort musste allerdings die Möglichkeit
einer Anknüpfung gegeben sein; allein worin diese bestand,
518
Gomperz.
dies wissen wir weder, noch können wir in Anbetracht unserer
Unkenntniss der einschlägigen Personen und Vorgänge es zu
wissen irgendwie beanspruchen. Auch sage Niemand, wir müssten
den Ausfall jener Meldung (falls ein solcher Ausfall stattgefun
den hat) an einer Störung oder Lockerung des Zusammenhangs
zu erkennen vermögen. Wer würde denn etwas vermissen, wenn
einer oder der andere jener kleinen Abschnitte wegfiele, die
bei unserem Historiker mit Wendungen eingeführt werden, wie
,Dieses Mannes Vorfahr war es, welcher' u. s. w., oder ,In dieser
Schlacht that sich N. N. hervor, welcher' u. s. w.? Der Zu
sammenhang des einzuschaltenden Berichtes mit irgendwelchen
im achten oder neunten Buche erzählten Begebenheiten mochte
ein sehr enger, er mochte aber auch von recht loser Art sein.
Denn in lässiger Bequemlichkeit seines Weges zu ziehen und
lockende Seitenpfade nicht zu meiden, sondern aufzusuchen,
dies ist die Weise des Halikarnassiers, welche dieser nicht nur
übt, zu der er sich vielmehr ausdrücklich bekennt (^pocOf/Za?
-(•ap §-<5 p.ot 6 Xö-j-os ei; ccpyjqc, soi^to IV, 30). Und wer möchte
wohl, nebenbei bemerkt, des anmuthigen Joniers behaglich nach
lässigen Gang, der die Jahrhunderte entzückt hat, gegen einen
ängstlich abgezirkelten, steifen Paradeschritt vertauscht sehen?
Wer beides stetig im Auge behält: unsere totale Unkennt
niss des Inhalts jenes in Aussicht genommenen Berichtes und
unseres Autors ausgesprochene Vorliebe für Abschweifungen
und Einschaltungen aller Art, wobei ersieh, wie wir hinzu
fügen dürfen, um die Zwanglosigkeit der Uebergänge keines
wegs ängstlich bekümmert zeigt — der wird wohl von der Zu
versicht einigermassen betroffen sein, mit welcher Herr Kirchhoff
uns immer von Neuem versichert, es sei unmöglich und undenk
bar, dass Herodot jene Meldung an irgend einem Punkte der
letzten zwei Bücher einzufügen jemals beabsichtigt haben konnte
(S. 15—18). 7
Gern scheide ich von diesen Kraftsprüchen und Macht
geboten, um mich der Schlusspartie der Abhandlung zuzuwenden
(S. 19—20), in welcher uns eine sehr erfreuliche Veränderung
des Tones und der Methode entgegentritt. Aus den Höhen jenes
anspruchsvollen, angeblich apodeiktischen Verfahrens steigt der
Verfasser herab in die Niederungen massvoller und nüchterner
Wahrscheinlichkeitserwägungen. Freilich, die Art, in welcher
Ueber den Abschluss des herodoteischen GescbichtswerVes.
519
sich dieser Wechsel des Kampfterrains vollzieht, ist dazu an-
gethan, unser lebhaftes Erstaunen zu erregen. Meine Leser
haben sicherlich gleich mir den Eindruck empfangen, jener
von Herrn Kirchhoff aufgerichtete argumentative Bau solle seine
schliessliche Krönung empfangen durch den Nachweis einer fin
den Geschichtschreiber bestehenden Nöthigung, an einem jen
seits des jetzigen Schlusses seines Werkes liegenden Punkte
auf den Anlass zur That des Athenades oder auf diese selbst
zurückzukommen. 8 Allein unsere Erwartung wird vollständig
getäuscht. Nichts Derartiges wird auch nur versucht. Mit löb
lichster Offenheit, aber in schneidendem Gegensatz zu der deduc-
tiven Strenge der polemischen Erörterungen wird uns nunmehr,
da der Verfasser selbst zu positiven Aufstellungen übergeht,
erklärt: ,Was er freilich beabsichtigt hat und was nicht,
können wir nicht wissen; zu constatiren aber ist, dass, wenn
er es wollte und für angemessen erachtete, er in einem
noch heute erkennbaren Zusammenhänge vom Tode des Ephialtes
sehr wohl handeln konnte' (S. 19).
Wäre nun der Nachweis dieses ,erkennbaren' Zusammen
hangs, in welchem von dem Tode des Ephialtes gehandelt werden
,konnte', aufs Vollständigste geglückt, so würde damit für die
These unseres Gegners immer nur blutwenig gewonnen sein.
Denn dieser einen mit unseren Mitteln erkennbaren Möglichkeit
stehen, wie selbstverständlich, alle jene Möglichkeiten gegen
über, die für uns nothwendig unerkennbar bleiben müssen, weil
sie mit uns unbekannten Thatsachen, nämlich mit den Lebens
schicksalen des Athenades und mit jenem Vorfall oder jenen
,Ereignissen' verknüpft sind, welche die Grundlage des Zer
würfnisses zwischen den Beiden gebildet haben und die — wie
Herr Kirchhoff selbst zuzugeben kein Bedenken trägt — ,sich
an sich sehr wohl in dem oben bezeichneten Zeiträume von 480
bis 478 zugetragen haben' können (S. 16). So ist es uns denn im
besten Falle nicht vergönnt, diese verschiedenen Möglichkeiten
gegen einander ab wägen und eine auf Wahrscheinlichkeits
gründen ruhende Auswahl zwischen ihnen treffen zu können.
Unter diesen Umständen ist es für mich ein Gegenstand wahr
haften Bedauerns, diese ermüdende Erörterung nicht hier be-
schliessen zu dürfen, sondern der Vollständigkeit halber noch
die Blossen aufdecken zu müssen, welche auch dieser so be-
520
Gom per2.
scheiden beginnende und so zuversichtlich abschliessende 9 Theil
der gegnerischen Abhandlung dem nachprüfenden Leser dar
bietet. Wohl aber darf ich mich bei dieser für unseren Haupt
zweck minder belangreichen Discussion so grosser Kürze be-
fieissen, als die Sache nur irgend zulässt. Nach Herrn Kirchhoff’s
Darlegung ward Ephialtes durch die Amphiktionen ,frühestens
in der Frühlingspylaea 478' geächtet und ,das klägliche Scheitern
der Expedition des' spartanischen Königs ,Leotychides gegen
Thessalien', welche fast sicherlich ,im Jahre 476 475 stattge
funden' und ,Spartas Einfluss in Mittelgriechenland' gebrochen
hat, soll auch dem Verräther den erforderlichen Muth eingeflösst
haben, um in seine Heimat zurückzukehren. Dies sei der histo
rische Zusammenhang, für welchen ,Herodot sehr wohl den Be
richt von' Ephialtes’ Ende aufsparen und auf den er ,bei Ge
legenheit einer beiläufigen und vorgreifenden Erwähnung im
siebenten Buche in Ansehung der näheren Details verweisen
konnte'. Diese Möglichkeit auch nur für eine irgendwie in Rech
nung zu ziehende Wahrscheinlichkeit zu halten, daran hindern
mich zwei nicht allzu fern liegende Erwägungen. Erstens und
vornehmlich: allerdings ist der Verderber des Leonidas und
seiner Schaar ,aus Besorgniss vor der Rache der Lakedämonier'
(Seiraq touc AazeSatgovtou?) nach Thessalien entwichen; allein, so
bald er von dem Amphiktionenrath für vogelfrei erklärt war,
hatte er ja keineswegs nur mehr diese seine erbittertsten Feinde
zu fürchten, sondern die Bürger jeder griechischen Bundesstadt,
ja selbst ausserhalb dieses Kreises jeden einzelnen, sei es vater
ländisch gesinnten, sei es gewinnsüchtigen Griechen, welcher
Willens und vermögend war, das Gebot des Bundesrathes zu
vollstrecken und den von diesem ausgesetzten Preis zu erringen.
Ferner aber: die eigenen Worte Herodot’s, /povw utrapov, weisen
auf eine längere Zwischenzeit hin, die zwischen der Missetliat
und der durch die Pylagoren verhängten Aechtung des Misse-
thäters einerseits und seiner Rückkehr nach Antikyra anderer
seits verflossen war. Und noch weit entscheidender weist darauf
die Natur der Sache selbst hin. Die Zeit breitet ja über alles
Geschehene ihre dämpfenden und verhüllenden Schleier; das
Feuer des bestbegründeten nationalen und patriotischen Zornes
mag erlöschen; selbst ein so feierlicher Act wie jener Achts
erklärung kann in halbe Vergessenheit gerathen. Aber auch
lieber den Abschluss des herodoteisehen Geschichtswerkes.
521
schon nach so kurzer Frist? Vier Jahre nach einer That, welche
die Gemüther der Zeit- und Volksgenossen im tiefsten Innern
erregen musste — zwei Jahre nachdem die höchste Autorität
der hellenischen Nation die gebührende Strafe über den Ver-
räther verhängt hatte? Nimmermehr! Derlei auch nur im ein
geschränktesten Masse annehmen, es für irgend wahrscheinlich
halten zu sollen, dass der ,klägliche' Misserfolg des spartanischen
Kriegszuges gegen Thessalien wenn anders von solch einem
kläglichen Misserfolg die Rede sein kann 10 —allein ausreichte,
um dem Landflüchtigen die Heimkehr bereits nach so knapper
Frist als räthlich oder gefahrlos erscheinen zu lassen — das
sind Zumuthungen an unsere Glanbenskraft, welchen diese sich
nicht gewachsen zeigt.
Herrn Kirchhoff’s Streitschrift belässt, wie man sieht, die
Controverse, welche sie zu schlichten vorgibt, genau dort, wo
sie sie gefunden hat. Der Versuch, die Entscheidung lediglich
aus der einen vielerörterten Stelle zu schöpfen, darf als ge
scheitert gelten. Die Frage ist nach wie vor aus allgemeinen
Gesichtspunkten zu beurtheilen. Wer von solchen ausgehend zu
der Ansicht gelangt ist, dass uns in Herodot’s Werk ein ,Torso'
vor Augen liegt, der darf in jenem uneingelösten Versprechen
mit Fug ein dieses Ergebniss verstärkendes Moment erblicken.
Anders Derjenige, der auf Grund der Beschaffenheit des that-
sächlieh vorhandenen Schlusses gleichwie sonstiger mannigfacher
und schwerwiegender Indicien die entgegengesetzte Ueberzeu-
gung gewonnen hat. Dieser wird die Unwahrscheinlichkeit der
Annahme, dass uns die Erfüllung jener Verheissung durch eine
geringfügige Dispositionsveränderung und eine hinzutretende
Achtlosigkeit des Autors 11 oder auch nur durch einen Zufall
der Ueberlieferung vorenthalten sei, für weit geringer halten
dürfen als die zahlreichen Unwahrscheinlichkeiten der nur auf
dieser einen Stütze ruhenden gegnerischen These. Den Umstand
endlich, dass die Rückkehr und Tödtung des Ephialtes fast
sicherlich jenseits der Zeitgrenzen der zusammenhängenden Ge
schichtserzählung unseres Schriftstellers gelegen, d. h. nach 478
erfolgt ist, würde man mit Unrecht zu Gunsten jener Ansicht ver-
Sitznngsber. d. pliil.-hisfc. CI. CXII. Kd. II. Hfl:, 34
522
Go mp er z.
werthen wollen. Denn einmal konnte (wie wir bereits bemerken
mussten) das Zerwürfniss zwischen Athenades und Ephialtes,
jener den Todschlag begründende Vorfall (die odv.r,, welche
Herodot eigentlich allein mitzutheilen verspificht) sehr wohl vor
jene Zeitgrenzen — ja auch vor 480 — fallen. Dann aber hat
es ja von vornherein nur geringe Wahrscheinlichkeit für sich,
dass jener Privathandel in den Zusammenhang der grossen ge
schichtlichen Begebenheiten als ein integrirender Bestandtheil
derselben verwoben werden sollte, während andererseits die Ein
schaltung chronologisch weit vor- und auch über jene Zeitgrenzen
hinausgreifender episodischer Mittheilungen bei unserem Histo
riker nichts weniger als selten ist.
Noch ein Wort, ehe ich schliesse und den Gegenstand dieser
Betrachtungen, voraussichtlich für immer, verlasse. Die Scheu
vor Wiederholungen hat der Wirksamkeit dieser Darlegungen
ohne Zweifel erheblichen Eintrag gethan. Denn während mein
Gegner Alles, was zu Gunsten seiner Ansicht sprechen konnte,
in breitester Deutlichkeit entwickelt und seine früheren An
deutungen diesmal vollständig ausgeführt hat, glaubte ich mich
eben in Ansehung der belangreichsten Beweisgründe mit blossen
Hindeutungen auf vordem gegebene Ausführungen begnügen
zu sollen. Doch darf diese Enthaltsamkeit nicht so weit gehen,
dass der Streitpunkt dadurch verschoben und in eine falsche
Beleuchtung gerückt wird. Darum mag hier noch in kurzen
Worten die Zurückweisung eines naheliegenden Irrthums er
folgen, auf dessen Abwehr ich bisher nicht ausreichend bedacht
war. Die in Verhandlung stehende Streitfrage ist keineswegs als
eine von vornherein offene zu betrachten. Wir sind nicht etwa
darauf angewiesen, Herodot’s auf die Ausdehnung seines Werkes
bezügliche Absichten nur aus inneren Gründen zu er-
schliessen, blos aus Merkmalen abzunehmen, über deren Trag
weite und Bedeutung Verschiedene verschieden urtheilen können.
So stünde es in der That, wenn der Griffel der Hand des Histo
rikers entsunken wäre, wenn die Erzählung inmitten eines Satzes
abbräche, oder inmitten eines Abschnittes oder auch nur in der
Mitte einer Geschichtspartie. Allein nichts von alledem findet
in Wahrheit statt. Europas Befreiung von der drohenden Fremd
herrschaft ist endgiltig vollendet; der Kampf gegen Persien
wird nur mehr von einzelnen Gliedern des Griechenvolkes
lieber den Abschluss des herodoteischen Geschichtswerkes.
523
fortgeführt, er hat aufgehört ein panhellenisches Unternehmen
zu sein, 12 die Geschichtserzählung schliesst mit der ausdrück
lichen Versicherung, dass sicli in jenem Jahre — dem Jahre
der entscheidenden, wunderbaren Siege — nichts Weiteres be
geben habe. An diesen Erzählungsabschluss wird mittelst
eines ganz und gar nicht naheliegenden und darum unverkenn
bar plan- und absichtsvollen Ueberganges nur mehr jener be
deutsame Ausspruch gereiht, der keinem Geringeren als dem
Gründer des Perserreiches selbst als eine vielsagende Mahnung
in den Mund gelegt wird und in welchem ein Grundthema der
ganzen herzergreifenden Epopöe, der Gegensatz bedürfnissloser
Freiheit und üppiger Knechtschaft, wie in einem mächtigen
Accorde ausklingt. Mag man immerhin darüber streiten (wenn
ich gleich zu solchem Streit und Zweifel keinen Grund sehe),
ob dies das von allem Anfang an ins Auge gefasste Endziel ist
oder ob der Werkmeister seinen Bau unter einem Nothdach
geborgen hat, als er sich durch irgend welche Umstände ver
hindert sah, ihn dem ursprünglichen Grundriss gemäss zu voll
enden. 13 Auch darüber mag eine Meinungsverschiedenheit mög
lich sein, ob das Werk seinen vollen redactionellen Abschluss
gefunden, d. h. ob sein Verfasser es selbst herausgegeben oder
doch gleichsam druckfertig gemacht hat. Allein dass ein Ab
schluss -— es sei nun ein endgiltiger oder ein nur vorläufiger
— vorhanden ist, dies kann kein Sehender leugnen. Daraus
aber darf selbst wer sich der äussersten Behutsamkeit im
Folgern zu befleissen gelernt hat sicherlich den Schluss ziehen,
dass für die von uns vertretene These zum mindesten eine starke
Präsumtion spricht, dass demjenigen, welcher den Historiker
in einem bestimmten Zeitpunkte die ,Feder fortwerfen' lässt, 14
der das ,ganze grossartig angelegte Werk' für einen ,Torso' er
klärt, die Last des Beweises in vollem Masse zufällt, dass
es ihm nicht freisteht, die zur weiteren Verstärkung jener Vor-
vermutkung beigebrachten Beweisgründe zu ignoriren, er viel
mehr gehalten ist, ihnen andere und schwerer wiegende Argu
mente entgegenzustellen. Ob und inwieweit unser Gegner diesen
aus der Natur der Sache fliessenden Forderungen gerecht
geworden ist, darüber mag nunmehr der unbefangene und ein
sichtige Leser entscheiden.
34*
524
Gom p e i‘z.
Anmerkungen und Excurse,
1 Wenn ich eines anderen Vorgängers, Otto Nitzsch (des Verfassers
zweier liieher gehöriger — Bielefelder — Gymnasial-Programme von 1873
und 1882) hier nicht gedacht habe, so mag meine bisherige Unbekanntschaft
mit seinen Schriften, von denen ich nur durch Bursian’s Jahresberichte eine
mittelbare und nicht sehr genaue Kunde besass, dieses Stillschweigen ent
schuldigen. Doch darf ich mich nachträglich der Uebereinstimmung mit
jenem hochachtbaren Vorgänger, dessen Argumente meine Beweisführung in
erwünschtester Weise ergänzen, aufrichtig freuen.
2 Die zwei Stellen, in welchen Dahlmann (Herodot, Aus seinem
Buche sein Leben. Altona, 1823) unsere Frage berührt, lauten wie folgt:
,Wir sehen vielmehr ein augenscheinlich in frischer Arbeit durch äussere
Umstände unterbrochenes Werk vor uns; es findet sich, zum bestimmteren
Beweise hiervon, sogar eine Stelle (VII, 213 Ende), wo der Geschichtschreiber
eine Nachricht verspricht, die aber in der Folge gar nicht vorkommt‘ (S. 48).
— ,Dagegen gibt er durchaus keinen Anlass zu der insgemein angenommenen
Vorstellung, als habe er nicht über die Perserkriege, welche unter Darius
und seinem Sohne Xerxes geführt sind, hinausgehen wollen. Er würde,
meines Vermuthens, auch Kimons Züge, den grossen ägyptischen Krieg der
Athener, er möchte selbst das Eingreifen Persiens in den peloponnesischen
Krieg geschildert haben, wenn das Leben ausgereicht hätte. Die Alexan
driner theilten in neun Musen-Bücher ein, was sie ausgearbeitet vorfanden,
seitdem gilt die unvollendete Schrift für ein in allen Gliedern abgerundetes,
mit Bedacht geschlossenes Kunstwerk 4 (S. 137—138). — Die Annahme, He
rodot sei inmitten seiner Arbeit vom Tode überrascht worden, lag übrigens
für Dahlmann, in Folge seiner anerkannt falschen chronologischen Voraus
setzungen, ungemein nahe. Lässt er ihn doch — durch die Missdeutung der
Stelle I, 130 verführt, die er auf den Meder-Aufstand des Jahres 408 bezieht
— erst in hohem Greisenalter seine Geschichte schreiben. (,Als er diese
Stelle seines ersten Buches schrieb, zählte also Herodot mindestens
77 Jahre und sogar noch einige mehr; weil wahrscheinlich geraume Zeit
hinging, ehe man in Thurium diese Begebenheit erfuhr 4 S. 47.) Und nicht nur
in den fundamentalen Voraussetzungen, auch in den Schlussfolgerungen
stimmt Herr Kirchhoff mit seinem Vorgänger keineswegs überein. Denn der
Erstere ist ,der Ueberzeugung 4 , Herodot habe ,die Darstellung des Kampfes
zwischen Barbaren und Hellenen bis zur Schlacht am Eurymedon oder bis zum
Tode Kimons herabzuführen und diese Darstellung in einer Verherrlichung
Athens und seines grossen Staatsmannes auslaufen zu lassen 4 beabsichtigt.
(Ueber die Entstehungszeit des herodotischen Geschichtswerkes 2 28.)
3 Hist, of Greece V 2 , 7.
4 Vgl. Herod. Stud. II, 79. Herr Kirchhoff hat mich durch seine Er
widerung auf diesen Hinweis nicht wenig überrascht. Er nennt es ,reine
Willkür oder Unüberlegtheit 4 , wenn man jene dem Schlusswort des 120. Ca-
Ueber den Abschluss des herodoteisclien Geschichtswerkes.
525
pitels des achten Buches beigefügte Notiz des Codex Angelicanus: Xetaouai
* °^ ne weiters in dein angegebenen Sinne verstanden wissen und nicht
auch der Möglichkeit Raum geben wolle, dass der Verfasser derselben ge
meint habe: ,die hinter 4 dem Schlusswort des Oapitels ,folgenden zwanzig
Zeilen fehlten in einem anderen Exemplar, das ich verglichen
habe 4 (S. 5). Nun ist zwar Abschreibern und Correctoren zu allen Zeiten
von Philologen, die sich in einer Klemme befanden, gar vieles Ungebühr
liches aufgebürdet worden; aber die Voraussetzung, dass irgend ein Solcher
jemals sich in so völlig unverständlicher Weise ausgedrückt habe, scheint
doch die Schranken des irgend Zulässigen — so weit wir dieselben auch
ziehen mögen — um ein Beträchtliches zu übersteigen.
5 Hier sei in Kürze eines Einwands gedacht, der manchen Leser
beirren könnte, obgleich kein Kenner unseres Autors jemals auf denselben ver
fiele. Weisen nicht die Worte ev xolfc onaÖs Aoyoiai — so mag Jemand
fragen — allein schon auf eine recht weit entfernte Stelle und somit wahr
scheinlich über den Rahmen des uns vorliegenden Werkes hinaus? Ganz
und gar nicht, so lautet unsere Antwort; denn in dem einzigen genauen
Parallelfall bei Herodot folgt dem in fast völlig identische Worte geklei
deten Versprechen die Erfüllung in geradezu überraschend kurzer Frist,
man möchte sagen auf dem Fusse nach. Es ist dies I, 75: xouxov or\ wv xov
’Acrxuaysa Kupos iovxa stouxou p.7)xpo7:axopa xaxaaxpt^ap-Evo; 'iaye oi’ atx(7]V, xr]v
iyto iv xot; oTci'ato Xdyo*. ai ci7) ij.av s'co —. Nur 31 Capitel trennen die An
kündigung von dem Angekündigten, welches wir I, 107 lesen.
(1 Auch sonst sind die aus den Schriften unseres Gegners angeführten
Worte, welche wir hervorheben zu müssen glaubten, in dieser Weise durch
den Druck ausgezeichnet worden.
7 ,Ebenso unbestreitbar ist dagegen, dass nicht ein einziger Abschnitt
der Erzählung des achten und neunten Buches sich nachweisen lässt, welchem
eine Episode dieses Inhalts 4 (d. li. eines uns im Wesentlichen völlig unbe
kannten Inhalts!) ,denkbarer Weise je hätte eingefügt werden können — 4
(S. 27). — ,Ist dem aber so, so folgt, dass die vermisste Erzählung im Be
reiche des achten und neunten Buches nicht nur nie wirklich gestanden
hat, sondern auch von Herodot nicht bestimmt gewesen sein kann, inner
halb derselben untergebracht zu werden — 4 (S. 18).
8 Dieser Eindruck beruht nicht auf einer einzelnen Stelle, sondern
auf der ganzen Anlage des Beweisgangs. Aber leugnen will ich nicht, dass
meine oben ausgedrückte Erwartung insbesondere durch einen Satz erregt
worden ist, welchen missverstanden zu haben ich nunmehr bekennen muss.
Ich meine den bereits S. 516 angeführten Satz aus S. 14: ,Wenn er nun
weder das eine noch das andere getlian, sondern auf eine später zu gebende
Darstellung verwiesen hat, so folgt daraus, dass die Disposition des zu be
handelnden Stoffes, nach welcher er arbeitete, ihm ohnehin die Nothwendig-
keit auferlegte, an einer späteren Stelle der Darstellung auf den Gegenstand
in einem anderen Zusammenhang zurückkommen zu müssen —. 4 Ich ver
stand diese Aeusserung dahin, dass hier von einer äusseren, im geschicht
lichen Stoffe liegenden Nö thigung die Rede sei, und diese Auffassung
war wohl durch die Worte ,des zu behandelnden Stoffes 4 nahe genug gelegt;
auch glaubte ich in jeuen volltönenden Worten einen einigermassen ent
sprechenden und nicht den allerkärglichsten Inhalt suchen zu müssen. Allein
der grelle Widerspruch, der sich alsdann mit dem oben (aus S. 19) an
geführten Satze ergibt, wo nicht von irgendwelcher Notliwendigkeit,
sondern von einer blossen Möglichkeit gesprochen wird, lässt mich meinen
Irrtlium erkeiineu. Mit der ,Disposition des zu behandelnden Stoffes 1 ist
offenbar nichts Anderes gemeint als die von dem willkürlichen Be
lieben des Autors abhängige Stoff-Auswahl und Anordnung. Und
besagen sollen die Worte einfach dies: ,Als Herodot auf die Ursache der
That des Athenades zurückzukommen versprach, musste er die Absicht
hegen, an jener späteren Stelle irgend einen Vorgang zu erzählen, der
damit im engsten Zusammenhänge stand 1 , wobei Herr Kirchhoff an keinen an
deren Vorgang denkt als — an die That des Athenades selbst. Diese ist ja
übrigens bereits einmal in Kürze erzählt, und ihre nochmalige ausführlichere
Wiedererzählung wäre zwar nicht etwas Unerhörtes, aber doch auch wieder
nicht etwas so Gewöhnliches, dass wir solch eine Wiederholung von vornherein
vorauszusetzen uns befugt erachten könnten. ,Allerdings würde so 4 , bemerkt
Herr Kirchhoff selbst (S. 20), . . . ,das vollendete Geschichtswerk zwei Dar
stellungen derselben Ereignisse gebracht haben, eine vorläufige und blos
ändeutende im jetzigen siebenten Buche und eine ausführliche und ein
gehende in einem späteren Zusammenhänge, zu welchem sie zeitlich in un
mittelbarer Beziehung standen. Allein dergleichen begegnet bei Herodot auch
sonst 4 , worauf in der That ein Beispiel solchen Verfahrens beigebracht wird.
Dieselbe Annahme wird ebendaselbst auch in Betreff des VI, 72 vorgreifend
erzählten Zuges des Leotychides nach Thessalien gemacht, mit welchem ,Spin-
altes’ letzte Lebensschicksale 4 angeblich ,in ersichtlichem Zusammenhänge
standen 4 . Sollte es nicht richtiger sein, da wir bei unserem Historiker doch nicht
wohl eine besondere Vorliebe für Wiederholungen voraussetzen dürfen, in dieser
gleichwie in anderen vorgreifenden Mittheilungen ein Anzeichen mehr dafür zu
erblicken, dass er nicht die Absicht hatte, die zusammenhängende Geschichts
erzählung über die Grenzen des Werkes, wie es uns vorliegt, hinauszuführen?
») ,Ich glaube durch die vorstehende Auseinandersetzung klargestellt zu
haben, in welcher Weise die Thatsachen, um die es sich handelt, meiner
Ansicht nach aufzufassen und zu erklären sind. Obwohl ich die Auffassung,
welche ich vertrete, für die allein richtige und einzig mögliche immer gehalten
habe und noch halte, so bilde ich mir doch nicht ein, durch meine Darlegung
irgend Jemand überzeugt zu haben oder überzeugen zu können, der aus irgend
einem Grunde von dem Wunsche beseelt ist, dass die Dinge sich anders vi
halten möchten; aber ich beanspruche das Zugeständniss, dass, wenn er sich
und Anderen die Dinge in einer Weise zurechtlegen will, bei welcher seinen
Wünschen Befriedigung wird, er verpflichtet ist, entweder seine Ansicht solider
zu begründen, als bisher geschehen, oder auf eine Beachtung derselben durch
Andere ein- für allemal zu verzichten. 4 Ich will auf diese herausfordernde
Sprache nicht im gleichen Tone erwidern und stelle es getrost dem Urtheil
aller billig Denkenden anheim, zu entscheiden, wen und wen nicht in diesem
Falle der Vorwurf mit liecht trifft, sich ,die Dinge in einer 4 vorgefassten
Meinungen entsprechenden ,Weise zurechtlegen 4 zu wollen,
lieber den Abschluss des lierodoteischen Geschichtswelkes.
527
10 Ueber diese Expedition sind wir äusserst unzulänglich unterrichtet.
Als mehr oder minder erfolgreich erscheint dieselbe in der Schrift de malign.
Herodoti c. 21, 2: xrjv o*ev 0straXois ouvaaislav Srcaucjav (die Lakedämonier),
’ApiaTop.vjorj xai ’AyysXov xataXuaaviEg ota AscoTuyJoou toü ßaaiX^to; —, wobei man
freilich zunächst nicht weiss, ob das Vertrauen, welches die Bestimmtheit
dieser Angaben an sich erwecken kann, das Misstrauen überwiegen soll,
welches uns die tendentiöse Natur der ganzen Schrift einflösst. Nach Herodot
und Pausanias, unseren alleinigen sonstigen Gewährsmännern — deren letzterer
vom ersteren theilweise, aber nicht vollständig abhängt (s. Wernicke, de Pausan.
studiis herodot., p. 64) — war Leotychides im Felde siegreich, hat aber seine
Erfolge nicht ausreichend ausgenützt. Das Gold der Aleuaden verdarb, was
das spartanische Eisen gewonnen hatte, — ein Beleg mehr für die Wahrheit
des alten Spruches: a cpiXo/p7)[j.aTi'a 2;:aprav oXei, aXXo yap oüosv. Trugen sich
die Dinge genau so zu, wie Herodot und Pausanias (VI, 72) sie darstellen,
so ist jedenfalls an einen schmählichen, fluchtartigen Rückzug der Spartaner
nicht zu denken*, denn wenn der verrätherische König mitten im Feindes
land, im Heerlager selbst (ocutoü sv iw arpaioTi^otp) der Bestechung überführt
ward, so muss das durch Commissarien geschehen sein, welche
den Willen und nach den vorangegangenen Siegen (ots [1. are] oce!
vtxami iv -at; [xayai; Pausan. III, 7, 9) auch die Macht besassen, solch
einen ,kläglichen Misserfolg 4 hintanzuhalten. Allerdings mag Leotychides Vor
theile aufgegeben haben, die nicht mehr in vollem Masse zurückzuerringen
waren. So vereinigt sich Alles, uns an einen halben oder theilweisen Erfolg
des Kriegszuges glauben zu lassen, der freilich hinter den hochfliegenden
Erwartungen, welche sein Beginn erregen konnte (rcapsov 8i ol u-oyefpia rcavToc
TiouJaaaOai Herod. 1. 1., xat oi xaTaaTps^aaOai ÖsasaXtav Tiaaav eEov Pausan. 1. 1.),
weit genug zurückgeblieben sein mag. Und diese Auffassung wird nicht da
durch widerlegt, dass das Geschlecht der Aleuaden in Pharsalos die Herrschaft
beibehielt und das Land überhaupt im Laufe der nächsten Jahrzehnte mehr
und mehr dem athenischen Machtkreise anheimfiel (vgl. Duncker, Gesch.
d. Alterth. VIII, 64 Anm.).
Anders scheint Herr Kirchhoff diese Dinge anzusehen. Seine auf jenes
Spartanerkönigs Ende zu Tegea bezüglichen Worte: ,wohin er sich zurück
gezogen hatte, um sich der Verantwortung für den Misserfolg der thessalischen
Expedition, welche man ihm in Sparta zur Last legte, zu entziehen 4 (S. 19),
machen im Vereine mit dem, was er über ,das klägliche Scheitern 4 des Feld
zuges und von ,dem weichenden Heere der Peloponnesier 4 (ebend.) zu erzählen
weiss, den Eindruck, als weigerte er unseren Zeugen, die einerseits den Leo
tychides der Bestechung überführt sein lassen, andererseits keinen derartigen
totalen Misserfolg melden,, den Glauben. Er scheint in jenen Berichten die
von nationalem Dünkel und dem Glauben an die eigene Unbesiegbarkeit ein
gegebene spartanische Version dieser Vorgänge zu erblicken, — einen jener
Versuche, eine erlittene Niederlage dadurch zu beschönigen, dass man sie
auf einen Sündenbock abwälzt, deren die Geschichte alter und neuer Zeit
so viele kennt. Allein etwas Derartiges auch im vorliegenden Falle nicht
nur für möglich, sondern für wahrscheinlich oder gar für gewiss zu halten,
davon scheint doch gar Manches abzumahnen. Einmal war unser Hauptzeuge
528
Goiuperz.
keineswegs — um das Geringste zu sagen — so voreingenommen oder so
parteiisch für Sparta, um an solch einem Vertuschungswerk als Täuschender
oder auch als Getäuschter theilzunehmen; ferner aber und vornehmlich: er
hebliche Niederlagen lakonischer Streitkräfte waren in jener Zeit — ein
Jahrhundert vor Leuktra — keineswegs ein so häutiges Vorkomraniss, dass
man derlei ohne dringende Noth im Widerspruch mit allen Quellen anzu
nehmen berechtigt wäre. Wie unwahrscheinlich auch, selbst bei aller Kärg
lichkeit der Nachrichten über jene Epoche, dass uns von solch einem Ereigniss
keinerlei Kunde sollte zugekommen sein, — von einem Begebuiss, welches
ebenso sehr durch seine Seltenheit die Einbildungskraft zu beschäftigen als
durch seine Beschaffenheit die späterhin so schreiblustigeu Gegner und Rivalen
Spartas mit Genugthuung zu erfüllen geeignet war. Ich hoffe daher, nicht
der Unkritik geziehen zu werden, wenn ich heute noch die Worte unter
schreibe, in welche der doch auch nicht eben von blindem Vertrauen in die
Wahrhaftigkeit unserer Quellen erfüllte Grote vor mehr als einem Menschen
alter sein Wissen von diesen Begebenheiten zusammenfasste: ,Successful in
this expedition, he (Leotychides) suffered himself to be bribed and was even
detected with a large sum of money on his person“ (Hist, of Greece V 2 , 352).
11 Ich meine natürlich die unterlassene Tilgung des Versprechens, auf
dessen Erfüllung der Geschichtschreiber verzichtet hatte (falls diese Auffassung
der Sache die richtige und nicht vielmehr eine Lücke anzunehmen ist). Diese
Versäumniss ist gewiss auffällig, aber sie wäre es in noch weit höherem Masse,
wenn das Vorkommniss einem frühen und nicht vielmehr einem der letzten
Bücher angehörte. Thatsächlich findet es sich an der Schwelle des letzten
Sechstels des Werkes (S. 494 der Bekker’sclien, im Ganzen 604 Seiten
zählenden Textausgabe). Und dass der Autor diese seinem Lebensende näher,
möglicherweise sehr nahe liegende Schlusspartie minder häufig wiedergelesen
und daher minder eindringlich revidirt hat als die älteren Tlieile, die kein
derartiges Versehen aufzuweisen haben, ist dies eine jeder Wahrscheinlichkeit
entbehrende Annahme? — Wie harmlos erscheint doch auch diese unsere
Voraussetzung im Vergleich mit den Hypothesen, zu welchen Herr Kirchhoff
zu greifen sich genöthigt sieht, um die I, 106 und I, 184 vorkommenden, im
Laufe des Werkes nicht eingelösten Zusagen unter gleichzeitiger Leugnung
der einstigen selbständigen Existenz der ,assyrischen Geschichten 1 erklären
zu können. Dort sind es zwei Fälle, in Betreff deren dem Historiker eine
Vergesslichkeit Schuld gegeben wird, hier nur einer; dort bezieht sich das
uneiugelöste wiederholte Versprechen auf eine ganze gewichtige Partie des
Geschichtswerkes, hier auf einen vereinzelten, vergleichsweise belanglosen
Vorfall; dort musste der Autor (wie auch Herr Kirchhoff' bereitwillig eiu-
räumt) schou vor Abschluss des dritten Buches erkennen, dass sich zur Ein
schaltung der in Aussicht gestellten Mittheilungen keine geeignete Stelle mehr
finden werde, hier mochte seine Sinnesänderung erst bei der Abfassung eines
(möglicherweise sehr späten) Abschnittes der letzten zwei Bücher Platz greifen;
dort begegnen jene zwei Fälle innerhalb des ersten Siebentels (vor S. 80
der Bekker’sclieu Ausgabe), hier der eine Fall (wie bereits bemerkt) inner
halb des letzten Sechstels des Gesammtwerkes. Allerdings versucht es Herr
Kirchhoff, jene Hypothese mittelst einer Hilfshypothese zu stützen und abzu-
Ueber den Abschluss des herodoteischen Geschichtswelkes.
529
runden, — mittelst der Voraussetzung nämlich, ,dass durch eine längere
Unterbrechung der Arbeit Herodot in Etwas aus dem Zusammenhänge ge
kommen war 1 (Ueber die Entstehungszeit u. s. w. 2 6). Allein dass diese An
nahme — welche, nebenbei bemerkt, ans zwei Unwahrscheinlichkeiten eine
Wahrscheinlichkeit zu erzeugen bemüht ist, etwa gleichwie zwei Verneinungen
eine Bejahung ergeben — ganz und gar nichts besagt und das Unerklärliche
nicht um ein Haar breit erklärlicher macht, dies habe ich bereits einmal
(Herod. Stud. II, 79) ausreichend hervorgehoben. Oder vielmehr nicht aus
reichend. Denn ob, wie oft oder wie lauge die Lebensarbeit des Halikar-
nassiers unterbrochen ward, das werden wir niemals auch nur mit annähernder
Sicherheit zu sagen wissen; so viel aber ist völlig gewiss, dass er trotz aller
Störungen und Unterbrechungen, welche die Ausarbeitung des Musenwerkes
erleiden mochte, die vielfach durcheinaudergeschlagenen Fäden stets in fester
und sicherer Hand hielt, mag nun seine Gedächtnisskraft sich dazu ge
nügend erwiesen oder er (was ungleich glaublicher scheint) zum mindesten bei
jeder Wiederaufnahme der Arbeit das bis dahin Geschriebene mit aufmerk
samster Sorgfalt wieder und wieder gelesen haben. Denn dass jener Kirchhoff ’
sehe Erklärungsversuch nicht nur anfechtbar, dass er vielmehr unbedingt
unzulässig ist, dies erhellt (von der so kunstvoll verflochtenen, vom Haupt
thema, insbesondere in den ersten Büchern, fortwährend abschweifenden und
oft auf verschlungenen IVegen wieder zu ihm zurückkehrendenCompositiou ab
gesehen) sofort, sobald man sich der vielen Vor- und auclißückverweisun-
gen erinnert, von welchen letzteren meines Wissens in diesem Zusammenhänge
befremdlicher Weise noch nicht die Rede gewesen ist.* Ich will aus der Zahl
dieser Fälle (man vergleiche VI, 19 mit 1,92 und V, 36; V, 36 mit I, 92;
V, 4 mit IV, 94) nur einen speciell namhaft machen, der von geradezu aus
schlaggebender Bedeutung ist. Ich meine VII, 94, wo es von den Karern
heisst: ouxot ok olxtvs; apoxspoy EzaXfovxo, ev rot? txpcbxo.tai xcuv Aoywv s'ip^xa:,
womit auf I, 171 zurückgewiesen wird: xo yöcp kxXziov sovxe; M(vcd xe xanjxooi
zal /. z ), s6 u.£ vo l A k A e y e ; iiyo-i xi; vrjoouc —. Derselbe Schriftsteller also,
der sich des Vorkommens einer so geringfügigen Angabe in einem der frühesten
Abschnitte seines Werkes •— einer Angabe überdies, auf welche zurückzu
greifen keinerlei Notlnvendigkeit vorlag — an so später Stelle mit Sicherheit
erinnert, soll zugleich vergessen haben, einen in eben jenen Abschnitten (ist
doch das Cap. 171 zwischen 106 und 184 gelegen!) enthaltene belangreiche
und so lange sie ungetilgt blieb im höchsten Masse irreleitende Doppelzusage
zu tilgen? So launenhaft wirkende Factoren, wie es unter solchen Voraus
setzungen das Erinnerungsvermögen oder die Arbeitsweise Herodot’s wären,
kann, so meine ich. die historische Kritik so wenig in Betracht ziehen, als
etwa die Physik das Dasein intermittirender Naturkräfte anerkennt. Die
etwaige Erwiderung aber, nicht ein Vergessen oder Ueberselien, sondern der
Mangel eines redactionellen Abschlusses habe jene Anomalien verschuldet, ist
* Hierin irrte ich. Ernst Bachof hat in seinem vortrefflichen Aufsatze
.Die ’Aooüpioi Xoyot des Herodotos 1 (Jahrbücher für dass. Philol. 1877)
bereits von diesem entscheidenden Beweisgründe Gebrauch gemacht.
(Correcturnote.)
530
G o m p e r
mit genau demselben Grundgebrechen behaftet, — so lange wenigstens, als es
nicht gelingt, andere Wirkungen der vorausgesetzten Ursache, d. h. andere
derartige Verstösse in grösserer Zahl und von einigermassen annäherndem
Gewichte nachzuweisen. Ein dahin zielender Versuch ist von Herrn Stein
unternommen und von uns mit Gründen zurückgewiesen worden, die (so viel
ich weiss) ziemlich allgemein als entscheidende gelten. Jedenfalls hat sich
Herr Kirchhoff, mit welchem wir es hier allein zu tliun haben, jenen Beweis
versuch niemals angeeignet, und es ist wohl wenig Aussicht vorhanden, dass
er dies in Zukunft noch tliun werde.
Nicht nur unternimmt es somit unser Gegner nicht, das Dasein jener
Ursache durch die Stätigkeit der ihr zugeschriebenen Wirkungen zu erhärten:
er macht von ihr vielmehr geradezu als von einer unstät wirkenden Ursache
Gebrauch. Oder wäre dies ein zu starker Ausdruck für ein Verfahren, wie
es das folgende ist? Die unterlassene Tilgung jener auf die ’Aaaupioi Xoyoi
bezüglichen Zusagen wird durch den vermeintlichen Mangel eines redactio-
nellen Abschlusses gerechtfertigt, und zwar in Worten, die von völlig all
gemeiner Anwendbarkeit sind und nicht etwa von dieser oder jener Partie
des Werkes allein gelten. Sie bedeuten entweder überhaupt nichts oder sie
bedeuten eine Eigenschaft des Ganzen: ,Da er nun nicht einmal dazu gelangt
ist, die Arbeit nach dem ursprünglichen Plane zu Ende zu führen, so ist es
natürlich vorauszusetzen, dass er auch die ausgearbeiteten Theile
keiner abschliessenden und ausgleichenden Eevision unter
worfen hat, und so erklärt es sich zur Genüge, warum Unfertigkeiten so
auffälliger Art, wie die bemerkten, nicht von dem Verfasser selbst bemerkt
und ausgeglichen worden sind. 4 (Ueber die Entstehungszeit u. s. w. 2 6.)
Nun denke man, es gebe Jemand, der zwar weder die voranstehende
Behauptung noch ihre Begründung für richtig hält, der sich jedoch der Wahr
nehmung nicht verscliliessen zu können glaubte, dass auch dem Vater der
Geschichte gleich so vielen grossen Schriftstellern ein vereinzeltes redactio-
nelles Versehen begegnet sei, von genau derselben Art wie jene Verstösse,
welche Herr Kirchhoff ihm beimisst, aber von unvergleichlich geringerer Be
deutung und überdies durch mildernde Umstände mehrfacher Art entschuldigt
und erklärlich gemacht. Er mochte hierin irren, er mochte auch, falls er
nicht irrte, auf manche Einwendung gefasst sein, nur nicht auf einen Wider
spruch von eben jener Seite, von welcher der obige Satz ausgegangen ist,
dessen umfassende Weite zwar weit mehr als hier erfordert wird, aber darum
doch auch dieses Wenige in sich schliesst. Allein weit gefehlt! Er ist mit seinem
Schluss vom Grösseren auf das Kleinere übel angekommen*, er hat sich nur
den rauhen Bescheid geholt, dass seine vergleichsweise (wie ihm däuchte)
so glimpfliche Voraussetzung dem Geschichtschreiber eine ,durch nichts
entschuldbare Nachlässigkeit 4 auf bürde. Wer gedächte hier nicht
des Bibelwortes vom Splitter und vom Balken ?
12 Auf diesen Gesichtspunkt hat O. Nitzsch in jenen zwei Abhand
lungen (s. Anm. 1) hingewiesen, die nicht früher gekannt zu haben ich
lebhaft bedauern muss.
13 Das war augenscheinlich die Meinung Otfried Müller’s (Gr. Lit.
Gesch. I 2 , 490), über welche ich vormals (Herod. Stud. I, 8) nicht ganz billig
•vfc, - ■ m*.- • . IJI ™- \
Ueber den Abschluss des herodoteischcn Geschichtswelkes. Ö31
geurtheilt habe. Ich lialte sie auch jetzt für nichts weniger- als richtig;
aber sie enthält nicht nothwendig den inneren Widerspruch, den ich in ihr
zu linden glaubte.
14 ,Wer der Ueberzeugung ist, welche auch ich theile, dass es die
Absicht Herodots war, , begreift leicht, dass es andere Dinge
als der Tod sein konnten, welche ihn wenn nicht nöthigten doch veranlassten
mit dem Ende des Jahres 428 die Feder fortzuwerfen 4 (Ueber die Ent
stehungszeit u. s. w. S. 28). — ,Der Fest desselben wurde wohl noch vor
Ende des Jahres 428 fertig, dann aber die Arbeit für immer abgebrochen;
die ursprüngliche Disposition kam nicht zur Ausführung und das ganze
grossartig angelegte Werk blieb ein Torso 4 (ebend. 8. 27).
XIII. SITZUNG VOM 19. MAI 1886.
Das c. M. Herr Professor Dr. Karabacek theilt mit,
dass die Papyrus-Sammlung Sr. kais. Hoheit des Herrn Erz
herzogs Rainer die neuen, zu Studienzwecken geeigneten Räum
lichkeiten im k. k. Museum für Kunst und Industrie bezogen
habe, und ladet zum Besuche ein.
Von Druckwerken wurden der Classe vorgelegt:
..Ortschafts- und Bevölkerungsstatistik von Bosnien und
der Herzegowina nach dem Volkszählungsergehnisse vom 1. Mai
1885‘, mit Zuschrift übersendet von dem k. und k. gemein
samen Ministerium;
,System der deductiven und inductiven Logik von J. St.
Mill, übersetzt von Th. Gomperz', 3. Band, 2. Auflage, über
reicht von dem w. M. Herrn Prof. Gomperz.
Herr Dr. Rudolf von Sowa, k. k. Gymnasialprofessor in
Mährisek-Trübau, ersucht unter Vorlage eines druckfertigen
Manuscriptes: ,Die Mundart der slovakischen Zigeuner' um
einen Druckkostenbeitrag zur Herausgabe des Werkes.
Die Kirchenväter - Commission übergibt zur Veröffenl
lichung in den Sitzungsberichten eine Abhandlung von Herrn
Manitius, welche betitelt ist: ,Zu Aldhelm und Baedab
t
533
Von Herrn Dr. Oswald Zingerle, Privatdocent an der
Grazer Universität, wird eine Abhandlung unter dem Titel:
,Der Paradiesgarten der altdeutschen Genesis' mit dem Ersuchen
um ihre Aufnahme in die Sitzungsberichte übersendet.
Die Abhandlung wird einer Commission zur Begutachtung
übersendet.
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Acaderaia litterarum regia Borussica: Corpus inseriptionum latinarum.
Vol. VI, pars V. Berolini, 1885; Folio.
Academie, imperiale des Sciences de St.-Petersbourg: Bulletin. Tome
XXXI, No. 1. St.-Petersbourg, 1886; gr. 4°.
Akademie der Wissenschaften, königl. bayerische: Sitzungsberichte der
philosophisch - philologisch und historischen Classe. 1885. Heft IV.
München, 1886; 8°.
— Abhandlungen der philosophisch - philologischen Classe. XVII. Band,
2. Abtheilung. München, 1885; 4°.
Bibliotheque de l’Ecole des^Chartes: Revue d’Erudition. XLVII. Annee
1886. l re et 2 e livraisons. Paris, 1886; 8°.
(lenootschap, Bataviaasch van Künsten en Wetenschappen: Tijdschrift
voor indische Taal-, Land- en Volkenkunde. Deel XXX, Aflevering 5.
Batavia, s’ Hage, 1885; 8°.
— Notulen van de algemeene en Bestuursvergaderingen. Deel XXIII,
1885, Aflevering 2. Batavia, 1885; 8°.
Gesellschaft, k. k. geographische in Wien: Mittheilungen. Band XXIX,
Nr. 4. Wien, 1886; 8».
— Oberlausitzische der Wissenschaften: Neues Lausitzisches Magazin.
LXI. Band, 2. Heft. Görlitz, 1885; 8°.
Institute, the Anthropological of Great Britain and Ireland: The Journal.
Vol. XV, Nr. 4. London, 1886; 8°.
Institution, the Royal of Great Britain: Proceedings. Vol. XI, part II,
Nr. 79. London, 1886; 8°. — List of the Members, Officers and Pro
fessors. 1885. London, 1835; 8°.
Istituto, R. di Studi superiori pratici e di perfezionamento in Firenze:
Deila Interpretazione panteistica di Platone di Alessandro Cliiapelli.
Firenze, 1881; 4".
Kiew, Universität: Berichte. Tom XXVI, Nr. 2. Kiew, 1886; 8°.
Königsberg, Universität: Universitätsschriften pro 1885—1886. 35 Stücke,
4° und 8°.
Mittheil ungen aus Justus Perthes’ geographischer Anstalt von Dr. A. Peter-
mann. XXXII. Band, V. und Ergänzungsheft Nr. 82. Gotha, 1886; 4°.
534
National-Mus eu m, germanisches: Anzeiger. I. Band, 2. Heft, .Jahrgang
1885. Leipzig; 8°. — Mittheilungen. I. Band, 2. Heft, Jahrgang 1885.
Leipzig; 8". — Katalog der Gemälde. Nürnberg, 1885; 8°.
Soeiete royale des Antiquaires du Nord: Gravstenene i Roskilde Kj<|>bstad;
ved J. B. Löffler. Kjijdie'nhavn, 1885; Folio.
Society, the Scottish geographieal: Magazine. Vol. II, Nr. 5. Edinburgh,
1886; 8°.
— the Manchester literary and philosophical: Memoirs. 3 th series, Vol. VIII.
London, 1884; 8°.
— Proceedings. Yol. XXIII and XXIV. Manchester, 1884 —1885; 8°.
Manitius. Zu Aldhelm und Baeda.
535
Zu Aldhelm und Baeda.
Von
M. Manitius.
Schon L. Müller hat im Rheinischen Museum XXI,' 123 f.
und XXII, 84 f. darauf aufmerksam gemacht, dass der Angel
sachse Aldhelm für die historische Seite der Philologie kein
geringes Interesse hat. Die Werke Aldhelms waren schon
vorher herangezogen worden von Ribbeck für die Belegstellen
aus Vergil, von Reifferscheid zu Sueton de rerum natura
(praeter Caes. libr. reliqu. p. 247 sq.) und von Wackernagel
für die voces animantium. Dann hatte Mommsen in seiner
Ausgabe des Solinus die Stellen verzeichnet, welche Aldhelm
dem Solin entnommen; L. Müller gab Aldhelms Citate aus
Seneca und fand in der epistola ad Acircium einen Vers aus
dem Gedichte des Gothenkönigs Sisibutus. Dagegen ist seine
Annahme — die er schon selbst (Rhein. Museum XXI, 266 sq.)
einschränkte — zurückzuweisen, dass einige Verse, die Ald
helm aus Sedulius citirt, aus einem grossen Gedichte de pen-
tateucho stammen sollen ; und das hat Huemer in seiner Sedulius-
ausgabe bereits stillschweigend gethan. Später wies Riese in
der lateinischen Anthologie einige Verse nach, welche Aldhelm
dem Syinphosius entnommen, Hartei gab in seinem Cyprian
die hierher gehörigen Citate Aldhelms, und Keil zeigte in der
Ausgabe des Audax (Grammatici latini t. VII), dass Aldhelm
den ersten Theil seiner Metrik aus Audax de hexametro versu
heroico abgeschrieben habe. Jeep (Claudiani carm. II, 184)
wies zwei Verse aus dem epithal. Laurentii bei Aldhelm nach,
Zangemeister ebenfalls zwei Stellen aus Orosius und endlich
gab Huemer in seinem Anhänge zu Sedulius einen Theil der
von Aldhelm abgesehriebenen Verse dieses Dichters.
Diese Quellenstudien zu Aldhelm bedürfen nun sehr der
Vervollständigung, ausserdem scheint es aber angebracht, alle
Quellen Aldhelms nachzuweisen, um dadurch zu einem Ge-
sammtbilde der literarischen Kenntniss des gelehrten Bischofs zu
gelangen. Dieses Gesammtbild dürfte, wenn auch nicht geradezu
typisch, so doch für jene Zeit lehrreich genug sein, und es
ergeben sich dabei mancherlei Schlüsse auf die Ueberlieferung
der benutzten Quellen. Es soll daher im folgenden eine mög
lichst genaue Quellenanalyse der Werke Aldhelms gegeben
werden.
1. Die Ueberlieferung.
Das Hauptwerk Aldhelms ist seine römische Metrik und
Prosodie oder die epistola ad Acircium. Sie ist herausgegeben
von Mai, classici auct. tom. V, 501—599 und von Giles, Ald-
helmi opera (Oxon. 1844) p. 216 — 329. Mai benutzte zu seiner
Ausgabe einen ,alten Codex Vaticanus' (praef. p. LI), Giles
verglich zu der seinigen Mai mit einer Pariser Handschrift,
die angeblich aus dem 10. Jahrhundert, zugleich die Räthsel-
sammlung enthält (cod. Paris. 2339, praef. p. VII; p. 390).
Die Räthsel sind allein herausgegeben von Delrio (S. Aldhelmi
. . . poetica nonnulla. Mogunt. 1601. 12). Die Prosaschrift de
virginitate erschien schon 1512 (ed. Jac. Faber, Davent. 1512.
4), die metrische Bearbeitung mit dem Anhänge de octo princi-
palibus vitiis gab Canisius heraus (antiquae lectiones V, 1608;
zweite Auflage von Basnage, Antwerpen l72trtom. I; Canisius
mit Delrio wieder abgedruckt in der Maxima biblioth. veterum
patrum tom. XIII, p. 1; die übrigen älteren Ausgaben s.
Wright, biographia Britannien literaria, anglo-saxon period p. 222,
London 1842).
Was nun die Ueberlieferung bei Mai und Giles betrifft,
so ist dieselbe eine sehr verschiedene, nicht blos in Hinsicht
auf orthographische Abweichungen, sondern auf den Text über
haupt. Ohne Vergleichung eines grossem Handschriftenmaterials
wird sich die Entscheidung darüber nicht treffen lassen, ob
der Text bei Mai oder Giles dem Originale näher steht. Man
Zu Aldhelm und Baeda.
537
könnte versucht sein, clas erstere zu behaupten, da Mai an
einigen Stellen grössere oder kleinere Sätze mehr bringt, deren
Inhalt eine etwaige spätere Interpolation ausschliesst. So fehlt
bei Giles p. 220, 1. 7 nach prophetarum: (Mai p. 505) septimo
niliilo minus eius volnminis (volumins Mai) sigillo resoluto post
factum supemorum civium caeleste silentium mediumque horae
intervallum septem angelos cum septenis salpicibus et sistrorum
clangombus horribih classico per totum mundum concrepantibus
(coneptantibus Mai) idem se crevisse contestantur.
Giles p. 227, 1. 4 nach et alibi: (Mai p. 514) Ante leves
ergo pascentur in aequore cervi \ Et freta destituent nudos in
litore pisces (Verg. Ecl. I, 59. 60).
Giles p. 232, 1. 37 nach obstacula: (Mai p. 521) et erro-
rum ojfendicula (scandentibus) velut iter carpentibus.
Giles p. 238, 1. 2 nach cuncta: (Mai p. 526) loco secundo
et quinto dactylus ita: Christus de cruce salvavit saecla triumphans.
Ferner finden wir (Giles p. 233, 1. 16) ein Citat aus
Junilius de partibus divinae legis ad Primasium und zwar aus
der Vorrede. Dort heisst es bei Giles: quae a Paulo Syrorum
scholis naviter instructo; bei Mai (p. 521) steht: a Paulo Persa
Syrorum scholis etc. Bei Junilius (Migne LXVIII, p. 15) lesen
wir: vidisse me quendam Paulum nomine Persam genere qui in
Syrorum schola . . est edoctus. Kurz darauf ist bei Giles fin
den Schüler D gesetzt, bei Mai und Junilius dagegen A. Und
wie Aldhelm anderwärts gern mit seiner Kenntniss des Griechi
schen prunkt (besonders in der epistola ad Eahfridum, Giles
p. 91 sq.), so ist unzweifelhaft, dass A als die ältere Form
aufrecht zu halten.
Dem wiederum steht bei Mai eine grosse Lücke entgegen,
nämlich die beiden Seiten Giles p. 242 und 243 bis aequora
verrens fehlen dem Texte von Mai gänzlich. Doch dies kann
einen rein äusserliclien Grund haben, entweder war ein Blatt
aus der Handschrift von Mai oder aus deren Vorlage herausge
schnitten. So lässt sich mit Sicherheit nichts ermitteln, nur so
viel steht fest, dass der Text bei Mai auch an anderen Stellen
öfter das richtige bietet, während Giles falsches giebt. 1
1 Ausserdem strotzt der Text bei Giles von Unrichtigkeiten, fast auf jeder
Seite finden sich Druckfehler oder wirkliche Lesefehler.
Sitzungsber. tl. pliil.-liist. CI. CXIf. Bd. II. Hffc. 35
538
M a n i t i u s.
IT. Ueber die verlorenen Schriften Aldhelms und die
Reihenfolge der erhaltenen Werke.
Wir besitzen nicht mehr alle Werke, welche Aldhelui
verfasst hat und deshalb hätte Wright (1. 1. p. 217) nicht
schreiben sollen: Aldhelm ivas not a voluminous ivriter. 1 Das
geht zunächst aus einer Stelle auf S. 279, 1. 7 (Giles) hervor,
wo der Autor selbst sagt: quocl nomen (seit, coniux) in nomina-
tivo et vocativo cum additamento n Literae Libro VI de nomine
recolo disseruisse, licet in obliqiäs casibus penitus deficiat. Hieraus
ergibt sich, dass Aldhelm eine Schrift de nomine in mindestens
sechs Büchern verfasst hat. Doch wahrscheinlich ist die Schrift
umfangreicher gewesen, wenn wir das folgende in Betracht
ziehen. An mehreren Stellen, wie ich später nachweisen werde,
finden wir Priscian bei Aldhelm benutzt, und jene Erwähnung
von coniunx, coniugis steht bei Priscian lib. VI c. 18. Es ist
danach leicht möglich, dass Aldhelm in seinem Werke de no
mine den Priscian excerpirt und dessen Reihenfolge und Zahl
der Bücher mit Ausnahme der beiden letzten beibehalten hat.
Einen andern Anhaltspunkt gewährt eine Reihe Citate,
die Aldhelm aus seinen eigenen Gedichten anführt. So findet
sich der Vers p. 74 (Giles) Claviger aetherius portam qui pandit
in aethra mit kleinen Veränderungen wieder p. 88, 1. 5, p. 119
de aris b. Mariae II, 2; p. 129 in hon. apost. 6; p. 222, 1. 7.
Hieraus ergibt sich zuerst, dass das Gedicht bei Giles X versus
in honorem aposfolorum scripti von Aldhelm wirklich verfasst ist,
was Ebert (L. G. I, 595, n. 1) nicht anerkannte. Es ist durchaus
Aldhelms Art, einzelne Verse oder grössere Stücke aus dem
einen Gedichte in das andere hinüberzunehmen und sich auf diese
Weise selbst zu citiren. Und das thut er ganz besonders in dem
kleinen Gedichte auf die Apostelfürsten. Man vergleiche hierzu:
de aris b. Mariae (Giles IX)
I, 2 Cui veneranda rudis sa-
crantur culmina templi | Et nova
consurgunt sacris vexilla triuni-
phis. II, 2 Claviger aetherius qui
portam pandit in aethra | Janitor
aeternae recludens limina vitae.
in hon. apost. (Giles X) 1 Hic
celebranda rudis florescit gloria
templi | Limpida quae sacri sig-
nat vexilla triumphi. 6 Claviger
aetherius portam qui pandis in
aethra \ Candida caelorum re
cludens regna tonantis.
Zu Aldhelm und Baeda.
539
I, 8 Audi dementer populo- 8 Exaudi clemens populorum
rum vota precantum \ Marcida vota precantum | Marcida qui
qui riguis humectant imbribus . riguis humectant imbribus ora.
ora. 12 Et crebris precibus de-
lent peccamina vitae.
III, 1 Saulus qui sanctus mul-
ctavit carcere turbas | Credulus
efficitur mutato nomine Paulus.
11 Qui prece fragranti tor-
rent peccamina vitae.
12 Maximus en doctor Paulus
vocitatus ab axe | Saulus qui
dictus mutato nomine Paulus.
So sind fast acht Verse in dem kleinen Gedickte ab-
gesckrieben, denn man wird sieb eher davon überzeugen
können, dass dies Gedickt ein Florilegium aus früheren ist,
als dass das Gegentkeil stattfindet. Aus dem carmen VIII
(Giles) findet sich Vers 21 Et maris aequoreos lustrabat reinige
(regmine Giles) campos wieder in den aenigm. decast. 4, 5 Non
maris aequoreos lustrabam remige campos; Vers 31 Alfa super-
norum conquirens regna polorum steht de laud. virg. 754 Summa
supernorum conquirens regna polorum. Der Vers laud. virg. 529
Petrus Apostolicae qui culmen praesidet aedis findet sich in der
epist. ad Acircium p. 245, 1. 18 Petrus Apostolicae qui culmina
praesidet arcis (ähnlich aenigm. hendecast. 3, 6 Qui nunc in
caelis excelsae jiraesidet arci). Die Einführungsworte für die
eigenen Citate sind p. 74 de quo poeta, p. 88 de quo poeta ait,
p. 222 de quo poeta, p. 245 et alibi poeta dicit.
Mehrere Verse finden sich zugleich wieder auf p. 95 und
p. 214. Nämlich p. 95, 1. 10 stimmt zu octo principal. vitiis
410 Neu timeat, scriptor terrentis ludicra linguae uncl 399 Sed
semper cupiunt scriptorum carpere Chartas; 1. 11 stimmt zu octo
princ. vitiis 400, 1. 12 zu ib. 398. Diese Verse werden mit
Voranstellung eines durchaus unverständlichen, wohl gänzlich
verderbten Verses mit den Worten eingefükrt: ut versidicus
ait. — Wir gewinnen aus diesen Citaten die Tkatsache, dass
die epistola ad Ealifridum (Giles IV) später geschrieben ist
als das Gedicht de octo principalibus vitiis; ferner ergibt sich,
dass die epist. ad Acircium, sowie die Prosaschrift de laud.
virginitatis und der Brief ad Geruntium später abgefasst sind,
als das Gedicht de aris b. Mariae, 1 schliesslich dass das Ge-
1 Dieses Gedicht hat Aldhelm am stärksten für seine eigenen Zwecke
ausgebeutet, eine ganze Reihe von Versen wird daraus citirt; cf. zu
II, 27 de laud. virg. 1731 levirum solvens errore vetusto; zu III, 33 laud.
35*
540
M a n i t i u s.
dicht de basilica (VIII) vor die Abfassungszeit des Gedichtes
de laud. virginum und der aenigmata zu setzen ist.
Das grösste eigene Citat bietet aber Aldhelm in dem
Gedichte de laud. virg. 1690 —1708. Und zwar sind diese
Verse wieder wörtlich abgeschrieben aus de aris b. Mariae
I, 13—31 mit nur ganz geringen Abweichungen (1. virg. 1704
ist ecce statt esse zu schreiben). So ist also dies grosse
Epos gleichfalls später als de aris b. Mariae verfasst.
Dass die Gedichte VIII und IX (Giles) ein Ganzes bilden,
hat schon Ebert (1. 1. S. 595, n. 1) gesehen, es geht dies un
widerleglich aus den Versen VIII, 38 sacellum | Bugge construxit
supplex vernacula Christi \ Qua fulgent cirae bis seno nomine
sacrae \ Insuper apsidam, consecrat virginis arae hervor, wo
auf den Altar der Maria und der zwölf Apostel ausdrücklich
hingewiesen wird. Auch das hat Ebert richtig erkannt (1. 1.
S. 590 n.), dass die Prosa und das Gedicht de laud. virginum
ein zusammenhängendes Ganze bilden sollen, und dass von
dem letzteren die Verse mit der Ueberschrift de octo princi-
palibus vitiis nicht getrennt werden dürfen. Aldhelm sagt selbst,
virg. 1750 Purpureusque cruor stiUans de fonte cucurrit, 2277 Purpu-
reugque cruor teuera de carne cucurrit; zu IV, 14 laud. virg. 451 Dum
ci'ucis in patulo suspensum stipite poenas, 11 IG Tune crucis in patulum;
zu VI, 9 laud. virg. 158G Nunc preeihus dominum caeli qui regnat in
circe; zu VII, 19 laud. virg. 1172 Creclidit altitlironum caeli qui sceptra
guhernat; zu VIII, 28 laud. virg. 1138 naturae iura resolvens; aenigm.
octosticha 10, 6 penitus naturae iura resolvam; zu XI, 6 laud. virg. 030
pandems mysteria rerum, 1629 Dicta retexebat pandens mysteria verum;
zu I, 9 laud. virg. 1906 Tristia rorifluis liumectans imbribus ora-
Ausserdem vergleiche zu laud. virg. 1 aen. polystich. 7 mundum clitione
guhernat; zu 157 ib. 1678 A quo processit praesentis machina mundi.
aenigma polystich. 78 Ex quibus ornatur praesentis macliina mundi; zu
206 aen. polystich. 25 Pulclirior auratis dum fulget fibula bullis: zu octo
princ. vitiis 55 aenigma heptast. 19, 3 Unde liorrenda seges duris suc-
crevit aristis. Auch noch anderwärts wiederholt sich Aldhelm oft, uns
kam es nur hier darauf an zu zeigen, dass er ganz gleichmässig ganze
Verse sowohl seiner Prosa als seinen Gedichten einverleibt, ein Ver
fahren, welches später von den karolingischen Dichtern, die ja auch
Aldhelm in weitem Umfange benutzten, sehr häufig nachgealimt worden
ist. — Der Vers Clciviger aetlierius qui portam pandit in aetlira dürfte
zuerst in dem Gedichte de aris b. Mariae gestanden haben, da er dem
Sinne nach in den Zusammenhang besser hierher passt als zu in hon.
apost. 6. wo er, wie die anderen Verse, einfach citirt wird.
Zu Aldhelm und ßaeda.
541
p. 80, 1. 15 quem ad modum intactae Virginitatis gloriam rhe-
toricis relatibus . . nitebar, sic identidem . . heroicis hexametro-
rum versibm eiusdem praeconium pudicitiae subtiliter comere . .
conabor. Dies nimmt der erste Vers der praotatio des Gedichtes
wieder auf: 3Letvica tirones nunc promant carniina castos.
Und über die Zusammengehörigkeit der beiden Gedichte spricht
sich der Autor selbst deutlich aus octo princ. vit. 1—4 und
416—419, und besonders 422 Nunc in fine precor, prosam me-
trumque legentes | Hoc opus ut cuncti rimentur mente benigna.
Wir würden auf diese Weise zur folgenden Chronologie
der bestimmbaren Werke Aldkclms gelangen: zuerst das Ge
dicht De basilica und de aris b. Mariae, dann die Verse in
hon. apostolorum, die Briefe an Hedda und an Geruntius, darauf
die Prosa und das Gedicht über das Lob der Jungfräulichkeit
mit den Versen über den Kampf der Laster, dann der Brief
an Ealifried, 1 dann würde die epist. ad Acircium kommen, da
sich in den Eäthseln Citate aus de laud. virginum finden. Jeden
falls ist dieser Brief das letzte von den erhaltenen grösseren
Werken Aldhelms gewesen, da sich in ihm eine ausserordentliche
Belesenheit offenbart. 2 In die Zeit vor diesem Werke gehört
die p. 279 citirte Schrift de nomine. Vor dem Jahre 705
jedenfalls sind die Briefe II und III (Giles) abgefasst, da sich
Aldhelm darin noch Abt nennt. Die Briefe VI und VII sind
auszuscheiden, desgleichen der Brief auf S. 331, da sie an
Aldhelm gerichtet sind. Von den grösseren Schriften Aldhelms
1 Dieser letztere Brief ist insofern interessant, als man ihn für eine
Jugendarbeit Aldhelms halten könnte, da ganz ausnahmsweise viel
griechische Worte darin Vorkommen und alle Lebensbeschreibungen
Aldhelms darin übereinstimmen (cf. V. Aldh. Giles p. 357 1. 16 sq.
p. 383, 1. 13 sq.; Wriglit 1. 1. p. 210 n.), dass er in seiner Jugend be
sonders viel Fleiss auf die griechische Sprache verwendet habe (cf.
Giles p. 91 pantorum, p. 92 navarcho. ad doxam onomatis kyrii. hagio-
graphae, p. 93 sophiae. extaseos. gazophylacio. trapezitarum, p. 94
didascali). Doch dem steht das Citat aus dem Kampfe der Laster ent
gegen. Es ist möglich, dass jener Eahfrid des Griechischen besonders
mächtig gewesen ist und Aldhelm deshalb viel griechische Floskeln in
den Brief verwebt hat, um dem Empfänger dadurch zu imponiren.
2 Einen Index der benutzten und citirten Autoren giebt Mai 1. 1. p. L1II,
LIV freilich ganz lückenhaft und unvollständig, da er den Quellen
keineswegs nachgegangen ist, sondern nur die Namen der von Aldhelm
genannten aufführt.
542
Man itius.
bleibt mm nur noch der Brief zu betrachten, den Giles p. 101
bis 105 abgedruckt hat und in dessen Anhang sich vier rythmi
sche Gedichte befinden. Der Brief ist die Vorrede zu dem
ersten Gedichte, welches Ebert durchaus mit Unrecht dem
Aldhelm zuschreibt (1. 1. S. 593 f.) Wir besitzen von Aldhelm
selbst ein kurzes Gedicht, welches der Art und Weise jener
gereimten Rythmen durchaus verwandt ist; nämlich in der
Prosa de laudibus virginitatis p. 7, 1. 8 heisst es: ut non in-
convenienter carmine rythmico dici queat:
Christus passus patibulo atque leti (laeti Giles) latibulo
Virginem virgo virgini commendcümt tutamini.
Diese Verse sind, wie ich sehe, bis jetzt unbekannt ge
blieben, jeder der sie mit dem gereimten Rythmen auf p. 105 sq.
vergleicht, wird sich von der Aehnlichkeit überzeugen. Dem
könnte freilich entgegenstehen, dass der Autor jenes einleiten
den Briefes auf p. 104, 1. 37 sagt: Hane itaque ituper metvicae
artis peritiam . . praesulis venerandi Bonifacii sub ma-
gisterio didiceram. Dies scheint doch auf den späteren Bischof
von Ostfranken zu gehen und in den beiden Lebensbeschrei
bungen Aldhelms erfahren wir nichts über einen Lehrer Namens
Bonifacius. Dieser Einwand könnte indess dadurch entkräftet
werden, dass wir diesen Brief keinesfalls in seiner ursprüng
lichen Gestalt besitzen, sondern dass sich wenigstens eine
grössere Interpolation eingeschlichen hat. Es sind dies auf
p. 105, 1. 28—35, die absolut nicht in den Zusammenhang ge
hören. Zeile 28 und 29 enthalten, wie mir Herr Professor
Wülcker auf eine Anfrage gütigst mittheilte, die Wörter, welche
das angelsächsische Runenalphabet wiedergeben sollen, nicht
ohne Abweichungen von der gewöhnlichen Ueberlieferung.
Zeile 30—36 enthalten Alliterationsspielereien, die man Ald
helm recht gut Zutrauen kann, nur müssten sie in anderem
Zusammenhänge stehen. Dagegen rührt das dritte rythmische
Gedicht auf p. 111-—113 sicher nicht von Aldhelm her, da wir
auf p. 112, 1. 32 lesen: Aldelmum nam altissimum cano atque
clarissimum. Sehr leicht ist die Frage mit Heranziehung des
Briefes VII (Giles p. 100 sq.) zu beantworten. Auf p. 101 f.
schreibt nämlich Ethelwald dem Aldhelm, dass er diesem Briefe
drei Gedichte anhänge, deren zweites er dem Winfrid ge-
Zu Aldhelm und Baeda.
543
widmet und welches eine Fahrt über das Meer behandele. Das
dritte widme er ihm selbst. Beide beständen aus gereimten
Achtsilblern. Danach ist Carmen I von Ethelwald, desgleichen III
(cf. vs. 105) und ebenso IV (cf. vs. 8 Ethelwaldi cum vocibus);
dagegen kann II dem Ethelwald wie dem Aldhelm angehören.
Im Obigen habe ich versucht, das Zeitverhältniss der
Werke Aldhelms, soweit es überhaupt noch bestimmbar ist,
festzusetzen. Dabei ergibt sich jedoch noch etwas anderes.
Wir sehen oben, dass Aldhelm in der epistola ad Acircium
und in anderen Prosaschriften seine eigenen Verse citirt und
nur ,de quo poeta‘ oder ähnliches vorhersetzt, ohne sich selbst
als Autor zu nennen. Wenn wir nun aber in jener grossen
Epistel eine ganze Reihe Verse finden, welche keinem uns
bekannten Autor zuzuschreiben sind, so können wir zunächst
mit gutem Rechte die Möglichkeit aussprechen, dass Aldhelm
selbst der Dichter jener Verse gewesen sein kann. Ebenso gut
wie er das Werk de nomine neben seiner Metrik schrieb, kann
er eine Versification von biblischen Büchern neben der metrischen
Bearbeitung de laude virginum vorgenommen haben. Nun hat
L. Müller mit Recht (Rheinisches Museum XXI, 126) die Ansicht
von Giles (praef. VIII, IX) zurückgewiesen, dass die grosse Ver
sification der Genesis, der Exodus und anderer alttestamentlicher
Bücher (Migne patrol. XIX, 345—380 und Pitra, Spicilegium
Solesmense I, 171—258) auf Aldhelm zurückzuführen sei. Sehr
gewagt aber ist die Annahme von L. Müller, dass eine Reihe der
von Aldhelm in seiner Metrik citirten Verse diesem grossen Epos
angehören sollen. Die meisten der von Müller genannten sind
Citate aus Sedulius, und was noch übrig bleibt, sind folgende fünf:
Giles, p. 313 rumpiintur cotibus amnes [Nach Müller, Exodus
17, 5. 6]. Nurn. 20, 9—13.
p. 244 Septuaginta prius truncarat corpora regum. Jud.
1, 7. 9, 5. 18. 24. 56. [Jud. 19],
p. 281 Suspensa nectitdextra palisque reßectens. [Jud. 679J.
Exiliens reicit palos crinemque renodat. Jud. 16, 13.
14. [Jud. 681],
p. 232 Purpureis maior Persarum in sede tyrannis 4 Reg.
25, 284
1 Nur diese Verse kommen in Betracht, da die von Müller (S. 130) an
geführte Stelle Giles p. 310 ut in Basilion cantum (caatum Giles) est:
Inzwischen hat nun R. Peiper über die Bibelversification
eingehender gehandelt und das Verhältniss jener Verse Ald-
helms zu derselben festgestellt (Alcimi Aviti opera, Mon. Herrn,
auct. antiquiss. VI, II p. L1II— LX1II). Dabei hat sich aller
dings ergeben, dass Vers 2. 3. 4 der Vcrsilication sicher an
gehören, dieselben stehen nach einer mir freundlichst gemachten
Mittheilung Jud. 18. 679. 681. Da die Bücher Reges verloren
sind, so ist die zu Vers 5 gehörende Verszahl nicht zu er
mitteln, jedenfalls gehört er zu 4 Reg. 25, 28. Vers 1 aber
findet sich in den Numeri nicht, denn diesen muss er angehören,
da über die aqua contradictionis Num. 20, 9—13 gehandelt
wird; L. Müller wies den Vers irriger Weise zu Exod. 17, 5. 6.
Weder Pitra hat den von Aldhelm citirten Halbvers, noch auch
hat ihn Peiper in den Laudunenses und im Cantabrigiensis
gefunden. Da nun in Itala und Vulgata der Erfolg, den Moses
mit dem Schlage der virga gehabt, ausführlich angegeben wird,
und der Versificus sich sonst ziemlich genau an seine Vorlage
gehalten hat, so ist wohl Peipers Ansicht die richtige, die er
mir freundlichst mittheilte, nämlich dass die Codices der Versi-
fication hier eine Lücke haben und dass Aldhelm einen Halb
vers aus der Lücke bietet. Doch noch einen Vers glaube ich
dem grossen Bibelepos zuweisen zu können; Aldhelm p. 218, 3
nämlich lesen wir, dass ein Job versificatus existirt hat, dessen
Vorhandensein bisher ganz unbekannt war (Job prosapia in
principio libri quod prosa contexitur et deinceps secundum Iie-
braeos dactylo spowdaeoque scandere fertur et septem
lanigerarum pecudum desempta summa narrantur). Hierzu
vergleiche man den Vers p. 288 Lanigerae pecudes et equorum
bellica proles und den Anfang des Buches Job 1, 3 Et fuit
possessio eins septem millia ovium et tria millia camelorum.
Ausserdem findet sich der Ausdruck Lanigeras pecudes beim
Versificus Exod. 1346 (Pitra) vor. Hiermit glaube ich es sehr
wahrscheinlich gemacht zu haben, dass jener Vers dein Job
versificatus entstammt, den ja Aldhelm nach dem obigen Citate
gekannt hat.
quasi vermiculus ligni tenerrimus wörtlich aus der Vulgata stammt, 2 Reg.
23, 8. Die Conjeetur Müllers ,teterrimus‘ wird dadurch natürlich hin
fällig.
Zu Aldhelm und Baeda.
545
So hat sich aus unseren Untersuchungen ergeben, dass
Aldhelm ausser der epist. ad Acircium ein grösseres grammati
sches Werk verfasst hat. Die Schriften in der Ausgabe von
Giles gehören ihm nicht alle an. 1
1 Ausser den schon genannten ist. selbstverständlich das Gedicht de die
iudicii zu streichen, welches Hartei als einen Theil des Gedichtes VI
von Cyprian erkannte. Ich gebe eine neue Collation des Gedichtes
mit Cyprian, da Hartei nur einen Theil der Lesarten gebracht hat.
Fragm. 1 ■= Cypr. VI, 108. Aldli. 1 confingere nota 2 qucie vixerat
ante figuram 8 Ac similemque formae 4 sint omnia dei reddet nam-
que omnia pontus 5 Tellus iussa revomit 6 quae forte rogis dissolvit
flamma sopitis 7 aliqziem vastis absorbuit aequor 8 fame devorarant
viscera 10 rapto de coipore 11 quenquam 12 Apparere 14 sic
jaclis creduntur 15 penitus pressis parescunt mortua IG Inde reo'eatis
17 Et iterum vivis flavescunt 18 Conczirrzmtqzie . . vario 19 cadunt
Herum renovata lucescunt 20 densa nocte 21 Solque cadit itevumque
redit sub lumine caelum 22 Ortns et in Tiitilo fulgebit orbe
peracto deest Cypriano 23 veniente 25 Sic renovata suo phoenix
26 suos volucres consurgit in liortus 28 Atque iterum pomis curvantur
germina rami 29 a voce divina 30 pressis virtidibus aetheris altis
31 fragor ingenitus 33 concurrere ire 35 latae descendens agmina terris
37 Praecipuae virtutis 38 est et nobillima Corpora caelo 39 migrat
in totum 40 Hie 43 mir ata tabent 44 Atqiie inclinata domino
dcscendeve caelo deest Cypriano 45 potenti 47 laetis 48 Viven-
tesque . . . popidos 54 miranda quies hie 55 pulvere terra 58 viven-
tibus adsunt 59 Infaustumque 60 Tune variae; desunt IV versus Cy-
priani 62 Paupere commixtus 63 ingemet 64 morantur 65 eminet
lumine 65 prepotens 69 JJilectisque natibus 72 rutilant premialia
vincla coronis 73 Submissaeque omnes genibus . . . adorant 74 Solusque
agius; desunt VIII vei'sus Cypriani 75. 76. ordine permzdantur 75 atque
immutabile 76 clara lucet spirat salubrior 7S sedis 79 Semper victura
futura 80 Lucet et aspirans vitali flamine 81 Omniferaeque praedi-
vite ... 82 vibratis 83 Hie rosei nivea semina ruris 84 Aut. . flori-
bus aura 85 Nescia suavescat palclirior alga 86 aetheris aspirat
mollior aura 87 specie aut 88 Nunquam 90 Nec notata rubet mox
ut 91 sic esi Tyrio concocta rubore. 94 micantia 96 viridis laetum
gratum conflagrat amoenum 97 ingenti radiatum 98 desunt XXV versus
Cypriani 99 ubi defendit tetra 100 insidiaefque metus] pxdsaeque
a limine curae 101 Hie extremis oris 102 Hicque labo veritus
fines liabitare beatos 103 Illic 105 laxatur in; deest unus versus Cy
priani 106 Hic quicunque bonus . . . bonique colonus 107 mente trement
(Cyprianus: tonantem; coniectura a Carolo Sittl (Archiv für lateinische
Lexicograpliie, herausgegeben von Ed. Woelfflin I, S. 491 n.) facta
(lege tremiscens) eo reprobatur 108 Atque 109. 110 ordine permutantur
109 amicum 111 Atque laboranti quisquam subvenit amico 112 soli-
Mani t ius.
546
III. Die Benutzung früherer Dichter hei Aldheiiu.
Dem Beispiele früherer Grammatiker, zu den metrischen
Kegeln passende Verse zu geben, ist Aldhelm treu gefolgt, nur
mit dem Unterschiede, dass er seine Verse fast aus der ganzen
römischen und christlichen Dichtkunst entnimmt. Das beruht
einerseits auf seiner bedeutenden Belesenheit, andererseits aber
muss ihm eine sehr reichhaltige Bibliothek in Malmesbury zu
Gebote gestanden haben. Denn wenn auch manches Citat auf
das Gedächtniss zurückgeführt werden kann, wie z. B. eine
ganze Anzahl von Bibelstellen, so beruht doch bei weitem der
grösste Theil seiner Citate auf directem Abschreiben und auf
sorgfältigem Studium der früheren Literatur. Doch nicht blos
seiner Prosa hat Aldhelm eine grosse Anzahl von Versen ein
verwebt, sondern auch seine Gedichte zeugen sämmtlich von
fleisäiger Benutzung besonders des Vergil und des Sedulius.
Es soll nun im Folgenden der Versuch gemacht werden, alle
auffindbaren Citate Aldhelms nach den einzelnen Dichtern ge
ordnet zusammenzustellen. Dabei sei zunächst abgesehen von
dem Excurse über die Thierstimmen und von denjenigen Dichter
stellen, welche für die ßäthsel als sachliche Quellen in Betracht
kommen; über beides wird in besonderen Abschnitten einzeln
gehandelt werden.
tusve fovere 114 Hospitibusque suae tribuit qui munera; deest unus versus
Cypriani 115 noeuit et non 118 prae gaudia 121 iustos potius in
aeterno, dona premisit 123 J$t gemitus 125 infantia tela tremescunt
127 penitendo 129 quoties 130 quoties 133 quoties. . serenas 134 foe-
cundae dabant munera 135 habunde 136 praebuerat 138 Guncta dei
defuit unquam 139 genus scivit 140 deum metuit 141 siccis pressus
refluxit arenis. An die Epistel N. VI (Giles, p. 98 sq.) hat sich ein Ge
dicht angeschlossen, welches sich auch in Claudian-Handscliriften vor
findet und von Jeep (Claud. carm. II, 200) mit dem Titel De salvatore
(Carmen Paschale) herausgegeben wurde. Die handschriftliche Ueber-
lieferung stimmt mit keinem der von Jeep gegebenen Texte; ich gebe
hier die Lesarten: 4 tu (9 V AL Vj C) 7 quemque (Vj cp) utero (AL)
8 tumuei'e (A cp G V L Y 1 C) 17 surriperes (cp V A C) 19 repetens lae-
tum tellure (cpGVALVjC). Am meisten findet sich noch Ueberein-
stimmung mit A. Uebrigens sind mit Vers 7 ff. zu vergleichen Sedul.
C. Pasch. II, 38 Sidei'eum mox implet onus rerumque creator \ Nascendi
sub lege fuit. Stupet innuba tensos | Virgo sinus gaudetque suum paritura
parentem.
Zu Aldhelm und Baeda.
547
1. Vergilius.
Die Benutzung Vergils bei Aldhelm ist eine sehr weit
ausgedehnte, beinahe gleichmässig stark in Prosa und Poesie.
Wir treffen halbe und ganze Verse in grosser Menge, einmal
sogar eine ganze Anzahl von Versen. Ribbeck hat für seine
Vergilausgabe die epist. ad Acircium allein benutzt, aber auch
hier nur den kleineren Theil der citirten Verse angemerkt,
meist nur solche, die Aldhelm als aus Vergil genommen aus
drücklich anführt. Der Unterscheidung wegen habe ich hinter
dem Wortlaute dieser Verse ein R angemerkt; etwaige mit Ald
helm übereinstimmende Lesarten sind nach Ribbecks Airsgabe
angegeben; A bedeutet aus Audax herübergenommene Verse.
epist. ad Acircium, p. 226. Aen. I, 744. III, 516 Arcturum plu-
viasque Hyadcis 1 geminosque Triones; cf. Isid. origg. 111,69,
G- (ed. du Breul, Colon. 1617).
ib. Ecl. IV, 46 Talia saecla suis dixerunt currite fusis etc. R.
ib. Aen. VI, 646 septem discrimina vocum R.
p. 227. Aen. I, 374 Ante diem clauso componet vesper Olympo R.
ib. Ecl. I, 61 Ante pererratis amborum finibus exul etc. R.
p. 232. Aen. XI, 1 Oceanum interea surgens Aurora reliquit R.
ib. Aen. VII, 123 Nunc repeto Anchises fatorum arcana reliquit.
p. 234. Aen. VII, 634 Aut leves ocreas lento ducunt argento;
cf. p. 242, 1. 17 A.
p. 235. Aen. VI, 128 Set (Hybc) revocare gradum superasqne
evadere ad auras.
ib. Aen. VII, 59 Laurus erat medio tecti in penetralibus altis.
ib. Georg. IV, 167 Aut onera accipiunt venientum aut agmine
facto A.
ib. Aen. XI, 537 Cara mihi ante alias neque enim novos iste
Dianae A.
p. 238. Georg. II, 176 Ascraeumque cano Romana per oppida
carmen R.
p. 239. Ecl. VI, 13 Pergite Pierides Chromis et Mnasyllus
in antro.
p. 241. Aen. IX, 503 At tuba terribilem sonitum procul aere canoro.
1 Fett gedrucktes bezeichnet Abweichung von der geltenden Lesart. —
Diese Stelle ist im Zusammenhänge aus Isidor genommen; siehe über
diesen weiter unten.
548
M a n i tius.
ib. Georg. III, 449 Et spumas miscent argenti vivaque sulpura
(über sulphura viva cf. Aiidax, Keil G. L. VII, 339) A. R.
ib. Aen. VI, 33 Bis patriae cecidere mamcs. quinprotinus omnia A.
ib.Aen. IV,47 Quam tuurbem soror hanccernesquaesurgereregnall.
ib. Aen. I, 262 Longius et volvens fatorum arcana movebo.
ib. Ecl. IX, 51 Omnia fers aetas. ib. X, 69 Omnia vincit amor A.
p. 242. Aen. IX, 146 Sic (coni. Ribb.) vos o lecti (electi m)
ferro qui scindere vallum; lege ap. Aldh.: Sed vos electi.
ib. Aen. IX, 226 Ductores Teucrum primi et (et omis. liyb)
delecta (dilecta C1) iuventus.
ib. Aen. IX, 93 Filius huic contra torquet qui sidera mundi.
ib. Aen. V, 721 Et nox atra polum bigis subvecta tenebat.
ib. Aen. IX, 419 Stridens traiectoque haesit tepefacta cerebro.
ib. Aen. I, 587 Scindit se nubes et in aetliera purgat apertum.
ib. Aen. II, 111 Interclusit Jtiemps et terruit auster euntis
(euntes b).
p. 243. Aen. III, 599 Cum fletu precibusque tulit per sidera testor.
ib. Aen. V, 738 Jamque vale, torquet medios nox umida cursus.
ib. Aen. IX, 256 Ascanius meriti tanti non inmemor (immemor
PBb) umquam.
ib. Aen. X, 54 Carthago premat Ausoniam nihil urbibus inde.
ib. Aen. X, 462 Cernat semineci sibi me rapere arma cruenta etc.
ib. Aen. III, 664 Dentibus infrendensgemitugraditurque per aequor.
ib.Aen. III, 550 Graiugenumque domos suspectaque linquimus arva.
ib. Aen. V, 712 Hunc cape consiliis socium et coniunge volentem.
ib. Aen. V, 673 Ascanius galeam ante pedes proiecit inanem.
ib. Aen. III, 666 Nos procul inde fugam trepidi celevare recepto.
ib. Aen. X, 1 Panditur interea domus omnipotentis Olympi.
ib. Aen. XII, 906 Tum lapis ipse viri vacuum per inane volutus.
ib. Georg. III, 201 Ille volat simul arva fuga simul aequora verrens.
ib. Aen. IX, 616 Et tunicae manicas et habent redimicida mitrae R.
p. 244. Aen. XI, 75 Fecerat et tenui telas discreverat auro R.
ib. Aen. IX, 758 Rumpere claustra manu sociosque imnitteve
portis.
ib. Aen. II, 3 Infandum regina iubes renovare dolorem A.
p. 245. Aen. IV, 1 At regina gravi iam dudum saucia cura R.
ib. Aen. IV, 2 Volnus alit venis et caeco carpitur igni R.
ib. Ecl. VI, 66 Utqae viro Plioebichorus adsurrexerit omnis A. R.
ib. Ecl. I, 62 Aut Ararim Parthus bibet aut Germania Tigrim A.R.
Zu Aldhelra und Baeda.
549
p. 246. Aen. I, 2 Italiam fato profugns.
p. 247. Aen. I, 8 Musa mihi causas memora..
ib. Ecl. I, 8 Nos patriae fines et dulcia linquimus arva.
ib. Ecl. I, 8 Saepe teuer nostris ah ovilibus imbuet agnus.
aenigm. tetrast. 4, 4. Georg. II, 478 solis varios lunaeque labores.
5, 3. Aen. VIII, 429 nnbis aquosae.
7, 2. Aen. XII, 677 Quo deus et quo dura vocat fortuna sequamur.
18, 2. Aen. II, 780 maris aeqvor arandum.
3. Aen. XI, 272 petierunt aethera pennis; cf. hexast. 7, 3.
pentast. 1, 1. Aen. III, 693 novien dixere priores.
5, 2. Ecl. X, 51 Carmina pastoris Siculi modulabor avena.
7, 5. Aen. II, 682 summo de vertice.
9, 2. Culex 373 a lumine Phoebi; cf. octost. 2, 8.
5. Aen. VI, 779 stant vertice cristae.
liexast. 2, 4. Aen. VI, 579 ad aetlierium caeli suspectus Olympum.
4. 4. Aen. I, 296 horridns ore cruento.
10, 5. Aen. IV, 451 caeli convexa tueri.
heptast. 3, 2. Georg. I, 397 lanae per caeluin vellera ferri.
5. Aen. VI, 647 pectine pulsat eburno.
4, 2. Aen. III, 304 viridi quem caespite.
8, 2. Aen. I, 239 fatis contraria fata.
9, 4. Aen. V, 629 et volvimur undis
10, 6. Aen. X, 746 clauduntur Lumina noctem.
11, 3. Aen. I, 118 nantes in gurgite vasto.
12, 5. Aen. XI, 337 Obliqua invidia stimulisque agitabat amaris.
19, 1. Aen. I, 546 si vescitur aura | Aetheria.
octost. 2, 1. Aen. V, 255 rapuit Jovis armiger.
3. Aen. V, 119 pubes quam Dardana.
5, Georg. I, 375 Aeriae fugere grues. 1
7. Georg. IV, 18 At liquidi fontes.
4, 3. Aen. V, 150 pulsati colles clamore resultant.
6, 6. Aen. VII, 164 aut lenta lacertis \ Spicula contorquent.
10, 6. Aen. IV, 27 aut tua iura resolvo.
enneast. 1, 5. Georg. IV, 162 spem gentis adultos \ Educunt, fetus.
Ecl. I, 21 teneros depellere fetus.
1 Für arsantesque (Giles) ist wohl aeriasque zu schreiben, da arsare unter
der Aufzählung der verschiedenen Stimmen des Kranichs (Giles, p. 303)
nicht vorkommt.
550
Man i t ius.
2, 6. Aen. X, 265 atque aethera tranant.
3, 6. Aen. III, 644 et altis montibus errant.
8. Aen. VI, 369 Stygiamque innare paludem.
4, 2. Aen. VI, 525 et limina pandit.
5, 6. Aen. X, 559 aut gurgite mersum.
6, 4. Aen. IV, 402 farris acervum | Cum populant.
6. Georg. II, 471 ac lustra ferarum.
8. Aen. XI, 535 graditur bellum ad crudele.
8, 1. Georg. I, 212 Nec non et Uni segetem.
7. Aen. V, 208 Ferratasque trudes et acuta cuspide contos | Ex-
pediunt.
10, 6. Georg. II, 13 Populus et glauca canentia fronde salicta.
decast. 2, 2. Ecl. X, 36 aut maturae vinitov uvae.
4, 7. Aen. VII, 213 nec fluctibus actos.
9. Aen. IX, 470 et turribus altis.
liendecast. 2, 8. Aen. VII, 165 Spicula contorquent.
3, 5. Aen. II, 779 superi regnator Olynipi.
8. Georg. IV, 136 cursus frenavet aquarum.
dodecast. 11. Aen. XII, 536 telumque aurata ad tempora torquet.
12. Aen. VII, 341 Gorgoneis Allecto infecta venenis.
triscaidecast. 12. Aen. VI, 580 Titania pubes.
13. Aen. V, 237 salsos | Proiciam in fluctus.
pentecaidecast. 8. Culex 414 vitae pro munere reddit.
9. Culex 408 cui gloria formae.
lieccaidecast. 1. Culex 70 Florida cum tellus.
7. Aen. IV, 6 Phoebea lustrabat lampade terras.
8. Aen. I, 67 Gens inimica mihi.
11. Aen. IV, 179 Coeo Enceladoque sororem.
12 sq. Aen. IV, 181 Monstrum horrendum ingens cui quot sunt
corporeplumae \ Tot vigiles oculi supter (subter ybc) mirabile
dictu | Tot linguae totidem ora sonant tot subrigit auris (aures
c). | Nocte volat caeli medio terraeque per umbram (umbras
b). 177 Ingrediturque solo et caput inter nuhila condit.
polystich. 6. Aen. IV, 185 declinat lumina somno.
25. Aen. XII, 942 notis fulserunt cingula bullis.
26. Ecl. VII, 42 Horridior rusco proiecta vilior alga.
29. Georg. II, 376 Frigora nec tantum cana concreta pruina.
30. Aen. VI, 550 flammis ambit torrentibus amnis.
43. Georg. II, 396 in veribus torrebimus exta.
Zu Aldhelm und Baeda.
551
51.. Aen. III, 256 Quam vos dira fames.
55. Aen. VI, 734 clausae tenebris et carcere caeco.
p. 275. Georg. III, 425 Ule malus Calabris in saltibus anguis.
ib. Ecl. VIII, 41 ut me malus abstidit error.
ib. Aen. V, 511 Quis innexa pedem malo pendebat ab alto R.
ib. Georg. II, 70 Et steriles platani malos gessere valentes.
p. 276. Georg. I, 43 canis cum montibus umor (liumor c) \ Liqui-
tur et zepliyro putris se glaeba (gleba y c) resolvit.
p. 277. Aen. II, 790 et tnulta volentem \ Dicere deseruit.
ib. Georg. II, 176 Ascraeumque cano Romana per oppida carmen R.
p. 278. Georg. III, 231 et carice pastus acuta.
p. 281. Aen. VI, 413 gemuit sub pondere cumba (cymba yc) |
Sutilis etc. R.
p. 282. Georg. I, 431 vento semper rubef aurea Phoebe. R.
p. 283. Georg. II, 31 Truditur e sicco radix oleagina ligno R.
p. 287. Aen. V, 344 pulcliro (pulcro c) veniens in corpore virtus.
ib. Georg. I, 335 Hoc metuens caeli menses et sidera serva.
p. 288. Ecl. VII, 61 Popidus Alcidae gratissima vitis Jaccho.
ib. Georg. IV, 511 Qualis popidea maerens pliilomela sub urnbra.
ib. Georg. IV, 5 Mores et studia et popidos et proelia dicam.
p. 289. Aen. I, 67 Gens inimica mihi Tyrrhenum navigat aequor.
ib. Georg. III, 256 Et pede prosubigit, terram fricat arbore cost.as.
ib. Georg. II, 13 et glauca canentia fronde salicta.
p. 291. Georg. IV, 194 saepe lapillos \ Ut cumbae (cymbae eh)
instabiles flucfu iactante saburram \ Tollunt.
ib. Aen. VIII, 94 nodemque diemque fatigant.
ib. Aen. II, 118 Sanguine quaerendi reditus animaque litandum R.
p. 292. Aen. III, 26 Horrendum et dictu video mirabile rnonsinum.
p. 293. Aen. II, 747 Teucrosque penatis (penates y 2 b c) \ Com-
mendo sociis.
p. 294. Aen. VII, 632 salignas | Umbonum cratis (crates Hy b c).
ib. Aen. IV, 301 qualis commotis exc.ita sacris \ Thyias ubi
audito etc.
ib. Aen. VI, 517 lila chorum simulans euhantis (euantis c) orgia.
ib. Aen. IV, 303 nocturnusque vocat clamore Cithaeron.
ib. Aen. VII, 26 Aurora in variis (in roseis yb) fulgebat lutea
bigis.
p. 295. Aen. I, 468 cristatus Achilles.
p. 296. Georg. I, 46 et sulco attritus splendescere vomer.
552
Manitins.
ih. Aen. III, 452 Inconmlti abeunt sedemque ödere Sibyllae.
p. 297. Georg. I, 399 non ore solutos \ Immundi meminere sues etc.
p. 299. Ecl. VI, 54 Idee sttb nigra pallentis (pallentes y bl) ru-
minat herbas (herbis li).
p. 301. Georg. I, 112 Luxuriem segetum tenera depascit in herba.
p. 305. Aen. III, 621 Nec visu facilis nec dicht affabilis (effa-
bilis ab c) ulli R.
ib. Aen. VI, 75 rapidis ludibria ventis R.
ib. Georg. II, 381 ineunt proscaenia (proscenia ybc) ludi R.
ib. Aen. III, 384 Ante et Trinacria, lentandus remtts in unda R.
p. 306. Georg. II, 121 Vetleraque ut, foliis depectant tenuia
Seres R.
ib. Aen. VI, 120 fretus cithara ßdibusque canoris.
p. 307. Aen. II, 492 labat ariete crebro.
ib. Georg. II, 121 depectant tenuia Seres.
ib. Aen. V, 432. XII, 905 Genua labant.
ib. Ecl. VII, 31 tota | Puniceo stabis suras evincta coturno R.
ib. Aen. VII, 341 Exim (exin y2bc) Gorgoneis Aüecto infecta
venenis R.
p. 308. Aen. I, 1 Arma virumque cano.
ib. Georg. 111, 345 Armaque Amyclaeumque canem Cressamque
pharetram.
p. 309. Aen. VIII, 596 Quadrupedante putrem sonitu quatit un-
gula campum.
p. 310. Aen. II, 513 veterrima laurus; 715 Religione patrum
multos servata per annos.
p. 311. Georg. I, 212 Cereale papaver \ Tempus humo tegere.
p. 312. Ecl. I, 65 rapidum Cretae veniemus Oaxen. R.
ib. Georg. IV, 102 et durum Bacchi domitura saporem.
p. 316. Ecl. III, 103 quis tenerös oculus mihi fascinat agnos.
p. 318. Aen. IX, 580 Spiramenta animae letali volnere (vulnere
übe) rupit R.
p. 319. Georg. IV, 203 Saepe etiam duris errcindo in cotibus
alas | Attrivere. R.
p. 320. Aen. X, 115 Adnuit et totum nutu tremefecit Olympum.
ib. Aen. X, 333 Suggere tela mihi.
ib. Aen. X, 689 Mezentius ardens \ Succedit pugnae R.
p. 321. Aen. I, 95 Troiae sub moenibus altis \ Contigit oppetere R.
ib. Aen. X, 389 thalamos nusum incestare novercae. R.
Zu Aldlielra und Baeda.
553
ib. Aen. IX, 535 Princeps ardenteni coniecit lampada Turnus R.
ib. Aen. II, 1 Conticuere omnes intentique ora tenebant.
p. 322. Georg. II, 77 udoque docent inolescere libro R.
p. 323. Georg. II, 134 et olentia Medi \ Ora fovent. R.
ib. Aen. X, 399 Tum Pallas biiugis fugientem Rhoetea praeter \
Traicit R.
ib. Aen. X, 264 Sub nubibus atris \ Strymoniae dant signa
grues etc. R.
ib. Aen. X, 908 Undantique animam diffundit in arva cruore.
p. 324. Aen. I, 211 Tergora deripiunt costis.
p. 325. Aen. I, 1 Arma virumque cano Troiae qui primus ab oris.
ib. Aen. VIII, 83 viridique in litore conspicitur sus.
p. 327. Georg. III, 10—12 Primus ego in patriam mecum modo
vita supersit etc.
ib. Georg. III, 292 iuvat ire iugis qua nulla priorum | Castaliam
molli devertitur ovbita clivo.
de basilica aedif. (Giles VIII) 5. Aen. VII, 600 rerumque
reliquit kabenas. cf. laud. virg. 2102.
25. Aen. IX, 783 undique saeptus | Aggeribus.
42. Aen. V, 58 cuncti celebremus honorem.
43. Ecl. X, 51 Carmina pastoris Siculi modulabor.
53. Aen. I, 505 media e testudine templi; cf. de aris b. M. VII, 2.
65. Aen. V, 54 strueremque suis altaria donis.
66. Aen. I, 637 At domus interior regali splendida luxu.
73. Aen. IV, 482 Axem liumero torquet stellis ardentibus aptum.
81. Georg. I, 57 molles sua tura Sabaei.
de aris b. Mariae I, 9. Aen. XI, 90 guttisque uniectat gran-
dibus ora. Stati Tbeb. IV, 591 umectant imbribus ora.
III, 8. Georg. IV, 3 levium spectacula rerum; cf. laud. virg. 655.
34. Aen. VI, 232 ingenti mole sepulcrum.
IV, 9. Aen. I, 142 Sic ait et dicto citius. Georg. TV, 548 matris
praecepta facessit.
V, 8. Aen. V, 851 deceptus fraude sereni; cf. IX, 13.
12. Aen. X, 386 crudeli morte sodalis.
VI, 1. Georg. II, 429 Nec minus interea.
5. Aen. III, 208 et caerula verrunt; VI, 320 remis vada livida
verrunt.
VII, 8. Aen. II, 40 magna comitante caterva; cf. VIII, 20.
21. Aen. VI, 579 ad aetherium caeli suspectus Olympum.
Sitzungsber. d. pMl.-Mst. CI. CXH. Bd. II. Hft. 36
554
M a n i ti u s.
23. Aen. XI, 8 rorantis sanguine cristas. XII, 304 rigido latus
ense ferit.
24. Aen. IV, 24 vel tellus opteni prius ima dehiscat; cf. laud.
virg. 1247.
VIII, 16. Aen. X, 324 prima lanugine vialas.
18. Aen. XI, 849 Morte luet merita.
21. Aen. IV, 234 Romanas invidet arces.
23. Aen. III, 256 Quam vos dira. fames.
26. Aen. I, 212 veribusque trementia figunt.
28. Aen. IV, 27 aut taa iura resolvo.
29. Aen. II, 204 Horresco referens. VI, 429 et funere mersit acerbo.
35. Aen. II, 333 fern acies mucrone corusco.
IX, 18. Aen. II, 523 haec ara tuebitur omnis; cf. X, 14.
X, 7. Aen. IV, 248 cui nubibus atris.
XI, 11. Aen. VI, 674 et prata recentia rivis.
in honor apost. 3. Georg. I, 5 clarissima mundi \ Lumina.
8. Aen. IX, 624 per vota precatus.
17. Aen. VIII, 274 pocula porgite dextris.
de laud. virginitatis (Giles) p. 2 1. 8, Aen. 11,779 superi regna-
tor Olympi.
ib. 1. 19. Georg. I, 244 flexu sinuoso elabitur.
ib. 1. 22. Aen. XI, 858 sagittam \ Deprompsit pliaretra.
ib. 1. 35. Aen. VIII, 596 Qnadrupedante putrem sonitu quatit
ungula campum.
p. 4 1. 2. Aen. XII, 589 per cerea castra.
p. 5 1. 27. Aen. IV, 350 fas extera quaerere regna.
p. 10 1. 16. Aen. IX, 251 lacrimis atque ora rigabat.
p. 11 1. 29. Aen. VII, 338 Mille nocendi artes; cf. p. 30 1. 36.
p. 12 1. 8. Georg. IV, 85 versa fuga victor dare terga subegit.
ib. 1. 15. Aen. III, 234 tune arma capessant.
p. 13 1. 19. Aen. IX, 580 letali volnere rupit.
p. 23 1. 15. Ecl. VIII, 78 vincula necto.
p. 30 1. 24. Aen. X, 880 nee divom parcimus ulli.
ib. 1. 25. Georg. III, 68 durae rapit inclementia mortis.
p. 34 1. 10. Aen. III, 620 di talem ter ris avertite pestem.
p. 35 1. 20. Aen. IX, 641 Made nova virtute puer.
p. 38 1. 22. Georg. I, 473 Flammarnmque globos; cf. p. 48 1. 37.
p. 55 1. 21.
p. 49 1. 6. Aen. X, 648 spem turbidus hausit inanem.
Zu Aldhelm und Baeda.
555
p. 51 1. 20. Aen. VI, 647 pectine pulsat eburno.
p. 59 1. 18. Aen. XI, 337 stimulisque agitabat amaris.
p. 60 1. 30. Aen. XI, 166 si inmatura manebat \ Mors.
p. 66 1. 11. Aen. IV, 2 et caeco carpitnr igni.
ib. 1. 12. Georg. I, 247 aut intempesta silet nox.
ib. 1. 29. Georg. IV, 34 lento fuerint alvaria vimine texta,
ib. 1. 36. Georg. III, 439 Unguis micat ore trisulcis.
p. 69 1. 12. Georg. IV, 408 Squcimosusque draco.
ib. 1. 34. Aen. V, 291 rapido contendere cursu.
p. 70 1.20. Ecl.VIII,71 Frigidus in prcitis cantando rumpitur anguis.
p. 72 1. 26. Georg. IV, 285 altius omnem \ Expediam prima re-
petens ab origine.
p. 75 1. 22. Ecl. IV, 42 Nec varios discet mentiri lana colores |
Ipse sed in pratis aries iam suave rubenti \ Murice iam
croceo mutabit (mutavit Isid. libri) vellera luto | Sponte
sua sandyx (sandix c) pascentis (pascentes c) vestiet agnos.
p. 76'1.5. Aen. IX, 614 Vobis picta croco et fulgenti murice
vestis. 616 Et tunicae manicas et liabent redimicula mitrae.
ad Eabfrid. p. 91 1. 18. Georg. III, 439 Unguis micat ore trisulcis.
p. 107 vs. 104. Aen. VIII, 689 ac totum spumare . . | . aequor.
de liiud. virginum 1. Aen. X, 668 Omnipotens genitor.
4. Aen. XII, 413 et flore comantem | Purpureo.
8. Ecl. X, 42 Hic gelidi fontes.
21. Aen. III, 693 nomen dixere priores; cf. 1925.
30. Aen. VII, 641 Pandite nunc Helicona deae cantusque movete.
35. Georg. II, 325 Tum pater omnipotens.
55. Aen. III, 102 veterum volvens monimenta (monumenta b) viro-
rum; cf. 231, 322, 391.
72. Aen. VIII, 449 ventosis follibus auras.
108. Aen. II, 779 superi regnator Olympi; cf. 1196, 1367.
125. Aen. IV, 59 cui vincla iugalia curae.
180. Aen. IV, 6 Phoebea lustrabat lampade terras.
222. Georg. III, 431 ingluviem ranisque loquacibus explet.
249. Aen. I, 379 fama super aethera notus.
260. Georg. I, 107 morientibus aestuat herbis.
272. Aen. XI, 532 superis in sedibus Opim.
275. Aen. X, 146 duri certamina belli.
340. Georg. III, 480 Et genus . . omne ferarum.
346. Aen. IX, 393 dumisq ue silentibus errat.
36*
556 Manitius.
454. Aen. VI, 404 imas Erebi descendit ad umbras.
571. Aen. XII, 167 flagrans clipeo et caelestibus armis.
617. Aen. II, 384 et formidine captos.
627. 8. Aen. VIII, 369 Nox ruit etfuscis tellurem amplectitur alis.
629. Georg. IV, 190 fessosque sopor suus occupat artus; cf. 2230.
702. Aen. XI, 8 rorantes sanguine cristas; cf. 1312.
711. Aen. I, 379 fama super aethera notus; cf. 773.
718. Aen. IV, 304 liis Aenean compellat vocibus ultro.
775. Aen. VT, 164 quo non praestantior alter; cf. 2065.
816. Aen. II, 450 lias servant agmine denso.
819. Aen. VIII, 376 Non ullum auxilium miseris.
821. Aen. I, 105 cumulo praeruptus aquae mons.
881. Georg. III, 495 animas plena ad praesepia reddunt.
916. Ecl. V, 68 pinguis olivi; cf. 1615, 1822.
918. Georg. IV, 441 in miracula rerum; cf. 1405.
923. Aen. VI, 430 falso damnati crimine.
928. Aen. I, 176 rapuitque in fomite flammam; cf. 2324.
958. Aen. X, 746 clauduntur lumina noctem.
970. Georg. II, 429 Nec minus interea; cf. 2120.
1045. Aen. I, 471 vastabat caede cruentus; cf. 1311, 2354.
1072. Aen. IV, 119 Extulerit Titan radiisque retexerit orbem.
1085. Aen. IV, 619 aut optata luce fruatur.
1104. Aen. VII, 341 Gorgoneis Allecto infecta venenis; cf. 1327,
1544, 1810.
1109. Aen. XI, 624 procurrens gurgite pontus.
■ 1131. Aen. IV, 359 vocemque bis auribus bausi; cf. 1276.
1138. Aen. IV, 27 aut tua iura resolvo.
1170. Aen. I, 239 fatis contraria fata repmdens.
1223. Aen. VI, 579 ad aetlierium caeli suspectus Olympum.
1254. Aen. II, 449 alii strictis mucronibus.
1266. Aen. II, 689 precibus si ßecteris ullis.
1274. Aen. I, 680 Hunc ego sopitum somno.
1285. Aen. IX, 45 et praecepta facessunt.
1287. Aen. I, 655 gemmis auroque coronam.
1293. Aen. VIII, 412 castum ut servare cubile.
1306. Ecl. V, 56 miratur Urnen Olympi.
1312. Aen. IX, 456 spumanti sanguine rivos.
1315. Aen. IV, 405 Convectant calle angusto.
1337. Aen. VIII, 77 fluvius regnator aquarum.
Zu Aldhelin und Baedu.
557
1348. Aen. VIII, 414 Haut secits ignipotens.
1362. Acn. VH, 26 Aurora in variis fulgebat lutea bigis.
1382. Ecl. X, 26 Pan deus Arcadiae.
1382. 3. Georg. II, 396 Pinguiaque in veribus torrebimus exta;
octo princ. vit. 278.
1428. Aen. II, 758 Ilicet ignis edax.
1484. Aen. XI, 823 nunc volnus acerbum | Conficit.
1527. Aen. VI, 255 primi sub lumina solis; cf. 1688.
1536. Acn. X, 216 medium pulsabat Olympum.
1546. Aen. I, 497 magna iuvenum stipante caterva; cf. 2075.
1548. Aen. IX, 124 et amnis \ Rauca sonans.
1551. Aen. X, 146 duri certamina belli.
1572. Georg. IV, 3 levium spectacula verum,.
1649. Aen. X, 122 rara muros cinxere corona.
1668. Aen. V, 79 Purpureosque iacit flores.
1669. Aen. VIII, 230 Dentibus infrendens.
1720. Aen. V, 708 bis Aenean solatus vocibus infit.
1726. Aen. VII, 496 laudis succensus amore; cf. 1845.
1772. Aen. VI, 678 dehinc summa cacumina linguunt.
1773. Georg. IV, 555 liquefacta boum per viscera.
1789. Aen. IX, 445 placidaque ibi demum inorte quievit.
1828. Aen. X, 520 rogi perfundat sanguine flammas.
1840. Aen. II, 535 pro talibus ausis.
1866. 7. Aen. VII, 338 Mille nocendi artes.
1889. Aen. VII, 57 miro properabat amore; cf. 2061.
1917. Aen. XI, 337 stimulisque agitabat amaris.
1935. Georg. I, 139 captare feras et fallere visco.
1956. Aen. II, 40. 370 magna comitante caterva.
1957. Aen. VII, 165 Spicula contorquent; octo princ. vit. 12.
1961. Ecl. V, 20 Extinctum . . crudeli funere.
1978. Aen. XI, 583 et virginitatis amorem.
1989. Aen. V, 4 quae tantum accendent ignem.
2010. Aen. I, 344 magno miserae dilectus amore; cf. 2061.
2035. Aen. II, 689 precibus si fiecteris ullis.
2042. Aen. XII, 445 tremit excita tellus.
2045. Georg. II, 391 Complentur vallesque cavae.
2080. Aen. II, 369 et plurima mortis imago.
2113. Aen. IV, 191 Troiano sanguine cretum.
2169. Aen. II, 470 telis et luce coruscus aena; octo princ. vit. 299.
558
M a n i t i u s.
2222. Aen. VI, 734 et carcere caeco.
2233. Aen. IV, 54 anivium flammavit amore.
2249. Aen. IX, 551 densa venantum saepta corona.
2250. Aen. VI, 137 et lento vimine ramus.
2266. Aen. X, 386 crudeli morte sodalis.
2305. Georg. III, 208 Verbera lenta pati.
2337. Aen. IV, 398 natat uncta carina.
2372. Aen. IX, 415 et longis singultibus ilia pulsat.
2418. Aen. II, 449 alii strictis mucronibus.
2429. Aen. VI, 48 sed pectus anhelum.
2444. Aen. IX, 641 Macte nova virtute puer.
octo princ. vit. 6. Aen. II, 752 obscuraque limina portae.
15. Aen. VIII, 2 rauco strepuerunt cornna cantu.
18. cf. Aen. VII, 188 laevaque ancile gerebat.
29. Aen. II, 561 crudeli volnere vidi.
37. Aen. X, 559 aut gurgite mersum.
41. Aen. XI, 155 primo certamine posset.
107. Aen. IV, 243 sub tristia Tartara mittit.
115. Aen. X, 543 Volcani stirpe creatus; cf. 286.
140. Aen. IV, 169 primusque malorum \ Causa fuit.
162. Aen. XII, 116 magnae sub moenibus urbis.
167. Aen. II, 749 et cingor fulgentibus armis.
191. 2. Aen. VII, 341 Gorgoneis Allecto infecta venenis, 447 tot
erinys sibilat hydris.
214. Aen. IX, 580 letati volnere rupit.
233. Aen. II, 409 et densis incurrimus armis.
238. Aen. III, 246 rumpitque baue pectore vocem.
243. Culex 414 vitae pro munere reddit.
248. Georg. III, 66 miseris mortalibus aevi.
250. Aen. XI, 49 spe midtum captus inani.
262. Aen. VII, 292 Tum quassans caput; IV, 248 cui nubibus
atris | Piniferum caput.
266. Georg. II, 14 posito surgunt de semine.
267. Aen. V, 747 cari praecepta parentis \ Edocet.
288. Georg. II, 307 perque alta cacumina regnat.
294. Aen. I, 657 nova pectore versat | Consilia; cf. 324.
297. Aen. VI, 134 bis nigra videre \ Tartara.
300. Aen. XI, 532 superis in sedibus Opim.
322. Georg. I, 495 inveniet scabra robigine pila.
Zu Aldhelm und Bacda.
559
335. Georg. III, 297 stipula felicumque maniplis.
423. Aen. I, 304 mentemque benignam.
436. Aen. II, 450 has servant agmine denso.
441. Aen. III, 102 velerum volvens monumenta virovum.
Wir ersehen hieraus, dass die Benutzung des Vergil eine
ausserordentlich starke ist, sie durehdringt Prosa und Poesie.
Jedenfalls lässt sich daraus schliessen, dass Aldhelm eine Vergil-
handschrift zur Verfügung hatte, und das ergibt sich auch aus
der Collationirung mit den Lesarten bei Ribbeck. Denn unsere
Citate weichen, abgesehen von den vielfachen Druckfehlern
der Ausgabe von Giles, nicht wesentlich von einer bestimmten
Handschriftenclasse ab; wenn wir uns die Lesarten von a, b
und c in einer Handschrift vereinigt denken, so könnte diese
das Exemplar des Aldhelm gewesen sein. Denn nur an einer
einzigen Stelle (Giles, p. 242 1. 19) linden wir eine Abweichung,
die nur im Codex m erscheint. Ohne Zweifel stand Aldhelms
Handschrift den drei oben genannten Codices sehr nahe.
Noch erübrigt es, einige Citate zu Vergil anzuführen,
welche Aldhelm dem Hieronymus, Donat oder anderen Quellen
verdankt. So entstammt der vita Vergib des Donat p. 280
1. 30 ut Virgilium distichon fecisse commentaria declarant:
Parve culex pecudum custos tibi tale merenti
Funeris officium vitae pro mutiere reddit.
Da Aldhelm ausdrücklich ,commentaria 1 als Quelle hierfür an
gibt, so müssen die Verse auf Donat. vit. Verg. c. 7 zurück
gehen und nicht auf Culex 413. 414, wohin sie eigentlich ge
hören. Gleichfalls gehört dem Donat an das Citat p. 309 Ita
Virgilius in tetrasticis theatralibus:
Sic vos non vobis mellificatis apes.
Es findet sich dies bei Donat ib. c. 17 vs. 3. — Dagegen lässt
sich ein grösseres Citat, das angeblich auch auf Vergil zurück
gehen soll, nirgends unterbringen, Giles p. 232 1.18 Virgilius item
libro quem Paedagogum praetitulavit, cuius principium est:
Carmina si fuerint te iudice digna favöre
Eeddetur titulus purpureusque nitor.
Si minus aestivas poteris convolvere sardas
Aut piper aut calvas hinc operire nuces.
Jenes Buch paedagogus von Vergil ist uns sonst unbekannt;
nach den oben stehenden Versen könnte man vermuthen, dass
560
M a n i t i u s.
es eine Sammlung von kleineren Gedickten gewesen ist, viel
leicht im lehrhaften Tone gehalten. Das ganze Citat erinnert
sehr an den Schluss der ersten Epistel 1. II des Horaz, cf. ib.
267 Ne . . 269 Deferar in vicum vendentem tus et odores | Et
piper et quiequid chartis amicitur ineptis. Das Abhängigkeits-
verhältniss ist klar, nnd man kann vielleicht nicht ohne Grund
annehmen, dass Horaz hier den Vergil benutzte. Doch die
citirten Verse sind nicht die einzigen die Aldkelm anführt; p. 284
1. 3 heisst es: Et Virgilius libro qui paedcigogus praetitulatur:
Reddetur titulus purpureusque nitor.
Aus dieser doppelten Anführung des Namens paedagogus er
hellt jedenfalls klar, dass ein solches Werk wirklich existirt
hat. Von den früheren römischen Grammatikern bleibt das
Werk ganz unerwähnt, und so kennt es Aldhelm wahrscheinlich
auch nicht erst aus zweiter Hand, wie er ja sonst Dicktercitate
beim Abschreiben von Prosa öfters mit übernimmt, sondern die
Bibliothek seines Klosters wird im Besitze dieses Werkes gewesen
sein. Noch ein Vers geht, wie ich glaube, auf den paedagogus
zurück, nämlich auf p. 232 der unmittelbar auf das grössere
Citat folgende: die einzige Verbindung mit dem Vorausgehenden
bilden die Wbrte: Syllabam elisit dicens:
Durum iter et vitae magnus labor.
Ohne Zweifel ist aber zu elisit als logisches Subject Virgilius
zu ergänzen, da sonst das elisit dicens ganz in der Luft binge.
Und dass auch libro quem Paedagogum praetitulavit zu ergänzen
ist, gewinnt dadurch sehr an Wahrscheinlichkeit, dass der
citirte Vers sich sonst weder bei Vergil, noch in dessen Lebens
beschreibungen findet; wir gehen kaum fehl, wenn wir jenen
Vers gleichfalls für den paedagogus in Anspruch nehmen. 1
Dagegen ist Hieronymus 2 die Quelle für p. 240 1. 26:
chronica Eusebii Virgilium imminente metu mortis cecinisse tra-
1 Schon Eiese hat den einzelnen Vers als zu den vergehenden gehörig
betrachtet und das Ganze als N. 675 der Anth. lat. II, p. 136 heraus
gegeben. Durum iter ist Vergilischer Ausdruck; cf. Aen. VI, 688.
2 Hieron. chron. olymp. 190, 2 tilulo istiusmodi suprascripto, quem moriens
ipse diclauerat:
Mantua me genuit, Galabri rapuere tenel nunc
Parthenope cecini pascita rura duces.
Zu Aldhelm und Baeda.
561
dunt. Et epigramma quod epitaphium vocatur ad suprema exe-
quiarum funera composuisse dicendo:
Mantua ne genuit Calabri rapaere teilet nunc.
. . . Quem Lucanus emulans Ins verbis imitabatur dicens:
Corduba me genuit, rapuit Nero, praelia dixi.
Der erste Vers findet sich auch noch bei Donat und Probus
in den vitae Vergib; da jedoch Aldhelm hier auf die Chronik
des Eusebius hinweist (natürlich in der Ueb ersetzurig des Hie
ronymus), so können wir auf Donat nicht zurückgehen. Der
angebliche Vers des Lucan stammt aus dem Epitaph. Lucani,
welches Riese (anthol. lat. H, p. 126, 668) aus dem Cod. Valen-
tian. 373 herausgab. Jedenfalls besass Aldhelm eine Handschrift,
in welcher eine Anzahl von späteren kleinen lateinischen Ge
dichten schon vereinigt war, da wir weiter unten noch mehr
dergleichen antreffen werden. So finden sich auch die Verse
aus dem angeblichen Paedagogus des Vergil ‘nach einer Notiz
hei Riese im cod. Monac. 14505 f. 131 mit diesem Epitaph
Lueans vereinigt.
2. Ovidius.
Obwohl die Angelsachsen sich nicht besonders viel mit
Ovids Gedichten beschäftigten, so bemerken wir trotzdem bei
Aldhelm nicht selten eine Anlehnung an den Sprachgebrauch
Ovids.
laud. virg. p. 34 1. 20. Met. II, 299 ln chaos antiguum confun-
dimur.
ib. p. 35 1. 28. Amat. III, 311 quae voce canora.
de aris b. M. IH, 13. Met. XIV, 432 inque leves paulatim evanuit
auras.
26. Trist. IV, 10, 124 deute momordit opus.
VII, 22. Pont. II, 9, 64 Eiusdem sacri cultor.
XII, 7. Met. VH, 80 latuit scintilla favilla; cf. aen. tetrast. 17, 3.
laud. virg. 129. Amat. II, 624 populo cura pudoris erat.
186. Met. XIV, 594 caelesti munere digni; cf. 791, 2025.
237. Fast. II, 256 dulcia poma.
303. Met. XV, 879 Si quid habent veri vatum praesagia.
574. Met. VH, 414 Impievit pariter ternis latratibus auras.
1029. Trist. H, 325 radiantia lumina solis.
562
Mani tius.
1714. Amat. II, 457 Candida iamdudum cingantur colla lacertis.
2125. Met. I, 483 taedas exosa iugales.
princip. vit. 130. Pont. I, 2, 18 vipereo spicida feile linunt.
305. Fast. V, 499 angusti cultor agelli.
aenigm. prolog. 19. Trist. III, 5, 55 nitidi solis praenuntius ortus.
pentast. 4, 5. Met. XIII, 567 7iiissum rauco cum murmure saxum.
kexast. 3, 6. Met. XIV, 50 decurrit pedibus super aequora
siccis.
4, 2. Met. VII, 701 corniqeris tendentem retia cevvis; ef. kep-
tast. 19, 5.
5, 1. Met. VII, 626 Rugosoque suum servantes cortice callern.
octost. 9, 1. Met. XV, 383 Melliferarum apium.
decast. 2, 1. Fast. III, 301 disponit pocula Bacchi.
triscaidecast. 11 (de Scylla). Amor. III, 12, 21 Per nos Scylla
patri canos furata capillos \ Pube premit rabidos inguini-
busque canes.
polystiek. 35. Met. IV, 724 velocibus effugit alis.
54. Amor. III, 5, 11 Candidior nivibus.
Merkwürdig ist nur, dass Aldkelm zu dem Worte bassiare
p. 293, 1. 8 erwähnt: Ut Ovidius:
Dulce quiescenti bassia blanda dabas.
Dieser Vers findet sick in den uns überlieferten Gedickten
Ovids nicht vor, er klingt etwas an Juvenal. IV, 118 (Blandaque
devexae iactaret basia redete) an. Der Name Ovidius ist richtig
überliefert — auch Mai p. 557 führt ihn an — dock der Vers
stammt aus einem späteren, dem Ovid beigelegten Gedickte,
kerausgegeben von Riese antkol. lat. 674, 2 Dulce quiescenti
basia blanda dabas.
3. Horatius.
Auch von Horaz finden sich einige Spuren bei Aldkelm
wieder, wenn auch nur in geringem Masse:
laud. virg. 564. ep. II, 1, 2 moribus ornes.
octo princ. vit. 65. Carm. I, 2, 35 neclectum genus et nepotes.
de aris b. M. VI, 13. C. II, 3, 27 et nos in aeternum \ Exilium
impositura cumbae.
aenig. enneast. 4, 9. C. II, 18, 3 Non trabes Hymettiae \ Premunt
columnas.
Zu Aldhelm und Baeda.
563
4. Terentius.
Die Komödien des Terenz scheint Aldhelm vollständig
gekannt zu haben, da er aus drei Stücken dieses Autors Citate
anführt. Zuerst finden wir p. 242 1. 4 sq. eine interessante
Stelle. Der Schüler fragt im Gespräche den Lehrer, wie viel
von den 32 Arten des Hexameters bei Vergil, Lucan, Persius
und Terentius vorkämen. Diese fingirte Frage gibt Aldhelm
die Gelegenheit, seine Kenntniss des Terenz anzubringen, indem
er den Schüler belehrt, derselbe habe seine Komödien nicht
im Hexameter geschrieben. Er antwortet: . . . excepto Terentio,
qui cum comoediarum Volumina Menandrum secutus non heroicis
versibus componeret, earum prologus cum ab aemulis deute canino
carperetur in defensionem sui velut apologeticus senis dabatur.
Diese Worte könnten aussehen, als ob sie aus einer vita Terenti
genommen seien; doch sie sind auf den Prologus zur Andria
zurückzuführen, wo es heisst (1 sq.):
Poeta quoni primum animum ad scribendum adpulit,
Id sibi negoti credidit solum dari,
Populo ut 'placerent quas fecisset fabulas.
Verum aliter evenire multo intellegit:
Nam in prologis scribundis operam abutitur,
Non qui argumentum narret, sed qui malivoli
Veteris poetae maledictis respondeat.
Nunc quam rem vitio dent, quaeso animum attendite.
Menander fecit Andriam et Perinthiam etc.
Aus diesen Worten des Prologs hat Aldhelm seinen Bericht
geschöpft.
p. 307 1. 32 gibt ihm ein Vers des Sedulius (I, 19) Ver
anlassung gegen diejenigen zu polemisiren, welche nicht Ridi-
culove Geta, sondern Ridicido vegeta lesen. Er setzt hier p. 307
und 308 auseinander, warum ve mit ridicido und nicht mit geta
zu verbinden sei. Diese Erklärung steht vielleicht im Zu
sammenhänge mit der expositio Remigii in paschale carmen (ed.
Huemer, Sedul. op. p. 316—359), wo es p. 317 1. 21 heisst:
Getue, persona comica apud l'erentium est. Denn auch Ald
helm sagt: Geta vero principale et primitivuni est: unde Terentius
Afer in Phormione sic ait (Phorm. I, 1, 1):
564
M a n i t i u s.
Amiens summus mens et popularis Geta
Heri ad me venit
et infra (Phorm. I, 2, 22)
Geta provinciam | Cepisti duram.
Diese Gleichheit in der Erklärung ist wohl kaum zufällig, und
ich glaube daher, dass die Interpretation Aldhelms auf dieselbe
oder eine nahe verwandte Quelle zurückgeht, wie die viel
spätere expositio Remigii.
p. 322 spricht Aldhelm von der Präposition cum und
kommt ohne innere Verbindung auf das Wort occipio, welches
er aus Terenz citirt: 1. 17 Terentius in Adelphis (Ad. III, 1, 2):
Recte edepol spero modo dolores mea tu occipiunt.
Jedenfalls ist der Zusammenhang nicht ganz klar, die Stelle
gehörte eher auf p. 321, wo von 1. 1 bis 1. 9 über die Präpo
sition oh gehandelt wird.
5. Seneca.
p. 319 1. 24 erwähnt Aldhelm die Assimilirung von d
zu t wie in attollo und belegt dies mit zwei Beispielen aus
Seneca: ut Lucius Annaeus Seneca in sexto volumine tetrametro
hrachycatalecto sic ait:
geminumque duplices
Argos attollit domus.
Et infra:
Dubia labat ceni.ce famuli attollite.
Die Citate stammen aus dem Agamemnon (Vers 729 und 787),
wie L. Müller darlegte. Dieses Stück ist aber bekanntlich das
siebente, nicht das sechste, wie bei Giles und Mai steht. Man
könnte denken, dass Aldhelm selbst , VII volumine‘ geschrieben
und dies von einem späteren Abschreiber in ,VI‘ geändert
worden. Dann müssten aber Giles’ und Mai’s Text auf ähnliche
Handschriften zurückgehen, und da dies sonst nicht der Fall
ist, so muss man wohl annehmen, dass zur Zeit Aldhelms die
Zählweise der Stücke Senecas eine andere war als in unseren
Handschriften.
6. Persius und Juvenal.
Mehrere grössere Citate aus Persius und eine nicht un
beträchtliche Anzahl von Versen aus Juvenal beweisen, dass
Zu Aldlielm und Baeda.
565
Aldlielm auch diese beiden Dichter handschriftlich vor sich
liegen hatte. An zwei Stellen polemisirt Aldlielm gegen die An
rufung des ganzen heidnischen Götterapparates; p. 230 1. 36 sq.
sagt er, dass die genaue Silbenmessung viel eher zur Kenntniss
der Metrik beitrage als die Quellen und Berge der Musen, de
quibus Persius Flaccus (prol. 1—3):
Nec fonte labra prolui Caballino
Nec in bicipite somniasse Parnasso
Memini me.
Eine ganz ähnliche Stelle findet sich im Prolog zu den Räthseln
p. 248, wo der Dichter Gott anruft, damit er ihm helfe bei der
schwierigen Dichtung der Räthsel; denn von ihm erwarte er
Hilfe, nicht rufe er die castalisclien Nymphen an, nicht habe
ihm ein Bienenschwarm Nectar eingeflösst, nicht sei er auf den
Gipfeln des Cynthus umhergewandelt und auch auf dem Par r
nassus habe er sich nicht zum Schlummer hingelegt und daselbst
Traumbilder gesehen. Diese Verse (p. 248, 10—13) nehmen
ohne Zweifel auf des Persius Prolog Bezug und sind später von
Ermoldus Nigellus (in hon. Hludow. prol. 11—14, poetae lat.
aevi Carol. II, 4) nachgeahmt worden. Aehnliche Stellen sind
bei den christlichen Dichtern nicht selten, mir klingen sie meist
nicht so sehr an Persius an. Letzterer findet sich bei Ald-
helm noch:
p. 239 1. 29. Pers. V, 19 Non equidem hoc studeo bullatis ut
mihi nugis \ Pagina turgescat dare pondus idoneci fumo.
p. 291 1. 24. Pers. II, 75 admoveam templis et farre litabo.
Häufiger treffen wir Verse aus Juvenal an. Man ver
gleiche hierzu:
laud. virg. vs. 67. Sat. VI, 382 numerantur pectine chordae.
ib. 2057. ib. VI, 87 Utque magis stupeas.
ep. ad Acirc. p. 231 1. 15. ib. XHI, 118 Omenta ut video nullum
discrimen habendum est.
p. 231 1. 20. ib. X, 133 Piellorum exuviae truncis adfixa tropaeis.
p. 237 1. 9. ib. XIH, 19 Magna quidem sacns quae dat prae-
cepta libellis.
p. 237 1.12. ib. XIII, 23 Quae tamfesta dies ut cesset prodere furem.
p. 288 1. 22. ib. IX, 50 En cui tu viridem umbellam cui sucina
mittas.
566
Manitius.
p. 290 1. 35. ib. XIY, 129 Hestemum solitus medio servare
minutal [ Septembri.
p. 306 1. 34. ib. XI, 203 Nostra bibat vernum contracta cu-
ticula solem.
p. 307 1. 16. ib. III, 97 Infra ventriculum et tenui distantia rima.
p. 307 1. 21. ib. XIV, 280 Audiet Herculeo stridentem gurgite
solem.
Bei diesen Citaten aus Juvenal wird der Vergleich mit der
Ausgabe von Mai lehrreich. Die Lesart bei Giles weicht von
der gewöhnlichen mehrfach erheblich ab, während Mai öfters
die richtige bietet; so Mai p. 519 Bellorum exubiae truncis ad-
fixa tropaeis; p. 526 ut cesset prodere furem; p. 552 cid sucina
mittis. Ausserdem findet sich bei Mai p. 555 zu dem Citat:
,unde Juvenalis libro V‘, während Giles p. 290 ,libro XIV 1 gibt.
Da nun Aldlielm stets nach Büchern, wie Priscian, und nicht
nach den Satiren citirt, so dürften die Worte libro V bei Mai
zu halten sein; möglich ist, dass libro XIV bei Giles auf einem
Glossem beruht, in welchem die Satire an Stelle des Buches
gesetzt wurde. Die drei aus Mai citirten Verse lehren uns aber,
dass der Text bei Mai der Vorlage entschieden näher steht als
Giles, denn die Abweichungen bei Giles werden durch keine
Handschrift des Juvenal bestätigt. Merkwürdig bleibt aber,
dass Aldhelm den vorletzten und letzten Vers aus Juvenal nicht
näher bezeichnet, indem er hier von der Bücherzahl ganz ab
sieht. Dies scheint darauf hinzudeuten, dass er diese beiden
Verse nicht direct aus Juvenal entlehnt hat. Und das ist auch
der Fall, die Verse Juv. XI, 203 und XIV, 280 (Juvenalis in
satyris dicens; ut Juvenalis), sowie III, 97 (Juvenalis in I) stam
men aus Priscian, den Aldhelm vielfach benutzt hat. Besonders
klar wird dies bei XI, 203, wo die richtige Lesart lautet: Nostra
bibat vernum contracta cuticula solem, während Priscian (III, 5,31)
schreibt: Combibet aestivum contracta etc.; Giles und Mai geben:
Cum bibet, dasselbe cod. d (Hertz) und einige Ausgaben Priscians,
während sich diese bedeutende Abweichung bei Juvenal nirgends
handschriftlich findet. Juv. III, 97 lautet: Infra ventriculum et
tenui etc. Priscian III, 5, 29 sowie Giles und Mai lassen das et
aus. Dies, sowie der ganze Zusammenhang bei Aldhelm lässt
darauf schliessen, dass letzterer hier von Priscian abhängig ist,
obwohl Aldhelm hier die Satirenzahl bei Priscian (III) in die
Zu Aldhelra und Baeda.
567
Buchzahl (I) umgeändert hat. Dasselbe gilt von Juv. XIV, 280,
welches Citat Aldhelm mit den Worten einführt: Ut Juvenalis;
die Stelle findet sich bei Priscian VII, 2, 8 (Juvenalis in V).
Auch für ein Citat des Persius hat Mai an einer Stelle
die richtigere Lesart: p. 529 Pagina turgescat, während Giles
p. 239 tergescat bietet.
7. Lucan.
Wie Lucan fast überall im Mittelalter sehr bekannt war,
so finden wir auch bei Aldhelm eine ganze Keihe Citate aus
diesem Dichter. Eingeführt wird er p. 231 1. 22 Sic Annaeus
Lucanus Covdubensis poeta- 1 Dagegen heisst es p. 322 1. 21 Ut
Tullius Cicero Lucanus, ebenso Mai p. 591; vielleicht beruht
dies Versehen darauf, dass Aldhelm kurz zuvor ein Citat aus
Cicero bringt (1. 5). Die Citate sind folgende:
laud. virg. 1326. Phars. III, 150 avertat diri mala semina belli.
1520. I, 605 longis amfractibus urbem; oct. princ. vit. 245.
ad Acirc. p. 231 1. 24 VIII, 289 Quare agite eoum comites pro-
peremus in orbem.
p. 231 1. 26. X, 538 Hinc tergo insultant pedites, via nulla salutis.
p. 231 1. 28. IX, 430 Extremoque epulas mensasque petemus ab
orbe.
p. 237 1. 14. X, 21 Felix praedo iacet terrarum vindice fato.
p. 238 1. 17. VIII, 282 Ardua quippe fides robustos exigit annos.
p. 239 1. 18. III, 579 Fractarum subita, ratium periere ruina.
p. 240 1. 36. VI, 24 Undique praecipiti scopulisque moventibus
aequor.
p. 241 1. 21. V, 442 Saeva quies pelagi maestoque ignava pro-
fundo.
p. 244 1. 7. III, 762 Primus Caesareis pelagi decus addidit armis.
aen. hexast. 1, 2. III, 395 spoliantur robore silvae.
p. 309 1. 5. VI, 386 Ixionidas Centauros \ Foeta Pelethroniis nu-
bes effudit in antris.
p. 322 1. 23. X, 267 Atque opifex rerum certo sub iure coercetJ
1 cf. Hieron. chron. olymp. 210, 4 M. Annaeus Lucanus CarcLuliemis poeta.
2 Ausserdem erwähnt Aldhelm noch drei Verse, welche auf Lucan zurück
gehen sollen, die ich aber weder bei diesem noch bei einem anderen
römischen Dichter gefunden habe. Es sind:
568
M an i ti us.
8. Apuleius.
Die Verse 490. 491 de laud. virg. verrathen die Kenntniss
einer Stelle des Apuleius in den Metamorphosen. Man vergleiche:
laud. virg. 490 Qui plerumque Apul. Met. II, 9 corvina nigre-
tetros furva nigredine cor- dine caerulos columbarum
vos\Vertit in albentesglau- colli flosculos aemulatur.
co sine feile columbas.
9. Juvencus.
Die Evangeliengeschichten des Juvencus hat Aldhelm in
sehr starkem Masse benutzt. Das ergibt sich erstens daraus,
dass er in der ep. ad Acircium ganze Verse von Juvencus citirt,
andererseits aber findet sich eine grosse Zahl einzelner Stellen
dieses Dichters in sämmtlichen Schriften Aldhelms:
de laud. virg. p. 1 1. 24. h. ev. II, 442 gratis impendite dona.
p. 30 1. 27. ib. IV, 735 ad luniina vitae. cf. p. 60 1. 37; de aris
b. M. II, 17; laud. virg. 307. octo princ. vit. 375.
p. 55 1. 1. ib. II, 194 liquido si quis de fonte renatus.
p. 61 1. 9. ib. I, 167 pleno piibesceret aevo; cf. laud. virg. 1262.
p. 105 1. 3. ib. I, 339 cordis secreta reservant.
de aris b. M. II, 2. ib. III, 532 facilem praepandit in aethra.
II, 3. ib. IV, 443 tetigisset limina vitae; laud. virg. 109. 570. 1502.
18. ib. II, 345 Limine de mortis.
33. ib. IV, 663 Iamqne cruci fix um.
IV, 2. ib. II, 523 leti post funera; cf. aen. enneast. 7, 5.
VI, 6. ib. I, 460 Piscibus insidias disponere marmoris nndis.
9. ib. III, 517 caeli tibi conditus arce.
19. ib. III, 564 Ultima labentis restabat portio lucis.
VII, 13. IV, 673 descendat soboles veneranda tonantis; cf. aen.
heptast. 15, 7.
IX, 5. I, 453 In mortisque illis urnbra residentibus.
XI, 6. I, 8 aeternae pandens mysteria vitae.
XIV, 9. IV, 813 Per dominum lucis Christum; cf. laud. virg.
850. 1664. princ. vit. 143.
p. 238, 18 Idemque (i. e. Lucanus) Ubro quinto (V Mai): Fertur ad
aequoreas ac se proiecit in undas.
p. 283, 7 Unde Lucanus de Orpheo: Nunc plenas posuere colos et sta-
mina Parcae | Multaque delatis haeserunt saecida filis.
Zu Aldhelm und Baeda.
569
in lion. apost. 7. IV, 554 summi per regna tonantis.
16. II, 549 dictis pandens vitalibus aures.
laud. virg. praef. 4. II, 267 mundi regnator Jesus.
15. IV, 221 et limina clausa.
laud. virg. 34. II, 227 descenderet unica proles.
88. III, 485 genitali lege tororum; cf. 1721.
175. II, 203 iustae repetit primordia vitae; aen. liexast. 1, 5.
214. II, 209 furvis miserande tenebris; cf. 937. 1950. octo princ.
vit. 421; aen. pentast. 1, 4.
286. II, 322 ditabunt munera frugis.
299. III, 36 virtutis dona feueret; cf. 493.
315. II, 113 sine fraude maligna; cf. 584. 1006. 1638. 2246.
aen. heptast. 12, 7.
341.111,207 sumunt alimenta cibnrum; cf. 1609; aen. hendecast. 1,11.
367. I, 570 nam casti iura pudoris.
398. I, 361 victum praebent silvestria mella.
403. 4. I, 45 Sed, cum Sorte adytis arisque inferret odores.
432. 3. I, 393 descendit ab alt.o | Spiritus aeriam simulans ex
nube columbam.
441. 2. III, 43 accensus amore \ In thalamos fratris.
465. I, 213 Dispergunt late celeris vaga semina famae.
707. II, 196 aetheream Uber conscendet in aulam.
830. II, 577 iusto moderamine legis.
919. I, 152 laudes gratesque frequentent.
1030. I, 392 caeli septemplicis aetlira.
1065. IV, 758 devicta. morte recepit.
1114. II, 339 et sospite vita.; cf. 1973. 2336.
1253. I, 297 nullo sub crim.ina culpne; cf. 1759.
1533. I, 382 et properis per silvam passibus; cf. 1898.
1576. II, 154 aderant solemnia paschae.
1603. III, 87 dapibvs mensas oneravit opimis; cf. octo princ.
vit. 44; aen. polyst. 52.
1619. IV, 7 inspiciens saevi penetralia cordis.
1803. III, 517 Tum thesauncs erit caeli tibi conditus arce; c. 2286.
1833. I, 287 saevumque iubent vitare tyrannum; cf. 2426.
1948. I, 445 carceris urnbris | Immersum; cf. 2320.
1973. I, 131 Magnificas laudes aninius gratesque.
2047. IV, 307 soror anxia curis.
2105. III, 348 reddens mox omnia. debita.
Sitzungsber. d. phil.-liist. CI. CXII. TM. II. Hft.
37
570
Man i ti n s.
2342. III, 315 caelifulgens cum re.gna capessam; cf. oct. princ. vit. 36.
oct. princ. vit. 46. III, 394 pandantur scissi penetralia ventris;
aen. henclecast. 4, 5.
71. II, 116 tegerent umbracula ficus.
208. I, 541 tacitae mentis penetralia tauget.
218. II, 654 lucisque vigens ad limina tendit.
245. I, 21 Et vertigo poli.
375. IV, 354 non umquam continget limina mortis.
380. II, 88 peccata remitiere cernent.
420. I, 624 Pectoris antra tegunt.
442. II, 228 vitae iunctura perenni.
458. II, 188 capiat divino munere vif am; aen. enneast. 4, 1.
ep. ad Acircium p. 221 1. 7. III, 216 relegunt mox fragmina panis.
p. 222 1. 3. III, 623 glaucicomantis olivae (lege ap. Aldh. glauci-
comante pro glaucimante).
p. 236 1. 37. I, 9 Immortale nihil muncli compage tenetur.
p. 237 1. 3. I, 16 Accumidant quornm famam laudesque poetae.
aen. hexast. 6, 5. II, 788 curarum mole gravatis.
heptast. 5, 3. I, 516 rerumque decus sub luce serena.
16, 1. IV, 652 Indutum propriae ducebant tegmine vestis.
octost. 3, 3. II, 315 albentes cernite campos.
enneast. 4,8. 1,436 qnae sit tantarum gloria rerum ; hendecast. 1,3.
decast. 4, 10. I, 11 non ignea sidera caeli.
hendecast. 4, 3. II, 191 revocare exordia vitae.
polyst. 64. I, 12 statuit genitor rerum.
p. 277 1. 8. III, 229 Dicitis agricolis nautisque venire fragosam.
p. 279 1. 17. I, 405 Quadraginta illi fuerant (fuerunt Ottob.)
ex ordine soles.
p. 282 1. 10. III, 225 Si ruber astrifero procedit vesper Olympo.
p. 297 1. 27. I, 12 Nam statuit genitor rerum.
p. 309 1. 33. II, 591 foveam si forte pecuscida vestra \ Indderint.
cf. p. 310 1. 24.
10. Paulinus und Ausonius.
Dass Paulinus von Nola hei den Angelsachsen gut bekannt
war, dafür gibt es bei Aldhelra wenigstens ein sicheres Zeugniss,
während wir bei Baeda eine ganze Reihe finden. Vielleicht ist
dem Aldhehn auch Ausonius bekannt gewesen, dafür könnten
zwei Stellen aus de laud. virg. sprechen.
Zu Aldhelm und Bacda.
571
laud. virg. 272 sq. Auson C. IV, 3, 41 Raptus quadriiugo penetrat
super aera curru [ Elias et solido cum corpore praevius Enoch.
1685. Auson. ib. IV, 3, 82 verum (al. verus) de lumine lumen |
Aeterno cum patre.
laud. virg. 413.4. Paul. Nol. C. XXVII, 411 Hie et praecursor
domini et baptista Johannes.
527. ib. C. XV, 20 divini semine verbi; cf. XXV, 170; cf. de
laud. virg. p. 27 1. 17.
583. ib. XXVII, 89 Qui cruce purpurea pretiosi. sanguinis ostro ;
cf. 1222. 2440.
895. ib. XV, 69 operantibus altae | Virtutis meritis, cf. 2175.
903. ib. XV, 1 Annua vota mihi remeant.
1065. ib. XV, 160 de morte tnumphans.
1113. ib. XX, 253 sano reddebat corpore grates.
2177. ib. XXVIII, 210 nitet una venustas.
octo princ. vit. 382. ib. XXI, 40 quod summa potestas.
ep. ad. Acirc. p. 247 1. 31. C. XV, 1 Annua vota mihi re
meant simul annua linguae.
aen. tetrast. 16, 3. C. XXVII, 603 Cum mihi vita domits.
11. Prudentius.
p. 104, 1. 28. 9. Cathem. IV, 74 Largitor deus omnium bonorum.
de aris b. M. I, 7. Cath. IX, 19 virgo cum puerpera. laud. virg. 1676.
111,1.2. Dittoch.48,2 Saulus qui fuerat fit adempto lumine Paulus.
VII, 19 in Symm. I, 38 Sceptra gubemanti monet. laud. virg.
1172. 1587. 2058.
IX, 6. Perist. X, 318 et, auctor lumini.s. Apoth. 127 Corde tene-
broso. cf. laud. virg. 850.
XI, 8 Cath. III, 105 Qundrißuo edler arnne rigat.
XII, 10. Perist. III, 156 Flamma crepans volat in fadem.
XIV, 18. Apoth. 544 commissa piacida solvit; cf. in hon. apost. 10.
laud. virg. 1. Hamart. 281 vas tenerum ditione gubernaf.
678. Apoth. 697 infunditque diem baptismate Iota.
679. Cath. V, 156 Tinctum paeißei chrismatis unguine.
1382. in Symm. II, 779 exta litant.
octo princ. vit. 130. Psych. 436 Uta teta veneno.
437. Psych. 736 sublime tribunal.
aen. heptast. 15, 1. Hamart. 340 mundi nascentis testificatus.
aen. pentecaidecast. 1. Cath. V, 48 Ferratasqu.e acies.
37*
572
Mani tius.
12. Claudian.
Wir sahen schon oben, dass ein Gedicht, welches in
mehreren Clandianhandschriften wiederkehrt, sich auch in einem
Briefe vorfindet, der Aldhelm nahe steht. Ausserdem aber
hat Aldhelm wirklich einige Spuren von Claudian aufzuweisen.
Denn in seinen Schriften werden zwei Verse aus dem Epi-
thalam. Laurentii citirt, wie schon Jeep (II, p. 197. 198. 184)
angemerkt. Ausserdem finden wir noch einen Vers aus einem
sicher von Claudian verfassten Gedichte. Allerdings nennt Ald
helm an jener Stelle (p. 295 1. 18) den Autor nicht, und so
könnte man glauben, dass er den Vers nicht direct aus Clau
dian genommen. Wenn wir jedoch bedenken, dass Aldhelm
an vier Stellen das epith. Laurentii citirt, welches sich ja in
Claudianhandschriften findet, so ist wohl unbedingt zuzugeben,
dass unser Dichter wirklich eine Abschrift von Claudians Ge
dichten gehabt haben muss. Der Vers epith. Laur. 80 Mellea
tune roseis haerescunt basia labris erscheint bei Aldhelm mehr
fach verderbt, de laud. virg. p. 43 1. 38 und ep. ad Acirc.
p. 306 1. 10 finden wir: Mellea tune roseis haerescunt, labia
labris. So wird der Vers in Aldhelms Vorlage gelautet haben,
auch Mai p. 573 stimmt dazu. Dagegen beruht die Ueber-
lieferung laud. virg. 1157
Non sicut cecinit sponsali carmine vates:
Mellia (corr. mellea) tune roseis haerescunt labra labellis (cf. 2136)
vielleicht auf dem Gedächtnisse, wenn nicht der folgende Vers:
Dulcia sed Christi lentescunt labra labellis
ins Gewicht fallen dürfte; denn es ist leicht möglich, dass ein
Abschreiber das ,labra labellis‘ statt ,labia labris‘ hinaufgezogen
hat. Für den Ausdruck sponsali carmine findet sich an den
beiden anderen Stellen epithalamium,, wie auch ep. ad Acirc.
p. 288 1. 6 ut, illnd epithalmii: Annulus e digitis tollatur molli-
bus asper. — Hierzu kommt p. 295 1. 18 der Vers III cons.
Hon. 98:
Et, coniurati veniunt ad classica venti.
Auch in den Räthseln findet sich ein Anklang an dieses Ge
dicht, cf. aenigm. pentast. 7, 2: III cons. Hon. 4 Dives Hy da
speis augescat, purpura gemmis.
Zu Aldhelin uud ßaeda.
573
13. Prosper.
Die Epigramme des Prosper, welche eine Anzahl Sätze
des Augustinus in Verse bringen, haben, wie dieser selbst, auf
Aldhelm grosse Anziehungskraft ausgeübt. Er citirt daher eine
ganze Anzahl von jenen kleineren Gedichten, theils ganz, theils
in einzelnen Versen. In der Prosa de laud. virg. verwendet
er diese Epigramme zur Unterstützung seiner eigenen Behaup
tungen und citirt dabei mehrfach die Worte Augustins, welche
hei Prosper den Epigrammen vorausgehen. So kommt es, dass
Aldhelm hier den Eindruck macht, als habe er wie anderwärts
den Augustin direct benutzt, während er blos dessen Worte
hei Prosper abschreibt. So heisst es p. 78 1. 23 unde Augu
stinus Afer Ilipponensis pontifex elegante prosae sententia pro-
mulgat dicens (civit. Dei I, 18): . . . quod Prosper per cola et
conimata mellitis versuum epigrammatibus inculcavit dicens. Die
Prosa Ita non — corpore intacto und die folgenden acht Verse
bilden das Epigramm Prosp. LI. Die Lesarten vs. 1 violato
in corpore und 7 Cum quod ab intacto submotuni finden sich
nach Migne tom. LI, p. 513. 514 auch in einigen Handschriften
Prospers wieder. Aldhelm fährt dann p. 79 fort: Denique prae-
fatus Punicomm praesid . . . Item Prosper inquit . . . Die Prosa
(genommen aus Augustin, in psal. 147 n. 10) und die folgen
den Verse sind das Epigramm N. 76. Vers 2 hat Prosper ani-
mae, Aldhelm animi. —- p. 78, 1. 1 Unde proverbimn dicitur . . .
Dies angebliche Sprichwort stammt gleichfalls aus Prosper, und
zwar aus epigr. 88, 1. 2. Prosper acervat, Aldhelm acerbat.
ib. 1. 5 et infra inquit, nämlich Prosper; die beiden folgenden
Verse gehören zu epigr. 88, 5. 6. — Ich lasse nun die anderen
Citate aus Prosper folgen:
laud. virg. p. 17 1. 4. epigr, 101, 8 Captaque servili subdere
colla iugo.
octo princ. vit. 52. ep. 65, 3 genus humanum prostratum fraude
maligni.
ad Acirc. p. 231 1. 34. ep. 3, 5 Non coeptum aut ailctum non
hic mutabile quidquam est.
p. 231 1. 36. ep. 31, 1 Caulestem ad patriam tendens cognosce
vocantem.
p. 241 1. 7. ep. 67,1 Recta volens änimus sapiens et amator honesti.
574
Muuitius.
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p. 244 1. 33. ep. 68, 1 Fallaces curia semper torquentur amaris.
p. 247 1. 5. ep. 71, 3 Cum prcce sanguineas fundebat corpore
guttas.
p. 281 1. 33. ep. 71, 5 Nec crucis asperitas potevat terrere
volentem.
p. 285 1. 34. ep. 42, 9 Inque putres fibras descendat cura medentis.
p. 286 1. 18. ep. 21, 3 Non pnteant faciles saevis rumoribus aures.
p. 291 1. 27. ep. 15, 6 Et de virtutum viunere sacra litat.
p. 297 1. 19. ep. 89, 2 Fitque novus vita qui sepelitur aqua. 1
p. 298 1. 22. ep. 88, 1 Lingua cissentatrix vitium peccantis acer-
vat (cum Mai, supra acerbat).
p. 313 1. 18. ep. 41, 1 Lex aeterna dei stabili regit omnia nutu.
p. 321 1. 13. ep. 42 nihil est infelicius felicitate peccantiim
qua poenalis nutritar impunitas (Augustin, ep. 138 [ad
Marcellin.] n. 14).
p. 322 1. 30. ep. 64, 4 Si resilit misero degit in exsilio.
14. Sidonius Apollinaris.
Einige Verse Aldliclms verrathen eine Kenntniss des Sido
nius, allerdings nur in beseliränktem Masse. Es sind im Ganzen
folgende:
laüd. virg. 222. Sid. C. VII, 109 Intulit ingluvies ventrem; oeto
princ. vit. 39.
1265. C. II, 193 claris natalibus ortam; cf. 1783. 1882. 2163. 2358.
1886. C. XVIII, 156 trino de cardine caeli. VII, 96 de cardine
mundi; oeto princ. vit. 244.
aen. hexast. 1, 6. C. V, 56 pars tertia mundi.
15. Phocas.
Die Schrift des Phocas de nomine et verbo beginnt be
kanntlich mit sechs Distichen. Aus diesen Versen führt Ald-
hclm in seiner Metrik zwei an:
ep. ad Acirc. p. 232 1. 3 Phocas vs. 1 Ars mea multorum es
quos saecula prisca tulerunt.
p. 247 1. 13. Phocas vs. 8 Te longinqua petens comitem sibi
ferre viator.
1 Die zweite Hälfte des Verses, die bei Mai und Giles fehlt, muss im
Texte gestanden haben, da Aldhelm diesen Vers an das Verbum sejpelio
anschliesst.
Zu Aldliclm und Baeda.
575
Das Werk des Pliocas wird uns noch späterhin als eine
Quelle Aldhelms beschäftigen.
16. Sedulius.
Wie im ganzen früheren Mittelalter, so hat Sedulius auch
bei Aldhelm in grossem Ansehen gestanden; der kurze und
lehrhafte Ton, sowie die einfache, aber kräftige Sprache haben
dem Carmen Paschale stets eine hervorragende Stelle in der
christlichen Epik angewiesen. Schon Baeda gedenkt in seiner
hist, ecclesiast. gentis Angl. V, 18 wenn auch indirect des
grossen Einflusses, den Sedulius auf Aldhelm ausgeübt, wie
Baeda überhaupt mit Aldhelms Schriften sehr vertraut ist und
vielfach Citate daraus anbringt: (Aldhelmus) scripsit et de virgi-
nitate librum eximium quem in exemplum Sedulii geminato opere
et versibus hexametris et prosa composuit. — Nachdem nun
L. Müller darauf hingewiesen, dass Aldhelm einige Verse dem
Sedulius entlehnt hat, machte J. Huemer den Anfang zu einer
methodischen Ausbeutung; freilich ist ihm hierbei eine grössere
Anzahl Verse entgangen; die von ihm (Sedulii opera p. 361
bis 371) angemerkten habe ich mit H bezeichnet.
de laud. virg. p. 4 1. 8. Sedul. C. P. I, 13 Cerea gemmatis flavets-
cunt mella canistris H.
p. 4 1. 10. ib. I, 14 Conlucentque (collucentque C D) suis auvea
vasa favis H.
p. 20 1. 24. ib. I, 179 Aurea flammigeris evectus in astra qua-
drigis H.
p. 20 1. 25. ib. I, 181 Sidereum penetravit iter cuvruque corusco.
p. 20 1. 26. ib. I, 183 humani metam non contigit aevi.
p. 49 1. 12. ib. I, 219 Et didicere truces praedam servare leones;
laud. virg. 1442 JSdidicere truces etc. H.
p. 59 1. 1. ib. I, 17 studeant figmenta poetae.
p. 73 1. 3. ib. II, 116 Sterilere conlisas parvorum strage cateroas.
p. 92 1. 7. ib. III, 219 calidi sub caerula ponti; de aris b. M.
II, 13; laud. virg. 5. 422. 1735. aen. tetrast. 19, 1. en-
neast. 2, 7.
p. 99 (carmen Pseudo-Claudianum) vs. 8 sep ib. II, 39 stupet
innuba tensos \ Virgo sinus.
p. 99 ib. 10. ib. II, 40 gaudetque snurn paritura parentem.
576
M a n i t i u s.
p. 104. 1. 19 sq. ib. III, 34 Febris anhela socrum. 36 Inmensus-
que calor frigus letale coquebat.
p. 112. vs. 38. Hymn. II, 1 A solis ortus cardine | Ad usque
terrae limitem.
p. 113 vs. 51 sq. C. P. I, 99 Nam centum licet ora movens vox
ferrea clamet.
p. 117 vs. 83 sq. Hymn. I, 109 Gloria magna patri, semper
tibi gloria, nate j Cum sancto spiritu gloria magna patri.
de aris b. M. I, 2. C. P. II, 209 liunc ardua templi \ Culmina,
5. ib. I, 313 Et totum commune patris de lumine lumm; laud.
virg. praef. 24; 1. v. 1685. 1949. aen. decast. 3, 1.
13. ib. II, 42 cum virgine feta (foeta D).
HI, 20. 1. ib. in, 33 torrebut lampadis aestu | Febris anhela
socrum . . | Inmensusque calor frigus letale coquebat.
33. ib. V, 288 Vulnere purpureus cruor et simul unda cucurrit;
cf. laud. virg. 1750. 1832. 2277.
IV, 11. ib. I, 47 quid fana profana; cf. laud. virg. 689.
14. ib. V, 182 in patuli suspensm culmine ligni; cf. laud. virg.
451, 1317. aen. heptast. 15, 6.
XI, 5. ib. III, 173 ex uno paradisi fonte leguntur.
16. ib. II, 176 sacro spiramine plenurn; cf. laud. virg. praef.
25. 1. v. 395.
18. ib. I, 311 et avi numerantur avoriim (cf. Georg. IV, 209).
XIV, 8. ib. V, 131 Infelicem animam laqueo suspendit ab alto.
laud. virg. praef. 17. ib. I, 301 foveam dilapsus in atram; cf.
1. v. 363.
18. 9. ib. I, 82 qua servat amoenum | Pastor ovile bonus.
laud. virg. 38. 9. ib. I, 297 Semper ut una manens deitatis for
ma penmnis \ Quod simplex triplicet.
56. 7. ib. I, 160 adfatur asella | . . linguaque rudenti | Edidit
humanas animal pecuale loquelas.
19S. ib. II, 116 Sternere conlisas parvorum strage catervas.
289. ib. III, 138 gelida constrictum morte cadaver; cf. 586. 605.
1409. 1495.
351. ib. IV, 137 amissae passus discrimina vitae; cf. 1945. 2212.
octo princ. vit. 118. aen. octost. 7, 7.
383. ib. I, 205 restincta est flamma camini.
4:33—435. ib. II, 171 Per volucrern quae feile caret; cf. aen.
hexast. 9, 6. III, 190 nigri qui feile veuerii; cf. 476.
Zu Aldlielm und Baeda.
577
477. ib. II, 19 sorheret fauce nepotes.
513. ib. I, Gl qui conditor orbis; cf. 1288. 1677.
542. ib. I, 95 virtutuvn signa tuarum; cf. 684. 1454.
548. ib. II, 197 et soll famularier uni; cf. 758. 944.
611. ib. II, 51 forma speciosus amoena; octo princ. vit. 292.
649. ib. I, 311 It nova progenies et avi numerantur avorum.
897. ib. II, 67 cum virginitatis honore.
921. ib. I, 73 Qui genus humanum.
957. ib. IV, 38 clausas reserans sub fronte fenestras; octo princ.
vit. 424. aen. octost. 6, 4.
1087. ib. III, 254 et quicquid debile vulgi.
1197. ib. I, 248 caecatis mentibus acti.
1225. ib. I, 341 Aurea perpetuae capietis praemia vitae; cf. 2018.
2274. aen. hendecast. 1, 5.
1372. ib. I, 17 poetae | Grandisonis pompare modis.
1552. ib. I, 205 restincla est flamma camini.
1624. ib. 1,145 legis \ Testamenta regens veterem patefecit abyssum.
1683. ib. II, 149 veniens peccatum tollere mundi.
1761. ib. I, 31 Arcibus aetheriis (aethereis D).
1998. ib. I, 236 rictusque leonum.
2016. ib. I, 306 Jura caducorum gradibus simulavit bonorum.
2017. ib. II, 283 virtutis amator.
2414. ib. I, 23 Daviticis adsuetus cantibus odas.
octo princ. vit. 326. 7. II, 267 Dulcia nam domini nostris in
faucibus liaerent \ Eloquia exuperantque favos atque omnia
mella.
epist. ad Acirc. p. 237 1. 7. ib. I, 1 Paschales qincumque dapes
conviva requiris H.
p. 241 1. 5. ib. III, 128 Laudat et egregiae tribuit sua Vota
rapinae H.
aen. bexast. 7, 2. ib. V, 206 Par est poena trium sed dispar
causa duorum.
aen. decast. 1, 7. ib. I, 175 Abluit in terris quidquid deliquit
in undis.
polysticb. 17. ib. III, 82 Sordibus atque olido consuetum vivere
caeno.
p. 276 1. 9. ib. V, 92 Labitur invalidae deformis gloria flammae.
p. 276 1. 26. ib. V, 190 Quattuor inde plagas quadrati colligat
(colligit iE S DJ orbis II.
578
Mani tius.
p. 276 1. 30 ib. IV, 78 Qui tegit et plagam trepidat nudare
medenti.
p. 277 1. 17. ib. II, 139 volitans per tempora mundus.
p. 279 1. 35. ib. I, 351 Christe fave votis.
p. 279 1. 38. ib. I, 170 Helium corvi quondam pavere ministri H.
p. 280 1. 2. ib. III, 264 agmen | Pavit inorme.
p. 281 1. 23. ib. V, 234 sol nube coruscos (coruscus i 1 Z l ) \ Ab-
scondens radios tetro velatus cimictu | Delituit H.
p. 282 1. 1 ib. I, 259 stellisque litant quae luce fugantur II.
p. 283 1. 35. ib. I, 98 aliquos nitor contingere ramos H.
p. 283 1. 37. ib. III, 122 Nititur aversi vel filum tangere
Christi H.
p. 284 1. 2 ib. II, 49 Quis fuit ille nitor Mariae H.
p. 285 1. 21. ib. III, 82 atque olido consuetum vivere caeno H.
p. 285 1. 32. ib. IV, 142 Nec tibi parva salus domino medicante
Maria H.
p. 297 1. 5. ib. I, 368 Portantes nostros (nostro T) Christo ve-
niente maniplos H.
p. 297 1. 24. ib. I, 140 Sicca peregrinas stupuerunt marmora
plantas H.
p. 302 1. 30. ib. I, 161 linguaque rudenti \ Edidit humanas ani
mal pecuale loquellas H.
p. 305 1. 7. ib. I, 298 Quo simplex triplicet quodque est tripli-
cabile simplet (simplex TZ) H.
p. 307 1. 30. ib. I, 18 Grandisonis pompare modis tragicove boatu |
Ridicidove Geta H.
p. 308 1. 37. ib. V, 255 Penicido infusum calamo porrexit ace-
tum II.
p. 310 1. 38. ib. I, 350 Quem magis ojfendit quisquis sperando
tepescit (sperando Mai).
p. 311 1. 18. ib. I, 279 Carduus et spinis surgat paliurus acutis.
p. 312 1. 29. ib. I, 305 Demens perpetui qui non imitanda parentis
| Jura caducorum gradibus simulavit honorum.
p. 314 1. 3. ib. I, 136 Pervia divisi patuerunt caerula ponti. 11.
p. 314 1. 5. ib. I, 157 Et ieiuna novum vomuerunt marmora
potum II.
p. 315 1. 5. ib. II, 160 famumque beavit | Gurgitis. II.
p. 320 1. 9. ib. I, 160 Angelicis tremefacta minis adfatur asella.
p. 323 1. 28. ib. I, 301 foveam dilapsus in atram II.
Zu Aldhelm und Bacda.
579
Wir sehen hieraus, dass der Seduliustext Aldhelms haupt
sächlich die Lesarten der Handschriften D und T (cf. Huemer
p. XVIIH. V.) darbietet.
17. Paulinus Petricordiensis.
Einige Verse Aldhelms deuten auf Benutzung der Vita
Martini des Paulinus von Perigueux hin, welche im 6. und
7. Jahrhundert oft gelesen wurde:
de aris b. M. I, 11. V. Mart. II, 486 lacrimarum fonte rigdbant.
VII, 20. ib. V, 474 praesentis tempore vitae.
laud. virg. 1791. ib. II, 641 contactus tantum vel fimbria vestis.
princ. vit. 378. ib. IV, 499 lasciva iuventus.
18. Alcimus Avitus und Dracontius.
Viel stärker tritt die Benutzung des Avitus und Dracon
tius hervor, deren epische Behandlung der Genesis vielfach
von den christlichen Dichtern ausgebeutet wurde. Dagegen tritt
Marius Victor, der doch ungefähr den gleichen Stoff in Verse
brachte, ganz zurück, Aldhelm scheint ihn nicht gekannt oder
doch wenigstens nicht eifriger studirt zu haben,
de aris b. M. VII, 7. Aviti C. VI, 267 victa quod morte resurgens.
laud. virg. 126. C. VI, 575 carnis commercia vitam.
491. C. IV, 579 Protenus albentem mittit de sede columbam.
845. C. II, 358 tendatur tramite recto.
1583. C. I, 25 vestita est gramine tellus.
2050. C. II, 145 pulcherrima virgo.
de basilica 31. Dracont. Satisfact. 151 ac regna polorum; laud.
virg. 754. 2159.
laud. virg. praef. 31. de deo I, 149 Et mare navigerum quatitur
spumantibus undis.
738. ib. I, 602 trahunt et, semina rerum.
1748. ib. II, 288 mucrone cruento.
2348. ib. II, 101 ne caeleste tribunal; octo princ. vit. 456.
2355. ib. III, 329 vitae natorum et funeris auctor.
octo princ. vit. 88. ib. I, 671 puniceum spargens aurora ruborem.
246. ib. I, 580 Usibus humanis data sunt haec.
273. ib. III, 410 horrendae mortis amator.
429. Satisfact. 5 Principio seu fine carens et ternporis expers.
430. Satisfact. 9 Nil addit demitque tibi tarn longa vetustas.
580
Mani tius.
aen. pentast. 3, 1. de deo III, 27 ager sine sentine iacto.
10, 1. ib. II, 450 Viscera non terrae.
hexast. 4, 1. ib. III, 200 armata manus ferro, hinc dentibus ora.
heptast. 6, 2. c. min. VII, 154 volitans super aequora pennis.
bendecast. 1, 1. de deo III, 132 domino qui cuncta creavit; cf.
laud. virg. 35.
19. Arator.
In seiner Metrik citirt Aldhelm mehrfach ganze Verse
aus den acta apostolorum des Arator und auch sonst finden
sich einige bemerkenswerthe Anklänge an diesen Dichter,
welcher von Corippus, Fortunatus, Beda und noch von den
karolingischen Dichtern stark benutzt worden ist.
de basilica 71. acta apost. I, 552 sacris altaribus.
de aris b. M. I, 17. ib. II, 1115 nam missus ab astris \ Angelus.
11, 2. ib. I, 899 Claviger aetherius. 1076 qui portam pandit in
astris; cf. .in hon. apost. 6.
12, ib. I, 69 parva de puppe vocatus \ ... quo piscatore solebat
| Squamea turba capi.
in hon. apost. 3. II, 1219 duo Imnina dicere mundi (seil. Petrus
et Paulus).
laud. virg. 36. ib. I, 139 quod Spiritus almus; cf. 286.
38. 9. ib. I, 157 Hüne numerum deus unus habet, substantia
simplex; II, 901 et numerum triplicet substantia simplex.
1128. ib. I, 404 et tecum mente sagaci [ Volve; cf. 1479.
1531. ib. I, 678 pretiosa lavacri | Sumere dona venis; cf. 1575.
1732.
1676. ib, II, 149 utero fecunda puerpera gessit.
epist. ad Acirc. p. 224 1. 19. ib. I, 552 Jura ministerii sacris
altaribus apti | ln septem secuere viros (statuere viris edit.
Tornaes. 1).
p. 232 1. 28. epist. ad Vigil. 1 Moenibus undosis bellorum incen-
dia cernens.
p. 2321. 30. ep. ad Vig. 6 Inque humeris ferimur te revocante piis.
p. 244 1. 27. act. ap. I, 871 Mortalisque sibi Studium proponat
origo.
p. 244 1. 31. ib. I, 883 Largiri salvantis opem numerusque dierum.
p. 276 1. 12. ib. II, 59 de rore dapes, de caute liquores.
p. 276 1. 14. ib. II, 62 Aeriusque liquor solidis induruit escis.
-i
‘.-i
Zn Aldhelm nnd Baoda.
581
20. Corippus.
Eine Benutzung des Corippus ist mir bis jetzt nur bei
Fortunatus aufgefallen, doch die folgenden Stellen werden
zeigen, dass Aldhelin beide Epen des Corippus gekannt und
vielfach für seine eigenen Verse verwerthet bat. Die Vers-
zählung geschieht nach der neuen Ausgabe von Partsck.
de basilica 21. Coripp. Johann. II, 432 erravit navita ccimpis
| Aequoreis; cf. laud. virg. 12. aenigm. decast. 4, 5.
de aris b. M. IV, 14. Job. VII, 541 Stipite suspendi.
VIII, 4. Joh. VI, 564 saevo crepitante iumultu; cf. laud. virg.
1413. 2242. 2388.
10. Justin. I, 157 et poplite flexo.
XI, 9. Joh. II, 45 belli nascentis origo; laud. virg. 743. aen.
heptast. 15, 1.
laud. virg. praef. 11. Justin. II, 12 rerum formator et auctor.
laud. virg. 31. laud. Anast. 44 predbus pia pectora pulsans;
cf. octo princ. vit. 369.
122. Joh. VIEL, 158 devota mente piavit; cf. 1664.
140. Joh. IV, 270 linguis et pectore puro.
157. Joh. 1,291 turbatur machina mundi; cf. 1678. aen. polyst. 78.
692. Joh. VIII, 220 Obtulerit domino venerandus rite meerdos.
729. Joh. VI, 523 ductorum maximus auctor.
<78. Just. III, 305 si foedera pacis | Intemerata; 1545. octo
princ. vit. 183. aen. dodecast. 6.
864. Joh. I, 308 lacrimas tune fluminis instar | Fudit; cf. 963.
1145. Joh. I, 260 Candida sidereis gestans velamina peplis; cf.
1514. princ. vit. 112.
1360. Justin. I, 246 securos linqueret artus.
1554. Joh. I, 252 sensit quod mente malignns; 1849.
2077. Justin. I, 204 armato milite vallant.
octo princ. vit. 181. Joh. I, 407 tanto in discrimine belli; aen.
pentast. 9, 4.
327. Joh. I, 452 veteres aiunt gentili carmine vates.
392. Just. IV, 121 depellens luce tenebras.
aen. tetrast. 14, 3. Just. II, 322 coniferae frondosa cacumina
silvae.
heptast. 18, 7. Just. II, 193 subiecti corporis artus.
19, 3. 4. Joh. VIII, 536 seu messor acuta | Falce metit segetes.
582
Mani tins.
21. Venantius Fortunatus.
Wie Baeda und die karolingischen Dichter, so ist auch
Aldhelm in den Gedichten des Fortunatus gut zu Hause. Merk
würdig bleibt es nur, dass Fortunatus auf die Angelsachsen
so wenig Einfluss ausgeübt hat, dass sie die von Fortunatus
mit so grossem Geschicke angewendete Form des elegischen
Distichon meist verschmähen; erst bei Baeda findet sich der
Pentameter vereinzelt, bis ihn dann Alcuin häufiger gebrauchte
und im Vereine mit den langobardischen Gelehrten ins Franken
reich verpflanzte und dort zu allgemeinster Geltung brachte.
— Die Stellen aus Fortunatus bei Aldhelm sind folgende.
de laud. virg. p. 9 1. 19 Vita Mart. I, 49 Gallien, celsa pharm.
p. 49 1. 30. V. Mart. I, 50 vix pubescentibus annis; laud. virg.
2064.
p. 60 1. 18. 9. V. Mart. III, 57 splendore coruscant.
p. 94 1. 8. 9. Carm. VIII, 3, 155 fecunda Bntannia profert (cf.
laud. virg. 877 gerit in gremio fecunda Britannia cives).
de basilica 54. C. IV, 7, 15 Organa psalterii cecinit, modula-
mine dulci.
67. C. II, 10, 13 vitreis ocidata fenestris.
de aris b. M. III, 36. V. Mart. II, 122 Coeiibus angelicis visus;
cf. laud. virg. 1069.
XIV, 6. C. VIII, 3, 141 Cnlmen aposiolicnm.
laud. virg. 80. C. II, 15, 13 Egregim doclor veterum mommenta
secutus; cf. 500.
185. C. VIII, 4, 4 Jvngitur angelicis casta pitdla choris.
717. C. III, 27, 1 vestros lienisset cernere vultus.
734. C. VIII, 3, 7 Alternis vicibus.
795. C. IV, 26, 17 vullu nova gaudia portans.
851. V. Mart. I, 2 victricia signa reportans.
864. C. VI, 5, 123 lacrimarum flumina rumpnnt. VIH, 3, 255.
cf. 963.
897. C. IV, 8, 8 pontificalis apex; I, 15, 33.
1090. C. V, 5, 11 ditans virtute superna; cf. 1189.
1145. V. Mart. II, 88 Serien purpureis sternuntur vellera. villis.
1309. V. Mart. III, 137 et fuste dolant lacerantque flagelln.
1974. C. II, 16, 126 thalamis Christi virgo dicata micat.
2373. V. Mart. IH, 375 qvondam paradisi sede repulsus.
Zu Aldhelm und Paod.a.
583
octo princ. vit. 363. V. Mart. III, 6 iam solvo rudentes.
aen. triscaidecast. 8. V. Mart. IV, 275 vaga caerula findens.
22. Anthologia latina (ed. Riese) und Anderes.
Von den Gedichten, welche Riese in der Anthol. latina
heransgegeben, sind einige auch dem Aldhelm bekannt gewesen;
vor Allem der Rätliseldichter Symphosius. Indess bei den
Räthseln selbst hat Aldhelm den Symphosius nicht besonders
stark benutzt, wohl aber in der Metrik, wo er eine ganze
Reihe von dessen Versen als Belege für die Regeln anführt.
Nur die Objecte der Räthsel hat Aldhelm vielfach dem Sym
phosius entnommen, wie schon Ebert (Sitzungsberichte d. sächs.
Gesellsch. d. Wissensch. 1877, XXIX, S. 21 f.) dargethan hat.
Riese hat in der Ausgabe des Symphosius einige Stellen ange
merkt (unten mit R bezeichnet), welche Aldhelm diesem Dichter
entlehnt, doch lässt sich dieser Nachweis noch sehr vervoll
ständigen.
ep. ad Acirc. p. 244 1. 37. Symphos. aen. 47, 1 Dulcis odor
nemoris flamma fumoque fatigor.
p. 245 1. 32. aen. 98, 2 Ore procax non sum nec (non d?) sum
temeraria linguae (lingua B) R.
p. 247 1. 3. aen. 72, 1 Truncum terra tegit, latitant in cespite
lymphae.
p. 247 1. 11. aen. 17, 2 Nec pepli radios poscunt R.
p. 247 1. 17. aen. 84, 3 Hoc volo ne breviter mihi syllaba prima
legatur R.
p. 247 1. 19. aen. 91, 3 Nec iam terra vocor, licet ex me terra
paretur.
p. 277 1. 32. aen. 58, 3 Malo mauere niger: minus ultima, fata
verebor; cf. p. 283 1. 27.
p. 277 1. 34. aen. 22, 3 Nec gero magna simul sed congero midta
vicissim.
p. 277 1. 36. aen. 53, 3 Nolo sepulcra pati, scio me submergere
terrae.
p. 291 1. 4. aen. 24, 3 non parvam sumo saginam.
p. 291 1. 6. aen. 36, 2 Desuper ex alto virides expecto sa-
ginas.
p. 322 1. 9. aen. 52, 2 Vix tarnen effugi totis conlisa (collisa d)
medullii.
Hier ist noch ein Hexameter zu erwähnen, den Aldhehn
einführt p. 230 1. 8: et illud poeticum: Mater me genuit eadem
mox gignitur ex me. Der Vers erinnert an Symphos. 7, 3 Et
qui me genuit sine me non nasdtur ipse und 37, 3 Ex aliis
nascor nee quisquam nasdtur ex me; er findet sich weder bei
Symphosius, noch bei den späteren Räthseldichtern, auch ist
er kein Selbstcitat Aldhelms, jedenfalls aber gehört der Vers
einem Räthsel an; er wird citirt von Pompeius comment. Keil
G. L. V, 311, 9; Pompeius aber ist auch sonst noch von Ald-
helm benützt. — p. 232 1. 5 bringt Aldhelm einen angeblichen
Vers aus Isidor: Isidorus vero vocales elisit ita:
Argutusque int er latices et musica flabra.
Dieser Vers stammt aus dem Gedichte des Sisibutus (Riese,
anth. lat. 483, 2), wie schon L. Müller und Riese gezeigt
haben. Das Gedicht steht in Isidorhandschriften, daher die
Angabe Aldhelms. p. 232 1. 31 lesen wir: Andreas orator:
Filius ipse hominis qui deus est hominis.
Dieser Vers stammt aus dem Gedichte ,Andreae de Maria vir-
gine', welches Riese in der anth. lat. 766 herausgab, und welches
auch Fortunatus carm. spur. I, 43 (Andreas vs. 7) benutzt zu
haben scheint.
Dann sind drei Verse von einem übrigens unbekannten
Dichter zu erwähnen, p. 231 1. 29 unde Paulus Qnaestor elisit
m literam ita: Tartaream in sedem sequitur nov.a nupta maritum.
Der Versausgang gleicht Apoll. Sidon. C. V, 220 similis nova
nupta marito. p. 238 1. 23 Et Paulus Qnaestor ait: Arbiter aura-
rum qui fluctibus imperat atris. p. 239 1. 23 Paulus Quaestor in
gratiarum actione ait: Oceanum rapidis linquens repetensque qua-
drigis, cf. Aen. IV, 129. Aus dem Titel gratiarum. actio sowie
aus dem zweiten Verse ergibt sich, dass dieser Dichter Paulus
christliche Stoffe behandelt hat. Der zweite Vers kann der
Anfang eines Gedichtes von Paulus sein. Vielleicht ist dieser
Paulus identisch mit dem Presbyter Paulus, welchen Gennadius
de scriptor. ecclesiast. c. 75 anführt.
Auch die Dichterin Proba hat einen Vers geliefert, es
ist Vers 1 des prooeminm zum cento Vergilianus: Iam du-
dum temerasse duces pia foedera pacis. Aldhelm citirt diesen
Vers p. 312 1. 21 und sagt dabei: Proba int.er poetas clarissima
Zu Aldlielm und Baeda.
585
in exordio Virgilio-centonis, quamvis apocryphorum frivola sub
specie proplietica continentis, sed tarnen legitimam liexametri re
ff ul am servantis, eleganter deprompsit dicens.
Ferner wird ein Vers des Ambrosius citirt p. 276 1. 24
Dumque colorati rutilat plaga caemda mundi; er erinnert etwas
an Stat. Silv. I, 2, 51. Bei Ambrosius habe ich ihn nicht ge
funden. Schliesslich finden sich drei Verse, welche der Dichterin
Sibylla zugeschrieben werden (p. 231 versibus Sibyllae poetridis,
p. 245 Sibylla proplietissa, ib. Sibyllinns versus):
p. 231 1. 39 Tune ille eterni (aeterni Mai) species pnlcherrima
regni.
p. 245 1. 16 Denwmerat. tacitis tot crimina covscius ultor.
p. 245 1. 30 Vivat ut aeterno bonns ac malvs ardeat igne.
In diesen Versen ergibt sich ein unläugbarer Zusammen
hang, sie haben in Aldhelms Quelle in derselben Reihenfolge
gestanden, wie sie hier citirt werden; jedenfalls stammen sie
aus einem grösseren Gedichte über das jüngste Gericht. Woher
sie genommen sind, weiss ich nicht, da sich solche Sibyllini
versus nur sehr zerstreut vorfinden.
Ueber die Zurückführung einiger von Aldhelm citirten
Verse auf eine Versification von Büchern des alten Testaments
hatten wir schon oben gesprochen. Ferner ist eine grosse
Anzahl der Verse auf p. 236—240 augenscheinlich von Aldhelm
selbst verfasst, es sind die Verse p. 236 1. 17—25, p. 237 1. 26
- p. 238 1. 8; p. 238 I. 32 — p. 239 1. 12 und p. 240 1. 5
bis 13. Alle diese Verse dienen nur dem Zwecke, zu zeigen,
aus wie viel Spondeen oder Daktylen der Hexameter bestehen
kann: ausserdem behandeln alle dasselbe Thema in den mannig
fachsten Variationen, dass Christus am Kreuze die Schuld der
Welt auf sich genommen. Es sind nur Schulverse, zum Zwecke
der Belehrung verfertigt.
Endlich aber bleibt uns eine ldeine Anzahl von Versen
übrig, deren Autor wir nicht mehr bestimmen können:
p. 244 1. 16 0 deus Omnipotens largire viam precibus.
p. 277 1.5 Virgo Maria tibi Sixtus nova templa dicavi (ut poeta:).
p. 301 1. 26 Et sit priscorum nescia posteritas; cf. Mar. Vict.
comment. in genes. III, 188 Nescia posteritas.
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. CXII. Bd. II. Hffc.
38
IV. Die Benetzung von Prosaschriften hei Aldhelin.
Unsere obigen Zusammenstellungen haben ergeben, dass
Aldhelm in der christlichen wie in der heidnischen Dichtkunst
eine sehr ausgebreitete Kenntniss besass. Nicht das Gleiche
lässt sich von der Prosa behaupten, denn während er seine
poetischen Citate sowohl profanen als kirchlichen Dichtern ent
lehnt, beschränkt sich seine Kenntniss der Prosa im Wesent
lichen auf die theologischen Schriften, wie es schon die ganze
Art und Weise seiner literarischen Thätigkeit mit sich brachte.
Sein Stil in der Prosa ist so ausserordentlich geschraubt und
schwülstig und wimmelt so sehr von Abstracten, dass der eigent
liche Gedanke, der mit viel weniger Worten ausgedrückt werden
konnte, oft nur schwer zu erkennen ist. Er tlieilt das allerdings
mit den meisten christlichen Prosaikern seiner und der früheren
Zeit, wesentlich hat dazu beigetragen die sclavische Nachahmung
der lateinischen Bibelübersetzung. Noch ist es für jene Zeit
nicht uninteressant, zu erfahren, welche Gestalt der Bibel unserem
Angelsachsen vorlag. Ausgenommen diejenigen Stellen, welche
er offenbar aus dem Gedächtnisse .anführt, citirt Aldhelm meist
getreu wörtlich, und daher lässt sich die Frage lösen, ob er die
Itala oder den Vulgatatext benutzt hat. Weder das Eine noch
das' Andere ist der Fall, wie sich leicht nachweisen lässt aus
dem Vergleiche folgender Stellen:
Itala 1 Cor. 9,24 omnes
quidem currunt unus
autem accipit bravium.
Gen. 49, 10 et dux de fe-
moribus einst.
Psal. 44, 10 in vestitu
deaurato drcnmamicta
varietatem.
1 Cor. 9, 27 lividum facio
corpus menm. Rufin.
benedic.tio Dan. c. 3
(Migne XXI, 324) Et
macei'o covpnst menm.
2 Tim. 4, 8 de caetera
reposita ent, mihi iusti-
tiae corona.
Vulgata ib. omnest qui-
dem currunt sed, unust
accipit bravium.
et dux de femore einst.
in vestitu deanrato cir-
cumdata varietate.
castigo corpus menm.
in reliquo reposita est
mihi corona iustitiae
Aldh. p. 2 1. 28 omnes
currunt, unus tarnen
accipit bravium.
p. 7 1. 34 et dux de fe-
moribus eins.
p. 15 1. lö in vestitu de
aurato radians et cir-
cumamicta meritorum
varietate.
p. 17 1. 1 macero corpus
menm.
p. 19 1. 11 de cuetero re
posita est corona iusti
tiae.
Zu Aldhelm und Baeda.
587
Jerem. 1, 5 priusquam
exires.
Rom. 12, 19 milii vin-
dictam ego retribuam.
Cyprian, ad Demetr.
p. 222 a mihi vin-
dictam et ego retri-
huam.
1 Cor. 7,8 Dico anlem his
qui sine uxorihus sunt,
bonum est Ulis si sic
manserint.
Psal. 118,165 Pax multa
diligentibus normen tuum
et non est in Ulis scan-
dalum.
Luc. 7,47 dimittuntuv illi
peccata multa.
Jac. 2,19 Tu credis quia
unus deus.
Apoc. 5, 8 et cum acce-
p'isset librum.
Gen. 4, 6 quare concid.it
vnltus tu,us.
Psal. 1,3 Foliumeius non
decidit.
•Tos. 1, 8 non recedet Uber
legis liuius ex ore tuo
et meditaberis in eo die
ac nocte.
Psal. 61, 11 divitiae si
fiuant, nolite cor adpo-
nere.
antequam exires.
mihi vindicta, ego retri
buam.
dico autem non nuptis et
viduis, bonum est illis
si sic penrianeant.
Pax multa diligentibus
legem tnam et non est
illis scandalum.
remittuntur ei peccata
multa.
tu credis quoniam unus
est deus.
Et cum aperuisset librum.
cur concidit facies tun.
Folium eins non defluet.
non recedat volumen legis
liuius ab ore tuo sed me
ditaberis in eo diebus
a.c, noctibus.
divitiae si affinant nolite
cor apponere.
p. 21 1.10 antequam pro-
cederes
p. 38 1. 32 mihi vindic-
tam et ego retribuam
p. 76 1. 10 dico innuptis
et viduis, bonum est
illis si sic permanse-
rint.
p. 84 1.9 pax multa dili
gentibus nomen tuum et
non est in illis scan
dalum.
]). 87 1. 24 Pemittuntur
illi peccata multa.
p. 88 1. 30 tu credis quia
unus est deus
p. 315 1. 9 et cum com-
plicuisset librum.
p. 321 1.31 quare concidit
vultus tuus.
p. 324 1. 19 folium eins
non decidit.
p. 329 1. 6 non recedat
über legis de ore tuo et
meditaberis in ea die
ac nocte.
p. 329, 1. 11 Divitiae si
adfuerint nolite cor ap
ponere.
Die anderen sehr zahlreichen Bibelcitate Aldhelms sind
entweder solche, deren Wortlaut mit der Vulgata stimmt oder
wo Vulgata und Itala dasselbe bieten. Wir ersehen aus dem
( >bigen, dass Aldhelms Bibeltext zuweilen genau die Itala wieder
gibt, oft aber auch in der Mitte zwischen Itala und Vulgata
steht; im Allgemeinen nähert er sich, wenn man die unerwähnt
gebliebenen Citate hinzuzieht, mehr der Vulgata, mehrfach aber
entfernt er sich von beiden Recensionen. Und es ist kaum
glaublich, dass Aldhelm bald den einen, bald den anderen Text
benutzt habe, es muss ihm deshalb ein Text Vorgelegen haben,
der zwischen Itala und Vulgata stand.
38*
588
Man i t i u s.
Ich lasse nun gleich hier die ermittelten Bibelcitate bei
Aldhelm folgen.
p. 2 1. 28: 1 Cor, 9, 24. p. 3 1. 18: 1 Cor. 9, 25. 26. p. 6
1. 1: Psal. 83, 7. p. 7 1. 18: Apoc. 14, 4. p. 7 1. 33: Gen. 49, 10.
p. 9 1. 33: Luc. 7, 47. p. 13 1. 21: Esai. 11, 1. p. 14 1. 3:
Luc. 18, 14. p. 15 1. 14: Psal. 44, 10. ib. 1. 26: Tob. 2, 19.
ib. 1. 32: Exod. 39, 2. 22. p. 16 1. 23: Matth. 25, 5. 6. ib. 1. 30:
Act. 9, 15. ib. 1. 31: 1 Cor. 7, 34. p. 17 1. 1: 1 Cor. 9, 27.
p. 17 1. 10: 1 Cor. 7, 34 (Tertull. de velandis virgin. c. 14).
ib. 1. 17: Esai. 3, 18. ib. 1. 26 sq.: Apoc. 17,3.4. p. 18, 1:
Matth. 11, 12. ib. 1. 12: Matth. 22, 30. ib. 1. 19: 1 Cor. 7, 25.
ib. 1. 25: Gen. 1, 28. ib. 1. 28: Matth. 19, 12. ib. 1. 36: Matth.
19, 11. p. 19 1. 10: 2 Tim. 4, 7. p. 21 1. 10: Jerem. 1, 5.
ib. 1. 21: Matth. 19, 12. p. 22 1. 18: Dan. 5, 25—28. p. 23
1. 33: Matth. 5, 8. p. 25, 1. 27: Joann. 21, 22. p. 35 1. 25: Luc.
13, 35. p. 38 1. 6: Psal. 26, 12. ib. 1. 32: Rom. 12, 19. p. 42
1. 9: Matth. 10, 8. p. 46 1. 18: Gen. 42, 38. ib. 1. 26: 1 Tim.
6,14. p. 59 1. 8: Matth. 5, 14. 15. ib. 1. 31: Psal. 26, 12. ib. 1. 35:
Psal. 26, 13. p. 60 1. 26: 2 Reg. 6, 6. 7. ib. 1. 27: Hebr. 9, 4. p. 72
I. 4: 2 Reg. 21, 17. p. 73 1. 8: Psal. 109, 4. ib. 1. 12: Hebr. 7, 3.
ib. 1. 25: Gal. 6, 14. p. 74 1. 10: 1 Petr. 3, 3. ib. 1. 15: Matth.
II, 8. ib. 1. 20: 1 Tim. 2, 9. ib. 1. 32: Gal. 6, 14 (Cyprian, de
habitu virg. 5. 6). p. 75 1. 2: Apoc. 17, 4. p. 76, 10: 1 Cor.
7, 8. ib. 1. 20: Judith 10, 3. p. 76 1. 30: Prov. 7, 10—23. p. 77
1. 16: Lev. 8, 7. ib. 1. 24: Exod. 27, 3. p. 79 1. 10: Eccles. 3, 7.
p. 81 1. 36: Jac. 5, 16. p. 84 1. 9: Psal. 118, 165. ib. 1. 13:
Psal. 112, 9. ib. 1. 21: 1 Cor. 11, 6. ib. 1. 25: Matth. 5, 9.
ib. 1. 29: Luc. 2, 14. ib. 1. 31: Psal. 121, 7. p. 85 1. 30: 1 Petr.
2, 9. p. 86 1. 35 sq.: Rom. 16, 16. Joann. 13, 5. p. 87 1. 2:
Joann. 13, 15. ib. 1. 14: Matth. 23, 25. ib. 1. 15: Matth. 9, 11.
ib. 1. 24: Luc. 7, 47. ib. 1. 35: Matth. 16, 18. p. 88 1. 30: Jac.
2, 19. 20. ib. 1. 37 sq.: 1 Cor. 13, 2. 3. p. 89 1. 10: 1 Cor. 3, 11.
ib. 1. 13: Matth. 16, 18. p. 93 1. 13: Prov. 5, 15- 17. p. 94,3:
Psal. 39, 11. p. 101 1. 7: Prov. 6, 1. 2. ib. 1. 33: Matth. 10, 22.
p. 116 vs. 56: Psal. 32, 2. p. 126, X, 11: Psal. 17, 12. p. 144
vs. 310 sq.: Jerem. 1, 5. p. 145 vs. 334: Dan. 7, 7. p. 148
vs. 430: Matth. 3, 17. p. 160 vs. 884: Psal. 115, 13. p. 167
vs. 1146 cf. Psal. 143, 13. p. 219 1. 1: Eccles. 11,2. p. 225
1. 33: Job 38, 31. p. 226 1. 28: Psal. 17, 12. p. 227 1. 26: Rom.
Zu Aldhelra und Baeda.
589
5, 4. 5. ib. 1. 33 : Psal. 44, 2. p. 228 1. 17 : Coloss. 2, 5. p. 229
1. 32: Judic. 9, 8-15. p. 230 1. 3: 4 Reg. 14, 9. ib. 1. 6: Psal.
95,12.97,8. ib. 1. 13: Eccles. 3, 19. p. 278 1. 29: 1 Reg. 25,18.
p. 305 1. 30: Exod. 1, 16. p. 308 1. 21: Psal. 67, 26. p. 311
1. 26: Apoe. 4,6. p. 314 1. 28: Psal. 65, 15. p. 315 1. 9: Apoc.
5, 8. p. 319 1. 21: Cant. 1,11. p. 320 1. 5: Prov. 6,13. ib. 1. 22:
Jacob. 1, 12. ib. 1. 23: Prov. 23, 29. p. 321 1. 31: Gen. 4, 5. 6.
ib. 1. 35: 1 Reg. 2, 9. p. 322 1. 13: Psal. 34, 5. p. 323 1. 1:
Eccles. 1, 7. ib. 1. 25: Psal. 76, 5. p. 324 1. 19: Psal. 1, 3. ib.
1. 20: 1 Petr. 1, 24. p. 329 1. 6: Jos. 1, 8. ib. 1. 11: Psal. 61,11.
p. 332 1. 19: Eccles. 11, 10. ib. 1. 23: Matth. 16, 26. 27.
Wie ersichtlich, erstrecken sich diese Citate aus der Bibel
auf siimmtliche Schriften Aldhelms, Poesie und Prosa nehmen
gleichmiissig daran tlieil, wie es durchaus Sitte jener Zeit ist.
Wir wollen nun bei dem zweiten Haupttheile unserer Unter
suchung, der Zusammenstellung der Citate Aldhelms aus Prosa
schriften, einen etwas anderen Weg einschlagen als oben, näm
lich an der Hand der einzelnen Werke Aldhelms der Reihe
nach die benutzte Prosa aufführen. Wir beginnen mit der epist.
ad Acircium, in welcher vor Allem die frühere Grammatik und
Metrik in Betracht kommt. In dem ersten Theile dieses Werkes,
soweit er über den Hexameter handelt, ist die Schrift des Audax
(Keil, G. L. VII, 320—362) die Hauptquelle, wie schon Keil ge
zeigt hat; p. 336—341 K. hat Aldhehn fast wörtlich abgeschrieben
und zugleich die Verse, welche Audax in diesem Abschnitte
de liexametro versu heroico citirt, meistens mit hinübergenommen.
Ich lasse die Stellen in der Linienzahl bei Keil und Giles folgen.
Zunächst verbirgt Aklhelm seine Quelle geflissentlich, denn
p. 233, 8 sagt er, er wolle für sein Werk die Frage- und Ant
wortform gebrauchen, da auch der heilige Augustin in den Soli-
loquia und in den Büchern de libero avbitrio, de deo und de
musica (1. 12 dele quae) angewendet hätte; auch Isidor habe
dasselbe in seinen Synonyma gethan. Dann beruft er sich auf
Junilius, der in dem Buche de part. divincie legis an Papst Pri-
masius gleichfalls die katechetische Form angewendet habe.
Ohne Zweifel hat nun Aldhelm die letztere dem Junilius ent
lehnt, da er sein Werk zu einem Dialoge zwischen Lehrer und
Schüler werden lässt, jedenfalls aber hat die gleiche Form bei
Audax ebenso gut auf ihn eingewirkt.
590
M ani tius.
Keil p. 336, 14—23 = GUes p. 233, 29-234, 4 (Keil 23
colobos, Aldh. colophos). ib. 23—27 — G. p. 234, 5—10. K.
p. 337, 3—338, 20 = G. p. 234, 11—235, 23. K. p. 338, 20—26
= G. p. 235, 23. 24. 27-33. K. ib. 26—339, 5 = G. p. 235,
35-236, 9. K. ib. 5—10 = G. p. 236, 26-33. K. p. 339,
10-13 = G. p. 238, 9—13. K. ib. 13. 14 = G. p. 239, 13—15.
K. ib. 14. 15 = G. p. 239, 31—33. K. ib. 15—17 = G. p. 240,
14-16. K. ib. 17—19 = G. p. 240,20—24. K. ib. 19-26
= G. p. 241, 8-18. K. ib. 28—340, 5 = G. p. 241, 24-32.
K. p. 240, 6 —11 = G. p. 244, 19 — 24 (Keil 7: coniunctus di-
strictus mixtus divisus, Aldh.: Districtus divisus mixtus.Priapeius).
K. ib. 12—14 = G. p. 245, 1-4. K. ib. 15. 16 = G. p. 245, 8. 9.
K. ib. 18-22 = G. p. 245, 21—25. 28. 34. K. ib. 24—341, 2
= G. p. 245, 35—38. K. p. 341, 3—7 = G. p. 246, 1-8.
Ausserdem mag hier erwähnt werden, dass Aldhelm als
Beispiele für die dreisilbigen Versfüsse fast stets auch diejenigen
Wörter bringt, welche Audax gibt. So p. 284 1. 31 f. Audax
K. p. 335, 4. p. 292 1. 23 cf. K. 335, 6. p. 296, 35 cf. K. 335, 27.
p. 298 1. 3 cf. K. 335, 26. p. 299 1. 16. 18 cf. K. 335, 25. p. 301
1. 21 cf. K. 336, 8. p. 313 1. 15. 16 cf. K. 336, 12. p. 314 1. 27
cf. K. 336, 4. p. 316 1. 4. 5 cf. Iv. 336, 5. p. 317 1. 10 cf. K.
336, 6. p. 318 1. 9 cf. K. 336, 7.
Nun schreibt aber Aldhelm den Audax nicht so wörtlich
ab, als dass wir mit Sicherheit die Beschaffenheit der ihm vor
liegenden Handschrift ermitteln könnten. Nur im Anfänge folgt
Aldhelm dem Audax genau und der Vergleich beider lehrt
Folgendes:
Aud. p. 336, 22 admisso utique (itaquti UM); itaque Aldh.
p. 234, 2.
Aud. p. 337, 14 Qui hexametri (sunt add. V); Qui sunt hexa-
metri Aldh. 234, 26.
Aldhelm folgt hiernach einer bekannten Handschrift oder
deren Vorlage nicht.
Noch sind zwei Stellen zu erwähnen, aus denen hervor
geht, dass der Text von Mai mehrfach das Ursprünglichere
bietet als Giles: Aud. 336, 26 quorurn unum venit ex yraeca
enunticitione alter um ex latina; Giles 234, 9 quorum unum venit
ex Graeco, alterum ex Latino; Mai 522, 27 quorum unum venit
ex Graecci enuntiatione alter ex Latina, Aud. 337, 25 in versu
Zu Aldhelm und Bacda.
591
liexametro dactylico sive heroico; Giles 235, 1 in versu dactylico
hexametro heroico; Mai 523, 23 in versu liexametro dactylico sive
liexametro heroico.
Von Versen, die nicht aus Vergil stammen, nimmt Aldhelm
aus Audax folgende in sein Werk auf:
Aud. 338, 29 Introducuntur leyati Minturnenses (hii producuntur
]U) = Enn. Annal. 603 ed. Vahl; Aldh. 235, 39.
340, 3 lnterea tenero mihi bucula pascere gramine, Aldh. 241, 30.
340, 5 At tuba terribilem sonitum procid excitat horrida, Aldh.
241, 32.
Eine zweite wichtige Quelle für Aldhelm ist Priscian, den
er in sehr verschiedener Weise benutzt. Schon oben sahen wir,
dass einige Juvenalverse dem Priscian entstammen. Hierzu
kommen dann vor Allem Beispiele für die einzelnen Versfiisse,
indem Aldhelm hierzu die reichen Sammlungen der Wörter bei
Priscian benutzt. Ausserdem sind zuweilen grössere Stücke
aus Priscian direct abgeschrieben oder dem Priscian zugehörige
grammatische Regeln in die Darstellung Aldhelms eingeflochten.
Ich lasse die benutzten Stellen folgen:
Aldh. p. 283, 5. Prise. K. G. L. II, 149, 4 Flamen sacerdos Jovis.
p. 283, 17. Prise. II, 460, 5 pungo pupugi.
Aldh. p. 286, 13. 14. Prise. II, 128, 14 ubertas . . . paupertas,
16 Ubertas, 21 maiestas.
p. 290, 34. Prise. II, 338, 18 Iuvenalis in V: Hesternum solitus
medio servare minutal | Septembri. Mai bietet jedenfalls
richtig libro V, während Giles libro XIV gibt, was wohl
auf späterer Aenderung beruht, da der Vers aus Satire XIV
genommen ist.
p. 295, 1. 2. Prise. II, 122, 6 Cartliago sartago caligo uligo . . .
ferrugo aerugo; cf. p. 317, 12 sq.
p. 295, 4. 5. 7. 9. Prise. II, 562, 13 Sunt quaedam qaae cumfor-
mam habeant participiorum tarnen carentia tempore nomina
esse ostenduntur ut galeatus ... 17 cristatus . . . cerritus.
p. 295, 12. 13. Prise. II, 109, 23 paulus . . . pauxillus; 110, 6
talus taxillus; 111, 10 tantulum tantillum, 14 culter cultel-
lus, paulus pauxillus.
p. 296, 36. Prise. II, 105, 15 cuticula . . . avicula, 22 fidicula;
106, 18 aculeus; 107, 13 apicula; 114, 20 equuleus; 115, 8
canicula.
592
Man itiu s.
p. 297, 9. Prise. II, 106, 18 geniculum; 124, 13 patibulum.
p. 297, 28 Nam e in pemdtimo snbiunctivi modi tempore perfecto
praeterito semper corripitur ut Prisciani auctoritas approbat.
Hier wird Priscian zuerst von Aldhelm citirt, doch habe
ich weder die Stelle bei Priscian selbst, noch hei einem
andern Grammatiker gefunden, der hier auf Priscian zu
rückgehen könnte.
p. 299, 1. Prise, II, 128, 11 procacitns.
p. 299, 2— 4. Prise. II, 188, 10 alia triptota — 16 aliu penta-
ptota; 123, 7 hirundo har.undo.
ib. 17—19. Prise. II, 122, 27 magnitudo. Das bei Aldhelm vor
ausgehende fortitudo ist jedenfalls unrichtig, da dasselbe
Wort 1. 19 wiederkehrt; vielleicht ist es in formitudo zu
ändern, da dies Wort bei Priscian auf magnitudo folgt;
123, 3 fortitudo.
ib. 21—24. Prise. II, 80, 25 anserinus . . . passerinus; 76, 14
Adrianus . . . Claudianus . . . rusticanus . . . oppidanus,
22 masculimis femininus; 82, 5 Gaditanus; 79, & Maximi
nus, 18 formicinus.
ib. 27. Prise, n, 137, 22 ludibundus
ib. 29. Prise. II, 441, 26 a paludamento paludatus; 15 togatus.
p. 300, 18—21. Prise. II, 138, 22 harenosus (arenosus jD); 441,
22 capillatus, 26 a paludamento paludatus.
p. 301, 22, 24. Prise. II, 130, 13 luxuries . . . illuvies.
p. 304, 31—33. Prise. II, 103, 12 paupercula . . . matercula;
104, 4 maiuscula; 107, 1 fornacula . . . cervicula; 108,
14 virguncula; 107, 4 in es productam desinentia feminina
tertiae declinationis vel quintae abiecta s et adsumpta cula
faciunt diminutiva et servant e pvoductam ut vulpes vul-
pecula, nahes nubecula . . . vepres veprecula . . . merces
. . . mercedula; 142, 2 matertera. 124, 10 cunabulvm.
p. 305, 8. 14. Prise. II, 105, 5 rumor rumusculus; 103, 10 frater
fraterculus, pater paterculus; 104, 4 maius mäiusculus; 12
2>lus . . . complusculos. 108, 9 latro latrunculus carbo
carbunculus; 109, 4 für furunculus, 6 leno lenünculus; 23
paulus . . . pauxillulus; 108, 5 tiro tirunculus; 110, 14
rana ranunculus; 75, 25 Tiorno hornotinus.
ib. 14—16. Prise. II, 109, 23 paiäus paululus pauxillus pauxil
lulus, 15 agnus agnellus; 105, 16 mons monticulus.
> -‘-nr"
■MHHi
Zu Aldhelm und Baeda. 593
ib. 22. 23. Prise. II, 75, 8 collarium' quod in collo est, 9 palmar i um
quocl in palma est, hoc est in laude; 103, 19 corpus corpus-
culum.
p. 306, 25 sq. Prise. II, 119, 11 laetitia . . . duritia. 105, 14
navis navicida . . . clavis clavicxda, 17 lens lenticula, pars
particula, dideis . . . dulcicula; 121, 6 assequor assecula.
ib. 27—29. Prise. II, 105, 22 similiter jidis fidicula.
ib. 31—307, 3. Prise. II, 106, 2 et cum omnia huixiscemodi dimi-
nutiva tarn paenidtimam quam antepaenultimam corripiunt,
cuticula i antepaenultimam producit. Iuvenalis: Combibet
aestivum contractu cuticula solem. Quod eum facere metri
necessitas compxdit. Quatuor enim breves habens dictio in
lieroico poni aiiter non poterat quamvis Virgilius huiuscemodi
nomina soleat proceleusmaticos poncre, ut: labat ariete crebro.
p. 307, 8—20. Prise. II, 105, 17 pons ponticulus; 112, 1 pannus
quod panniculns facit; 115, 15 praeterea panus panucula;
105, 16 fons fonticulus, 14 ignis igniculus, testis testiculus;
106,16 currus curriculus, dicitur tarnen et hoc curriculum;
versus versiculus, artus articuliis, fluctus flucticulus, anus ani-
cula; 103, 15 venter ventriculus . .. Iuvenalis in primo: Infra
'ventriculum et tenui distantia rima; 105, 17 pons ponticulus
. . . dulcis dulcicidus; 291, 12 Iuvenalis in V: . . . Audiet
Herculeo stridentem gurgite solem.
p. 308, 32—34. Prise. II, 124, 2 augurium, 5 consilium, 11 turi-
bulum, 14 vestibulum.
p. 309, 2, 3. Prise. II, 144, 5 agricola caelicola . . . Graiugena.
(Aen. VII, 674 nubigenae cum vertice montis ab alto | De-
scendunt centauri).
ib. 9—12. Prise. 11,392,16 ludificor; 396, Ki progredior, 377, 7
perficio . . . officio . . . efficio . . . conficio; 401, 1
comperio.
ib. 30, 31. Prise. II, 138, 10 novacula; 105, 7 sororcula, 107, 6
diecida, 113, 18 puellida.
ib. 35—37. Prise. II, 105, 1 lepusculus; 108, 12 peduncidus; 109,1
liomo homunexdus . . . dicitur tarnen et homuncio et homullus
et homulluhis . . . Cicero . . . homullus ex argilla et lut.o
fictus.
p. 310, 2 sq. Prise. II, 97, 5 Etiam veterrimus notandum quod
cum in us desinat eins positivus tarnen formam in er termi-
594
Man i ti us.
nantium servat in superlativo, veterrimus quasi a veter posi-
tivo, quod Capri quoque probat auctoritas et icsus antiquissi-
mornm. Ennius: Cum veter occubuit Priamus sab Marte
Pelasgo.
ib. 10—18. Prise. II, 95, 2 pulcher pulcherrimus, miser miserrimusi
pauper pauperrimus. Excipitur dextimus et sinistimus pro
dexterrimus et sinisterrimus. Sallustius in Iugurthino: Sidla
(Sylla RBDHK) cum equitatu apud dextimos, in sinistra
parte Mallius cum fundatoribus.
ib. 19. 20. Prise. II, 96, 18 Excipiuntur haec: facillimus . . .
gracillimus, humillimus, simillimus . . . agillimus.
ib. 21. Prise. II, 103, 20 opusculum; 104, 4 maiusculum.
p. 311, 19. Prise. II, 562, 14 galeatus . . . tunicatus . . . trabeatus.
ib. 24. Prise. II, 138, 25 numerosus . . . onerosus.
p. 315, 10. 11. Prise. II, 468, 25 Domo domas domui, crepo
crepas crepui, frico fricas fricui, mico micas micui, seco
secas secui, sono sonas sonui, tono tonas tonui, veto vetas
vetui.
p. 318, 13. 17. Prise. II, 125, 14 sacramentum .. . fundamentum,
20 fulcimentum.
ib. 20—21. Prise. II, 75, 12 armamentarium in quo arma posita
sunt. III, 462, 33 armentum et ab eo armentarius.
Eine dritte wichtige Quelle bildet Donat mit seinen zahl
reichen Commentatoren, die wir hier gleich im Zusammenhänge
behandeln wollen. Es kommen hier in Betracht Servius, Sergius
und Pompeius. Zugleich mögen hier die benutzten Stellen aus
Phocas, sowie diejenigen aus Diomedes stehen, da letzterer
dieselben Quellen wie Donat benutzt hat.
Aldh. p. 246, 34. Diomed. K. Gr. L. I, 497, 11 penthemimens
est semiquinaria.
p. 246, 37 sq. Serg. K. IV, 523, 18 nt syllaba quae relinquitur
post duos pedes terminet partem orationis.
p. 247, 6. Diom. I, 497, 23 heplitliemimeres Patina lingua trans-
laia semiseptenaria.
ib. 7. Serg. IV, 523, 19 item post tres pedes syllaba remanens
facit hephthemimeren, ut in eadem pars orationis finiatur.
ib. 14 sq. Diom. I, 497, 20 secunda est y.wcä xoiiov zqoyalov in
qua finita parte orationis tertium trochaeum ponas a qtio
nomen traxit.
Zu Aldhelm und Baeda.
595
ib. 22 sq. Diom. 1, 498, 1 haec duabus additis brevibus quartam
incisionem efficiet ita ut quarto dcictylum invenias . . . sunt
qui ... ex eo v.mä 'cexaqiov rgoyatov appellant. p. 497, 9
quartci tetrapodia bucolice dicitur.
p. 273, 16. Serv. de cent. metris, K. IV, 458, 24 Pauper poeta
nescit antra musarum.
ib. 30 sq. Donat. IV, 369, 19 pedes disyllabi sunt quattuor,
trisyllabi octo, duplices sedecim.
p. 274, 4 sq. Donat. IV, 369, 17 accidunt uni cuique pedi arsis et
thesis, numerus syllabarum, tempus, resolutio, figura, metrum.
ib. 7 sq. Sei'g. IV, 480, 13 arsis et thesis, hoc est elevatio et posi-
tio; sed arsis in prima parte, thesis in secunda ponenda est.
ib. 16. 17. Serg. 481, 11 Omnes pedes tres divisionum formulas
tenent sed. has quae ad grammaticos pertinent.
ib. 17 sq. Donat. IV, 370, 32 alterum tripla alterum epitrita
divisione partimur, universorum pedum trina condicio repe-
ritur. In aliis enim aequa divisio est, in aliis dttpla in aliis
sescnpla; et prima dactylica, secunda iambica, tertia paeonica
n ominatur.
ib. 24 sq. Pompei. K. V, 124, 10 divisiones quae aequae dicun-
tur . . . pyrrhichium habent, spondeum dactylum, anapae-
stum, proceleumaticum, dispondeum, diiambum, ditrochaeum,
antispastum, choriambum.
ib. 30 sq. Serg. 481, 18 dupla est, quotiens altera pars alteram
partem duplo vincit.
ib. 30. Pompei. V, 124, 26 habes iambum trocliaeum molossum
tribrachum, ionicum maiorem et ionicum minorem; isti sunt
tantum pedes qui habent duplam divisionem.
ib. 34 sq. — 275, 5. Pompei. V, 124, 28 sescupla est (quotiens
altera pars alteram partem non duplo vincit sed dimidie-
tate dupli . . . sescum enim dicitur dimidium: et est in
istis peclibus bacchius sescuplam habet divisionem, antibac-
chius, ampliimacrus et paeones.
p. 275, 8. Serg. IV, 482, 19 Verum lex accentuum ita est, quod
syllabae in quibus isti poni debeant a fine numerantur.
ib. 11 sq. Pompei. V, 127, 34 accentus tres habet locos, ultimum
paemdtimum, antepaenultimum; 128,4 acutus accentus apud
Latinos duos habeat locos, antepaenultimum et paenultimum,
circumfiexus . . . paenultimum.
596
M a n i t i u s.
p. 277, 12 sq. Diom. I, 343, 13 hio Mas ex quo iterativum figu-
ratur Meto liietas; inchoativum vero ßguratur Msco hiscis;
19 gelo . . . gelasco.
p. 295, 20. Serg. IY, 477, 11 exantlavit. quod in Plauto lecturn
est. hoc est exhaurivit.
p. 295, 27—29. Diom. I, 343, 7 item labascit, 11 item amo veteres
inchoativo modo amasco dixerunt, 19 gelo . . . gelasco . . .
lento lentas . . . ex hoc inchoativum lentesco4
p. 315, 7—15. Phocas K. V, 431, 15 seco secui, domo domui,
frico fricui, veto vetui, sono sonui, tono tonui, mico mictii,
crepo crepui, plico plicui . . . plico tarnen utramque fonnam
servat in praeterito, nam et plicavi et explicavi dictum est.
p. 318, 23 sq. Serv. IV, 442, 35 praepositiones aut ipsa verlm
corrnmpunt ut conßcio, nam erat integrum facio; aut ipsae
corrumpuntur ab integris verbis ut affero, nam erat inte
grum fero; aut utrumque et corrumpunt et corrumpuntur ut
afficio.
p. 319, 22—24. Serv. IV, 426, 7 Accentus dictus est quasi adcan-
tus secundum Graecos qui jrooaoidiav vocant.
p. 322, 18. Phocas V, 421, 28 caput capitis et quae ex eo com-
ponuntur, occiput occipitis, sinciput sincipitis.
p. 325, 6sq. Donat. IV, 371, 2 toni igitur sunt tres, acutus gravis
circumflexus, 31 Acutus accentus est nota per obliquum as-
ceudens in dexteram partem, 9 ut fax (pax S JP) pix nux,
32 gravis nota summo in dexteram partem descendens, 14
ut bonus malm, 32 circumflexus nota de acuto et gravi
facta, 12 ut meta (moeta L).
Ausserdem ist zu erwähnen, dass Aldhelm aus der Schrift
des Servius de centum metris drei Verse abschreibt, nämlich
folgende:
Aldh. p. 244, 11. Serv. IV, 461, 19 Alma Venus Paphon ingre-
ditur rosa luceat ex adytis.
ib. 18. p. 461, 9 Pulchra (pulcra JV S) puella comas ambit sibi
palmitibus.
1 Der Valerius grammaticus, den Aldhelm citirt, ist mir unbekannt. Auch
deswegen erscheint mir das Citat bedenklich, da Aldhelm p. 276, lö
angibt, dass Valerius ordo statt coniugatio gebraucht habe (cf. Charis.
K. I, 168, 34 sq. 563, 6). Hier aber setzt Aldhelm coniugatio ein.
Zu Aldhelm und Baeda.
597
p. 241, 37. p. 401, 16 Sidera pallida diffugiunt face territa
luminis.
Auch mit anderen grammatischen Schriften zeigt Aldhelm
noch Verwandtschaft, man vergleiche:
Aldh. p. 276, 11—20. Fragm. Bob. K. VII, 544, 11 Liquor si
nomen est, corripitur, si verbum producitur (Georg. I, 44).
279, 5. Vel. Long. K. VII, 75, 12 aucupare et aucupium ... et
idem tarnen aucipis malo quam aucupis.
p. 296, 35. Mar. Vict. VI, 221, 19 de ectasi. interdum in nomi-
nibus appellativis prima syllaba contra naturam producitur
quia aliter in versu poni non potest, ut ,Italiam contra 1 .
p. 308, 22. Prob. K. IV, 3, 10 hie et haec et hoc verna, liic et
haec et lioc advena.
ib. 23 — 25. Martyr. de B et V, K. VII, 175, 8 her na quod nomen
licet ego inveni per v digammon scriptum . . . si enim berna
domi genitum sigmficat . . . per b mutam scribitur. Si
vero temporale quiddam denuntiet, erit mobile, a vere nam-
que vernus verna vernum fit.
p. 320, 11—13. Eutych. K. V, 481, 16 aggero ... ex quo verbo
nomen fit, agger.
In sehr bedeutendem Masse aber ist von Aldhelm der
westgothische Grammatiker Julianus von Toledo benutzt worden,
der sich an Mallius Theodorus und Pompeius so eng ange
schlossen hat und ein ausführliches Werk in der Art des
Donatus und seiner Commcntatoren schrieb (ed. Lorenzana,
Rom 1797 Fol.). 1 Da der Vergleich der Stellen wegen der Selten
heit dieser Ausgabe nicht leicht sein dürfte, so schreibe ich
den Julianus hier aus.
Aldh. p. 230, 6—9. Julian, ed. Rom. p. 38 c. 176 ab animali
ad inanimale . . . plaudent manu omnia lingua silvae, item
exultatione colles accingentur etc. ib. p. 46 c. 206 Mater
me genuit eadem. mox gignitur ex me.
p. 230, 34. 35. Jul. p. 10 c. 33 Syllabarum aliae sunt breves
aliae longae aliae communes.
p. 247, 14 sq. Jul. p. 49 c. 219 Cata triton trochaeon quid estl
Quoties in tertia regione talis dactylus ponitur; 22. ib. 219
1 Die Benützung’ dieses sehr seltenen Buches verdanke ich der Güte des
Herrn Prof. H. Keil.
598
Maniti ns.
Cata tetarton Bucolicon quid est? Cum in quarto dactylo
similiter accidit, nt in ipso quarto dactylo dempta novissima
syllaba et pars et pes trochaeus simvl finiantur.
p. 284, 20 (de trochaeo). Jul. p. 21 c. 85 quot tempora habet?
tria: arsis vendicat duo, thesis unum.
p. 284, 26 (de tribracho) Jul. p. 21 c. 86 (Keil, V, 322, 36 sq.)
tribrachus ex quibus syllabis constat? Ex tribus brevibus
nt dominus . . . tribrachus . . . appellatur . . . quasi ex
tribus brevibus, ßoc<yv enim graece breve dicitur.
p. 286, 7. Jul. ib. 86 quot tempora habet? tria, arsis vendicat
duo, thesis unum.
p. 286, 27—30. Jul. p. 22 c. 87 (de molosso) cuius divisionis
est? duplae. quomodo? qitia arsis habet duo tempora. et thesis
quatuor.
p. 287, 27 (de anapaesto). Jul. ib. c. 88 quot tempora habet?
Quatuor. cuius divisionis est? aequae, quia arsis duo tem
pora habet et, thesis duo.
p. 287, 32 (de dactylo). Jul. ib. c. 89 ideo pes ipse dactylus
dicitur quia Gi'aeci digitum dactylum. appellant. dactylus
a digito dictus quod a longiori nodo inchoans in duas de-
sinit breves.
p. 290, 6—8 lässt ersehen, dass Aldbelm ein vollständiges Exem
plar des Julian vorliegen hatte, denn in dessen Hand
schrift findet sich hier eine Lücke und Julian ist der
einzige Grammatiker , der die tempora und divisio eines
jeden Versfusses so genau angibt wie Aldhelm. Gleich
falls fehlt weiter unten bei Julian die Erörterung über
den Ditrochaeus.
p. 290, 10 (de amphibracho). Jul. ib. c. 90 unde habet etymolo-
giam? eo quod ex utraque parte brevem liabeat syllabam.
p. 292, 15 sq. Jul. ib. c. 90 quot tempora habet? quatuor. Cuius
divisionis est? nullius quia Donato informis et inconditns
indicatur.
p. 293, 16—22 (de amphimacro). Jul. ib. c. 91 unde habet ety-
mologiam; eo quod hinc inde longam habet syllabam, una
brevi in medio interiacente; ib. Quot tempora habet? quin-
que. cuius divisionis est? sescuplae. quomodo? quia arsis
habet tria tempora, thesis duo. Jul. p. 30 c. 129 macro-
logia est longa sententia.
Wmm
Zn Aldhelm und Baeda. 599
p. 294, 12 sq. Jul. ib. c. 92 unde habet etymologiam? Bacchius.. .
dictus eo quod bacchicis maxime conveniat cantibus vel quia
ipso pede Bacchia id est Liberi sacra celebrantur. ib. 25.
Jul. ib. c. 92 cuins divisionis est? Sescuplae.
p. 294, 28 sq. Jul. ib. c. 93 quis est ist./, contrarius? antibac-
chius . . . unde habet etymologiam ? eo quod contrarius sit
bacchio, avzL enim graece contra dicitur.
p. 297, 31 sq. Jul. p. 23 c.'94 cuius divisionis est ? aequae, arsis
habet duo tempora et thesis duo.
p. 298, 31. Jul. ib. c. 95 cuius divisionis est ? aequae, arsis habet
quatuor tempora et thesis quatuor.
p. 301, 11 sq. Jul. ib. c. 97 quibus temporibus constat? Senis.
cuius divisionis pedes sunt? aequae, quia tanta tempora habet
arsis, quanta et thesis.
p. 302, 15. Jul. ib. c. 98 cuius divisionis est? Aequae.
p. 304, 14 sq. 306, 11 sq. Jul. ib. c. 99 arsis habet quatuor tem
pora, thesis vero duo. Cuius divisionis est ? duplae . . . sic
ionicus minor per ipsum requirendus est ordinem sicut et
maior.
p. 309, 22 sq. 311, 7 sq. 312, 35 sq. 314, 18 sq. Jul. p. 24 c. 100
Paeon primus . . . secundus . . . tertius . . . quartus . . . qui
bus temporibus consiant? quinis. Cuius divisionis sunt? Ses
cuplae.
p. 315, 33 sq. 316, 36 sq. 317, 29 sq. 324, 26 sq. Jul. ib. c. 101
quot. tempora habent? septena. cuius divisionis sunt? nullius.
p. 325, 17. Jul. p. 51 c. 230 Ingentes actus carmina nostra
canunt.
p. 326, 6. Jul. p. 52 c. 232 Et nihil est quod amem Flaminia
minus.
p. 326, 25—30 cf. Jul. p. 24. 25 c. 103 (Schemata, synzygiarum).
p. 326, 30 sq. cf. Jul. p. 24 c. 102.
Auch das lexikographische Werk des Nonius Marcellus
finden wir bei Aldhelm öfters benutzt, besonders für die Ety
mologie schwieriger und seltener Wörter. Ich citire hier Nonius
nach der Ausgabe von Gerlack und Roth, Basel 1842.
Aldh. p. 280, 27 sq. Non. p. 17 nam et varices in.de dicuntur
venae in suris inßexae vel obtortae.
p. 282, 25. Non. p. 379 sapam appellabant. . . . defretum (al. de-
frutum).
GOO
Man i tius.
p. 290, 11 sq. Non. p. 370 amfytapae vestes dicuntur utrimque
habenies villos.
p. 292, 31. Non. p. 9 extispices proprie aruspices dicti sunt.
p. 296, 34. Non. p. 376 caltulam et crocotulam.
p. 298, 6. Fulgent. p. 388 vispillones dicti sunt baiuli, quamvis ...
vispillones dixerit cadaverurn nudatores . . . a vispillonibus
ad sepulturum delatum esse.
p. 316, 5. Non. p. 380 fun dito res sunt qui fundis magnis dimicant.
p. 324, 32. Non. p. 2 hostimentum est, acquamentum.
Zu dem gleichen Zwecke hat Aldhelm den Commentar
des Servius zu Vergil benutzt, aus dem er öfter grössere Stücke
abschreibt:
Aldh. p. 226, 6—-18. Serv. Aen. I, 744 Iiyades stellae sunt in fronte
Tauri quae quotiens nascuntur pluvias creant... Latine suculae
a sacco . . . Has quidam Vergilias dicunt quod vere florido
oriantur. Hae autem fuerunt ut alii dicunt, Atlantis filiae.
p. 278, 26. Serv. ecl. III, 20 carex autem herba est acuta et
durissima.
p. 279, 6. Serv. Georg. I, 109 elices appellantur sulci ampliores
ad siccandos agros ducti.
p. 294, 13—22. Serv. Aen. IV, 301 sacra Liberi orgia vocantur;
303 nocturnusque; nocte celebralus, unde ipsa sacra nyctelia
dicebantnr.
Dies sind die grammatischen Schriften, welche dem Ald
helm Vorlagen und von ihm benutzt worden sind. Es ergibt sich
jedoch aus zwei Stellen, dass Aldhelm noch andere Schriften
dieser Gattung benutzt haben muss, welche wahrscheinlich nicht
auf uns gekommen sind. Jene Stellen sind p. 246, 9—32 über
die sechs nudy (passiones), die sonst nur ganz kurz und unvoll
ständig genannt werden, und p. 326, 16—30 über die Synzygien.
Ueberhaupt macht der Abschnitt de prosodia p. 324—326 den
Eindruck, als ob er mit geringen Ausnahmen einer einzigen Quelle
entnommen sei, die uns aber nicht mehr vorliegt. Denn nirgends
findet sich eine so eigenthümliche und ausführliche Eintheilung
der sogenannten sieben prosodiae (in tonos, in tempora, in respi-
rationes, in passiones).
Hiezu kommen noch einzelne prosaische Quellen. Zunächst
zwei Stellen aus Cicero, deren Anführung davon Zeugniss ab
legt, dass damals die Art der Eintheilung der ciceronianischen
Zu Aldhelm und Baeda.
601
Schriften eine ganz andere gewesen ist. So lesen wir p. 321, 11
Cicero in libro XV omnes imploro et obtestor und p. 322, 5 Cicero
libro XIII. Zu dem ersten Citate setzt Mai an den Rand: ,id
est oratione 1 , doch durchaus mit Unrecht. Beide Stellen sind
nämlich aus der actio secunda in Verrem, die erste V, 72, 188,
die zweite IV, 26, 52. Wäre dagegen die Zählung in der chrono
logischen Folge der Reden gehalten, so hätte Aldhelm schreiben
müssen libro XI. X. Merkwürdig bleibt hiebei noch, dass die
zwei überlieferten Zahlen um zwei differiren, während doch
nach der Zahl der Reden der Unterschied nur eins sein kann.
Vielleicht hat ein Versehen stattgefunden und ist zuerst XIV
oder anderen Falls an zweiter Stelle XIV zu schreiben. —
Dagegen beruht die Stelle aus Cicero p. 309, 36 auf Priscian,
wie wir oben sahen, und p. 322,21 ut Tidlius Cicero Lucanus
libro decimo ist ein Versehen, das vielleicht durch das einige
Zeilen weiter oben stehende Citat aus Cicero hervorgerufen
ward; der Vers gehört natürlich dem Lucan an (X, 267). —
p. 288, 23 schreibt Aldhelm: de quo Plinius Secundus physicas
rerum liistorias sagaciter explanans libro trigesimo sic ait etc.
Es folgt hier ein Citat aus der hist. nat. XXXVII, 44 und
darauf aus XXXVII, 48, letzteres wiederholt p. 296, 16. Da
nun Mai gleichfalls libro XXX bietet, so ist kaum an ein Ver
sehen zu denken, sondern wir müssen entweder eine andere
Reihenfolge von Plinius’ Büchern für die damalige Zeit oder
eine andere Eintheilung des ganzen Werkes annehmen. — Eine
ganze Reihe Citate gibt Aldhelm aus dem Solinus, und zwar
solche, die sich bei früheren römischen Grammatikern nicht
finden, so dass Aldhelm ein Exemplar des Solinus zur Ver
fügung gehabt haben muss. Die Stellen sind folgende: Aldh.
p. 282, 37 Jidius Solinus in collecta rerum memorabilium — Sol.
XIX, 12; 291, 12 = Sol. X, 12; 292, 25 Solinus in collectanea
rerum memorabilium — XVII, 8; p. 323, 21 Solinus quoque in
collectanea. rerum — XIX, 12; p. 323, 29 Solinus de leontophono
— XXVII, 22; 323, 37 Julius Solinus in collectanea rerum me
morabilium = XXII, 6; p. 324, 3 = XXXVIII, 11.
Mehrfach wird auch die Chronik des Hieronymus von Ald
helm benutzt, die freilich stets unter dem Namen chronica Eusebii
citirt wird; schon oben hatten wir das Werk bei Gelegenheit
des Vergilepitaphes gefunden; p. 317, 5 Eusebius in chro-
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. CXII. Bd. XI. Hft. 39
602
JI a n i t i n s.
nicis: ob asyli impunitatem magna Romulo multitudo coniungitur
= Hieron. chron. olymp. 7, 4; p. 223, 17 sq. stammt die Zeit
berechnung aus Hieron. chron. ol. 83, 4 Artaxerxis regis . . .
20 eins anno. Huc usque Hebraeorum divinae scripturae annales
temporum continent; ea vero quae post haec . .. gesta sunt exhibe-
mus ... et Africani scriptis, qui deinceps universam historiam usque
ad Romana tempora persecuti sunt; ol. 250, 2 ea suscipiente Iulio
Africano scriptore temporum. ol. 201,3 Computantur in praesentern
annum id est 15 Tiberii Caesaris a secundo anno instaurationis tem-
pli quae facta est sub altero anno Darii regis Persarum anni 548.
Dagegen ist mir die Stelle bei Hieronymus unbekannt, welche
Aldhelm p. 295, 9 citirt: linde Hieronymus: Fl.occipendentes ima-
gines umbrasque larvarum, quarum natura esse dicitur terrere
parvulos et in angulis garrire tenebrosis. — Gleichfalls konnte
ich die Stelle nicht auffinden, welche Aldhelm p. 322, 2 citirt:
sicut in historia ecclesiastica cantum est: Omnes querimoniarurn
libros iussit incendi; das Citat wird sich, falls die Stelle richtig
angegeben ist, auf die Uebersetzung von Eusebius’ Kirchen
geschichte seiten des Rutin beziehen, die uns später noch als
eine wichtige Quelle Aldhelms zu beschäftigen hat. — Von
Augustin nennt Aldhelm p. 233, 11 die Soliloquia, de libero
arbitrio, de magistro, de musica als Beispiele für die dialogische
Einkleidung einer Schrift; p. 323, 12 Augustinus libro XX' civi
tatis Hei: Etiamsi eos per haec ad sua traducere non potuerint;
dies Citat habe ich in Buch XX nicht finden können. —
Orosius wird zweimal von Aldhelm genannt, p. 291, 7 Orosius
in prosa historica = hist. I, 13, 2; p. 298, 7 unde Orosius ist
ungenau, da sich das folgende Citat in Wahrheit nicht findet,
sondern aus zwei Stellen compilirt ist: hist. Vn, 10, 7 cadaver
. . . per vespillones exportatum; VH, 8, 8 unco tractus et in
Tiberim mersus. Hierzu kommt noch die Benutzung in dem
Gedichte de laud. virg. 2349, welcher Vers auf hist. I, 2, 1 hin
weist: orbem totius terrae triquetrum (triquadrum P 2 R B‘ D Sg' 1 v)
statuere. — Von Junilius citirt Aldhelm eine Stelle p. 233, 16,
dieselbe findet sich in der praefatio zu de partibus divinae
legis (Migne 68 p. 15) : Ad liaec ego respondi vidisse me quemdam
Paulum nomine Persam genere qui in Syrorum schola in Nisibi
urbe est edoctus ... et ne aliqua confusio per antiquariorum nt
assolet negligentiam proveniret, magistro M graecam litteram,
Zu Aldhelm und Bacda.
603
discipulis vero A praeposui ut ex peregrinis cliäracterilms, et qnibus
lat.ina scriptura non utitur, error omnis penitus auferatur. —
Nicht finden konnte ich das Citat aus lib. III der dialogi des
Gregorius, welches Aldhelm p. 315, 15 anführt: Gregorius vero
in tertio dialogi volumine non fricuit sed fricavit retulit dicens:
Fadem defuncti fricavit, et infra: Cumque diutius fricaretur. —
Endlich sind einige Stellen aus Isidor zu erwähnen, dessen
Kenntniss Aldhelm p. 233, 13 anführt: vel Isidorus duobus volu-
minibus quae Synonyma vel Polyonyma protitulantur. Aus den
origines stammt Aldh. p. 226, 31 = or. V, 31, 4 Noctis partes
septem sunt . . . crepusculum conticinium intempestum etc. p. 273,
24 sq. — 274, 3 = or. I, 17, 1 Pedes autem omnes centum viginti
quatuor sunt: disyllabi quattuor trisyllabi octo, tetrasyllabi sex-
decim, pentasyllabi duo et triginta, hexasyllabi quatuor et sexa-
ginta. Usque ad quatuor autem syllabas pedes dicuntur, reliquae
avCvyiai vocahtur; p. 325, 31 sq. = or. I, 18, 6 accentus autem
reperti sunt vel propt.er distinctionem ut: viridique in litore con-
spicitur sus, ne dicas ursus. Aus dem Buche de natura rerum
c. 26 ist genommen p. 225, 33—35 und p. 226, 5—7: Isid. nat.
rer. 26, 1 Legitur in lob dicente domino: Nunquid coniungere
vales micantes stellas Pleiades et gyrum Arcturi poteris dissipare;
6 Pleiades sunt multae iuges stellae quas etiam botrum appellamus
a multitudine stellar um., ipsae septem esse dicuntur . . . Pleiades
autem ex pluralitate vocatae sunt. . . . has Latini Vergilias appel-
laverunt eo quod vere oriant-ur.
Wir gehen nun zu dem zweiten Hauptwerke Aldhelms
in Prosa über, zu der Schrift ,de laudibus virginitatis 1 , deren
Quellen bisher noch unbekannt sind, diejenigen Stellen aus
genommen, welche Hartei dem Werke Cyprians ,de habitu
virginum' zuwies; auch Ebert (1. 1. S. 589. 590) wies schon
mit Recht darauf hin, dass Aldhelm hier meln-fach den ,coeno-
biorum instituta‘ des Cassian folge.
Eine ganze Reihe von christlichen Schriftstellern und zwar
ersten Ranges hatte im früheren Mittelalter diesen Stoff schon
behandelt, vor allen Tertullian, Cyprian, Ambrosius und Augu
stinus, auch Cassian in seinen .collationes'. So hatte Aldhelm
für den dogmatischen Theil seiner Schrift Vorbilder in grosser
Zahl, und bei seiner ausgebreiteten Literaturkenntniss hat er
sie alle mehr oder weniger benutzt; der erste Theil seines
39*
Werkes beruht iin Wesentlichen auf den einschlägigen Schriften
der eben genannten Autoren. Der zweite Theil des Werkes
besteht aus einer grossen Menge von Beispielen aus dem alten
Testamente und der christlichen Zeiten, um zu zeigen, wie hervor
ragende Geister die Keuschheit des Leibes bewahrt hätten.
Hierfür ist die Hauptquelle Rufinus, und zwar dessen Ueber-
setzung und Weiterführung der Kirchengeschichte des Eusebius,
sowie die Vitae patrum. Meist citirt Aldhelm hier seine Quellen
nicht wörtlich, sondern kürzt sie ab oder erweitert ihren Wort
laut in seinem Streben nach weitschweifiger und überladener
Ausdrucksweise. Daneben sind als wichtige Quellen zu ver
zeichnen einzelne Lebensbeschreibungen besonders von Hierony
mus. (Für die Kirchenväter habe ich meist die Ausgabe von
Migne benutzt, für Rutins Kirchengeschichte bis L. IX die
Ausgabe von Cacciari, Rom 1740.)
Ich lasse nun die ermittelten Quellen nach der Reihen
folge der Capitel bei Aldhelm folgen.
Aldh. c. 7 p. 7 1. 11 sq. Die Erzählung über das Exil des
Johannes geht zurück auf Rufin. hist. eccl. HI, 18.
c. 8 p. 8, 6 scheint ein wörtliches Citat zu sein; es erinnert an
Hieron. vita Hilarionis c. 2 rosa ut dicitur de spinis florint.
c. 9 p. 9, 5 sq. steht bei Augustin, civ. Dei XXI, 4, 1.
c. 11—13 p. 10—13 schliesst sich an Cassian. collat. V, 2 an,
die auch p. 13, 26 neben den XXX libri Moralium des
Gregor namhaft gemacht werden,
c. 17 p. 17,10 sq. stammt aus Tertull. de velandis virginibus c. 14.
c. 25 p. 27, 4 sq. steht bei Hieron. de vir. illustr. c. 15. Aldhelm
citirt eine Stelle aus einem Werke des Clemens, wahr
scheinlich aus der epist. ad Corinthios, die von Hieronymus
erwähnt wird, aber verloren gegangen ist. Am Schlüsse
von cap. 27 erwähnt Aldhelm, dass Clemens ein itinerarium
Petri in 10 Büchern verfasst habe, welches von Rufin in
die römische Sprache übertragen worden sei. Diese Angabe
fehlt dem Hieronymus bei Clemens und dem Gennadius bei
Rufinus gänzlich. Aldhelm scheint die Uebersetzung noch
gekannt zu haben, wie aus dem Zusammenhänge hervorgeht,
c. 26 p. 29 sq. sind die Notizen über Ambrosius dessen Bio
graphen Paulinus entlehnt. Der Bericht über Martinus
stammt aus Sulpic. Sever. v. Mart. c. 3. 7. 13. 23.
Zu Aldhelm und Raeda.
605
c. 27 p. 31 ist die Erzählung über Gregorius und Basilius ent
nommen der hist, eccles. Rufini XI c. 9. Ausserdem benutzt
Aldhelm die Uehersetzung des Rufin von dem Apologeticus
des Gregor von Nazianz; p. 32, 1 sq. Hieron. de vir. illustr.
c. 116; Aldhelm hat vielleicht eine Schrift des Basilius
von Caesarea gekannt, da er einen Spruch desselben an-
ftihrt, doch eher ist wohl anzunehmen, dass dieser Spruch
aus Cassian. de coenob. instit. VI, 19 stammt, wo es von
Basilius heisst: Et mulierem ignoro et virgo non mm.
c. 28 p. 32 stammt aus Rufin. hist. eccl. X, 8; p. 33 1. 2—5 aus
Hieron. de vir. illustr. c. 87 (de Athanasio) und c. 125
(Euagrius); 33,6—20 ist genommen aus Hieronymus vita
S. Pauli c. 4 und 6.
c. 29 p. 33 — 34, 27 stammt zumeist aus Hieron. vita Hilarionis
c. 1—5. 19. 40; (30. 31 wörtlich, compilirt mit Sulpic. Sev.
v. Mart. 26, 1. 3). 33, 37 sq. ist wörtliches Citat, doch
lautet der Satz bei Hieronymus c. 5: ,Ego, inqnit, asseile
faciam ut non calcitres, nec te hordeo alam sed paleis. Farne
te conficiam et siti.‘ — p. 34, 32—35, 13 stammt aus
Rufin. vitae patrum c. 1 (Migne 21, 391. 392), wörtlich
citirt Zeile 7—9.
c. 31 p. 36, 18—21 stammt aus Rufin. hist. eccl. VIII, 12 (ed.
Rom. I, 487 sq.); p. 36, 34—37, 18 stammt aus Hieron.
vita Malchi c. 3. 4. 6.
c. 32 p. 37, 19—38,33 stammt aus Rufin. hist. eccl. VI, 7 (I, 334);
38, 34—40, 21 ist excerpirt aus Rufin. hist. eccl. X, 13—18.
c. 37 p.49,21—50,36 ist genommen aus Rufin. vitae patrum c. 30.
c. 38 p. 50, 37—53, 32 stammt aus Rufin. vitae patrum c. 7.
c. 40 p. 54, 15. 16. Ambros, de institut. virg. c. 58 (Migne
16, 321).
c. 44 p. 58—59, 22 stammt aus Rufin. vita Eugeniae c. 1—4.
8. 12.
c. 55 p. 74, 16—23 ist wörtliches Citat aus Gregor, homil. in
evang. üb. I hom. VI c. 3 mit den Abweichungen: in
flllXU Citque Studio Greg.; vestimenti sai asperitate G.;
pensate ergo quae G.
e. 56 p. 74, 28. 29 ist wörtliches Citat aus Cyprian, de habitu
virginum c. 5; 30—35 ib. c. 5. 6 et de eius pulchritudine
Cyprian, (qm. D); domini mei Jesu (C). 35 — p. 75, 2
600
Mani tius.
ib. c. 12 (ornamentorum ac C. prostitutis et inpudicis C).
p. 75, 2—13 ib. c. 9 (inpudicarum C. videntibus praebeas
C. inpudicus C. pot.es inter puellas et virgines C. vivis
vt possis C). p. 75, 31—33 ib. c. 14 (sucis et conchyliis
tinguere C).
Von den übrigen Prosaschriften Aldhelms bat hier nur
noch die epist. ad Geruntium Interesse, da sich in ihr ein
grösseres Citat vorfindet: p. 86, 13 sq. cf. Augustin, de nona-
ginta haeres. (ed. Benedict, tom. VIII p. 10) c. 29 tessareslcae-
decatitae hinc appellati sunt quod non nisi quarta decima luna
pascha celebrant, quilibet septem dierum occurrat dies et si dies
dominicus occurrerit, ipso die ieiuuaht et vigilant.
lieber die Quelle der voces anixnantium.
Bei Gelegenheit des Ionicus minor citirt Aldhelm das
Wort rudibundi und führt dann einen Vers aus Sedulius an,
worin das Verbum rudere enthalten ist, p. 302, 30. Von da
geht er über auf die Verschiedenheit des Begriffes vox, indem
er dessen Viertheilung aus Priscian (K. II p. 5, 5 vocis autern
differentiae sunt quattuor: articulata, inarticulata, literata, illi-
terata) entnimmt und berichtet, dass Andere nur zwei Arten
der vox unterschieden hätten. Dies letztere stammt aus Audax
(K. VII, 323, 5 vocis species quot sunt? Duae. Quae suntf Arti
culata et confusa. Articulata quae est? Hominum tantmn modo.
Unde articulata dicta est? Quod articulo scribentis compreliendi
possit. Quae est confusa? Quae scribi non potest ut puta velut
ouium balatus, equi hinnitus, mugitus bovis), nicht aber, wie
Wackernagel (Voces variae animantium p. 45 n. 132, 2. Aufl.)
meint, aus Isidor, orig. I, 14. Jedenfalls waren nun die letzten
Worte bei Audax die Veranlassung für Aldhelm, einen langen
Excurs über die lateinischen Benennungen der Thierstimmen und
anderer Laute hier einzuflechten. Hierzu gab es in der älteren
römischen Literatur ausreichende Quellen, welche zumeist auf
einen Abschnitt Suetons in den Prata zurückführen (cf. Suetoni
praet. Caes. libros reliquiae ed. Reifferscheid p. 247—254, 308
—■ 312). Hierzu bemerkt nun Wackernagel 1.1. p. 45, Aldhelms
Verzeichniss beruhe auf Sueton, aber zugleich noch auf anderer
Zu Aldlielm und Bacdu.
007
Quelle, darunter etwa Pliocas (bei Reifferscheid Cr), da Aldhelm
selbst pluralisch sage ,vt maiorum auctoritas tradiditAus den
letzteren Worten aber auf eine Quellenmehrheit zu schliessen,
ist durchaus nicht nothwendig, dergleichen Ausdrücke kehren
in jenen Zeiten so oft wieder, ohne dass an eine Mehrzahl ge
dacht werden darf. 1 Aber auch die Behauptung, dass Aldhelm
G benutzt habe, bleibt erstens unerwiesen und ist andererseits
nicht aufrecht zu erhalten, wie ich gleich zeigen werde.
Die Hauptquelle für Aldhelm ist das Bruchstück von
Sueton 161. Es ergibt sich hiernach an zwei Stellen, dass
Mai das Richtigere gegenüber Giles bietet: Giles p. 303, 10
accipitres pipant vel pipilant. Mai 569, 20 a. pipant vel pli-
piant (von Mai in pipilant corrigirt); Suet. p. 251, 1 plipiare.
Giles 303, 22 luie.di balant vel belant; Mai 569, 33 h. balant vel
bebaut; Suet. p. 249, 3 bebare. So ist also zuerst bei Aldhelm
plipiant, dann bebaut zu schreiben. Die beiden Angaben ldr-
corum miccire und cuculorum cuculare fehlen Aldhelm gänzlich.
Sonst bietet dieser fast dasselbe wie DEM. Reu ist bei Ald
helm mehrfache Erweiterung und die alphabetische Anordnung,
welche allerdings innerhalb der einzelnen Buchstaben nicht
streng eingehalten wird. Die Zusätze bei Aldhelm scheiden
sich nun ganz scharf in zwei Classen, erstens Thierstimmen
und zweitens andere Laute. Letztere überwiegen an Zahl; von
ersteren findet sich als wirklich neu, wenn man, wie Wacker
nagel (1. 1. p. 77 n. 187) mit Recht gethan hat, von aves . . .
vernant vel vernicant (cf. Ovid. Trist. III, 12, 8) absieht (aves
minuriunt — Suet. p. 253, 2 dicunt tarnen quod minuvrive est om-
nium minutissimarurn avicularum): Aldli. 303, 14 corntces butant,
18 canis venatica cusnitit (Wackernagel 1. 1. p. 62. 149 cusnitit.
entstellt aus canis nictit), 22 liyenae hirriunt. Für diese drei
Angaben fehlt uns jede Quelle, dagegen können wir eine
ganze Anzahl, welche Aldhelm mehr gibt, unterbringen. Aldh.
303, 13 ampliora profusa hilibit cf. Naev. com. 124; 14 eyeni
des ist an t., cf. carm. de philomela (Reifferscheid p. 308) 23 cigni
1 Bei Aldhelm selbst gleich vorher p. 303, 2 quamvis alü duas esse vocis
speeies attestentur, wo der Autor nur aus Audax abschreibt und
sicher nur an diesen gedacht hat. Ueberhaupt ist ja ein solcher Plural
in der ganzen Latinität sehr häufig und darf nicht besonders urgirt
werden.
608
M a n i t i u s.
prope flumina drensant; 16 caprae mucciunt cf. ib. 58 At miccire
capris (Riese anth. lat. 762, 58 At miccire caprae); 19 ferne
mussitant cf. Reifferscheid fragm. 161 b p. 312 vs. 14 genus omne
ferarum \ Musitat; 24 lynces hircant cf. ib. vs. 16 hircareque
linces; 28 palumbes raucitant cf. carm. de philom. 21 Plausitat
. . . palumbes; 28 parri tinnipant cf. ib. 9 Parus enim quam-
quam per noctem tinnipet, fragm. 161 b vs. 9 parus (al. parrus)
nunc tinnipat arvis; 29 perdices cacabant, cf. de philom. 19
Cacabat hinc perdix, fragm. 161 b vs. 12 Interea perdix caca-
bat; 29 pulli et pueri pipant, cf. Non. 1. VI p. 305 s. v.
garrire: canes gannire pidlos pipare. Aus letzterem Citat
ergibt sich auch das gannire, welches Aldhelm mehr bringt
und aus dieser Quelle hinzugesetzt ist; 33 tauri mugiunt
cf. de philom. 54.
Man ersieht hieraus deutlich die Benutzung der beiden
versificirten Fragmente Suetons 161 a und 161 b (Reifferscheid
p. 308—312). Wenn Aldhelm dagegen den Phocas benutzte
(Reifferscheid = Cr), so konnte er nur drei Angaben Sueton
161 gegenüber mehr machen: palumbes paucitare, perdices cac-
cabare, tauros mugire, da sich die übrigen bei Phocas nicht
finden. So gehen die sämmtlichen Thierstimmen auf Sueton
fragm. 161, 161 a und 161 b und eine Stelle aus Nonius zurück.
Ausserdem könnte Ahlh. 302, 28 nam ruditus proprie asellorum
asinorum est entstanden sein aus Suet. fragm. 161 c vs. 3 nec
non ruditus aselli.
Die übrigen Angaben Aldhelms über Töne sind folgende:
arma crepant, aes tinnit, citharae sonant, lupiter tonat (ut fabulae
fingunt), infantes vagiunt, litora murmurant, silvae strepunt, tubae
clangiunt, venti flant tremunt sibilant. Zuletzt fügt er analpha
betisch hinzu: Item homines loquuntur, rustici iubilant et reliqua
similia. Das letztere ist vielleicht nicht unwichtig für die ganze
Stelle. Denn Aldhelm hätte ja eigentlich die zwei letzten An
gaben ebenso gut alphabetisch einordnen können wie etwa
infantes vagiunt oder lupiter tonat. Es ist mir daher sehr
wahrscheinlich, dass Aldhelm den ganzen Abschnitt über Thier
stimmen und andere Laute schon alphabetisch geordnet in
seiner Quelle vorgefunden und nur abgeschrieben hat, wie das
selbe von ihm später eine ganze Anzahl unbekannter Schreiber
gethan haben (cf. dazu Wackernagel 1. 1. p. 45. 46. Reifferscheid
Zu Aldhelra und Baeda.
609
I. 1. p. 249—252 adn.), wenn wir überhaupt mit Wackernagel
jene Verzeichnisse als direct von Aldhelm entlehnt gelten lassen
können. C (Gloss. Palat. 253 p. 61 b ) stammt sicher aus Ald
helm, wie die Schlussworte beweisen: Haec genera vocum non
ad ioc.um (ionicum Aldh.) pertinent sed discretionis gratia pro-
lata sunt; dasselbe gilt von D und E. Dagegen lässt sich dies
von F nicht behaupten, da es die alphabetische Reihenfolge
verlässt. G ist entschieden direct aus einer Abschrift Suetons
genommen, da es nur die Reihenfolge der Säugethiere und
Vögel verstellt, aber innerhalb derselben Sueton genau wieder
gibt. H ist Abschrift von G, und K ist Copie von F. M hängt
direct mit Aldhelm zusammen.
Unsere Ansicht, dass Aldhelm eine sehr ausführliche Vor
lage besass, wird ganz besonders durch Folgendes unterstützt.
Wir haben zwar fast alle Arten von Thierstimmen aus Suet.
fr. 161, 161 a , 161 h und Nonius p. 305 nachweisen können, aber
es fehlt noch eine ganze Anzahl von einzelnen Stimmen, indem
Aldhelm bei vielen Thieren zwei oder drei Stimmen aufzählt.
So beim accipiter (pipare), aries (trissitare), Los (reboare), ciconia
(gratulare, giottorare), corvus (croccare), elephas (stridere), grus
(gruddare grugulare), haedus (balare), milmis (vigilare), abge
sehen von den Erweiterungen avis (vernare, vernicare), canis
venatica cusnitit galvae . . . griciunt, . . . pueri pipant. Wenn
nun auch Einiges davon ganz gut auf Errata der Schreiber
zurückgehen könnte, so ist das bei anderen keineswegs möglich.
Wir müssten dann annehmen, dass Aldhelm fr. 161-)-]61 Il -f-161 b
noch mit einer anderen Quelle verbunden hat, welche ihm eine
ganze Anzahl neue Thiere und zu den schon vorhandenen eine
Menge neuer Wörter für ihre Stimmen gab; dazu käme dann
noch Nonius. Wir hätten also dann wenigstens fünf Quellen
vorauszusetzen, wenn wir in der an vorletzter Stelle genannten
noch alle Laute ausser den Thierstimmen vorhanden sein lassen.
Eine so gekünstelte Annahme ist aber kaum wahrscheinlich,
wenigstens kennen wir bei Aldhelm sonst keinen so künstlich
zusammengesetzten Abschnitt. Es ist daher viel eher glaublich,
dass der Autor Sueton schon so erweitert und alphabetisch
angeordnet vorfand, wie er uns die ganze Stelle selbst wieder
gibt. Höchstens ist auf seine eigene Rechnung zu setzen p. 303,
24 ut fabidae fingunt; er hat diesen Zusatz gemacht, damit
610
Man i tius.
der Leser nicht an seiner Rechtgläubigkeit zweifeln sollte, wie
er sich ja auch sonst gegen die heidnische Götterlehre ver
wahrt, cf. im Prolog zu den Rätliseln p. 248 vs. 10—15, laud.
virg. 1326 —1393. Wahrscheinlich rührt auch von ihm her
p. 303, 35 Item homines loquuntur rustici iubilant, da er dies
beides nicht in das Ganze aufgenommen hat; et reliqua similia
soll nur die Gelehrsamkeit des Autors erhöhen, da Aldhelm
jedenfalls mehr beigebracht haben würde, wenn ihm mehr zu
Gebote gestanden hätte. Ein ähnliches Citat findet sich in der
ars grammatica des Julianus von Toledo (edit. Rom. 1797)
p. 39 c. 182 theatra plaudunt, prata mugiunt; sowie p. 42 c. 192
tinnitus aeris, clangor tubarum . . . stridor valvarum, hinnitus
equorum, mugltus boum, balatus ovium.
Zu Aldhelms Räthseln.
Bis vor Kurzem hatte man in Deutschland die Räthsel
Aldhelms, Tatwines und diejenigen des Eusebius fast unberück
sichtigt gelassen. Erst Ebert hat uns diese Räthselpoesie näher
gerückt und auf ihre Entstehung und ihren Zusammenhang
hingewiesen; zugleich gab er Tatwine und Eusebius heraus,
die bisher nur in seltenen englischen Werken gedruckt waren.
Diese schöne und lehrreiche Arbeit steht in den Sitzungs
berichten der sächs. Gesellsch. d. Wissensch., phil.-liist. Classe
Bd. XXIX, 1877, S. 20—56. Hier wies Ebert aus den Worten
Aldhelms und seinen Räthseln nach, dass sich letztere an
Symphosius anlehnen, während Tatwine neben dieser Quelle
auch schon Aldhelm benutzt und Eusebius sich an alle drei
Vorgänger anschliesst. Auch auf die Verwandtschaft Tatwines
und des Eusebius mit den Räthseln des Cod. Bernensis 611
machte er aufmerksam, nachdem schon Dümmler in den Poetae
latini I dieselben als Quelle für die Räthsel des Bonifatius
nachgewiesen. Dies Alles bedarf nun besonders für Aldhelm
der Vervollständigung, und es scheint angebracht, eine Quellen-
Untersuchung über die drei angelsächsischen Dichter im Zu
sammenhänge zu geben. Wir gehen hierbei zunächst von den
Räthseln Aldhelms aus.
Zu Aldlielm und Baeda.
611
Aldk. aen. tetrast. 1,1. c. Bern, de terra 2 Reddo libens omnes
escas. — A. 1—3 benutzt von Euseb. 6, 1. 2.
tetrast. 2, 1. e. Bern, de vento 5 Cernere me qiiisquam vinclis
quoque neque teuere. 2 cf. ib. 2. — A. 1. 4 benutzt von
Tatwine 40, 4. 1; 1 benutzt von Euseb. 8, 2.
tetrast. 3, 1 benutzt von Bonifat. Dümmler 1. 1. 21, III, 2. 4.
tetrast. 5, 1. antb. lat. 543, 1 Thaumantis proles ; 3 ib. 554, 1
cum sol implevit aquosas | Adversus nubes; cf. 550, 3.
tetrast. 8, 3. c. Bern, de sale 1 Me pater ignitus ut nascar creat
urendo.
ib. 10 titulus. Symphos. 92 Midier quae geminos pariebat.
ib. 11, 1—3. Eugen. Tolet. C. miseeil. XXX Praedurvs adamans
ferrum non suscipit omne; | Hircino tactus sanguine mollis
erit.
ib. 16, 3. 4. Eugen. Tolet. ib. XVI, 2 Aurea pluma nitet, sed
caro dura manet; August, civ. Dei XXI, IV, 1 dedit carni
pavonis mortui ne putresceret sq.
ib. 19 cf. Symphos. 85.
pentast. 1. cf. Isid. de natura rerum c. 26. Serv. Aen. I, 744
Mae autem fuerunt ut alii dicunt Atlantis filiae.
ib. 3, 1. c. Born, de apibus 1 —4.
ib. 8, 1 — 3. Eugen. Tolet. C. miscell. XXVIII Magnes ferricolor
ferrum suspendere novit, \ Sit praesens adamas, quod teilet
ille, cadit.
ib. 10, l benutzt von Tatwine 39, 1. Die Ueberscbrift ist in
coticula zu ändern, cf. Aldh. p. 306, 26; coticulo, wie
beide Handschriften Tatwines geben (s. Ebert 1. 1. S. 41
n. 12), ist aus derselben fehlerhaften Quelle geflossen,
ib. 11, 1—3. Aen. VI, 23—26.
ib. 14, 1—3 benutzt von Eusebius 33, 1. 2.
ib. 15, 1. Symphos. 44, 1 Mordeo mordent.es ultvo non mordeo
quemquam; cf. ad. Symphos. ib. et 3 Nemo timet morsum
dentes qui non habet ullos, c. Bern, de pipere 5 Mordeo mor-
dentem morsu nec vulnero dentem.
liexast. 5, 5. 6. c. Bern, de pipere 3 Nulla mihi virtus ... si man-
sero semper, | Vigeo nam caesus, valeo multum confractus.
hexast. 7 cf. Euseb. 57.
ib. 10, 1. 3. 5. 6 benutzt von Euseb. 40, 1—4. Symphos. 11 be
nutzt von c. Bern, de piscibus.
612
M an i tiu s.
ib. 11, 1—4 benutzt von Euseb. 12, 1—3; 5. 6. Euseb. 37, 4.
Aldh. 2-—6, Euseb. 37, 1—4 benutzt von aenigm. Anglica
XI, 1—5 (Dümmler poetae lat. I p. 23).
heptast. 1, 1. 3. 4. c. Bern, de litteris 1 Nctscimur albentibus locis
sed nigrae sorores. 5. ib. 2 Tres unito simul nos creant ictu
parentes. 6. ib. 6 Nec una responsum dat sine pari roganti.
Aldb. 7, Bern. 6 benutzt von Tatwine 4, 4; Bern. 1 benutzt
von Euseb. 7, 2.
ib. 2, 3—7 benutzt von Euseb. 56, 1—5.
ib. 11 cf. Symphos. 81. Euseb. 16.
ib. 12 cf. Symphos. 51; 2 c. Bern, de mola 4 Vitam dabo cunctis.
ib. 15 cf. Symphos. 84.
octost. 1, 2. 4. 5. 7. Symphos. 67, 2 Lumen Habens intus . . . |
Noctibus in mediis fadem non perdo dierum; Bern, de
lucerna, Euseb. 28, Aldh. 2. 7 benutzt von aen. Anglica
(1. 1. p. 23) X, 4. 6.
ib, 3, 3 benutzt von Tatwine 6, 4; Aldh. 4, Tatwine 2—4 benutzt
von Euseb. 35, 2—4. Tatwine 5. 6, Aldh. 3. 4, Euseb. 4
benutzt von aen. Anglica (1. 1. p. 22) IX, 1—3. Aldh. laud.
virg. 2 Ludda stelligeri qui condis culmina caeli, cf. aen.
Anglica IX, 3.
ib. 8 cf. Riese anthol. 771 de pariete et ariete.
ib. 9, 4. c. Bern, de membrana 5 Gladio sic mihi desecta viscera
pendent. Aldh. 5 benutzt von Tatwiue 5, 4. Aldh. 4. 5
benutzt von Euseb. 31, 1. 2. c. Bern. 2. 3 benutzt von
Euseb. 32, 4.
ib. 10, 1. c. Bern, de igne 1 Durus mihi pater dura me generat,
mater. Aldh. 1 benutzt von Tatwine 33, 4; cf. Euseb. 8. 15.
enneast. 4, 4. 6 benutzt von Tatwine 12, 1. 2.
ib. 9, 2. 3. c. Bern, de calice 3 Ignem fero nascens, natus ab igne
fatigor. 7. ib. 6 Et amica libens oscida porrigo cunctis.
Aldh. 8 benutzt von Tatwine 4, 2. Aldh. 8 und Tatwine 4, 2
compilirt von Bonifat. 5, 5 (1. 1. p. 22).
hendecast. 3 benutzt von Euseb. 10. 11
ib. 4, 10 benutzt von Tatwine 31, 2.
An zweiter Stelle sind die Räthsel Tatwines zu betrachten,
soweit dies nicht schon oben bei Aldhelm geschehen ist.
Tatwine 1, 3. Sedul. C. P. I, 302 mersits petit ima profundi.
4. Aldh. polyst. 35 Zephyri velodor alis.
Zu Aldhelm und Baeda.
613
5. Aldh. polyst. 53 Titani clarior orbe, 67 Plioebi radiis.
7. Aldh. polyst. 31 Dulcior in palato quam lenti nectaris
haustus.
10. c. Bern, de pipere 5 Mordeo mordentem.
11. Georg. II, 490 Felix qui potuit verum cognoscere causas.
ib. 2, 5. Aldh. tetrast. 2, 1 Cernere me nulli possunt.
ib. 7, 2. Sedul. C. P. Y, 237 meruerunt cernere vultum.
ib. 6. c. Bern, de pipere 5 Mordeo mordentem morsu nec vulnero
dentem.
ib. 11, 1. Aldh. heptast. 3, 1 Eoscida me genuit gelido de viscere
tellus.
13, 2. Iuvenc. h. ev. I, 550 firmato corporis usu.
14, 5. Georg. IV, 101 Dulcia mella premes.
15, 1—3. 5. cf. c. Bern, de glacie 1—4; Tatwine 15 und Bern.
1—6 benutzt von aen. Anglica IV (de glacie) 1. 1. p. 21.
17, 1 Ov. Met. I, 420 ceu matris in alvo.
2. Aen. XI, 532 superis in sedibus.
4. Aldh. tetrast. 14, 3 frondosa cacumina scando.
24, 5 benutzt von Bonifat. aen. 137 (humilitas).
4. Sedul. C. P. II, 66 Imperium sine fine manet.
5. Aldh. polyst. 21 Altior en caelo ... \ Et tarnen inferior terris.
25, 1 benutzt von Bonifat. 251, dazu Aldh. octo princ. vit. 288
Principium sumpsit super alta cacumina caeli | Angelicus
princeps et protus lucifer aethrae.
28, 1. Symphos. 86, 3 Grande tarnen caput est.
2. Ciris 122 medio surgebat vertice crinis.
29, 1 cf. Bern, de mensa 1; 3—5 cf. Bern. ib. 4. 5.
30, 3. Aldh. heptast. 10, 4 Nam domus est constructa mihi de
tergore secto.
34, 2 erinnert an Angilberti C. II, 103 (Poetae lat. I p. 363).
40, 4. Aldh. laud. virg. 2 qui condis culmina caeli.
Zu den Räthseln des Eusebius und den aen. Anglica ist
Folgendes zu bemerken:
Euseb. 4, 4. Dracont. Satisfact. 5 Principio seu fine carens.
13, 2. cf. Caes. B. G. VI, 21 victus in lade caseo carne; Pompon.
Mela chorograph. III, 28 cruda etiam carne vescantur.
16, 3. Symphos. 81, 2 Auriculaeque regunt redimito ventre cavato.
19, 1. Arat. acta ap. II, 587 trina potestas.
27, 4 benutzt von Bonif. aen. 261.
Gl 4
M a n i t i u s.
32, 3. Bern, de membrana 6 Miliaque porto millo sub pondere
mvlta.
38, 4. Symplios. 14, 3 Iam posito partu natum me vemo videbat.
43, 2. 3. Symplios. 38, 1 A fluvio dicor fluvius vel dicitur ex me.
4. Symphos. ib. 2 Iunctaque sum vento, vento velocior ipso.
48, 1. cf. Aldk. beccaidecast. 11.
55, 8. Iuvenc. h. ev. I, 656 totius corporis artus.
58, 6. Aen. X, 511 tenui discrimine leti.
aen. Anglica II, 6. Aldk. tetrast. 2, 4 et rura peragro.
V. Zu Baedas Gedichten und de arte metrica.
Ein ähnliches Werk wie Aldhelm hat bekanntlich Baeda
verfasst, de arte metrica. Auch hierin findet sich eine ganz
bedeutende Anzahl von Citaten früherer Dichter, die noch nicht
hinlänglich bekannt und bei dem Alter des Autors und der
zuverlässigen Ausgabe Keils (G. L. VII, 227—260; de ortlio-
graphia ib. p. 261—294) mehrfach von Intei-esse für die Text
überlieferung der benutzten Dichter sind. — Auch in Baedas
Gedichten treffen wir eine ganze Menge solcher Stellen an,
wie bei Aldhelm, nur mit dem Unterschiede, dass Aldhelm
seine Citate besser dem Ganzen einzuverweben versteht und
nicht so viel ganze Verse aus anderen Dichtern hinübernimmt.
Uebrigens steht Baeda auch literarhistorisch in engem Connex
mit Aldhelm, denn wir finden in seinen ascetica dubia (Migne
94, 539 Excerptiones patrum etc.) einige Gedichte, in welchen
fünf Räthsel von Aldhelm abgeschrieben und mit solchen des
Symphosius verbunden sind, worauf meines Wissens noch nie-,
mand aufmerksam gemacht hat und was auch den Heraus
gebern des Symphosius entgangen ist.
Migne 94 p. 543 vs. 1 — 3 = aen. Symph. 1. (vs. 2 utrum-
que Symph. [d ll c]; vs. 3 diverso mittlere [diverso et
munere C/.J).
ib. vs. 4—6 = Symph. 7. (vs. 2 caelum; inpedit).
ib. vs. 7 —10 = Aldh. aen. tetrast. 3. (vs. 3 Exilium
Aklh.)
Zn Aldhclm und Baeda.
615
p. 546 vs. 1—4 — Aldk. aen. tetrast. 10. (1 auribus exsto A.
3 ecce quater Ä. revulsis A. 4 video remanere A.)
p. 548 vs. 1—3 = aen. Sympli. 4. (vs. 2 domos S. [cls] iterurn
sed clnudo S. [dhj).
ib. vs. 4—6 = aen. Sympk. 11.
ib. vs. 7 — 9 = aen. Sympk. 10. (vs. 2 conexa S. [dj).
ib. vs. 10—13 = aen. Aldk. tetrast. 2 (vs. 2 vocis crepitum A.)
ib. vs. 14—17 = aen. Aldh. tetrast. 4.
ib. vs. 18—21 = aen. Aldh. tetrast. 11. (vs. 2 Flammarum nec A.
3 indomiti A.)
Hieraus ergibt sieb, dass Baedas Text des Symphosius
dem Codex d (Voss. q. 106 s. IX—X) sehr nabe gestanden,
dass er vielleicht für diesen die Vorlage gebildet bat. Auch
für Äldbelm ergeben sieb einige wesentliche Abweichungen,
welche aber für den Text keinen Werth haben, da sie nur
Verschlechterungen bieten. — Wir sehen, dass auch Baeda
sich mit der Rätbsellitcratur beschäftigte, wenn er auch nichts
Selbständiges darin geleistet bat. Dagegen erwähnt er selbst
in einer Aufzählung seiner Werke einen ,Liber epigrammatum
lieroico metro sive elegiacoer scheint also zuerst das Di
stichon gepflegt zu haben. Nun finden wir in jenem Tractate
p. 548. 549 einige kleinere Gedichte im elegischen Masse, deren
einige aus Epigrammen Prospers zusammengesetzt sind. Prosper
aber begegnet uns noch öfters in Baedas metrischem Werke,
und es ist nicht unwahrscheinlich, dass Baeda seine Epigramme
nach Prospers Beispiel verfasst hat. Da nun die anderen der
erwähnten kleineren Gedichte nicht auf Prosper zuriiekgehen,
aber an dessen ganze Art erinnern, so könnten sie vielleicht von
Baeda selbst verfasst und nach der damals geltenden Weise
von ihm als Citate verwendet worden sein. Doch zwei der
selben p. 549, III und IV stammen aus Sedulius, sie könnten
freilich bei ihrer veränderten Fassung recht gut als zu Baedas
Epigrammen gehörig betrachtet werden; N. III = Sedul. C. P.
IV, 52. 53. IV == ib. IV, 55. 56. Zu Prosper gehören folgende:
p. 548 c. II vs. 1. 2 = Prosp. ep. 6, 1. 2.
p. 549 c. I vs. 1. 2. Prosp. ep. 22, 3. 4. (vs. 3 intima cordis P.).
ib. vs. 3. 4. Prosp. ep. 27, 3. 4.
ib. c. n vs. 1. 2. Prosp. ep. 49, 5. 6.
ib. vs. 3. 4. Prosp. ep. 77, 1. 2.
616
M a n i t i u s.
Ausserdem treffen wir noch einige Dichtercitate in Baedas
Prosaschriften an:
p. 677 (Migne tom. 94): Unde et Maro de iisdem dicit sq. =
Georg. I, 231. 232.
p. 785 finden wir in der prosaischen Vita S. Cuthberthi:
Adieätque mirando quae quondam versibus dixi et ait . .. Hierauf
folgen neun Distichen, die wir in der epischen Bearbeitung
nicht lesen. Sie gehören daher jedenfalls dem Inhalte nach
in den über epigrammatum. p. 793 citirt Baeda in der Vita
S. Felicis einige Verse aus Paulinus:
TJbicunque
Christus adest nobis et fiet aranea murus
At cui Christus abest et muriLS aranea fiet.
Dieselben stammen aus Paul. Nol. C. XVI, 147. 148, doch heisst
dort vs. 147:
Sic ubi Christus adest nobis et aranea muro est.
Wir gehen nun zu den Schriften de arte metrica, de ortlio-
gi-aphia und zu den Gedichten Baedas über, indem wir die
darin benutzten und citirten älteren poetischen Quellen ei-mitteln
wollen.
1. Vergilius.
Während wir noch bei Aldhelm die Citate aus Vei-gil als
durchaus überwiegend in Poesie und Prosa gefunden, tritt bei
Baeda ein anderes Verhältniss ein. Hier nämlich übernehmen
die christlichen Dichter die Rolle Vergils, der ihnen gegenüber
in den Hintergrund tritt. Da die Vergilverse bei Keil schon
genau bemerkt sind, so bleiben uns hier nur die Citate aus
Baedas Gedichten zur Anführung übrig.
Mirac. S. Cuthb. VI, 8. Aen. X, 734 Obvius adversoque
occurrit.
9. Aen. I, 53 Luctantes ventos tempestatesque sonoras.
IX, 19. Aen. HI, 607 genibusque volutans.
X, 31. Aen. VI, 408 Ule admirans venerabile donum; cf. XLI, 16.
33. Aen. I, 142 tumida aequora placat.
Zu Aldhelm und Baeda.
617
XI, 12. Aen. VI, 384 Ergo iter inceptum peragunt fluvioque
propinquant.
XII, 1. Georg. III, 531 Tempore non alio.
XII, 12. Aen. II, 758 llicet ignis edax.
13. Aen. I, 150 Iamque faces et saxa volant.
19. Aen. III, 144 veniamque precari.
XIII, 1. Georg. I, 85 crepitantibus urere flammis.
XIX, 10. Aen. VI, 899 sociosque revisit.
XXII, 2. Aen. I, 135 sed motos praestat componere fluctns.
9. Aen. VIII, 126 dictis adfatur amicis.
59. Ecl. I, 3 Nos patriae fines et didcia linquimus arva.
XXIV, 1. Georg. IV, 1 caelestia dona.
XXXV, 14. Aen. VII, 162 primaevo flore iuventus.
XLI, 1. Aen. II, 244 caecique furore.
2. Aen. V, 723 tales effundere voces.
XLIV, 8. Ciris 43 firmamus robore nervös.
10. Ecl. I, 60 Et freta destituent nudos in litore pisces.
XLV, 2. Aen. II, 542 corpusque exsangue sepulcliro | Red
didit.
9. Georg. I, 92 Ne tenues pluviae . . . | Acrior aut Boreae pene-
trabile frigus adurat.
XLVII, 5. Aen. I, 176 rapuitque in fomite flammam.
Ilymn. II, 68. Georg. II, 400 omne levandum | Fronde nemus.
69. Ecl. VII, 48 iam lento turgent in palmite gemmae.
94. Ecl. II, 71 quorum indiget usus.
96. Aen. VI, 205 brumali frigore viscum.
99. Georg. I, 302 Invitat genialis hiemps.
498. Aen. III, 278 Ergo insperata tandem tellure potiti.
cle die iudic. 89. Aen. XI, 337 Obliqua invidia stimulisque agi-
tabat amaris.
2. Ovidius, Persius, Lucanus.
Jedenfalls hat Baeda den Ovid gekannt, er citirt ihn an
drei Stellen. Freilich das grösste Citat beruht auf wörtlichem
Abschreiben aus Charisius (cf. Keil G. L. I, 72, 23 = VII,
280, 10; desgl. I, 550, 17 = VII, 294, 2). Bei dem dritten
Citate schwebt dem Autor eine besondere Stelle vor und das
selbe ist jedenfalls auch einem früheren Grammatiker entnommen
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. CXII. Bd. II. Hft. 40
618
M a n i t i u s.
(VII, 264, 5). Indess erinnern zwei Stellen aus Baedas Ge
dichten sehr deutlich an Ovid; das Gleiche gilt von einem
Verse des Persius. Aus Lucan citirt Baeda zweimal je drei
zusammenhängende Verse.
Mirac. S. Cuth. XLV, 17. Ov. Amat. II, 299 tibi sit pretiosior
auro.
Hymn. II, 501. Ex Ponto I, 2, 69 Suscipe Romanae facundia,
Maxime., lingnae.
Mirac. S. Cuth. XIV, 19. Pers. Sat. IV, 50 populo bibtdas dona-
veris aures; cf. XXI, 2.
de arte metr. p. 245, 10—15 = Lucan. I, 1 — 3. 10—12.
3. Juvencns.
de arte metr. p. 232, 27. Juv. h. ev. I, 126 Mxsultat Mariae
cum prima (iffamina sensit.
p. 233, 17. Juv. ib. UI, 522 Difficile est terris affixos divite
gaza.
p. 233, 19. ib. III, 499 Et gaza stabat (distabat Ott. Rom. Bas.
Migne) rerum possessio fulgens.
p. 245, 20. ib. I, 9 Immortale nihil mundi compage tenetur.
p. 245, 28. ib. I, 501 Pacificos (Baeda L F) deus in numerum
si prolis adoptat.
p. 247, 24. ib. I, 61 Nomine Ioannen (loannem Reg. Ott. Rom.)
• kunc tu vocitare memento.
p. 250, 15. ib. IV, 427 llli continuo statuunt ter dena argenti.
Mirac. S. Cuthb. I, 30. ib. IV, 443 tetigisset limina vitae.
38. ib. II, 422 redierunt munera linguae.
II, 26. ib. III, 508 genitrixgue tuo sublimis honore.
TTT, 17. ib. I, 82 In de domum remeat.
IV, 1. ib. II, 520 vigent firmato robore membra.
V, 10. Juv. II, 196 aetheream Über conscendet in aulam; cf.
Vin, 25.
15. ib. II, 519 mutantur lumine lucis.
Vin, 33. ib. II, 309 Nostras ut merito satiatus respuit escas.
IX, 14. ib. II, 442 gratis impendite dona.
16. ib. III, 296 perculsus corda dolore.
20. ib. II, 12 precibus tum scriba profusis.
30. ib. II, 214 mihi pandere mentem.
Zu Aldhelm und Baeda.
619
XII, 4. ib. I, 8 pandens mysteria vitae.
22. ib. I, 226 praescia rerum | Virtus.
XIV, 9. ib. II, 439 virtutes daemonis atri; cf. XL, 9. 10.
XXII, 10. Juv. IV, 307 soror anxia curis.
XXVI, 1. ib. IV, 187 Vir pater ipse domus.
XXIX, 2. ib. I, 476 Denique certatim languoris tabe peresos.
5. ib. II, 718 excurrit fontani gurgitis unda.
XXXI, 9, ib. I, 12 Nam statuit genitor rerum.
22. ib. I, 453 In mortisque Ulis umbra.
XXXII, 3. ib. I, 49 concussit corde pavorem.
XXXV, 18. ib. I, 406 Ex quo nulla cibi potusve alimenta da-
bantur.
34. ib. II, 683 terrenae gloria laudis.
XXXVI, 1. ib. III, 527 Talibus attoniti, comites.
3. ib. IV, 315 Et leti et vitae confinia summa tenentem.
XXXVII, 1. ib. in, 97 Iamque soporata torpebant omnia node.
6. 7. ib. III, 100 Ast ubi iam . . . | . .. rapidos attollens lucifer
ortus.
XXXIX, 19. ib. I, 681 talis contexit gratia vestis; cf. XLIII, 6.
XL, 7. ib. I, 26 Immortale decus tribuet.
XLV, 11. ib. IV, 754 quatiens nunc corda fatiget.
XLVI, 8. ib. I, 290 monitis caelestibus actus.
19. ib. UI, 296 magno perculsus corda dolore.
Hymn. II, 91. ib. II, 12 precibus tum scriba profusis.
231. ib. III, 566 torperent otia lenta.
211. ib. IV, 758 devicta morte recepit.
440. ib. IV, 40 devotio cordis.
de die iudic. 127. ib. I, 688 caelestia quaerite regna.
4. Prudentius.
de arte metr. p. 250, 21. Psycb. 98 Dixerat liaec et laeta libi-
dinis interfedae.
ib. p. 250, 23. ib. 594 Palpitat atque aditu spiraminis inter-
cepto.
p. 256, 23—26 = Psycb. praef. 1—4.
Mirac. S. Cuthb. XXV, 3. Cat hem. V, 156 Tinctnm pacifici chris-
matis unguine.
XLVn, 27. Catbem. IV, 74 Largitor dem omnium, bonorum.
40*
620
Manitius.
5. Paulinus Nolanus.
de arte metr. p. 233, 11. C. XV, 299 Donec et adspirante deo
conatibus aegris.
p. 247, 34. C. XXVII, 72 Utcitharis modulans unius verbere plectri.
p. 248, 4. C. XVI, 125 Discutiebat ovans galea scutoque fidei.
ib. 24. C. XXVIII, 65 Quae decus omne operum penmebant, improba
foedo (foedcique Germ. Migne) | Obice prospectum caecantia.
p. 249, 19. C. XXVII, 620 Sim profugus mundi tamquam bene-
dictus Iacob.
ib. 23. C. XXVIII, 215 Parietibus novitas latet intus operta
vetustas.
ib. 30. C. XVI, 181 Conscia servitii quid gessevis et cui tandem.
ib. 36. C. XVI, 64 Cum, subito aut illis corda liostibus aut huic ora.
p. 250, 8. C. XVIII, 35 Ast alii pictis accendant lumina ceris.
ib. 17. C. XXVIII, 202 Et spatii cepere et luniinis incrementa.
ib. 19. C. XXVIII, 91 Si prope sic longe sita culmina respergebat.
251, 7. C. XVIII, 281 Oblectans inopem censu fructuque peculi.
ib. 10. C. XXVII, 385 Excoluit biiagi laqueari et marniore fabri.
252, 5. C. XXVII, 637 Qui simul huc sancta pro relligione coistis.
ib. 8. C. XXVIII, 37 Basilicis haec iuncta tribus patet area cunctis.
p. 255, 4—7 — C. XVII, 1—4. (vs. 3 adnexa P., adnixa Reg.
Germ. Migne; 4 futuros P, futurus Germ.)
p. 255, 9—20 = C. XVII, 45—56 (vs. 55 optatam P.)
mirac, S. Cutlib. VI, 2. C. XXVIII, 61 celeri narrabo velatu.
XXII, 44. C. XXI, 449 tu carnea nobis | Vincula rupisti.
XLIII, 2. C. XIX, 350 Nam divina manus medica virtute.
Hymn. 11,260. C. XXVII, 545 paucis tentabo exponere cavsas.
6. Marius Victor.
Mirac. S. Cuthb. XLVI, 21. 2. comment. II, 262 voces erumpit
in istas.
25. ib. I, 466 tu stratus iniquo \ Membra solo; cf. de die iudic. 15.
7. Paulinus Petricordiensis.
Mirac. S. Cuthb. XIV, 32. Vita Mart. II, 322 speratae dona salutis.
XXIII, 7. ib. IV, 242 virtutum titulos; cf. II, 154.
Hymn. II, 124. ib. IV, 656 domino devota fides.
Zu Aldhelm und Baeda.
621
8. Prosper.
Schon oben sahen wir, dass Prospers Epigramme von
Baeda stark benutzt worden sind. Dazu kommt noch eine grosse
Anzahl von Stellen aus den anderen Prosaschriften Baedas.
de arte metr. p. 232, 14. 15 = Prosp. ep. praef. 7. 8.
p. 232, 30. 31 = Prosp. ep. 31, 3. 4 (3 credis P., credas Colb.
Migne; 4 cadas P.).
p. 233, 13. 14 = Prosp. ep. 92, 1. 2 (1 oppressis P., obsessis
quinque ms. Migne).
p. 234, 3. 4 = Prosp. ep. 67, 3. 4 (4 dividere a vitiis P.).
p. 240, 14 = Prosp. ep. 91, 9 (obstrusa P.).
p. 240, 16. 17 = Prosp. ep. 5, 5. 6.
p. 243, 19. 20. 23. 24 = Prosp. ep. 53, 5 —8 (7 carnalis P.,
carnali ms. Theod.).
p. 245, 4 = Prosp. ep. 29, 1.
p. 245, 6. 7 = Prosp. ep. 41, 1. 2 (2 Nec mutat vario P.).
p. 246, 2 = Prosp. ep. 104, 5.
p. 247, 1 = Prosp. ep. 19, 1 (1 Arcta P.).
p. 247, 4 = Prosp. ep. 8, 7 (magnae cipposuit sapientia men-
sae P.).
p. 247,8. 9 = Prosp. ep. 43,3. 4; ib. 14. 15 = Prosp. ep. 72,1. 2.
p. 248, 6. 7 = Prosp. ep. 102, 17. 18 (18 Vir tute atqiie fide P.,
virtute et jidei Reg. Camb.).
p. 248, 21 = Prosp. ep. 40, 3. p. 249, 28 = Prosp. ep. 15, 4
(ex templo P.).
p. 250, 2 = Prosp. ep. 64, 3.
p. 257, 23—258,3 = Prosp. ad uxorem 1—16 (vs. 2 irremota P.).
11 Cupidas vac/asque mentes P. 13 est deest P.
Mirac. S. Cuthb. III, 10. Prosp. ep. 42, 9 descendat cura medentis.
9. Sedulius.
Auch von Sedulius haben wir schon oben einige Verse
citirt. Iluemer hat in der Ausgabe des Sedulius die meisten
der von Baeda gebrachten Stellen angeführt, wir beschränken
uns daher hier auf die unerwähnt gebliebenen,
p. 231, 2. Sedul. Hymn. I, 69 Mors fera per hominem miserum
sibi subdidit orbem.
622
M » n i t i u s.
p. 232, 23. Sedul. C. P. Y, 191 Splenclidus auctoris de vertice
folget Eons.
p. 243, 15. 16. Sedul. Hymn. I, 1 Cantemus socii domino cantemus
honorem | Dulcis amor Christi personet ore pio.
p. 244, 21 = Sedul. C. P. I, 16 (holus Sed., olus T‘GS).
p. 244, 37 = Sedul. C. P. I, 132 (inmitem Sed., immitem IT).
p. 246, 13. Sedul. ib. I, 18 Grandisonis pompare modis.
p. 247, 28 = Sedul. ib. I, 70 (pomi Sed.)
p. 248, 2. Sedul. Hymn. I, 5 Unius oh meritum cuncti periere
minores.
p. 252, 26 = Sedul. C. P. I, 321 (in me Sed., me est CD E
F 2 LJPS 3 Y).
p. 252, 32 = Sedul. ib. V, 8 (caelo Sed.).
p. 271, 20. Sedul. ib. III, 235 Lihera per vitreos movit vestigia
campos.
p. 294, 10. Sedul. II, 24 pomisque vetaret acerhis.
Mirac. S. Cuthb. II, 36. Sedul. C. P. I, 162 Edidit humanas
animal pecuale loquellas (loquelas CD JE G IIS 1).
Y, 8. Hymn. I, 59 cernunt magnalia caeci.
VI, 4. C. P. II, 222 tamquam vaga caerula ponti.
13. 14. C. P. III, 51 Sidcabat medium puppis secura profun-
dum | Cum subito fera surgit hiems.
VIII, 1. C. P. IV, 109 Hinc maiora docens.
X, 15. 16. C. P. I, 227 Per pelagus siccavit iter, mirabile nimbis
| Manna pluit saxo latices produxit ab imo.
21. G. P. I, 78 Totum namque lavans imo baptismate mundum.
22, C. P. IV, 38 Atque diu clausas reserans sub fronte fene-
stras.
XI, 9. C. P. I, 170 Helium corvi quondam pavere ministri.
XLII, 6. C. P. III, 235 Libera per vitreos movit vestigia.
XLIV, 1. 2. C. P. III, 92 resolutaque membra iacebant | Officiis
deserta suis.
XLVII, 33. C. P. II, 269 Debita laxari qui nobis cuncta
rogamus.
Hymn. II, 150. C. P. II, 260 plena pietate redundans.
196. 7. C. P. I, 161 linguaque rudenti | Edidit humanas animal
pecuale loquellas.
347. C. P. I, 302 Conruit et tetri mersvs petit, ima profundi.
39b. C. P. I, 205 Ar dentis fidei restincta est flamma camini.
Zu Aldhelra und Baeda.
623
10. Dracontius.
Mirac. S. Cutlib. IX, 27. de deo I, 516 reducisque saluiis; cf.
XLIII, 5.
XV, 17. ib. III, 631 secreti pectoris Index.
XXVI, 8. ib. I, 650 Et rediviva salus reduci per membra vapore
| Nciscitur.
XLIII, 5. ib. II, 652 Et gemino capit orbe diem.
11. Alcimus Avitus.
Mirac. S. Cuthb. II, 23. append. XVII, 13 deponere luctus.
XXXVIII, 13.4. C. VI, 6 Alternos recinens dulci modulamine psalmos.
XLII, 6. C. I, 130 erectis firmat vestigia plcintis.
Hymn. II, 152. C. I, 300 In paradisiaca ponuntur sede beati.
351. C. IV, 565 extensis nitidum petit aera pennis.
12. Arator.
de arte metr. p. 229, 22. Arat. act. ap. II, 701 Et 1 mihi iarri
Video subitis lapura ruinis \ Condita fana diu templi quo-
que nobilis aedem.
p. 232, 33 sq. Arat. ib. II, 1107 0 utinam nostris voluisses fida
iuventus \ Consiliis purere prius nee litora Cretae | Lique-
ris insani rabiem passura profundi.
p. 244, 2. ib. I, 552 Iura ministerii sacris altaribus apti | In
septem secuere viros (statuere viris Torn. 1 Migne) etc.
usque vs. 556.
Mirac. S. Cuthb. I, 6. ib. I, 121 Ecclesicie nascentis erat qnibus
igne magistro.
7. ib. I, 147 Mentibus instat amor sevmonibus aestuat ardor.
II, 34. ib. I, 950 aeterni mysteria pandere Christi; cf. XIV, 5.
VI, 12. ib. II, 1069 velique patentibus alis \ Aequora findebat.
14. ib II, 1073 furit undique pontus.
15. ib. II, 1075 Denegat abreptae vestigia certa carinae.
1 Ei las auch der Verfasser des Commentum Einsidlense, Hagen aneed.
Helvet. p. 265, 24, wo derselbe Vers citirt wird, der nach dem Zu
sammenhänge mit Ei oder Hei anfangen musste. Auch in den Quaestt.
grammat. cod. Bern. (ib. 184, 20) wird Arator einmal erwähnt, und
zwar der Vers act. ap. II, 1081 Mortis imago patet.
624
Maniti us.
XI, 13. ib. I, 675 volat axe citato.
XV, 10. ib. I, 170 Postque tot erectos pulsis languoribus aegros.
XXI, 28. ib. I, 450 dens arbiter orbis.
XXIII, 2. ib. I, 43 quibus ore corusco.
XL, 8. ib. I, 801 Te quoque laude potens caelestibus inclyta sign tu.
XLI, 2. ib. II, 655 fremdem \ Daemonis ira.
Hymn. II, 110. ib. I, 552 sacris altaribus apti.
364. ib. I, 552 Iura ministerii sacris altaribus.
de die iudic. 156. ib. I, 592 Vitae principium fuit en sine fine
beatae.
13. Fortunatus.
Leo bat in seiner Ausgabe des Fortunatus den grösseren
Theil derjenigen Stellen angemerkt, welche Baeda dem Fortu
natus entlehnt. Ich gebe daher hier wie bei Sedulius die un
berücksichtigten, sowie die in den Gedichten Baedas enthaltenen,
p. 231, 20 - - Fort. C. VIII, 3, 7 (Alternis vicibus Fort.),
p. 245, 33. Fort. C. VIII, 3, 25 lnde dei genetrix pia virgo Maria
coruscat.
p. 249, 21. ib. VIII, 3, 144 Dirigit et lacobos terra beata sacros.
p. 251, 17. ib. VIII, 3, 154 (Vincenti Hispana Fort.),
p. 294, 11. ib. VIII, 3, 385 Non veto coniugium sed praefero vir-
ginis alvurn.
Mirac. S. Cuthb. I, 19. ib. VIII, 3, 153 Africa Cyprianuni dat.
X, 30 ib. V, 5, 47 unum veneratus adorat.
XXII, 5. 6. ib. IV, 26, 96 Inter virgineos prima Maria clioros.
XXIII, 9. ib. XI, 1, 1 ne . . . prolixitate verbi generetur fastidium.
hymn. II, 180. ib. III, 7, 20 urbs caput orbis habet.
de die iudic. 36. C. app. XXIII, 25 cum venerit arbiter orbis.
58. Vita Mart. II, 122 Coetibus angelicis.
131. C. VIII, 3, 21 fame site frigore fiammis.
147. 8. C. VIII, 3, 25 lnde dei genetrix pia virgo Maria corus
cat | Virgineoque agni de grege.
14. Aldhelm.
Wir sahen schon oben, dass Baeda eine Anzahl Rätlisel
von Aldhelm abgeschrieben hat, doch sind ihm auch andere
Dichtungen desselben Autors bekannt gewesen, wie sich aus
Folgendem ergibt:
Zu Aldhclm und Baeda.
625
Minie. S. Cuthb. IV, 2. Aldh. de laud. virg. 31 Sed potius nitar
precibus pulsare tonantem; cf. X, 14.
11. de aris b. M. VIII, 10 Poplitibus flexis; cf. Ilymn. II, 416.
X, 21. de aris b. M. VII, 19 caeli qui sceptra gubernat; cf. laud.
virg. 1172.
Hymn. II, 165. de laud. virg. 1065 devicta (devecta Griles) viorte
triumphans.
248. de aris b. M. XIV, 6 Cvlmen apostolici celsum perdebat
honoris.
de die iudic. 158. laud. virg. 1678 A quo processit praesentis
machina mundi.
15. carmen in exodum.
Ebert (Allg. Literaturgesch. 1,116n.) machte zuerst darauf
aufmerksam, dass die Verse bei Baeda p. 254, 16—30 aus dem
canticum in der metrischen Bearbeitung der Exodus stammen,
welche dem Iuvencus fälschlich beigelegt wird. 1 Es sind die
Verse bei Pitra Spicil. Solesmense 562—576; vs. 2 liest Pitra:
dum honore, Baeda cum.
Dieses Gedicht ist auch in einem Hymnus des Hraban
benutzt, cf. poetae lat. II p. 248, VII, 1 Cantemus domino deoque
nostro. Dieser Hymnus hat dasselbe Metrum und knüpft gleich
falls an die Errettung der Juden aus der Hand der Egypter an.
16. Hymni.
Nachdem Baeda über das heroische Versmass gehandelt,
geht er p. 254 zu den lyrischen Metren über und citirt dabei
eine ganze Reihe von Hymnen. Dieselben linden sich, nur
zwei ausgenommen, sämmtlicli in den Hymnen wieder, welche
man dem Ambrosius zuschreibt oder wirklich auf ihn zurück
gehen; dieselben citire ich nach Migne 16. 17.
1 Was Ebert gegen diese Autorschaft geltend gemacht hat, ist nicht stich
haltig, da Baeda vielfach die Autoren seiner abgesehriebeuen Verse
nicht nennt und auch den Juvencus nur auf p. 233 namhaft macht,
während er ihn noch an fünf anderen Stellen in der ars metrica aus
schreibt. Ich werde an anderem Orte den Nachweis liefern, dass jenes
grosse Epos viel später fällt als Juvencus, da eine grössere Anzahl
zeitlich bestimmbarer christlicher Dichter darin benutzt worden ist.
de arte rnetr. p. 255, 25—30. Migne 17,1175 N. IV, 1—6 (2 fatis-
cit M. 3 ruvis M.).
ib. 32. 33. p. 256, 1. 2. Migne ib. N. IV, 37—40.
p. 256, 4—6. 8 -15. Migne 17, 1174 sq. N. III, 1—3. 33-40.
p. 257, 2. Migne 16, 1409 N. II, 1. 3 Migne ib. III, 1. 4 Migne
ib. 1411, VII, 1. 5 Migne ib. 1409, I, 1.
ib. 9—12. Migne 16, VIII, 1-4. ib. 16. 17. Migne 16, IV, 15. 16.
p. 259, 3—6. Migne 17, 1—4,
Unbekannt blieben p. 258, 10—17 und 259, 9—12._
Wir können hier eine kurze Betrachtung der Gedichte
des Eugenius von Toledo anschliessen, desjenigen Bischofs, der
das Gedicht de deo des Dracontius in einer wesentlich ver
kürzten Gestalt wieder herausgab. Ausserdem hat er eine
grössere Anzahl kleinerer Gedichte verfasst, die für das Fort
leben der Poesie im 7. Jahrhundert nicht unwichtig sind.
Einige der Miscellangedichte (unter anderen V—VIII) hat
Riese in der anthol. lat. 658 sq. herausgegeben. Die Gedichte
des Eugenius zeigen nun, dass man im westgotischen Reiche
durchaus Fühlung mit der älteren Poesie Italiens und Galliens
behalten hatte, ein Umstand, der sich in der spanischen Poesie
des 9. Jahrhunderts, besonders bei Paulus Alvarus, nicht mehr
geltend macht. So tritt bei Eugenius noch deutlich die Kennt-
niss des Juvencus, Sedulius, Arator und vorzüglich des Fortu-
natus hervor. Andererseits wiederum ist Eugenius von späteren
Dichtern im 8. und 9. Jahrhundert benutzt worden, ganz
besonders von Wigbodus (cf. Poetae lat. aevi Carol. I, p. 95
vs. 4—13 = Hexaem. praef. 2 —12; ib. p. 97 vs. 47—59 =
Hexaem. praef. 13—25; ib. p. 97 vs. 60. 61 — monosticha
recapitul. 34. 35).
Ich citire die Gedichte des Eugenius nach der Ausgabe
von Migne t. 87.
Eugen. C. praef. 3—5. Pers. Sat. V, 91 sed ira cadat naso rugo-
saque sanna.
I, 1. Dracont. Satisf. 1 Rex immense deus.
V, 16. Aen. V, 199 creber anhelitus artus | Aridaque ora quatit.
IX, 3. Iuvenc. h. ev. I, 645 devoti pectoris; cf. XXVI, 3.
9. Sedul. IV, 41 Lumina caecatis dedit et vestigia claudis.
X, 1. Prosper, epigr. 19, 1 quae ducit ad atria vitae.
Zu Aldhelra und Baedu.
627
XI, 2. Fort. C. VII, 12, 44 languidci membra fovent.
XI, 4. Iuvenc. IV, 712 quatiuntur corda pavore.
XII, 1. Ov. Amat. II, 670 Iam veniet tacito curva senecta pede.
9. Aen. VI, 421 ille fame rabida tria guttura pandens.
23. Georg. III, 496 quatit aegros \ Tussis anhela sues.
36. Horat. C. I, 4, 13 Pallida mors aequo pulsat pede pauperum
tabernas.
47. Sedul. C. P. V, 52 Hausissent placidas flabris vitalibus
auras.
49. Dracont. de deo II, 117 Tabe fluens quaecunque cutis.
79. Iuvenc. IV, 303 meritis sua praemia reddet.
XIII, 1. Iuvenc. II, 788 curarum mole gravatis.
XIV, 3. Sedul. II, 260 plena pietate redundans.
XVI, 1. Alcim. Avit. VI, 267 victa quod morte resurgens.
XVII, 8. Iuvenc. III, 313 reddetque hominum sua debita vitae.
XVIII, 5. Aen. VI, 258 procul o procul este profani.
XXI, 2. Arat. act. ap. I, 404 mente sagaci.
XXIV, 17. Prosp. de provid. 1 certis fecundat mensibus anni.
XXVI, 1. Iuvenc. I, 131 Magnificas laudes animus gratesque
rependit.
XXVII, 1. Arat. I, 286 pete dona salutis.
XXX, 9. Aen. I, 123 Accipiunt inimicum imbrem; XII, 284 fer-
reus ingruit imber.
monosticha recap. 35. Coripp. Joh. VIII, 158 devota mente
piavit.
miscellan. III, 6. Iuvenc. II, 113 sine fraude maligna.
VII, 2. Iuvenc. II, 724 Vis inimica homini.
VIII, 9. 10. Georg. II, 328 Avia tum resonant avibus virgidta
canons.
14. Fort. C. I, 15, 102 Cuius ab eloquio dulcia mella fluunt.
16. Fort. C. III, 22, 4 liquido nostra camena melo.
XII, 2. Iuvenc. II, 193 vitamque resumat.
XIV, 1 Sedul. IV, 48 Arboreisque comis.
XL, 4. Juvenal. Sat. VIII, 25 Iustitiaeqiie tenax.
LVI. Prosper, epigr. 76 Carnis Virginitas intacto corpore habetur,
| Virginitas animae est intemerata fides.
LXV, 3. Juvenc. I, 499 puro qui caelum corde tuentur.
LXX, 3. Sedul. C. P. I, 14 aurea vasa.
LXXI, 1. Georg. II, 490 Felix qui potuit.
628
Manitius.
9. Arat. act. ap. I, 592 sine fine leatae. Sedul. II, 66 Imperium
sine fine manet.
LXXV, 2. Aen. VII, 496 laudis succensus amore.
3. Prosper, epigr. 101, 1 pacis amatov; cf. LXXX1II, 8.
LXXVII, 3. Juvenal. Sat. IX, 124 Utile consilium.
LXXX, 4. Sedul. I, 357 Iura sacerdotii Lucas tenet.
LXXXI, 1. Fort. C. III, 8, 31 ducis sine crimine vitam.
4. Fort. C. VIII, 3, 141 Culmen apostolicum.
7. Aen. VII, 473 Hüne decus egregium.
LXXXIII, 2. Fort. C. IV, 18, 24 regna svperna petit.
3. Juvenc. III, 499 rerum possessio fulgens.
LXXXVI, 4. Coripp. Johann. III, 356 Funeris obsequium.
LXXXVIII, 5. Paulin. Nol. C. XXI, 75 Virtutum varias ut viva
monilia gemmas.
LXXXIX, 2. Fort. C. IV, 12, 7 Hoc iacet in tumulo.
7. Fort. C. IV, 8, 13 Sic vultu semper placidus ceu mente
serenvs.
append. IV, 1. Paulin. Xol. XXVII, 411 Hie et praecursor do-
mini et baptista Iohannes.
Die Stellen des Eugenius, die bei Aldhelm und karolingi
schen Dichtern in Betracht kommen, sind folgende:
Aldhelm laud. virg. 1678. Eugen. C. I, 1 quo constat machina
mundi.
Alcuini C. II, XXXIV, 33. ib. VII, 5 caenosi liquerunt gaudia
mundi; cf. Prosper, ep. 103, 23 damnandi legeres mala
gaudia mundi.
Angilbert. C. VI, 295. ib. XII, 11 mortis ense perforas.
ib. I, 26. ib. IX, 4 Anxia deponens prospera cuncta geret.
Theodulf. C. XXVIII, 21. miscell. LXXIX, 31 mundi per
compita.
Ermold. Xigell, in Hludow. I, 355. miscell. LXXIX, 10 totum
diffusa per orbem.
Zn Aldhelm und Baeda.
629
Es erübrigt hier noch die poetischen Citate, die Baeda
seinen Prosaschriften in grosser Zahl einverleibt hat, zu sammeln
und auf ihren Ursprung zu prüfen, was man bisher noch
nicht gethan hat.
In der hist, ecclesiast. (Migne t. 95) findet sich I, 7
p. 32 der Vers Fort. C. VIII, 3, 155
Albanum egregium fecunda Britannia profert (Egreg. Alb. Fort.)
ib. c. 10 p. 37 sind die sechs ersten Verse von Prospers
zweitem Epigramm in obtrectatorem Augustini überliefert (Migne
51, 149 sq.) mit den Abweichungen: 2 adussit P. adurit B.;
4 perpulit P. propulit B.; 6 huic . . . tument P. hic . . . turnet B.;
hier lesen auch Handschriften Baedas huic . . . tument und
folglich ist dies aufrecht zu halten, in, 12 p. 135 wird der
Vers Aen. II, 1 citirt. IV, 20 p. 204 überliefert Baeda einen
seiner Hymnen de virginitate, wie schon Ebert (1. 1. S. 608)
bemerkt hat. Da die Hexameter dieses Hymnus alphabetische
sind, so ist zu schreiben vs. 19 Kasta, 41 Xriste, 43 Ydros.
Zu vs. 1 cf. Aldhelm aen. hendecast. 3, 9 saecula iure gubernent;
9 Fort. C. VIII, 3, 385 praefero virginis alvum. Mit 51 dulci-
sono viodularis carmina plectro cf. Angilberti C. II, 11 didcisono
taceas ne tibia plectro. — Ausserdem finden sich in der hist,
eccles. einige alte Epitaphien bewahrt: II, 1 p. 80 des Papstes
Gregorius, welches sehr an Fortunat erinnert (cf. 3. Fort. C.
IV, 5, 6; 5. cf. ib. IV, 5, 5. 6; 7. ib. IV, 8, 21 sq.; 10. ib.
VIII, 3, 8. 11. ib. IV, 1, 21); des angelsächsischen Königs Caed-
valla (vgl. mit vs. 17. 18 Angilb. C. I, 42 Ducatque incolumem
per vada perque viam) V, 7 p. 237 (cf. Pauli Diac. hist. Langob.
VI, 15); die Anfangs- und Endverse von des Erzbischofs Theodor
Epitaphium V, 8 p. 239, endlich V, 19 p. 269 die Grabschrift
des Bischofs Wilfrid.
de temp. ratione (Migne t. 90) p. 322 c.’ 7 Aen. II, 250 ruit
Oceano nox \ Involcens umbra magna terramque polumque;
р. 325 c. 7 Aen. I, 374 Ante diem clauso componet vos per
Olympo. p. 358 c. 16 finden wir das Gedicht Riese an-
thol. 640, und zwar mit Hinneigung zu c. F P; p. 376
с. 16 Georg. I, 231. 232.
630
M ani ti ns.
p. 425 c. 29 Georg. II, 479. 480 (residunt B). p. 441 c. 32 Aen.
VIII, 97 (conscendat B).
p. 455. 56 c. 34 Georg. I, 233—238 (Cerulea B);
cunabula grammat. artis Donati. p. 630 1. 16 sq. Aen. VI, 179
(id. p. 642, 9). Aen. VIII, 680 (id. 642, 10). Aen. II, 442
(id. 642, 11). Aen. VIII, 616 (id. 642, 13). Aen. I, 295.
VI, 203. Ecl. I, 80. Aen. I, 750 (id. p. 642, 24). Georg.
II, 157. Aen. IX, 514 (id. p. 642, 17 iuvat).
de octo partibus orat. p. 633 Aen. VI, 304. de computo p. 650
Pers. Sat. II, 1 Hunc Mncrine diem numera meliore lapillo;
p. 689 Juvenal. X, 249 adque suos iam dextera computat
annos.
Mund! constitutio p. 906 Lucan. I, 415. 416.
Musica pract. p. 934 cf. Amat. III, 62 ewnt anni morn fliten-
tis aqune. \ Nec quae praeteri.it. In den philosophischen
Schriften treffen wir eine ganze Reihe Gedichte aus der
lateinischen Anthologie (so auch de arte metr. K. VH,
245, 11 Haec tua sunt, bona sunt quia tu bonus omnia
condis = Riese anth. lat. 489, 1, citirt bei Augustin, civ.
Dei XV, 22; omnia sunt bona Riese; bonus ista creasti
Augustin); sentent. philos. p. 987: sic et Ovidius:
Vir magnus bello nulli pie.tate secundus
Aeneas odiis lunonis pressus iniquae.
Diese Verse sind anthol. 1, I, 1. 2. Ferner werden element.
philos. I p. 1090 drei Epitaphien Ciceros überliefert: Epitaphium
M. T. Ciceronis quod statua eius perplexum est in aede magni
Iovis apud Tullorum monumentum; vs. 1—6 = Riese anth. 603
(1 amici cum C); 7—12 = ib. 604 (9 gravis hostis erat Riese;
11 urbem cum VX); 13—18 = ib. 613 (13 eloquii cum V,
memorabilis Riese; 17 ingenii cum C; pollet cum laude
Riese). — element. philos. I p. 1138 stehen einige Verse aus
Juvenal Sat. II, 8. 9 (8 frontis Juv.), und II, 14. 15 (sermo Ulis
et Juv.)
Weiter unten Georg. II, 336 — 338 (336 prima crescentis
origine Verg. 338 ver magnus agebat Verg.). ib. IV prooem.
p. 1166 Amat. III, 132. — p. 1177 Aen. VI, 731. Migne t. 91
hexaem. III p. 126 Ov. Met. IV, 58. — de tabernac. I, 3 p. 400
Zu Aldhelra und Baeda.
631
Aen. VI, 731. 732. — in Samuel, üb. III, 2 p. 611 Aen. III,
467; in libros Regum I, 8 p. 721 Aen. XII, 84. — ib. 1,28
p. 733 vier Verse aus Sedul. C. P. I, 184—187 (185 Heliae Sed.
fulgens Sed.). — de templo Salomon. 4 p. 745 Aen. III, 126.127
(126 Olearum . . . Parum Verg. 127 freta consita terris Verg.).
— super parabol. Salomon. II, 22 p. 1002 Horat. ep. I, 2, 69.
70. — ib. c. 24 p. 1010 Riese anth. 769 (1 absentum rodere
Riese, 2 Hane mensam indignam noverit esse sui (suam R Gr).
— ib. c. 28 p. 1019 Ecl. II, 22 (Lac mihi non aestate novum
non frigore defit Verg.) — in cantica cantic. I p. 1065 Ecl. IH,
92. 93 (92 fraga Verg.) — ib. II, 1 p. 1101 Georg. III, 414.
415 (414 odoratam V. 415 galbaneoque . . . chelydros V.). —
ib. V, 23 p. 1167 Ecl. III, 63. — ib. c. 30 p. 1189 Aen. I, 723.
724 (723 Postquam prima V. 724 crateras magnos statuunt V.).
— Migne t. 92 in Marci evang. I, 4 p. 169 Juvenal. XIV,
139 (crevit J). — in Lucae ev. exposit. II, 6 p. 398 Pauün.
Nolan. C. XXVII, 415-420. — ib. IV, 11 p. 480 Sedul. C. P.
n, 64-68. — ib. VI,23p. 615 Sedul. C. P. H, 188-195. - acta
apostol. 1 p. 945 Arat. act. ap. I, 108 —110. — p. 954 Arat.
I, 407—410. — p. 956 Arat. I, 570—572 (571 mentis Arat.) —
p. 960 Arat. I, 593—595. — p. 961 Arat. I, 624. 625. — p. 965
Martial. epigr. XIII, 94. — p. 972 Arat. I, 1054—1057. —
p. 978 Arat. 11,441.442. — p. 983 Arat. II, 647 — 650. —
p. 984 Arat. lf, 714—716. — p. 986 Arat. II, 890. 891. 909.
910. — Migne t. 93. explanat. apocal. p. 200 Arat. I, 147. —
p. 284 Prudent. enchir. I, 1—4. — p. 285. Prud. encliir. II, 1
bis 3. p. 292 Sedul. C. P. I, 103—106 (103 abusque Sedul.). —
p. 297 Prud. encliir. III, 1—4. — p. 312 Sedul. C. P. I, 107
bis 120 (107 Sarrae Sedul. 115 pueri Sedul.). — p. 315 Sedul.
C. P. I, 121—126. — in psal. explanat. IX p. 541 Horat. ep.
II, 3, 111. — ib. p. 543 Horat. Sat. I, 3, 68 sq. — psal. XXXIII
p. 655 Lucan. Phars. I, 323.
Es sei hier gestattet, noch auf einige andere Schriften
des 6.—8. Jahrhunderts bezüglich ihres Gehaltes an älterer
Poesie einzugehen. In dem Epitaphium des Livinus auf Bavo
(Migne t. 87 p. 345) erinnern Vers 33. 34 sehr an Fortun.
O. XI, 22, 2, 1 Deliciis variis tumido me ventre tetendi | omnia
sumendo: lac holus ova butur; 5 nam cum lacte mihi posuerunt,
inde buturum; 51. 52 entstammen dem Boetliius de consol.
632
M a n i t i u s.
praef. 1 Carmina qui qitondam studio florente peregi | Flebilis
heus maestos cogov inire modos. — In den opuseula Valerii abbatis
(Migne 87, 439) finden sieb zwei Verse, die als etwas schon
Bekanntes eingeführt werden:
Ipse iubere nefas ipse perhibetur ämare
Qui prohibere valet nec prohibere volet.
Diese Verse sind genommen aus Eugen. Tolet. miscell. XLVI,
nur liest Eugenius statt ipse im ersten Vers ,ille‘. — Der Vers
in Jonae vita S. Columbani (Migne 87, 1024) Gratius ut donum
iam desperantibus esset steht Juvenc. h. ev. I, 44. —- Grössere
Citate finden sich in den Schriften des Ildefonsus von Toledo:
de partu virginis (Migne 96) p. 229 vs. 1—7 Prudent. Apoth.
568 — 574 (2 adflatu P. 3 novitatis P. 5 sentit P.); 8. 9 Prud.
Apoth. 583. 584. sermones dub. VI p. 264 vs. 1—4 Prud. Catli.
V, 125—128 (4 Acherontiis P.), 5—8 Prud. Cath. V, 133—136. de
corona virg. p. 289 — 302 stehen grössere Brachstücke aus
Hymnen. Carmina p. 323 sq. I, 17. Biese anthol. 1, I, 2 Vir
magnus bello nulli pietate secundus. TH, 2. Fort. C. IV, 8, 6 Spiri
tus astra tenet. VIII, 1. Iuvenc. h. ev. I, 26 Immortale decus
tribuet; IX, 11. Riese anth. 716, 1 prudens adcommodet aurem.
— Einige werthvolle Citate bringt Erzbischof Lullus von Mainz
in seinen Briefen (Migne 96). p. 819 ep. 1 steht ein Gedicht
über Agathokles, welches dem Ausonius angehört, es ist Auson.
epigr. 8 (vs. 8 exili L. exiguo A.); p. 822 ep. IV Verg. Ecl. X, 69.
Die beiden Verse am Schluss von ep. XXII (p. 839) und die
sechs Verse am Schluss von XXVI (p. 842) sind jedenfalls
von Lull selbst verfasst; in den letzteren treffen wir einige
Citate: vs. 3 Dracont. de deo III, 16 Iustitiae monitor sed plus
pietatis amator; 4 Baeda vita Cuthb. V, 16 Discite pastores
vigili tutamine mandris; 6 Sedul. C. P. I, 368 Portantes nostros
Christo veniente maniplos. — Bei Constans de passione B. Emme
rami (Migne 96) p. 1369 werden zwei Verse aus Vergil citirt,
Aen. VI, 496. 497. — Reicher ist die Ausbeute bei Paulus
Diaconus. Gesta Langobard. 1,6 vs. 1—4 Aen. III, 420—423. hist,
misc. III p. 781 (Migne 95) Aen. Vn, 738. X p. 898 Aen. VI, 365.
XIII p. 945 vs. 1 Claudian. III cons. Hon. 96. 97. vs. 2 ib. 98.
Homil. C. p. 1305 Sedul. C. P. IV, 278. 279. Homil. CLXVIII
p. 1370 Ilorat. ep. II, 3, 359. Homil. de sanctis XII p. 1473
Zu Aldhelm und Baeda.
633
Ecl. IV, 7. LIX p. 1531 Sedul. C. P. I, 357 (sacerdotii . . .
iuvenci Sed.). ib. p. 1532 Paulin. Nol. XXVII, 424—427.
Ich schliesse hieran eine kurze Erwähnung der Citate
aus christlichen Dichtern, die sich in der ars grammatica des
Julianus von Toledo (ed. Rom. 1797) vorfinden. Die meisten
Dichterstellen, welche dieser Autor aus der älteren römischen
Poesie erwähnt, gehen auf Donat, Pompejus oder andere be
nutzte Grammatiker zurück, dagegen sind eine Anzahl christ
licher Dichter von Julian direct benutzt worden. Besonders
stark ist die Benutzung der Gedichte des Eugenius von Toledo,
eines Vorgängers des Julian. Ich citire Eugenius nach Migne 87.
Juliani ars gram. p. 6 c. 7 wird ein ganzes Gedicht des
Eugenius citirt, c. XXI de inventoribus litterarum (vs. 7 repperit
Jul.), p. 6 c. 12. Dracont. de deo I, 722 (Eugen. Drac: Hexaem.
I 602) Noverit ut vultur qua sit regione cadaver. — p. 8 c. 21.
Eugen, c. miscell. VIII, 13 (Riese anth. 658, 21) Null.a tuos
umquam cantus imitabitur ales. 1 ib. Prudent. enchir. I, 1 Eva
columba fuit tune candida nigra deinde. ib. Prud. ench. IX, 1
Tatus agit vir iustus iter vel per mare magnum; ib. Prud. ench.
III, 2 Ore columba refert ramum viridantis olivae; ib. Eugen,
c. II, 1 0 mortalis Jiomo mortis reminiscere casus; ib. Prud.
ench. IV, 1 Hospitium hoc domini est, ilex ubi frondea Mambre;
р. 8 c. 24. Prud. ench. XV, 1 In fontem refluo Iordanis gurgite
fertur; ib. Prud. ench. III, 3 Corvus enim ingluvie per foeda
cadavera captus. — p. 9 c. 24. Sedul. C. P. I, 159 Christus erat
panis Christus petra Christus in undis. — p. 11 c. 35. Eugen,
monost. recapitulat. 34 Haec tibi rex summe (om. Jul.) iussu
compidsus herili. ib. Eugen, c. XIII, 7 Eugeni miselle plora
languor instat improbus; ib. Eugen, c. XI, 1 Vae (ei Jul.) mihi
vae misero qui semper fessus anhelo. — p. 33 c. 143. Sedul. C.
P. II, 247 Annuat ipse prior (prius T Jul.) sicut benedicier idem.
— p. 33 c. 149. Eugen, hexaem. I, 2 Lux datur ante polum
(polos Dracont.) lux clari causa diei. — p. 43 c. 197. Eugen.
с. XXin, 1 0 Io versicidos nexos quia despicis annes. — p. 52
c. 235. Prud. cath. praef. 3 Annum cardo rotat dum fruimur
1 Da Julian diesen Vers citirt, so ist es sehr wahrscheinlich, dass das
Gedicht de philomela auf Eugenius zuriiekzufiihren ist; Ebert (1.1. S. 570,
n. 2) zweifelt daran, ohne Gründe vorzubringen.
Sitzungsbor. <i. phil.-hist. CI. CXII. Bd. II. Ilft. 41
634
Man it ins. Zu Aldhelm und Baoda.
sole volubili. — p. 53 c. 237. Ambros, kymn. (Migne 17 p. 1175)
IV, 1 Squalent arva soll pulvere multo. — ib. c. 238. Ambros,
ib. p. 1214, LXX, 1 Alvii prophetae progenies pia. — p. 54
c. 245. Prud. Cath. III, 1 0 crucifer hone lucisator. — ib. c. 246.
Prud. Cath. VII, 1 0 Nazarene lux Bethleui verbum patris. —
р. 55 c. 256. Eugen, c. miscell. XLIX, 2 iste sanus aeger est.
ib. c. 257. Eugen, ib. LI, 2 Qui canem cauda retentat; ib. c. 259.
Eugen, ib. IV Crucis almae fero signum fuge daemon. — p. 58
с. 279. Sedul. C. P. I, 3 Pone supercilium si te cognoscis amicum.
Was die Origines des Isidor betrifft, so sind nur wenig
Citate aus christlichen Dichtern zu erwähnen: VI, 9, 1 Dracont.
Satisfact. 63; VIII, 9, 8 Prudent. in Sym. I, 91. 93. 94. 96 — 98.
ib. 9, 58 Prud. ib. I, 365—367; de natura rerum XXVI, 13 Prud.
Cathem. XII, 21. Endlich ist zu bemerken, dass Baeda in seinen
Briefen ep. III (Migne 94, 673) zwei Verse aus einem dem Isidor
zugeschriebenen Gedichte citirt und zwar Isid. carm. (append. II)
VI, 1. 2 (1 Jeronyme Is. 2 totus te Is.).
Rüdinger. Acten zn Colnmbus' Geschichte von 1473—1492.
635
Acten zu Colnmbus’ Geschichte
von 1473 bis 1492,
eine kritische Studie
von
Max Büdinger,
wirkl. Mifgliede der kais. Akademie der Wissenschaften.
JUie in den letzten anderthalb Jahrzehnten angestellten
Forschungen über Columbus’ Leben zeigen bis zu dem ent
scheidenden Vertrage desselben mit dem spanischen Königs
paare noch in erheblichen Punkten Differenzen, welche zu einem
lebhaften, ja in einer Hauptfrage erbitterten Meinungsaustausche
geführt haben. In den nachfolgenden Untersuchungen wage ich
es, zwischen den Streitenden theils mit einigem Materiale her
vorzutreten, das bisher nicht herbeigezogen oder nicht ent
sprechend verwerthet wurde, theils eine Ausgleichung der vor
handenen so weit auseinandergehenden Auffassungen von anderen
Gesichtspunkten aus zu versuchen, als den bisher zur Geltung
gekommenen.
1. Historie.
Die unter dieser Bezeichnung im Jahre 1571 erschienene
italienische Biographie 1 ist nach dem Titelblatte und den Vor
reden von Columbus’ natürlichem Sohne Ferdinand in spanischer
1 Historie del S. D. Fernando Colombo, nelle quäle se ha particolare et
vera relatione della Tita et de’ fatti deli’ Ammiraglio D. Chr. Colombo
nuovamente di lingua Spagnuole tradotte nel Italiauo dal S. Alfonso
Ulloa. In Venetia 1571. Appresso Francesco de’ Franceschi Sanese. 8°,
3 und 247 Blätter Text. Noch zehn Abdrücke bis 1867 verzeichnet
Harrisse, bull, gdogr. (= bulletin de la socidte de geographie. Paris,
sixi&me Serie) 1874, VIII 400.
41*
636
B G d i n g e r.
Sprache verfasst und, mit Ausnahmen von geringer Wirkung, 1
his zum Jahre 1871 als die einzig zuverlässige Grundlage aller
Forschung über den grossen Entdecker — als ,Grund- und Eck
stein 1 nach Washington Irving's Ausdruck — angesehen worden.
Seit dem Jahre 1871 aber hat ein so ausgezeichneter Bücher
kenner und Gelehrter wie Herr Henry Harrisse aus New-York
mit dem rücksichtslosen Eifer des praktischen Juristen in einer
Reihe von Schriften und in Abhandlungen polemischer Art mit
allmäliger Milderung der Conclusionen und Verdammungsworte
das Buch für eine Fälschung oder doch eine mit Erfindungen
durchsetzte Zusammenstellung erklärt. Mit Unrecht trage sie
den Namen Don Fernando Colon’s, müsse aber allerdings vor
dem Jahre 1559 vorhanden gewesen sein, in welchem Jahre sie
von LasCasas hei Abschluss des ersten Theiles seiner Geschichte
von Indien benutzt wurde. Die neueste Formel von Harrisse’s
Zweifeln in dem 1884 erschienenen ersten Bande seiner Lebens
beschreibung des Entdeckers, welche Formel auch in dem zweiten,
1885 ei’schienenen Schlussbande 2 festgehalten wird, lautet: die
Historie seien eine Schi-ift, ,deren man sich nur mit äusserster
Zurückhaltung bedienen darf und niemals, ohne ihre Behaup
tungen, Erzählungen, Citate, sogar die Namen und Daten zu
controliren 1 . Immerhin wiederholt. Harrisse einen schon 1872 von
ihm geäusserten Satz mit Nachdruck: ,trotzdem kommt man un
bestreitbar zu einem Ueberbleibsel von gewissem Werthe, das
auf authentische, heute zum Theil veilorene Urkunden zurück
geht 1 . Seine verwerfende Ansicht in ihrer älteren schroffen
Form, in bestrickender Dialektik vorgetragen, hat auch bei dem
neuesten deutschen Bearbeiter 3 von Cohxmbus’ Geschichten Bei
fall gefunden, so dass auch dieser die jAuthcnticität 1 des Buches
besti-eitet.
1 Eustaquio Fernandez de Navarrete, noticias de Don Bartol. Coldn (Co-
leccion de documentos ineditos para la historia de Espana, t. XVI,
Madrid, 1850), 348 nennt zwei ältere mehr andeutende Zweifler; p. 344
schildert er die Bemühungen um das spanische Original, hofft aber
nur schwach, dass ,una feliz casualidad 1 es aus der Vergessenheit aus
graben werde.
2 Chr. Colomb (reeueil de voyages et de documents pour servir ä l’histoire
de la geographie, edd. Schefer et Cordier. Paris t. VI) I, 115 sqq., II, 383.
3 Soplius Rüge, Geschichte des Zeitalters der Entdeckungen (1881, W.
Oncken, Allgemeine Geschichte in Einzeldarstellungen II. Bd. 9) 322.
Acten zu Colurabus’ Geschichte von 1473—1492.
637
Wenn Harrisse erst in seiner neuesten Arbeit von Las
Casas’ Hauptwerke Kenntniss nahm und seine früheren An
sichten demgemäss modificirte, so ist ihm dies zunächst von
spanischen Gelehrten zum Vorwurfe gemacht worden. Der
Marques la Fuensanta del Valle und Herr Jose Sancho Rayon
bemerken im Vorworte (p. III) zu der seit drei Jahrhunderten
entbehrten, in den Jahren 1875 und 1876 von ihnen besorgten
Ausgabe, 1 dass der amerikanische Gelehrte, der 1871 in seinem
,kritischen Versuch über Don Fernando Colon' über Unzugäng
lichkeit der Handschrift klagte, am 13. August 1869 auf ein
Vorstehblatt des eben für ihn besonders in Betracht kommenden
ersten Theiles des Originales eintrug, er habe dasselbe verglichen.
Schärfer betonte die Thatsache Herr Antonio Maria Fabiö im
Jahre 1879 in seinem umfassenden Werke über Las Casas’
Leben und Schriften; 2 indem er eine Anzahl Stellen aus den
Historie und der ,Geschichte von Indien' neben einander ab
druckte und besprach, konnte er unwiderleglich einen gemein
samen Ursprung Beider behaupten. In viel umfassenderer und
bis zur Vollständigkeit beabsichtigter Weise hat über die Frage
im Jahre 1884 Herr Prospero Peragallo 3 dasselbe dargethan,
wie Fabie, dessen Arbeit er seinerseits nicht kennt. Peragallo
ist von der Echtheit der Historie, von Don Fernando’s Autor
schaft — die ja Las Casas ausdrücklich nennt 4 — und von der
nahezu gänzlichen Glaubwürdigkeit des Buches gleich Fabie
überzeugt und über Herrn Harrisse tief entrüstet, wenn er ihm
auch zu Anfang und Ende collegialisch die Hand bietet.
Peragallo’s Werk scheint — der Druck war am 15. Juli
1884 beendet — gleichzeitig mit Harrisse’s erstem Bande der
Columbusbiographie ausgegeben worden zu sein. Herr Harrisse
nimmt aber auch im zweiten Bande keine Notiz von demselben,
1 Historia de las Indias por Fr. Bartholome de las Casas publicada ahora
por vez primera, eonforme a los originales del autor. Coleccion de doc.
ined. p. la hist, de Espaiia, t. LXII—LXVI. Madrid, 1875 und 1876.
Las Casas’ brevissima relacion de la destruycion de las Indias, schon
1552 erschienen, jetzt in derselben Sammlung t. LXXI (1879) wieder
abgedruckt.
2 In derselben Coleccion t. LXX, p. 363 ff.
3 L’ autenticitä delle historie di Fernando Colombo e le critiche de Signor
Enrico Harrisse. Genova. Tipografia del R. Istituto di Sordi-Muti. 304 S. 8.
4 — en su Historia dice Don Hernando Colon, t. LXIII, p. 98.
638
Bü dinger.
und die spanischen Angriffe scheint er nur ohne Nennung wider
legen zu wollen; er bemerkt eben nur, 1 dass er bei seiner da
maligen in Eile vorgenommenen Einsichtnahme der Handschrift
blos nach bestimmten Seiten von Las Casas’ humanen Bestre
bungen gesucht habe.
Zu um so grösserer Ehre gereicht es D’Avezac’s An
denken, dass er im Jahre 1873, also noch vor der Publication
von Las Casas’ Werk, freimüthig sein mangelhaftes Material
bekennend, den Schleier zu lüften begonnen hat, welcher über
der Publication als solcher liegt 2 , und, wie wir noch sehen
werden, nach den ganz eigenartigen Umständen ihrer Entstehung
liegen musste. Wenn bei dem Beginne dieser Polemik Harrisse 3
mit gutem Grunde versichert hatte, keine andere vorgefasste
Meinung zu haben, als die nacli Erkenntniss der Wahrheit, so
macht freilich D’Avezac mit scharfen Worten die advocatcn-
mässige Weise der Angriffe des Gegners geltend, 1 der hierauf
in seiner sonst wenig erheblichen Schlusserwiederung um so
mehr alle Formen der Rücksicht in einem gelehrten Streite auf
das Schönste gewahrt hat. 5
Aber andererseits muss man die Ehrerbietung anerkennen,
mit welcher D’Avezac sich 0 dessen erinnert, welcher für dieses
Gebiet historischer Kritik und speciell für die richtige Beur-
theilung der Historie den entscheidenden Anstoss gab: des von
König Karl III. im Jahre 1779 mit Abfassung einer quellen-
massigen Geschichte der amerikanischen Besitzungen seines
1 Colomb I, 109. Es ist eben nur eine Verirrung zu seiner früheren Mei
nung, wenn er anachronistisch sagt: Las Casas donne aussi cet extrait
evidemment d’apres les Historie (I, 117), während doch jetzt seine An
sicht ist (I. 128, 132), es seien alle übereinstimmenden Stellen literale-
ment empruntees au mysterieux prototype des Historie, er auch wohl
(I, 121) vernehmen lässt: l’auteur des Historie, quel qu’il soit.
2 Bull, geogr. V, 68—72, VI, 380—403, 478—506; über sein Material p. 399.
3 Ibid.VI, 385.
4 Er wirft ihm vor: difficultes accessoires sans consistence (396), inanite
des griefs . . . generalement frappante (178), nennt ihn als Kritiker in-
exorable (493), gar einen malin investigateur (501). Man mag hienach
scliliessen, wie die Erregung bei spanischen und italienischen Wider
sachern sich äussert.
5 Bull, geogr. 1874, VIII, 100—123, 493—526.
6 Bull, geogr. V, 72: les plus eminents historieus de Chr. Colomb. en töte
desquels il fallt respectueusement conserver ä Munoz le premier rang.
Acten zu Colurabu«’ Geschichte von 1473—1492.
639
Reiches betrauten, schon 1799 der Wissenschaft entrissenen, so
hochsinnigen wie überaus sorgfältigen Forschers Johann Baptist
Munoz. Der erste und einzig erschienene Band von Munoz’
Geschichte 1 der neuen Welt — zugleich die erste Frucht jener
umfangreichen, von Navarrete wie den heutigen spanischen For
schern so gern und dankbar benutzten Stoffsammlungen 2 —
enthält nämlich gleichsam die Grundlage von D’Avezac’s Aus
führungen in folgenden Sätzen über die Historie: ,Das Buch
enthält alles Wesentliche der Papiere des Entdeckers und wört
lich verschiedene Bruchstücke, die mit Sorgfalt und feinem Ge
fühle ausgewählt sind/ 3 Der Verfasser Ferdinand Colon, dessen
bedeutende litterarische Eigenschaften er rühmt, sei in einige,
wenn auch ,recht seltene 4 Irrthümer gefallen, deren einen er
nennt; die Fehler der italienischen Uebersetzung schreibt er
— wie wir sehen werden: irrig — ,einer ungetreuen Abschrift 4
zu; immerhin warnt er vor ihren Angaben Jeden, ,der nicht
viel Scharfsinn und Kritik besitzt 4 . 1
So geht nun D’Avezac in Ausmalung dieser Skizze als
redlicher Vertheidiger der Historie gegen Harrisse’s Anschul
digungen mit ungemeiner Lebhaftigkeit zu Werke. 5 Er zeigt
Druckfehler, Satzkürzungen, Anslassungen der italienischen
Uebersetzung, zeigt die correcte Viertheilung des Werkes' 1 und
1 Historia del nuevo Mundo, t. I. Madrid, 1793. Hier kommt zunächst
p. VIII in Betracht.
2 Harrisse, Christ. Colomb. I, 66 gibt einen Auszug, der von dem Reich-
tliume der von Munoz hinterlassenen Sammlungen aus Archiven und
Bibliotheken zeugt.
3 — conserva todo lo sustancial de los papeles del descubridor y ä la
letra varios fragmentos escogidos con pulso y delicadeza.
4 — se encuentran cantitad de feclias equivocadas y otros absurdos ca-
paces de inducir a error ä quien no tenga mucha sagacidad y critica.
5 Doch wird er hierin weit von dem Genuesen Peragallo übertroffen, der
sicli sonst (p. 60) auf seine pratica di parocco beruft, aber doch bei
einer Genua betreffenden Angabe, die Harrisse bestreitet, ausruft (p. 83):
,Diavolo! Le Historie non erano mica stampate alla Meccak Bei einem
von ihm widerlegten Argumente des Gegners schreibt er (p. 260): Lo-
dato Dio!
6 VI, 388; er macht auch p. 479 auf die irrige Zählung der Toscanelli-
briefe als Cap. 8 aufmerksam, so dass wirklich erst mit Cap. 12 die
richtige Zählung wieder beginnt; es ist nicht abzusehen, wesshalb
Harrisse hievon keine Notiz nimmt.
640
Büdinger.
betont die Glaubwürdigkeit der sonst nicht erhaltenen urkund
lichen Einlagen. Unter diesen hat er mit Recht den Differenzen
besondere Aufmerksamkeit gewidmet, welche zwischen der Fas
sung der für die Entdeckung Amerika’s so überaus wichtig ge
wordenen Toscanellibriefe in den Historie — und fast wörtlich
ebenso in Las Casas’ Text 1 zu Beider Ehren — und in der
Abschrift bestehen, die von Columbus’ Bruder Bartholomäus 2
auf ein Vorstehblatt eines Exemplares von Papst Pius’ II. Historia
rerum ubique gestarum (ed. Venet. 1477) eingetragen ist. 3 Hier
bemerkt D’Avezac überzeugend, wie die Vei-schiedenheit sich
daraus erklärt, dass ein Satz aus der damals beiliegenden Karte
Toscanelli’s von Bartholomäus und dem Verfasser der Historie
an verschiedenen Stellen eingetragen wurde.
Besondem Fleiss hat D’Avezac darauf verwendet, wie
schon oben (S. 638) bemerkt wurde, die Geschichte der uns
vorliegenden venetianischen Publication zu ergründen. Vor Allem
will er eben Harrisse’s Zweifel zerstreuen, die eine Zeit lang
bis zu Annahme einer Fälschung durch den Uebersetzer Ulloa
selbst gingen -— durch einen Mann, nebenbei bemerkt, der schon
zehn Jahre vor dem Erscheinen der Historie am Schlüsse einer
andern, im Ganzen treuen, wenn auch verkürzenden Ueber-
setzung seinen Entschluss ausgesprochen hatte, fortan, ,wenn
ihm Gott nichts Anderes eingebe*, in Ruhe seinen Studien leben
zu wollen. 1
1 Mit besonderer Freude druckt Peragallo sie p. 99 — 104 ab: Non c’ e
apologia piü splendida di quella che emergerä dal confronto dei due
testi allegati, per rivendieare d’ autenticitä delle Historie.
2 Harrisse, Colomb II, 190.
3 Nach D’Avezac 499 von dem Bibliothekar der Colombina Don Jose
Fernandez y Valasquez gefunden, der freilich bescheiden Herrn Harrisse
(bull, geogr, 1874 VIH, 526) bezeugte, erst durch ihn den Werth dieser
lateinischen Fassung kennen gelernt zu haben, die derselbe (Bibliotheca
Americana, Additions. 1872, p. 16 sqq.) zuerst abgedruckt hat.
4 Deila quäl fatica et ancora delle molte altre che in questa materia
(des Uebersetzens) fin’ ora ho fatto io resto cosi stanco et travagliato
et con si poca sanitä della mia vita, che se Dio altro non mi inspira,
son disposto di riposarmi et di non scrivere del modo che fin’ ora ho
scritto ma di darmi a leggere et vedere quel che gli altri hanno scritto,
ehe quello mi sara piü sicuro et questo piü profitevole. Barros, Asia
— erste und zweite Dekade, die dritte erschien erst 1563 — tradotta
dal S. Alfonso Ulloa, in Venetia 1561. 2 Bände. Ulloa hat einen Lob-
Acten zu Columbus’ Geschichte von 1473—1192.
641
Nur durch besondere Vortheile kann doch Ulloa bewogen
worden sein, mit der Nennung seines Namens auf dem Titelblatte
sich zu begnügen, während bei Erzählung des Ursprunges dieses
Buches in der Vorrede seines Namens überhaupt nicht gedacht
wird. Hier erscheint vielmehr als eigentlicher Herausgeber 1
Josef Moleto, aus Messina gebürtig, 2 an der dortigen, dann an
der Paduaner Universität mit einer Unterbrechung bis zu seinem
Tode im Jahre 1588 als Professor der Astronomie angestellt,
seit 1561 als Ptolemäusinterpret bekannt, von 1564 bis 1584
durch Ephemeridenpublication verdient. Moleto bezeichnet sich
als zunächst beauftragt von einem genuesischen Edelmanne,
Namens Marino, richtet aber sein Vorwort an dessen Freund,
einen siebzigjährigen andern vornehmen Genuesen, der, ein
alter Senator und Rath der Republik, 3 nach Moleto aber auch
damals in Staatsgeschäften noch vemvendet war: Baliano di
Fornari; denn dieser sei nach Venedig gekommen, um das
spanische Manuscript Don Ernando Colombo’s, dessen Echt
heit Moleto doch besonders betont,' drucken und zwar sowohl
in spanischer als italienischer und lateinischer Sprache publi-
ciren zu lassen. Seine Geschäfte — nach Harrisse auch ein
redner an Eustaquio de Navarrete 1. 1. 344 gefunden, weil er der ge
bildeten (italienischen) Nation mnchos de nuestros buenos libros zu
gänglich gemacht habe; aber ein laborioso escritor italiano war Ulloa
nicht; am Schlüsse der Barrosübersetzung hebt er selbst hervor: ho
linito di ridurre in questa vostra lingua 1’ Asia che nella Portoghese
favella vicina al mio Castigliano parlare era scritto.
1 Sig. Gio. Battista di Marino . . . molto mio Signore ha voluto che’n
buona parte la cura di tal negotio fosse mia, ne io ho voluto a ciö
mancare, sagt das Vorwort gegen den Schluss. Ueber die Persönlich
keit Marino’s, nach Harrisse 1873, bull. gÄogr. V, 387 abschliessend:
D'Avezac ib. VI, 386. Peragallo hat nichts Weiteres beibringeu können
Diesen Genuesen ist zuerst nachgegangen: Spotorno codice Colombo-
Americano (1823), p. LXI sqq.
2 D’Avezac, bull, geogr. 1873, V, 69, sonst: Tiraboschi (1781) VII“ 383,
VII b 154 als Giuseppe Moletti. D’Avezac citirt mit Harrisse ein gerade
ebenfalls im Jahre 1571 in Venedig erschienenes geographisches Werk
Moleto’s.
3 Harrisse bull, geogr. 1873, V, 385.
4 Ne e ancora da dubitare, che non sia scritta di man del sudetto illustr.
D. Ernando e che questo ehe V. S. ha havuto non sial il proprio
originale, essendo che a V. S. fu dato per tale dall’ Illustr. D. Luigi
Colombo, amico molto a V. S.
642
Büdinger.
Igj
genuesisches Gesetz von 1528, welches einem Manne seiner
Stellung keine längere als eine vier wöchentliche Abwesenheit
gestattete — haben nach den Worten der Vorrede Fornari länger
in Venedig zu bleiben verhindert. Den Auftrag der Publication
habe Fornari theils aus Eifer für den Ruhm des grossen Ent-
deckei's, theils, und dies wird vorangesetzt, aus Freundschaft
für dessen Enkel Ludwig übernommen und nun einem anderen
genuesischen Edelmanne, Johann Baptist di Marino, Moleto’s
Gönner, die Vollziehung übexdassen.
Harrisse und D’Avezac haben sich sehr ereifert, um be
streiten oder nachweisen zxx können, dass Don Luis das Manu-
sci-ipt eigenhändig dem genuesischen Patricier in einem der
nächst voi-angegangenen Jahre gegeben liabe; D’Avezac meint,
Fornari könne zu dem nach Oran Verbannten gereist sein, viel
leicht sei auch etwas an des Barnabiten Spotorno 1 Behauptung,
Don Lxxis sei ixm das Jahr 1568 zu diesem Zwecke nach Genua
gekommen, oder gar habe er es ihm nixr gesendet; die beiden
ersten Möglichkeiten weist dann Hai-risse mit Recht zurück und
lehrt, dass im letzteren Falle statt ,dato‘ gesagt sein müsse
,inviato‘. Peragallo 2 aber macht der hierin imnützen Discussion
ein Ende, indem er in seiner lebhaften und bescheiden liebens
würdigen Art auf sein italienisches Sprachgefühl hin versichert,
dass ,dato‘ hier eben nur bedeuten solle, das Manuscript sei
Foi-nai-i als echt zugekommen.
Aber die für den unmittelbaren Zweck der Gegner un
fruchtbar gebliebene Discussion hat doch eine andere, für das
Verständniss des Ei-scheinens der Historie ei-liebliche Wirkung
gehabt. Es ist der Chai-akter der Verfolgung zu voller Klarheit
gelangt, der Don Luis Colon in seinen spätex-en Lebensjahren
untei-zogen wurde und am 3. Februar 1572 in Oi-an ei-lag. Es
geschah, indem beide Forscher in der (1606) in Madrid in Folio
gedx-uckten, wie es scheint 3 aber nur in zwei Exemplaren er
haltenen ,Denkschrift des Processes' (memoi-ial del pleyto) der
1 Codice diplomatico Colombo — Americano p. LXIII.
2 Cioe (in Bezug auf die S. 638, Anm. 4 gesperrt gedruckten Worte) costui
assicuro ehe esso non era altrimenti copia ma originale. E la fräse, che
noi Italiani usiaino a tutto pasto in simili circostanze e credo di essere
su questo punto un po’ piü corapetente del sig. Harrisse, p. 25.
3 Harrisse, Christophe Colomb I, 51.
Acten zu Columbus Geschichte von 1473—1492.
643
späten Erben des Entdeckers auf Herstellung in ihre Rechte
auch dem wegen Polygamie gegen denselben Titularadmiral Don
Luis Colon angestrengten Processe nachgingen, den die Vor
rede der Historie als Fornari’s Freund so ungemein rühmt.'
D’Avezac hatte sich, 2 wie man sagen muss: vergeblich, bemüht,
aus den Acten zu lesen, dass die Präventivhaft seit Anfang 1558
eine fast luxuriöse gewesen und ebenso die im November 1568
rechtskräftig gewordene Exilstrafe in einer dem hohen Range
des Verurtheilten entsprechenden, nahezu fürstlichen Weise voll
zogen worden sei, und hiebei hatten sich wirklich einige Ver
sehen bei Harrisse’s früherer Darstellung ergeben. Dann aber
hat dieser in seiner Schlusserwiederung 3 mit einem musterhaften
Actenauszuge die ganze Härte der Behandlung dargethan, welche
Don Luis erfuhr. In seinem Werke über den Grossvater des
Verfolgten, den Entdecker selbst, hat ferner Harrisse, 4 obwohl
er Don Luis als ,libertin endurck schildert, doch das politische
Motiv der Regierung Philipp H. hervorgekehrt. Man wollte die
Familie des Entdeckers ihrer Macht berauben und auf einem
Umwege die allerdings nach einem halben Jahrhundert unge
heuerlich erscheinenden Zusagen brechen, welche Columbus für
sich und seine Erben in dem Hauptvertrage mit der spanischen
Krone vom 17. April 1492 5 gegeben worden waren.
Als Don Luis noch unmündig, etwa vierzehn Jahre alt
war, beraubte ihu schon am 28. Januar 1536 eine Entscheidung
des Rathes von Indien, welche Kaiser Karl V. am 8. Septem
ber 1536 bestätigte, des Wesentlichsten dieser Rechtsansprüche:
er behielt nur die Insel Jamaica mit einem Herzogstitel und
Lehen von Veragua. Dann fügte er sich am 4. Juli 1554 einer
weiteren Entscheidung des indischen Rathes, welche ihn selbst
dieses Lehens und der ererbten Functionen eines Admirals von
1 Del valore di questo D. Luigi non se ne puö dir tanto, ehe piu Hon sia.
2 Bull, geogr. 1873, VI, 381 f.
3 Bull, geogr. 1874, VIII, 405 f. wie er stolz sagt: etant avoeat de pro-
fession.
4 Chr. Colomb II, 258.
5 Navarrete, coleccion de los viages y descubrimientos (1825) II, 7 sqq.,
und aus derselben Quelle, dem archivo de los Duques de Veragua, regi-
strado en el sello de Simancas: coleccion de documentos ineditos de
America y Oceana XVII (Madrid, 1872) 572 sqq.
644
Bü ding er.
Indien beraubte; den blossen Titel gewährte ihm mit einer auf
17.000 Ducaten gesteigerten Goldrente ein königlicher Gnaden
act vom September 1556. 1 Inzwischen hatte er am 12. Juli 1539
bei dem Ableben seines Oheims Ferdinand, den die Historie
und Las Casas als Geschichtschreiber des Entdeckers bezeich
nen, testamentarisch dessen grossen Besitz und mit demselben
auch die unschätzbare Bibliothek ererbt, welche damals Ferdi-
nandina hiess. Dieselbe wurde 1544 auf Weisung von Don Luis’
Mutter und Vormünderin, der Vicekönigin Dona Maria de Toledo
aus ihres Schwagers Wohnung in das Dominikanerkloster St. Paul
zu Sevilla überbracht. Von Don Luis vernachlässigt, wurde diese
Sammlung nach dem Ableben der Vicekönigin (Mai 1549) durch
Rechtsspruch dem Domcapitel von Sevilla 1552 zugesprochen, in
dessen Räumen sie den Namen der Colombina erhielt.
Nun ersieht man aus den früher erwähnten Auszügen,
welche D’Avezac und Harrisse aus dem Memorial del Pleyto
von 1606 geben, dass Don Luis bei allen Extravaganzen seines
Lebens seine Rechtsvortheile keineswegs vernachlässigte; noch
als Gefangener hat er die zweite seiner lebenden Frauen
wegen Ehebruchs belangen lassen und den Erlös der Haupt
besitzung ihres Mitschuldigen im August 1562 zugesprochen
erhalten. 2 Es war doch ein empfindlicher Schlag gegen die
spanische Regierung, die ihn seines grossen Erbes beraubt und
nach siebenjähriger Untersuchungshaft in ein afrikanisches Exil
verwiesen hatte, wenn es ihm gelang, die öffentliche Meinung
bei allen gebildeten Völkern von Europa durch eine authentische
Darstellung der Thaten und Verdienste seines Grossvaters, aber
auch der Rechtsansprüche zu gewinnen, welche derselbe für alle
seine Nachkommen nach hartem Kampfe von Königin Isabella,
von der Urgrossmutter des regierenden Königs Philipp H., ertrotzt
und bis an seinen Tod dem Rechte nach behauptet hatte.
Ein Werk solchen Inhalts hat Don Luis nach dem Vor
worte der Historie seinem greisen genuesischen Freunde Fornari
zukommen lassen — wir wissen nicht, weder auf welche Weise
die Freundschaft entstand, noch, wie gesagt, 3 wie das Werk
1 Harrisse a. a. O.
2 Harrisse, Christ. Colomb II, 259.
3 Vgl. oben S. G42, Aum. 2.
Acten 7.u Columbias’ Geschichte von 1473—1492.
645
übergeben ward. Der Auftrag, wie ihn Fornari fasste, ,der die
lange Reise von Genua nach Venedig nicht scheute', 1 ging auf
jene oben erwähnte Publication in spanischer, italienischer und
lateinischer Sprache, ,damit völlig die Wahrheit der Thaten eines
so tapferen Mannes, wahrlich einer Ehre Italiens und besonders
Genua’s' klar und offenbar werde. 2 Zu der spanischen und
lateinischen Edition ist es nicht gekommen.
Wenn aber Fornari’s oder zunächst Don Luis Colön’s Ver
langen so gross war, das Werk gedruckt zu sehen, dann ist für
den Unkundigen nicht abzusehen, weshalb der Druck nicht in
Genua oder in Spanien seihst vorgenommen wurde und weshalb
die Publication in lateinischer und spanischer Sprache unter
blieb. Dies erfordert denn doch eine ernste, bisher nicht an-
gestellte Erwägung.
Nun stand Genua seit 1528 3 fast ununterbrochen in voller
Abhängigkeit von dem spanisch-habsburgischen Interesse, seine
Flotte aber bildete im Jahre 1571 unter dem von König Philipp II.
begünstigten 4 Don Johann Andreas Doria, der am 5. October
dieses Jahres in der Schlacht hei Lepanto den rechten Flügel
eommandirte, einen Theil der spanischen. Es wäre unmöglich
gewesen, ein der spanischen Regierung unangenehmes Buch in
Genua erscheinen zu lassen. Dazu begannen ä eben in diesem
Jahre (1571) die Kämpfe zwischen dem alten Adel Genua’s und
den ,Aggregaten', aber auch einer dritten, von den unteren
' Non havendo riguardo all’ etä sua di LXX anni, ne alla stagione, ne
alla lunghezza del viaggio venne da Genova a Venezia con proponi-
mento die far stampare il sndetto libro. Moleto’s Vorrede.
2 Accioche per tutto potesse la veritä de’ fatti di cosi valoroso huomo,
honore veramente dell’ Italia e specialmente della patria di V. S. farsi
chiava et aperta.
3 Giuseppe de Leva, storia docnmentata di Carlo V. in correlazione all’
Italia t. II (1864) 480, nach dem handschriftlichen Vertrage in Simancas
auszugsweise. Michel-Giuseppe Canale, nuova istoria della repubblica di
Genova IV (1864) gibt in zwölf zum Theil abweichenden Punkten eben
falls den Inhalt des, wie es scheint, noch nngedruekten Vertrages.
4 Foglieta .... istoria della sacra liga, fatta volgare per Guastavini
(Genova, 1598) p. 167.
5 Leo, Geschichte von Italien V, 514—546 (1829). Brequigny, histoire des
revolutions de Genes (1759) II, 182—200. Beide ohne Belege.
646
B ü d i n g c r.
Classen gebildeten Partei, 1 welche erst mit der neuen Verfas
sung vom 15. März 1576 wesentlich durch Philipp’s II. Mässigung
ihr Ende fanden. Der alte Adel war inzwischen einige Zeit in
die Nachbarschaft ausgewandert und stand unter Philipp’s II. be
sonderem Schutze. 2 Welcher altadelige Genuese hätte unter
diesen Umständen durch eine Publication der für den spanischen
König unangenehmen Biographie zu der nun einmal gedruckten
italienischen Uebersetzung auch noch mit dem spanischen Original
und einer lateinischen Edition weitern Anstoss erregen mögen!
Hiebei kommt auch noch eine etwas ältere Druckfrage in
Betracht. Die Historie 3 behaupten, dass Giustiniani’s 1537 er
schienene Chronik von Genua wegen einer Reihe falscher An
gaben über Columbus von der genuesischen Signoria verboten
worden sei: sie habe Strafe auf ihren Besitz und ihre Lecture
gesetzt, die Exemplare aufsuchen und vernichten lassen. Bei
Las Casas erscheint die Nachricht mehr als Gerücht — ,wie ich
gehört habe' 4 •— und ohne die dreizehn Beschwerdepunkte der
Historie gegen Giustiniani’s Irrungen, eigentlich in seinem Psal-
tei’ium, aber doch mit der officiell klingenden Begründung, dass
der Rath von Genua nach eingehender Prüfung bei Giustiniani
Pflichtverletzung gegen die Wahrheit gefunden habe ,und 5 dem
gemäss nachtheilig für eine so würdige Person und der die ganze
Christenheit so viel Dank schuldet'. Die Nachricht findet sich
freilich sonst nicht bestätigt, Tiraboschi 0 erwähnt sie über
haupt nicht; in der Zahl der seltenen Bücher erscheint doch
Giustiniani’s Chronik. 7 Peragallo s aber ist geneigt, die Verur-
1 Mnratori annali d’Italia (Venezia, 1840) VI, 760 zum Jahre 1575: una
terza fazione cioe ]a popolare. Die Aggregaten nennt er wie ähnlich
Brequigny: nobili nuovi, ebenfalls ohne Belege.
2 Muratori VI, 767.
3 Cap. 2, fol. 6 verso.
4 L. I, c. 3, t. LXII, p. 60: segun tengo entendido.
5 Y por consiguiente perjudicando !i una persona tan digna y a quien
tanto debe tota la christianidad.
6 Auch in der Octavausgabe XII, 1449.
7 Graesse, tresor de livres rares p. 90, verzeichnet fünf Exemplare zum
Preise von sechs Franken bis zehn Dukaten. Das Buch findet sich in
Wien übrigens sowohl in der Palatina als in der Universitätsbibliothek.
8 p. 83. Trotz der Erregung des anmuthigen Autors kann man doch das
Argument nicht für stark halten, da die Genuesen auch die ihnen als
Acten 7.n Columbns* Geschichte von 147?»—1402.
G47
theilung des Buches für richtig zu halten, da man sonst in Genua
die Sache nicht hätte mit Stillschweigen übergehen können.
Eher könnte man freilich an ein Verbot des im November 1516,
in fünf Sprachen neben einander, erschienenen Psalterium Giu-
stiniani’s denken, das noch seltener zu sein scheint 1 und wunder
lich genug als Note zum fünften Verse des neunzehnten Psalmes
eine eingehendere, aber doch äusserst anerkennende 2 und gleich
sam im Namen Genua’s dankbare 3 Lebensbeschreibung enthält.
Aber dass ein solches Prachtwerk religiösen Inhalts wegen ein
paar für spanische Edelleute missliebiger Sätze in einer Note
vernichtet worden sein sollte, ist doch auch nicht anzunehmen.
In Spanien hat, soweit ich zu beurtheilen vermag, nach
ihrem Erscheinen in Venedig die Biographie, durch welche der
Sohn des Vaters Andenken ehren wollte, selbst in dieser italieni
schen Uebersetzung keine Verbreitung und vielleicht nicht ein
mal Eingang gefunden. Es ist mindestens merkwürdig genug,
dass Argote de Molina im Jahre 1588 in seinem Aparäto a la
historia de Sevilla sogar behauptet, Ferdinand Colön’s Ge
schichtsbuch befinde sich noch immer in der ihm freilich un
zugänglichen Colombina, und dass derselbe Molina seine Nach
richten über den Entdecker nur Jovius’ kärglichem Berichte,
nicht aber den Historie entnehmen konnte. 4
Hier erhebt sich die Frage, in welchem Sinne und auf
welche Weise Las Casas zur Benutzung von Ferdinand Colön’s
Buch gelangte.
notorisch falsch bekannten Nachrichten über Columbns’ Herkunft still
schweigend passiren liessen.
1 Harrisse, bibliotlieca Americana vetustissima 155—158 mit ßeproducirung
des Titelblattes.
2 Ich benütze den Abdruck in der Histoire diplomatique du Chevalier
Portugais Martin Bohaim . . . par Christ. Theoph. de Murr, traduite
de l’Allemand par lo citoyen H. J. Jansen, 3° edition. Strassbourg et
Paris 1802, p. 150—156. Der Schluss lautet: hic fuit viri celeberrimi
exitus, qui si Graecorum lieroum temporibus natus fuisset, procul dubio
in Deorum numerum relatus esset.
3 Moriens autem Columbus, liaud oblitus est dulcis patriae: reliquit enim
officio Sancti Georgii qnod appellant habentque Genuenses praecipuum et
veluti totius reipublicae decns et columen decimam partem proventuum
universorum, quos vivens possidebat. Es folgt dann der Schlusssatz.
4 Das führt gegen Harrisse eben Peragallo 20—31 doch sehr hübsch aus.
648
Büdinger.
Als er, wahrscheinlich dreiundsiebzigjährig, 1 im Jahre 1547
etwa im Juni 2 nach Abgabe seiner bischöflichen Functionen 3
aus Amerika wieder bleibend nach Spanien zurückgekehrt war,
blieb er, obwohl ein begeistert treues Glied seines Ordens der
Dominikaner, in mannigfaltigen socialen Beziehungen. Wie sehr
er sich der vollen Gnade seines Königs erfreute, beweist, dass
ihm derselbe 4 durch das Hofquartieramt (aposentadores) überall
standesgemässe Wohnung sicherte: eben während eines Hof
besuches in Madrid im Jahre 1564 hat er dort sein Testament
gemacht. Da hat nun der fast unvergleichliche Mensch — dem
selbst Wilhelm Wilberforce sich kaum an die Seite setzen lässt
— in der vielseitigsten und einer doch innerlich einheitlichen 5
Thätigkeit für seinen grossen Lebenszweck der Humanität, stets so
furchtlos wie unermüdlich arbeitsam, bis zu seinem im S. Gregor
kloster der Dominikaner zu Valladolid im Juli 1566 eingetretenen
Tode gewirkt. Er hatte seit dem Jahre 1527 historisches Ma
terial gesammelt und über die westindischen Angelegenheiten
zunächst zahlreiche kleinere Schriften, namentlich die ,Bericht
über die Zerstörung Indiens* 0 genannte Anklageschrift des spa
nischen Willkürregiments in Amerika veröffentlicht. Mit deren
Erscheinen im Jahre 1552 hat er dann seine mehrerwähnte,
uns hier allein interessirende ,Allgemeine Geschichte* begonnen,
der mindestens er selbst nicht auf dem Titel den Beisatz ,von
Westindien* (de las Indias) gegeben hat. Das erste Buch hat
er im November 1559 in seinem Kloster zu Valladolid feierlich
unter Bedingungen niedergelegt, die für unsere Untersuchung
von grosser Wichtigkeit und noch zu besprechen sind, das dritte
hat er 1561 beendet. 7 Ob er noch in den fünf übrigen, nach
1 Si bien no hemos logrado ver ningun documento que directamente lo
pruebe. Fabie 10.
2 Ein Schreiben des Kronprinzen Philipp vom 22. Juni 1547 aus Valla
dolid zeigt, dass er dort schon Audienz gehabt hatte. Fabie 210.
3 Die förmliche Resignation datirt erst vom 11. September 1550. Fabie 226.
4 Verfügung vom 14. December 1460 und der wahrscheinlich letzte Hof
besuch: Fabid 227.
5 Näher entwickelt bei Fabie 356.
0 Vgl. oben S. 637, Anm. 1.
7 Erschöpfend ist dieses ganze chronologische Sachverhältniss dargelegt in
der Vorrede zum ersten Bande der Edition, LXII, p. II und bei Fabie
358 f., Beide in scharfer Polemik gegen Harrisse’s Angaben.
Acten zu Colnmbus’ Geschichte von 1473—1492.
649
allen Anzeichen in ungeschwächter Geisteskraft, hei einem stets
wundersam sichern Gedächtnisse, verbrachten Jahren seines
Lehens auch die von ihm beabsichtigten drei letzten Bücher
des Werkes geschrieben hat, ist zur Zeit noch nicht bekannt
geworden. 1
Las Casas hat ausser dem Urkundenschatze des seit
1545 im benachbai’ten Simancas eingerichteten Archives 2 noch
zahlreiche andere Originaldocumente benutzt, 3 wie er sich denn
z. B. berühmt, 4 gegenwärtig in seinem Besitze viele eigenhän
dige Schriften des Admirals* zu haben.
Während er in Valladolid an der, wie gesagt im-November
1559 von ihm selbst bezeugten Vollendung seines ersten Buches
arbeitete, wurde gerade der Enkel des Entdeckers, dessen Ge
schichte, besonders auf Grund von Don Ferdinands Erzählung,
dieses erste Buch grösstentheils füllt, in der nahen Feste Si
mancas am 5. Januar 1559 als Gefangener eingebracht. 5 Der
selbe blieb hier bis 1563, d. h. bis zu seiner Transferirung
' Vorrede, p. III. Fabid 359.
2 Francisco Dias Sanchez, guia de la villa y arcliivo de Simancas. Madrid
1885, p. 22—24. Ich bemerke, dass für weitere Forschung über unsere
Frage die hier Seite 70 verzeiclineten Correspondenzen aus Genua von
1495 bis 1616 und aus Venedig von 1520—1599 in Betracht zu ziehen
sein dürften.
3 Harrisse, Christ. Colomb I, 128 bezweifelt, dass er die in den Historie
benutzten Urkunden selbst gesehen habe (jamais vus). Aber mindestens
1. I, c. 3 (t. LXII, p. 47) sagt er ausdrücklich: esto todo se colige muy
claro de lo que escribio en los viajes ... y de algunas cartas suyas
que escribio k los Eeyes que vinieron ;i mis manos. Seine Wahrhaftig
keit hat noch Niemand mit Fug bestritten. Wenn Fabi6 360 (vgl. 358)
sagt: apasionado pero no mendaz obispo, so ist das noch eben zulässig.
4 1. I, c. 2, t. LXII, p. 44. Fabi6 362. Dazu 1. I, c. 32, t. LXII, p. 250:
cartas de Christ. Colon escritas de su misma mano para los Eeyes . . .
que yo he tenido en mis manos.
5 Harrisse, bull, geogr. 1874, VIII, 403, der Tag bei D’Avezac ebendas.
1873, VI, 385. Dass er wirklich pour toute prison la ville de Simancas
hatte, bestreitet wie es scheint Harrisse, da er mit gesperrtem Drucke
hervorhebt, man habe ihn von Medina del Campo dahin geführt: weil
la prison fut mieux appropride et plus süre, on le eonduisit ä
la forteresse de Simancas. Wenn Sanchez’ guia ... de Simancas p. 18
auch Don Luis Colon unter denen nennt, welche pasaron largos aiios
de su vida encerrados en el castillo, so wird doch kein Zeugniss zum
Belege dieser Behauptung beigebracht.
Sitzungsbev. <1. phil.-liist. CI. CXII. Hl. II. Hit. 42
650
B ü (1 i n g e r.
zuerst in die Nähe von Madrid, dann nach Madrid selbst vor
seinem Exil vom November 1565. Don Luis war gerade an
der Stätte des Staatsarchives, in welchem Las Casas wohl oft
genug zu arbeiten hatte.
Von den beiden Gelehrten, welche (vgl. oben S. 642 f.) Don
Luis’ Haft behandelt haben, fasste D’Avezac dieselbe, wie wir
sahen, doch etwas zu gelinde; aber auch Harrisse, der die Härten
hervorhebt, nennt die Behandlung noch ,freundlich genug'. 1
Wie hätten der greise, allgemein verehrte Dominikaner
und der um seiner Fleischessünden willen in Haft genommene
Enkel des von ihm persönlich gekannten und so hoch gewür
digten Entdeckers einander nicht in Simancas sehen und von
Columbus sprechen sollen! Las Casas nennt Don Luis nicht.
Ob er dem Erben Don Fernando’s dessen Geschichtsbuch be
nutzen zu können verdankte oder umgekehrt dem Don Luis
erst Kenntniss von demselben gab, das er einfach der dem
Erben aberkannten Colombina entliehen haben konnte, ist wohl
nicht mehr sicher auszumachen; gewiss ist nur, dass eine Be
nutzung des Buches in Spanien ausser bei Las Casas und somit
seit dem November des Jahres 1559 oder besser seit 1561 2 sich
nicht mehr nachweisen lässt.
Immerhin ist die zweite Möglichkeit, die directe Entlehnung
des Buches durch Las Casas aus der Colombina, die wahr
scheinlichere.
Mit der Vicekönigin, welche die Sicherung dieses Schatzes 3
veranlasste, war Las Casas bekannt: er spricht einmal von einem
Gespräche mit ihr über Columbus’ erste Reise; da er aber nur
aus der Erinnerung erzählt — ,wenn mein Gedächtniss mich
nicht täuscht, sagte sie mir eines Tages' 4 — so ist anzunehmen,
dass er zu jener Zeit Aufzeichnungen für sein späteres Haupt
werk nicht machte. Ueber die Zeit des Gespräches verbieten
sich selbst Vermuthungen, da Dona Maria den Titel Vicekönigin
von ihres Gemahles Diego Colon Tode im Februar 1526 bis
1 — une incarceration preventive d’ailleurs assez benigne. Harrisse, Christ.
Colomb IX, 258.
2 Vgl. oben S. G48, Anm. 7
3 Vgl. oben S. 644.
1 Si no me he olvidado, un dia, hablando con la Vireina de las Indias . . •
me dijo cet. 1. I, c. 39, t. LXII, p. 289.
mmmmmmmmmmmmmammmmlA
Acten zu Colombos' Geschichte von 1473—1492 . 651
zu ihrem eigenen Ableben im Mai 1549 führte und sowohl bei
ihrem wiederholten Aufenthalte in Spanien, als in ihrer Residenz
von Santo Domingo 1 Las Casas gesehen haben kann. In Sevilla
war sie nun bei jener Uebertragung der Bibliothek in das
dortige Dominikanerkloster am 7. April 1544 anwesend; in eben
demselben Kloster war aber Las Casas genau eine Woche vor
her am 30. März 1544 2 zum Bischöfe von Chiapas geweiht
worden; auch bei diesem Anlasse muss er wohl die Vicekönigin
gesprochen haben. Dass er damals, von den schwersten geist
lichen und humanitären Sorgen in Anspruch genommen, die
Colombina näher kennen gelernt habe, lässt sich freilich kaum
annehmen. Dass er sie nach seiner definitiven Rückkehr in
die spanische Heimat, und zwar noch vor 1552, ehe sie in den
Besitz der Kathedrale kam, benutzt habe, ist wahrscheinlich,
da er ein in derselben befindliches Buch aus Columbus’ Nach
lass für ein Citat nennt, wahrscheinlich auch andere Werke und
Toscanelli’s an Columbus gesendete Karte aus dieser Bibliothek
wohl durch Geschenk seiner Ordensbrüder in seinem Besitze
hatte. 3 Es ist nicht undenkbar, dass ihm auch die Handschrift
/ von Ferdinand Colon’s Geschichte seines Vaters auf diese Weise
zugekommen und in Simancas von Don Luis in Anspruch ge
nommen worden ist. Nicht ganz ist hiebei jedoch ausser Acht
zu lassen, dass er mit des unvermählten Verfassers Mutterbruder
Pedro de Arana ,sehr gut' bekannt war 4 und auch durch ihn
möglicher Weise das Buch erhalten haben konnte.
Wie bedenklich der Inhalt des Buches gegenüber den
Handlungen und Ansprüchen der spanischen Könige erscheinen
musste, die seit 1536 der Familie des Entdeckers die derselben
feierlich zugesicherten Rechte und Einkünfte entrissen, liegt auf
der Hand. Mit auffallender Häufung der Ausdrücke, welche sich
keineswegs in der Originalurkunde 5 findet, wird nicht nur die
Natur des ihm — und seinen Erben — zugestandenen Einkommen-
zehentens der zu entdeckenden Lande gleich bei Erzählung des
von Columbus gestellten Verlangens dieser Bedingung erwähnt,
1 Harrisse, Christ. Colomb H, 242 f.
2 Fabie 1G2.
3 Harrisse, Christ. Colomb I, 129. '
4 1. I, c. 130, t. LXHI, p. 220.
5 Vgl. oben S. 643, Anm. 5.
42*
652
Büdinger.
sondern auch an einem Beispiele verdeutlicht. 1 Es mag das
geschrieben worden sein, als die Verhandlungen im indischen
Ratlie noch schwebten; denn schon 1535 polemisirt Oviedo in
seiner Allgemeinen Geschichte* gegen das Buch, das nachher
noch polemische Zusätze gegen Oviedo und Giustiniani erhalten
hat.' 2 Ein actuelleres Interesse gewonnen haben aber diese An
sprüche und alle die in der Historie erzählten schweren Krän
kungen, Schädigungen, die Haft und die Ketten des Entdeckers
erst für Don Luis und das öffentliche Urtheil über dessen Be-
nachtheiligung und Behandlung.
Ich denke, dass man nun völlig die seltsame Bestimmung
versteht, welche der so patriotische wie wahrheitliehen de Las
Casas über sein Werk traf. Als er das erste Buch desselben
eben im November 1559 dem Gregoriuskloster von Valladolid
übergab, geschah es unter der feierlich in der Vorrede ausge
sprochenen Bedingung, dasselbe bis zum Jahre 1600 vor jeder
Publication durch den Druck zu schützen und einen solchen
auch nach diesem Termine nur zuzulassen, wenn es dem Heile
der Indianer und Spaniens entspreche; bis dahin aber solle
das Buch schlechterdings jedem Laien zur Einsichtnahme ver
schlossen bleiben ; ja, Rector und Räthe des Klosters werden
ersucht, das Buch auch nicht alle Klosterangehörigen, sondern
nur die Verständigsten lesen zu lassen, um jedes vorzeitige,
unnütze Bekanntwerden zu verhüten. 3
Und dass man nicht glaube, Las Casas habe das actuell
Bedenkliche gerade der uns interessirenden Columbusfrage bei
Abfassung seines ersten Theiles verkannt. Die anzügliche Form,
in welcher die Historie die Zebentenfrage erwähnen — ungenau
mit Einbeziehung der Columbus zugestandenen Achtelabgabe
von Handelsgegenständen — vermeidet Las Casas. Dafür bringt
1 Dimandi il decimo di tutto qnello, ehe si comprasse, barattasse, si tro-
vasse, si guadagnasse ... di modo che si fossero stati in un’ Isola mille
ducati i cento havevano di esser suoi. Historie f. 36 recto.
2 Peragallo erörtert das Seite 28, 51 bis 53 treffend und in einer auch für die
Zeit der Entstehung. mancher Geschichtswerke des Altertlmms, z. B.
Herodot’s, belehrenden Weise.
3 Y no parece convenir que todos los colegiales la lean, sino los mas
prudentes, porque no so publique antes de tiempo, porque no hay para
qtu? ni ha di aprovechar. t. LXII, p. 1.
Acten zu Colurabus’ Geschichte von 1473—1492.
653
er den compromittirenden Hauptvertrag vom 17. April 1492
wörtlich; 1 die vorangegangenen Forderungen führt er zwar
nicht im Einzelnen an, 2 aber er bemerkt in einer auch für uns
völlig verständlichen Form über die Gesammtheit der gewährten
Zugeständnisse, sie seien in Wahrheit sehr gross und ausser-
gewöhnlich gewesen ,und auch heute für solche zu halten';
aber es ,war damals eine grosse Unüberlegtheit und würde es
auch heute sein, nicht in Erwägung zu ziehen, dass durch eine
derartige Forderung eben nur ein Mann wie er (Columbus) einen
solchen Botenlohn verlangen konnte'. 3
In demselben Monate aber, in welchem Las Casas starb,
am 24. Juli 1566, ward der in seinem Exil in Oran lebende
Don Luis der Beweismittel seiner Familienansprüche beraubt.
Denn an diesem Tage bemächtigte sich die Justiz im Grotten
kloster (las Cuevas) bei Sevilla des eisernen Kastens, der seine
Familienpapiere enthielt, und nahm das Inventar auf. 1 Da hatte
Don Luis, wie man annehmen darf, kein anderes Beweisstück
mehr für seine Rechte als die Geschichte seines Grossvaters.
Der ihm befreundete genuesische Edelmann aber über
nahm cs — wohl ohne Ahnung von den noch in diesem Jahre
beginnenden Verfassungskämpfen in Genua 5 — im schicklichsten
Momente, dieses Buch ausserhalb des spanischen Machtbereiches
und doch in einem Spanien frei verbündeten Staate publiciren
zu lassen. Die Vorrede ist vom 25. April 1571 datirt. Das ist
die Zeit der schwierigen, seit dem vorigen Jahre begonnenen,
durch die venctianische Drohung mit einem Türkenbunde erst
am 2. Juli 1571 mit dem Vollzüge der heiligen Liga zum Ab-
1 1. I, c. 33, t. LXH, p. 251.
2 Hacia mas dificil la acceptacion desto negocio lo mucho, que Christ.
Colon. . . pedia, conviene ä saber: estado, Almirante, Visorey y gover-
nador perpetuo etc. — welcher letztere Satz eben den Auszug zeigt.
1. I, c. 31, t. LXII, p. 243.
3 cosas — so fährt Las Casas fort — que, ä la verdad, entonces se juz-
gaban por muy grandes y soberanas, como lo eran y hoy por tales se
estimarian, puesta que mucha fue entonces la inadvertencia y hoy lo
fuera, no considerandose, que si pedia esto, no era sino como el que
pide las abricias dellas mismas.
4 Harrisse, Christ. Colomb II, 266.
5 Vgl. oben S. 645 f.
654
Büdinger.
Schluss gebrachten Verhandlungen, 1 welche den glorreichen Er
folg von Lepanto im October dieses Jahres ermöglichten. Von
spanischer Seite konnte man bei dem Erscheinen der Historie
eben nur schweigen und von genuesischer hatte man allen
Grund, dem hochberühmten Landsmanne gegenüber, dessen
Thaten doch auch die Heimatstadt verherrlichten, mit keinem
Worte zu verrathen, wie viel notorisch Falsches sich über seine
Herkunft, Jugend und Ausbildung in dem Buche fand — ganz
abgesehen von der früher (S. 646) erörterten Rücksichtnahme
auf den spanischen König, welche die Unruhen in der Heimat
stadt noch in diesem Jahre so nahe legten. 2
Nun scheint es mir ein Grundirrthum der Gelehrten, welche
sich mit diesen, den erhaltenen Urkunden gegenüber ganz hand
greiflichen Unwahrheiten beschäftigt haben, dieselben, wie auch
Peragallo, obgleich in halb hypothetischer ' Frageform, ver
sucht, als Wahrheiten hinzustellen. Peragallo meint, dass es ja
zwei Familien Colombi in Genua, beziehungsweise in Savona, mit
allen den gleichen genau stimmenden Vornamen und Alters Ver
hältnissen gegeben haben könne. Er hat das Gerichtsausschreiben
von Savona übersehen, 3 welches am 24. Januar 1501 die gemäss
eidlicher Aussage dreier Zeugen nach Spanien ausgewanderten
Söhne des genuesischen Bürgers Domenico Colombo: Christoph,
Bartholomäus und Jacob für eine von ihrem Vater contrahirte
Schuld haftbar erklärt. Es geht ebensowenig mit der Auskunft
D’Avezac’s, 1 der dem freilich notorisch auf Titel und äussere
Ehren überaus begierigen 5 Don Ferdinand Colon das Erfinden
vornehmer Herkunft und Verwandtschaft verziehen haben will.
1 Foglieta . . . istoria della sacra liga (vgl. oben S. 645, Amn. 4) 43, G8f.,
1801'., 182, 221 mit merkwürdigem Detail; sonst Romaniu, Storia docu-
mentata di Venezia VI, 300—302.
- Neue urkundliche Forschungen iibor die politischen Bewegungen in
Genua von 1571 bis 1570 dürften auch den beiden für die Publication
der Historie so wichtigen Edelleuten Fornari und Marino ihren Platz
geben. Brequigny, revolutions de Genes entbehrt bei der Erzählung
des Verlaufes der gerade für uns wichtigen Einzelnhoiten: je n’entrerai
dans le detail de menus faits qui contribucrent ä aigrir les esprits
(II, 183).
3 Harrisse, Christ. Colomb I, 203.
J Bull, geog-r. 1873, VI, 485 sqq.
5 Peragallo 42.
Acten zu Columbus' Geschichte von 1473—1402.
655
Am wenigsten zulässig ist aber vielleicht Harrisse’s in verschie
denen Formen und Modificationen wiederkehrende Annahme, nur
ein Unkundiger, ein Columbus’ Familie fernstehender Autor habe
auf so grundlose Behauptungen gerathen können. Auch Harrisse
geht im Vertrauen auf Columbus’ Tugend 1 weit: er nimmt an,
Columbus’ Gattin müsse wohl gestorben sein, ehe er das Verhält-
niss zu Beatrix Enriquez anknüpfte, die ihm am 15. August 1488
den für unsere Untersuchungen so wichtig gewordenen Don
Ferdinand gebar. Columbus selbst macht aber auf solche Tugend
so wenig Anspruch, dass er in seinem letzten Testamente vom
19. Mai 1506 ausdrücklich mit seiner Verpflichtung gegen Beatrix
hervorhebt, wie schwer die Sache auf seinem Gewissen laste. 2
Man muss denn aber doch, trotz aller Anerkennung seines
Genius und seiner Verdienste, bei Erörterung dieser Fragen
nicht ausser Acht lassen, dass eine erhebliche Summe gewagter
Behauptungen, welche selbst das Mass der Selbsttäuschung über
schreiten dürfte, in Columbus’ Schriften hervortritt. Bei ihm,
der den Werth des Goldes so übermässig zu schätzen wusste,
der die Indianer in seinem Tagebuche der ersten Reise wieder
holt als ein ,an Allem sehr armes Volk' bezeichnet, von dieser
Reise in der That nur ganz unbedeutende Beträge mitbrachte,
ist es denn doch ein starkes Stück, wenn er in seinem officiellen
Berichte über eben diese Reise neben einer Reihe von irrig ge
deuteten, überschätzten und thatsächlich meist werthlosen Pro-
ducten 3 behauptet, ,Gold ist dort im Uebermass* und ,die Könige
werden sehen, dass ich Gold mit nur ganz geringer Ililfe Ihrer
Hoheiten denselben so viel liefern können werde, als sie Be-
dürfniss dafür haben'. 1
Für das, was er über seine genuesische Herkunft nicht
etwa selbst glaubte — denn er war laut einer Reihe gericht-
1 Dispose accorder toutes les vertus chretiennes, nous voulons eroire etc.
Harrisse, Christ. Colomb I, 299.
2 — persona ä quien y soy en tanto eargo. Y esto se haga por mi des-
cargo de la conciencia (es handelt sich um ihre anständige Versorgung),
porque esto pesa mucho para mi anima. Navarrete II, 315.
3 Harrisse 1. 1. II, 43, 46, 51.
4 — en esta ay oro sin cuenta. — que pueden ver sus altezas que
yo les dard oro quanto ouieren (hubieren) menester con muy poquita
ajuda que sus Altezas me daran. Harrisse 1. 1. I, 432.
656
B ü d i n g er.
lieber Acte von Savona und nach dem Ursprungsnamen ,de Terra-
rossa*, den er wie sein Bruder Bartholomäus führte, nicht in der
Möglichkeit zu zweifeln — sondern was er von Anderen geglaubt
wünschte, kommen mehrere Momente in Betracht.
Er hat, wie es scheint, weder in Portugal noch in Spanien
jemals ein Hehl aus seiner genuesischen Staatsangehörigkeit
gemacht, wenn es auch nicht viel bedeuten wollte, wenn man
Jemanden etwa schon seiner Sprache halber 1 als der genuesischen
Nation* zugehörig bezeichnete. Etwas mehr fällt schon ins Ge
wicht, wenn Las Casas, der ihn wiederholt sprach, ihn überdies
,aus irgend einem Orte der Landschaft Genua* 2 herleitet. Ich
will dahin gestellt sein lassen, ob man mit Recht nach D’Avezac’s 3
Vorgang die Worte in der ,Geschichte der katholischen Könige
D. Ferdinand und D a Isabel* von dem Pfarrer Andreas Bernal-
dez, bei dem Columbus eine Zeit lang nach seiner zweiten Reise
wohnte und Schriften zurückliess, der Entdecker sei ,natural
de la provincia de Milan* gewesen, gutmüthig dahin erklären
darf, es sei dadurch nur die politische Abhängigkeit Genuas
von Mailand während des grösseren Theiles des 15. Jahrhun
derts gemeint. Gewiss ist aber, dass es mindestens eben so nahe
liegt, die zweideutige Wendung, welche die Brücke zu einer
Abstammung aus dem Adel des Herzogthums Mailand bilden
kann, Columbus’ eigener Mittheilung zuzuschreiben.
Der Entdecker bezeichnet sich nun freilich zweimal als
geborenen Genuesen in seiner Urkunde über die Majoratstiftung
seines Hauses vom 22. Februar des Jahres 1498, welche von den
spanischen Königen am 28. September 1501 1 förmlich bestätigt
wurde. Es ist das ein Act von königlicher Liberalität, wenn man
die für Spanien einigermassen beleidigende Fassung erwägt, in
der hier Columbus seiner Herkunft gedenkt. Denn er begnügt
sich nicht zu bemerken, dass er ,in Genua geboren, nach Castilien
1 Peragallo, p. 38—40.
2 Fue este varon escogido de nacion genoves, de algun lugar de la pro
vincia de Genova, 1. I, c. 2, t. LXU, p. 42.
3 Canevas chronologique de la vie de Chr. Colomb, Bull, geogr. 1872,
IV, 17: le nom de Milan est ici la simple expression de la dependanee
politique habituelle de la republique de Genes ä l’egard du duche de
Milan pendant la majeure partie du quinzieme siede.
4 Navarrete I, p. CXLVI.
Acten zu Columbus’ Geschichte von 1473—1492.
657
gekommen sei, um Ihren Hoheiten zu dienen* 1 — was, so ausge
drückt, mit Unterdrückung aller Zwischenglieder seines Lebens,
nicht eben genau ist —, sondern er verfügt auch zweierlei in
Bezug auf seine Vaterstadt mit wohlbedachten Wendungen. Der
jedesmalige Majoratsherr soll immer ,in der Stadt Genua eine
Person unserer Verwandtschaft erhalten, die dort Haus und Frau
hat* mit einer zu anständigem Leben genügenden Rente. Von der
betreffenden ,Person* hebt Columbus hervor, dass sie ,so zu
unserer Verwandtschaft gehöre und er (der Majoratsherr hiedurch)
Fuss und Wurzel in der genannten Stadt als ein Eingeborener
derselben habe, damit er in den Fällen seiner Noth von der
genannten Stadt Hilfe und Gunst erhalten könne, weil ich aus
ihr entsprungen 2 und in ihr geboren bin*. 3 Er berühmt ferner
Genua — wo er Abschriften seiner wichtigsten Urkunden auf
bewahren liess — als eine ,edle und zur See mächtige Stadt*,
in deren Bank von Sanct Georg er gewisse Gelder als beson
ders sicher hinterlegen solle. 4
Es ist, wie gesagt, der genuesische Rückhalt, den er seinem
Hause sichern will und der sich ja wirklich einigermassen seinem
Enkel bewährt hat, in unzweideutiger, für die spanische Re
gierung aber keineswegs schmeichelhafter Weise bezeichnet. In
einer wohl berechneten Wendung erscheint aber auch er selbst
als aus der Stadt selbst entsprungen, obwohl er notorisch in
Terrarossa oder Quinto auf dem Lande im Osten geboren ist,
und seine Vorfahren väterlicher- wie mütterlicherseits in den-
1 — siendo yo nacido en Genova les (sus Altezas) vine a servil- aqui en
Castilla. Navarrete II, 228.
2 Harrisse, Christ. Colomb I, 221'; II, 154 übersetzt: e’est de lä que je
suis sorti, was nach dem Wortgebrauche nahe liegt, aber mir nach
dem Zusammenhänge nicht zulässig erscheint.
3 —- que tenga o sostenga siempre en la ciudad de Genova una persona de
nostra linaxe, que tenga all! casa d muger e le ordene renta con
que puoda vivir horradamente como persona tan allegada en nuestra
linaxe, y haga pid e raiz en la dicha cibedad como natural dello, porque
podra haber de la dicha cibedad ayuda d favor en las cosas del me-
nester suyo, pues que della sali e en ella nach Harrisse, Christ.
Colomb II, 155 nach der wahrscheinlich ältesten Abschrift des Ab
satzes in dem Exemplare von Sevilla mit den Varianten des Exemplares
von Genua.
4 Navarrete, ibid. 232 sq. Vgl. oben S. 647, Anm. 3, was Giustiniani über
das Institut sagt.
658
B ü d i n g e r.
selben östlichen Aemtern Bisagno und Fontanabuona gelebt
haben. 1 D’Avezac 2 und nunmehr auch Harrisse 3 sehen in
diesen Veränderungen der Wahrheit in Bezug auf seine Her
kunft von Columbus’ Seite nur leicht verzeihliche Schwächen.
Sein Sohn Ferdinand klagt allerdings in der Historie über
des Vaters grosse Zurückhaltung über die Begebenheiten seiner
Jugend. 1 Vollkommen sicher ist aber, dass weder Columbus
noch einer seiner beiden Söhne jemals in Spanien öffentlich des
bescheidenen Familiengewerbes von Wollkrämplern und Wollen
webern — allenfalls nach Giustiniani’s genuesischer Chronik auch
Seidenwebern — noch des Vaters Domenico Weinschank in
Savona gedacht haben. Vollends haben sie nie ahnen lassen, dass
Columbus selbst noch am 20. März 1472 als genuesischer Wollen
weber und in Savona als Zeuge anwesend bezeichnet wird, 5
bei einem Hausverkaufe seiner Mutter mit seinen Eltern und
einem Bruder ebenfalls in Savona noch am 7. August 1473 in
persönlicher Anwesenheit seine Zustimmung erklärte. 6
1 Harrisse 1. 1. I, 167—222.
2 — peches mignons de F humaine faiblesse. Bull, geogr. 1873, VI, 486.
3 Er führt 1. 1. I, 221 als Mildenmgs- und Erklärungsgründe unter An
dern! an: sa fierte de caractkre . . . les prejuges de F epoque, erwähnt
p. 220, dass auch der Columbus befreundete Lehrer der königlichen
Prinzessinnen, Bischof Alexander Geraldini, ihn kurz und ausdrücklich
natione Italus e Genua Liguriae urbe nenne; ich möchte das doch
nicht als Argument verwenden.
4 — di quei primi di io non ho piena notitia, per cio che ... io non ha-
veva tanto ardire ... di richiederlo di cotai cose. c. 4, fol. 7 verso.
5 Christoforo de Columbo, lanerio de Janua. Urkunde bei Harrisse, a. a. O.
II, 419, n. XIV.
6 Insuper iidem Christoforus et Johannis Pelegrinus filii dictorum Domi-
nici et Suzane jugalium ibidem presentes et audientes et intelligentes
et sentientes premissa omnia contenta in presenti suprascripto instru-
mento annuerunt consentierunt, ac annuunt et consentiunt. Harrisse,
a. a. O. II, 425, n. XXH. Der Vater Domenico wird als laniere, citta-
dino di Genova presentemente abitante in Savona, zuletzt am 17. August
1481 bezeichnet, wenn auch der Lehrlingsbrief seines in eine Tuch
weberei eingetretenen Sohnes Giacomo (später Diego) vom 10. September
1484 wahrscheinlich macht, dass die Eltern noch nicht nach Genua zurück
gekehrt waren. Harrisse, a. a. O. II, 437, n. XXXIV und XXXV. Der
libro delle avarie, in welchem nach Spotorno p. XIV auch Columbus
1476 mit einem Schiffsverluste eingetragen sein soll, hat sich in Genua
neuerlich nicht gefunden, wenigstens nach Harrisse, Bull, g6ogr. VIII,
Acten zu Columbus’ Geschichte von 1473 — 1492.
659
An Gelegenheit, die Wahrheit zu erfahren, hätte es nun
freilich Ferdinand Colon keineswegs gefehlt. Ganz abgesehen
von seinen persönlichen zahlreichen Beziehungen zu Genua, 1 wo
er sich im Jahre 1529 auch ein schönes Haus bauen liess, hat
dieser vielleicht eifrigste Büchersammler seiner Zeit allen An
lass gehabt, Einsicht in die genuesischen Geschichtschreiber
zu nehmen, welche Herkunft und Jugend seines Vaters be
handelten.
Der ursprünglichste und Mächtigste für die Frage in Be
tracht kommende Zeuge, der Kanzler von San Giorgio Antonio
Gallo, war auf alle Fälle handschriftlich zugänglich; schon in
seiner auf uns gekommenen Schrift ,über Columbus’ Fahrt' aus
dem Jahre 1495 äussert er sich über Herkunft und Jugend des
selben hinlänglich. Wenn aber eine Aeusserung in des Bischofs
von Nobbio, Augustin Giustiniani, im Jahre 1537 in Genua er
schienenen Annalen wörtlich zu nehmen ist, so müsste er noch
eine besondere Biographie des Entdeckers geschrieben haben. 2
In der uns vorliegenden Schrift sagt er von Christoph und Bar
tholomäus Columbus, sie seien zu Genua — was irrig ist — von
plebejischer Familie geboren, hätten aus Wollfabrication, der
Vater als Weber, die Söhne einst als Krampler, ihren Unter
halt gewonnen, seien aber jetzt durch ganz Europa durch ihre
kühnen und für die ganze Menschheit bemerkenswerthen Thaten
zu grosser Berühmtheit gelangt. 3 Der seit 1477 zum officiellen
Geschichtschreiber Genuas berufene Bartholomäus Senarega, 1
der die genuesische Geschichte von 1188 bis 1514 behandelt
506 noch 1874, und nach Harrisse’s Schweigen in dem Werke über
Columbus auch bis 1885.
1 Peragallo 36 f. macht freilich mit Recht auf die Uebertreibung dieser
Beziehungen, namentlich von Harrisse’s Seite, aufmerksam.
2 — ha scritto la vita sua amplamente. Fol. 249 a . Harrisse, a. a. O. I, 75
hält das nur für eine Redewendung.
3 . . . hoc tempore per totam Europam audacissimo ausu et in rebus
humanis memorabili novitate in magnam claritatem evasere. Antonii
Galli de navigatione Columbi per inaccessum antea Oceanum commen-
tariolus ap. Muratori scriptt. XXIII, 301. Vgl. Harrisse, a a. O. I, 78.
1 Ich bemerke, dass ein Matteo Senarega, vielleicht ein Enkel des Ge
schichtsschreibers, die Verfassung der Stadt Genua von 1576 redigirte.
Muratori annali VI 767.
660
Büdinger.
hat, nur seinem ,Volke genügen, nichts als die Wahrheit' 1 im
Auge haben wollte, erklärt, über Columbus nur mittheilen zu
wollen, was er bei Gallo gefunden habe — nach seinen Worten:
quae a certo auctore cognovi —, und Senarega kann Columbus’
schreibfertigem Sohne kaum entgangen sein. Dennoch ergiesst
er, wie oben bemerkt wurde, 2 in einem seiner nachträglich hinzu
gefügten Capitel (2) seinen vollen Zorn gegen den erst nach
Gallo und Senarega schreibenden Giustiniani, der wie im Psal-
teriura 3 so in den Annalen hier auch wegen der von ihm er
langten grossen Position Columbus sehr berühmt und nur den
für die Nachkommen des Emporgekommenen beleidigend schei
nenden Vorwurf gegen ihn erhebt, er sei aus Armuthsverhält-
nissen zu einem grossen Herrn geworden. 1
Dass der Sohn gern an die vornehme Verwandtschaft des
Vaters glaubte, wird sich so wenig bestreiten lassen, als sich
beweisen lässt, Columbus habe seinen Kindern Derartiges direct
erzählt und dieselben hätten es nicht vielmehr von anderen ge
täuschten Personen erfahren.
Hier gewinnt nun der Briefauszug 5 besonderes Interesse,
den man freilich nicht mit D’Avezac seinem Inhalte nach für
ernst nehmen und als Ausgangspunkt für Verwandtschafts
beweise benutzen wollen darf. In sichtlich gutem Glauben, weil
1 . . . populo satisfacere . . . non curans quiequam praeter veritatem dicere.
Muratori script. XXIV, 534. Muratori äussert sich in diesem Bande
sehr ansprechend über den Reichthum Genuas an gleichzeitigen Ge
schichtschreibern (p. 511) und über das üble Handschriftenmaterial (p. 1).
2 Vgl. S. 646 und 639, Anm. 6.
3 Vgl. oben S. 647, Anm. 2.
4 — egli di poveretto si e fatto gran signore. Guistiniani Annali car.
249 a . Im Uebrigen verweist er hier freilich auch auf sein Psalterium,
gegen das die Historie wesentlich polemisiren. In sichtlichem Anschlüsse
an Gallo und Senarega über Herkunft und Jugend (vgl. unten S. 662,
Anm. 2) heisst es hier (p. 250): Columbus, patria Genuensis, vilibus
ortus parentibus . . . qui sua industria plus terrarum et pelagi ex-
ploraverit, paucis mensibus, quam paene reliqui oinnes mortales universii
retro actis seculis (was mit dem oben S. 647, Anm. 2 erwähnten Schluss
sätze doch Lob genug ist). . . . Hic puerilibus annis vix prima elementa
edoctus pubescens iam rei maritimae operam (p. 251) dedit, dein pro-
fecto in Lusitaniam fratre cet. Das Nächste durchaus nach Gallo und
Senarega.
5 Historie fol. 6 b .
Acten zu Columbns’ Geschichte von 1473—1492. 661
sonst ganz zwecklos, eben um seine Beweise von Columbus’ vor
nehmer Abkunft definitiv zu begründen, führt der Verfasser der
Historie an, er wolle dies Capitel mit einer Aeusserung scbliessen,
die sieb in einem Briefe des Admirals an die Hofmeisterin (nu-
trice) des Kronprinzen Johann von Castilien finde: ,mit folgen
den Worten: „ich bin nicht der erste Admiral meiner Familie.
Mögen sie mir nur einen Titel geben, welchen sie wollen! 1 Am
Ende war auch David, der weiseste König, Viehhirt, und ich bin
Knecht desselben Herrn, der ihn zu solcher Stellung brachte“/
Ich will gleich bemerken, 2 dass das Fragment sich nicht bei
Las Casas findet, der wohl mit Becht in dem Citate keineswegs
eine brauchbare Stütze für die Behauptung illustrer Familien
beziehungen sah und auch den seltsamen Vergleich mit König
David anstössig finden mochte. Für Columbus aber, der ein
ganzes Buch von Prophezeiungen zusammengeschrieben hat,
der so oft und inmitten ganz anderer Gegenstände religiöse
Dinge berührt, der sich den richtigen und reinen Eindruck der
Entdeckung des Festlandes von Südamerika durch Deutung
biblischer Paradiesvorstellungen getrübt hat — für Columbus ist
das Brieffragment schon an sich ein charakteristisches Zeugniss.
Mit diesen Erfindungen stimmen aber einige andere, welche
man, ehe Las Casas’ Hauptwerk bekannt war, durch Conjec-
turen zur Wahrheit gestalten zu können hoffte.
Besonders auffallend ist in dieser Beziehung sein angeb
liches Studium in Pavia. Man hat längst bemerkt, dass er an
der dortigen Universität am wenigsten für Mathematik und
Astronomie, soweit solche für ihn in seinem späteren Leben in
Betracht kamen, Vortheil hätte ziehen können. Wie vorzüglich
1 Mettamni pure il nome ehe vorranno.
2 Was sich sonst über die Echtheit des Fragmentes sagen lässt, bringen
Peragallo p. 46, D’Avezac, Bull, geogr. 1873, VI, 486. Seltsam genug
hat Harrisse wiederholt (besonders Bull. g6ogr. 1874, VIII, 508) das
nichtige Argument geltend gemacht, die Phrase entspreche nicht dem
Tone des Verkehrs zwischen Beiden in dem Briefe von Ende 1500
(Navarrete I, 265—276) — falls die hier angeredete Dona Juana de la
Torre wirklich identisch mit der in dem Fragmente angeredeten Dame
ist, was Harrisse selbst mit Recht (a. a. O. 509) für zweifelhaft hält.
Aber der erhaltene Brief ist in der furchtbaren Bedrängniss geschrieben,
in der sich Columbus, nach seiner Rückkehr in Ketten, vor der Königin
zu rehabilitiren suchte.
662
B ü d i n g e r.
gerade in Genua für exacte Wissenschaft gesorgt war, ist neuer
lich hervorgehoben und durch Auffindung einer Urkunde fest
gestellt worden, 1 wie gut mindestens in der zweiten Hälfte des
15. Jahrhunderts die dortige Weberzunft für den Schulunterricht
ihrer Knaben sorgte. Es kommt dazu auch sehr in Betracht,
dass ein so vollgültiger Zeuge wie Antonio Gallo 2 von Christof
und dem nachweislich viel gelehrteren Bartholomäus Columbus
versichert, sie hätten als Knaben nur einen mangelhaften Unter
richt erhalten und seien — auf welche viel zu wenig beachtete
Aeusserung wir noch zurückkommen — als Jünglinge nach
genuesischer Weise auf die See gegangen. Da hat man denn
längst einen Schreib- oder Druckfehler in den Historien ver-
muthet und für ,Pavia' die Heimat ,patria' lesen wollen. 3 Aber
mit den Historie stimmt nun auch Las Casas. 4
Ich denke aber, dass es genau so wie mit den bisher be
trachteten, nur in seines Sohnes Werk uns überlieferten An
gaben mit der auf das Beste bezeugten von seiner eigenen Hand
steht, dass er vergeblich ,vierzehn Jahre' lang einem ,mehr als
irgend ein anderer auf Entdeckungen begierigen' Könige von
Portugal, der aber hierin ganz verblendet gewesen sei, sein
Project der Weltfahrt vorgelegt habe. 5 Es kann, wie schon so oft
bemerkt wurde, nicht Alfons V. gemeint sein, der am 28. August
1481 starb, da Columbus bis in den August 1473 in Savona
lebte. Es kann ebensowenig dessen Sohn Johann II. sein — selbst
wenn man den vorübergehenden Besitz der Königswürde des
selben im November 1478 oder eine erste Abdication des Vaters
1 Für dies Alles: Harrisse, Christ. Colomb I, 243 f.; über die Schule
von Santo Stefano 247.
2 Hi siquidem intra pueriles annos parvis literis imbuti et puberes deinde
facti de more gentis (nostrae fügt die unzweifelhaft richtige Version bei
Senarega 1. 1. 535 hinzu) in navigationes exiverunt. Galli Commenta-
riolus 301.
3 Wohl zuletzt noch: Sophus Rüge, a. a. O. 220.
4 — studio in Pavia tanto, che gli bastava per intendere i Cosmografi
alla cui lettione fu molto affettionato. Historie c. 2, fol. 7 verso. — estudiö
in Pavia los primos rudimentos de las letras. Las Casas 1. X, c. 3
(t. LXH, p. 46).
5 Zuerst aus Las Casas bei Navarrete I, p. LXXIX undatirt, mit' dem
ganzen Briefe an Ferdinand den Katholischen vom Mai 1505, in welchem
der Satz enthalten ist, ebendas. III, 528.
Acten zu Columbus’ Geschichte von 1473—1492.
663
zu seinen Gunsten vom April 1475 gelten lassen will — da
Columbus schon zu Ende des Jahres 1484 oder Anfangs 1485
Portugal verliess. 1 Auch die Auskunft D’Avezac’s, 2 einen
Copistenfeliler anzunehmen und ,vierzehn Monate' zu lesen, wo
dann Alles auf das Beste stimme, verbietet sich durch die That-
sache, dass Las Casas sagt, 3 er habe den Brief von Columbus’
Hand geschrieben gesehen, indem er den betreffenden Satz als
Argument gegen übrigens ganz verständige Behauptungen in
Barros’ Asia verwendet und dann bei Mittheilung des ganzen
Briefes in einem späteren Tlieile seines Werkes 4 denselben Satz
mit derselben Zahl von vierzehn Jahren wiederbringt.
So mag man denn dem Sohne des Entdeckers, dem Ver
fasser der Historie, gar manche Unglaublichkeit zugutehalten.
2. Dienst bei König Renö.
Die neueste Forschung, D’Avezac 5 und Peragallo 0 wieder
ausgenommen, scheint, obwohl die Thatsache in einem Briefe
des Entdeckers gemeldet ist, einstimmig in der Verwerfung der
Nachricht zu sein, dass Columbus vom Könige Rene nach Tunis
geschickt worden sei, um ,die Galeazze Fernandina' zu nehmen.
Bei der Insel San Pietro ,in Sardinien', d. h. an dessen Süd
westküste, will Columbus von einem andern Schiffe erfahren haben 7
1 Harrisse, Christ. Colomb I, 2G1 f.
2 Canevas clironologique. Bull. gdogr. IV, 43.
3 . . . dice Christöbal Colon en una carta al rey D. Fernando, que yo
vide escrita de sn mano. 1. I, e. 28, t. LXII, p. 219.
4 1. II, c. 37, t. LXIV, p. 188.
5 Bull, geogr. 1873, VI, 387 f. — wo der Druckfehler Cartagena der
Historie fol. 8 b richtig in das (bei Las Casas p. 48 bestätigte) Cartagine
verbessert ist — und 495 f.
0 p. 85—94 mit der für die ganze Frage sehr erheblichen Hinweisung
auf den Frieden Rene’s von 1479 mit Aragonien.
7 ,Me dijo una saetia 1 in der Originalfassung bei Las Casas 1. I, c. 3,
t. LXII, p. 48. Ulloa hat nur: mi fu detto (Historie c. 3, fol. 8 b ), weil
das Wort vielleicht im Italienischen nicht für die gleiche Gattung von
Fahrzeugen verwendet wurde. Harrisse (Christ. Colomb 1,112) sagt über
die Uebereinstimmung der beiden Texte auch in diesem Falle ent
schieden zu viel, wenn er behauptet, die Historie stimmen zu genau,
sans qu’un mot soit retranche ou s’y trouve ajoute. Seltsam genug
hat er dann bei Besprechung der Renefrage (I, 254 f.) Las Casas gar
nicht erwähnt.
Rüd i nger.
664
dass mit genannter Galeazze noch zwei Schiffe und ein Lasten-
fahrzeug (carraca) segelten; hierauf ,wurden die Leute, die mit
mir gingen, unruhig und beschlossen, die Reise nicht fortzu
setzen, ausser um nach Marseille zurückzukehren um ein anderes
Schiff und mehr Leute'. 1 Er habe ihnen scheinbar willfahrt,
aber ,der Rose über der Nadel die entgegengesetzte Richtung
gegeben, 2 habe die Segel, da es Nacht wurde, aufgespannt, und
am anderen Tage bei Sonnenaufgang hatten wir das Cap von
Cartagina vor uns, 3 während jene sämmtlich als sicher an-
nahrnen, dass wir nach Marseille gingen“. Ich fasse hiebei
Columbus’ betreffende Worte, wie hoffentlich nach spanischem
Seegebrauche zulässig, als genau erwogen auf: ,wir hatten
das Cap von Cartagina in Sicht“, also keineswegs erreicht.
Der Name kehrt auf der Karte wieder, welche für die hier
in Betracht kommende Zeit als die getreueste Wiedergabe der
besten Portulane des Mittelmeeres gelten kann, auf der 1459
vollendeten Weltkarte Fra Mauro’s, welche (1881) in verkleinerter
und verdeutlichender Nachbildung Heinrich Kiepert für Ruge’s
Geschichte des Zeitalters der Entdeckungen (zu S. 80) geliefert
hat. Hier steht Cartagina etwa auf der Stätte von Biserta —
südlich etwa von Cap Bianco —, und Columbus kann nicht wohl
ein östlicheres, vielleicht aber ein etwas westlicheres Vorgebirge
1 — se altero la gente que iba (Historie: era) conmigo y determinaron
de no seguir el viaje, salvo (Historie: deliberarono di non passar piu
inanzi, ma) de se volver a Marsella por otro nao y m&s gente. Las
Casas 1. 1.
2 Mudando el cebo del agnja — ganz correct den von mir wiederholten
Worten entsprechend, welche Breusing (Kettler, Zeitschrift für wissen
schaftliche Geographie, Jahr 1881, II, 185), ohne Las Casas zu erwähnen,
in diesem Falle anwendet, während alle Neueren ausser Soplius Rüge
(Geschichte des Zeitalters der Entdeckungen 322), der zuerst Arthur
Breusing’s in ihrer Art bewunderungswürdige Arbeit verwerthet hat,
den Irrthum Ulloa’s tlieilen: mutando la punta del bussolo — als ob
er der Nadel habe eine andere Richtung geben können: tournant
Faiguille de la boussole, sagt Harrisse, Christ. Colomb I, 254. wie
schon Bull, geogr. V, 390.
3 di la vela al tempo che anochecia y otro dia al salir del sol esta-
bamos dentro del cabo de Carthagine. Las Casas 1. 1. Ulloa hat:
dentro al capo di Cartagina (Cartagena mit D’Avezac, vgl. oben S. GG3,
Anm. 5) als Druckfehler genommen.
Acten zu Columbus" Geschichte von 1473—1492.
665
gemeint haben, wie ja auch das zunächst westlich gelegene
Fürstenthum von Bona von einem Sohne des Emir von Tunis be
herrscht wurde, 1 der in dem Gebiete des alten Karthago regierte.
Mit dieser Thatsache erledigt sich nun aber auch eine
Hauptschwierigkeit, welche von dem für solche Fragen com-
petentesten Forscher geltend gemacht worden ist. Denn die
Arbeit, welche im Jahre 1873 D’Avezac 2 dem Eifer ,der seltenen
Adepten' empfahl, ,welche es nicht verschmähen, ihr Wissen
auf das Studium der veralteten Instrumente und Beobachtungs
weisen des 15. Jahrhunderts' zur Bestimmung der Fahrten
richtungen auf der See anzuwenden, ist von Breusing :i im Jahre
1881 dem lesenden Publicum vorgelegt worden, soweit sich das
selbe für die historische Seite der Geographie interessirt.
Da hat sich nun freilich gezeigt, dass alle die herkömm
lichen Annahmen über die wahrhaften Grundlagen der Portu-
lane und die über die frühen Anwendungen der Magnetnadel,
auch von des unvergesslichen Oskar Peschei Seite, auf gänz
licher Verkennung der praktischen Bedingungen der Seefahrt
ruhen. Es ist nun festgestellt, dass die Seeleute des 15. Jahr
hunderts für Fahrtenrichtung und Anfertigung von Seekarten
nach ganz anderen, wirksamen, für unser Verständniss nicht
eben einfachen, aber im Mittelmeer eingebürgerten Regeln ver
fuhren. Es verdient doch hier angeführt zu werden, dass der
selbe Gelehrte, dem wir diese wichtige Aufklärung verdanken,
auch die Freunde homerischer Poesie ganz neuerlich mit so über
raschenden und sachkundigen Ausführungen über Seeschilderun
gen in den ältesten griechischen Epen erfreut hat. 1
1 A. Lecoy dela Marche, Le roi Rene (Paris, 1875), I, 481 f. De Mas-Latrie
(Traites de paix et de commerce . . . des Cliretiens avec les Arabes de
l’Afrique septentrionale au moyen-äge. Paris, 18G6) Text S. 103 meint
mindestens für etwa 1482 die Sache nicht versichern zu können: le
prince . . . est sans doute Abdallah Mohammed El-Me(jaoud, fils aind
et successeur designe d’Abou-Omar-Otman, roi de Tunis, der übrigens
vor dem Vater gestorben sei.
2 Bull, geogr. 1873, VT, 492.
3 Zur Geschichte der Kartographie: La toleta de Marteloio und die loxo-
dromisehen Karten in Kettler’s Zeitschrift (oben S. 664, Anm. 2) II, 129
bis 133, 180—195.
4 Nautisches zu Homeros, Jahrbücher für classisehe Philologie 1885, S. 81
bis 102, 1886, S. 81 bis 92.
Sitzungsber. 4. phil.-liist. CI. CXII. Bd. II. Hft. 43
66G
Biidin ger.
Eben Arth vir Breusing 1 geht bei der Prüfung unserer Frage
mit dem herkömmlichen Vorurtheile von der Unechtheit der
Historie zu Werke; aber er prüft doch jede einzelne Nachricht
mit der Sorgsamkeit des praktischen Fachmannes. Unter dem
Cap von Cartagina versteht er das so viel weiter östlich bei
den Ruinen der Stadt gelegene Cap von Karthago. Bis zu
diesem habe Columbus’ Schiff binnen ungefähr zwölf Nacht
stunden 180 Seemeilen von der Insel San Pietro aus zurück
legen, also fünfzehn Knoten laufen müssen, eine Geschwindig
keit, die nicht unmöglich, aber höchst unwahrscheinlich ist'.
Ich denke, die Unwahrscheinlichkeit vermindert sich erheblich
mit der doppelten Verkürzung des Zieles, wenn eben das Schiff
nur in Sicht von Cap Bianco kam. 2
Die grösste Schwierigkeit der Erzählung sieht aber Breu
sing in einem andern Umstande. ,Columbus hätte die Mann
schaft auch über die Richtung des Windes täuschen und ihnen
erklären müssen, wie es möglich sei, dass der Wind plötzlich
aus der gerade entgegengesetzten Richtung wehe, ohne dass
Jemand von diesem Umsprunge etwas bemerkt hätte. Das
konnte er aber nicht; denn auf nichts wird an Bord so genau
Acht gegeben als auf die Richtung des Windes, und schon aus
der Vergleichung der Windrichtung mit dem herrschenden See
gange, d. h. der Richtung der Wellenbewegung, hätte sich die
Täuschung ergeben/ Für die ganze Erzählung hatte Breusing
doch erklärt, man müsse ,voraussetzen, dass die Nacht stock
finster und kein Stern zu sehen gewesen ist, das ist ja zulässig'.
Bei aller Achtung vor der besseren Kunde des Fachmannes
müssen mit der angenommenen Dunkelheit der Nacht und den
mir nicht bekannten Bedingungen der Seefahrt an der Insel
San Pietro doch wohl auch die Gewohnheiten der gemeinen
Seeleute in Bezug auf den Compass im 15. Jahrhundert erwogen
werden. Vor Allem aber müssen die Bedingungen der Disciplin
auf dem von Columbus, wie er ja ausdrücklich sagt, mit vollen
1 A. a. 0. 186.
2 Ueber die Lage von Utica und Karthago war man übrigens in Europa
vor Karls V. Zug gegen Tunis, vielleicht auch in Folge der früheren
spanischen Herrschaft über das Land von 1509 an, auf das Beste unter
richtet. G. Voigt (Ueber den Zug Karls V. gegen Tunis, Abhandlungen
der sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften 1874, VI) 187.
Acten zu Oolumbus’ Geschichte von 1473—1492.
6G7
Befugnissen commandirten Schüfe in Betracht gezogen werden,
das sich uns als ein einfacher genuesischer Kaper enthüllen
wird: ,Da ich sah, dass ich nicht ohne einige Kunst ihren (der
Mannschaft) Willen bezwingen konnte, bewilligte ich ihr Ver
langen, nach Marseille zurückzukehren, änderte die Kose u. s. w.' 1
Die Verwunderung über die Richtung der Fahrt nach Tunis
hätte nie geäussert werden sollen. Auch hier ist D’Avezac-
mit einiger Erwägung der dortigen Regierungsverhältnisse und
der staatlichen Beziehungen mindestens zu der genuesischen
Republik rühmlich auf den richtigen Weg gelangt, den Pera-
gallo 3 nach anderer Seite weiter beschritten hat, ohne freilich
von den für Tunis entscheidenden neueren Untersuchungen
Notiz zu nehmen.
Es ist nur bedauerlich, dass ein Forscher von Harrisse’s
Bedeutung beharrlich unter Verwendung ganz veralteten Mate
riales stets nur von den Kriegen Rene’s bis zum Aufstande der
Genuesen im ,Juli' — vielmehr März — 1461 4 wissen will.
,Nach diesem habe der ehrwürdige Greis' — er zählte damals als
am 16. Januar 1409 geboren 52 Jahre — ,sich bis zum Tode
in die Zurückgezogenheit' begeben, aus der er doch schwerlich
sich zu Versuchen an Seeunternehmungen veranlasst gefunden
haben werde, ,von denen weder Historien noch Chroniken die
geringste Spur zeigen'. 5 Harrisse will hier die Unmöglichkeit
ableiten, dass Columbus, dessen Geburt gerade er selbst in
musterhafter Weise nach Mai 1446 und vor November 1447
bestimmt hat, 0 unter Rene gedient haben könne. Subsidiär lässt
er dabei noch die Möglichkeit von Kämpfen für Columbus zu,
1 Yo, visto que no podia sin algun arte forzar su voluntad, otorgue
su demanda etc. Las Casas a. a. O.
2 Bull, geogr. 1873, VI, 495. Ausgehend von Spotorno’s Behauptung, dass
Columbus’ Fahrt in das Jahr 1473 gehöre, citirt er aus Giustiniani’s
Chronik (fol. 226 verso) die Sendung Benedetto Fieschi’s nach Tunis im
Jahre 1474, und er erinnert, dass Tunis vom 6. September 1435 bis zum
G. September 1488 von Abu-Omar-Otman (vgl. oben S. 665, Anm. 1)
regiert wurde. Nach Mas-Latrie (Traites, Text 103) regierte dieser nur
52 Jahre und starb 1487.
3 L’autenticita delle historie 92 f.
4 Vgl. unten S. 671, Anm. 1.
5 Ibid. 257.
6 Christ. Colomb I, 238.
43*
668
Büdi ngor.
so lange die Söhne nnd ein Enkel Rene’s bis 1473 lebten, um
auch diese Möglichkeit mit einem doppelten Einwande zu zer
stören. In den mebrerwäbnten Savoneser Urkunden erscheine ja
Columbus eben bis zum 7. August 1473 noch als dort friedlich
anwesend, und es dürfte doch ohnehin aller Wahrscheinlichkeit
widersprechen, dass man mit Hintansetzung aller Yorurtheile
den armen Webergesellen, Spross einer Handwerkerfamilie, zum
,königlichen Schiffscapitän' oder,Galeerencommandanten' ernannt
habe; es sei ein Widerspruch gegen alle historischen Thatsachen
in der Erzählung. 1 Zweimal, im Wesentlichen übereinstimmend,
hat er diese Argumente vorgetragen. 2 Ich denke, mich der
Polemik, vollends nach Peragallo’s Bekämpfung von verschie
denen Seiten der Harrisse’schen Beweisführungen, in den fol
genden Ausführungen entschlagen zu dürfen.
Es hegt eine lange lleihe von Verträgen vor, welche christ
liche Mittelmeerstaaten im 15. Jahrhundert mit den Beherrschern
von Tunis und den meist mit dem damals reichen und mäch
tigen Tunis verbundenen Staaten von Bona und Bugia 3 ge
schlossen haben. Dieselben sind immer auf eine bestimmte
Reihe von Jahren für Frieden und Handel giltig. In der für
unsere Frage in Betracht kommenden Zeit liefen solche mit
Florenz auf einunddreissig Jahre seit dem 28. April 1445, mit
Venedig auf dreissig Jahre seit dem 9. October 1456; mit Genua
fand eine Erneuerung zweier seit 1433 geschlossener Verträge
durch den auf dreissig Jahre gehenden vom 15. März 1465 statt.
Auf Grund des Letztem konnte jeder Genuese, selbstverständ
lich daher auch Columbus, seine Waaren 5 mit den üblichen
1 Cet exploit qui cadre si mal avec toutes nos donnees historiques. Har-
risse a. a. 0. 255.
2 A. a. O. 254—259 und schon 1873 und 1874 Bull, geogr. V, 389—-392 ;
VIII, 219—223 in der Hauptsache und iu den meisten Wendungen.
3 M. L. de Mas-Latrie, Traites de paix. Introduction S. 1G9 f.
4 A. a. O. Text 151, 255, 355. Ueber die Unzuverlässigkeit der nicht
arabischen Texte — und hier sind die arabischen nicht mehr erhalten
— sowie über die auffallende Thatsache, dass die Referate über die
Verträge genauer als die lateinischen oder romanischen Originalaus
fertigungen sind: vgl. a. a. 0. Introduction S. 290 f., 308 f.
5 Item de pannis et ceteris aliis mercibus, que venduutur per mercatores
cuivis Saraceno, non possint ipsas restituere pro aliquo respectu, post-
quam consignate fnerint. A. a. O. Text 151.
Acten zu Colurabus’ Geschichte von 1473—1492.
669
Zöllen verkaufen. Ob sie durch Kaperei oder ehrlich gewonnen
waren, brauchte, so viel ich sehe, nach den Verträgen nicht
angegeben zu werden, vorausgesetzt natürlich, dass die Prise
nicht nachweislich von einer Tunis befreundeten Flagge stammte.
Originalverträge der gleichen Art mit König Rene scheinen
sich nicht erhalten zu haben. 1 Es will doch nicht viel bedeuten,
dass vor hundert Jahren Papon in der Allgemeinen Geschichte
der Provence 2 nach einer Pariser Handschrift einen Vertrag
mit dem Emir von Bona erwähnt, in welchem die beiderseitigen
Unterthanen für ihre Schifffahrt Sicherheit erhielten, ohne dass
man über Zeit, Dauer und Bedingungen des Vertrages etwas
Näheres erführe. Vergeblich habe ich in den Schriften des sorg
fältigen Forschers über den in seiner Art einzigen Fürsten, des
Herrn Lecoy de la Marche, namentlich auch in den publicirten
Ausgabebüchern und Memoralien des Königs, 3 eine ganz ge
nügende Nachricht gesucht. Was er selbst in seiner acten-
mässigen Geschichte desselben 4 beibringt, geht zunächst auf
zwei Urkunden Rene’s zurück, 5 nach welchen in dem Jahre
1470 Gefangene von den Beherrschern von Bugia und Tunis
ausgelöst werden; in dem ersten Falle soll es durch den Bruder
eines Gefangenen, Rene’s Generalgouverneur von Catalonien,
geschehen und mit der ausdrücklichen Bemerkung, dass der
1 A. Lecoy de la Marche, Le roi Bene (1875) I, 480: Le roi de Sicile
(Rene) entretenait surtout des rapports suivis avec Bone, Tunis et
Bougie. Ces deux dernieres villes etaient depuis longtemps unies par
des traites de commerce avec les ports provencaux etc.
2 t. III, 1784, p. 384: II fit un traitd avec le roi de Böne en Afrique
pour etablir la surete de la navigation entre leurs sujets respectifs.
3 A Lecoy de la Marche, Extraits des comptes et memoriaux du roi Rene
pour servir ä Thistoire des arts au XV e siede. Paris, 1873. Eine Er
gänzung bildet desselben Gelehrten Abhandlung: Le roi Rene et ses
travaux artistiques, in der Revue des questions liistoriques, t. XV.
Paris, 1874.
4 Vgl. oben Anm. 1. Aber das allgemeine Citat von De Mas-Latrie,
Traites und seiner Abhandlung in der Bibliotheqne de 1 ecole des chartes,
11° ser., II (1840) war überflüssig ; es handelt sich nur um den noch
von mär zu besprechenden Brief Ludwigs XL, den Mas-Latrie damals
(p. 396) irrig auf Ende 1480, in seinem Hauptwerke Text 103 f. richtig
auf etwa 1482 bestimmte.
5 Lecoy de la Marche II, 337 und 341, n. 68 und 72.
670
Büdinger.
Gefangene übel behandelt werde; 1 nach dem anderen Acten-
stücke bat Rene durch zwei Gesandte ein Schreiben an den
Beherrscher von Tunis überbringen lassen und das Lüsegeld
für den Gefangenen, einen Geistlichen aus Sardinien, bezahlt,
aber wohl bemerkt: die Gesandtschaft geht, wie es scheint,
sammt dem Gefangenen auf einem Genuesischen Schiffe. 2 Im
Jahre 1471 erhalten dann auf eine Empfehlung Rene’s zwei
Diener oder Gesandte desselben die Erlaubniss, das Land Tunis
zu bereisen. Als König Ludwig XI. nach dem am 12. Decem-
ber 1481 erfolgten Tode Karls III., des letzten Sohnes König
Rene’s, der seinerseits am 10. Juli 1480 gestorben war, die ihm
durch Erbschaft zugefallene Regierung der Provence übernahm,
richtete er an die Beherrscher von Tunis und Bona Briefe; in
diesen Schreiben sprach er den Wunsch aus, die freundlichen
Beziehungen in Bezug auf die beiderseitigen, Handel treibenden
Unterthanen zu erhalten und zu steigern, wie sie zu Zeiten
seines Oheims, des Königs von Sicilien (Rene), bestanden hätten; 3
von eigentlichen Verträgen jenseits dieser factisch freundlichen
Beziehungen ist dabei doch nicht die Rede.
Zunächst ist nunmehr die Frage zu erörtern, wie weit
Genuesen in Rene’s Dienst vermuthet werden dürfen, und zwar
in einer Zeit, da Columbus zu voller Mündigkeit gelangt war,
also etwa seit dem Jahre 1472. 4
1 — jam multos annos captivus apud Bogie partes detiuetur et inhumane,
ut accepünus, tractatus.
- — quem (den gelösten Gefangenen) in navi quadam Genuensi intra
ipsum portum tenebant (sc. familiäres nostril . . . quos superiori anno
ad regem Tunisii miseramus, quique a rege prefato nostro intuitu eis
datus fuerat pro duplis aureis Mauretanis quingentis, p. 251. Möglich bleibt
freilich, dass, als die Gesandten in Genua landeten, sie ein zweites, eben
das genuesische Schiff gehabt hätten; doch ist das nicht wahrscheinlich.
Da der Brief vom 19. Februar 1471 datirt ist, gehört die Gesandtschaft
in das Jahr 1470; mense Augusti, wie der Brief sagt, kehrten sie zurück.
3 De Mas-Latrie, Text 103—105: lateinisch und französisch an den König
von Bona, mit Erwähnung eines gleichzeitig an seinen Vater, den König
von Tunis abgehenden Briefes ähnlichen Inhaltes, der nach des Heraus
gebers Bemerkung auch erhalten ist, verinuthlich aber nur dem ersten
Theile des Briefes an den Sohn entspricht, da dessen zweiter Tlieil
eine specielle Beschwerde betrifft.
4 Ueber seine schon von Munoz und D’Avezac auf das Jahr 1446 gesetzte,
nun von Harrisse genauer bestimmte Geburtszeit vgl. oben S. 667, Anm. 6.
Acten zu Colurabus’ Geschichte von 1473—1492.
671
In einer am 9. März 1 des Jahres 1461 begonnenen plötz
lichen glücklichen Erhebung der Bevölkerung von Genua gegen
die im Mai 1458 durch die Fraction der Fregosi geschehene
Anerkennung der Oberherrlichkeit des Königs von Frankreich
hatte dessen Herrschaft ihr Ende erreicht. Die Erhebung er
folgte bei Gelegenheit einer willkürlichen Auflage zur Bezahlung
der französischen Besatzung. 2 Am 19. März 1461 meldeten zwei
Getreue des Hauses Doria dem Könige Karl VII. den Verlust
der Stadt, aber auch, dass Savona sich noch in seinem Gehor
sam behaupte. 3 Eben von hier aus machte König Rene — den
gerade die ihm damals verbundenen Genuesen im Jahre 1439
verhindert hatten, sich zu rechter Zeit mit König Alfons V. von
Aragonien wegen Neapel’s zu vertragen — einen Versuch, Genua
wieder zu gewinnen, der am 17. Juli 1461 blutig abgewehrt
wurde. 4
Aber es ist die reine Selbsttäuschung, wenn aus dieser
Erhebung und Rene’s Abwehr geschlossen worden ist, es sei
nun eine bittere Feindschaft zwischen dem Beherrscher der
Provence und der Republik Genua entstanden. Eben bei An
lass jener Beziehungen Rene’s zum Beherrscher von Tunis im
Jahre 1470 kam es zu einer kleinen Differenz, welche das freund
liche Verhältnis erkennen lässt, das sich längst wieder zwischen
Beiden gebildet hatte. Ein durch Rene losgekaufter sardinischer
Priester wurde, wie es scheint, weil das Schiff der Gesandt-
1 Giustiniani (1537) fol.215 b und gar Foglieta (Historia Genuensium 1585,
fol. 236 b sq.) sollte man doch nicht für die chronologische Frage ins
Gefecht führen, die auch bei Lecoy de la Marche (Le roi Rene I, 327 f.)
nicht richtig behandelt ist. Die Nachricht der Erhebung vom 9. März
kam am 14. März 1461 nach Bologna (Bartholomeo della Pugliola ap.
Muratori seriptt. XVIII, 734). Denselben Tag gibt Quicherat in seiner
Ausgabe Thomas Basin’s (1859), t. I, p. 308.
2 Basin, Historiarum Caroli VII, lib. V, c. 20, t. I, p. 307: Vectigal quod-
dam seu tributum ad stipendia ipsis facienda militibus in civitate et
adjacente patria colligendum a civibus. Basin, geboren 1412, war seit
1447 Bischof von Lisieux, worauf er ,sa chere Normandie 1 nicht wieder
längere Zeit verliess (Quicherat I, p. XII); aber früher war er mindestens
dreimal in Italien und aufs Beste auch für T46 i unterrichtet.
3 Savona se tene per la maestä vostra ... a la quäle tutta la bonna
geilte de la cittä humiliter se a recommandato et aptissime. Ibid. IV, 361.
4 Basin, a. a. 0. p. 309, sonst Lecoy de la Marche, Roi Rene I, 184. Einiges
mir sonst nicht bekannt Scheinendes hat hier doch Foglieta 237 recto.
672
Büdinger.
Schaft ein genuesisches war, nach der Landung in Genua zurück
gehalten. Da schreibt der König seinem dortigen Consul Raphael
Torilla am 19. Februar 1471, er solle die Freilassung des Mannes
bewirken, ,gemäss der alten Freundschaft, welche wir mit den
Genuesen haben'. 1 Bei dem Anfangs 1474 geschlossenen Frieden
mit Aragonien, der uns noch beschäftigen wird, sicherte Rene
ganz besonders den Handel der Genuesen.
Im Jahre 1472 eröffnete Rene zunächst für ein Jahr Hafen
und Stadt Marseille den Kauffahrern aller Kationen und Reli
gionen zu freiem Eintritte und Handel. 2 Dort fanden sich denn
unter so vielen Anderen auch die Genuesen ein, wie der acten-
kundige Herr Lecoy de la Marche versichert. 3
Ganz besonders darf man die Benutzung der trefflichen
Gelegenheit zu gewinnbringender Thätigkeit von den Bewohnern
Savona’s erwarten, welche am längsten der französischen Sache
treu geblieben waren 1 und ohnehin in einer Art von ewigem
Bündnisse mit Genua standen. Denn es geht — was sich freilich
an Ort und Stelle noch in erwünschte Einzelheiten verfolgen
lassen wird — aus einer im Jahre 1503 veranstalteten kleinen
Sammlung der Verträge Savonas mit Genua von 1251 bis 1471
hervor, 0 dass sich die freilich der Hoheit Genuas unterworfene
Stadt doch eines hohen Grades von Autonomie erfreute. Als
Herr Genuas und hiemit auch Savonas erscheint in dem letzten
Vertrage freilich der würdige Verbündete und Schwager Lud
wig XI., Herzog Galeazzo Maria Sforza von Mailand. An dessen
Vater Franz Sforza hat der genannte französische König ,das
1 — antiqua araicitia, quae nobis cum Genuensibus est. Locoy de la
Marche, a. a. O. II, 342.
2 Comte de Quatrebarbes, Oeuvres completes du roi Rene (Paris, 1845 ap.
Dumoulin) I, p. CXXX.
3 — le Genois, le Florentin, le Venitien, le Catalan y coudoyaient le
Turc et FAfricam. A. a. 0. I, 480.
4 Basin II, 44.
5 Conventiones existentes inter inclitam et excelsam communitatem Janue
ex una et magnifieam communitatem Saonae ex altera, et quae sunt
inter eas observandae virtute ultimae sententiae inter eas latae, ut patet
intuenti (Bibi. Palat. Vindob. 29, P. 34). Die ultima sententia ist die
am 5. Januar 1471 ausgestellte, mit den Worten ,in sententia lata 1 be
ginnende Urkunde.
Acten zu Columbus’ Geschichte von 1473—1492.
673
rebellische Genua' und das gehorsame Savona 1 durch Urkunde -
vom 22. December 1463 und Investitur vom 7. Februar 1464
abgetreten.
In Savona aber lebte, wahrscheinlich seit 1469, urkundlich
am 2. März 1470, Columbus’ Vater als ,Tuchweber und Gast-
wirth', 3 er selbst war nachweislich längst in die Weberzunft als
Geselle eingetreten, aber nach Gallo’s genauem, von Senarega
und Giustiniani wiederholtem Zeugnisse 4 gleich dem jüngern
Bruder Bartholomäus ,der Weise unseres (genuesischen) Volkes
gemäss mit dem Eintritte in das Jünglingsalter auf See ge
gangen'. 5 Er selbst bezeichnet ungefähr das Jahr 1460 in einem
Briefe an die Könige vom Jahre 1501 6 und in seinem Tage
buche am 21. December 1492' als den Anfangstermin seiner
Seefahrten — wie man sieht mit Hecht. Das verhindert ja
nicht, dass er in der Zwischenzeit das Krämpler- und Weber
geschäft betrieb oder notariell als Angehöriger der Zunft er
schien, wie er noch am 20. März 1472 einem Kameraden, einem
anderen Webergesellen, im Testamente mit drei Schneidern,
zwei Tuchscherern und einem Hutmacher als Zeuge dient. s
1 Januam rebellem et minime parentem, et Sagonam, quam tenebat, juri
ejusdem ducis cessit. Basin, Historia Ludovici XI, 1. I, c. 12 (t. II, p. 45
ed. Qnicherat).
2 Ordonnanees des rois de France de la troisieme race recueillis par . . .
Pastouret. Paris, 1814. t. XVI, p. 146.
3 textor pannorum et tabernarius. Harrisse, Christ. Colomb I, 194.
4 Vgl. oben S. 660, Anm. 4.
5 — puberes deinde facti ex more gentis nostrae in navigationes exiverunt.
Peragallo 69 f. handelt über die Bedeutung von puberes facti oder
pubescens, wie es Giustiniani wendet, mit einigen Nachweisen aus römi
schem Sprachgebrauche, den er für seine genuesischen Landsleute auch
im 15. Jahrhundert für zutreffend hält, also bei Knaben von 12 bis
14 Jahren.
6 Das Jahr nur in den Historie fol. 8 recto, der Brief bei Las Casas, der
ihn in Händen hatte, 1. I, c. 3, t. LXII, p. 47: De muy pequeüa edad
entre la mar navegando y lo he continuado hasta lioy (der langen
Unterbrechungen gedenkt er hier und im Tagebuche nicht) . . . ya
pasan de cuarenta anos, que yo voy en este uso.
1 Viernes 21 Diciembre. . . . Yo he andado en la mar, sin salir dello
tiempo que se liaya de contar. Navarrete, Coleccion I, 101. Schon die
Historie fol. 9 b haben den Satz als Citat.
8 Harrisse, a. a. O. II, 419.
674
Büdi nger.
Dass er dem Könige Rene ein freundliches Andenken be
wahrt, ist schon nach dem bisher Erörterten begreiflich. Ich
erinnere mich nicht, dass er etwa mit Ausnahme der Königin
Isabella der Katholischen, der er das wünscht, 1 von irgend einem
andern Verstorbenen sagt, ,den Gott bei sich hat': ' 2 der gegen
Jedermann wohlwollende Fürst, der Gründer des Freihafens
Marseille, ist der erste mächtige Mensch auf Erden gewesen, der
Columbus’ Talent verwendete. Von seinen damaligen Genossen
spricht der Entdecker wohl als Leuten (gente), sagt aber, sie seien
,mit‘ ihm (conmigo) gewesen und obwohl seinem Befehle unter
geben, doch in der Lage, einen Beschluss zu fassen (determi-
naron). 3 Man erhält den Eindruck einer mehr freien, wenn auch
unter strenger Disciplin stehenden Vereinigung zum Zwecke,
jene Galeazze Fernandina zu nehmen und sei es mit dieser Beute,
sei es ohne dieselbe, nach Tunis zu fahren. Mit wie viel grösserer
Sicherheit Genuesen dort ihrem Handel obliegen konnten, als
Provenzalen, ist früher erörtert worden.
Auch ohne weiteren Beweis würden wir anzunehmen haben,
dass Columbus’ Fahrzeug ein Kaperschiff gewesen ist.
Dass König Rene seinen Seeleuten überhaupt viel nachsah
und sie auch bei schweren Vergehungen nicht leicht strafte,
wird selbst von seinen Lobrednern zugestanden. Ein besonders
schlimmer, durch seinen Namen gedeckter Fall wird wohl auf
eine Täuschung 4 des betreffenden Piraten — um einmal das
schlimmere Wort für das zartere der Kaperei zu gebrauchen
— zurückgeführt. Das betreffende Actenstück lässt das aber
doch schlechterdings nicht zu. Indem die Republik Florenz
dem französischen Könige Ludwig XI. ihr Beileid über den
Tod seines Vaters und ihre Freude über seine eigene Thron-
1 In dem oben S. 662, Anm. 6 erwähnten Briefe von 1505 au König
Ferdinand selbst: la Reyna que Dios haya — nicht tiene. Im letzten
Testamente (19. Mai 1506) wird auch ,1a Reina 1 ohne diesen Beisatz
erwähnt.
2 — el Rey Reinei, que Dios tiene. Las Casas p. 48. Ulloa gibt das (Historie
fol. 8 b ) mit: che Dio ha appresso di se, wieder und ich folge dieser
Auffassung.
3 Vgl. oben S. 664, Anm. 1.
1 Lecoy de la Marche, Le roi Rene I, 530: il y avait lä, sans doute, une
supercherie.
Acten zu Columbus’ Geschichte von 1473—1492.
675
besteigung ausspricht, beklagt sie sich bitterlich, dass ein im
Solde des Oheims des neuen Königs, eben König Rene’s,
stehender Corsar 1 mitten im Frieden und trotz aller Verträge
ihre Handelsflotte plündere. Die Galeazze Fernandina aber hat
einer kriegführenden Macht angehört, da sich Columbus in einem
Briefe ,an das spanische Königspaar im Mai 1495 aus Hispaniola 1 -
einer Piraterie nicht hätte berühmen können.
Nun befand sich Eene mit zwei Königen von 1472 an in
Kriegszustand.
Noch dauerte formell seine Feindschaft mit Alfons’ V.
natürlichem Sohne, dem Könige Ferdinand I. von Neapel, gegen
den Rene’s Sohn, der Herzog Johann von Calabrien, den Kampf
geführt hatte und definitiv zu Anfang des Jahres 1464 aufgab. 3
Im nächsten Jahre wurde der König von Neapel Ludwigs XI.
Verbündeter: ein gelungener französischer Angriff auf neapoli
tanische Schiffe an der galizischen Küste im Jahre 1472 führte
nur zu deren Rückgabe mit reichlicher Entschädigung. 4 Der
neapolitanische König hat, wenn auch vergeblich, im Jahre 1477
oder dem folgenden Rene’s Anerkennung und einen Handels
vertrag gegen grosse Gfeldentschädigung gesucht. 5 Von Feind
seligkeiten gegen den durch des Königs von Frankreich mächtige
Hand 11 geschützten und damals durch keine Rebellion im Innern
bedrohten Neapolitaner konnte seit 1465 keine Rede mehr sein.
Man darf daher sagen, dass die Galeazze Fernandina, 1 der
Columbus nachstellen sollte, kein neapolitanisches Schiff ge
wesen ist.
Aber in wirklichem, ununterbrochenen Kriegszustände be
fand sich Rene seit dem Herbste, vor dem 17. November, 1466
gegen König Johann II. von Aragonien, indem er die von den
1 — dolendoci delle ingiurie di Scarinei corsale, suo soldato etc. Des
jardins, Negociations entre la France et la Toscaiie (Collection de do-
cuments inedits sur l’liistoire de France) 1859, I, 112.
2 So bei Las Casas, a. a. O.
3 Lecoy de la Marche I, 342.
4 Harrisse, Christ. Colomb I, 257.
5 Der Bericht seines Gesandten im Rathe der Pregadi zu Venedig bei
Lecoy de la Marche II, 382 hat das Datum 1 er janvier 1478; aber im
Texte I, 423 heisst es, erst au mois de janvier seien Ferdinands An
erbietungen an Rene gelangt.
6 Lecoy de la Marche I, 422.
676
B ü d i n g e r.
empörten Catalanen ihm angebotene Krone trotz Frankreichs
Bund mit Aragonien annahm. Nahe am Siege durch seinen
erwähnten kriegerischen Sohn Johann von Calabi-ien verlor er
zwar nach dessen Tode (16. December 1470) 1 die Hoffnung,
das angemasste Reich wirklich zu gewinnen. Jedoch auch als
Niemand mehr für ihn zu Lande auf spanischem Boden kämpfte,
setzte er den Krieg, wenn auch nur schwach, zur See fort. Erst
unmittelbar vor dem Tode des Königs Johann II. von Aragonien,
der in Barcelona am 20. Januar 1479 erfolgte, 2 am 19. Januar
1479, ward ein Stillstand zwischen den beiderseitigen Bevoll
mächtigten in Barcelona unterzeichnet; aber der dreiundachtzig-
jährige König Johann II. wollte einige Bedingungen desselben
nicht genehmigen; namentlich verweigerte er Rend den Königs
titel. Sein Sohn Ferdinand aber Hess am 19. Februar 1479 die
Bestätigung des Tractates ,seine erste Regierungshandlung' 3 zu
Truxillo sein, wo er damals residirte. Er gab dem bei allen
Kunstfreunden so hoch berühmten Fürsten den Königstitel: 4
man begreift, dass er sechzehn Jahre später Columbus’ -offene
Pietät für seines einstigen Herrn ,König Reynel’s' Andenken
nicht verübeln konnte.
Der Vertrag zwischen Ferdinand dem Katholischen und
Rene lautete auf zwanzig Jahre und bestimmte unter Anderm:
,Während dieser Zeit sollen die Kaperbriefe, welche den Be
treffenden zugebilligt worden sind, nicht in Wirksamkeit treten
und für diese Zeit suspendirt bleiben.' 5 Die Genuesen erhielten
Antheil an dem für ihren Handel nach Catalonien wichtigen
Vertrage. 6 Die Genuesen mögen wohl vorher Rene ihre wertli-
1 Ebend. I, 368, 378. Die genauen Geburts- und Todestage der Nach
kommen ebend. I, 433 f.
2 W. Prescott, Ferdinand und Isabella (deutsche Uebersetzung, Leipzig,
1842) I, 219 mit einer Charakterschilderung von bleibendem Werthe.
3 Lo primero, que se ordeno por el Key de Aragon y Castilla despues
del fallecimiento del Key su padre . . . fue confirmar la tregua. Zurita
anales de la corona de Aragon (Qarago^a 1610) IV, 303, 1. 20, c. 29.
4 — quien el llamava Key, lo que no hizo el Key su padre. Ebend.
5 Durante este tiempo no se avian de executar las marcas, que se avian
adjudicado a las partes e quedavan suspendidas por aquel tiempo.
Ebend.
6 Nur diese Nachricht über die treve a longue echdance, die er als am
19. Januar 1479 abgeschlossen betrachtet, bringt Lecoy de la Marche
Acten zu Columbus' Geschichte von 1473—1492 .
677
volle Mitwirkung im Seekriege gewährt und ihren guten An-
theil an den Prisen der Kaper gehabt haben.
Columbus aber hatte sicli nicht zu schämen, auch vor seinem
nunmehrigen Herrn, dem Könige Ferdinand dem Katholischen
zu bekennen, dass er im Dienste König Rene’s einst mit einem
Kaperschiffe eine des damaligen Thronerben von Aragonien und
seit 1468 1 wirklichen Königs von Sicilien Namen tragende Gfaleazze
Fernandina bei einem Aufträge nach Tunis habe nehmen sollen.
Noch bleibt ein Wort über die Zeit des Unternehmens
zu sagen.
Es kann nicht wohl vor den 7. August 1473 gesetzt werden,
an welchem Tage Columbus noch als Zeuge in Savona bei dem
Hausverkaufe seiner Mutter erscheint,' 2 ich denke aber auch
nicht viel später. Mit diesen Worten bringe ich vielleicht des
im Jahre 1844 verstorbenen genuesischen Urkundenforschers,
des Barnabiten Spotorno, Vermuthung auf dieses Jahr 1473 zu
Ehren, 3 immerhin mit Reservirung einer sogleich zu erörtern
den weiteren Frist bis Ende des Jahres 1475.
Denn man wird doch voraussetzen müssen, dass der König
Johann II. von Aragonien und sein Sohn Ferdinand von Sicilien
nicht im Frieden mit dem Beherrscher von Tunis waren, als
Rene’s Auftrag erfolgte. Der Stillstand mit dem Könige Fer
dinand von Sicilien 4 ist aber erst im December 1473 erfolgt;
I, 425, aber mit genauem Citat des im Archiv des Departements der
Rhonemündungen aufbewahrten Vertrages, dessen Abdruck freilich er
wünscht gewesen wäre.
1 Zurita IV, 156, 1. 18, c. 16.
2 Vgl. oben S. 658, Anm. 6.
3 Forse la spedizione del Colombo a Tunisi appartiene al anno citato 1473.
Der Grund des errathenen Jahres, weil Rene ,si ritirö nella sua Pro-
venza“ ist freilich nicht haltbar. Codice dipl. Colombo-Americano p. XIII.
4 Kur von ihm ist in der Proclamation die Rede: la majestati di lu
signuri Ke. De Mas-Latrie, Traitds, Text 175. Bemerken will ich doch,
dass in diesen Verhandlungen mit Tunis bei Ferdinands Nennung neben
dem Titel eines Königs von Sicilien der eines ,Erbprinzen der König
reiche von Aragon“ fehlt, der ihm mindestens am 18. October 1469
in dem Vermiihlungsacte mit Isabella ,der Erbprinzessin dieser König
reiche von Castilien und Leon“ immer gegeben wird: D. Fernando rey
de Secilia, principe heredero de los reynos de Aragon. (Diego Clemencin,
elogio de la reina catölica Dona Isabel. Memorias de la real aeade-
mia de historia. Madrid, 1821. t. VI, 585 f.)
678
B ft d i n g e r.
denn am 16. dieses Monats liess der Vicekönig von Sicilien
einen zwischen seinem Könige und dem ,Könige' von Tunis
geschlossenen, vom nächsten 1. Januar an auf zwei Jahre güti
gen Frieden verkünden. Ob der Beherrscher von Tunis während
der inneren Kriege Aragoniens seit 1461 bis Ende 1473 sich
der Feindseligkeiten gegen aragonesische Unterthanen enthalten
habe, 1 ist zweifelhaft.
Um die Erneuerung dieses Friedens oder besser Stillstandes
aber suchte Ferdinand — nicht sein Vater, da der Beherrscher
von Tunis damals, wie es scheint, nur Rene als König von Arago-
nien anerkannte 2 — am 8. Juni 1475 nach. 3 Diese Erneuerung
muss rechtzeitig und zugleich die dem Emir Abu Omar Othman
höchst plausibel gemachte Neuanerkennung auch des Vaters als
König von Aragonien erfolgt sein, da beide Könige, Johann II.
und Ferdinand, am 6. Februar 1476 einem Verwandten des
Königs von Tunis für seine Mitwirkung bei dem Abschlüsse ihren
Dank aussprechen. 4 Fuhr die Fernandina mit ihren Begleitschiffen
freilich unter Johanns II. Flagge, so konnte der Auftrag an
Columbus auch bis zum Ablaufe des Jahres 1475 ertheilt werden.
Nach dem 1. Januar 1474 oder höchstens dem 1. Januar
1476 wäre Columbus’ Kaperzug nach Tunis kaum räthlich ge-
1 Dass es geschehen sei, hält Mas-Latrie, Traites, Introduction 321 für
wahrscheinlich.
- Immerhin ist, wenn auch bezeichnend, hei der Bestallung eines Consuls
in Tunis durch den Vicekönig von Sicilien am 23. December 1473, d. li.
vor Inkrafttreten des Vertrages und ohne Namennennung die Rede
davon, dass er pro parte serenissimorum dominorum nostrorum regum
patris et filii handle. Mas-Latrie, a. a. O. Text 176.
3 Aber Mas-Latrie irrt, wenn er in der Ueberschrift p. 177 meint, der
Gesandte sei ,des rois de Castille et de Sicile 1 geschickt: es ist Beides
Ferdinands Titel seit October 1474. Auch ist ,suo figlio 1 nach den
Worten re di Castelia e di Sicilia nur als eine Höflichkeit gegen den
Fürsten von Tunis zu verstehen. In den Instructionen S. 178 wird dem
Gesandten freilich aufgetragen, hervorzuheben, wie es Gott gefallen
habe: exaltari et sublimari la sacratissima casa di Aragona di glorio-
sissima gloria et triumpho et fari et ordinari ik di li regni di Castella
la Maestati di lu serenissimo signor re di Sicilia, figlio di la ditta
Maestati — Johann II. ist keineswegs genannt — la quali senza alcuno
dubio hogi si p6 diri essiri lu majori re et piu alto di la Christianita
— was zwar nicht richtig ist, aber seine Wirkung in Tunis nicht ver
fehlte, wie das nächste Actenstück zeigt.
4 Mas-Latrie, a. a. O. Text 179.
Acten zu Columbus’ Geschichte von 1473—1192.
679
wesen. Man wird aber in demselben die erste öffentliche Action
des Webers von Sa von a, Bürgers von Genua, zu sehen haben
und ihn als ein merkwürdiges Zeugniss seines Emporkommens
betrachten müssen; jedes Wort seines Briefes hat sich als sorg
sam erwogen erwiesen.
3. Ankunft in Portugal und Entfernung von dort.
Man hat die Ansicht ausgesprochen, 1 die Tyrannei des
Herzogs Galeazzo Maria Sforza habe Columbus im Jahre 1476
aus Genua nach Portugal getrieben. D’Avezac selbst hat die
Frage der Zeit seiner Ankunft für eine der schwierigsten erklärt, 2
und ich beabsichtige keineswegs, die Zahl der Vermutliungen
über diesen Gegenstand um eine neue zu vermehren. Ohnehin
hat sich neuerlich die Zeitgrenze, bis zu welcher Columbus’
Ankunft in Portugal erstreckt werden darf, erheblich verlängert.
Denn es ist von Herrn Harrisse in einer, wie mir scheint, un
anfechtbaren Weise 3 dargethan worden, dass Columbus’ ältester
Sohn Diego im Herbste des Jahres 1491 höchstens zehnjährig-
gewesen ist und dass daher alle Schlussfolgerungen nichtig sind,
welche man aus Diego’s Alter auf eine über das Jahr 1480
hinaufgehende Vermählung des Vaters und mit ihr auf eine
frühere Ankunft des Vaters in Portugal gezogen hat.
Hier ist zunächst die Vorfrage zu erwägen, wann die An
kunft von Columbus’ jüngerm Bruder Bartholomäus in Lissabon
stattfand.
Unmittelbar an die Nachricht, dass beide Brüder nach
genuesischer Sitte mit ihrem Eintritte in das Jünglingsalter auf
Seefahrten ausgegangen seien, knüpft der über ihre Verhältnisse
so genau unterrichtete Antonio Gallo — und nach ihm wörtlich
der officielle Geschichtschreiber Senarega -— die weitere Mit
theilung: dass der jüngere Bruder Bartholomäus sich in Portugal,
1 Spotorno, a. a. O. XIV, gebilligt von D’Avezac, Canevas chronologique
de la vie de Christ. Colomb im Bull, geogr. 1872, IV, 43.
2 C’est une des questions les plus indecises entre tant d’autres, oü les
assertions les plus divergentes semblent se jouer d’une reeherclie serieuse.
A. a. O. 37.
3 Christ. Colomb II, 229.
680
B ü (1 i n g o r.
endlich in Lissabon niedergelassen und sich durch Karten
zeichnen seinen Unterhalt erworben habe. Durch Verkehr mit
portugiesischen Seeleuten, sowie durch Studien habe er die Ueber-
zeugung von der Möglichkeit der entscheidenden Westfahrt nach
Ostasien gewonnen; diese Ansicht habe er seinem in der See
fahrt erfahreneren Bruder mitgetheilt, der von ihrer Richtigkeit
überzeugt wurde. 1 Bartholomäus aber war im Juni 1480 noch
in Genua, wo er eine vom 16. dieses Monates datirte Vollmacht
seines Vaters aus Savona erhielt. 2 Er kann Genua nicht vor
Ende Juni 1480 verlassen haben. Dass sein Bruder Christoph
erst nach ihm in Portugal angelangt sei, wird von dem Kanzler
Gallo zwar nicht ausdrücklich gesagt; man empfängt aber
den Eindruck, dass er dies eher als das Gegentheil annahm;
immerhin ist die Nachricht für die Zeit von Columbus’ Ankunft
in Portugal nicht sicher zu verwenden.
In Don Ferdinands Lebensbeschreibung seines Vaters wird
erzählt, dass er als Befehlshaber eines Schiffes an der Seeschlacht
Theil genommen habe, welche an der portugiesischen Küste
südlich von Lissabon nachweislich erst am 21. Juni 1485 statt
hatte. Einer der fünf Geschichtsschreiber, welche sie erwähnen,
wird citirt. Es wird in Bezug auf Columbus versichert, dass er,
ein vorzüglicher Schwimmer, von seinem in Brand gerathenen
Schiffe, blos von einem Ruder unterstützt, den ,etwas mehr als
zwei Leguas‘ :! weiten Weg zur Küste schwimmend zurückgelegt,
dort erschöpft angelangt sei und längere Zeit zur Erholung ge
braucht habe. Dann sei er nach dem nahen Lissabon geeilt,
1 — in navigationes exiverant. Sed Bartliolomaeus minor natu in Lusi-
tania, demum Ulissipone constiterat cet . . . argumenta et animi cogi-
tatum cum fratre rerum nauticarum peritiore communicat . . . Qua
persuasione Christophorus inductus cet. Antonii Galli commentariolus
(Muratori scriptores XXIII) 301. Darnach Barthol. Senarega (ibid.
XXIV) 535 und vollends Giustiniani im Psalterium (Murr 151), jedoch
ungenau mit Veränderung von demum in ac.
2 Ueber das nur nach dem Regest bekannte Actenstück die Nachrichten
hei Harrisse, Christ. Colomb II, 436.
3 — poco mas de dös leguas. Las Casas 1.1, c. 4 (t. LXII, p. 52). — due
leghe o poco piii übersetzt mit vorsichtigem Zweifel über die Schwimm
leistung Ulloa: Historie c. 5, fol. 11 reeto. In einigen Punkten ist
Ulloa ausnahmsweise vollständiger für diese Geschichte, in anderen Las
Casas. Ich denke, man kann Beide benützen, um ein getreues Bild
der wirklichen Historia zu erhalten.
Acten zu Colurabus' Geschichte von 1473—1492.
681
um genuesische Landsleute zu finden, die ihn aufs Beste ,seiner
edlen Abkunft* wie seiner imposanten Erscheinung' wegen auf-
nahmen, so dass er sich in Lissabon niederlassen konnte. Bei
einem seiner regelmässigen frommen Kirchenbesuche habe er in
der Allerheiligenkirche die Bekanntschaft einer edlen Stiftsdame,
des Fräuleins Philippa Moniz gemacht, mit der er sich vermählte.
Es ist nun längst festgestellt, dass Columbus an jener See
schlacht unmöglich Theil genommen haben kann, da er sich
zur Zeit, als sie geschlagen wurde, in Spanien befand. 1 Auch von
dem Datum und den Einzelheiten des Kampfes abgesehen macht
die ganze Erzählung den Eindruck, dass sie von Columbus selbst
stammt und bei der Familie wie den Freunden einen guten
Eindruck machen sollte. Sie erinnert an Erzählungen, wie sie Na
poleon, besonders auf St. Helena, über seine corsische Heimat und
Vergangenheit vorzutragen nützlich fand und die nun von Herrn
Theodor Jung in ihrer Nichtigkeit urkundlich dargethan sind.
Immerhin bin ich mit D’Avezac 2 geneigt, ihr eine wahre
Begebenheit zu Grunde zu legen, wenn auch nicht gerade einen
anderen Seekampf zwischen Genuesen und Venetianern und
eben in dem Jahre 1476, das aus einem anderen Scheingrunde
für Columbus’ Auswanderung angenommen wurde.
Ich glaube hier zunächst an seinen ersten selbstständigen
Kriegsdienst unter König Rene erinnern zu sollen, der sich von
Piraterie nicht allzuweit unterschieden haben dürfte. Dann muss
man all der wilden und grausamen Handlungen eingedenk sein,
deren er sich als Admiral und als Regent Westindiens schuldig
gemacht hat. Einen wegen Widerspenstigkeit zum Tode durch
den Strang verurtheilten Spanier hat er auf Hayti, ungeduldig
über dessen Weigerung, sofort zu beichten, ,mit Thränen* in den
Augen doch ohne Weiteres von den Zinnen der Festung in die
Tiefe stürzen lassen.- 1 Es brechen nur zu oft Charakterzüge bei
ihm durch, die an die Gewöhnungen des Corsaren erinnern.
1 Am vollständigsten ist die Polemik gegen Columbus’ Theilnahme an
diesem Seekampfe, wie an anderen von Harrisse, Bull, geogr. 1874,
VIII, 503 f. geführt.
2 Bull, geogr. 1872, IV, 43 f.; 1873, VI, 485 f.
3 Diese von Las Casas entschuldigend (1. I, c. 170, t. LXIII, 433) berichtete
That macht Harrisse, Christ. Colomb II, 113 mit Recht geltend, um
das Verfahren Bobadilla’s gegen den Entdecker zu erklären.
Sitznngsber. d. phil.-hist. CI. CXII. Bd. II. Hft. 44
682
Bü d i ncrer.
Und ganz offen bezeichnet seine Lebensbeschreibung einen
angeblichen Verwandten Columbo den Jüngern, unter dem er
bei jenem Seekampfe gedient habe, als einen 1 berühmten Herrn,
den Grössten unter den Corsaren, die es in jenen Zeiten gab,
der eine grosse Flotte auf dem Meere gegen Ungläubige und
Venezianer und wohlbemerkt: gegen andere Feinde seines (ge
nuesischen) Volkes befehligte. 2
Gegen wen und in wessen scheinbaren oder wirklichen
Diensten er auch stehen mochte, man wird Columbus’ Erzählung,
dass er von seinem brennenden Schiffe während eines Kampfes
an der portugiesischen Küste an das Land geschwommen und
dort mittellos angekommen sei, für wahr halten dürfen. Nicht
zu beantworten ist aber noch, wie gesagt, die Frage, ob er
seinen Bruder Bartholomäus schon in Portugal und gar in Lissa
bon vorfand, also erst im Sommer 1480 dort anlangte. Geflissent
lich wird von Bartholomäus’ überlegener Gelehrsamkeit und
manueller Geschicklichkeit in der Lebensbeschreibung nicht
gesprochen.
Wie trotz alledem Columbus’ Ankunft in Portugal in einiges
Dunkel gehüllt bleibt, so noch mehr seine Entfernung aus diesem
Lande gegen Ende des Jahres 1484. Die Zeit scheint ziemlich
gesichert. In einem für uns undatirten, nun verlorenen Briefe,
den Las Casas in Händen hatte, schreibt er dem Königspaare
aus Hayti: ,Euere Hoheiten wissen ferner, dass ich sieben Jahre
an Ihrem Hofe ging und Sie hiemit belästigte 4 , 3 er meint mit
seinem Projecte, bis dies endlich gegen Ende des Jahres 1491
angenommen wurde. Etwas weniger zuverlässig, auch nur in
indirecter Form durch Las Casas erhalten, ist die Nachricht
des Tagebuches vom 9. August 1492, 1 dass, als Columbus im
1 Bei Ulloa sehr kurz und zahm (fol. 10 recto): corsale famoso; die
,Venecianos‘ zwischen ,Infieles‘ und ,otros enemigos 1 haben den Ueber-
setzer wohl in Venedig genirt.
2 — un famoso varon, el mayor de los corsarios que en aquellos tiempos
habia . . . trajese grande armada por la mar contra infieles y venecianos
y otros enemigos de su nacion. Las Casas 1.1, c. 4 (t. LXII, p. 51).
3 Ya saben Vuestras Altezas, que anduve siete annos en su corte, im-
portunandoles por esto. Der Brief gehört zu denen escritas du su misma
mano . . . que yo he tenido en mis manos. Las Casas 1. I, c. 33
(t. LXII, p. 250).
4 Navarrete I, 5.
Acten zu Columbus 1 Geschichte von 1473—1492
683
Jahre 1484 noch in Lissabon weilte, ein Mann aus Madeira
mit dem Projecte einer Westfahrt zum Könige von Portugal ge
kommen sei. Das Project ist durch ein an Ferdinand Domingo
do Arco aus Madeira am 30. Juni 1484 ertheiltes Patent be
kannt; ich möchte aber doch nicht mit Harrisse 1 schliessen, dass
Columbus an diesem Tage noch in Lissabon gewesen sein, dort
den Sommer verbracht haben müsse; er selbst behauptet ja nur
seine Anwesenheit, als das Project im Jahre 1484 an den König
gebracht wurde, und Niemand kann sagen, wie lange Zeit von
da bis zur Ausstellung des Patentes verfloss.
Wohin er sich in Spanien zunächst wendete, auf welchem
Wege er dahin gelangte, ist nicht mehr festzustellen. Es ist
aber noch nicht genügend 2 der Seeweg in Erwägung gezogen
worden. Nun sagte hei dem von Columbus’ Sohne Diego im
Jahre 1513 gegen die Krone angestrengten Processe der Arzt
Garcia Hernandez aus Palos als Augenzeuge: 3 Columbus sei
an dem Kloster La Rabida von Palos mit seinem hungrigen
Knaben nur vorübergekommen, um nach seiner eigenen Er
klärung zu einem in dem nahen Huelva wohnenden Schwager,
dem Gatten einer Schwester seiner Frau, Namens Muliar, zu
gelangen; es wäre denn doch ganz möglich, dass eben nach
Huelva der grosse Entdecker auf seiner Flucht aus Lissabon
zu Schiffe gelangte.
1 Christ. Colomb I, 342: Colomb etait donc eneore A Lisbonne pendant
l’Ate de 1484.
2 Munoz (I, 58) hat eine eigentümliche Version über die Geneigtheit
König Johanns II., auf Columbus’ Ideen, entgegen dem Ratlie seiner
wissenschaftlichen Commission, einzugehen; er habe nur Columbus’
Forderungen übermässig gefunden (vgl. unten S. 684, Anm. 3), und dann
insgeheim auf den Rath des Bischofs von Ceuta selbst nach Columbus’
Ideen ein Schiff nach Westen gesendet, das ohne Erfolg heimkehrte
(p. 54): desacreditando la empresa con burla y mofa. Hierauf habe
Columbus, empört über solche Schelmerei (superclieria), alle weiteren
Verhandlungen abgelehnt und sei, um nicht mit Gewalt ziu-üekgehalten
zu werden, Ende 1484 insgeheim abgereist (partiö secretamente). Graves
(aber ungenannte) autores dicen que se hizo A la vela del puerto de
Lisboa y convienen todos los mas en que pasö immediatemente a Espaiia.
Nennt etwa schon ein spanischer oder portugiesischer Schriftsteller den
Hafen von Huelva als Columbus’ ersten Landungsplatz in Spanien? Munoz
seihst nimmt irrig an, dass er sich zunächst nach Genua gewendet habe.
3 Navarrete III, 561.
44*
684
Büdi nger.
Auf seiner Flucht! Denn vor der portugiesischen Justiz
flüchtig, gelangte er nach Spanien. Man hat den im Archive
der Herzoge von Veragua erhaltenen 1 an Columbus gerichteten
Brief des Königs Johann II. von Portugal vom 20. März 1488
oft citirt, aber, so viel ich sehe, seiner grossen Bedeutung nach
niemals gewürdigt. 2 Vollends aus der formelhaften Ueberschrift:
,An Christoph Colon, unsern besondern Freund (noso especial
amigo) in Sevilla' hätte man bei dem bedenklichen Inhalte des
Schreibens lieber keine Schlüsse ziehen sollen. Der König dankt
zunächst ,vielmals' für einen ihm von Columbus geschriebenen
Brief und für den guten Willen und die Zuneigung, die er
nach demselben für des Königs Dienst an den Tag lege. ,Und
was euer Hieherkommen betrifft, sicherlich um des willen, was
Ihr geltend macht, wie aus anderen Rücksichten, damit Euer
Fleiss und Eure gute Begabung uns nützlich sein werde, so
wünschen wir es und es freut uns in vieler Hinsicht, 3 so dass
in dem, was Euch betrifft, man eine Form finden wird, mit der
Ihr zufrieden sein sollt. Und weil Ihr zufällig einige Gefahr
von unseren Gerichtspersonen haben würdet auf Grund einiger
Angelegenheiten, mit denen ihr verflochten seid, so sichern wir
Euch durch diesen unseren Brief für Ankunft, Aufenthalt und
Rückkehr, dass ihr nicht festgenommen, zurückgehalten, ange
klagt, vorgeladen, noch befragt werden sollet um gar keiner
Ursache willen, sei sie bürgerlicher oder crimineller Art von
1 Abgedruckt bei Navarrete II, 5sq. und neuerlich wieder nach dem Originale
in der Coleccion de documentos ineditos ... de America e Oceam'a
(Madrid, 1873), t. XIX, p. 459 sq. Ich folge diesem letzteren Text.
2 Harrisse I, 355: pour des raisons que nous ignorons, Colomb sollicite
de Joau II, la permission de se rendre en Portugal. L 1 autorisation lui
est accorde le 20 Mars 1488.
3 — e prazernos ha muito de visedes, porque em o que a vos toca se dara
tal forma, de que vos davaaes ser contente. (Welch 1 gewundene Zusage!)
E porque por Ventura teerees algum rezeo de nossas (so bei Navarrete,
nicht vossas) justizas por razaon dalgunas cousas a que sejaaes obligado,
Nos por essa nossa carta vos seguramos polla viuda, stada e tornada,
que nom sejaaes presso, retendo, acusado, citado, nem deman-
dado por nenhna (Navarrete: nenhuna) cousa, ora seja civil ora criminal
de qualquier cualidade. E por ella mesma (nur bei Navarrete — in der
Coleccion wegen des ähnlichen Anfanges des nächsten Satzes über
sprungen —: mandamos ä todas nostras justizas que 6 cumpran asi. E
por) tanto vos rogamos e encomendamos que vossa viuda seja logua etc.
Acten zu Columbus’ Geschichte von 1473—1492.
685
irgend welcher Beschaffenheit. Und mit demselben (Briefe)
befehlen wir allen unseren Gerichtspersonen, dass sie dies so
befolgen/ Endlich bittet er freundlich und beruhigend und
dankend um Columbus’ baldige Ankunft mit einer Dienst ver-
heissenden Schlusswendung. 1
Columbus kannte die ,anima republicae' ganz gut, welche
das geschrieben, mit so viel Blutvergiessen ihre unbedingte Ge
walt in Portugal festgestellt hatte: den auch von seinen Nächsten
gefürchteten König Johann II. Man kann auch nicht annehmen, 2
dass Columbus von der bedenklichen Einladung Gebrauch ge
macht habe, weil sich in dem gewinnsüchtigen Briefe des Her
zogs von Medina Celi vom 19. März 1493 3 der Passus findet,
dass Columbus, der zwei Jabre in dessen Hause weilte, aus
Portugal zu ihm gekommen und auf dem Wege nach Frank
reich gewesen sei. Das Eine wie das Andere wird der uns
nun hinlänglich bekannte Gast freilich gesagt haben.
Wegen welcher Vergehungen, die ihn mit portugiesischer
Civil- und Criminalgerichtsbarkeit in Conflict brachten, er das
Land verlassen hat, wissen wir nicht. Wie weit er etwa von
Neuem das gefährliche Handwerk wieder aufnahm, in welchem
wir ihn in König Rene’s Diensten fanden, wird sich durch glück
liche Forschung, namentlich in Bezug auf seinen angeblichen
Aufenthalt auf der Madeiragruppe und den Azoren vielleicht
noch feststellen lassen.
Sein Leben auf portugiesischem wie auf spanischem Boden
bis zu dem entscheidenden Vertrage mit der spanischen Krone
vom 17. April 1492 bietet auch sonst noch manche Schwierig
keiten, welche bei weiterm Eindringen in das erhaltene Material
sich doch als lösbar erweisen dürften.
1 E teeremos muito em servizo.
2 Harrisse, Christ. Colomb I, 353, ist dazu geneigt.
3 . . . que se venia de Portogal y se queria ir al Eey de Prancia. Navar-
rete II, 20.
686
Büdinger. Acten zu Columbus’ Geschichte von 1473—1492.
Inhalt.
1. Historie ... Seite 635—663
Früheres Ansehen 635.— Von Harrisse verworfen 636. — Gegen
kritik Fabie’s und Peragallo’s 637. — Vertheidigung durch D’Avezac
638 — 641. — Munoz’ Verdienst 639. — Einfügung der Briefe Tosca-
nelli’s 640. — Erklärung der Vorrede 641. — Uebergabe des Manu-
scriptes 642. — Luis Colön’s Sturz 643. — Sein Interesse an der
Publication 644. — Genua um 1571: 645. — Genuesisches Verbot litera
rischer Beschimpfung des Entdeckers 646. — Die Historie gelangen
nicht nach Spanien 647. — Las Casas’ Geschichtschreibung 648. —
Seine Beziehungen zu Luis Colön 649. — Ihr Zusammensein in Si-
mancas 650. — Las Casas im zeitweisen Besitze der Schrift 651. —
Er erkennt ihren polemischen Charakter 652. — Confiscation der
Columbusurkunden 653. — Verhiiltniss Venedigs und Genuas zur Publi
cation 654. — Falsche Angaben in den Historie 654—663. — Columbus
Unwahrhaftigkeit 655. — Verdeckung seiner Herkunft 656. — Sicherung
seiner Familie durch Genua 657. — Geheimhaltung seines Familien
gewerbes 658. — Die Historie ignoriren genuesische Geschicht
schreiber über Columbus 659. — Erdichtung vornehmer Verwandt
schaft 660. — Columbus’ Mitschuld 661. — Angebliche Studien in
Pavia 662. — Angeblich vierzehnjähriger Dienst in Portugal 663.
2. Dienst bei König Rene Seite 663—679
Herrschende Zweifel 663. — Geheime Fahrtänderung gegen das
Cap von Cartagina 664. — Breusing’s Einwände 665. — Irrthümer über
Ren5 und Columbus’ ersten Kriegsdienst 667. — Handelsverträge mit
Tunis 668. — Kein solcher mit Rene 670. -— Rene’s Verhiiltniss zu Genua
671. — Stellung Savona’s 672. — Columbus zuerst zur See 673. —
Sein Verhältniss zu Rene und als Kaperhauptmann 674. — Nationalität
der Galeazze Fernandina 675. — RemVs Kaperkrieg gegen Aragonien
676. — Zeitbestimmung von Columbus’ Fahrt 677. — Verträge zwischen
Tunis und Aragonien 678.
3. Ankunft in Portugal und Entfernung von dort . S. 679—685
Bartholomäus Colombo in Portugal 680. ■— Columbus aus ken
nendem Schifte an die dortige Küste 681. — Genuesische Corsaren 682.
— Zeit der Entfernung, wohl zur See 683. — Flucht vor der portu
giesischen Justiz 684.
XIV. SITZUNG VOM 2. JUNI 1886.
In der ausserordentlichen Wahlsitzung vom 26. Mai d. J.
machte Se. Excellenz der Präsident Mittheilung von dem am
23. und 24. Mai zu Berlin erfolgten Ablehen der beiden
Ehrenmitglieder Leopold v. Ranke, wirklicher Geheimrath
und Professor an der Berliner Universität, und Georg Waitz,
Vorsitzender der Centraldirection der Monumenta Germaniae,
worauf die Mitglieder zum Zeichen des Beileides von ihren
Sitzen sich erhoben.
Die Weisthümer- Commission legt den soeben im Druck
vollendeten siebenten Band der Oesterreichischen Weisthümer,
enthaltend die Banntaidinge aus Niederösterreich, Viertel unter
dem Wiener Walde, in der Bearbeitung von Herrn Gustav
Winter vor.
Von Herrn W. Bernhard Münz in Graz wird eine Ab
handlung: ,Protagoras und kein Ende' mit dem Ersuchen um
ihre Veröffentlichung in den Sitzungsberichten eingesendet.
Die Abhandlung wird einer Commission zur Begutachtung
überwiesen.
Das w. M. Wilhelm v. Hartei überreicht für die Sitzungs
berichte das 3. Heft der von ihm nach den Aufzeichnungen von
Dr. G. Loewe herausgegebenen und bearbeiteten ,Bibliotheca
patrum latinorum Hispaniensis. III. Madrid, Toletaner Hand
schriften der Biblioteca nacional.'
688
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Geschichts- und Alterthums-Vereiu zu Leisnig: Mittheilungen. 7. Heft.
Leisnig, 1886; 8°.
Gesellschaft, historische und antiquarische zu Basel: Beiträge zur vater
ländischen Geschichte. N. F. Band II, Heft 2. Basel, 1886; 8".
— künigl. böhmische der Wissenschaften: Jahresberichte von 1882—1886.
Prag; 8».
— Sitzungsberichte. Jahrgänge 1882—1884. Prag; 8".
— Abhandlungen. VI. Folge, 12. Band. Prag, 1885; gr. 4“.
— Geschichte sammt einer kritischen Uebersiclit ihrer Publicationen aus
dem Bereiche der Philosophie, Geschichte und Philologie. 1. und 2. Heft.
Prag, 1884—1885; 8®.
— Verzeichniss der Mitglieder von 1784—1884. Prag, 1884; 8°.
— Generalregister zu den Schriften von 1784—1884. Prag, 1884; 8°.
— Eegesta diplomatica nec non epistolaria Bolxemiae et Moraviae. Pars III.
Annorum 1311—1333. Opera Joseplii Emler. Vol. 1 — 5. Pragae, 1884
bis 1885; 4°. — Pars IV. Annorum 1333—1346. Opera Josephi Emler.
Vol. 1. Pragae, 1885; 4°.
— deutsche morgenländische: Zeitschrift. XL. Band, 1. Heft. Leipzig,
18S6; 8».
Hormuzaki, Eudox. de: Documente privitdre la Istoria Romänilor. Suple-
ment I, vol. I. 1518—1780. Bucuresci, 1886; gr. 4".
Institut de France, Academie des Inscriptions et Belles-Lettres: Memoires
presentes par divers savants. l re serie, tome IX. Paris, 1884; 8 U .
— Memoires. Tome XXXI, I'*' et 2° parties. Paris, 1884; 4°.
— Notices et Extraits des manuscrits de la Bibliothjque nationale et autres
bibliotheques. Tome XXVII (l re partie), l r “ fascicule. Paris, 1885; 4°.
Tome XXXI, 1™ et 2 e parties. Paris, 1884; 4°.
— Inscriptions sanscrites du Cambodge. Planches. Paris, 1885; Folio.
— Corpus Inscriptionum semiticarum. Pars I, tomus I. Fasciculus Hl.Parisiis,
1885. Tabulae ad Fasciculum Hl. Parisiis, 1885; Folio.
Johns Hopkins University: Studies in historieal and political Science.
4 th series. V. An introduction to the study of the constitutional and
political history of the States. Baltimore, 1886; 8 9 .
Karpathen-Verein, ungarischer: Jahrbuch. XIH. Jahrgang 1886. Iglo,
1886; 8°.
Societä romana di Storia patria: Archivio. Vol. I—VI. Roma, 1877 bis
1883; 8°.
Ungarische Revue. 1886. VI. Jahrgang, 5. und 6. Heft. Budapest; 8°.
Verein von Alterthumsfreunden im Rheinlande: Jahrbücher. Heft LXXXI.
Bonn, 1886; 8».
v. Hartei. Bibliotheca patrum latinorum Hispaniensis.
689
Bibliotheca patrum latinorum Hispaniensis.
Nach den Aufzeichnungen Di’. Gustav Loewe’s herausgegeben
und bearbeitet
von
Wilhelm von Hartei,
wirkl. Mitgliede der kaiserl. Akademie der Wissenschaften.
III.
Nationalbibliothek in Madrid
I. Handschriften aus Toledo.
Die Nationalbibliothek, durch Philipp V. als königliche
Bibliothek begründet, wurde durch mehrfache Ankäufe und
Uebertragungen erweitert. Eine der grössten Erweiterungen
erfuhr sie durch die Uebertragung der Toletaner Capitularbiblio-
thck, von der, als sie nach Toledo zurückgestellt wurde, immer
noch ein erheblicher Rest von Büchern zurückblieb. Hier sind
dieselben mit ihren Toletaner Nummern nach Cajones (Schub
laden) bezeichnet. Ein Verzeichniss dieser, welches den Titel
,Lista de los codd. de la libreria del Cabildo de la Catedral de
Toledo, que se conservan en la biblioteca Nacionak führt, excer-
pirte Loewe, und darnach dürfte er bei seinen Beschreibungen
kaum eine Handschrift von Belang übergangen haben.
2, 1
20 m. trip. pag. 375 foll. s. VIII in westg. Schrift. 1
Der Codex enthält die lateinische Bibelübersetzung des Hiero
nymus mit den Prolegomenen desselben. Auf dem Vorsetzblatt steht ein
1 Die Exempla scr. Vis. bieten tab. IX eine Probe; andere Terreros
(Paleografia espanola) tab. 15, 1 und Merino (Eseuela paleographica)
tab. 5, 2 und 3 und darnach Arndt, tab. 8 c.
690
v. Hartei.
wie gedruckt geschriebener Index s. XVIII, der die einzelnen Schriften
mit den Folien des Codex verzeichnet und als zu beachten bemerkt,
dass auf den Colosserbrief der sog. ad Laodicenses folgt und
dass der Prophet Baruch fehlt. Hie und da finden sich arabische
Noten, Zeichnungen, wie f. 278 r ein bunt ausgeführtes maurisches
Doppelportal mit Lucas und Johannes, an dem Rande der Evan
gelien Zahlen, welche eine Concordanz der verschiedenen Evangelien
bilden, nach dem Ende der Evangelien und vor den Paulusbnefen
ein Gedicht £ 321 T Iam dudum 2 saulus procerxum (e eras.) pre-
cepta secutus — monstrare triumfos | (r. Maj.) finiunt uersi pape
damasi epcpi.
Der Hieronymustext beginnt abrupt £ l r a in der Genesis
multiplicamini — £ 375 v b (Apocalypse) qui uult accipiat aquam
uite gratis, am. deo gratias explct.
Dann folgt in Majuskeln, nach Zeilen abwechselnd roth und
schwarz, Folgendes, von dem J. Baptista Perez auf dem Naclisetz-
blatt eine Transcription gegeben hat, welche sich im Cod. Matrit.
D d 80 s. XVIII von Burriel’s (?) Hand wiederholt findet (vgl. Ewald,
Reiseber. S. 297): in nme dni saluatoris | Sri iliu xpi auctor |
possessorque huius libri | in quo uetus nouumque | ome sacrü
testamentum j ///////// (die Transcriptoren lasen continetur) ser-
uandus | diue memorie fuit | Qui enim uero natus j eruditusque
in beata | spalensis sede postea | catedram bastigitanc (forsitan
hastigitane D d 80 in mg.) | meruit tenere | A quo inclito uiro
con|cessus est bic codex | iobanni sodali intimoque | suo qui
etiam postea|quam in banc eximiorem | sedem spalensis nutri-
tus | et a patrono suo beate | memorie Stefano sapien|tissimo
loculentissimoque | /////////esis (cordouensis vermuihet der Tran-
scriptor, . . . onensis und am Rande asidonensis D d 80) aepso
eruditus [ ac Hl HIHI (sacerdotii die Transcr.) ordine dedi|catus
ad cartaginem | sedem missus est aepscs | et item inde trans-
latus | cordube magne regieque | sedis presul electus | Ex qua
sede egregie j incolomis corpore | ac mente decreuit | hunc codi-
cem. compte perfectum l dno deo | offerre in supra fata | spalensis
sede penes [ memoriam sce semperque \ uirginis marie | £ 375 v c
decimo klds ianuarias | era millesima XXVI a ( — a. 988) | cum
tali dicione ut nullus | clericorum (clam . . . D d 80) audeat |
2 Damasi carmen (13, 379 M.).
Bibliotheca patrum latinorum Hispaniensis.
691
liunc codicem auferre | aut mutare ab dac (so für hac? aut a
D d 80) | supra fata sede et | siquis quod absit | fecerit sit a
deo et | angelis suis scisque | omnibus condemnatus. Auf
diese Subscriptio folgt eine arabische, von welcher drei Lesungen
beiliegen; die aus dem vorigen Jahrhundert lautet: Scripsit apud
metropolitanam sedem sancte mariae Balioli, quam deus seruet
Syluatus Arcbiepiscopus minimus. Iohanes dicauit in honorem
sancte Marie apud Hispalim quam deus seruet. Ex dono Sylvati
Arcbiepiscopi Astigitani, die aus diesem Jahrhundert: Fue vin-
culada en la sede de Santa Maria en Sevilla, guardela Dios,
y ello ciertamente por Salvatus (este nombre es analogo e iden-
tico al de Seruandus) et metropolitano minimo. Ueber dem dritten
Abschnitt der Subscriptio auf der dritten Columne ist von einer
Hand s. XV der Irrthum begangen, die Handschrift in die Zeit
der Subscriptio (d. i. das Jahr 988 n. Chr.) zu setzen, was eine
Hand .?. XVIII berichtigt.
5, 36
40 min. m. non. num. foll. (194). s. X in westg. Schrift.
Die Quaternionenbezeichnung geht von f. 8 T qi bis q xx, worauf
noch 14 Blätter folgen! f. I 1 ' von Bibliothekarshand ein Index, f. l v
(r. und schic. Mag.) incipit epstla (auf Ras.) domni iohannis
constantinopolitani epsci ad teudorum de reparatione lapsi///
(i ex us?). | Quis 2 dauit capiti meo aquam — f. 83 v alia ultra
medicamenta non queres, explicit feliciter. | (r. und schic. Maj.)
incipit opuscula sei euceri lucdunensis epsci. de monacis pfectis. |
Iam 3 dudum animis nris insedit dilectissimi fres monacon sin.
gularis uite propositum declarare — f. 92 r et corde. et me me-
minisse dignemini. explicit. f. 92 v (r. Maj.) incipit exortatio
sei pauli epsci. egyptiaci ad monacos qui interrogaberunt eum
de scribturis scis. | Scribtiu-a 1 inquit diuina regalis est uia per
quam — f. 113 v ad scm tabernaculum non erit abta. | (r. und
schw. Maj.) incipiunt sententic sei euagri ad frs. | Heredes 5 dei
audite uerbum di. Quo heredes — f. 123 v humilis anima in tem-
1 Die Handschrift hat aber nicht 174, sondern 194 Blätter. Worin der
Irrthum liegt, ergeben Loewe’s Aufzeichnungen nicht. — 2 loh. Chry-
sost. paraenesis ad Theodorum lapsum 1. I (47, 277 patr. gr. M.). —
3 Findet sich nicht 50, 865 M., ohne Autor im Tolet. 10, 25 f. 238 r .- —
692
v. Hartei.
pore orationis. am. | (r. Maj.) ex libro beati prosperi qualiter car-
nem et uinum uti f. 124 v debeat monacus. | Ilic 11 dicit si in xpo
esse nolumus — f. 131 v scis uirtutibus floreamus. am | (r. Maj.)
incipiunt bomelias beati iobanni os aureum. | Ue mundo 7 ab scan-
dalis — uenit. Uidetur quidem specialiter designare - f. 137 r
ad seruitutem dni boc est imperatoris tui. cui est gla in scla
sclo4. am. f. 137 T (r. Maj.) beatus iberonimus pslm cxvm. |
m in
Veniamus 8 ad pslm% qui post cxvm pslm lectus est —. f. 154»'
zu Ps. 127 (r.) beati omnes qui timent dnm. | Qui timent dnm
quod babent premium —. f. 164■' zu, Ps. 128 Sepe expugna-
uerunt —. Duo dicuntur et sepe expugnauerunt —. f. 167 v zu
Ps. 131 Memento — eius. Multi putant ex eo quod —. f. 170 v
zu Ps. 132 Ecce — unum. Duo dicit bonum et iucundum —.
f. 178 v zu Ps. 133 Eue — dni. Extrem' pslms cantici —. f. 185 r
zu Ps. 133 Confitemini — bonus. Tametsi beretici dicunt —.
f. 188 v zu Ps. 136 Sup — syon. Si non aliquis egrotat —. f. 191'
cui est gla in scla scbw ani Explicit p cxxxvi. f. 192 1 ' (ohne
Veher Schrift) confiteor IJ tibi dne in toto corde — f. 192 v cor eor^
in manu dei est. f. 193 r (beginnt abrupt?) tulit xps ut pdat
bomo res suas — f. 194 v (schliesst abrupt) que capere non pos-
sunt et dicite.
6, 8
80 altior. m. non. nuin. toll. ts. XI (uel XIII?).
Die Handschrift enthält Cantica canticorum et lamentationes
Ieremie mit reichhaltigem Commentar und Scholien. Am Ende
steht von einer Hand s. XIII ein spanisches Gedicht: Ds criador
quäl marauila. no se quäl es acbesta strela. agora primas la
eue | ida. poco timpo a/ que es nacida. Nacido es el criador!
que es de la gentes (sic) Senior, non es uerdad. n se que digo —
porque la no auemos usada. ni en nostras uocas es falada.
9, 24
20 min. m. non. num. foll. s. XIV.
Die mit interessanten Initialen ausgestattete Handschrift ent
hält Bernardus de consideracione Status ecclesiastici ad Eugenium
papam. f. 2 V (r.) Incipiunt trattatus Bernardi clareuallis ad
6 Prosper de vita contempl. II, c. 21—2t. — 7 ? — 8 Hier. VII, 345—362.
— 9 Commentar zu einem Ps.?
Bibliotheca patrnm latinornm Hispaniensis.
693
Eugenium de consideracione lib p’. Subit 1 animum — et inueni-
tur facilius. (£ Proinde is sit finis libri. sed non finis querendi.
(Cexplicit über de consideratione (das 5.). Auf dem zweiten Schmutz
blatt die Federprobe: si legens credatis bto bernardo sicut ex-
pedit cum effectu .; Senor regetis eccliam dei faciente domino
sicut tenem’ cum proffectu. f. 2 r enthält ein Cardinaiswappen
(grüner Balken auf goldenem Felde) und ein anderes (Halbmond
auf rothem Felde).
10, 25
20 m. liip. pag. 263 foll. a. 902 in westg. Schrift. 1
Der Codex hat viele interessante Initialen. Die Quaternionen
sind bisweilen durch Ausschreiben einiger Worte des nächsten auf
dem unteren Rande des vorausgehenden Blattes bezeichnet. Das
erste Zeichen steht f. 7 V , also fehlt ein Blatt der Handschrift. Die
letzte Seite f. 263 7 füllt ein Labyrinth: tuasamundi 2 abti und
f. 263 r b steht die Subscriptio: Explicit über in era dccccxl
(= a. 902) regnante domno | adefonsum princeps armentarius
indignus | et graue onus peccatorum depressus scripsit [ üora pro
me sic inueniad (sic) requiem anime tue. am. Mitten in der Hand
schrift f. 147 T findet sich auf dem unteren Rande eine Schenknotiz
von einer westg. Hand s. IX ex.: Hunc librum dedit domnus
pe//////// (etwa 7 Buchstaben ausradirt) ti deo et eccla (sic) sancte
marie sedis toletane pro redemtione anime sue et omnium paren-
torum suorum. in tali uero. ratione ut nullus nec episcopus nec
clericus uel etiam laicus eundem librum ab eadem eccla auferat
sed semper ibi maneat. Auf dem vorderen Deckel steht von
Bibliothekarshand: Estk aqui la Vida de S. Fructuoso y otras
cosas, que escribio S. Yalerio Abad de Montes en el Vierzo
(das Folgende ausgestrichen) Copiolas Di 1 Juan Baut a . Perez en
el tomo 1. de su Colecciön que estk en esta übreria = Ay dos
copias: vease el nuevo indice de Libros del ano 1727.
f. l r (r.Maj.) epitameron de libri ///'ius (hu? verwischt) exordio
(Rest abgefallen) | Sacratissimo ///////// | Excellentissimis ////////1
Rutilans HIHIHI | Universo HUIIlll ( lm Ganzen 18 zur Hälfte
unleserliche Zeilen, welche ein Akrostichon [seruis dei aegregiis]
1 182, 727 M.
1 Die Exempla Bcr. Vis. bieten tab. XIX eine Probe. — 2 Ueber Trasa-
mnndns abbas vgl. die Bemerkung zu t.ab. XIX der Exempla.
694
v. ITartel.
und Telestichon [i mds] bilden), (r. und schw. Maj.) in ne dni
incipit prefatio | uitas patrum orientalium | die dritte Zeile der
Ueberschrift ist nicht lesbar. | Beneclictus 3 dns qui uult oins — f. 2 v a
patientie palmam requirant. | (von anderer Hand) explieit prepliatio
orani prbi. | (r. Maj.) incipit nita iohannis. | Primnm 4 igitur
tarn quam uere fundamentum — f. 12 v a atqne ita perrexit in
pace ad dm cni est gla in scla sclo*t amen. | (r. Maj.) uita sei
pauli thebei. | Inter 5 multos sepe dubitatum est a quo — f. 17 r b
qnam regum purpuras. | (r. Maj.) incipit epistola euacri prsbri. |
Euacrius 6 innocentio kmo filio in dno salutem. Ex alia in aliam
linguam uerbum expressa — sententia. | (r. Maj.) incipit trans-
latio eiusdem de greco in latinum de uita sei antonii monaci.
incipit über sei atanasi episcopi de uita sei antoni. | Episcopus
atanasius ad peregrinos monacos. optimu 7 ffs" inistis certamen
— f. 27 v b nominis uiro. | (r. Maj.) incipit uita sei antoni mneih
(sic). | Igitur beatus antonius — f. 48 r b recessit esclo et uibet
cum do in scla sclo*t am. | (r. und gr. Maj.) incipit prefatio
iheronimi prferi de uita sei ilarionis monaebi. | Scripturus 8 uitam
beati ilarionis — f. 63 v a illum dilexerat in xpo ihu cui est
bonor et gla in scla sclo*. | (r. und gr. Maj.) incipit uita sei
germani episcopi. 0 j Domno beatissimo et mihi apostüco hono
rem uenerabilem censurio pape constantius peccator :' Ne mici
prima cura est —. f. 64 r a (r. und gr. Maj.) incipit eiusdem alius de
uita sei germani epspi. 10 | Merito inter omnes uirtutes obedientie
uindicat principatum — mereatur. | (r. und gr. Maj.) item pre-
uatio eiusdem. | Plerique 11 adscribendum sollicitante materia —
f. 80 T b fuisse quem minimum. | (r.) Explieit uita sei germani
aepi. | scs germanus —• consequantur. | (r. und gr. Maj.) incipit
uita santi ambrosi. | Hortus 12 (sic) uenerabilis pater agustine ut
sicuti uiri — audierit ambrosium eiusque consortium. Finit. | f. 96 r
(nicht icestg., sondern von einer Hand s. XII) auditi sunt inter
quos etiam sce memorie agustinus 13 fuit qui p' ceteris — et nobi-
3 Vita S. Bathildis 87, 667 M. — 4 Kufini hist. mon. 21, 391 M. — 5 Hier,
uita S. Pauli II, 1. — 6 Euagrii ad Iunocentiura prologus 73, 125 M.
— 7 Athanasii uita S. Antonii ex graeco transl. 73, 125 M. — 8 Hier,
uita S. Hil. II, 13 = 23, 29 M. — 9 Constantii epist. ad S. Censurium
Autiss. ep. (Act. SS. 31. Mai, p. 201). — 10 Constantii epist. ad S. Pa-
tientem Lugd. ep. (Act. SS. 1. c. p. 200). — 11 Vita S. Germani auct.
Constantio presb. (Act. SS. 31. Mai, p. 201). — 12 Vita Ambrosii auctore
Paulino (Ambros, opp. app. p. 1). — 13 Possidii uita S. Aug. (Aug. opp. I).
Bibliotlieca patrum latinorum Hispaniensis.
695
libus uiris apud cartaginem ab illo prouocatus coram f. 96 T
(ivieder alte Schrift) contulit sed idem bereticus tabulas — fide-
liter intimabit 14 f. 97 r disciplinis inbutus quas liberales uocant
— £ 124 r a cum eodem fruar. am. | (r. und gr. Mag.) explicit
über sei possdi (sic) epi de uita sei agustini. incipit indiculum
libri sei agustini epi. | Contra 15 paganos de hacademicis 1b m.
d ordine rerum — f. 129 r a (r. Mag.) tractatus diuersi —. Der
Index schliesst f. 1.32 r b d cura promortuis agenda ad dulciü
lib ■ i • d continentia unus (dazu am. Rande: fiunt sub uno
DCCCCLXXV).
f. 132 T a (r. und gr. Mag.) item de signorum ostensione
atque uanitatis subreptione monacorum. [ Quidam 16 ergo scs fu-
gandorum de corporibus —. | f. 133 v a (r. Mag.) de continentia
et patientia. | In quodam 17 cenobio egypti duos ego iobannes
uidi —. f. 135 v b (r. und gr. Mag.) incipit epstla orani prsbri
ad pacatum de uita sei paulini epi —. | Litteris 13 nobilitatis tue
iterata uice sollicitor —. Auf der nächsten Columne befindet sich
ohne Blattausfall die Rubrica: vim Igitur scs paulinus eps bur-
degala | oppido galliarum oriundus fuit — (f. 137 T b hat zwischen
continuo nauigari dispono und Benedictus dns qui uult omnes,
? 7
wo kein Abschnitt, eine Bibliothekarshand eingeschoben: Vesde
7
aqui empieza el Prologo y Libro de S. Geronimo de las vidas
de los Padres) — f. 139 r b palmam requirant | (r. Mag.) incipit
Xa
uita sei or. Vidimus 19 et alium aput tebaldam —. Dann folgen
kurze Stücke stets mit rothen TJeb er Schriften : w de sco ammone
beno 21 , f. 141 r b oxirinco, 22 f. 141 T b tbeon^, 23 f. 142 r b appollonio.
Vidimus 21 et alium sem uirum nne appollonio —, f. 149 v b amone.
Quij audibimus 25 de sco amone quidam uiro cuius —, f. 151 T a
coprete. Erat 20 quidam prstJtr in ipso ei’emo —, f. 155 r b siro.
Addebat 27 adliuc etiam hoc —, f. 156 r b eleno. Fuit 28 alius
uir scs elenus nne bic a puero —, f. 157 T b elia. Vidimus 29 et
alium senem uenerabilem nne —, f. 158 T a apelle. Vidimus 30 et
14 Unter dieser Columne bemerkt eine Bibliothekarshand uide alterum
codicem. — 15 Aug. I, 905. — 16 Vit. patr. IV, 13 (73, 824 M.). — 17 Ib. ?
— 18 Uranii ep. 53, 859 M. — 19 Bufini hist. mon. c. 2 (21, 405 M.). —
20 Loewe hat dieselben nur abgekürzt in obiger Form mitgetlieilt. —
21 Bufini hist. mon. c. 4. — 22 Ib. c. 5. — 23 Ib. c. 6. — 2J Ib. c. 7.
25 Ib. c. 8. — 26 Ib. c. 9. — 27 Ib. c. 10. — 28 Ib. c. 11. — 29 Ib. c. 12.
— 39 Ib. c. 15.
696
v. Hartei.
alium prsbrm —, f. 159 T b pafnutio. Vidimus 31 et monasterium
sei pafnutii —, f. 162 r a de ysidori monasterii. Vidimus 32 apud
tebaydaru etiam ysidori —, f. 162 v a serapione, 33 f. 162'b
apollonio/ 11 f. 163 v b dioscoro, 35 f. 164 r b de nitre raonasteriis, 30
f. 169 v b de sco paulo. Fuit quidam 37 —, f. 172 T a uita sei
malci. Qui 38 nauali—, f. 176 r a uita sei frontoni. Aedificationis
use memor — f. 17S T b dno nso ihu xpo (das Folgende auf
Rasur) filio di patris per spm sem cui est gla uirtus et potestas
in scla sclo«.
(r. und gr. Mag.) incipit uel memoratio mirabiliorum que
ds pro boni obsequii famulatum scissimi fructuosi epi ad corro-
borandam fidem credentium statuit ad salutem. | Postquam 39 anti-
quas mundi tenebras —. f. 185 v a (Maj.)incipit bepla beati ioannis
constantinopollitani epi ad teodorum monachum de reparatione
lapsi. | Quis dabit )0 capiti mo aquam et lioculis mis — f. 211 v a
alia ultra medicamenta non queres. | (Maj.) incipit uita sce
pelagie ceterum (sic) que secu to ( ta 'm. 2). 41 | Magnas dno gratias
referre debemus —. f. 216 v b (Maj.) incipit uita sei simeonis
scripta ab eius discipulum nomine antonio die im klds ags. 42 1
Sei (sic) igitur recordationis beatus simeon —■. f. 220 v a (Maj.) in
cipit de monackorum penitentia recuperationis p' ruina. | Frater 13
quidam inpugnabatur a/// fornicatione —■. f. 221 r b item alia —. |
f. 222 v a (r. Maj.) de exultatione diaboli — (zwischen f. 222 und
f. 223 ist ein Blatt ausgeschnitten), f. 123 r a item epsla beatissime
egeri^ laude conscripta. J4 Queso et (sic) intento corde —. |
f. 225 r b dicta beati ualeri ad beatum donadeum scripta.' 3 Et
ut de his duabus —. f. 226 r a de bonello monaco. Haec igitur 10
tue —. f. 227 T b de celeste rebelatione. Dum bolim 47 sce me-
mori^ —. f. 228 v a d monacborum penitentia recuperationis post
ruinam. 48 Duos frs inpugnati a fornicationis —. f. 228 v b in
cipit doctrina mandatorum duodecim sei atanasii epci ad an-
tyscum. Dux 10 aliquis nne . f. 234'b hinc sequitur uita
31 Ib. c. 16. — 32 Ib. c. 17. — 33 Ib. c. 18. — 34 Ib. c. 19. — 35 Ib. c. 20.
— 30 Ib. c. 21. — 37 Ib. c. 31. — 33 Hieronymi uita Malchi II, 41. —
39 Valerii abb. uita S. Fructuosi 87, 459 M. — 10 Ep. Iohannis paraen.
ad Theodorum lapsum 1. I (47, 277 patr. gr. M.). — 41 Vita S. Pelagiae
73, 663 M. — 42 Vgl. 73, 325 M., doch der Anfang stimmt nicht. —
43 Vitae patr. 1. V, 5, 38 (73, 884 M.). — 44 Valerii abb. ep. 87, 421 M.
_ 45 ? _ <0 i _ 47 ? _ 43 vitae patr. V, 5, 34 (73, 882 M.). — 49 ?
Bibliotheca patrura latinorum Hispaniensis,
697
ipsius antioci (ci ex us) abbatis. Haec 50 igitur audiens —.
f. 238 r b de monacbis perfectis. Iam dudum 51 —. f. 241 v a
epla beati iheronimi ad clericos. 52 Kmi atque dlmi sacerdotes
quos semper —. | f. 242 r a item de tbebeorum diuersas ordines
(sic) monachorum. binc de anacoritas. Egresus 63 igitur de ala-
xandria —. f. 244 r b incipit de heremitis. | Habitant 54 pleri-
que —. f. 245 r a item de fratrum perfecta obedientia atque
seniorum dura mandata. | Ego 55 autem a synaa —. f. 246 v b
(r.) epitameron i4 ' s ( i4s m. 2) consumationis libri uius XLVnil.
Pro edificatione morum atque pro correctione animarum. | Dies
die — delicias. Diese Zeilen (nicht Verse) ergeben als Akrostichon
patri donadeob, als Telestichon miser ualerius. f. 247 r a (r.Maj.)
hinc sequitur nuperrima editio de uana scli sapientia. | Queso 56
ut non falera/// (a in ras. 3 litt.) ornamentorum — f. 250 v b sanitas
crescit do gratias semper. | (Maj.) item ualeri narrationes superius
memorato patri nro donadeo ordo querimonie prefatio discriminis. |
Dum 57 olim ego indignissimus —. f. 256 T a item replicatio ser-
monum a prima conuersione. Prime 58 conuersionis ordinem —.
f. 262 r a it quod de super ioribus querimoniis residuum sequitur.
Dum 59 bolim iuxta quod — f. 262‘b opus singulis retribuat: d
Finit.
11, 1 und 2
20 max. in. bip. pag. a. 1502.
Ist die Copie einer Baseler Ausgabe der Werke des Ambro
sius, vde f. l r in einer Ueberschrift angegeben ivird; sie ist mit
schönen, reichen Initialen in Gold und bunten Farben geziert und
trägt ein Bild im Anfang. Häufig ist das Wappen des Besitzers
angebracht. Die Subscriptio lautet: Hic über tercius et ultimus
libri nuncupati Exameron seu opera beati Ambrosii scribi fecit
Reuerendus Dominus Guichardus de pauie als de Rouedis doctor
in decret Infirmarius insignis monasterii attanaten lugd’ Prior-
que commendatarius prioratuum motis troterii et bellegarde lugd’
diocez. Per me henricum de belloorto scribam oriundum na-
tumque de ciuitate ambianen nunc babitatorem varambonis in
brescia in quo loco predicti libri scripti et perfecti fuerunt
50 Vita Antiochi? — 51 Vgl. Toi. 5, 36, f. 83. — 52 Hier. ep. ? — 53 ?
54 Vitae patr. IV, 8 (73, 821 M.). — 55 Ib. IV, 10 med. — 56 ? — r ’ 7 ?
58 2 59 ?
Sitznngsber. d. pbil.-liist. CI. CXII. Bd. II. Hft. -15
698
v. Hartei.
sub anno salutifero domini millesimo quingentesimo secundo et
die ultima mensis octobris. Que tria Volumina insimul exameron
sic nuncupata opus salutifemm a principio et per omnia aper-
tissime declarant sacra scriptnram. Hoc ideo vos legentes precor
si placet oretis deum pro anima predicti reuerendi domini
patris matris fratris sororum et omnium parentum amicorum et
benefactorum suorum. Pater nr. Ave Maria. Explicit deo gracias.
11, 3
20 max. bip. pag. non nnm. foll. 510 a. 945 in westg. Schrift.
Der Codex hat prachtvolle Miniaturen; Vor- und Naclisetz-
blätter stammen aus einem grossen Missale s. XIV. Auf der un
beschriebenen ersten Seite stehen ausser anderen Federproben eine
arabische Note, auf f. 2 r eine grosse Miniatur mit der Beischrift:
duo cerubin sex ale uni et sex ale alteri. duabus uelabant
faciem eius et duabus uelabant pedes eius et in duabus uela
bant et clamabant alter et alterum dicentes scs scs s, f. 2 T die
Figur mit Beischrift : emanuel noster nobiscum deus f. 3 r
füllt ein Labyrinth: fi.orentivm inöignvm memorare, f. B v das
Bild eines Pfaues; f. 4 r ist leer.
Die Ueberschriften der folgenden Texte sind in bunten Streifen
in Maj. roth auf grün, grün auf roth u. s. io. f. 4 r a prologus
beati iheronimi in libro sei iob incipit. | Si aut 1 fiscillam —
negotio. f. 4 v b explicit prologus. | in nme dni incipit prologus
in libro beatissimi quoq' iob. ] Cogor 2 per singulos — f. 5 r b mali-
uolum probet, (r. Maj.) finit prologus incipiunt capitula | i de
iob et de possessione (28 Capp.) — f. 5 T a bona restituuntur.
(r. Maj.) expliciunt capitula. | (bunte Maj.) incipit historia libri
beati iob. | Vir erat in terra — f. 14 r a mortuus est senes et plenus
dierum. (r.) expl lb. Beati lob. (b. Maj.) scissimo ac uenera-
bili dno meo eugeni epo otoletane (sic) urbis taius ultimus seruus
seruo« dei cesaragustanus eps. 3 | Congrua satis ualdeque neces-
saria — uale mi uenerabilis ac scissime diie amen. | Cindas-
uindus gotorum rex in toletanam urbem sinodale decretum
xxsa episcoporum cum omni clero mirifice anno regni sui quinto
indicit celebrandum. hic taionem cesaragustanum episcopum
! Hier. praf. in lob X, 47. — - Ib. IX, 1097. — 3 Tai. ep. (80, 723 M. —
Eu^enii Toi. ep. 87, 413 M.).
Bibliotheca patrnm latinorum Hispaniensis.
699
— f. 15 T b dcspicabatur ut ignabus uale. (r. Maj.) hic est ordo
librorum sei gregorii pape romensis in expositione iob edidit
in primis libros moralium triginta quinque diuisos partibus atque
codicibus VI:
pars prima lb V pars quarta lb VI
\ secunda ^ V \ quinta \ V
l tertia \ VI ) sexta \ VIII
f. 16 r (b. Maj.) sequuntur hos Codices bomelic in euangeliis
xa dialogorum libri im pastoralis lib unus homelie in ezeciele
duabus diuise partibus uiginti due pars prima homelie duo-
decim, pars secunda homelie decem. hec sunt prefati uiri opera
luculenta hordine precedenti conscribta ul edita., (E Placuit ut
ea qu<t beatus ysidorus spalensis (jede eps. in libi'is uiro« in-
lustrium. ul de laudibus ipsius inseruit. nos in hoc uolumen
ampliemus. | Gregorius 4 pape romane sedis apostolice — f. 16 r b
in ipso exordio focati romani principis. | (b. Maj.) in ne dni
incipit epistola pape gregorii romensis directa ad leandrum
epm hispalensem. | f. 16'a (nach der Adresse) dudum 5 te fff
beatissime in constantinopolitana — f. 18 r b ex utraque fultiatur. |
(r. u. schw. Maj.) prefatio sei gregorii papae in explanatione libri
beati iob moralia. | Inter 0 multos sepe queritur — f. 22 r a ut
ualeamus mentem postmodum de allegoriarum fructu satiare. |
(Maj.) explicit prefatio | (r. Maj.) incipit expositione iob über
primus. Vir 7 erat in terra hus nomine iob | idcirco scs uir —
f. 508 r b (Schhiss des 35. B.) si quum ( p me uerba accipit pro
me lacrimas reddit. amen. | (r. u. seine. Maj.) explicit über
moralium gregorii romensis pape era | dcccc Lxxxina. tu ids
apls vi fa pasce hora prima, deo gratias., regnante rex rane-
miro et comite fredenando. nec non et basilio epsepo. Bcnedico
celi quoque regem me qui ad istius Libri finem uenire jimisit
incolomem., am', f. 508 T und 509 r sind leer. f. 509 v (in ab
wechselnd rothen und schwarzen Zeilen in Majuskel eine ganze Seite
füllend, bunt eingerahmt) suffragante tonanti inquam alti cle-
mentia | perfeetum est hoc opus ui uls apls currente era cen-
tena | nobies bis dena et quater decies terna. ob honorem sci-
licet sco« | petri et pauli maximi apslo« et martirum domum
4 IWefonsus de uir. inl. scriptis (Isid. opp. VII, 165). — 5 Greg. ep. I, 1.
— 6 Greg. Mor. in lob I, 7. — 7 lb. I. 17.
45»
700
y. Hartei.
dieatum. locuin | situm uel u///ocitatum. baleria., hie nempe
liber ego florentius | exaraui imperante mihi uel uniuers/// ///on-
geries (1. Buchst, unleserlich) sacra monasterii | silbani uidelicet
abbati quum iam mee etatule anno% spatia | peregissem bis deni
bini aut circiter quini et bis deni | his nempe explosis. copio-
sissime uobis precor et affatim rogo qui in hoc | codice legeritis
ut frequens usa pro me florentio misero ad dnm diriga|tur
oratio, ita ut in hac uita placere mereamini dno ihu xpo.,
am . . | et ita in hoc labili exemti euo fore queamini (sic)
annuente arbe (sic) polique conditor | ab interno externoque
neuo qualiter ex hac sursum adsciti deflenda pere |grinatio.
iucundemur almo« adglomerati beato^ coro longo felicique | euo
obantes iugiter in polo innecti capitinsotraente (sic) xpo amen | hoc
opus hoc etenim forsan me Subtraet ab igne. ut merear adipisci |
regna beata poli .am., quod ipse prestare dignetur. | (Eine Zeile
leer.) Labor scribentis refectio est legentis., hic deficit corpore
ille proficit | mente., quisquis ergo in hoc proficis opere operarii
laborantis. non dedi|gnemini meminisse., ut dns inuocatus in-
memor sit iniquitatibus tuis am | et pro uocem tue orationis
mercedem recipies in tempore iudicib quando | dns scis suis
retribuere iusserit retributionem., quia qui nescit scribere | labo-
rem nullum extimat esse., nam si uelis scire. singulatim nuntio
| tibi quam grabe est scribture pondus., oculis caliginem facit.
dorsum | incurbat., costas et uentrem frangit., renibus dolorem
inmittit. | et omne corpus fastidium nutrit., (C Ideo tu lector. lente
folias | uersa., longe a litteris digitos tene., Quia sicut grando
fecunditatem | telluris tollit. sic lector inutilis scribturam et
librum euertit., | nam quam suauis est nauigantibus portum
extremum/ ita et scribtori nobissimus uersus., explicit deo gra-
tias semper.
11, 20
20 m. bip. pag. 308 foll. s. XIV.
Die Handschrift, Geschenk des Ramirez de Guzman an die
Kirche von Toledo, hat f. 1 r eine schöne Initiale, Papst Damasus und
Hieronymus darstellend, indem ersterer einem knieenden Boten einen
Bmef überreicht, letzterer einen Brief vor dem Boten stehend liest.
Die drei nicht numerirten Vorsetzblätter enthalten I' a epytaphium
de beato ieronimo presbitero. Ieronimus 1 noster litteris grecis
1 Gennadins de script. eccles. 58, 1059 M.
Bibliotheca patrum latinorum Hispaniensis.
701
—, einen grossen Index der Handschrift mit Titel, Anfängen und
Folien der Handschrift, zwei Briefe des Hieronymus an Augu
stinus, 1 Omni quidem tempore — und an Marcella 3 Medici
quos —, die in der folgenden Sammlung übersehen worden waren,
endlich III r b ganz in roth einen compendiösen Index, zum Zwecke
leichterer Auffindung wie es heisst.
Die Sammlung enthält f. 1 r ff. folgende Briefe: Damasus
an Hieronymus 4 Dormientem te — , Antwort des Hieronymus
Postquam 5 epam —. de vii uindictis cain. Quid 6 sibi uult —.
II. quaestio: cur deus 7 loquitur —. III. quaestio: cur ysaac 8 —,
H. an Marcella 9 Magnis nos —, Antwort 10 Ponamus totum —.
ii. interr: quid sit 11 quod idem ad tbessalonicenses —, H. an
Desiderats 12 Vis nunc acriter mi ff—, H. an Nepotian 13 Petis
a me —, an Oceanus u Sofronius eusebius —, an Rusticus 15
Nichil xpiano felicius —, an Eustochium 16 Audi filia et uide —,
an dieselbe 17 Parua specie sed —, an Susanna ,s Quid taces
o anima —, an Marcella 19 Ambrosius quo cartam —, Breuis
questiuncula — , Abraham temptatur —, an Paula 20 Quis
dabit capiti —, an Pammachius 21 Quod ad te liuc usque —,
an Ctesiphon 22 Non audacter ut falso —, ohne Adresse' 23 Pre-
sumcionem meam excusare —, an Dardanus 24 Qucris dardane
xpianorum —, explanatio fidei ad damasum. 25 Credimus in deum
patrem omnipotentem —, an Pammachius 26 Sanato uulneri et
in —, an denselben 27 Paulus apls presente —, Epiphanius an
Johannes 2S Oportebat nos dilectissime —, b. c. Johannem. 29 Si
iuxta apl'm —, Pammachius und Oceanus an Hieronymus 30 Sanc
tus aliquis ex fribj —, Hieronymus an diesen 31 Cedule quas
misistis —, Hieronymus an Auitus 32 Ante annos circiter de-
cem —, lamentum origenis. 33 In afflictione et dolore —, de iide
et symbolo apud nichean exposito. 34 Credimus in deum patrem—,
2 Hier. ep. I, 1059. —• 3 Ib. I, 184. — 1 Damasi ep. 13, 371 M. — 5 Hier,
ep. I, 158». — 6 Ib. (ep. 36) 1,159. — 2 Ib. I, 163. — 8 Ib. I, 166. —
3 Ib. I, 325. _ io ? — li ? — 12 1 _ 13 ib. I, 252. — 14 ? — 15 Ib. I,
929. — 16 Ib. I, 87. — 17 Ib. I, 148. — 18 Ambrosius de lapsu uirg. cons.
II, 305. — 19 Hier. I, 190. — 20 Ib. I, 174. 188. 171. — 21 Ib. I, 209. —
22 Ib. I, 1019. — 23 Ep. f. Fausti Eh. (Hier. opp. XI, 77). —• 24 Ib. I,
960. — 23 Hier. opp. XI, 150. — 26 Ib. I, 391. — 27 Ib. I, 303. —
28 Ib. I, 239. — 29 Hier, contra Iohannem Ierosol. H, 40 7. — 30 Ib. I,
517. _ 3i ib. I, 518. — 32 Ib. I, 910. — 33 Ib. V, 741 (vgl. Esc. b
IV, 17, f. 87 ). — 34 62, 466 M.
702
y. Hartei.
H. praefatio super canticum cant. 35 Origines cum in ceteris —,
Canticum canticorum translatio. 36 Quomodo didicimus —, II. an
Tranquillinus 37 Maiora Spiritus uincula esse —, H. an Damasus 38
Quoniam uetusto oriens inter se -—, an dens, 39 Importuna in
euangelio —, an dens. w Sufficere quidem fidei —, Damasus an
II" Commentarium cum legeris —, Antwort ' 1 Multi super hoc
sermone —, II. an Damasus de seraphin. 43 Et factum est in
anno —-, an dens. de calculo et seraphin. 44 Septuaginta et
missum est —, an dens. u Beatitudinis tue interrogacio —, II.
an Ageruchia 1,1 In ueteri uia nouam —, H. an Paulinus 47 Frater
ambrosius tua michi —an densA s Bonus homo de hono —■,
Id. ad eliodorum. 49 Grandes materias ingenia —, ad theodorum. 50
Lugubri nueio consternatus —, ad rusticum. 51 Ea samuhel quon-
dam —, ad edanlium ; ’ 2 (d ex b corr.) Misisti michi uolumina—,
Paula et eustocium ad Hieronymum. 53 Mensuram caritas non
habet —, ad oceanum. 54 Plures anni sunt quod —, de xn man-
sionibus. 55 In septuagesimo septimo psalmo —, praefatio. 56
Retulit michi quidam —, ad inrem et filiam. 37 Primum scire
uos —, ad uigilancium. 58 Iustum quidem fuerat —, ad ripa-
num.° 9 Acceptis primum litteris —, aduersus uigilancium. 60
Multa in orbe monstra -—, ad amandum. 61 Breuis epistola lon-
gas —, ad mineruum et alexandrum. 62 In ipso profectionis ar-
ticulo —, ad rufinum. 63 Multum in utraque —, interpretatio
iudicii salomonis. 04 Quantum ad simplicem — 7 ad anthonium. 65
Dominus noster humilitatis —, ad uirgines hemonenses. 66 Carte
exiguitas —, ad castorinam. 67 Iohannes idem apl's —, ad pau-
lum. 6S Humane uite breuitas —, ad cromacium. 69 Non debet
cai’ta —, ad theodosium. 70 Quam uellem nunc —, ad marcum. 74
Decreueram quidem —, ad anniciam. 72 Turpilius comicus —,
33 Hier. III, 499. — 3li Ib. 1H, 501. Mit der Bemerkung: quere in tercio
origenis nolumine. — 37 Ib. I, 349. — 33 Ib. I, 37. — 33 Ib. I, 40. —
40 Ib. XI, 114. — 44 Dam. ep. 13, 371 M. — 43 Hier. ep. I, 63. — 43 Ib.
I, 44. — 44 Ib. I, 57. — 43 Ib. I, 68. — 43 Ib. I, 894. — 47 Ib. I, 268.
— 48 Ib. I, 316. — 48 Ib. I, 329. — 50 Ib. I, 447. — &i Ib. I, 1078? —
52 Ib. I, 438. — 53 Ib. I, 197. — 54 Ib. I, 453. — 33 i b . 46 3. —
56 Ib. I, 776. — 57 Ib . 777 _ 58 i b . 345. _ 59 Ib . ^ 719 . _
oo Ib. II, 387. — 6i i b i 5 293. 02 i b j, 793. — 33 Ib. I, 445. —
ci ? _ 65 Ib , 1 26 _ 66 xb. I, 24. — 07 x b . x ) 07. _ 66 i b . i ) 22. —
69 Ib. I, 17. — 70 Jb. I, 8. — 71 ib. I, 42. _ 72 ib. x 5 20.
Bibliotheca patrum latinorura Hispaniensis.
703
ad abigacum. 73 Quanto studio et amore —, ad principiam. 71
Scio me principia —, ad furiarn. 73 Obsecras litteris et suppli-
citer —, contra heluidium. 76 Nuper rogatus a fribus —, ad
saluinam. 77 Vereor ne officium —, ad iulianum. 78 Filius meus
ff tuus —, ad oceanum. 79 Numquam fili oceane —. he//// die
xii quest. 80 Quomodo pfectus esse —, hie. ad eandem. 81 Ingnota
uultu fidei Antwort 82 Interrogas quo —, de miraculo mu-
lieris. 83 Sepe a me innocenti —, xi questiones algasii. 84 Cur
iohannes —, Antwort 85 De hac questione in -—, ad alipium et
augustinum. 80 Sanctus innocentius pater —, de honorandis
parentibus. 87 Parentum meritis —, ad exuperancium. 88 Inter
oia que mihi —, ad marcellam. 89 Testimonia de iohannis —,
desgl. 90 ut tarn paruam epl'am —> desgl. 91 Que acceperis red-
denda —, ad demetriadem. 92 Inter oiiTs materias -—, ad cypria-
num. 93 Frater kine cypriane —, de tribus uirtutibus dei. 94
Tres quodatn modo —, Augustinus ad Hieronymum. 95 Quod
ad te scripsi —, Hieronymus ad euecium. 96 Legimus in esaia
fatuus —. ad desiderium. 97 Lectus sermo —, ad licinum. 9s Nec
opinanti michi —, ad palmacium." Cristiani interdum —, ad pal-
machium (sic) et marcellam. 100 Rursum orientalibus—, ad dom-
nionem. 101 Lictere tue et —, ad principiam. 102 Sepe et mul-
tum —, de cantico canticor sc originem. 103 Origines cum in —
(es folgen zwei Homilien), H. ad demetriadem. 104 Si suinmo in-
genio —, ad tyrasum. 103 Benedicto et dilectissimo —, ad mar-
i
cellam. 106 Nup cum piter —, desgl. 101 Nonagesimum psal-
mnii) — f des gl. m Post priorem epistolam — , desgl. 109 Ut
absenciam —, desgl. 1 ' 0 Beatus pamphilus —, ad asellam. 111 Si
tibi putem —, ad marcellam. 112 Nudius tercius cum —, desgl.' 13
Epistolare officium —, ad fabiolam.* 14 Usque liodie in lec-
73 Ib. I, 28. — 74 Ib. I, 371. — 75 Ib. I, 280. — 76 Ib. II, 205. — 77 Ib.
I, 493. — 7 ® Ib. I, 7S5. — 79 Ib. I, 409. — 30 Ib. I, 811. — 81 Ib-
I, 812. — 82 Ib. I, 813. — 83 lb. I, 1. — 84 lb. I, 845. — 85 ? ? —
88 Ib. I, 1060. — 87 Ib. XI, 112. — 88 Ib. I, 1073. — 89 Ib. I, 185. —
30 Ib. I, 150. — 91 Ib. I, 133. — 92 Ib. I, 9 69. — 93 Ib. I, 1042. —
34 Ib. XI, 87. — 95 Aug. ep. 167. — 36 Hier. I, 10 74. — 97 Ib. I, 208?
98 ib. J j 428. 33 Ib. I, 232. — 103 Ib. I, 575. — 101 Ib. I, 234. —
192 Ib. I, 944. — 103 Ib. III, 499. — 104 Hier. XI, 1 = Aug-. ep. spur,
app. 17. — 195 Cypr. op. III, 274 II. — 106 Ib. I, 130. — 197 Ib. I, 128.
108 Ib. I 1 131. — 109 Ib. I, 192. — 1,9 Ib. I, 152. — 111 Ib. I, 193. —
442 Ib. I, 144. — 443 Ib. I, 137. — 414 Ib. I, 352.
704
v. Hartei.
tione —, ad sabianum. 115 Samuel quondam —, admonitio de
penitentia uera. 116 Ad te surge o liomo —, ad crisochomam. 117
Qui circa te affectus —, ad uitalem. 118 Zenon nauclerus —, ad
florencium. 119 Quantus beatitudinis—, desgld w In ea miclii —,
ad crasticianum. 121 Sanctus filius meus —, Ieronimus. 122 Beatus
antonius cum —. Incipiunt eple quas ieronimus et augustinus
sibi uicissim direxerunt. A. an 17. 123 Audiui puenisse —, II.
an A. 124 In ipso profectionis —, desgl. ,2S Anno preterito —,
A. ad presidium. 126 Sicut presens —, A. an II. 127 Quamuis
existimem —, desgl. l - s Nüquam eque quisquam —, II. an A. 129
Crebras ad me epl'as —, A. an II. 1311 Habeo graciam —, desgld 31
Ex quo cepi —, II. an A. 132 Cum a sco —, A. an 77. 133 Iam
pridem caritati —, II. an A. m Tres simul —, H. ad marcel-
linum et anapsychiam. 135 Tandem ex affrica —. Incipit in dis-
putacione prologus de roe aie cassiodorus. Cum apud uos —.
DialogusIIieronymi et Augustini de origine animarum 136 —. Trac-
tatus Cassiodori de eadem re. Beatus itaque ieronimus —. Es
folgen Amzüge aus der Correspondenz des Augustinus und Hie-
ronymus, zum Schluss Respirä excerptoris. Ecce fauente deo —
fluentis sanctorum. Explicit disputacio sine collaciones de roe
i i
aie excerpta ex epl'is iero et aug. | A. an H. de origine ani-
me. 137 Deum nostrum qui —, H. adaletam. 138 Apostolus pau-
lus —, ad marcellam. 139 Cum hora ferme —, desgl. 146 Nemo
reprehendat —, ad mgnum. 141 Sybesium nrm —. prefacio rufini
ad macharium de libris peri archon. 112 Scio quam plurimos —,
apologia rufini ad anastasium. 143 Audiui quosdam —, H. ad rufi
ntim. 144 Diu te rome —, aduersus rufinum. 145 Lectis litteris pru-
dencie —, de decem temptacionibus bebraici populi. 146 Hec
sunt uerba que—, ad iulianum. 147 Antiquus sermo quod —, admo-
nicio contra carnis srbiam. Ad te 14s manum meam extendo —,
115 Ib. I, 1078. — u« Ib. XI, 230. — Ib. I, 21. — Ib. I, 433. —
119 Ib. I, 13. — 12» Ib. I, 14. — '2i Ib. I, 406. — 122 ib. ? — 123 Aug.
ep. 67. — 124 Hier. I, 626. — '25 Ib. I, 628. — 126 Aug. ep. 74. —
122 Aug. ep. 73. — '2S Aug. ep. 28. — 129 Hier. I, 632. — wo Aug. ep. 40.
— ' 31 Aug. ep. 71. — '22 Hier. I, 754. — ' 33 Aug. ep. 82. — 134 Hier.
I, 730. — 1 35 Ib. I, 942. — 139 Hier. opp. XI, 246. — 131 Aug. ep. 166.
— 139 Hier. I, 671. — ' 39 Ib. I, 124. — 119 Ib. I, 126. — Ib. I, 423.
— »2 Ib. I, 504. — " 3 21, 623 M. — 144 Hier. I, 507. — 443 Ib. H, 531.
— 446 Hier. app. H, 741. — 443 Ib. I, 16. — 443 Ib. ?
Bibliotheca patrum latinorura Hispaniensis.
705
sentencie theodoti a ieronimo translate. Perfectus 149 homo est —.
Solucio ieronimi uel ambrosii in quodam enigmato salomonis. 150
Minim satis est dilectissimi —. f. 182 r a Hieronymus aduersus
iouinianum lib. I. Pauci 151 admodum — f. 203 r b epycuri luxu-
riam susceperunt | incipit über ieronimi de hebraicis questioni-
bus et de interpretacione nominum hebreorum. Qui in princi-
piis 152 — f. 212 v a seruientes altari uiuunt de altari | Expücit über
bt'i ieronimi hebraica* questionum sup genesin. Incipit epistola
beati ieronimi de decem teptationibus fiüorum isrl in exodo. 153
Haec sunt — respondit Moyses (bricht nach wenigen Zeilen mit
der Bemerkung ab ista epistola est scripta ante), f. 212 v b Incipit
über beati ieronimi super cantico delbore in libro iudicum.
Cecineruntque 154 delbora —. Incipit über bt'i ieronimi de que-
stionibus regum. 155 Fuit uir unus — f. 215 r b cur hic dicatiu’ tune
cepit. Rest der Seite und die folgende leer. f. 217 r am Rande
die Bemerkung: liec est incopleta sed infra habetur completa et
est (et est add. m.f) contra rufinum. £ 217 r Incipit de epi-
stolis epypbanii. Te auteni 156 frater liberat deus —. £ 220 r a
i i
p’ über iero ad apronianum aduersus rufinum. 157 Rufini scripta
aproniane —. £ 226 r b üb. H. Superiore quidem Hbello —.
£233 v a Hic incipit über ad pammachium et marcellam pro se con
tra accusatorem defensio b. Ieronimi. Et uestris 158 et — £244 r b
nomine sustinere. Expücit über secundus ad pammachium et
marcellam pro se, £ 244 v a Incipit pfacio rufini in libro gregorii
nazau?eni (sic) episcopi Profiscenti 159 micbi — £ 244 v expücit
prefacio. Incipit apologeticus gregorii nazauzeni epi i latinum
ex greco translatus. Victus sum et fateor — £ 253 r a seculorum
amen. £ 253 r a Sermo eiusdem de natiuitate domini (add. m. 2
siue de epihaniis sic). Christus 160 nascitur. £ 255 1 b am Rande
von zweiter Hand: Incipit über tercius eiusdem de luminibus
quod est de secundis epiphaniis. Iterurn ihesus —. Es folgen
noch weitere Abschnitte aus den Sermones des Gregor von Naz.,
ns Vgl. Esc. & I 4 f. 178 v a — 150 Ambrosii sermo app. p. 450. — 151 Ib.
II, 237. — 152 Hier. hebr. quaest. in Genesim III, 301. — 153 Ib. III,
741 app. — 154 Ib. app. H, 745. — 455 Ib. app. III, 755. — 456 Ib. ? —
157 Rufini apologiae lib. 2 Hier. opp. II, 630 = 21, 583 M. — 45S H. apol.
adu. Rufin. II, 457. — 159 Vgl. Fabric. bibl. VI, 429. — 169 Aug.
sermo 177 und Mai noua p. bibl. I, 398.
706
v. Hartei.
der letzte f. 269 r b Hec uobiscum piter — q fructificauit p'mo i
xpisto ibbi domino nostro.
f. 269'b ep.prima ambrosii ad ualentinianumimperatorem. 101
Clementissimo impatori—. f. 270 r a ep. ( 2 a ad plebem. 16 ' 2 Uideo uos
preter —. f. 272 r ade tractandis (sic) basilicis. Quoniam 163 omnibus
epistolis —. Ambrosius ad ualentinum. 164 Exercitus semper —.
De morte Theodosii. Hoc nobis 165 —. f. 277 T a Retractatio. Libri 106
duo quo^ — interrogasti. Incipit lib' primus adianuarium. B. aug'. 107
Ad ea que me — de sacris literis. Ambrosius sup gen. scd'm
allegoriam. Recapitulacio. Plantauerat 108 autem das — f. 287 T a
de exodo, f. 287 Y b de plagis egypti. f. 290 r b super leuiticum uel
numerorum, f. 291 r b de xlii mansionibus popl'i israelitici, f. 292 v a
incipit deuteronomius, f. 293 r a ik'u, naue -i- iosue ambrosii,
f. 293 T b prologus bt'i ieronimi uiro« illustrium, 169 dann nach
dem Index Petrus i- symeon Petrus — f. 300 v b (in der Vita des
Hieronymus) apologeticum et epytaphium. Explicit über ieronimi
eusebii uiro% illustrium. Incipit uiro% illustrium q p' I'o m genadius
quondam pbr' mai'siliensis fecit. Nach dem Index Iacobus 170
cognomento — f. 305 v a ex tempore declamare. Gracias agamus
de opis complecoe uiuenti in secula seculorum Amen.
11, 21
2° raembr. bip. pag. non nuni. foll. saec. XII cx.
Die durch grellfarbige, aber nicht feine Initialen ausgezeichnete
Handschrift enthält Hieronymuscommentare zu den kleineren Pro
pheten. f. l r a (r.) Incipit prologus in explanatione osec ppb'e
(e ex a corr.) sei iberonimi prbri in explanationibus omnium
ppbetarum | In explanationibus 1 omnium ppbetarum sei sps
indigemus aduentu ut cuius instinctu —. f. 3 V Uerbum domini —
(auf dem drittletzten Blatt v b) quem de domo dni asserunt
auferendum. | (r. und schic. Maj.) explicit explanatio iheronimi
prbri in zariam (sic) ppbam ad exuperium cpm (sic) tbolosanum.
Hierauf von gleichzeitiger Hand: Versus quos composuit turpinus
161 Ambros, ep. 21 (II, 860). —• 162 Ambrosii sermo II, 863. — 163 Vgl. ib.
II, 863. — Ambros, ep. II, 946. — 135 Ib. II, 1197. — 166 August.
Ketract. II, 20. — 107 Aug. ep. 54. — 163 Ambrosius de paradiso
I, 145 — 133 H. de uiris ill. II, 807. — wo ib. H, 951.
1 Hier. comm. in Osee VI, 1.
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707
archieps de rotulando: | Non decet' 2 linnc igitur uacuis deflere
querelis | Quem letum summi nunc tenet aula poli — Non
premit urna rogi sed tenet aula dei. Die letzten Seiten sind
mit verschiedenen verblassten Schreibereien von einer Hand s. XIII
angefüllt.
13, 6
80 obl. in. non num. foll. s. XII.
Auf dem jüngeren Vorsetzblatt steht ein Text s. XII mit
Noten, so El. 2: Que sunt in corde hominum oculi tui uident
domine etc. Auf den beiden älteren, und zwar I 1 ' Tu cuncta
superno ducis ab exemplo. Ostcd quomodo di bonitas careat
liuore, quia sue etnitati bc mundum simile | simile fecit etc. Es
sind Scholien zu einem Text. Dazu Lemmata, z. B. Et aptans
sublimes illas animas auibus curribus | Recipientes idoneitatem
comiscendi terreno corpori — I T et ex boc consequitur liberum
esse arbitrium. Darnach Antiqui atheniensium phylosophi pu-
tauerunt mentem a se nidlam babere — et ex illa collatione
meritis iudicium confirmatur. II 1 ' füllt eine Malerei s. XIII, im
rechten Bogen vermuthlich Boethius darstellend, wie er schreibt,
Carmina blanda iacent nec nisi mesta placent. Ein Vermerk
s. XIII: iste e über /////// (Namen ausradirt), ebenso f. l r am
? ? ?
oberen Rand: Iste üb est ///// ginemari.
f. l r Tempore 1 tbeodorici regis insignis auctor boetbius
claruit -— f. 1 v felicem apellem. partim prosa partim metro eum
eomp'onens. | Carmina 2 qui quondam studio florente peregi —
(drittletztes Blatt) cum ante oculos agitis iudicis cuncta cernentis. |
(Maj.) Explicit feliciter amen.
Es folgen Figuren über die Elemente und ihre Eigen
schaften (terra obtusa corpolenta immobilis), ein griechisches
Alphabet mit Namen der Buchstaben und ihrem Zahlenwerth von
i alfa A — dcc U) olongu dccc enacosi A mil miriades oo | Hec
litt'e supiores ad id utilitatis coposite uidentur ut nob forma-
tarum scientiä epistolarum inferre uideantur. Dann folgt noch
ein griechisches Alphabet, das Gedicht Helpe 3 dicta fui sicule re-
gionis alumna. Zweitletztes Blatt von derselben Hand s. XII/XIII
2 Poet, aeui Carol. ed. E. Duemmler I, p. 110.
1 Boetius ed. Peiper p. XXX. — 2 Boetius cons. philos. 1.1. —• 3 Boetius
ed. Peiper p. XXXVI.
708
v. Hart el.
(Titel von einer Hand s. XV in künstlichen Maj. 1. Goelii lactantii
iirmiani phoenix) Est 4 locus in primo — mortis adepta bono.
Auf der letzten Seite steht m. s. XII folgendes Gedicht:
Prima dies nona tit iani scorpius hora
Vulnera seua nimis fert boris septima quinis.
Quartus in octonis februi manet ut lupus boris
In decimis tnus est boris fine timendus
Dando diem primam dabit boram marcius ipsam.
Quarta nec est munda cuius nocet hora secunda.
Horis inprimis decimus suffocat aprilis.
Vndecimus nonas ferit inde diesque per horas
Itimit (sic) tna madii lux horaqne sexta
Estque mali moris in denis septimus boris
Quinta nocet deni iunii satis hora diei.
Horis quartanis quindenus mordet ut anguis.
Dampnat tdecima iulii uorat hora secunda
Huius et in nonis decimus qq sauciat horis
Horas dat primas augustus datque kalendas
Inde scda dies septenas turbidat horas
Horis septembris perimit lux tercia ternis
Eiusdem mensis necat horis dena quatnis
Sauciat octubris (sic) in quinis tcius horis
Inque die dena huius ferit hora nouena.
Pungit in octauis horis lux quinta nouembris
Cuius terna nigram facit horam confore quintam
Vulnerat inprimis horas septena decembris
Tn senis horis decimus fit causa doloris.
13, 20
(Zelada) 80 m. 76 foll. s. XV.
Die Handschrift stammt nach einem eingeklebten Zettel mit
Wappen und Inschrift ex libris Franc. Xav. cardinalis de Zelada.
1. f. I 1 '—60 r Seueri epla de Sulpicii uita sei martini epi. Ego
quidem 1 —. Dann der Prolog (Plerique 2 mortales —), die eigent
liche Vita, die Briefe ad Eusebium pbfm, ad Aurelium diaco-
num und ad socrum suam bassulam, sowie die drei Bücher dia-
4 Anth. lat. 731 R.
1 Sulpic. Seu. ed. Halm, p. 109. — 2 Ib. p. 111, 10.
Bibliotheca patrum latinoram Hispaniensis.
709
logorum de uita s. martini epi, woran sich anderes, auf den
heiligen Martin Bezügliches schliesst: de transitu eiusdem. Archa-
dio 3 uero et honorio —, dann Stücke, beginnend 4 Beatus autem
seuerinus coloniensis —, Clemens trinitas est una —, Opere pre-
tium est enim etiam illud — f. 59 T cognouimus silere nequiuimus.
Explicit uita sancti martini epi. f. 60 r Versus in laudem s. Martini.
Martini meritum si quis — memor ipse sue caritatis. 2. f. 60 r
bis f. 76 v Aurelii Augustini de spiritu et anima. 5
14, 1
40 m. non mim. foll. s. XI ex. in westg. Schrift.
Die Qaaternionenbezeichnung ist die gewöhnliche, daneben
eine eigentümliche auf dem unteren Rand einer Seite: p : tr. m |
pr : c : d : nt : s | s : qu : nt : s. Die Initialen sind besonders in
teressant zum Commentar des 42. Psalmes.
Die Handschrift enthält den Commentar Augustin’s zu Ps. I
bis Ps. L. f. I 1 ' (am oberen Rand von später Hand) Incipit ex-
posicio sei augustini psalmi primi. | Beatus 1 uir qui non abiit
in consilio impiorum. De dno nro ihü xpb [ id est homine
dominico — (im 50. Psalm) tu imple personam tuam. ds de
illo exigit suam. Explicit. Auf der letzten Seite steht folgendes
Gedicht von gleichzeitiger Hand: (r. Maj.) metru sapliicum. |
constans ex troeheo spondeo dactilo ultimus (us ex o) indif
ferenter ponitur. quod quidam cecinit in hylaritate mtis sue
infra portas filie syon cora frib;
Dum cibis corpus modicis fouetur
Pinguis aruina stomäeus macrescit
Dum ue non pinsat puteal palati
Crapula putris
Cordis ignescat generosus ardor
Mentis excrescat pia fortitudo
Longius prisca tetrici fugata
Criminis obba
3 Gregor, hist. Franc. I, c. 48; vgl. die Ausgabe von Arndt und Krusch
S. 33 und Escor, f. IV, 2. — 4 Aus Gregor Tur. de miraculis s. Martini
c. 4 sqq. (1005 Ruin.). — 6 Aug. VI, 779.
1 Aug. Ps. I enarr. V 1, 67.
710
v. Härtel.
Mittis (sic) ut frondes zepliirus uirentes
Veris accessu reuehit tepentis
Seu uelut tellus liquefacta sulcis
Gignit orexim
Mollibus sic nos moderans habenis
Suggerat uires uitio carentes
Dedat & fletus nimios ocellis
Sps almus
Hoc agustini studui uolumen
Dum rudis norme modulis docerer
Tu pia ffs aderaldus 2 abbas
Lege regebat
Ae regat glisco diuturnus euo
Bis mori ( p q paterer libenter
Si ul undenos sibi lucis auctor
Adderet annos
2. Col. Cui ds fidü sotians alumnum
Que pie sorti coniu& priorem
Corrigens segnes pietate mittes
Temperat oms
Qualis aurore rutilans ab ortu
Pliebus albescit radio micanti
Noctis incusas spetiosus alas
Rumpere curat
Talis est huius penetral libelli
Inter augustuni recreans ocellum
Luminis pulpe scabie fugantis
Dote salubri
Flijtib; largis auet immolari
Intimum cuius über hic uibrauit
Sepia nexus habiles notaui
Sirmatis ampü
2 Ob Abderaldns arcbidiacorms Trecensis, der f 1004?
Bibliotheca patrum latinorum Hispaniensis.
711
Hunc tenens Iota ab manib; poclagra
Fratris cocfmpD-q inemor bortor adsis
In tui saltim precibus cubilis
Fletibus apti
Vt dei cernas sabaoth tribunal
Cetib; sacris mereare iungi
Cum quibus possis pie dytirambis
(3—4 Buchst, ausgerissen) atis uti Mi;
Die 3., 5., 11. Strophe ist mit Neumen versehen.
14, 18
80 mai. m. non num. foll. a. 1208.
Auf den Vor- und Nachsetzblättern stehen Kirchenlieder, zum
Theil mit Noten, z. B. auf den heiligen Sebastian: Ad hanc uocem
christi martir Sebastiane illico etc., In natiuitate sei ioFis bbe
epla. Exultare nos ortatur hodie socii — ()d hec beata agnes
talem fertur iuueni dedisse responsum discede a me fomes
peccati und Aehnliches.
f. 1 v (r.) Incipit regula b'i aug’ | h incip (incip getilgt) F e
disposicio regle beati augustini | (Mag.) et (sic) precepta que
subscripta sunt ido regle apellantur quia uidelicet in eis nob
recte uiuendi norma 1 —. Die Citate aus der regula sind immer in
rother Schrift und werden, wie z. B. das erste, so eingeführt: Q.uibus
dicitur: F sunt que ut obseruetis pcipimus in monasterio
constituti. Ad hoc nobis diuina peepta etc. Das Werk schliesst:
cum illo apparere mereamur in glia. qui cum patre et spli seb
uiuit et regnat p oia scla sclorum. amen. Explicit regula sei
augustini. | (r.) De consortio malorum et bonorum. | Qui' 2 sclo
renunciant alii more — si sperauerit in multitudine diuitiarum
suarum et pualuit in uanitate sua. | (r.) Bndictus septor me
notuit. Era m • cc ■ xxxx • vi | Incipit ordo ad bndicendam
aquam. Antequam sacerdos egrediatur —. Hierauf folgt Exor-
cismus salis. Exorcizo te creatura salis —, aque, Gebete bei
Beerdigungen u. dgl. Am Ende von anderer Hand: Transit estas
ei’x autumnus messis et uindemia etc. mit Noten.
1 Nach dem Index des Octavio de Pol. Augustins Regel mit Commentar
von Hugo de S. Victore (176, 881 M.); vgl. Escor. Q IH 20 f. 84 r b. —
2 ?
712
v. Hartei.
14, 22
80 m. 159 foll. s IX/X in westg. Schrift. 1
Voran steht ein Inhaltsverzeichniss s. XVI, welches mit den
Worten schliesst: Hunc codicem Gothicum quo superiora conti-
nentur pene lacerum Vallisoleti pretio redemit Michael Ruyzius
Azagra imperatoris Rudolphi secundi secretarius. Quo mortno.
ab eius haeredibus impetrauit et in hanc bibliothecam transtulit
Ioannes Baptista Perezius canonicus et fabricae huius ecclesiae
Toletanae praefectus anno 1587. f. l r Vorrede des Eugenius ad
regem Gotthorum de emendatione Dracontii, 2 abrupt beginnend:
? ?
Ceperis ut limen aule regalis (oder besser regialus, wie Loewe
am Rande bemerkt) — Paruulus eugenius nugarum mole piaui. |
(Maj.) explicit prefatio. f. 1 T (ursprünglich leer) hat eine Hand
s. XII mit vier Epitaphien, jedes zu fünf Distichen, ausgefüllt:
Alonis grammatici quatuor epitapbia in sepulchro constantiae re-
ginae uxoris Alfonsi VI. | Si generis formequo decus —. f. 2 r
(r. Maj.) incipit dracontii liber prim' | flcter amen. | (r. Maj.)
prima 3 dies lux est terris mors una tenebris — f. 12 r Quo te pro-
mittis nimia pietate parentem | (Maj.) explicit dracontii liber pri-
mus | de fabrica mundi j (sehe. Maj.) argumentum, hoc sequenti 4
libello auctori satisfactio continetur quam oirmpnti deo ueniam
petit ne precedenti carmine aliquid (d ex t) incautus erraset (sic)
dein teodosio iuniori augusto precem defert cur de triumfis illius |
(r. Maj.) incipit liber seds dracontii satisfactio pro se. | (schw.
Min.) Rex interne deus auctor rectorq' serenus — f. 16 r Et cum
lege redit uitis amenus honor | (r. Maj.) explicit eiusdem dra
contii Ibr secundus | incipit monostica recapitulationis septem
dierum | (schw. Maj.) Primus 5 in orbe dies lucis primordia
sumsit — f. 17 r Seruulus eugenius deuota mente dikaui (sic) \
(r. Maj.) finit sex dierum recapitulatio et diei septimi enarratio.
Hierauf folgt die Epistel des Eugenius in Prosa über die Emen-
daiio des Dracontius: Clementip 0 urc iussis serenissime princeps
— f- 17 T gratiä ul faboris | (Maj.) finit. Hieran schliesst sich der
Index zu den vier Büchern des Corippus: 1 (r.Maj.) in laudem iustini
1 Vgl. Ewald, Reiseb. S. 316. — 2 Vgl. Patres Tolet. (Madrid 1782) I,
p. 35, vs. 4, welcher Ausgabe nach Ewald unsere Handschrift zu Grunde
liegt. — 2 ib. I, 36. — * Ib. I, 50. — r ' Ib. I, 54. — « Ib. I, 34. —
7 Vgl. Coripp. ed. Partscli (M. G. Auct. ant. III, 2) p. L und 111.
Bibliotbeca patrum latinorum Hispaniensis.
713
agsti minoris continetur | I Prefatio — f. 20*' porto .) (Maj.)
explicit feliciter | (Maj.) item panigiricum eiusdem (ei ex ii)
in laudem | anastasii ■ questoris • et magistri: \ | (Min.) Inmen-
sam siluam/// laudum uir niste tuorum — f. 21 r Principis
inuicti felici carmine dicam | (Maj.) explicit panigiricum in
laudem anastasii. \ | incipit über primus corippi africani gra-
matici | editus in laude iustini agusti minoris. \ | (Min.) Imperii
culmen rerum non motibus ullis —. Buch 2 beginnt f. 28 r ,
Buch 3 f. 36Buch 4 f. 44 r . Schluss f. 51 v Obsequiis in-
stare suis träquillus (sic) al s | Die nächsten drei Zeilen von
anderer Hand auf Rasur: uersi sedulii incoatur cantem* socii 9 1
Obruit 10 unde nefas pplo gradiente per equor | unc populos
mundi / obruit unda nefas | Murmurat impietas manna ueniente
refecta | Panis adest xps. murmurat impietas — f. 52 v Cum
spu sco [ gla magna patris. Die beiden ersten Verse Obruit —
nefas sind von gleichzeitiger Hand auf Rasur gesetzt; der vor
diesem Distichon liegende Theil der Dichtung, vs. 1—26 ist von
anderen gleichzeitigen Händen auf den Rändern von f. f)0 v und
f. 51 r nachgetragen. Ein Vermerk auf f. 50 T gibt die richtige An
ordnung (uersi beati sedulii abinc incoatur una stätia äbis foliis.
retinetur et inde supra ubi dicit: frater iniquus erat et inde: obruit
unde nefas). f. 52 r incipiunt uersi in pote (sic) emeretensi
consscripti. Solberat 11 antiquas —. f. 53 1 domni eugeni bepitafios
plurimorum. Ue milii 12 ue misero —. item tetrastica in senectam.
Nulla t3 bona grata —. f. 53 7 epitafion proprium. Excipe 14
xpb potens —. ib. item alium. Mole 15 culparum grauiter onus —■.
ib. item alium. Qui 10 me de nicilo —. f. 54 r it aliut. Spes 17
mici suma (sic) ds—. ib. epitafion chindasuintlio regi conscriptü.
Plangite 18 me cuncti —. f. 54 T epitafion in sepulcro recciuerge
regine. Si dare 19 pro morte/// (m er.) —. ib. epitafion nicolao.
f. 55 r Quisquis 20 romulidum —. item. Nobilis 21 & magno —.
ib. Item. Ecce 22 patet aditus —. f. 55 v item ibi. Sparge 23
8 Ueber die Lücken in dieser Partie f. 21—51 vgl. Partsch p. LII. —
9 Sedulii op. ed. Huemer p. 155. — 19 Ib. vs. 27 sqq. — 11 Inscr. bisp.
Christ, ed. Hübner, nr. 23 a. — 12 Opp. patr. Tolet. nr. XI. tom. I, 24.
— 13 Ib. nr. II, p. 58. — “ Ib. nr. XIV, p. 28 (36). — « Ib. nr. I, p. 57.
— 19 Ib. nr. XV, p. 28. — 17 Ib. nr. XVI, p. 28. — 78 Ib. nr. LXXXV,
p. 76. — 19 Ib. nr. XXXI, p. 33. — 29 Ib. nr. LXXXVI, p. 77. — 2 ' Ib.
nr. XVII, p. 28 (= lat. anth. 669 R.). — 22 Ib. nr. LXXXVII, p. 77.
— 22 Ib. nr. LXXXVIII, p. 78.
üitzungsber. d. pliil,-liist. CI. CXII. Bd. II. Hft.
46
714
v. Hartei.
rosas lector —. ib. disticon fi l0 melaicum. dum 24 noctis socia —.
ib. Item. Insomnem 25 filomela —. ib. Item dialogon tetrasticon.
Die 20 filomela uelis —. ib. item carmen filomelaicum. Uox 27
filomela tua —. f. 56 r de ulmis et passeribus. En per 28 fron-
disonas —. ib. de iurgio quod accidit. Non 2ü sensus lector —.
f. 56 v pacis redintegratio. Gaudia 30 prepetibus —. f. 57 r mono-
stica de decem plagis egipti. Prima 31 plaga egypti —. ib. de
animantibus ambigenis. Hec 32 sunt ambigene—. ib. de parti-
bus liumani corporis. Partibus 33 constat —. f. 57 v de fenice aue.
Unica 34 sum fenix —. ib. de alcione. Alcion 35 bibernum —_
ib. de birundine. Arboreas 36 exosa —. Es folgt eine Reihe ein-
oder zweizeiliger Gedichtederen Titel und Verszahl sind: de
turture (2 Verse), de pauone (2), de abibus loquacis (2), de
bubone (2), de eebina pisciculo (2), f. 58 r de stellione (2),
asindeton de quinque sensibus (2), de temporibus anni (2),
disticon prognosticum (2), it prognosticum (2), de glacie (2),
enigma (2), de gagate lapide (2), de magnete (2), f. 58 T de
abeston (2), de adamante (2), de speculari (2), de citri quali-
tate (1), in disco argenteo (2), in uase salario (2), in fibolam
matronilem (2), in columnam paruolam (2), in lecto regis (6),
f. 59 l ' item ad iobannem (3 unvollständig), de arula (2), inter-
rogatio pro celi qualitate (1), responsio pro serenitate (1), item
pro nubilo (1), item cum celum mixtum est fl), de qualitate
uentorum (2), ad calidam (4), f. 59 v ad sabana (4), con-
clusio (12), uersu (sic) supra lectuni (6), f. 59 r It aliu (1),
de superuia et umilitate (2), de frontis indicio (2), prouer-
bium (2), dann weitere 13 prouerbia mit aliut oder aliter über
schrieben. f. 60 v disticon diuerssum, 3 weitere mit it aliut
überschrieben, Idem (d ex t) monosticon (1), ib. Idem disti
con (2), uersus de temporibus annorum. Quamque trahit
uolbens — fr.) bulci. Darnach ein Blatt verloren (zwischen 60
und 61), das achte des achten Quaternio. f. 61 r beginnt abrupt fr.
24 Ib. nr. V, p. 58. — 25 Ib. nr. VI, p. 58. — 26 ib. nr. VII, p. 59. —
21 Ib. nr. VIII, p. 59. Die letzten vier Verse = lat. antb. 658 E. —
28 Ib. nr. IX, p. 59. — 29 ib. n r. X, p. 59. — 38 Ib. nr. XVIII, p. 29.
— 31 Ib. nr. XX, p. 29. — 32 Ib. nr. XXII, p. 30. — 33 Ib. nr. XI, p. 60.
— 34 Ib. nr. XII, p. 60. — 35 Ib. nr. XIII, p. 60. — 30 Ib. nr. XIV,
p. 61. — 33 Nr. XVI—XXXVI, I. (p. 78), II (p. 79), XXXIII. XXXVII—
XLII. III. IV. XLIH—LVI. LVIII. LVII.
Bibliotheca patrum latinorum Hispaniensis.
715
und schio. Maj.) tutionum uersus martini gerundensis aepsci in
uaselica 38 . Post euangelum (sic) —. f. 61 v in refectorio. Non liie —.
epitafion. Pannoniis genitus —. in uaculo. Portante me —•. de
reprensionibus. Quum nemo —. f. 62 r contra ebrietatem. Q,ui 3!l
cupis esse —. contra crapulam. Propens 1,1 est—. f. 62 v durch
Initialen ausgezeichnet: Regula" quos fidei — f. 63 T magnificatur
opus. finit, ib, de baselica scorum decem et octo niartirco 12 1
Incolit boc templum —. f. 64 r de baselica sei uincenti que est cesa-
ragusta ubi cruore ius (sic) dicit effluxisse. Macte decus —. f. 64 v
de baselica sei emeliani. | iarnbo metro. Quem meror —. f. 65 1 '
in baselica sei felicis que est in tutanesio. Ecce domus domus do-
mini —. querimonia egritunis plagee. 43 f. 65 v Ue mibi ue misero —.
lamentum de adüntum propria senectutis. Inpia 44 iam mise///
rum (s er.) —. f. 67 v item tetrastica in senectam. N 45 //////ulla
bona grata —. f. 68 r ist zur Hälfte herausgerissen. Lesbar sind:
Signa p[ | (r.) Moleculpusf | Ornatus crimine sum uitiis | Item
alius. Qui ne de —. f. 68 T abgerissen ] lETtuis | Zeile in Maj.
abgerissen [ jlacrimas 40 sub duc suspiria | Diese Seite schliesst mit
grecia docta suo. f. 69 r beginnt mit anderen Titeln und scheint
inhaltlich nicht Fortsetzung der früheren: Itnon estu festu tala-
mis —. Durch It werden kurze Sätze gesondert, der letzte f. 69 T
Irin Emule femineo [ mixta conmercia tactu [ Plangere r p tumulos
ludere f p talamum | (r. Maj.) uersi de ecclesia sei iobannis | Pre
cursor 47 dni —. de dilectione. Impleat 48 ut—. de timore. Ut
timeäs 49 —. f. 70 r de obseruandis mandatis dni. Quisquis 50 —.
de sapientia. Ut ualeas 51 —. de prudentia. Temneret 52 in-
terea —. Weitere Titel sind: de simplicitate, 53 de patientia, de
iudieuum (sic), de iustitia, de misericordia, de decimis dandis,
de tbesauro, de defendente, de abaritia, de pace, de zelo
bono, de clementia, de consilio, de presidio dni, de oratione,
de sacerdotibus, de ponticibus (sic), de presbiteris, de admo-
nendo (ad ex am) monacis (sic), de iudicibus, uersi maronis,
33 Dieses und die folgenden Gedichte 72, 51 M. —• 33 Eugen, nr. V, p. 21.
— ■“> Ib. nr. VI, p. 22, — « Ib. nr. LIX, p. 68. — « Ib. nr. VII—X,
p. 22—27. — « Ib. nr. XI, p. 24. — « Ib. nr. XII, p. 24. — 45 Ib.
nr. II, p. 58. — 46 Ib. nr. LXXXIX, p. 78. — 47 Ib. nr. H, p. 79. —
48 Ib. nr. LX, p. 69. — 49 Ib. nr. LXI. — 50 Ib. nr. LXII, p. 70. —
54 Ib. nr. LXIII. — 33 Ib. nr. LXIV. - 33 Ib. nr. LXV—LXXXIV.
46*
716
v. Hartei.
uersi acilli. (r. Maj.) marci catonis ad filium salutem | Cum 54
animaduerterem —. Si ds est — f. 76 v sermone probare. f. 77 r
(r. Maj.) incipiunt uersi penitentie uerecundi epschi (sic) | Quis
mihi 55 — f. 81 r oceleos. Es folgt das Werk des Iuvencus. 56
Hinter 1, vs. 617 ist ein ganzer Quaternio (der 14.) aus
gefallen. Quaternio 15 beginnt mit II, 227. Im 4. Buche steht
hinter vs. 802: Explicit über iv Iuuenci. Das folgende Blatt
beginnt Item ipsius mit den Versen 803—812. Auf Iuuencus folgt:
Fortunati episcopi ad Hildericum regem Francorum epistola. 57
f. 137 r incipiunt epigramata domini Cipriani Cordobensis sedis
archipresbiteri ad petitionem Adulfi aediti. Hoc opus illustri
comitis clarescit Adulfi etc. ist die Vorrede. Dann Item eiusdem
ad petitionem Zoyli filii sui in finem bibliotece quam scripserat
Saturnino archidiacono. Laudum uota tibi Zoylus —. Ferner
Epitaphien desselben: in sepulcro domini Samsonis (era 928) und
Epitaphium a Samsone abbate editum super sepulcrum Offilonis
abbatis und desselben super tumulum Atanagildi abatis (era 968).
Andere Epitaphien der heiligen Paula. Dann folgt f. 140 r das
Gedicht 58 :
ITEM ALIVS
Verbis m (m del. mj) crede meis qm non fribula (fribula m { ex
fibula) fingo
Somnia nulla canam nec carmina falsa poete
Me iubenes cernant quibus est sapientia cordis
Et uirtutis amor magnaq' cupidine captibi (bi exp. mj)
Ferratas acies metuunt nec agmina densa
Orribili uultu nam terreo corda uiroi
Vera loqua (sic) fero terna quater capitum super unum
51 Disticha Catonis ed. Hauthal p. 3. — 55 Spicil. Solesm. ed. PitraIV, 132.
— 56 Loewe’s Beschreibung der Handschrift von f. 81 ab war in seinem
Nachlass nicht zu finden; nur die Abschriften der Gedichte fol. 110 r und
f. 140 v sind davon vorhanden. Ich ergänzte das Fehlende nach Ewald
S. 317. — 57 Vonant. Fortun. ed. Leo praef. p. XIII. — 58 Lcrewe bemerkt
zu diesem Gedicht: ,Vorher gehen Poesien des Cyprianus von Cordova.
Doch würde es nur vage Vermutliung sein, wollte man ihm deshalb
diese Verse zutheilen. Nach den Epitaphien desselben folgt eine andere
Hand und unser Gedicht ist wieder von einer anderen Hand und ebenso
wechseln noch weiter die Hände. Jedoch ist es möglich, dass das Ge
dicht, das ganz in spanischer Umgebung sich befindet, aus dem Kreise
der umgebenden Dichter (Cyprian, Vinoentius Itecesuindus) stammt.
Bibliotheca patrnm latinorum Hispaniensis.
.717
Sunt mici bis cluodeni oculi & duo lumina frontis
Bis decies senesque pedes mici contulit auctor
Vnguib' ecce decem uicies eccum decies sex
Dcntib' atq' quater centum bis nam seu septem
Terribilis propero pulcbros per rura f pagros
Uocib' adst (sic) multis comitor mestoq' tumultu.
Auf dieses Gedicht folgt das liäthsel Quadam so nocte niger,
dann folgende Verse f. 140 v ;
italivs (sic)
Quo ualet artifico candidus ingcnio
Talibus excepit dicens. quam candidos beros
Multiplices uolens (sic) mentis in arce dolos
In tua tecta meos possum subducere cunctos
Viribus ingenium (u ex o) melius sed constat et arrnis
Ingenio cuncta queque gerenda bona
Idem forte dux quadam mane ruente
f. 141 r Exuerat stereli membra sopore sua
Porporeo uestis que compte tegmine texit
(am Rande : Idt [= id est] uerba uecere)
Atque suos tali famine fatus erat (sic)
Surgite uos iubenes sterilem (i ex e mf depcllite somnum
Increpat arbienas lux uigilate uiri
Hinc humeros rutilis beros boneraberat (b del. m,) armas (sic)
Protenus ostriferum linquerat atque tborum
Undeciesque uirum secum deduxerat unum
Alter ab undecimo candidus ipse fuit
Qui (i ex e) sirnul egressi bisseni terue quaterni
Tres quater robore gente pares//////// (ca. 8 lit. er., etwa temp- ?)
Cornipedum sulcant fulti gestamine flabra
Passibus aligeris lustra ferina legunt
Siluiculas facili consternunt strage cateruas
Sanguinis innocui funditur unda rubens
Conglomerant nubes fulgura crebra micant
Altitonans summo resonat de uertice rerum
Dans proceri signum tecta propinqua peti
Candidus binc unam fueratis forte propinqua
59 Anth. lat. 727 R. und Leipz. Stud. I, 370.
718
v. Härtel.
Grandine conpulsus diictus ad usque domurn
Quam prius arripiens eduxit inclitus alter
Candide qui dixit altera tecta pete
Nam domus hec plures socios quam paruula nsos
Non teget ut rutilo lumine cuncta patent
Sed que mente uige sacrisq' (sic) cacnmina scandis
Duc mea sub tecta arc.e regente uiros
Hec aut ille uoles berus prediscere signis
(dieser Vers mit dem vorhergehenden auf Zeile), f. 141 v folgen
etliche Gebete, von moderner Hand überschrieben: Versus Yincentii.
f. 143 Versi preparatoris Recesvindi abbati (sic) in festiuitate sancti
Iacobi apostoli Christi. Resultet toga omnis —. f. 144 enthält
s. XII folgende acht Verse : 60 Christe mihi mesto semper solamen
adesto •— Quod sumus hic fuerat, erimus quandoque quod hic
est. f. 144 v wieder s. X: In nomine doinini incipiunt eras in quo
martyres passi sunt. f. 145—158 v von anderer Hand: Vita uel
passio beatissimi martyris Eulogii auctore Albaro. 01 Auf die
oratio Albari folgen noch verschiedene orationes, schliesslich Versi
domini Pauli apostoli: Tarn dudum 02 Saulus procerum preeepta
secutus. Die letzte Seite f. 159 v mit Schrift s. XIII ist vollständig
verwischt.
14, 24
80 raai. m. non nura. foll. s. IX. 1
Die Handschrift besteht, wie die verschiedene Bezeichnung
der Quaternionen f. 1 — 88 mit Zahlen (f. 88 v xi r), f. 89 ff. mit
Buchstaben erkennen lässt, aus zwei verschiedenen Tlieilen. Auf
dem Rücken ist der Inhalt verzeichnet: Eterius aduersus Elipan-
dum Archiepiscopum Toletanum et Säson contra hostigesium
Malacitanum. f. l v (Maj,) eminentissimo nobis et deo amabili
elipando toletane sedis arciepco eterius et beatus in dhb salu-
tem. | Legimus 2 litteras prudentie — est offerre pro nobis. (Mag.)
Explicit über prim'us. amen dogfs. incipit über secundus de xpo
et eius corpore quod est ecclesia et de diabulo et eins corpore
60 P. Meyer, Docum. inedits p. 170. — 01 Eulogii opp. ed. Morales Com-
pluti 1574. — 62 Damasi earraen 13, 379 M.
1 Die Exempla scr. Vis. bieten tab. XVIII eine Probe. Vgl. über die
Handschrift Ewald, Reiseb. S. 318 und Ambrosius de Morales, Viage
(Madrid, 1765) p. 52. — 2 Heterii ep. 90, 894 M.
Bibliotheca patium latinorum Hispaniensis.
719
quod est antichristus. | Scripsimus 3 contra crimina — f. 88 r de
qua iems scribtum est ex uoce sponsi. Rest des Blattes leer.
(r. und bl. Maj.) in ne patris et filii et sps sei samson
senior dni seruus pio lectori salutem. | Plurimorum 4 intentioni
deo placere —- reddiderint doctiorem. explicit (Schluss der Vor
rede). | (r. Maj.) incipit oratio samsonis peccatoris atque pau-
perrimi. | Deus semper idem atque id ipsud — gla ditatis. ex
plicit oratio. Es folgt der Capitelindex des 1. Buches | (r. Maj.)
in nomine dni. incipit über primus. I De fidei laudibus. | Opusculi
huius adgressurus initia — bostis eglesie sue. | (Maj.) explicit
libellus primus deo gratias. | (r. Maj.) incipit über seds apolo-
geticum contra perfidos. prefatio sequentis operis. | Exposito
credulitatis mc<j textu — non uerebor respondere. explicit pre
fatio sequentis libelli. Es folgt der Capitelindex des 2. Buches,
(r. Maj.) incipit über seds. | (r. Min.) Credulitas quam samson
in eoneiüo cordobensi episcopis dedit. | Credo et confiteor scarn
atque indiuiduam — sufficienter me respondisse üostibus credo.
fnt. Zuletzt bietet der Codex (von hier ab hip. pag.) Auszüge
aus den Patres: (r. Maj.) incipit dicta ex libro questionum beati
augustini üipponensis. | Cum deus unus sit dicente scribtura,
dann aus Hieronymus, aus dem über beatf! florentine editum a
domino isidoro spalensis episcopo capitulo - iiii • , Visio decima
daniclis, Historisches aus Isidor (?), aus der doctrina de libro
iüesu ülius sirac, dicta dni Ambrosii u. s. w.
14, 27
2« m. 181 foll. s. XV.
Enthält nach gleichzeitigem Index: Lactantius de falsa reli-
gione aduersus gentes libri vii, de ira dei über i, de opificio
hominis über l, Epitomma libri septimi über i, Versus de fenice
über i.
15, 8
20 m. bip. pag. 163 foll. s. YIIT/IX in westg. Schrift. 1
Das erste Quaternionenzeichen steht f. 8 V , das letzte xxi f. 163 v ;
letzterer hat nur fünf Blätter. Die Handschrift hat zahlreiche
3 Heterii et Beati ad Elip. epistolarum lib. II (96, 977 M.). — 4 Espaßa
sagrada XI, 325.
1 Exempla scr. Vis. tab. X—XII. Nach Burriel in Areval’s Is. opp. I,
p. 320 geschrieben ,ante Maurorum irruptionem“ und ,ex secretiori Sa-
720
v. Hartei.
arabische Randnoten; sie enthält Isidor’s Origines. f. l r a Isidor
an Braulio.- Dum a mihi litteras —. DesglO ()ia non ualeo te
pfruere —. Desgld Omni desiderio —. Braulio an Isidor. 5
0 pie —Isidor an Bratdio. 1 ' Quia te incolomem —. Braulio
an Isidor. 1 Solet repleri letitia —. Isidor an Braulio. 8 Tuq sci-
tatis epstle —| (abwechselnd r., gr., gelbe und sclnv. Zeilen) capita
libri aethymologiarum ut ualeas que requiris cito in hoc corpore
inuenire. haec tibi lector pagina monstrat de quibus rebus in
libris singu*lis (i «ras.) conditor Imins codicis disputauit id est
in libro primo pars etc. | In nme dni incipit über aethymo/7/
logiarum beatissimi isidori eclesie spalensis epspi prcuatio totius
libri | Dno nro et dei seruo braul'oni epspo ysidorus. | En 0 tibi
sicut pollicitus sum — . Dann folgt der Capitelindex des 1. Buches
und dieses selbst. Der Abschnitt de aetatibus schliesst f. 44' b
Eraclius xvii • v dcccxxi | decimum aget annum | iudei in spania
xpiani efficiuntur | Residuum sexte etatis tempus do soli | est cogni-
tum. | Das glossem. 10. Buch schliesst f. 93 r b presores Lbr xi. |
(Maj.) item pars scda. Darauf der Capitelindex des 11. Buches
und dieses selbst. Die Handschrift schliesst f. 163 v a ignis ardore
siccetur. | (Maj.) conticuit tandem factoque hic line quieuit,
worauf ausser arabischen Noten von etivas späterer, aber westg.
Hand eine Reihe spanischer Städtenamen folgen: Elisipona. Osso-
nuba. Egitunia — Carcassona. Elena.
Nach Buch 4 corpus curatur finit ist die freie Columne
f. 36 v b angefüllt mit folgenden Bemerkungen über die Musen in
westg. Cursiv: iNT(errogatio) 10 Musa unde dicta. it(e)S(ponsio)
musa enim — explicit interrogatio d nouem nominib musa-
rum | Incipiunt uersus earundem musar(um) | Historias primo
rer(um) canit ordine clio — poemate calliope p(er)lustrat nona
libellos.
crarii (Toletani) tabulario, ubi latebat, ad bibliothecam nonnisi a 1727
transiit 1 . — 2 Braulionis ep. 80, 649 M. = Is. opp. VI, 561. — 3 Ib. VI,
562 = 80, 649 M. — 4 Ib. VI, 574. —- 5 Braulionis ep. 80, 650 M. —
6 Is. ep. VI, 575 = 80, 651 M. — 2 Ib. 80, 654M. = Is. VI, 580. — 8 Ib.
VI, 580. — 8 Is. Etym. III, 1. — 10 Mitgetheilt in den Exempl. tab. XII.
Die Gedichte des Antli. lat. nr. 88, 664 K. (vgl. Burmann ad Antli. I, 52)
stimmen nicht.
Bibliotheca patrum latinorum Hispaniensis.
721
15, 9
40 min, m. bip. pag. non nura. foll. s. XI ufc uidetur in vrestg. Schrift.
Die Handschrift enthält Isidor’s Origines. Vorangeht die Cor-
respondenz mit Braulio. f. 1 v Isidor an Braulio: 1 Dum a me
litteras —. Desgl. 2 Quia non ualeo —. Desgl. 3 Omni desi-
derio —. B. an IsA 0 pie domne —. Is. an B. s Quia te in-
columem —. B. an IsA ()olet repleri —. Is. an B. 1 Tuij sci-
tatis —. Dann folgen die capitula libri ethimologiarum —. En
tibi s —. Am Schlüsse des 6. Buches Eraclius v dcccxxm iudei
in spania xpiani efficiuntur. Residuum sexte etatis tempus deo
soli est cognitum —. Am Schlüsse des Ganzen ignis ardore sic-
cetur ein Zusatz s. XII: cum animaute'm 9 quam plurimos hoies
grauiter errare in uiam morum maxime existimaui fore.' succur-
rendum opinioni eorum. Si deus est animus nobis ut carmina
dicunt bic tibi pcipue sit pura mente colendus.
Auf dem Vorsetzblatt stehen in ivestg. Schrift s. XI kirch
liche Bestimmungen, wie: Ita post cominione (sic) usque nudius
tertius contineant caste. Mulier menstruosa in die sco pasce
resurrectionis tantum carnem benedicti agni edat u. dgl.
15, 12
20 m. bip. pag. non num. foll., in era 053 (i. c. a. 915) in westg. Schrift. 1
Enthält Isidorus de summo bono. f. I 1 ' am unteren Rande
steht: Es de la S ta iglcsia de Toledo y de su bibliotheca Magister
Christophorus Palomares bibliothecarius. Die Quaternionen sind
bezeichnet von n bis xi. Im Anfang fehlen mindestens sechs Blätter,
die übrigen sind ausser Ordnung. Der Text beginnt: ///umanitas 2
axpo suscepta gratia est in trinitate. f. 13 v auf dem äusseren
Rand: Ab liinc | teodemirus. Das 1. Buch schliesst: et nos ascen-
suri sumus am. (r. Mag.) explicit über primus. Am Schlüsse
des 3. Buches: non quos celestis aula letificandos includit. Finit
II kls aprilis ora vn in era dccccL 111 Amen do gras, teodemirus ac
1 Braul. ep. 80, 649 M. = Is. opp. VI, 561. — 2 Ib. VI, 562 = 80, 649 M.
— 3 Ib. VI, 574. — 4 Ib. VI, 575 = 80, 650 M. — 5 Ib. VI, 575 = 80,
651 M. — 6 80, 654 M. = Is. VI, 580. — 7 Ib. VI, 580. — 8 Is. Etym.
III, 1. — 9 Disticha Cat. ed. Hauthal p. 3.
1 Die Exempla scr. Vis. bieten tab. XX eine Probe. — 2 Isidorus de
summo bono VI, p. 120, c. 3, lin. 8. Vgl. über die Handschrift Areval
Isidoriana I, c. 40, §. 57 = Is. opp. I, 320.
722
v. Härtel.
si indign' scripsit orate pro me. Darauf folgt von gleichzeitiger
Hand: Quätu perfectionis caritas in se fundatis habeat. Ergo
si earitatem do teneamus et proximo decorde puro — fragilitat///.
Hierauf acht Zeilen ausradirt. Doch schrieb Teodemirus nicht
den ganzen Codex, in welchem, ivie auf dem in den Exempla mit-
getheilten Blatt zwei Hände sich unterscheiden lassen. Auch steht
f. lo T am Bande: ab binc teodemirus.
15, 19
mernbr. fol. s. XI in westg. Min. 1
,Enthält Isidors Etymologien. Die Chronik schliesst wie ge
wöhnlich/ Ewald S. 319.
25, 48
(Zelada) 4° min. m. 58 foll. s. XIV.
Die Handschnft, mit zahlreichen, aber fabriksmässig aus
geführten Bildern, enthält in italienischer Sprache Barlaam et
Josapbat. f. I 1 ' In quello tempo ehe se comenciono li monysteri
edificare et la moltezza de monaci — f. 58 r senga alchuna man-
checa. Darauf folgt ein Mariengebet mit der Bemerkung: Qui-
cumque hanc orationem dixerit dum missa canitur si non fuerit
in pcco mortali sine penitentia mori non poterit. insuper habet
a domino papa Innocentio quarto pro indulgentia omnium de-
lictorum suo« annos sex et cclx dies.
27, 5
(Zelada) 20 m. non num. foll. s. XV/XVI.
Auf dem Vorsetzblatt Eomae 1689. Glänzend ausgestattete
Handschrift mit Miniaturen, wie die Handschrift aus Valladolid
gleichen Inhalts, welche im Anfang Hieronymus, den rechten Fuss
auf einen Löwen stemmend, und die Geburt Christi darstellen, f. l r
in schöner Renaissance-Umrahmung in bunten May.: interpretatio
eusebii caesariensis edita per beatum hieronymum et ipsius
prosperique additiones de temporibus. Eusebius hieronymus
vincentio et galieno suis salutem. | Vetus 1 iste disertorum —.
Vor den eigentlichen Chroniken ist eine Seite von einem antikisiren-
den Altar gefüllt, der in goldenen May. folgende Inschrift trägt,:
1 Von Loewe nicht beschrieben.
* Hieronymi praef. in Chronica (Eus.) VIII, 1.
Bibliotheca patram latinorum Hispaniensis.
723
adiuro tc quicunque Los descripseris libros per dominum nostrum
iesum ckristum et gloriosum eius aduentum in quo ueniet iudi-
care uiuos et mortuos nt conferas quod scripseris et emendes
ad exemplaria ea de quibus scripseris diligenter et hoc adiura-
tionis genus similiter transcribas et transferas in eum codicem
quem descripseris. Hieronymus’ Chronik schliesst: et Valentiniani
iterum omnes anni vdixxix. liucusque hieronimus presbiter or-
dinem pr^cedentium digessit annorum. nos que consecuta sunt
adiicere curauimus. Prosperi additio. Igitur 2 Valente —Valen-.
tiniano vi et Nonio conss. vdcxlvi.
27, 28
80 altior. m. bip. pag. non num. foll. s. XII.
Der Band enthält zwei Handschriften, 1. s. XII in Spanien
yeschrieben. f. l r (oben) rn. s. XIV als Index: Vida di sant isidoro
E cronica d' lucas diacon. h’r d'fontis (sic = habetur de fonte)
Thes toletan | (r.) Incipit jiemium in uita sei ysidori archiepsul'
yspalensis. | ()reclara 1 btissimi doctoris — f. 2 r a comendet ma-
teria. | (r.) incipit uita bti ysidori epi yspaniarum doctoris. |
()gitur ut egregius confessor ysidorus — f. 19 r a quod in hoc
opere duximus annotandum. | (r.) incipit alfabetum oronis ad
teptamenta repellenda aduersarii et dei gr'am f pmerendam edi-
tum a sce recordationis ysidoro yspalensis ecce archiepo. |
()udi 2 xpe tristem fletum etc. f. 21 v b ad sanctum masonum
em'iterisem archiep'm und andere Briefe. 3 f. 30 r b iterum g'ra
tua recipiam. Et manu sua. Ora q> nobis beatissime dne. |
(r.) incip obitus ei’dem scissimi doctoris. | ()um igitur 4 gl'iosus
doctor ysidorus diuersis coruscaret — f. 36' b et regnat in scla
sclo^ am [ (r.) Incip adbreuiatio braulii cesaragustani epi de
uita sei ysidori yspania* doctoris. | ()sidorus 5 uir egregius natione
cartaginensis a patre se'uiano — f. 39‘ b int'cessionibus jmenire
mereamur. amen. | (r.) Incipit qdogus in translatione sei ysidori
epi yspania^ pmatis. | ()ue c digne non plures ualent — t. 40 r a
2 Chronica Prosp. append. p. 209.
' Vita s. Isid. (Is. opp. II, 452). — 2 Lamentum poenitentiae (Is. VII, 350).
— 3 Nach Ewald sind es die Briefe Is. opp. VI, p. 561. 562. 563. 564.
573. 576. 577. 580. Migne 80, 650 und Is. opp. VI, 575. — 4 Is. II, 477
append. 2, cap. IX. — 5 Is. II, 488; vgl. I, 8. — 6 Ib. II, 492.
724
v. Härtel.
tanti ueneratio confessoris. | (r.) Incipit translatio s‘ ysidori epi
yspania* doctoris. | ()egente 7 sco gregorio papa felicit' — f. 59‘a
cörpumque gloriosa beneficia ipetratur. p. d. nrb ■ i • x.
Die zweite Handschrift s. XIII enthält Lucas Tudensis.
34, 41
(Zelada) SO m. 223 foll. s. XID/XIV.
Die in Frankreich geschriebene Handschrift ist wegen der vielen
• Miniaturen werthvoll. Sie enthält drei verschiedene Bestandtheile,
1. f. l‘ff. ein Kalendarium mit Figuren, welche die den einzelnen
Monaten zukommenden Verrichtungen veranschaulichen, 2. f. 11 ff.
ein Psalterium, Gebete, Litaneien u. dgl., darin grosse Miniaturen
auf Goldgrund, wie f. 117 r eine Krönung Mariae, 3. f. 164 ff.
Deortionarius, Theil einer etwas späteren Handschrift, mit besonders
zierlichen Miniaturen. Auf dem Nachsetzblatt in. s. XIV: Chest
a colnet lamquier | de le valle damiens demoujrant en la rue
de tripes.
35, 1
2» m. Sip. pog. 175 foll. (1—215 Seiten, I—CXXYI Seiten) s. IX/X.*
Enthält das Breviarium Mozarabicum. Je zwei nicht numerirte
Blätter gehen vor und folgen nach. Das Papiervorsetzblatt bietet
auf der einen Seite in spanischer Sprache ein Inhaltsverzeichniss:
Este tomo contiene los psalmos los canticos y los hymnos. Los
salmos son 101 que acaban en la pag. 152, y los canticos en
la 215. Todo lo que se sigue de numeracion romana son los
hymnos y asi estos coino lo antecedente se imprimio en el Bre-
viario Muzarabe en este and de 1775, auf der anderen eine
lateinische Notiz, die sich mit Rücksicht auf die Inscriptionen zu
Ps. 147 und 148 in Vermuthungen über die Schreiber der Hand
schrift (ob Abundantius presbyter oder Maurus, richtiger Mauri-
cius ?) ergeht, dann eine zweite, unten in der Anmerkung (3) mit-
getheilte. Am Rande dieser Seite stehen endlich zwei Notizen in
spanischer Sprache jüngsten Datums, die erstere auf die Hymnen,
die andere auf den Text der Psalmen bezüglich, über den unter
Anderem gesagt wird: que los salmos no son segun la translacion
de S n . Geronimo ni segun la interpertacion latina liecha de los
7 Ib. II, 493.
1 Die Exempla scr. Vis. bieten tab. XXVII eine Probe.
Bibliotheca patrum latinorum Hispaniensis.
725
70, ni de la Vulgata antigua; sino una translacion hecba por
san Isidoro segun el parecer de muchos eruditos. Ano de 1805.
f. l r a (Maj.) in ne dni incipit über psalmorum scdm dd.
propheta profetia dd Sei///////("3—4 Buchstaben abgescheuert) osibe
fruetu iusto% et interitu impiorum incipit primus psalmus.' 2 1 In lege
domini fidt uoluntas eius die bac nocte in lege eius meditabitur.
Beatus uir qui non liabiit in consiüo impiorum — cum sco spu
in gla di patris amen. | (r. Maj.) incipit prologus ymnorum |
Miracula primeua 3 etc. | (bl. Maj.) incipiunt ymni de toto circulo
anni ymnus de aduentu dni et scoru festiuitate ter mixtus qui in
matutinü dicendus est quando aduentu dni incipitur. | Gaudete 1
flores martirum —.
35, 2
80 mai. m. 121 foll. s. XI/XII in westg. Schrift. 1
Im Index breuiario gotico genannt, enthält das Breviarium
Mozarabicum. Vorne: este codice Muzarabe. I. Blatt (nicht num.)
Sol agnouit occasum suum etc. in kleiner Schrift mit Neumen,
dann ohne Noten in grösserer: xpe precamur annue mixtasq.
uoces fletibus und der gleiche Wechsel wiederholt sich. f. 120 y
(r.) Finit do gras hie über p man' ferdinädum ioftns psbitr |
eglesie sca« iuste et rufine ciuitatis Toleti in mense apriüs | 0
frtr quisquis legerit ora pro me emenda eum prudenter et noli
me | maledicere si dnm rirm ilim xpm abeas protectorem.
2 Vgl. Breviarium Goth. ed. Lorenzana (1775), der seiner Ausgabe diesen
Codex zu Grunde legte. — 3 Auf dieses akrostiche Gedicht, welches
nachLoewe: mauricus obtante ueraniano edidyt ergibt, bezieht sich die
Bemerkung auf dem Papiervorsetzblatt: Quid uero Mauricius liic per
uerbum edidit uoluerit intelligi, an se collectionis hymnorum a se in
unum corpus redaetorum auctorem significet an vero alterius antiquioris
codicis descriptorem se tan tum in Veraniani gratiam profiteatur, penitus
ignoro. Ulterius notandum quod in hoc codice in hymno s. Thyrsi
deest Strophe illa: Templum hoc domina Cixilla condidit | Dignam hie
habeat et cel quae in Cisneriana Breuiarii Muzarabiei editone legitur
fol. CCCXLIIII et ex qua si esset codicis etas per Cixille aetatem con-
jectari posset. — 4 Daniel tlies. liymn. IV, 57.
1 Die Exempla bieten tab. XXX eine Probe, sowie das Specimen bei
Merino, tab. II, n. 2 (Delgras, tab. 2, 2 n. 3) aus ihm nach der Ver-
muthung der Herausgeber der Exempla stammen dürfte. Vgl. auch
Haenel, Catalogi librorum mss. p. 997.
726
v. Härtel.
35, 12
80 mai. non num. foll. s. XY.
Die durch kostbare Miniaturen ausgezeichnete Handschrift
steht unter den Reservirten und trägt den Bleistiftvermerk: — 6 a
— 3 Misal antiguo Toledano. Auf dem Vorsetzblatt steht: Anno
1798. Codex ms. magna cura pretioque maximo in Urbis direp-
tione redemptus. S. Ecclesie Toletane dono datus a suo Prae-
sule Card le de Lorenzana ~ boc Missale ante saeculum xv. con-
fectum absduuio (sic) est Hispanum et fortasse S. Ecclesie Tole-
tane. nam in eo recensetur in kalendario Festum S. Marie de
Pace post festum S. Ildefonsi, translatio prima S. Eugenii primi
episcopi Toletani et alia propria S. Ecclesie Toletane.
35, 14
20 m. m. non num. foll. s. XI.
In der Handschrift Bemerkung des Octavo: Misal antiguo
del monasterio de Sabagun. Auf dem Rücken: Missale s 1 ' Fa-
cundi, in der Handschrift selbst: Missale S t] Facundi. Das Mis
sale hat interessante Initialen und Zeichnungen, f. l r (r. Maj.)
per omnia secula seculorum. dominus uobiscum sursuni corda
abemus ad dominum, gracias agamus dno do nostro. dignum
et iustum est. f. 1 v uere dignum etc. Die letzten Rubricae sind
ad clericum faciendum. ad monacum benedicendum. Dann
folgen verschiedene Weiheformeln. Qonsecramus et scificamus banc
pateram. Zidetzt Zusätze meist gleichzeitiger Hände: (r. Maj.)
exorcismu salis. | Exorcizo te creatura salis —. (r. Maj.) bene-
dictio salis et aque dns uob. | Deus inuicte uirtutis —. Dann
folgen Gebete. Die letzten drei Seiten füllt ein unvollständiger
Brief kmo et amantissimo blio et p inuoeationem di patri mox
futuro domno • b ■ abbi. fr. h. peccator salutem. et cum sua bene-
dictione eä quä extra aliorum sortem liberorum filio suo iosepb
pater isrl rebquit benedictionis portione. Lectis litteris uestris
quanto gaudio exultauerim quantas do laudes et gras cordi (sic)
potius quam ore retulerim — si bis insignibus fueritis insignitus
confidimus in miscda di qm |
38, 20
(jetzt bez. Reserv. — 6.—2, ältere Sign. A III 20) 80 obl. m. non num. foll. s. XI.
Liber euangeliorum. Auf dem zweiten Vorsetzblatt: Anno
1798. Codex M. S. perantiquus magna cura pretioque maximo
Bibliotlieca patrum latinorura Hispaniensis.
727
in urbis direptione redemptus et Ecclesie Toletane dono datus
a suo Praesule Cardl. de Lorenzana. Von anderer Hand: Hie
codex redolet seculum x. sivexi.; nulla etenim in hoc euan-
geliario festiuitas reperitur seculo xi posterior. Die Handschrift
ist wohl in Spanien geschrieben. Die Miniaturen sind viel später
beigefügt worden. Am Ende eines Abschnittes m. s. XIV: 1
Mater digna dei uenie lux porta diei
Sis tutella rei duxque comcsquc mei
Nata dei miserere mei lux alma diei
Digna coli regina poli me linquere noli.
43, 5
20 minor. m. bip. pag. non num. foll. s. VIII (?)—IX. in westg. Schrift. 1
Die Handschrift enthält das Fuero juzgo und gehört jeden
falls dem IX. Jahrhundert; sie zeigt nicht die alte gedrückte Schrift
wie der Toletaner Isidor, zeigt aber denselben Charakter wie spätere
Handschriften; sie ist am Anfang und Ende verstümmelt. Am
Rande befinden sich zum Theil sehr ausführliche arabische Noten.
Das Pergament ist Ausschuss. Am Ende der Quaternionen stehen
die Anfangsworte des nächsten verzeichnet; eine andere Quater-
nionenbezeichnung fehlt.
47, 4
2° m. bip. pag. s. XIV und XIII.
Die Miscellanhandschrift ist mit ihren zahlreichen Eintragungen
für spanische Geschichte von Wichtigkeit, f. l r a (r.) Incipit pre-
facio Cornelii ad salustiu in hystoria daretis frigii de excidio
troia|no (a in e corr. m 2 ) | Cornelius nepos salustio crispo suo
salutem. Cum 1 multa athenis curiose ago —. (r.) Incipit hystoria
daretis frigii de excidio troiano. | Peleus (eus in ras.) rex
in peloponneso esonem — pugnatum est annis x mensibus vu. 2
()uis 3 Troyano* quem greco* — et helenum •) ■ cc. | (Maj.) Ex-
plicit ystoria troiana. incipit enee troya/// exitus et ei us ad italiam
aduentus. Qneas 4 ut superius digestum est dum regem neo-
1 Vgl. Morel, Lat. Hymnen d. M. Einsiedeln, 1868. S. 115.
1 Die Exempla scr. Vis. bietet tab. XVII ein Facsimile. von fol. 83 r .
1 Daret. Phryg. ed. Meister p. 1. — 5 Ib. p. 52, 5. — 3 Ib. praef. p. VIII.
728
v. Härtel.
ptolemo achillis filio — cepit albana ciuitas rome subiecta esse.
Auf der folgenden Seite steht nur
quisquis es hac ede talis rota que notat ede
Pro pente pede (prorepente fort.) nisi dixeris ista recede.
Hierauf folgt nochmals der Dares Phrygius bis pliano Helenam, 5
dann Primo interrogentur clerici utrum sit aliquis qui uiuat in
peccato mortali publico —. Notum sit omnibns q> cnm inter
nos R 1 " archiepiscopum Toletannm ex una parte (ein Vertrag) —.
Cronicon fratris Martini, auf dieses Bruchstücke juristischen
Inhalts, dann das Gedicht (r.) interrogatö discipulorum ad
xpra per nersus. | Discipulis bis sex qnibus est commissa dei
lex — mit der responsio xpi ad discipnlos. Ferner qualiter et
(diese Worte so vorausgesetzt) De locis in quibus passi
fuerunt -xn- apl'i sen aliter obierunt. In cruce petrus obiit
i
romam dum pdicat urbem —. | uersus ifui x et beate lnarie ab
incarnatione us$ ad diem iudicii : Uirgo salutatur pauet annuit
et grauidatur —. | isti uersus sunt scripti in porticu b'ti iobis
lat'an | docmati papali datur ac simul imperiali —. | isti uersus
sunt scripti in eccl'a inferiori ubi iacet corpus beati francisci
in quibus tangitur conuersio et conuersatio eiusdem. | Vestes
largitur equiti quem uidit egere etc. Angabe der Namen xn fra-
trum iuniorum qui primo erant recepti a beato franeisco
Angelus recepit lacrimam flente iliu et dedit marie magdalcne
in quodam uasculo et fleuit de’ pro nobis licet uideretur flere
pro Lazaro. | Est lamentatus deus olim —. Dann folgt eine
spanisch geschriebene Chronik und auf diese die Verse: 0
Pergama flere uolo fato (o ex a) danaum data solo
Solo capta dolo capta redacta solo,
hierauf liec sunt stationes et dedicationes ecchw urbis romane
quas constituit beatus gregorius papa —, am Ende dieses
5 c. 10, p. 12, 25 M. — G Huomer, Mittellat. Analekt. S. 13.
Bibliotheca patrnm latinorurn Hispaniensis.
729
Stückes Vrit amoi’ p idem elenä rapit armat atridem | Ylcio pu-
gnatur fit machina t.a 7 crematur. Eine ausführliche spanische
Chronik bildet den Schluss der Handschrift. 8
49, 3
(Zolada) 20 min. m. non num. foll. s. XV.
Enthält Caesars Commentarii de hello gallico.
49, 10
(Zelada) 80 mai. non nnm. foll. a. 1434.
f. 1 r ist mit Miniaturen umrahmt, sowie in den Initialen jeder
einzelnen Vita das Brustbild des Kaisers eingefügt ist. Auf die
fünf Hexameter: Cesareos 1 — peregit folgen Suetons Vitae Cae-
sarnm, an deren Schluss: explicit de Domitiano imperatore ultimo,
deo gratias. Amen die xmi Augusti 1434. Darauf von anderer
Hand: Gai Suetonii Tranquilli Vita feliciter incipit. Caius Sue-
tonius Tranquilus Suetonii lenis (sic) filius unde eciam — de-
formaret. Haec Domicius Calderinus. 2 Auf der letzten Seite:
hoc quoque in ordine adest memorandus. C. S. Tran, isto —
consularis fuit.
49, 15
(Zelada) 80 ni. non num. foll. s. XV.
Enthält die Vitae des Cornelius Nepos von Atticus bis Phocion.
f. 1 r im linken Felde oben und im rechten unten über zivei goldenen
Lilien drei rothe Zinken, parallel daneben je drei silberne Halb
monde auf rothem Goldgrund.
49, 23
(Zelada) 80 min. m. s. XIII in.
Die Blätter 12 und. 13 und 54” bis zum Schlüsse sind von
einer Hand, s. XIV ex. ergänzt: von diesen Blättern sind 58—61
Palimpsest. Die erste Hälfte der Handschrift ist mit zahlreichen
Glossen ausgestattet, f. l r Omnis 1 lioies qui student — atque
7 Loewe vermuthet in dem eigentümlichen Zeichen dia; ich möchte
nach dem Facsimile troia lesen. — 8 Darüber und über die anderen
geschichtlichen Stücke vgl. Ewald, Reiseber. S. 321.
1 Ausonius XXI, 1 (p. 112 Sch.). — 2 Ueber Domizio da Caldiero vgl.
Voigt., Wiederbel. II, 134. 396.
1 Sallustius de coni. Cat. 1.
Sitznngsber. d. pliil.-hist. CI. CXII Bd. II. Hft. 47
730
v. Harte 1.
gaudia agitabantur. | Falso 2 queritur — et ei dirca (sic) e
jmincia gallia. | Expli cit salnstii gaij crispi über
Si cupis ingnotuin iuste nosc'e leturn
Tarpeie rupis pulsus ad yma ruit
Historie scriptor negat astorosius istud
Carcere nam nectus s§ sic t p crimine fertur
Am deo gras
Auf dem Nachsetzblatt T : Versus amor mundi caput (t ex d m 2 )
est sinn bestia terre und von anderer Hand: bos nunquam
fatur truncato capite fatur.
100, 9
(Zelada) 20 m. non num. foll. s. XV.
? ? ?
Auf dem ersten Vor setzblatt m.s. XV: Visto per me B hü hai-
dell— a di 4 de iugno 1459. Desgleichen auf dem zweiten: Marii
Maffei Volaterran paternü volumen antequam nasceretur an xxiq
dann von Bibliothekarshand: Brutus siue de Claris oratoribus
lib. i Orator ad Marc. Brutum. f. l r Cum e cilicia — magis opor-
tunorum. Utrum difficilius — me inprudentiam suscrepisse |
Marci Tulli Ciceronis orator explicit feliciter. Amen.
100, 11
80 m. non nun. fol. s. XIII in.
Die Handschrift zeichnet sich durch bunte und sehr 'phan
tastische Initialen aus. f. 1 Sepe 1 et multum hoc me cum cogi-
taui — n paf continet litterarum q restant in reliquis dicemus; |
Etsi 2 negotiis familiaribus — rationes pceptionis diligentia cseq-
mur et exercitatione. | (Mag.) Marci Tullii Ciceronis ad heren-
nium explicit.
100, 14
(Zelada) 80 altior. oblong. 172 foll. s. XV.
Enthält Ciceros Reden f. I 1 ' pro sexto Roscio, f. 23 r pro
Lucio Murena, f. 41 v de provinciis consularibus, f. 50 v de re-
sponsis aruspicum, f. 64 v In uatinum (sic), f. 69 r pro M. Cornelio,
f. Bl 1 ' pro Marco Celio, f. 95 r pro Publio Sextio, f. 112 r pro
P. Sylla, f. 128 v pro domo sua — f. 158 r collocetis. Amen. |
2 Iugurtha c. 1—114, 3.
1 Cicero de inventione.
2 Ad C. Ilerennium.
Bibliotheca patrum latinornm Hispaniensis.
731
(r.) Laus tibi xpe qfi über explicit iste Nunc iugilasse (oder
uigilasse) iuuat dulce est meminisse labo4 | Amen. f. 158 v ist
leer. f. 159 r (r.) Pro C. Rabirio Postbumo ofo incipit feliciter. |
Si quis est — subuenissent. Amen. f. 166 r (r.) Pro C. Rabirio
perduellionis oro incipit felicit' | ()tsi quirites (mit einer grossen
Lücke nach f. 169 v zwischen concedis inter und f. 170 1 ' nobis dabit)
— f. 172 v capitolio improborum ciuium. Auf dem Nachsetzblatt
m. s. XVI: ama dio e no falif falir fa pur bene | e lasa dir.
100, 16
(Zelada) 80 minor. m non num. foll. a. 1462.
f. 1 und 2 m. s. XV Grauiter 1 et iniquo — fidem babens |
explicit inuectiua. Die eigentliche Handschrift enthält Ciceros in
Catilinam 4 inuectiuae — prestare possit finis. m. t. c. inuectiue
quatuor | in catilinam expliciunt | foeliciter | manu sua | 1462.
Die beiden letzten Blätter (das letzte von derselben Hand wie das
erste Blatt der Handschrift) enthalten M. T. C. inuectiua in C. Salu-
stiurn prima | ()a demum' 2 — tuae qm tu multum te uero. Auf
der letzten Seite stehen fast unleserliche, stark verbleichte Abschriften
zweier lateinischer Inschriften: 3
VECANI
VOLVSI
? ?
AUG CAS
.. RI ... XII FVL
R VILIA FELI GISSIMA
?
ATRONO OPTIMO
?
ET SIBI FECIT
CONIVGI CARISSIMO
QVMQVOVIXANNXXXX
V0LVSIAPR1MITIVAE
VOLVSIAEXPECTATE
SIBIVEDOVAFECIT
Auf dev am Deckel festklebenden Seite: Ven lis dns Io de rocherta
? ? ? ? ? ?
p’or cluniacen ex ord in socu C pcur hunc librum mihi angelmo
de regeri villa dedit sub anno 1493. Dann folgen Notizen von
März bis Juni 1498, wie z. B.: Die xxv Maij 1498 accepi a
Willielmo floriis et sociis mercatoribus vm duc infra tres merises
rome psolvendos.
1 C. Sallustii Crispi in M. Tullium Ciceronem declamatio (Cic. opp. tom. XI,
p. 147 ed. Baiter et Kayser). — 2 Ib. XI, 149. — 3 Die Inschrift links
ist Copie eines noch heute in Capua befindlichen Steines (C. I. L. X,
3895 = I. N. 3895); das Original der anderen C. I. L. X, 3950 = I. N. 3649
ist heute verloren.
47*
732
v. Hartei.
100, 19
iZelada) 20 m. non nura. foll. s. XV.
f. l r unten ein Wappen, von Flammen umgeben, darstellend
einen Pelikan, der sich rupft, f. l r Non eram 1 nescius Brüte —
perreximus onines | (Maj.) Explicit über de finibus per me dida-
cum liispalensem feliciter. Weiter unten: Io. Pontani, von dem
einige Verbesserungen am Rande herzurühren scheinen.
100, 25
(Zelada) 80 maior. m. 112 foll. s. XV.
Die UÜberschriften der einzelnen Bücher in Goldschrift.
Buch 1: Marti tulii ciceronis tusculanarum (na ex no) questionum
ad brutum über primus incipit foeliciter | Cum defensionum labo-
ribus — inueniri leuatio (r.) Expliciunt questiones tusculane.
100, 27
(Zelada) 40 m. non nnm. foll. s. XV in.
f. l r (r.) Liber marci tulii ciceronis epl'arum ad publium
lentulum primus incipit feliciter j Ego 1 omni officio — (auf der
vorletzten Seite) ama uale j (r.) Marci Tullii Ciceronis Epl'a% ad
Tironem Explicit. Auf der letzten Seite: Epistola. C. Fabricii
et emilii. Consulum Romanorum super prodicione — regem
uenenis necare. Nos tuis iniuriis ■— tu nisi faueas iacebis. | (r.)
Cesar Oppio salutem. Cornelio salt. d. Epla Cesaris ad Oppium |
Caudeo 2 me bercule uos — in hunc statum pueniret finis (r.)
Est micbi solamen diuini spiritus amen.
101, 42
80 m. non nnm. foll. s. XV.
Enthält die zwölf letzten Stücke des Plautus, von Truculentus
nur den Anfang.
101, 43
8° ni. non nnm. foll. a. 1457.
Enthält die Stücke des Plautus; der Epidicus fehlt.
1 Cicero de finibus.
1 Cic. epist. ad fam. I—XVI, 27. — 2 Cie. epist. ad Attic. IX, 7 C.
Bibliotheca patrum latinorum Rispaniensis.
733
102, 18
8<> oblong, non num. foll. 8. XIII.
Enthält die Gedichte Claudians. An das f. 1 mit Quid con-
sanguineas beginnende Fragment reihen sich folgende Gedichte an
(nach Gesner’s Zählung): 11, 9, 10, 15, 21, 22, 23, 24, 27, 28,
19, 20, 6, 7, 8, 16, 17, 57, 41, 42, 53, 74, 76, 55, 72, 73, 70,
46, 77, 68, 37, 92, 91, 84, 39, 47 (? Felix qui propriis), 44,
48, 25, 26, dann folgen auf temnere gentes (26, vs. 647) explic
claudi’ claudianus | De saluatore xpe 1 potens rer redeuntis —,
40, 29, 85, 54, 86, 78, 87, 69, 45, 79, 82, 89, 50, 51, 43, 52,
80, 39, 74, 83, 30, 31, 49 (abrupt schliessend mit vs. 64 Spumeus
eliso pellitur igne uapor).
103, 17
(Zelada) 80 m. non num. foll. s. XV.
Enthält in italienischer Sprache le fatiche di Ercole, vor
jedem derselben ein buntes Bild traditioneller fabnksmässiger Aus
führung.
(Ohne Nummer)
40 m. non num. foll. s. XII.
Die im Anfang verstümmelte Handschrift steht unter den
Toletanern und stammt aus dem Conventus sanctae Mariae de
Feiraria; auf dem leeren Raum zwischen dem Martyrologium und
der Regula Benedicti steht die Abschrift einer Schenkungsurkunde
an dieses Kloster (Era 1274) und am Ende eine Notiz vom Jahre
1171, in welchem das Kloster von dem dompnus Raimundus abbas
berole geordnet wurde. Der Codex enthält 1. ein Martyrologium,
2. die Regula Benedicti: (r.) Incipit regula sei benedicti. abbatis |
Ausculta 1 o fili precepta — culmina deo c ptegente puenies.
Hierauf folgt von etwas späterer Hand: De forma uisitationis:
In facienda uisitatione cautelam —. Ex nimietate debitorum non
tarn piclm qm excidium pluribus iam monasteriis nri ordinis
noscitur inminere —. Commemoratio patrum nostrorum matrum
fratrum —.
1 Claud. ed. Jeep append. II, p. 702.
1 Benedicti reg. 66, 215 M.
734
v. Har tel.
P 21
(alte Bezeichnung, nach den Katalognotizen ohne Bezeichnung) 20 m. bip. pag. 345 foll. s. X/XI.
Auf dem Rücken: concilia gotica. Die Handschrift enthält die
Hispana. 1 Der Rand derselben trägt viele arabische und latei
nische Bemerkungen in westgothisclier Cursive. Die Uebersclinften auf
den oberen Rändern lauten: de excerptis canonum. Das f. l r
füllt ein Labyrinth: superi abbati librü. f. 1 v enthält von etwas
späterer Hand als der des Codex: (r.) decretu bti bonifacii pape qui
quartus fuit post gregorium quod licet monachis sacerdotale
officium ubique celebrare. Sunt nonnulli nullo dogmate fulti —
tanto est potentior. Zwischen f. 1 und f. 2 fehlt ein Blatt, auf
dem der Anfang des Index stand, der f. 4‘a schliesst: in nnine
patris et filii et sps sei incipit über canona totius orbis ius im
periale tenentes editus | incipit uersificatio | interrogatio | Celsa
terribilis Codex qui sede locaris. f. 4 r b nach diesem Gedicht:
DE INSTITUTIONIBUS CLERICORUM LIBER PRIMUS. f. 35 v b epistola
gregorii ad recaredum | regem titulo vii ciia. Darnach ist ein
Blatt mit dem Anfang der eigentlichen Concilien ausgerissen, f. 36 r
beginnt im conc. anchiritanum. Dann folgen die anderen bis
zum conc. emeretensium. f. 260 r b finiunt omne concilia syno-
dalium. f. 260 v a folgt eine Appendix: sententie que in ueteribus
exemplaribus conciliorum non habentur sed a quibusdam in
ipsis inserta sunt. f. 261 v b decreta presulum romanorum. Sedis
apostolice populum etc. f. 262 r Index der folgenden 103 Episteln.
f. 262 1 ' Damasus ad Paulinum: 2 Per filium meiun Vitalem —
f. 345 v b Ioliannis aptli cptle tres iude zelotcs aptli eptla (a
ex e corr.) una.
Tolet. (?) ohne Nummer
m. 20 min. 198 foll. s. XV.
Mit gepresstem Ledereinband. Die Handschrift ist unter den
Toletanern auf gestellt. Aussen am Ende eines Index steht: Cajon
San Rosendo (letzteres Wort wieder in Claudio geändert). Hinter
1 Vgl. Maassen, Geschichte der Quellen und der Literatur des canon.
Rechtes I, 669, n. 8. Eine Beschreibung desselben gibt Gonzales in
seiner Ausgabe der Hispana (Collectio canonum ecclesiae Hispanae
Matriti 1808 praef. p. 15 = Migne tom. 81). Ein Facsimile von f. i 11 r
bieten die Exempla scr. Vis. tab. XXVHT. — 2 Dam. ep. 13, 356 M.
Bibliotbcca patrum latinorum Hispaniensis.
735
dem mit der Handschrift gleichzeitigen Index steht: Croan de Cis-
neros, darunter von anderer Hand: Herrera.
f. 1—10 fehlt, f. II 1 ' beginnt in Hieronymus’ de uiris ill.
& cupiunt esse ut nihil cuiusquam — f. 43 v ideo quasi umbra
secus hominem sunt. Am Iiande von anderer Hand: hie desunt:
Hilarius pictauien Dainasus Gregorius Nazäzenus. f. 44 r incipit
epistola hieronymi ad desiderium epiu | leeto 1 sermone digna-
tionis tuae quem mihi —. f. 46 r gennadii massiliensis episcopi
de illustribus uiris über incipit. Nach dem Index: de Iacobo
episcopo. | Iacobus 2 cognomento —. f. 70 v isidori hispalensis
archiepiscopi de illustribus uiris über. Nach Vorrede und Index
De sixto papa. Sixtus 3 episcopus romanae urbis —. Am Ende
Isidors Leben von Braulio. f. 86 r ildefonsi toletani archiepi über
de illustribus uiris. Nach Vorrede und Index: De Gregorio Papa, j
Gregorius 1 papa romanae sedis & —. f. 95 r isidori ispalensis
episcopi de ortu vita et obitu scorum patrum qui in ueteri ac
nouo testamento uirtutibus claruerunt über. Nach Vorrede und
Index: De adam. Adam 5 protoplastus —. f. 138 1 sigibertus de
laudibus uenerabilis bedae presbiteri | Anno decimo iustiniani
(etivas über zwei Zeilen, offenbar als Einleitung für das Folgende) —.
f. 139 1 ' Liber cronicorum uenerabilis bedae presbiteri. Nach dem
Index f. 142 v de prima aetate seculi de adam | Adam 6 annorum
centum triginta — f. 198 v caelestium praemio* mereamur acci-
pere palmam. finit. Auf dem Vor setzblatt stehen zwei Gedichte
m. s. XV: In laudem clare et generöse palmerie domus.
Palma refert tibi magna tue primordia gentis
Nobilis et priscos aurea sacrat auos —
Eriget & celo se magis atque magis
De eadem
Sante que veneris datur kalendis —
Tollet se magis atque magis tollet.
(Ohne Nummer)
unter den Tolet. Codd. stehend, 80 rainor. m. 152 foll. s. XII.
Als Vorsetzblätter Bruchstücke einer westgothisch geschriebenen
Handschrift, s. X, wo sich z. B. findet:
1 Hier. ep. X, 208. — 5 Ib. opp. 11,951. — 3 Is. opp. VII, 238. — 4 Is.
VII, 167. — 5 Is. V, 153. — 0 Bed. 92, 1174 M.
736
v. Hartei.
Jnitentia tuo« eine martyr«
]uste etrufine sollemnia cole
jrantes quem mercimonio.
Als Nachsetzblatt Fragmente einer auch westg. geschriebenen Hand
schrift, wie es scheint s. XI, mit Neumen. Auf der letzten Seite
des Deckels steht dieselbe Notiz ivie bei der Handschrift s. XV de
viris illustribus: Cajon 23. San Rosendo. A uf dem Papiervorsetz-
blatt steht: Este libro fue extraido del Monasterio de S n Zoil
en 1810. y haviendo venido por casualidad ä manos de D". Miguel
Hervas Pastor Cura propio de la Parroquial de Santa Maria del
Camino de esta villa de Carrion le debolvio al R. S. Abad del
referido Monasterio para que se custodiase en su Archivo como
el mas apreciable documento de la antiguedad. A 24 de Mayo
de 1824. Siendo Pontibce Maximo Leon XII. y Rey de Espana
Fernando VII. Nicht wenig Blätter der Handschrift sind Palim-
psest. Die alte Schrift war westg. und enthielt Schrift mit Neumen
darüber.
f. 1 r Licinianus an Gregor (ex libro regulär) Librum regu
lärem 1 a scitate tua editum — t. 2 V sic obtamus beatissime
papa. | (r.) Incipit über regule pastoral b'i gregorii pape ad
iohem constantinopolitanum epin. Pastoral'-’ eure me pondera
fugere — t. 69 r tui meriti manus leuet. Finito libro. dicatur
gla xpo | (r.) expl' duodecim abusioncs quibus hic mundus
///■ // miserabiliter agitur | sapiens 3 sine operibus bonis etc.
Hierauf folgendes Gedicht:
i. Primus in orbe dies lucis primordia sumpsit
ii. Alter splendiHuis celurn firmauit in oris
in. Tertius undiuagum mare dat cum germine terre
im- Quartus habet fl-bum lunaque sydera coli
v. Quintus pennigeras uolucres piscesque natantes
vi. Sextus quadrupedes reptans bominesque sagaces
vn. Septimus est dno requies bis rite peractis
Quicüque legeris memento scriptoris.
f. 69' (r.j incipit pfacio donni odonis abb in suo libro quem
seripsit^turpioni lemouicensi episcopo | (nach der Adresse) Reco-
ütis 4 dni nri qd dudum mihi iusseratis ■—. Buch 1 beginnt f. 70 1 '
1 Liciniani ep. 72, 689 M. — - Greg. reg. past. II, 1. — 3 Cyprianus ed.
Härtel HI, 157. — * ? ?
Bibliotheca patrum latinornm Hispaniensis.
737
Auctor llllllllllll et iudex omnium deus licet ab ipsa paradisi
felicitate —. Buch 2 f. 88 v Non igitur ut dixeramus —. f. 92 T
Iulianus an Idalius, Bischof von Barcellona: Diemillum 5 clara
redempto« liominum — oracio scriptoris. f. 94 v Deserta
iudea (ex desertum iudee corr.) in ydumea cecus — f. 95 1 ' (r.)
Incipit über • i • de origine mortis humane, cap • i • Quomodo
mors primum subintrauerit in mundu | Peccato primi hominis —,
Buch 2 f. 102 1 ' quomodo se anime defuncto« ante ressurrectio-
nem corporum habeant •—, B. 3 f. 113 v de ultima corporum
resurrectione —, schliesst f. 130 r cuius nullus est finis. | f. 130 v
Glregorius — her. metensi epo 6 — Quod ad perferendos
labores ac pericula pro defensione ueritatis —. f. 132 v (r.)
De fabro sei zoyli translacione n credenti nee eius festa curanti |
Insigne christi atletham —. f. 133 1 ' De uernaculis sata sei zoyli
uastantibus —. De iudeo idem psumenti —. f. 133 T incipiunt
sententie de penitentia salomonis Augustinus ////////////// Sicut//
(i er.) aaron erranti —. f. 135 1 passio sei zoili beginnt nach dem
Prolog: Scs igitur zoilus cordube ciuitatis ex polaris —. f. 140 r
incipiunt tranlatio atq. miracula | Quod tua uir uenerabilis fre
quenter —. f. 148 r Hymnus an seinem Festtage, f. 149 r Wunder
des heiligen Nicolaus.
5 Iuliani Tolet. prognosticon 96, 453 M. — 6 Greg. Reg. ed. Jaffe VIII. 21
(vgl. Esc. b III 2, f. 212).
XV. SITZUNG VOM 9. JUNI 1886.
Der Stadtrath von Pilgram spricht den Dank aus für
die dem dortigen Obergymnasium überlassenen akademischen
Publicationen.
Der Vorsitzende der Centraldirection der Monumenta
Germaniae in Berlin übersendet eine Abschrift des Jahres
berichtes pro 1885—1886 über den Fortgang der wissenschaft
lichen Arbeiten.
Von Herrn Dr. Anatol Lewicki, k. k. Professor an der
Krakauer Universität, wird eine Abhandlung übersendet, welche
betitelt ist: ,Ein Blick in die Politik König Sigmunds gegen
Polen in Bezug auf die Hussitenkriege', und um deren Auf
nahme in das Archiv ersucht wird.
Die Abhandlung wird der historischen Commission über
geben.
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Academia real de la Historia: Boletin. Tomo VIII, Guaderno V. Mayo
1886. Madrid; 8°.
Archeologia e Storia Dalmata: Bullettino. Anno IX, Nos. 2—4. Spalato
1886; 8».
Giessen, Universität: Akademische Schriften pro 1884—1885; 29 Stücke
8° und 40.
Institut, kaiserlich deutsches areheologisches, römische Abtheilung: Mit
theilungen. I. Band, 1. Heft. Rom, 1886; 8".
Lund, Universität: Acta. Ars-Skrift. Tom. XXI. 1884—18S5. Plxilosophi,
Spräkvetenskap och Historia. Lund, 1885—1886; 4°. — Lunds Univer-
sitets-Biblioteks Accessionskatalog jemte Bibliotekariens Arsberättelse
1885. Lund, 1886; 8«.
739
Musöums-Verein in Bregenz: XXIV. Jahresbericht über den Vereins
jahrgang 1885. Bregenz; 8°.
Societä Italiana di Antropologia, Etnologia e Psicologia comparata: Ar
chivier Volume XVI, Fascicolo 1. Firenze, 1886; 8°.
Society, the Scottish geographical: The Scottish geographical Magazine.
Vol. II, Nr. 6. Edinburgh, 1886; 8°.
Verein, kroatisch - archäologischer: Viestnik. Godina VIII, Br. 2. U Za-
grebu, 1886; 8°.
Viclenskabers Selskab, kongelige norske: Norges gamle Love indtil 1387.
1.—3. Bind. Christiania, 1846, 1848 — 1849; gr. 4°.
Wissenschaftlicher Club in Wien: Monatsblätter. VII. Jahrgang, Nr. 8
Wien, 1886; 8°.
XVI. SITZUNG VOM 30. JUNI 1886.
Von Druckwerken sind mit Zuschriften eingelangt:
,Die Wiederholung und Nachahmung in der Mehrstimmig
keit^ eine Studie zur Geschichte der Harmonie, eingesendet
von dem Herrn Verfasser, Professor Dr. G. Adler in Prag;
,Nederlandsch - cliineesch Woordenboek' von Schlegel
(I. Theil, 4. Lieferung), übermittelt durch das k. und k. Mini
sterium des Aeussern;
,Euphronios‘, eine Studie zur Geschichte der Malerei,
2. Auflage, eingesendet von dem Verfasser, Herrn Dr. Wilhelm
Klein in Wien;
,Wegweiser und Katalog zur Revision der Schülerbiblio
theken', übersendet von dem Verfasser, Herrn Jos. Kugler.
Herr Hofrath Dr. F. Ritter von Neumann-Spallart
macht als derzeitiger Vicepräsident von dem Inslebentreten des
internationalen statistischen Institutes Mittheilung unter gleich
zeitiger Uebersendung des ersten Bandes des ,Bulletin de l’institut
international'.
Herr Dr. Oswald Redlich in Innsbruck übermittelt die
von ihm mit Unterstützung der kais. Akademie herausgegebenen
,Traditionsbücher des Hochstiftes Brixen vom 10. —14. Jahr
hundert' (Acta Tirolensia, tom. I).
741
Das Curatorium der Savigny-Stiftung in Berlin beantragt
in einer Zuschrift mehrere Abänderungen in dem Statut dieser
Stiftung vom 27. März 1863.
Von Herrn Jos. L. Grunzei wird mit dem Ersuchen um
ihre Aufnahme in die Sitzungsberichte eine Abhandlung: ,Die
Ableitungsaffixe der Nomina im Osmanischen. Ein Beitrag zur
türkischen Grammatik' vorgelegt.
Die Abhandlung wird einer Commission zur Begutachtung
überwiesen.
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Academie d’Archeologie de Belgique: Annales. Volumes XXXVIII et
XXXIX, 3 e Serie, tomes VIII et IX. Anvers, 1882—1883; 8°.
— Bulletin. 1—4. Anvers, 1885; 8°.
— des Sciences et Lettres de Montpellier: Memoires de la Section des
Lettres. TomeVII e ,II e Fascicule. Annees 1883—1884. Montpellier, 1884;4°.
— des Sciences, Belles-Lettres et Arts de Lyon: Memoires. Classe des
Lettres. Volumes XXI et XXII. Lyon, 1884—1885; 8 n .
Accademia reale dei Lincei: Atti. Anno CCLXXVI, 1883 —1884, Ser. 3 a .
Memorie della Classe di scienze morali, storiche e filologiclie. Vol. XXII.
Roma, 1884; 4°.
Archeologia e Storia Dalmata: Bullettino. Anno IX, No. 5. Spalato; 8°.
Basel, Universität: Akademische Schriften pro 1885 —1886; 20 Stücke
8° und 4°.
C entral-Commission, k. k. statistische: Oesterreichische Statistik. XII.
Band, 1. Heft. Erläuterungen und Ergänzungen zu den Daten der Vieh
zählung vom 31. December 1880. Wien, 1886; 4°.
— k. k. zur Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen
Denkmale: Mittheilungen. XII. Band, 1. und 2. Heft. Wien, 1886; 4 n .
— für wissenschaftliche Landeskunde von Deutschland: Verzeichniss von
Forschern in wissenschaftlicher Landes- und Volkskunde Mitteleuropas
von Paul Emil Richter. Dresden, 1886; 8°.
Gesellschaft, antiquarische in Zürich: Mittheilungen. Band XXII, Heft 1.
Der Pfahlbau Wollishofen von J. Heierli. Zürich, 1886; 4°.
— k. k. geographische in Wien: Mittheilungen. Band XXIX, Nr. 5 und 6.
Wien, 1886; 8«.
— österreichische vom Rothen Kreuze: VII. Centralbericht. Wien, 1886; S°.
742
Institut des langues orientales: Collections scientifiques. III. Manuscrits
persans par le Baron Victor Rosen. Saint-Pdtersbourg, 1886; 8°.
Johns Hopkins University: Circulars. Vol. V, Nr. 49. Baltimore, 1886; 4°.
— The American Journal of Pliilology. Vol. VII. N. I.
— Stndies in historical and political Sciences. 4"' series. VI. A Puritan Colony
in Maryland. Baltimore, 1886; 8°.
Mittheilungen aus Justus Perthes’ geographischer Anstalt von Dr. A. Peter
mann. XXXH. Band, 1886. VI. Gotha; 4°.
Wissenschaftlicher Club in Wien: Monatsblätter. VII. Jahrgang, Nr. 9.
Wien, 1886; 4°. — Ausserordentliche Beilage Nr. 9.
Vondrak. Zur Kritik der altslovenisclien Denkmale.
743
Zur Kritik der altslovemschen Denkmale.
Von
Dr. W. Vondrak.
Vorliegende Abhandlung hat zum Gegenstände den Ver
such einer Erklärung mancher wichtigeren Eigenthümlichkeiten,
wodurch sich unsere altslovenischen Denkmale, und zwar vor
Allem die sechs umfangreicheren: Zogr., Glag. Cloz., Mar.,
Assem., Supr. und die Sav. kn. gegenseitig unterscheiden, wo
bei an der Ansicht festgehalten wird, dass ursprünglich alle
aus Quellen einer einzigen Sprache, und zwar der altsloveni
schen oder pannonischen geflossen seien. Die Richtigkeit dieser
Ansicht ergibt sich übrigens auch unschwer aus den weiter
unten folgenden Darstellungen. Man muss nur stets die Ge-
sammtlieit der Denkmale vor den Augen haben, um nicht auf
Irrwege zu gerathen. Während Joh. Schmidt durch die Ab
weichungen, die er in den einzelnen Denkmalen vorfand, sich
zum Ausspruche verleiten liess, dass bei ihm das, was Miklosich
Altslovenisch nennt, nicht als eine in sich geschlossene, con-
stante Sprachindividualität existire (Zur Gesch. des ind. Voc.,
II, S. 12), müssen wir gerade in Folge dieser Eigenthümlich-
lceiten — wie es sich zeigen wird — eine eigene kirchen-
slavische Sprache annehmen, weil wir deutlich sehen, dass diese
Eigenthümlichkeiten und Abweichungen in nichts Anderem be
stehen als in dem Ankämpfen der lebenden slavischen Sprachen
(und namentlich der bulgarischen) gegen eine in mancher Be
ziehung fremde, todte oder meist aus Büchern erlernte. Dieses
Ankämpfen zeigt sich bald in schüchternen Versuchen, der
lebenden Sprache etwas abzutreten, bald kommt es entschie
dener zum Durchbruche, so dass die alte Sprache in zahl
reichen Fällen vor den lebenden zurücktreten muss.
744
V o n d r a k.
Welch’ grosse Bedeutung für die Slavistik die altsloveni-
schen Denkmale haben, ist heutzutage gewiss jedem Slavisten
klar. Ein Prosperiren der russischen, polnischen etc. Philologie,
ohne dass man von der Sprache dieser Denkmale, die uns doch
so Altes bietet, ausgehen möchte, ist heutzutage nicht mehr
denkbar. Dennoch wird in dieser Beziehung noch jetzt viel
fach gesündigt, und zwar gerade dort, wo es leider am wenig
sten am Platze ist.
Trotz der grossen Wichtigkeit unserer Denkmale ist die
Sprache derselben immer noch nicht nach allen Richtungen hin
genau erforscht und gegenseitig verglichen, was unter allen
Umständen noch angestrebt werden muss. Vorliegende Ab
handlung soll auch in dieser Beziehung einen Beitrag liefern.
Das epenthetische 1.
Bezüglich der Anwendung des sogenannten epentheti-
schen l bieten uns die altslovenischen Denkmale bedeutende
Abweichungen. Dieselben sind jedoch derartig, dass sie uns
im Verein mit allen anderen Eigenthümlichkeiten der erwähnten
Denkmale auch Anhaltspunkte bei der Beantwortung der Frage
betreffs ihres Ursprunges geben.
Wenn wir die Denkmale prüfen, finden wir, dass einige
in vielen Fällen das epenthetische l nicht dort aufweisen, wo
wir es unbedingt erwarten würden — hierin erreicht bekannt
lich der Supr. das Aeusserste, ihm schliesst sich dann gleich
die Sav. kn. an; Andere gehen wiederum bei der Anwendung
dieses l in mancher Beziehung zu weit, indem sie es in Fällen
häufig setzen, in denen es nach allgemeinen, aus der Mehrzahl
der Denkmale gewonnenen Normen eine Ausnahme ist. Man
denke an den Dat. Loc. Sing, zemli im Zogr., der hier so häufig
vorkommt. Den Regeln, die wir uns aus allen Denkmalen
entwickeln, scheint in dieser Beziehung der Cloz. am meisten
zu entsprechen, freilich muss man auch seinen verhältnissmässig
geringeren Umfang berücksichtigen. Die Mittelstufe scheint
der Mar. und Assem. erreicht zu haben, da es auch hier noch
mehrere Fälle gibt, wo wir das l vermissen, und nur wenige,
wo es überflüssig ist.
Zur Kritik der altslovenisclien Denkmale.
745
Diese Unregelmässigkeit, die uns die Denkmale zeigen
und die sowohl in dem ,zu viel' als auch ,zu wenig' besteht
— sie wird bei jedem einzelnen noch eingehender besprochen
werden — kann wohl zu einer und derselben Zeit (meh
rere Denkmale sollen ja dasselbe Alter haben) in einer Sprache
nicht Vorkommen, wohl aber im Zustande des Aufkommens
des Processes unseres epenthetischen l, oder im Zustande seines
allmäligen Schwundes, also in Uebergangsstadien. Denn dass
das l bei der vollendeten Entwicklung des Lautgesetzes eine
so geringe Lebenskraft erhalten hätte, dass man ebenso gut
zemja, zemje, wie zernlja, zemlje; pristqpb, pi~istqpbse, wie pristqpTt,
pvistqpTbse sagen könnte, kurz, dass man in allen jenen Fällen,
wo es begründet wäre, es auch ebenso gut unterdrücken könnte,
das scheint mir sehr unwahrscheinlich. Man weiss, dass Laut
gesetze Ausnahmen zulassen; wir finden z. B. im Slavischen in
vielen Fällen ein s, an dessen Stelle wir ch erwarten würden;
allein ein so tief eingreifendes Lautgesetz wie jenes unseres
epenthetischen l, das auch in allen Fällen seiner Geltung auf
gehoben werden könnte, das dürfte doch zu den grössten Sel
tenheiten gehören. Es geschieht zwar heutzutage in Ragusa
und in Montenegro, dass man das l ebenso gut gebrauchen als
auch unterdrücken kann (im selben Worte, Arcli. III, 611),
allein dort ist es schon eben im Aussterben. Wenn nun die
Denkmale oder einige davon (z. B. Supr. und Sav. kn.) aus
einer solchen Periode stammen und vom gleichen Alter sein
sollten, so wären uns bei dieser Annahme wiederum die an
deren Abweichungen derselben Denkmale nicht klar.
Nehmen wir nun an, dass die Denkmale zwar aus der
Zeit des allmäligen Schwundes des epenthetischen l stammen,
dass .ihnen aber ein verschiedenes Alter zugesprochen werden
muss. Diese Annahme hat nocli eine gewisse Wahrscheinlich
keit für sich. Wir erwarten darnach, dass ältere Denkmale
häufiger das l anwenden als jüngere. Nun kann allerdings kein
Zweifel darüber obwalten, dass z. B. der Zogr., in welchem
das Verhältniss für l noch günstig ist, älter sei als der Supr.
Vergleichen wir aber diesen letzteren mit der Savina kniga,
so müsste sie entschieden viel älter sein, weil sie doch bei
Weitem nicht so häufig das l unterdrückt wie jener. Wie gross
dieser Unterschied im Alter sein müsste, darüber könnte man
Silziingsber. d. pliil.-hist. CI. CXII. Bd. II. Hft. 48
746
V o n d r n k.
freilich streiten. Doch scheint es mir einleuchtend, dass solche
bedeutende Lautwandlungen von heute auf morgen sich nicht
vollziehen, und es müsste dieser Unterschied bezüglich des
Alters auch in vielen anderen Beziehungen bei unseren beiden
Denkmalen, die man bekanntlich ins XI. Jahrhundert versetzt,
sich äussern, was man jedoch nicht nachweisen kann. Man
wird zwar das st aus sk vor i und e, die assimilirten Formen
podobaato etc., ebenso solche Formen ohne to (podobaa, podobaje),
die doch jünger sind, in der Sav. kn. vermissen, wiewohl sie,
wie wir sehen werden, im Supr. häufig Vorkommen; allein sie
kommen auch schon im Zogr. vor, wiewohl sie hier nicht zahl
reich sind.
Dagegen muss darauf aufmerksam gemacht werden, dass
in der Sav. kn. die Adjectiva best. Endung im Gen. Sing,
nur auf ago und im Dat. nur auf mim ausgehen, während im
Supr. noch aago, uumu, ja noch ujemu (osqzdenujemu 183,19)
vorkommt. Dazu kommt noch das Auftreten des b vor Silben,
die mit j anlauten, im Supr., was als älter angesehen werden
muss, während wir in der Sav. kn. nur einmal etwas Derartiges
finden werden. Ausserdem die spärliche Anwendung der Er
weichung durch ja, jq etc. der vorhergehenden Consonanten
in der Sav. kn. und noch Anderes.
Es bleibt nur noch die zweite Alternative übrig, dass die
Denkmale, oder wenigstens einige aus der Zeit der Entstehung
des Lautgesetzes stammen. Das Verhältniss wäre dann freilich
ein anderes, die jungen Denkmale, welche weniger l enthalten,
müssten älter sein als die anderen. Ist schon dieses unmöglich,
so leuchtet die Unwahrscheinlichkeit dieser Annahme aus fol
gender Betrachtung ein.
Wenn wir asl. phvati, pljuti; nsl. pljuvati; bulg. pljuja,
plija; kr. pljuknuti; cecli. pliti, plivati; poln. pluc, phoac; os.
plec; ns. pluvac; r. plevatb mit fit. spiauti, spiauju (lett. splaut,
splauju) vergleichen (Miklosich, Etym. Wörterb. 251); dann asl.
bulg. serb. bljudo; p. bluda; os. ns. blido; klr. r. bljudo; alb.
bliid§; rm. blid; fit. bliudas; lett. bljöda mit got. biuds; ahd.
biet, piot (daselbst 15) und schliesslich asl. stbhlb, stbblo; nsl.
st.eblo; b. stbblo, st%mbel; kr. stablo; s. stablo; ö. st&blo, zblo;
p. zdziobto; os. spjelco; ns. splo; wr. sceblo; r. stebelb, steblo mit
fit. stembti, stembras; lett. stobrs, stabs (320, nach Fick aber
Zur Kritik der altslovenischon Denkmale.
747
auch siambas im Lit.) — so müssen wir unbedingt die ersten
Anfänge des epenthetischen 1 ins Urslavische versetzen. Lett.
splaut kann durch den Einfluss des Slavischen entstanden sein,
dasselbe gilt vom alb. blud§ etc. Zu einem allgemein slavi
schen Gesetze kann man das epenthetische l wohl nicht er
heben, dazu müssten wir doch mehr Belege haben. Beim poln.
Icropla, (jrobla, u. s. w. denkt man an Entlehnung (Arch. III, 613),
da sich im Altpolnischen crope (= kropie) und grobye findet.
Wenn wir nun das epenthetische l im Neuslovenischen, im Neu
bulgarischen, wenn auch spärlich, und auch in den pannoni-
schen oder besser in den aus solchen Quellen stammenden
Denkmalen finden, so folgt daraus, dass der slovenische Stamm
vor seiner Trennung das l schon hatte. Ja die allgemeine Regel
des epenthetischen l muss noch weiter hinauf reichen, da es
ja auch im Serbischen, Croatischen und namentlich im Russi
schen vorkommt. Es kann ja nicht angenommen werden, dass,
nachdem einmal die Slaven ihre heutigen Wohnsitze einge
nommen, bei einem Stamme das l zuerst aufgekommen wäre
und sich dann zu den anderen fortgepflanzt hätte. Das könnte
höchstens noch bei den südlichen slavischen Dialekten und
Sprachen Vorkommen, Russland muss aber ausgeschlossen blei
ben, sowohl wenn man den Anfang, als auch -wenn man die
Fortsetzung dieses Processes dahin versetzen wollte. Es kann
uns demnach die Sprache der sogenannten altsloveni-
schen Denkmale unmöglich die Anfänge dieses laut
lichen Processes darbieten, da er ja viel weiter hin
auf reicht als die Zeit, in -welcher sie geschrieben
wurden. Da nun aber auch die Zeit des allmäligen
Sch-wundes des epenthetischen l sich darin nicht spie
geln kann, und da für den Ausfall desselben in den
Denkmalen im Allgemeinen keine Regeln sich fest
stellen lassen, die überall bindend -wären, so folgt
daraus, dass uns die ursprüngliche Sprache — die
pannonische — in denselben nicht rein erhalten ist.
Es bleibt nichts Anderes übrig, als anzunehmen, dass
unsere altslovenischen Denkmale Abschriften pan-
nonischer Originale sind, die theils in Bulgarien, theils
in Serbien, also überhaupt im Süden des slavischen
Gebietes von Personen, denen der richtige Gebrauch
48*
748
V o n d r a k.
des epenthetisclien l fremd war, gemacht worden sind.
Zn dieser Annahme wird man bei einigen Denkmalen förmlich
gedrängt, wenn man die Thatsache berücksichtigt, dass das
Bulgarische schon seit den ersten Anfängen seines Schriften
thums eine grosse Abneigung gegen das epenthetische l zeigt,
so dass es in vielen Fällen selbst in den ältesten Denkmalen
unterdrückt wird. Dass dem einmal im Bulgarischen nicht so
war, ist natürlich, denn es muss auch hier der Gebrauch dieses
l regelrecht gewesen sein, gegen welches, freilich schon früh
zeitig, und zwar höchst wahrscheinlich schon vor dem X. Jahr
hundert eine Rcaction eintrat.
Was nun die Theorie des epenthetisclien l anbelangt, so
meint Miklosich (Ygl. Gramm. I 2 , 228), dass im Altslovenisclien,
um von diesem auszugehen, die Gruppen pja, bja, vja, mja
durch plja etc. ersetzt werden: es sei demnach eingeschaltet
und müsse stets weich sein. Darnach hätte, glaube ich, das j
nach diesem l ursprünglich nicht den Zweck gehabt, die Er
weichung anzuzeigen. Potebnja dagegen lässt dieses l aus j
entstehen (Arch. III, 610) und sucht nachzuweisen, dass die
Labialen in den slavischen Sprachen verschiedener Stufen der
Palatalisation fähig waren. Die erstere Ansicht müssen wir
offenbar als die richtigere anerkennen, wenn wir Formen wie
obemljqto, upljvjqtu, usramlejqtise etc., die im Zogr. äusserst
zahlreich sind, berücksichtigen. Später mag das j nach l unter
drückt, oder wenn man will, im selben aufgegangen sein, so
dass es nur die graphische Function der Erweichung des l
später übernehmen konnte.
Noch etwas will ich hier berühren. Miklosich gelangt zu
zemlja, indem er von zemi-a, zemi-j-a, zenu-ja, zemja ausgeht;
ebenso kupi-em, kupi-j-em, kupb-j-em, kvpjem, kupljem. Eine
Stütze für seine Ansicht findet er im Supr., wo pmstaviem 11.2
und izbaviase 260. 2 steht. Merkwürdig ist es jedoch, dass wir
ähnliche Formen sonst nirgends finden, und doch müssten sie,
da seiner Ansicht nach pristavijem älter sei als pristavlem, am
ehesten in den ältesten Denkmalen, also z. B. im Zogr. Vor
kommen. Wir finden aber hier nichts Derartiges. Daher frage
ich mich, ob es nicht geeigneter wäre, direct von zemia zu
zemja, zemlja und von pristaviem zu pristavjen, pristavlem, über
zugehen. Pristavijem müssen wir dann freilich zu erklären
Zur Kritik der altslovenischen Denkmale.
749
trachten, was am geeigneten Orte geschieht. Ich stütze meine
Ansicht auch auf folgende Betrachtung: Im Auslaute geht be
kanntlich e nach einem j, wenn dieses den Silbenanlaut bildet,
in i über. Wir würden daher im Dat. Loc. Sing, von zemije zu
zemiji und zemiji kommen. Wir müssen ganz analog den
übrigen Fällen das 6 hier, bevor noch eine Aenderung mit dem
j geschah, ausfallen lassen. Man könnte zwar hier einwenden,
dass iji häufig durch Ausfall des j zu ii, i wird (z. B. im Zogr.
Joh. 2, 16: prodajqstiim, für prodajqStiirm; Scholvin, Arch. II,
501), und dass wir auf diese Art von zemija zum Dat. zemi ge
langen könnten. Aber nur dort ist aus iji i geworden, wo das
dem j vorhergehende i in anderen, entsprechenden Formen sich
erhalten, während es hier in unserem Falle in b übergehen
soll. Es kann ja darüber kein Zweifel bestehen, dass dieses
früher in h übergehen müsste, als das iji zu i wurde. Lassen
wir nun dieses i zu b Averden und dann ausfallen, so kommen
Avir dann zur Form zemji, natürlich in einer Zeit, avo das epen-
thetische l auftrat, und Avir könnten daher hier nur zemiji,
zemli erhalten. Gehen wir von zemija, zennja aus, so kommen
Avir zum Dat. Loc. Sing, zemi, ganz analog den Formen ovbci,
poli etc., da das je hier zu i wurde, nachdem j nicht den
Silbenanlaut bildet, sondern im vorhergehenden Consonanten
aufging. Wir gelangen auf diese Art zu zAvei verschiedenen
Formen zemli und zemi. Wie verhalten sich nun unsere Denk
male in dieser Beziehung? Im Supr. finden Avir nur zemi 4, 6;
12, 26 etc. sehr häufig, nie zemli; ebenso im Cloz. zehnmal
zemi: 179, 361, 362, 363, 367, 644, 758, 768, 789, 797. In der
Sav. kn. haben Avir auch kein zemli, dagegen etwa 25mal
zemi (2, 9, 9, 9, 17, 18, 20, 31, 33, 33, 43, 56, 59, 60, 66, 80,
99, 101, 113, 117, 128, 134, 151, 152). Im Assem. haben wir
schon zemli Joh. 6, 21; 17, 4; Luc. 8, 15: 23, 44; Matth. 15, 35
(hier auch Mar.); 25, 25; dagegen auch etwa 25mal noch
zemi. Im Mar.: zemli Matth. 15, 35 und Marc. 14, 35 (zemli
Matth. 5, 13 gehört dem bulgarischen Deo. Ev. an); dagegen
50mal zemi (Jagic, S. 513). Im Zogr. haben Avir dagegen fast
30mal zemli (Matth. 6,10; 11,24; 11,24; 11,25; 13,8; 15,35;
16, 19; 16, 19; 27, 45; 28, 18; Marc. 4, 20; 6, 47; 8, 6; 9, 3;
9, 20; 14, 35; 15, 33; Luc. 8, 8; 12, 56; 16, 17; 18, 8; 21, 23;
21,25; 23,44; Joh. 6, 21; 8,8; 12,24 und 18,6), wogegen
750
V o n d r a k.
zemi sich hier nur etwa llimal findet. Während hier dem
nach zemli entschieden das Uebergewicht hat, war es in den
früheren Denkmalen gar nicht oder sehr spärlich vertreten.
Auch im Zogr. b. finden wir kein zemli, dagegen 4mal zemi:
Matth. 18, 18 (2mal); 18, 19; 23, 9. So fand es gewiss der
Abschreiber in seinem Originale. Im Psalter von Sluck ist
zemi 19 neben zemli 25; 87 (Spec.). Dieser weicht jedoch in
mehrfacher Beziehung vom Altslovenischen ab. Auf Grund
dieser Beobachtung müssen wir demnach zemi als allein richtig
anerkennen. Der Schreiber also, der zemli schrieb, konnte sich
keine Rechenschaft mehr darüber geben, in welchen Fällen
nur von einem bestimmten Worte das l zu setzen sei, und weil
er in den übrigen Fällen zumeist oder ausschliesslich (so z. B.
im Zogr.) I vorfand, glaubte er auch zemli schreiben zu müssen,
wiewohl er es sonst auch hie und da auslassen konnte. Später ist
z. B. im Altrussischen und Serbischen die Form zemli freilich zur
Regel geworden, nachdem man eine Uniformirung in der De-
clination dieses Wortes erreichen wollte; dem war jedoch im
Altslovenischen nicht so. Man könnte vielleicht einwenden,
dass das l in zemli einmal vorhanden war, und dass es in der
Folge der Zeit ausfallen konnte, und dass diese Annahme ge
rade in dem Umstande ihre Stütze fände, dass in den ältesten,
also im Zogr., Assem. und Mar., zemli noch vorkommt, während
es in dem jüngeren Supr. und in der Sav. kn. durch zemi er
setzt wurde. Es wäre jedoch sehr merkwürdig, dass gerade
nur in dieser Form im Supr. und in der Sav. kn. das l so
regelmässig ausgefallen wäre, während es doch in den übrigen
Fällen desselben Wortes häufig vorkommt, und während im
Zogr. z. B. sich nirgends ein zemja, zemje u. s. w. neben
zemi findet.
Noch ein anderer Umstand veranlasst mich, von zemia,
zemja auszugehen: es ist der Gen. Plur. Wenn wir von zemija
ausgehen, so müssen wir im Gen. Plur. anfänglich zemij erhalten;
wenn nun auch durch den Einfluss der anderen Fälle das i
vor dem j in b übergehen würde, so müsste hier die Regel,
die bezüglich bj im Auslaute gilt (Miklosich, Vgl. Gramm. I 2 ,
116—HI)? zur Anwendung kommen. Das ursprüngliche bj
bleibt nämlich selten erhalten, sondern das b geht entweder
abermals in i oder in e über. Es geht nie so spurlos verloren,
Zur Kritik der altslovenischen Denkmale.
751
dass nur j allein übrig bleiben möchte und das ist hier ent
scheidend. Wir müssten demnach im Gren. PI. zemij oder zemej,
oder vielleicht, wenn wir das auf S. 119 Erwähnte in Anwen
dung bringen wollen, zemi (nach pecati im Cloz.) erhalten. Nun
findet sich aber im Supr. zemlb 233, 26, also gerade in einem
Denkmale, welches dem epenthetischen l gegenüber die äusserste
Reserve zeigt. Man wird doch nicht zu einer Erklärung, die
auf einem verschiedenen Alter der Form kostbj z. B. und des
angenommenen zembj basiren sollte, seine Zuflucht nehmen
können, da ja dazu die Beweise fehlen.
Nun folgt die Betrachtung der angeführten Denkmale, wie
sie sich bezüglich der Anwendung des epenthetischen l ver
halten. An ihrer Spitze soll der Supr. stehen. Ich will hier
vor Allem alle jene Fälle aufzählen, wo das l angewendet wird,
da sich daran eine sehr interessante Thatsache knüpft. Das l tritt
hier auf in: bezumblju 2, 4; sbVbkupleje 5, 26; divl'echq 13, 25;
bezumli 20,19; hezumüi 21,23; postavleje 36,8; kaplqstq 37,
12—13: kaplemi 37,13; divl'echq 38,5; kuplq 40, 11; doblii 43,16;
semlq 45, 12; döble 45, 29; doblii 46, 12; sbVbkupleachq 48, 20;
ukreplenonn 49, 14; döble 61, 12; doblhstva 62, 9; dobljajsiich 62,
17—16; prijernl'qto 62, 22; ostavlbse 63, 3; SoVbkuplenije 63, 10;
postavljeno 63, 26; doblii 64, 6; prijemlq 65, 12; doblmo 68, 19;
prijemle 69, 3; doblaja 71, 29; zemle 72, 11; doblii 76, 21; zemle
79, 21; vbple 82, 2—3; pvijemlej 87, 23; zemlq 97, 15; 79, 29;
zemle 98,4; zemlejq 98,6; (zemijq 100, 8, im neueren Theile),
zemlq 102, 16; jeinl’qt« 102, 18; zemlq 104, 16; divlq 115, 15;
korable 115, 18; bezumblju 117, 1; doblii 121, 11; doblego 122, 21;
prijemletb 126, 18; zemlq 127, 7; jemlqste 132, 12; bezumlb 136, 16;
javlenijenn 138, 24; prejemleta 139, 18; knc’mljavati 139,26;
vzzemlqSte 158, 29; gnMq 176, 20; javlbse 182, 29; vbplvmi 202,
21—22; prijemletb 203, 12; pojemle 214, 2; vbpl'b 224, 1; zemlb
233, 26; sbvbkupleno 234, 15; pvosyplemz 235,18; bezumbli 237, 27;
knmlenije 238, 15; ierusalimlja 248, 23; kapletb 259, 1; javljaje
260, 9; bezumblju 263, 17; javljaje 272, 4; vbplb 2(3, 5; 2(5, 20;
275, 22; 275, 25; jemlej 280, 5; grablbj 280, 21; prijemljaaSe sq
284, 19; kqple 288, 16; ijdkovli 289,11; korablb 298, 16; vbzemleSi
310, 15; bezumblju 318, 11; pristqph 344, 19; ostavlij 346, 24;
347,4; drevle 348,11; mplb 349,5; oslablb 353,26; zemlejq
355, 19; prijemletb 393, 7; kupl'i 401, 9; Icnmlq 401,28; dobliimb
752
Von drillt.
403, 18; dobljajSiiim 415, 18; 424, 19; pojemle 448, 17; mplhm
450, 26; zyblemo 451, 18. Theilen wir uns nun unseren Codex
in drei Tlieile, so wird das erste Drittel bis Seite 150 und das
zweite bis S. 300 geben. Wir finden nun im ersten Drit
tel 52 Formen mit epentbetisebem l, im zweiten 27
und im dritten 18. Diese jnerkwiirdige Tbatsache kann nur
dadurch erklärt werden, dass man annimmt, in der zweiten
Hälfte etwa hätte der Abschreiber andere Vorlagen benützt,
oder dass wenigstens zwei Abschreiber sich an der Abschrift
betheiligten, von denen der zweite vom epenthetischen l einen
massigeren Gebrauch machte als der erste, oder dass schliess
lich, wenn nur ein Abschreiber angenommen wird, dieser eine
Abneigung gegen das l zeigte, die immer mehr zum Durch
bruche kam, je mehr er in seiner Arbeit vorgeschritten war.
Da die Stücke in unserem umfangreichen Codex so ziemlich
gleichen Inhaltes sind (er enthält 5 Heiligen-Legenden mit einer
nachfolgenden Homilie im Anfang, dann folgen 12 Legenden
mit einer Homilie, dann vier Legenden, hierauf folgen
wiederum zwanzig Homilien und den Schluss bilden abermals
drei Legenden), und da eine verschiedene graphische Dar
stellung meines Wissens sonst nicht bemerkt wurde (ausge
nommen die paar Zeilen S. 99, 20—100, 9), so bleibt nur die
letztere Annahme übrig. Man kann diese Tbatsache nicht etwa
dadurch zu erklären trachten, dass im zweiten und letzten
Drittel die Gelegenheit zur Anwendung des epenthetischen l
sich seltener bietet, denn man findet z. B. S. 380 und 439 fünf
Formen, wo es auftreten könnte, je vier auf S. 411, 428, 434,
436, 447, je drei auf S. 421, 430, 432, in den letzten acht Zeilen
der letzten Seite finden sich schliesslich zwei, ebenso auf S. 448,
449 und 450. Hier haben wir absichtlich nur die letzten Seiten
betrachtet, aber man findet überall zahlreiche Formen, wo es
zur Anwendung hätte kommen sollen, namentlich von S. 200
an ist es auffallend. Auf S. 338 z. B. sind sechs Formen ohne l,
auf S. 340 vollends sieben. Um jedoch auf einer ganz sicheren
Basis zu bauen, habe ich mir vorgenommen, falls es die Zeit er
lauben wird, noch alle Formen ohne L in den einzelnen Dritteln
zusammenzustellen; dann erst wird das Verhältniss ganz klar.
Ich halte demnach die Formen pristavijeni 11, 2 und iz-
baviaSe 260, 2 nicht für ursprünglich, sondern lasse sie durch
Zur Kritik der altslovcnischen Denkmale.
753
den Ausfall des l beim Absclirciben entstehen. Ebenso erklärt
es Potebnja (Arch. III, 612), der damit das karparthisch russi
sche zarobijejut (nach dem Zeugniss des Koüubinskij) ver
gleicht, als Umgestaltungen der Formen mit l. Neben pristamjeni
haben wir auf derselben Seite 3, 7: pristavbjenycln. Einige
Wichtigkeit bei der Erklärung des pristavijem scheinen mir
übrigens auch die Formen Savarija 197, 27 und Savarja 186, 15
zu haben.
Was die Vertretung- des l anbelangt, so wird es vor
Silben, die mit j anlauten, durch & ersetzt: tonajenije 1,4; po-
stavbjq 1, 17; srambjaje se 2,4; blagoslovbjem 240,23; kapbju
384, 3. Das ist die Regel. Einmal auch durch 0: ljubyenici
3, 29. Das j der folgenden Silbe kann auch ausfallen: s«-
vblcupwnija 39, 17 (dagegen sbVbkupbjenija 147, 26); izbavhenbje
369, 10; ispravbewja 404, 10. Auch das vertretende & kann
ausfallen, aber selten: zemjq 97, 21; drevje 348, 12 (davor
clrevle 11), wie auch das vertretende & zugleich mit dem nach
folgenden j: ujcizvem 64, 14; ulovenije 89, 29; otrnvena 156, 5;
ostavenu 160, 2; razlomenyje 160, 3—4; nastavenii 203, 16;
blagoslovem 240, 18—19 und viele andere Beispiele noch. Vor
i und vor auslautendem & wird das l, wenn es ausfällt, nicht
vertreten: korabi 115, 13; rasypi 16, 12—13; korabh 115, 8;
215, 14; javb 359, 16; 359, 17. Ebenso vor S: ostavbsi 10, 8.
Die Erklärung einiger dieser Eigenthümlichkeiten scheint
mir nicht schwer. Was die Formen ujazven 64, 14, ulovenije
89, 29 u. s. w. anbelangt, so sind es Concessionen, die der
Schreiber seiner eigenen Sprache machte: so hatte er offenbar
selbst gesprochen. Hieher gehört wohl auch korabi, rasypi und
vielleicht auch javb etc. Das j nach dem ausgefallenen l in
postavbjq 1, 17 u. s. w. mag aus dem Originale stammen; das
müssen wir annehmen, wenn wir im Zogr., der doch den älte
ren Text reiner wiedergibt, die Formen zemljq Matth. 14, 34;
5, 5; 25, 18; obwniXjqtb 7, 16 etc., die hier äusserst zahlreich
sind, berücksichtigen. Aus ihnen geht nicht hervor, dass das
j blos die Function hätte, die Erweichung des l anzuzeigen,
da ja das Erweichungszeichen noch dabei steht. Ob das auch
von tomhjenije 1, 4 gilt, das kann aus dem Zogr. natürlich nicht
wahrscheinlich gemacht werden, weil die glagolitische Schrift
für je kein eigenes Zeichen hatte.
754
Vo n d räk.
Schwieriger gestaltet sich die Beantwortung der Frage,
warum der Schreiber das l durch den Halbvocal vertreten
liess, imd warum er es nicht hat spurlos verschwinden lassen.
Ich glaube, dass sein Auge unter dem Einflüsse pannonisclier
Vorlagen noch nicht gewohnt war, die mit j anlautenden Silben
in directer Verbindung mit den vorhergehenden Labialen zu
sehen, und dass er sich deshalb für b gerade als Stellvertreter
entschied, weil ihm die Schreibung von Worten wie na utrbja
14, 24 neben utrija 33, 26; nasilbje 24, 5 etc., von welchen
Formen noch gesprochen wird, vorschwebte. Daher konnte er
auch sehr leicht pristavijeni und izbaviaSe, ebenso aber auch
zemjq und drevje schreiben. Weder das i noch das i, waren
die Wiedergabe seiner eigenen Aussprache. Dass i, fürs Auge
blos zur Trennung ungewohnter Lautgruppen diente und keinen
lautlichen Werth hatte, ersieht man z. B. aus Bemjarnina 271, 25
und 28—29. In diesem Beispiele ist die ganze Erklärung un
seres 6 als Stellvertreter des epentketischen l enthalten. Dass
der Schreiber von der ursprünglichen Geltung des epentheti-
scken l keinen wahren Begriff mehr hatte, beweisen uns am
besten die fehlerhaften Formen bezuniblju 2, 4; 117, 1; 263, 17;
318, 11; bezunibli 21, 23 (wiewohl 20, 19 ganz richtig bezumR);
237, 27. Man könnte zwar hier daran denken, dass er das l
auslassen wollte, zu diesem Zwecke es schon durch b ersetzte,
dann aber dennoch das l noch nachfolgen liess, dass er also
des Guten zu viel gethan hätte. Wir müssten dann aber dieses
Versehen wohl auch in anderen Fällen beobachten, was eben
nicht geschieht. Wahrscheinlicher ist es mir daher, dass er
bei diesem Worte, welches seiner Muttersprache vielleicht
schon fremd war, an ein Suffix bh und eh, die bei ihm leicht
zusammenfallen konnten, dachte. Von dem willkürlichen, un
begründeten Gebrauch des /. zeugt also auch dieses Beispiel.
Uebrigens werden wir noch Gelegenheit haben, dieselben Fehler
in einem zweiten altslovenischen Denkmale anzutreffen, was jeden
falls sehr eigenthümlich ist. Im Assem. haben wir an dieser Stelle
des letzteren Denkmals (Luc. 12,20, S. 74) die Form bezunwio; der
Abschreiber wollte also die Form auf l auch vermeiden, that es
aber auf eine andere Art. Dasselbe finden wir im Zogr. und Mar.
Wie sehr die russische Literatur, was Sprache anbelangt,
unter dem Einflüsse der bulgarischen stand, zeigt uns der
Zur Kritik der altslovenisclien Denkmale.
755
Umstand, dass wir bezimblb auch in russischen Denkmalen
späterer Zeit finden. Ja hier ging man noch weiter und schrieb
zembli, zemtlju etc. (Arch. III, 611). Aehnliches finden wir auch
in serbischen Quellen, z. B. im Ap. Sis.: zembli act. ap. 1, 8;
2, 19 neben zemli 8, 4; 10, 39; 13, 19; 17, 24 etc.; aravbljane
2, 11 u. s. w. Allein dass der Laut hier nur eine graphische
Geltung hatte, beweist uns z. B. israilbSbcii 2, 22; vbsegbda Rom.
1, 10 etc. Es sollen hier nur die Consonantengruppen für das
Auge auseinandergehalten werden. Etwas Anderes müssen wir
bei serb. zemaljski, russ. zemelwibij und zemelb (Gen. Plur.) an
nehmen. Diese Beispiele müssen wohl auf ein zenibljski, zemb-
Intij und zemblb zurückgehen, wo das b schon einen lautlichen
Werth haben musste. Diese Beispiele zeigen uns, wie die
Sprachorgane der slavischen Völker mit der Zeit sich ganz
geändert, da hier die Lautgruppe ml bereits Schwierigkeiten
bereitete. Allerdings muss man bemerken, dass im serb. zema
ljski aus zemljski deshalb entstand, weil im letzteren eine zu
grosse Consonantenhäufung stattgefunden hat. Dasselbe gilt
von zemelbnbij. Auch zemlb war nach dem Verstummen des
Endvocals schwer auszusprechen. Auf diese Art könnte man
vielleicht auch unser hezumbl'b im Supr. zu erklären versuchen,
mir scheint aber gegen diese Erklärung zemlb 233, 26 und bezu-
mblju 2, 4 wie auch bezumbli 21, 23 zu sprechen.
Wenn wir noch die Erweichungszeichen bei T in unserem
Denkmale prüfen, so finden wir, dass, wenn das l ein Erweichungs
zeichen hat, nur einmal ein Vocal mit j nachfolgt, und wo es fehlt,
hat offenbar das folgende j seine Function übernommen. Eine
Ausnahme bildet e in Fällen, wo es die Geltung von ja hat und
vor welchem dennoch das l mit einem Erweichungszeichen ver
sehen ist. In der obigen Zusammenstellung wird man zahlreiche
Belege finden. Dieser Umstand muss hervorgehoben werden,
da er ja bei der Frage nach der ursprünglichen Geltung des e
im Altslovenischen uns vielleicht Anhaltspunkte geben kann.
Man findet auch oben, dass vor u nie ein eigenes Erweichungs
zeichen steht, sondern dass die Erweichung immer durch nach
folgendes ju ausgedrückt wird. In einigen Fällen ist sie gar
nicht berücksichtigt: bezumbli 21, 23; doblaja 71, 29; prijemletb
126,18; 393, 7; Sbmkupleno 234, 15; vbzemleSi 310, 15. Die Mehr
zahl dieser Fälle betrifft also die Erweichung vor einem e,
75(i
Vondräk.
was vielleicht wiederum auf die Eigentümlichkeit der glago
litischen Originale, die kein Zeichen für je hatten, zurückgeführt
werden muss. Doch hätte dieses je im Glagolitischen in diesen
Fällen nicht ursprünglich die Aufgabe gehabt, die Erweichung
anzuzeigen.
Es ist hier der Supr. deshalb an die Spitze der altslove-
nischen Denkmale gestellt worden, weil er unter ihnen am
meisten von der Anwendung des epenthetischen l Abstand
nimmt, nicht etwa deshalb, weil er am meisten die ursprüng
lichen Formen bewahrt hätte. Daher bietet er eben bei der Er
klärung die grössten Schwierigkeiten. Ihm soll nun die Savina
kniga folgen, weil sie auch cyrillisch geschrieben und weil sie
sich sonst auch in mancher Beziehung mit dem Supr. deckt.
Auch in ihr kommen zahlreiche Fälle ohne l vor, doch ist hier
dieses bei Weitem vorherrschend, so dass wir von diesem Stand
punkte aus hier ein anderes Verhältniss haben als im Supr. Vor
Allem werden wir berücksichtigen, wodurch das ausgelassene l
vertreten wird. Zu diesem Behufe wird es geeignet sein, die
Fälle, wo es unterdrückt wurde, anzuführen. Ich benütze die
äusserst unpraktische, da primitiv eingerichtete Ausgabe von
Sreznevskij (Drevnie slavjanskie pam. jus. p. 1868), da eine
bessere bis jetzt nicht besteht; doch habe ich die Correcturcn,
welche Jagic im Arcli. V, 580—612 angegeben, mit in Rechnung
gezogen und habe mir die Bücher und Verse der Evangelisten
eingetragen. Neben den Evangelisten citire ich auch die Seite
der Ausgabe. Das l ist hier also ausgelassen in: vhzljuben Joh.
14, 21 (2); 14, 21 (92); Matth. (138); 3, 17 (145); proalaven Joh.
7, 39 (7); ostavbsa Matth. 4, 20 (11); 22 (11); korabi Matth. 4, 21
(11); 14,33(21); korahb Matth. 8,23(14); 15, 39 (21); oslabem
8, 6 (14); 9, 2 (17) 2mal; 9, 7 (17); Luc. 5, 18 (31); 18, 23 (31);
18, 24 (31); Marc. 2, 3 (63); 2, 4 (63); 2, 5 (63); 2, 9 (64); 2,10
(64); korabb Matth. 9, 1 (16); 9, 1 (17); 14,22 (20); 14,22 (21);
14, 32 (21); Luc. 8, 37 (39); pristqpbSi Matth. 9, 20 (16); Luc.
8,44 (37); Matth. 28,9 (116); prelomb Matth. 14, 19 (20); zembjq
Matth. 14, 34 (22); 25, 18 (80); 5, 5 (119); javenije Luc. 8, 17
(36); pristqpb Luc. 10, 34 (41); Matth. 25, 20 (80); 25, 22 (80);
26, 49 (86); 28, 2 (115); 28,18 (117); 4, 2 (145); pristqpbSe Matth.
15, 23 (52); 25, 50 (87); 26, 73 (89); 26, 73 (105); vbnemete Luc.
21, 34 (56); 21, 11 (126); zembja Matth. 24, 35 (77); 27, 51 (113);
Zur Kritik der altslovcnischen Denkmale.
757
4, 15 (146) zweimal; pristqpb&eim Matth. 26, 00 (88); 26,60 (104);
pristqpb&a Matth. 26, 60 (104); tnvenojq Matth. 21, 28 (110);
blagoslovem Luc. 1, 42 (118) zweimal; mhveSe Luc. 10,40 (120);
zemhjq Joh. 12, 32 (122); 21, 8 (153); vizemqj Joh. 1, 21 (145);
lcorabicemt, Joh. 21, 8 (153).
Aus diesem Verzeichnisse — ich suchte wo möglich die
Vollständigkeit zu erreichen — ersieht man, dass hier die For
men, wo das epenthetische l ausgelassen wurde, sich zumeist auf
gewisse Fälle beschränken: es sind vor Allem die Part. Act. 1
und Pass., und namentlich ist es auffallend, dass pristqpb nie
mit einem epenthentischen l auftritt (dasselbe werden wir merk
würdiger Weise auch beim Mar. beobachten), ferner ist es das
Wort korahb wie auch in anderen Denkmalen, einzelne Formen
von zemja und schliesslich noch wenige Verbal formen, unter
denen wir aber Formen wie ljubjq etc. vermissen. Wir sehen
auch, dass der Schreiber seiner Muttersprache folgte — wenn
man vor Allem die Part. Prüf. Pass, berücksichtigt —, dass
also hier das l in den meisten Fällen spurlos verschwunden ist,
ohne dass die nachfolgende Jotation sich erhalten hätte, mit
Ausnahme der Formen zembjq, zemyja, zembjq. Ich sehe hierin
eine orthographische Abhängigkeit vom Supr., die sich noch am
meisten in der Form bezimüju Luc. 12, 20 (42) äussert. Solche
Formen haben wir ja im Supr. angetroffen und sie dort zu er
klären gepachtet. Warum sich aber diese graphische Eigen-
thümlichkeit nur auf die Formen von zemja beschränkt, das ist
mir nicht klar. Ueber diese Schwierigkeit kommt man jedoch
selbst dann nicht hinaus, wenn man darin eine ältere Form
erblicken wollte; auch da müsste man sich fragen, warum sie
sich gerade bei diesem Worte nur erhalten hätte.
Eine andere Eigenthümlichkeit dieses Denkmals besteht
darin, dass nach dem epenthetischen l nie eine Silbe mit j folgt,
mit Ausnahme von e, das für ja steht: Iwrahle Matth. 14, 29
(21) etc. und von ju: bezumüju (42). Dieses hängt jedenfalls
mit der allgemeinen Erscheinung zusammen, nach welcher nach
Consonanten in der Sav. kn. überhaupt kein jq und ja, höchstens
nacli n steht: IdanjaSe Matth. 18, 26 (24); bliZwijago 19, 19 (26);
minja 26, 65 (88) und sonst immer so. Statt des ja steht in
solchen Fällen zumeist «, dieses immer nach l. ju dagegen steht
hier in der Regel immer nach weichen Consonanten.
758
V o n d r a lc.
Hier sei noch erwähnt, dass ich die Formen zemvnii Matth.
17, 25 (22) und zemhskb 24, 30 (77) nicht unter die oben an
geführten ohne l gerechnet habe. Der Grund dafür ergibt sich
aus folgender Zusammenstellung:
Matth. t7, 25 Matth. 24,30 Marc.4,5 Marc.4,31 Joh. 3,12
Mar. zemishb zemhskb zembm zevnm zembm
Zogr. (zembm Zogr. h.) — — zembm —
Assem. zembm (53) zembm (99) — — zeimm (6)
Sav. kn. zembm (22) zemhskb (77) — — —
Man sieht, dass nur einmal zemhskb Matth. 24, 30 im Mar.
vorkommt. Wenn man damit z. B. kuplbnaago Joh. 2, 16, das
sowohl im Mar. und Zogr., als auch in der Sav. kn. (S. 7) vor
kommt, vergleicht, so ergibt sich, dass im pannonischen Originale
die Formen ohne l lauteten und dass zemhsk im Mar. erst heim
Abschreiben entstand. Für diese Ansicht spricht auch der Um
stand, dass sich die Formen ohne l ebenfalls im G'loz. (zembskae
466 und zemwry 901) und im Supr. ausschliesslich vorlinden.
Auch da kommt ein l bei derartigen Formen nicht vor. Dar
nach wäre schon im Urslavischen — es sind ja offenbar sehr
alte Bildungen — neben dem Thema zemi- noch ein zweites
zem- vorhanden, oder vielleicht besser, das i von zemi ist vor
der Endung hm, bskb ausgefallen, während es sich in zemia, zemja
erhalten hat. Wenn wir von zemi-vm, zemijbm ausgehen möchten,
so kämen wir etwa zu zemiinb (nach dostoim, tairn) oder zemlm,
falls das erste i der nachträglichen Jotation unterliegen sollte.
Was kuplwib anbelangt, so ist es offenbar eine viel spätere Bil
dung aus dem schon fertigen kuplja, die vielleicht eben aus
der pannonischen Periode stammt. Ebenso liegt dem in serbischen
und russischen Quellen vorkommenden zemlbm, zemhskb das
secundäre Thema zemlja zu Grunde. Doch hat sich im Neu
russischen die alte Bildung zemnoj, zemskij noch erhalten, neben
welchem ein zemehnbij ebenfalls vorkommt. Zemhskb, das im Neu
russischen zemehskij lauten müsste, scheint abhanden gekommen
zu sein. Im Serbischen behaupten sich dagegen das neue zemljan
und zemaljski. Daher ist es begreiflich, wie ein zemhskb im
Mar., dessen Abschreiber bekanntlich ein Serbe oder Croate
war, entstehen konnte. Aehnlich wie zembm und zemlbm ist
z. B. zemickci und zemlicka im Serbischen zu beurtheilen.
Zur Kritik der altslovenischen Denkmale.
759
Da also in den pannonischen Denkmalen zernvm, und zenibslm
anzusetzen ist, so werden diese Formen im Folgenden niclit mehr
unter den Worten, wo ein l ausgelassen wurde, erwähnt.
Im Assem. finden sich ohne l folgende Formen: prelotm
Luc. 24, 30 (4); sovbkupbse Luc. 24, 33 (4); korabb Joh. 6, 17
(13); 6, 21 (13); Matth. 4, 22 (44);’9, 1 (48); 9, 1 (48 unten);
14,22 (51); 14, 22 (52); 14, 32 (52); korabb Joh. 6, 22 (17); Matth.
8, 23 (46); 14, 24 (52); Luc. 8, 22 (136); lcorabi Joh. 6, 23 (17);
Matth. 4, 21 (44); 14, 33 (52); Luc. 5, 7 (63); gübqitee Joh. 6, 27
(16); blagoslovese Luc. 24, 51 (35—36); pristqpbSe Matth. 17, 19
(53); 26, 73 (107); pristqpbSi Luc. 8, 44 (71); korabicju Luc. 5, 3
(63); korabiceim Joh. 21, 8 (177); ostavbse Luc. 5,11 (63); oslabe-
numu Luc. 5, 23 (64); ljubeaSe Joh. 9, 5 (95); prelomb Matth.
26, 26 (104); vbzljubem Joh. 14, 21 (109); Matth. 3, 13 (179);
blagoslovem Matth. 23, 39 (129); Luc. 1, 68 (168); mluveaSe Luc.
10, 40 (130); zeme Matth. 10,21 (146); Joh. 21,8 (177); nevtalimja
Matth. 4,15(157); bl(agoslo)vjq Luc. 1,64 (168). Abgesondert
sollen hier die Fälle im Joh. 14 S. 36—37, wo sich eine ganz
andere Schreibweise zeigt, erwähnt werden. Man findet darin:
ostavjq 18 (37); vbzljubem 21 (37); vbzljubq 21 (37). Eigenthüm-
lich ist auch hier die Form em'ite 11 (37), welcher im Mar. und
in der Sav. kn. eml'ete (emlete), im Zogr. emlete gegenübersteht.
Die Abneigung des Schreibers gegen das epenthetiscke l zeigt
sich hier klar, namentlich verdient hier die Form emite eine
besondere Beachtung. Was die übrigen hier vorkommenden
Eigentliümlichkeiten anbelangt, siehe bei Crncic S. VII.
Man sieht vor Allem, dass die Anzahl der Formen ohne l
im Assem. nicht mehr so bedeutend ist wie in der Sav. kn.
oder gar im Supr. Ebenso unbedeutend wird sie beim Mar.
und Zogr. sein, wenn man zugleich ihren grösseren Umfang be
rücksichtigt. Es folgt daraus, dass die glagolitischen Denkmale
in dieser Beziehung getreuer den ursprünglichen Text bewahrten,
in allen Punkten jedoch nicht (man denke an bezumbin Luc.
13, 20 im Zogr., Mar. und Assem. gegen bezumblju in der Sav. kn.
und im Supr.).
Es sind hier im Assem. in den wenigen Fällen alle möglichen
Formen vertreten, wo das l ausfallen konnte. Der Schreiber
hat es durch kein b vertreten lassen. Die nachfolgende Gruppe
behielt ihr j (blagoslovja), namentlich bei e als ja (IjubeaSe),
760
Von drak.
oder es ging auch verloren (zeme). Es ist klar, dass man seine
nicht für jünger halten kann als zemje, beide sind Producte
eines und desselben Strebens, das l zu unterdrücken.
Nach dem epenthetischen l ist die Beibehaltung des j
häufiger: zemljq Joh. 3, 22 (7); prijemljq Joh. 5, 34 (12); ialcovlju
(14); kleplje Joh. 18, 32 (116) etc. Die Jotation wird jedoch hier
auch dort gebraucht, wo sie unrichtig ist. Ebenso ist hier e
nach l statt ja: divleachq Matth. 19, 25 (57) etc. Doch konnte
auch das j nach dem l ansfallen: zemle Joh. 3,31 (8); pro-
slavla Joh. 12, 28 (33). Im Gegensätze zur Sav. kn. und Mar.
findet sich hier die Form pristqplb Matth. 8, 2 (44) und ausser
dem noch etwa 16mal.
Noch ein Umstand soll hier erwähnt werden. Miklosich
macht (Vgl. Gramm. 1 2 , S. 231) darauf aufmerksam, dass im
Assem. I häufig über der Zeile steht. In der Ausgabe von
Orncic finde ich leider diese Fälle gar nicht hervorgehoben.
Man könnte vielleicht daraus auf die Posteriorität des 1 schliessen,
allein wohl mit Unrecht. Wenn diese Fälle im Assem. wirklich
Vorkommen, so konnte der Schreiber des Fehlers, den er, seiner
Muttersprache folgend, gemacht, in vielen Fällen inne werden
und ihn corrigiren. In anderen blieb der Fehler.
Im Zogr. sind ohne l: drevwm Matth. 5, 21; 5, 27; 5, 33;
ostavb Matth. 4, 13; 13,36; 16, 4; 26, 44; Marc. 8, 13; 14, 52;
ostaibSe Matth. 26, 56; Marc. 7, 18; Luc. 10, 30; Marc. 12, 12;
14, 50; ostavbSa Marc. 1, 18; 1, 20; Icorabi Matth. 4, 21; 14, 15;
14, 33; Marc. 8, 14; Jcorabb Matth. 4, 22; 9, 1; 13, 2; 14, 22;
14, 24; 15, 39; Marc. 8, 10; Luc. 5, 11; korabica Luc. 5, 2;
korabicju 5, 3; pristapb Matth. 8, 2; 8, 19; 25, 24; 27, 58; 28, 2;
Marc. 12, 28; 14, 45; pristqpbSe Matth. 13, 10; 14, 12; 15, 12;
15, 23; 16, 1; 26, 50; 26, 73; Marc. 6, 35; 10, 2; Luc. 8, 24;
pristqpbSemz Matth. 26, 60; pristqpbsa Matth. 26, 60; pristqpbSi
28,9; Luc. 8,44; prelovib Matth. 14, 19; blagoslovem Matth.
25, 34; Joh. 12, 13; pristaveme Luc. 5, 36; javbsa Luc. 9, 31;
divbSe se Luc. 20, 26; sbpodohbsei Luc. 20, 35. Verhältnissmässig
sind also die Fälle nicht zahlreich. Ein ganz anderes Verhältniss
finden wir dagegen im jüngeren Theile (Zogr. b.): mzljubenii
Matth. 17,5; priemqStei 27, 24; pnemjqti 17, 25; priemetb 18, 5
(zweimal); pristqpi 18,21; 19, 16; davttase 18,28; izbavenie 20,28;
ostavo 21, 17; usramejqtb 21, 37; ostavbSe 22, 22; iekom (statt
Zur Kritik der altslovenischen Denkmale.
761
iekovfö) 22, 32; diveachq 22, 23; ostaveete 23, 14; eveete 23, 28;
zemjq 23, 35; ostaveetb 23, 38.
Mit dem epenthetischen l sind Mer nur drei Formen:
divleacliq Matth. 19, 25; kupljq 22, 5 und avraamfa 22, 32.
Dieser Theil soll aus dem Ende des 11. oder Anfang des
12. Jahrhunderts stammen (Jagic, S. XVIII), während der ältere
Theil 100 oder 50 Jahre früher geschrieben worden sein soll
(S. XIX). Trotzdem die Erweichung im Zogr. in der Regel
eigens bezeichnet wird, finden wir hier Fälle, in denen sie unter
drückt ist und in denen die nächstfolgende Gruppe selbst ihr j
eingebüsst hat: zemle Matth. 12,24; 13,5; Luc. 10, 21; mZljublq
Joh. 14, 21. Aus dem letzteren Beispiele ersieht man aber auch,
dass das Erweichungszeichen des l vom nachfolgenden j begleitet
sein kann. Das findet nun auch überaus häufig beim epen
thetischen l statt: ohbemljqtb Matth. 7, 16; upodobljq Matth. 7, 24;
korablju Matth. 8,24; zemle (= zemlja) Matth. 13, 5 u. s. w.
Ja man kann fast sagen, dass diese Fälle hier die Regel bilden.
Das ist offenbar ein Widerspruch mit dem, was wir im Supr.
vorgefunden haben. Da aber in vieler Beziehung dem Zogr.
die Priorität vor dem Supr. zugesprochen werden muss, so
glaube ich es auch hier thun zu müssen. Darnach hätte das j
nach dem l ursprünglich nicht die Function gehabt, das l zu
erweichen, da ja dieses ohnedies schon mit einem eigenen Er
weichungszeichen versehen war. Diese Regel hätte sich etwa
dort erst entwickelt, wo das j in diesen Fällen nicht gesprochen
wurde, also keine andere Berechtigung mehr hatte, wenn man
dennoch bezüglich der Erweichung des l dem Originale treu
bleiben wollte. Das konnte vielleicht im Bulgarischen geschehen.
Auch im Psalter von Sluck finden sich Fälle ohne epen-
thetisches l: pogliimju« 78 (Spec., so die Handschrift); glumenija
85 und blagosloven 12.
Im Mar. treten folgende Formen ohne l auf: drevbm Matth.
5, 27; 5, 33; Luc. 9, 8; 9,19; pristqpb Matth. 8, 2; 8, 19; 17, 7;
18,21; 19,16; 21,30; 25,20 ; 25,22; 25,24 ; 26,49; 27,58;
28, 2; 28, 18; Marc. 1, 31; 12, 28; 14, 45; Luc. 7, 14; 10, 34;
23, 52; korabb Matth. 8, 23; 9, 1; 13, 2; 14, 22; 14, 24; 14, 32;
25, 39; Marc. 4, 1; 6, 45; 6, 51; 8, 13; Joh. 6, 21; 6, 22; 21, 3;
pristqpbsi Matth. 9, 20; 28, 9; Luc. 8, 44; pristqpbSe Matth.
13, 10; 14, 12; 15, 12; 15, 23; 16, 1; 17, 19; 26, 50; 26, 73;
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. CXII. Bd. II. Hft. 49
762
V on d rak.
Marc. 6,35; 10,2; Luc. 8,24; 20,27; prelorm Matth. 14,19;
prelovvb Luc. 24, 30; korcibi Matth. 14, 33; Marc. 5, 21; Luc.
5,7; ostavbSe Matth. 22,22; Marc. 7,8; 12, 12; 14,50; Luc.
5, 11; pristqpbSa Matth. 26, 60; Luc 9, 12; pristqpbseim Matth.
26, 60; korcibb Marc. 6, 47; 8, 10; Luc. 8, 22; 8, 37; ostavb Marc.
8, 13; 14, 52; Luc. 5, 28; korahicb Luc. 5, 2; 5, 3; divbSe se Luc.
20, 26; postavbse, Joh. 8, 3.
Ihre Zahl scheint bedeutend, doch fällt uns hier augen
blicklich auf, dass es ja vor Allem das Part, pristqpb ist, das
ohne l in allen möglichen Fällen auftritt. Die Abneigung des
Abschreibers gegen das l war in diesem Falle so massgebend,
dass wir hier vergeblich ein pristqpVb suchen. Im Zogr. kommt
es dagegen häufig vor: Matth. 25, 20; 25, 22; 28, 49; 28, 18;
Luc. 1, 31; 7, 14 etc. Ferner sind es andere Part. Praet. und
dann korabh. Formen wie z. B. pristaveme, das im Zogr.
Luc. 5, 36, oder zeme, das im Assem. Matth. 10, 21 (146) etc.
vorkam, finden wir hier nicht, ebenso wenig zermje, das in der
Sav. kn. Joh. 12, 32 (122) auftritt. Auch das ist nun für mich
bei der Beantwortung der Frage, wo unsere Denkmale ab
geschrieben wurden, ein wesentliches Moment. Jagib hat (S. 410,
424—425 seiner Ausgabe des Mar.) nachgewiesen, dass die Ab
schrift des Mar. von einem Serben oder Croaten herrühre. Wir
müssen nun dieser Ansicht beistimmen, wenn wir die Anwen
dung des epenthetischen l berücksichtigen. Es lässt sich ja
leicht denken, dass ein Serbe in Formen wie pristqplb etc. das
l vermeiden wollte. In der That finden wir auch in einem
serbischen Evangelium aus dem Ende des 12. Jahrhunderts die
Form sbvbkupbSe Luc. 24, 33 (Spec. 96). Wohl aber wäre es
unmöglich, von ihm zu erwarten, dass er ein zeme oder prista-
veme schreibe. Diese Formen würden wir auch vergeblich im
Cloz., der am meisten noch das epenthetische l erhalten hat
(nur prelomb 378), suchen. Es ist demnach in dieser Be
ziehung zwischen dem Cloz. und Mar. einer- und
zwischen dem Zogr., Assem., Sav. kn. und dem Supr.
andererseits ein bedeutender Contrast, der nun des
Weiteren erörtert werden soll.
Bezüglich der Jotation nach dem l will ich noch auf die
Ausgabe Jagic’ S. 436—437 verweisen. Sie bildet hier die
Regel (Ausnahmen z. B. kuplq Luc. 19, 13), abgesehen von §
Zur Kritik der altslovenischen Denkmale.
763
nach 1, clas die Jotation nicht enthält. Das Erweichungszeichen
ist hier ausser st selten.
Wenn wir die zahlreichen Fälle des unterdrückten epen-
thetischen 1 im Zogr. b. den drei Beispielen mit l gegenüber
halten, so müssen wir zugehen, dass im Bulgarischen (dass
Zogr. b. von einem Bulgaren stamme, folgt mit Nothwendigkeit
aus den sprachlichen Eigenthümlichkeiten desselben) am Ende
des 11. Jahrhunderts das epenthetische l eine grosse Seltenheit
war; ja wir werden nicht fehlen, wenn wir annehmen, dass es
schon damals dem Bulgarischen fremd war. Von einzelnen Bei
spielen wie bljudo, das sich bis heutzutage erhalten hat, muss
man freilich absehen und sie vielmehr mit dem ö. plivati. etc.
vergleichen. Ja wir können noch weiter gehen. Wenn man
bedenkt, dass der Abschreiber solcher Originale zu diesen gewiss
wie zu heiligen Reliquien emporblickte und ihre sprachlichen
Eigenthümlichkeiten wo möglich sorgfältig zu wahren trachtete,
so wird man wohl zugeben müssen, dass am Ende des 11. Jahr
hunderts das epenthetische T in jenen Fällen nicht einmal als
bulgarischer Archaismus gefühlt wurde. (Im Bulgarischen
war es ja auch einmal vorhanden.) Es wäre ja sonst nicht
möglich, dass in so vielen (18) Fällen es unterblieben wäre und
nur in drei sich erhalten hätte. Es fällt demnach die Zeit des
Schwundes unseres epenthetischen l im Bulgarischen in eine
sehr frühe Zeit, gewiss noch vor das 11. Jahrhundert.
Nun haben wir altslovenische Denkmale, die etwa aus dem
10. Jahrhundert und aus der späteren Zeit stammen sollen und
in denen schon Beispiele ohne epenthetisches l Vorkommen.
Darunter gibt es Fälle, die uns unmöglich den Zustand einer
Sprache innerhalb einer bestimmten Periode repräsentiren können
und die selbst Altersunterschiede der Denkmale nicht zu be
gründen vermögen. Man denke an blcigoslovjq, zem,e im Assem.,
die im Zogr., Cloz. und Mar. gar nicht Vorkommen; man denke
auch an pristavenbe im Zogr. und javenije in der Sav. kn., das
in den anderen wiederum nicht vörkommt. Gemeinschaftlich
ist ihnen allen nur pristapb und lcorabb, die häufig ohne l auf-
treten, consequent ist aber der Ausfall bei keiner Wortgruppe
durchgeführt. Daraus ergibt sich für mich mit Nothwendigkeit,
dass unsere Denkmale theils aus dem 10., theils aus dem 11. Jahr
hundert stammende Abschriften von Originalen sind, die beztig-
49*
764
Tondr&k.
licli der Anwendung des epenthetischen l, wie man ja aus der Ver
gleichung der Denkmale leicht ersehen kann, viel regelrechter
gewesen sein mussten. Man könnte ja doch nicht sonst annehmen,
dass auch in den Originalen bezüglich der Beibehaltung und Aus
lassung des l keine allgemeinen Normen sich aufstellen Hessen,
nachdem wir, den Daten der Geschichte folgend, sie vor Allem
nur in einem Lande, bei einem Volke entstehen lassen müssen.
Die erwähnten Abschriften müssen nun von Personen be
sorgt worden sein, in deren Sprache das epenthetische l nicht
mehr in der Regel war; nur so können wir uns die vorwiegende
Nichtübereinstimmung in der Auslassung des epenthetischen l
erklären. Früher erwähnten wir, dass der Ausfall des epen
thetischen l im Bulgarischen in frühe Zeiten zu versetzen sei,
gewiss noch vor das 11. Jahrhundert. Ich glaube nun aus
diesen Voraussetzungen ebenfalls schliessen zu müssen, dass
sowohl der Zogr. und Assem., als auch die Sav. kn.
und der Supr. Abschriften pannonischer Originale sind,
welche von Bulgaren oder von anderen Slaven, die
unter den Bulgaren lebten und dem Einflüsse bulgari
scher Sprache erlagen, herrühren. Im Folgenden werde
ich noch anderweitig bulgarischen Einfluss in diesen Denkmalen
nachzuweisen trachten. Der ganze Hergang erscheint ja ganz
klar, wenn man die historische Thatsache nicht unberücksichtigt
lässt, dass, nachdem in Pannonien ein Fortbestand der slavi-
schen Liturgie als unmöglich sich erwiesen hatte, die Schüler
des Methodius sich nach Bulgarien flüchteten.
In den im 10. Jahrhundert in Bulgarien unter dem Ein
flüsse der bulgarischen Sprache entstandenen Abschriften kom
men also schon Fälle von Auslassungen des epenthetischen l vor,
die uns zum Schlüsse zwingen, dass damals schon die Bulgaren
dasselbe in ihrer Sprache nicht mehr gebrauchten. Auch aus
dieser Betrachtung ergibt sich für mich die Unrichtigkeit jener
Ansicht, nach welcher die Sprache unserer Denkmale altbulga
risch sein soll. Wären die Originale in Bulgarien in der zweiten
Hälfte des 9. Jahrhunderts geschrieben worden und wäre da
durch also der Gebrauch des epenthetischen l bei den Bulgaren
in dieser Zeit bestätigt, so hätten die Abschreiber des 10. Jahr
hunderts, die also auch zumeist Bulgaren wären, gewiss mehr
Ehrfurcht und vor Allem Verständniss der Sprache entgegen-
Zur Kritik der altslovenischen Denkmale.
765
gebracht und sie nicht so sehr geändert; namentlich würden
wir erwarten, dass sie überall das epenthetische l dann bewahrt
hätten. Innerhalb einer so kurzen Zeit konnte sich ja die Sprache,
wenn wir auch Anderes berücksichtigen, nicht so sehr verändert
haben. Dennoch hatte diese Ansicht bis in die letzte Zeit hart
näckige Verfechter gehabt; ja heutzutage gibt es noch einzelne
Slavisten, die von ihr um keinen Preis ablassen würden, trotz
dem jeder unbefangene Sprachforscher zugeben muss, dass
diese angenommene altbulgarische Sprache nunmehr auch zu
den mythischen Specialitäten der Slavistik gehören wird.
Obschon das epenthetische l der bulgarischen Sprache
abhanden gekommen, so zeigten dennoch andere bulgarische
Abschreiber pannonischer Texte oder selbst deren Abschriften
demselben gegenüber genug Toleranz, und zwar selbst noch in
der späteren Zeit. Das können wir in dem Bruchstücke des
Dec. Ev. aus dem 13. Jahrhundert, welches als der ergänzende
Anfang zum Mar. von Jagic (S. 1—11) veröffentlicht wurde,
genau beobachten. Wir finden hier avraamlja Matth. 1, 1; pri-
jemljeU 1, 23; zemlje 2, 6; javhseje 2,{l; v~oph 2, 18; zemlja 4,15;
ostavhsa und korabh 4, 22, ja selbst auch das falsche zemli 5,13
u. s. w. Dass hier daneben auch Formen mit unterdrücktem
l Vorkommen, ist selbstverständlich: Vbzljvbemiij 3, 17; mko-
rabi 4, 21; drevniim?, 5, 21.
So auch im Psalter von Bologna (zwischen 1186 1196).
Sreznevskij führt (Drevn. sl. p. j. p. S. 133, 7) folgende Formen
mit l an: postavlem>, globlenija, mzljubleni, zemle, javle se, skrble,
prodavleto, zemli. Dass der Schreiber dieses Denkmals den
richtigen Gebrauch des epentlietischen l nicht mehr kannte,
zeigen uns die beiden letzten Beispiele, wobei durch das vor
letzte Beispiel das bestätigt wird, was ich oben bezüglich der
Form zemli behauptet habe. Ohne l werden folgende Beispiele
angeführt: ozlobem, globenija, vzzljubenaa, upraveme, Vizdre-
mefo, proslavena, zeme, zemi etc. In einem Evangelium von
Zographos vom Jahre 1305 finden wir ljube (=■<?), gleich darauf
zweimal ljuble (Srezn. S. 348). Und so geht es fort in allen
bulgarischen Denkmalen, die pannonischen Einfluss verrathen.
Siehe bei Sreznevskij S. 98, 5; 115, 6; 119, 8; 145, 6; 148,4
etc. Das Schicksal des epenthetischen l war ganz abhängig
vom individuellen Gutdünken des Schreibers, wie etwa die
766
Von (Irak.
Vertauschung des ^ durch & oder umgekehrt, er konnte es
ebenso gut in Folge einer archaistischen Gepflogenheit setzen,
wie auch auslassen: gesprochen wurde es nicht vom Volke.
Bei der Betrachtung der bulgarischen Denkmale in dieser Be
ziehung fällt nur das auf, dass die Bulgaren selbst noch in
späterer Zeit in ihren Schriften vom epenthetischen l einen
ausgedehnteren Gebrauch machten, als wir es nach dem alten
Zogr. b. erwarten würden. Hier zeigt sich bereits eine solche
Einschränkung in der Anwendung dieses Lautes, dass wir
schon für die nächste Zeit auf seinen vollständigen Schwund
gefasst sind, was nicht eintritt. Es ist mehr als wahrscheinlich,
dass die pannonische Sprache in Bulgarien bei gottesdienstlichen
Angelegenheiten von den Geistlichen auch lange gesprochen
wurde, und dass mit ihr allmälig die bulgarische zu kämpfen
anfing und in Folge dessen in mancher Beziehung früher, in
anderer später Siegerin blieb. Dann wäre das häufige Vor
kommen von Formen sowohl mit l, als auch ohne dasselbe als
Folge dieses Kampfes ganz klar. Dann müssten wir aber auch
annehmen, dass der Schreiber des Zogr. b. den ersten refor-
matorischen Versuch machte, sich mehr seiner Muttersprache
zu nähern, was ihm auch in vielfacher Hinsicht gelungen ist.
Man könnte zwar auch behaupten, dass er vielleicht in ,Panno-
nicis* weniger versirt war, und dass eine diplomatische Abschrift
eines Originals fremder Sprache immerhin eine gewisse Uebung
voraussetzt. Auch im Supr. haben wir gesehen, wie der Ab
schreiber bei der Arbeit immer mehr ,bulgarischer* geworden ist.
Dass der Ursprung des epenthetischen l in unseren Denk
malen schon in Pannonien zu suchen sei, beweisen uns auch
die Glag. Fragm. von Prag, die offenbar aus pannonischen
Quellen stammen. Wir haben hier noch ein Beispiel mit epen-
thetischem l in prepolovlenie I. A. 7. In drei Beispielen ist es
hier jedoch unterdrückt: prestavenie 1, B. 25; zemje 1, B. 26;
proevevaSe II, A. 10—11.
Nom. Acc. Plur. fern, und Acc. Plur. masc. P&ije.
Wenn nun der Mar. und, wie es wahrscheinlich ist, auch
der Cloz. von einem Serben oder Croaten, der Supr., die Sav.
kn., Zogr. und Assem. dagegen von Bulgaren abgeschrieben
Zur Kritik der altslovenischen Denkmale.
767
worden sind, so muss auch in anderer Beziehung ein gewisser
Unterschied sich ergeben. Dem ist nun auch so. So finden
wir z. B. in den von Bulgaren geschriebenen Denkmalen, wenn
auch zumeist vereinzelt, im Acc. Plur. die Form foije sowohl
fürs masc. als auch fürs fern, und auch für den Nom. Plur. fern.
Es ist demnach so wie sije zu beurtheilen. So im Supr.:
157, 13; 158, 2; 420, 17; 434, 16; in der Sav. kn.: Matth. 25, 7
(S. 79, Z. 14), hier als Nom. Plur. fern, im Assem. Joh. 10, 16
(128, 9) als Acc. Plur. fern. Im älteren Theile des Zogr. habe
ich diese Form allerdings nicht gefunden, welcher Umstand,
da wir hier überhaupt die pannonische Sprache reiner erhalten
haben, dafür spricht, dass wir Uije nicht als einen Pannonismus
ansehen können. Wohl aber im jüngeren Theile des Zogr. b., und
zwar zweimal: Matth. 24, 19 und 22, 7. Im letzteren Beispiele
ist das je (in der Handschrift a) über dem Worte hinzugesetzt,
was sehr wichtig ist. Wir finden es auch im bulgarischen Dec.
Ev. Matth. 3, 1. Im Mar. dagegen findet man keine derartige
Form. Wenn es ein Pannonismus wäre, so müssten wir er
warten, dass sie gerade in den ältesten Denkmalen am häufig
sten vorkomme, was eben nicht stattfindet. In spätere serbi
sche Denkmale hat es dagegen auch Eingang gefunden: tbije
Ap. Sis. act. ap. 3, 24. Es muss andererseits noch bemerkt
werden, dass der Acc. Plur. tbije nach Arch. VI, 296, wo es aus
einer Urkunde vom Jahre 1300 citirt wird, auch im Russischen
Vorkommen soll. Wäre es nicht dorthin durch bulgarischen
Einfluss verpflanzt worden? Hiebei müssen wir ja auch auf
merksam machen auf das obenerwähnte hezumblb.
Sk vor i und e.
Den bulgarischen Denkmalen ist auch das eigenthümlich,
dass sic sk vor i und e in der Formenlehre vorwiegend in st
übergehen lassen. Wie verhalten sich nun unsere Denkmale
in dieser Beziehung? Vom Supr. sagt Miklosich (Vgl. Gramm.
12, 287), dass er sc und st bietet. Allein wir finden darin
durchwegs st: asijstei 6, 7 etc. Damit hängt auch die Form
isteliU 86, 27 neben iceliti 86, 26 und blistanijeim 349, 26 zu
sammen. Sc finden wir darin nur ein einziges Mal, und zwar
768
Vondräk.
gleich im Anfang in dem auch von Miklosich citirten chumi-
janbsce 12, 12.
Im Assem. kommt die Form pasce in Ueberschriften, wo
also zumeist grössere Buchstaben Vorkommen, auf folgenden
Seiten vor: 10 (zweimal); 11, 12, 13, 15, 16 (zweimal); 17 (zwei
mal); 18, 19, 20, 22 (zweimal); 23, 26, 27 (zweimal); 39; dann
in den Verweisungen einmal S. 131; sonst kommt dann in diesen
überall paste vor: Matth, gl. 220 (120); 131 (zweimal); 135,
144 (dreimal); 160, 164, 165 (zweimal); 166, 170 (zweimal);
172 (zweimal); 174, 178. Im Texte selbst kommt nur paste
vor: Job. 19, 14 (117); 19, 14 (123); Luc. 2, 41 (152). Was die
übrigen formen im Texte anbelangt, so kommt hier nur st vor:
galileistei Joh. 2, 11 (10); ierlmste Luc. 24, 49 (35); galileisteanib
Matth. 4, 18 (44); eleonste Matth. 24, 3 (60); 24, 3 (98) ; genisa-
retste Luc. 5, 1 (63); ljudstii Matth. 27, 1 (107); 27, 1 (121);
Joh. 19, 6(132); vbselenstema 133, 14; vavilonbsteamb Matth. 1, 11
(147); vavilonbste Matth. 1, 12 (147); ijudeisteim Matth. 2, 1 (150);
ijudeistei Matth. 2, 5 (150); ierdanste Matth. 3, 1 (153); 3, 6 (153);
erdamtei Matth. 1, 5 (154); sinaistei S. 157, Z. 28; ijudeistei Luc.
1, 65 (168); tiveriadbstemb Joh. 21, 1 (177); eleonste Matth. 21, 1
(179). Die Thatsache, dass pasce nur in den Ueberschriften
vorkommt, scheint mir hier von Wichtigkeit. Da die Ueber
schriften in der Regel mit grösseren Buchstaben und sorgfältiger
ausgeführt werden mussten, war das Auge des Abschreibers
mehr an den Text des Originals gebunden, aus welchem er
dann diese Formen richtig abgeschrieben hatte. Anders wäre
ja die Erklärung dieses pasce, das auch ausserdem in einer
Verweisung vorkommt, gegenüber dem st in allen übrigen
Formen gar nicht möglich. Wir müssen daher annehmen, dass
der Abschreiber eine grosse Tendenz hatte, überall st zu setzen,
und dieser ist er auch, abgesehen von den erwähnten Aus
nahmen, treu geblieben. Was muss nun sein Original in dieser
Beziehung enthalten haben? Offenbar sc, und zwar, wenn nicht
durchwegs, so gewiss vorwiegend. Zu diesem Schlüsse kommen
wir, wenn wir auch die anderen Denkmale berücksichtigen.
Im Zogr. ist sc ausschliesslich, nur ein einziges Mal gali-
lejstemb Matth. 15, 29, wo der Mar. sc enthält. Im Zogr. b.
finden wir dagegen schon drei Formen mit st: zermstii 17, 25;
movastei 18, 6; eleomste 24, 3. Mit der Tendenz, das st zum
Zur Kritik der altslovenischen Denkmale.
769
Durchbruche gelangen zu lassen, bringe ich auch die Form
isteli 21, 14 (Mar. wie auch alle anderen Denkmale hier iceli)
in Zusammenhang. Doch sind hier auch noch Formen mit
sc: nebeshscerm 18, 1; 18, 4; eleonscei 21, 1; ljudzscii 21, 23.
Der Cloz. hat ausschliesslich sc (Miklosich, Vgl. Gramm.
D, 287).
Im Mar. kommt auch sc vorwiegend vor, einige Male aber
auch st: Matth. 12, 41; 18, 6; 21, 23; 26, 3; 23, 23; Luc. 5, 33
(s. Jagib S. 435—436). .Jagie meint allerdings, dass der Ab
schreiber dem sc den Vorzug gab, und dieses äussere sich
besonders in den Fällen, wo er zu dem schon fertigen st noch
ein c, sei es in der Zeile, sei es über der Zeile, hinzusetzte.
Allein das setzt voraus, dass er in seiner Vorlage ausschliess
lich oder vorwiegend st schon vorgefunden und es dann in
den meisten Fällen als sc abgeschrieben hätte. Anders ge
staltet sich freilich die Sache, wenn wir zugeben, dass seine
Vorlage ausschliesslich oder vorwiegend sc enthielt. Ich glaube
auch, dass wir dies, wenn wir das Alter des Mar. zugleich
mit in Rechnung ziehen, mit gutem Grund annehmen können.
Mag das Original pannonisch oder ein nach pannonischer Vor
lage von einem Bulgaren geschriebenes Denkmal gewesen sein,
wir müssen, wenn wir das bisher Vorgehrachte erwägen und
besonders den Zogr., der doch noch am meisten den pannoni-
schen Originalen gleichkommt, berücksichtigen, zugeben, dass
je älter die Denkmale, desto mehr sie sc bewahrten: Wenn
nun im Mar. zumeist sc vorkommt, so sehe ich darin nicht so
sehr das individuelle Streben des Schreibers, seiner Muttersprache
gerecht zu werden, als vielmehr seine Passivität. Ja es ist
nicht ausgeschlossen, dass er, um seiner Muttersprache Con-
cessionen zu machen, gerade von st einen weitläufigeren Ge
brauch hätte machen müssen. Das würde sich dann eben in
den Beispielen ijudeistcei Luc. 1, 65 und eleomstcei Luc. 19, 37
zeigen. Unter dem Einflüsse seiner Muttersprache hätte er
nämlich st geschrieben, wäre aber seines Irrthums gewahr ge
worden und, um dem Original irgend welche Satisfaction zu
geben, hätte er noch ein c hinzugefügt. In anderen Fällen
scheint es jedoch, dass er sich nicht von dieser Aengstlichkeit,
dem Original treu zu bleiben, leiten liess. So z. B. beim Nasal
laut q, den er mehrmals durch u ersetzte. Freilich muss auch
770
Vondräk.
das berücksichtigt werden, dass der Unterschied zwischen st
und sc nicht so bedeutend ist als der zwischen n und u. Wenn
wir die späteren serbischen Denkmale untersuchen, so finden
wir allerdings, dass sie zumeist ausschliesslich sc gebrauchen;
so z. B. der Ap. Sis.: galilejscii act. ap. 1, 11; izrailbSbcii 2, 22
(man beachte hier die Schreibung des sbd, die sich häufig
wiederholt) etc. Man vergleiche auch z. B. apostolbscechr (Spec.
103, 9), dem unten im russischen Text apostolbstechb gegen
übersteht u. s. w. Allein es ist sehr wahrscheinlich, dass, nach
dem einmal der altslovenische Gottesdienst und die altslavische
Literatur bestimmtere Formen angenommen und sich vollständig
eingebürgert hatten, man sich eben für eine Form in Fällen,
wo eine Variation möglich war, entschied. Dabei konnte man
freilich den als älteren aufgefassten den Vorzug geben. Auf
diese Weise wird es uns klar, warum plötzlich die Kirchen
sprache, abgesehen von den Nasallauten, längere Zeit hindurch
im Zustande einer starren Krystallisation verbleibt, ohne grossen
Veränderungen unterworfen zu sein.
Ein einziges Denkmal macht uns hier Schwierigkeiten:
es ist die Savina kniga. Wir haben oben gesehen, wie sie in
vielfacher Beziehung an den Supr. erinnerte. Wir möchten
nun auch hier eine gewisse Concinnität erwarten. Aber diese
besteht nicht. Trotzdem im Supr. st, abgesehen von einem
einzigen Beispiele, ausschliesslich vorkommt, ist in der Sav. kn.
nur sc zu finden. Wenn wir aber bedenken, dass im Zogr.,
der doch älter ist, ebenfalls sc vorkommt, so können wir das
sc der Sav. kn. doch nicht aus einem st des Originals ent
stehen lassen. Die Sav. kn. hat demnach — anders können
wir wohl nicht schliessen — den Wortlaut des Originals be
züglich dieser Lautgruppe strengstens bewahrt.
Wenn wir nun Alles zusammenfassen, so ergibt sich für uns
die Thatsache, dass in den pannonischen Originalen in allen diesen
Fällen sc ausschliesslich war. Dieses hat noch der Mar., noch mehr
aber die Sav. kn., der Cloz. und der Zogr. bewahrt, dagegen
der Supr. und Assem. ganz beziehungsweise theilweise aufgegeben.
Bratr^-brat'B.
Vollständige Uebereinstimmung herrscht dagegen hier zwi
schen der Sav. kn. und dem Supr., indem beide ausschliesslich
Zur Kritik der altslovenischen Denkmale.
771
nur die Formen bratb, bratija gebrauchen. Auch der Assem.
widerstreitet hier nicht, da hier mehr als 40mal diese Form
vertreten ist; bratn findet sich nur: Joli. 1, 41 (5); Matth. 18, 15
(41) und bratra Matth. 4, 21 (44) zweimal. Im Zogr. kommen
schon beide Arten von Formen vor, doch hat hier bratb schon
einen merklichen Vorzug. Auch der Cloz. hat beide Formen.
Mar. bildet dagegen die zweite äusserste Grenze, indem hier
nur bratn und bratrija zu finden ist. Im Zogr. b. ist nur
brata Matth. 17, 1 neben bratn 18, 15; 18, 21; 22, 24; bratra
18, 15; bratra 18, 35; 20, 24; 22, 25; bratrija 19, 29; bratrije
22, 25; bratrie 23, 8. Dagegen im Dec. Ev. finden wir nur
bratija Matth. 1, 2; 1, 11; brata 4, 21 zweimal; 5, 22; bratu
5, 22; bratb 5, 23. Aus der Zusammenstellung dieser Beispiele
ergibt sich für mich, dass in den pannonischen Denkmalen
bratn, bratrija, also eine dem Cechischen und Polnischen (hier
aber auch brat neben bratr) gleichlautende Form vorhanden
war. Der Mar. hat sie noch durchwegs bewahrt, weniger der
Zogr.; der jüngere Theil desselben aber merkwürdiger Weise
wiederum treuer als der ältere Theil. Es folgt daraus, dass
auch die Vorlage des Zogr. b. sehr alt sein musste, offenbar
auch eine pannonische. Auch Jagic rechnet (Arcli. I, 7) bratn,
bratrija zu den vom Altslovenischen bevorzugten Formen.
Bja, Bje etc.
Eine weitere Eigenthümlichkeit der altslovenischen Denk
male ist die Anwendung von b statt i vor Silben, die mit j
anlauten: bieAi, (— bijetb), bratnja (— bratrija). Auch in dieser
Beziehung zeigen sie theilweise bedeutende Abweichungen. Am
weitesten ist hierin der Cloz. gegangen. Die liieher gehörenden
Fälle aus demselben hat alle Miklosich (Vgl. Gramm. I 2 , 118)
aufgezählt. Neben dem b kommt hier, jedoch viel seltener,
auch das i in solchen Fällen vor: chadonstvie, cesanstvie u. s. w.
Auch im Psalter von Sluck sind derartige Formen häufig
(Srezn. S. 23).
Im Zogr. ist der Gebrauch des b in diesen Fällen schon
mehr beschränkt, man findet aber immer noch sehr viele Bei
spiele: repbe Matth. 7, 16; uhbjqtb 10, 17; abbe 13, 21; Marc.
1, 20; 1, 21; ptjq Matth. 26, 42; Marc. 2, 16; abbe Marc. 1, 29;
1, 43; 2, 2; 3, 6; 4, 16; 4, 17; vblbeti Marc. 2, 22. Besonders
772
Vo n dräk.
S. 70—72 findet man sehr viele Beispiele. Gegen das Ende
des Buches scheint es, dass sie allmälig seltener werden.
Im Zogr. b. findet man schon i: dejaniju Matth. 16, 27;
osie 17, 5; crstvie 18, 3; 18, 23; 19, 14; 19, 23; 19, 24; 20, 1;
cfstvie 19, 12; ubieH 19, 18; imenie 19, 21; sbtezanie 19, 22; bra-
trijq 19, 29; porqgarne 20, 19; tepenie 20, 19; propqtie 20, 19;
krbStenie 20, 22; 20, 23; ispieta 20, 23; izbavenie 20, 28 u. s. w.,
nirgends ein b. Ebenso wenig finden wir es in dem schon mehr
mals erwähnten Bruchstücke des Dec. Ev.
Noch seltener als im Zogr. wird das b im Mar. Man
findet hier sbeatb Matth. 5, 45 (Zogr. hier sieetb); zmbjq 7, 10;
cibbe 8, 32; golqbbe 10, 16; ubbjqtb 10, 21; bratnje 12, 46; 12, 47;
12, 49. Diese Fälle werden dann in der zweiten Hälfte des
Denkmals immer seltener, namentlich gegen das Ende, so dass
man hier nur tavonedbscemb Joh. 21, 1 findet.
Der Assem. stimmt hier mit der Sav. kn. merkwürdiger
Weise überein. Ich habe nämlich in beiden nur einmal in
diesen Fällen b gefunden, und zwar in der Sav. kn.: utnja
S. 115, 18 und im Assem. Julbena S. 127, 24. Eingehender
muss nun der Supr. besprochen werden, da er eine sonderbare
Eigenthümlichkeit, was das b statt i betrifft, zeigt. Mit b kommen
hier bis S. 354 folgende Formen vor: utnja 14, 24; 88, 8; na-
silbje 24, 5; bbjqSta 36, 29; ubbjeni 49, 16; abbje 58, 11; knstb-
jam 73, 11; 76, 15; 79, 13; 84, 11 (100, 6 im jüngeren Theile);
158, 5; bratbje 85, 26; 86 5; 187,13; 204, 21; mpbjqsta 104, 20;
pomostbja 115, 17 ; prepladbnbje 130, 27; thbmbjam 161, 20;
167, 8; cnvbje 173, 27; dbjavola 194, 24; 197, 24; kophje 226, 29;
sbjajqstu 239,8; groznovbje 247, 7; vbpbjqstu 248, 14; sbjanija
255, 2; netblenbja 257, 23; cLovekoljubhje 276, 1; 305, 27; tbste-
slavbja 276, 25; bbjeniju 286, 24; pbjqtb 288, 17; sbja 293, 12;
311, 7; bezwmbja 296, 18; nerazumbja 298, 21; prestqpbjemje
299, 19; maloslovbja 302, 9; bezumbje 307, 16 —17; zakolenbje
327, 27; kopbjenib 328, 26; be.zum.bja 334, 6; bbjetb 339, 5; £e-
tanbje 354, 2; sbje 354, 4. Es dürften hier noch einige Formen
im Instr. Sing, wie cnkbVbjq Vorkommen, die ich leider nicht
vorgemerkt habe. Von dieser Seite (354) an 'gestaltet sich
nun die Sache ganz anders. Wir finden von da an fast auf
jeder Seite mehrere Beispiele: orqzbje 355,1; zaplbvanbjn 355, 23;
dbcknovemje 355, 24; udarenbja 355, 25; pribbjenei 356, 2; osq-
Zur Kritik der altslovenischen Denkmale.
773
zdenhje. 356, 4; rqkopisanbje 356, 9; kopbjemb 356,11 u. s. f. Man
ersieht es sehr leicht auch z.JB. aus der Form abhje. Bis zu
der angeführten Seite fanden wir sie nur einmal, von da an
wird sie aber häufig: 362, 13; 390, 7; 401,4; 402,28; 403,24;
405, 19; 407, 28; 408, 17; 411, 6; 412,9 und 12; 413, 22;
419, 4; 427, 24; 432, 15; 440, 27; 441, 9 und 22; 445,1; 451, 24.
Einmal kommt auch die Form ab je 408, 2 vor. Daneben kommt
auch in diesem Theile abije vor: 418, 3; 419, 7; 434, 17; 436,15;
438, 19; 439, 17 u. s. w.
Welche Formen sollen wir nun als ursprünglich, d. h. in
unserem Falle als pannonisch ansetzen? Wenn wir von der
Ansicht ausgehen möchten, dass urslavisches i später zu b führte,
so müssten wir in den älteren Denkmalen i, in den jüngeren
b finden. Dem ist aber nicht so, sondern wir finden gerade
im Cloz., Zogr. und Mar. vorwiegend oder häufig h. Wir müssen
daher in diesen Fällen dasselbe als älter ansehen. Wenn wir
die altslovenischen Denkmale prüfen, so macht es auf uns den
Eindruck, dass sie uns überhaupt nicht mehr jenen Reichthum
an b und b aufweisen, den wir doch für das Urslavische und
seihst auch für die pannonisch - slovenische Sprache, da sie
offenbar die älteste war, in welcher geschrieben wurde, voraus
setzen. Das cechische fku, rci (urSen, das aus urbcen erklärt
wird, ist nicht wie rku zu beurtheilen, da wir noch reSen haben),
altslovenisch nci, ncete und das Iterat. ric.ati scheint mir dafür
zu sprechen, dass wir im Urslavischen im Praes. nkq (ich
nehme nasale auch für das Urslavische an), nceii hatten. Im
Altslovenischen kann man sie freilich nicht mehr belegen. Eekq
mag sich dann in Folge der Abneigung gegen die halbvocale,
die sich in der spätei’en Zeit, vielleicht schon im Pannonischen,
geltend machte, durch Anschluss an den Infinitiv resti und an
seine Bildungen entwickelt haben. Nur im Imperativ hat sich
in Folge der besonderen Accentuation auch im Altslovenischen
das b hier erhalten. Und selbst auch aus den Denkmalen er
sehen wir, wie häufig in bestimmten Fällen volle Vocale an
die Stelle der halben treten, was natürlich zumeist den Ab
schreibern zugeschrieben werden muss. Wir sehen demnach,
dass schon frühzeitig in den slawischen Sprachen die Existenz
der Halbvocale eine gefährdete war. Hier sind jedoch Halb
vocale, die ins Urslavische versetzt werden müssen, gemeint
774
Vondräk.
und nicht jene seeundären, die sich z. B. auf serbischem Boden
(zemaljski aus zembljski) u. s. w.. entwickelten.
Es fragt sich nun, wie ist die oben angeführte Eigen-
thümlichkeit des Supr. zu erklären? Warum kommt da von
einer bestimmten Seite an so häufig das b vor? Da wir das t>
in diesen .Fällen für älter halten, so muss es uns wundern,
warum gerade in den zwei letzten Dritteln dieses Denkmals
weniger epenthetische l Vorkommen (was wiederum für jünger
gehalten werden muss, als der regelrechte Gebrauch des l).
Man hat nicht die ganze Handschrift bei der Hand, es ist also
schwer, sie in paläograpliischer Hinsicht zu prüfen und zu unter
suchen, ob nur eine und dieselbe Hand (mit Ausnahme des
kleinen Stückes S. 99—100) sie ganz geschrieben. Wenn wir
auch dieses annehmen, so entsteht dann weiter die Frage, war
das Original auch schon so beschaffen? Mit Bücksicht auf
die ältesten Denkmale können wir es nicht zugeben. Das
Original, welches zur Abschrift kam, musste bis S. 354 viel
mehr h enthalten haben, die der Abschreiber zu i auflöste.
Aus welchem Grunde? Offenbar weil zumeist so gesprochen
wurde. Wir haben heutzutage noch in der bulgarischen Sprache
rmzije neben rmze, welche letztere Form dem im Supr. 408, 2
vorkommenden ab'je vollkommen entspricht, während das erstere
dem abije gleichkommt; ebenso bratija etc. (Miklosich, Vgl.
Gramm. HI 2 , 180). In manchen Fällen mag also neben ije
auch je oder e gesprochen worden sein, die Concinnität er
reichte aber der Schreiber dadurch, dass er zumeist i setzte,
welches jedoch gewiss nicht überall auch ausgesprochen wurde
(man denke an pristavijem, 11, 2); erst von S. 354 an folgte
er in dieser Beziehung mehr seinem Originale, trotzdem er es
schon vorgezogen hatte, bezüglich des epenthetischen l seiner
Muttersprache mehr Recht widerfahren zu lassen. Man kann
hier die Sache nicht umkehren und sagen, auch in den selte
neren Fällen des epenthetischen l zeige sich etwa von der
zweiten Hälfte des Denkmals an eine ältere Sprache als in der
ersten, denn wir werden noch Gelegenheit haben, auch aus
anderen Gründen das Gegentheil zu ersehen. Mehr Licht
würden wir jedoch immerhin bei dieser Erscheinung erwarten;
es hat noch seine weiten Wege, bis Alles in einer befriedigen
den Weise erklärt sein wird.
Zur Kritik der altslovenisclien Denkmale.
775
In den Glag. Fragmenten von Prag kommt in solchen
Fällen überall nur ije etc. vor, worin sich der cechische Ein
fluss äussert.
StuzdB-tuzds etc.
Was nun die Form fuzdi, betrifft, so ist sie in den alt-
slovenischen Quellen vorwiegend. Im Mar. ist sie ausschliess
lich und kommt vor: Matth. 17, 25 und 17, 26; Luc. 16, 12;
Joh. 10, 5 (zweimal). Ebenso im Assem. an diesen Stellen
(S. 28, 53 und 79); auch in der Sav. kn. Matth. 17, 25 und 26
(S. 22) ixnd Luc. 16, 12 (49). Im Zogr. ist tuzdb Luc. 16, 12;
Joh. 10, 5 einmal, das andere Mal aber in demselben Verse
Stjuzdb; im Zogr. b. ist tuzdb (Matth. 17, 25 und 26). Von allen
diesen Denkmalen weicht der Supr. ab, denn wir haben hier
nur einmal tuzderozdenie 375, 15, dann aber ausschliesslich
nur Stuzdb und stuSdb. Stuzdb kommt vor: 20, 21; 54, 19;
139,28; 191, 5; 207, 14; 208, 13; 265, 29; 266, 3; 269, 24;
313,10; 313,11; 313,13; 324,17; 324, 19. Stuzdb: 16,25;
55, 22; 90, 21; 313, 9; 343, 19; 362, 4; 427, 21.
Aus dieser Darstellung gewinnen wir mit Berücksichtigung
des Umstandes, dass im Bulgarischen die Form cuzd, cuz, cuzina
(Miklosicb, Etym. Würterb. S. 357) lautet, als pannonisch die
Form tuzdb. Es fragt sich nun, wie verhält sich tuzdb zu stuzdb ?
Wenn tuzdb wirklich mit goth. thiuda zusammenzustellen ist —
und es bleibt uns vorläufig nichts Anderes übrig — so ist stuzdb
offenbar die ältere Form. Die zweifache Palatalisation in Ver
bindung mit den Dentalen mag den Sprachorganen Schwierig
keiten bereitet haben, und man suchte sie daher zu vermeiden,
was vor Allem durch stuzdb und noch weiter vielleicht durch
tuzdb (nsl. tuj, serb. tudj) geschah. Hier wäre freilich der Weg
fall des s befremdend, daher ist es nicht unwahrscheinlich, dass
tuzdb direct auf *tjudjb zurückgeht, wo dann, um die Palatali-
sationshäufung zu vermeiden, nur das zweite j palatalisirt, das
erste aber unterdrückt wurde. Es wäre dann tuzdb ebenso alt
wie Stuzdb, neben dem es sich gleichzeitig entwickelt hätte. Nur
stuzdb muss als jünger angenommen werden. Im Bulgarischen
ei-hielt sich stuzdb lange. Das polnische cudzy und cechische
cuzvj cizi gab dagegen keine Veranlassung zu einer lautlichen
Veränderung und erhielt sich daher in diesen Formen.
776
Vo n d rak.
aafc& etc.
Was die Assimilation und Contraction der Verba V. Classe,
1. Gruppe anbelangt, so kommen sie zahlreich nur im Mar. und
Supr., seltener im Zogr. vor. Dem Cloz. sind sie absolut fremd,
im Assem. und der Sav. kn. sind sie grosse Seltenheiten. Be
züglich des Mar. bemerkt Jagid (S. 443), dass hier in der
2. Pers. Sing, und 1. Plur. die Assimilation nicht stattfinde. Nach
ihm ist die Assimilation vor Allem in der 3. Pers. Sing, nach dem
Verstummen der Endung tn> eingetreten, was man auch wirklich
zugeben muss. Jagic führt dann S. 444—445 die assimilirten
Fälle an. In diesen findet eine Contraction nicht statt. Ich
will nur bemerken, dass im Mar. immer podobaafo, nie podobaefo
vorkommt. Hier erstreckt sich die Assimilation auch auf Verba
wie umeti; daher umeatb, razuvieate und auch auf Verba wie
radovati: radujutb (S. 464). Die erwähnte Assimilation in der
3. Pers. Sing, der Verba V. Classe 1. Gruppe, kommt auch häufig
im Supr. vor, und zwar in folgenden Fällen: Shprebwoaatb 8, 14;
umiraato 8, 19; podobaaU 10, 3; 75, 16; 79, 24; 80, 5; 83, 8;
94, 3; 110, 5; 128, 1; 149, 28; 177, 24; 189, 2; 222,5; 381,29;
382, 2; 415, 2; 430, 5; prebbivaciU 29, 9; 30, 29; 189, 25; 196,16;
201, 12; 202, 10; 327, 19; 392, 8; ukazaati 62, 13; Inivaabb
62, 28; 263, 23; 275, 3; 276,19; 278, 2; 282,11; 289, 24; 303, 6;
309, 15; 330, 16; 336, 27; 344, 12; 344, 15; 344, 17; 346, 29;
371,8; 375,7; 375,24; 376,12; 376, 15; 378, 20—21; 396,
17—18; 436, 24; naplmeatb 70, 2; nasviMaati 82, 24; sovaah
170, 27; otovnzaatb 203, 14; urmivaatb 222 , 24; otokrivaah,
249, 16; prSdolevaati, 249, 23—24; sbgnevaati 251, 2; mziskaatb
252,18; prevrastacd 253, 6; priziivaah, 257, 24; pominaafa 260,12;
260, 14; polagciatb 275, 1; s~>biraaii, 275, 29; SopreXaati, 308, 2;
pribliSaato 317, 23; rozdtuSaatb 323, 8—9; vbmestacit 347, 3; po-
velevaafa 352, 13; vbslcreSaatb 355, 5; ispovedaatb 392, 25; pozbi-
vaati 392, 27; otvoraStaati, 393, 9; povedaatb 394, 2; 418, 11;
prizoivaatb 402, 23; prinuzdaatb 404, 8; povazdaaty, 404, 14; pri-
begaatb 405, 21; nasevaato 405, 28; obestaato 406, 27; gnusaato
427, 4; sr>vn5aatb 438, 5; spasaati, 449, 29. Ob auch podobaU
188, 24 und Sbvezcih 339, 6 kieker gehören, ist nicht klar, wenn
es auch den Anschein hat, dass durch das Zeichen ’ beim Aus
fall eines vollen Vocals angedeutet wird, dass ein mit dem vorher-
Zur Kritik der altslovenisclien Denkmale.
777
gebenden identischer Vocal ausgefallen ist. Auffallend sind hier
die häufig wiederkehrenden Formen biinaaU (diese hat auch im
Mar. das Uebergewicht) und dann podobaatb, das im Mar. nur
ausschliesslich vorkommt. Doch kommt im Supr. auch podo-
bajet und bvivajetb (251,2; 378, 19) vor. Eine weitere Eigen-
thümlichkeit des Supr. besteht darin, dass, während im Mar.
in der 2. Pers. Sing, nicht assimilirt wurde, hier sich schon drei
Formen vorfinden: prebbivaaSi 36, 15; gnevaasi 300, 22 und
sbveStaasi 393, 21. Durch Contraction ist prebvivate 24, 24 ent
standen. So könnten auch die Formen izbamjaH 197, 22 und
javbjatb 249, 26 erklärt werden. Dagegen ist ostavbjaU 277, 27
statt ostavbjajqh jedenfalls ein Schreibfehler.
Im Zog]’, findet man svkoncaafa Matth. 4,14; javleah, 24, 27;
razbivaatb Marc. 9, 18; podobaatb Luc. 9, 22; 19, 5; 24, 7 und
podobaa Luc. 18, 1; prqzaafy, Luc. 9, 39; ausserdem pormä&leate
Marc. 8, 17 (nicht Matth., wie bei Miklosich, Vgl. Gramm. III, 119
angegeben). Auffallend muss hier auch das podobaatb erscheinen,
welches wir in den beiden vorerwähnten Denkmalen so häufig
antrafen. Andere Assimilationsfälle, wie sie im Mar., der hier am
weitesten ging, Vorkommen, sind dem Zogr. wie auch den anderen
Denkmalen fremd. In der Sav. kn. kommt otvestavasi Matth. 26,62
(88, 8) und im Assem. Jdanete se Joh. 4, 22 (25) neben posluSate.
Die Entstehung der Endung aatb erklärt Jagi6 (S. 444),
wie schon erwähnt, dadurch, dass er annimmt, in der Sprache
des Schreibers habe die Form ohne h gelautet. Im Mar. finden
wir keine Beispiele mit einem solchen Ausfall, wohl aber sind
sie häufig im Supr. Das to fällt hier aus: cesanstvuje 40, 26;
£te se 108, 17; chbSte 117, 1; 128, 22; bledeje 121, 24; &eleje
173, 2; predaje 176,19; obamjaje 176, 19; igraje 176,27; osi,i-
peje 229, 16; znamenaje 232, 18; likuje 236, 4; prazdmuje
236, 29; posluchaje 238, 29; povedaje 240, 4; propovedaje 240, 6;
ocliudeje 241,21; popinaje 243,29; oslusaje 244,11; bbivaje 246,17;
284, 4; pocuje 248, 3; utvnzdaje 248, 9; prestqpaje 266, 8; razdi-
zaje 271, 2; javljaje 272, 4; podobaa 274, 9; prilagaje 274, 17;
podobaje 276, 22; beseduje 285, 23; ischazdaje 303, 5; pidtaje,
304, 16; utvaraje 314, 12; ustrajaje 314, 17; Sbpletaje 317, 3;
poreje 323, 11; povine 386, 6; sedi 389, 20; stavujaje 393, 12;
vhpije 393, 13; dhzaje 416, 1; drbzne 435, 9; prebbivaje 441,26.
Dann aber auch noch in andex-en Foi-men: bade 26, 6; 228, 17;
Sitzungsber. <1. pliil.-hist. CI. CXII. Eil. II. Hft. 50
778
Vond rak.
378,19; 436,14; > 84,20; 216, 21; 273, 21; 279,15; 281, 7; 386,
18; 387, 21; 387,22; 387,23; 387, 24; ne 402, 21, ja sogar auch
in der 3. Pers. Plur. nacmq 12, 15; sq 388, 3; 410, 15; naricajq
202, 29; sivedetehstvujq 203, 20, was sich auch im Assem. als
Seltenheit wiederholt: venija Joh. 6,64(19); prozirajq Matth.
11, 5 (160); Imvajq. Auch in der 3. Pers. Sing, wurde einmal
(sede Matth. 19, 28 (S. 43) das (i ausgelassen. Die Form je statt
jestb kommt auch hier vor, wie auch im Cloz., z. B. 87. Aus
der obigen Zusammenstellung ersieht man, dass im Supr. bei
Weitem mehr in der zweiten Hälfte des Denkmals Formen ohne
i~ u Vorkommen als in der ersten.
Im Zogr. findet man folgende Formen: upodobi Matth.
25, 1 (Mar.: -/?,); dostoi Marc. 3, 4 (Mar.: -tu); podobaa Luc.
18, 1. Dieselbe Form fanden wir auch im Supr. 274, 9; dann
je Joh. 21, 23. Auch im Zogr. b. findet sich eine Form ohne
tu: mni Matth. 17, 25. Für die Annahme, dass dieses tu nicht
mehr gesprochen wurde, kann vielleicht auch mozaaseh, 22, 46
sprechen. Auch in der Sav. kn. finden wir zaprestaSetb Marc.
7, 36 (64). Ferner findet, sich hier auch je Matth. 22, 20 (27)
und ne Joh. 10, 12 (119).
Mit dieser Assimilation und Contraction hängen auch die
Genitivformen der adjectiven bestimmten Endung auf ago aus
aago, ajego und der Dativ umu aus uvmu, ujemu zusammen.
Am häufigsten weist die ursprünglichen Formen noch der Zogr.
auf, seltener dann der Mar. Im letzteren kommt vor: oslable-
nujemu Matth. 9, 2; kadilmajego Luc. 1, 11. Im Ganzen werden
bei Jagic (440) drei Genitive auf aego und vier Dative auf ujemu
angeführt. Die Formen auf aago sind im Vergleiche zu den
auf ago vorwiegend; im Dativ dagegen kommen zumeist nur
die auf umu vor. Bei Jagi6 werden (S. 441) fünf Beispiele
auf uurau und zwei auf oumu, wo also der erste Vocal durch
Unachtsamkeit nicht ausgeschrieben wurde, aufgezählt.
Im Cloz. sind im Genitiv vorwiegend die Formen auf
ago: sedenstago 37; prevennago 32 etc. neben aago: st aago 752
etc. Im Dativ nur umu.
In der Sav. kn. finden sich schon durchwegs Formen
auf ago und umu, einmal sogar im Genitiv zivogo Luc. 10, 30(41).
Im Supr. kommt die alte Form einmal noch vor: osq-
zdenujemu 183, 19. Sonst ist hier im Genitiv aago die Regel:
Znr Kritik der altslovenischen Denkmale.
779
vbiSbnjaago 1, 22; sbtvorbüaago 5, 18 u. s. w. Ausserdem kommen
auch Formen wie rurmslca’go 90, 9 (wo wahrscheinlich ein a
vertreten wird) und vbiSujago 2, 27; dohbjago 86, 28 etc. vor. Im
Dativ bildet ganz entsprechend uumu die Regel: hg?,ce$tuumu
3, 21; nebesbskuumu 6, 17; svetuumu 9, 8. Daneben rodimSu’mu
173, 13—14 und stcirejSimskumu 76, 9; blazenumu 150, 18 etc.
Im Assem. kommt regelrecht im Genitiv aago vor: idq-
stacigo Job. 1, 9 (1); inocedaago 1, 14 (1) etc. Daneben aber
auch ago: drugago 7, 6 (67); 16, 13 (79); 23, 33 (119); novago
S. 145, 31. Im Dativ sind dagegen die Formen auf uumu in
der Minorität: bwmsuumu Luc. 24, 12 (3); verujastuumu Marc.
9, 23 (93); novuumu S. 127, Z. 25 etc. gegen clovecuskumu Job.
3, 14 (6); posblavbüumu 5, 24 (11); proseStumu Matth. 5, 42 (42);
oslablenumu Matth. 9, 2 (48); 9, 6 (49); Marc. 2, 5 (91); 2, 9 (91);
2, 10 (91) etc.
Es folgt nun noch Einiges, was zur Charakteristik der
Sprache des Supr. dient. Vor Allem der Dativ bogovi. Bis
S. 265 habe ich ihn nur einmal gefunden 80, 10; dagegen ist
hier die Form bogu äusserst häufig: 1, 3; 3, 3; 5, 22; 6, 17;
15, 14; 15, 17; 16, 2; 17, 6; 20, 1; 20, 22; 20, 22; 20, 24; 21, 3;
22, 24; 24, 2; 24, 4; 24, 8; 25, 26; 36, 7; 39, 7 (zweimal); 39, 22;
43, 22; 56, 4; 60, 24; 61, 4; 79, 15; 80, 3 (hier möchten wir
wegen des vorhergehenden Icesarevi am ehesten bogovi erwarten,
wie es auch in den Evangelien an dieser Stelle heisst); 80, 5;
82, 15; 85, 4; 86, 5; 87, 6; 90, 7; 93, 18; 95, 14; 106, 14;
107, 8; 107, 28; 107, 29 u. s. w. bis S. 265 noch etwa 50mal.
Anders wird es von da an. Die Form bogovi wird viel häufiger
und tritt auf: 265,4; 269,6; 288, 14; 294,4 (sonst pflegt immer am
Schlüsse in solchen Wendungen die Form bogu vorzukommen);
341, 5; 341, 9-10; 350, 22; 351, 2; 351, 8; 386, 1; 398, 16;
400,16; 407, 24; 410, 6; 416, 6; 427,1; 427, 5; 427, 7; 427,14;
429, 6; 440, 25; 446, 22; 450, 2; 451, 29. Daneben kommt
aber auch, und zwar viel häufiger, bogu vor. Namentlich
steht sie bei der Präposition kt: 265, 5—6; 265, 14 ; 266, 20;
287, 16—17; 304, 3; 339, 26; 357, 1; 357, 7; 365, 23; 411,22;
412, 1; 424, 15—16; 437, 16 — 17; 441, 7; 450, 26. Die Form
bogovi mit der vorhergehenden Präposition ki, kommt nur ein
mal vor: 440, 25. Aber auch sonst kommt bogu noch häufig
vor: 280, 25; 289, 5; 315, 22; 320,10; 329, 1; 342, 17; 345, 14;
50*
780
Vo n d rak.
346,8; 348, 10; 350, 29; 354, 14; 365, 2; 39t, 14; 408, 24;
415, 9; 420, 3 ; 422, 14; 425, 7; 432, 2; 432, 8; 437,19; 441, 22;
451, 9.
Eine weitere Form, die uns beschäftigen soll, ist der Dativ
gospodu und gospodevi. Während in der ersten Hälfte etwa
die Form gospodu vorherrschend ist, kommt in der zweiten
gospodevi fast ausschliesslich vor. Gospodu tritt auf: 12, 21;
12, 23; 14,1; 14, 5; 21, 4; 21, 25; 44, 10; 45,10; 49,12; 56,14;
61,4; 82, 12; 87, 11—12; 93,11; 94, 13; 100, 1; 102,5; 106,13:
107, 22—23; 107, 24; 108, 12; 109, 1; 113, 1; 125, 25; 127, 27;
138, 3; 149, 27; 152, 14; 153, 25; 159, 4; 186, 11. Von da an
haben wir nur gospodevi. Nur ein einziges Mal kommt noch
kr, gospodu 451, 7, also mit einer Präposition, vor. In der ersten
Hälfte erscheint schon gospodevi in: 51, 16; 61, 2; 67, 23 etc.
und wird dann, wie er erwähnt, in der zweiten Hälfte aus
schliesslich: 230, 24; 235, 29; 243,16; 251, 19; 266,17; 268, 14;
269, 4; 323, 22; 354, 10; 366, 9; 419, 10—11; 421, 2; 427, 9.
Die Präposition kb findet man bei diesen Formen nicht.
Ausserdem finden sich noch folgende Dative auf ovi und
evi in unserem Denkmale: chnstovi 39, 7; cesarevi 65, 14; ra-
bovi 67, 24; dicivolovi 68, 10—11; 365, 23; mqzevi 71, 13; mirovi
72, 18; 257, 5; 259, 18; k’esarevi 80, 3; hvovi 120, 22; Josifovi
178,17; 180, 9. Isusovi 178,18; 342, 14; 345, 2; patviarcliovi 182,
29; Meseovi 203, 18; vracevi 266,24; Petrovi 269, 2—3; 350,16;
morevi 308, 1; clovekovi 341, 26; Adamovi 355, 4; Adovi 362, 24;
blagodetel’evi 377, 29; Christosovi 419, 28; 423, 4. In Soinovi
241, 12—13 ist die alte Form noch erhalten. Bei diesen Dativ
formen kommt nur einmal die Präposition Äs vor: lt~ u Christosovi
423, 4. Wie man aus den angeführten Beispielen ersehen kann,
kommt die Endung ovi, evi vorwiegend bei Personennamen vor.
Eigenthümlich ist auch, dass wir bis S. 301 nur Formen
wie oh kqdu 35, 7; 58, 13—14; 81, 3; 98, 5 etc.; vbsqdu 38,12
bis 13; 63, 1; 78, 26; 112, 23 etc.; oh tqdu 41, 3; oh naduze
127, 8; oh nqdu 127, 15; oh sqdu 129, 15; qduze 183,14; tqduSe
183, 15 und andere ähnliche, d. h. auf u auslautende Formen
finden. Von S. 301 an haben wir dagegen neben den ange
führten auch: otr, tqde 301, 22; oir, sqde 373, 7; otb nqdeze 386, 23;
otb vbsqde 391, 19; vbsqde. 392, 4; vmejqde 394, 23—24; qtnqde
394, 24; oh tade 403, 16 und 448, 22.
Zur Kritik der altslovenischen Denkmale.
781
Auch bei der Wiedergabe des e sind einige Unregel
mässigkeiten eingetreten, die den Einfluss der bulgarischen
Sprache zu verrathen scheinen. Es sind folgende Fälle: besadann
268, 23 (statt besedarm); casaru 142, 15—16 (ce—); dann ver
gleiche man auch samarem 400, 10—11 mit samarami 400, 23
und samaram 403, 27. Ueherhaupt würde ich den Ursprung
der Vertretung des ja durch e nicht nach Pannonien versetzen;
es ist mir wahrscheinlicher, dass wir es auch hier mit bulgari
schem Einfluss zu thun haben. Er konnte sich dann auch
weiter geltend machen. Ich würde demnach dem e die ursprüng
liche Geltung des ja nicht zuschreiben. Wenn im Supr. das l
vor einem e statt ja ausserdem noch erweicht wird und sonst vor
einem mit j beginnenden Vocale ein Erweichungszeichen nicht
annimmt, wenn in der Sav. kn. nach dem epenthetischen l nicht
ein Vocal mit j folgt, ausgenommen abermals e statt ja,, sollte
es nicht vielleicht eine Erinnerung an die ursprüngliche Geltung
des e im Pannonischen sein? Wir müssten freilich dann an
nehmen, dass im Pannonischen die Erweichung nur durch das
eigene Erweichungszeichen angedeutet wurde, dass nach diesen
/-Vocale noch folgen konnten. Ihr j hätte dann seinen lautlichen
Werth verloren und nur die Function der Erweichung später
übernommen. Trotzdem ein Bulgare das e anders aussprach,
konnte er docli auf diese Art, dass er es nämlich nicht als
einen mitj anlautenden Vocal auffasste, seine historische Geltung
im Pannonischen zum Ausdrucke bringen. Doch dies sei hier
nur nebenbei bemerkt. Durch die bulgarische Aussprache des
e würde sich der Local der bestimmten Adjectiva auf eamt
erklären. Ich will nur bemerken, dass diese Form gerade z. B.
im Mar., der also nicht auf bulgarischem Boden entstand, gar
nicht vorkommt, sondern wir haben dort nur Formen auf eenib
und errib (441). Freilich kommt hier andererseits döbreja statt
dobreje (442) vor, wie auch umeatb, was allerdings eher auf
bulgarischen Einfluss weisen würde. Es muss ja noch unter
sucht werden, von welcher Vorlage dieser Codex abgeschrieben
worden sein konnte. Doch konnten auch andere Denkmale
auf bulgarischem Boden entstehen, ohne dass in denselben der
Local auf eamb Vorkommen müsste. So tritt im Zogr. zumeist
der Local auf -emb auf: druzemi, Matth. 6, 24; Luc. 5, 7;
galilejstemb Matth. 15, 29; gresbnenib Marc. 8, 38; naricajememb
782
Von dra.k.
Job. 19, 13 etc. Seltener auf eemb: nebesceerm Matth. 11, 11;
noveemb 27, 60. Dasselbe Verhältniss besteht auch in der Sav.
kn. Auch da ist emt vorherrschend: druzenvb 13; nebescemi
Matth. 18, 1 (22); 18, 4 (22); ijudejscerm 2, 1 (137); 2, 5 (137);
nebescemo 11, 11 (148); grehnemb Marc. 8, 38 (65); veöbnerm
Job. 12, 25 (122); naricajememb 19, 13 (108) etc. neben nepravbdb-
nuemb Luc. 16, 11 (49) und istimnSemb 6, 11 (49).
Die Formen auf eamb haben wir im Assem.: vavilonstSarm
Matth. 1, 11 (147); crkovbneamb 4, 5 (156); veövneamb Joh. 12,
25 (33); greSneatm Marc. 8, 38 (92) neben vorherrschendem emb:
nebesbnemi Matth. 5, 19 (134); tiveriadbstemb Joh. 21, 1 (177) etc.
Dann im Supr. grobbnea/nn, 337, 12; adbsteaim 348, 18. Ebenso
werden offenbar auch agn’wieemb 4, 17; blaseneenib 85, 29; adb-
steerm 348, 19 etc. zu beurtheilen sein, d. h. das zweite e ist
als ja, wenn nicht auch das erste, aufzufassen. Wir müssen
zugeben, dass in der bulgarischen Sprache der Local dieser
Adjectiva damals nicht gerade so lauten musste, sondern es
ist blos eine Uebertragung der Aussprache des e in die Local
form, wie man sie in den pannonischen Originalen fand. Daher
erklärt es sich, dass solche Formen nicht überall Vorkommen.
Es blieb demnach beim blossen Versuche. So finden wir im
Zogr. b. Formen auf enn: nebescerm Matth. 18, 1; 18, 4 und
ebenso im Dec. Ev.
Sonderbar ist auch der Umstand, dass in allen bespro
chenen Denkmalen Serbismen vorzukommen scheinen. So findet
man z. B. im Assem.: zapovedaju (S. 141 im vorletzten Ab
schnitte) statt zapovedajq, wie z. B. auf S. 143. Im Supr. ka-
zuStu 448, 18; imustuumu 279,24; goneznuti 331,14; dnznum
342, 21. Vgl. auch dqSq 282, 29 statt duiq. Im Zogr.: greduHju
Luc. 9, 42; inudu Joh. 10, 1; otbnuduze Matth. 12, 44; otb tudu
Marc. 7, 24. Namentlich ist dies der Fall im Mar. (423—424),
wie es ja auch zu erwarten ist. Auch im Cloz. sind mehrere
solche Fälle (Miklosich, Vgl. Gramm. I 2 , 89).
Der serbische Einfluss zeigt sich vielleicht auch in den
Formen sega Marc. 6, 14 im Mar. und in jega 392, 26 ; kojega
332, 2 etc. im Supr. Die Erklärung dieses Einflusses ist nicht
leicht, und man kann vielleicht nur zu jener Annahme seine
Zuflucht nehmen, nach welcher etwa an eine Gegend gedacht
würde, wo das Gebiet der serbischen Sprache angrenzt —
Zur Kritik der altslovenischen Denkmale.
783
natürlich nicht mit scharf ausgeprägten Differenzen, so dass
sie diesen Einfluss auszuüben vermochte.
Wir haben demnach in den altslovenischen Denkmalen
vor Allem bulgarischen, dann aber auch theilweise serbischen
Einfluss bemerkt. Der Einfluss war aber nicht so bedeutend,
dass er nach einer Richtung hin, sei es in lautlicher, sei es in
formeller Beziehung, in allen Denkmalen völlig zum Durch
bruche gekommen wäre. Ihm stellte sich, wenn es sich um
bedeutendere Veränderungen handelte, etwas hindernd entgegen,
und zwar war es die Pietät zu jener Sprache, in welcher die
beiden Slavenapostel Cyrillus und Methodius lehrten, und in
welcher auch die von den bulgarischen und serbischen Ab
schreibern mittelbar oder unmittelbar benützten Originale ge
schrieben waren.
Wenn man auch erwarten wird, dass vor Allem zur Zeit
der ersten Anfänge des Christenthums bei den Bulgaren und
Serben diese Pietät im hohen Grade vorhanden war — ja wir
müssen geradezu annehmen, dass man sich hier längere Zeit
hindurch in der Kirche selbst der pannonischen Sprache auch
bediente, so konnte sich doch bei einzelnen Individuen der
Einfluss ihrer Muttersprache gegen die erlernte Sprache wirk
samer äussern: daher die in manchen Beziehungen auftretende
Nichtübereinstimmung von Denkmalen, die nahezu aus der
selben Zeit stammen sollten. Dass aber allen diesen Denkmalen
nur eine Sprache zu Grunde liegt, das kann man ebenso wenig
bestreiten, als auch die Thatsache, dass die in ihnen vorhandene
Sprache im offenen Widerspruch mit dem fremden Einflüsse,
der sich darin auch äussert, sich befindet, so dass man an
ein Altbulgarisch in unseren Denkmalen gar nicht denken
kann. Die Sprache unserer Denkmale ist demnach pannonisch
oder altslovenisch.
Die Frage nach dem Ursprünge und nach der Sprache
der altslovenischen Denkmale hat, wie auch alle grossen Fragen,
ihre merkwürdige Geschichte. Noch im Jahre 1874 schrieb
Miklosich in seiner ,Altslovenische Formenlehre in Paradig
men' (IV): ,Weit mehr Anhänger als die altslavische, zählt
die bulgarische Hypothese. Diese ist seit einigen Jahren so
allgemein angenommen, dass ich meines Wissens unter den
lebenden Slavisten mit meinem Proteste dagegen allein stehe.“
784
Vondräk. Zur Kritik der altslovenischen Denkmale.
Heute stehen die Sachen, dank den unabweislichen
Resultaten in seinen Werken, die in ihren Grundfesten nicht
erschüttert werden können, und dank den weiteren Forschungen
Jagic’, ganz anders. Es gibt zwar immerhin einzelne Slavisten,
namentlich der älteren Generation angehörend, die von ihrer
altbulgarischen Hypothese nicht mehr geheilt werden können,
da sie allen plausiblen Gründen ihre Ohren principiell ver-
schliessen. Wer dagegen über die neueren Forschungen nicht
zur Tagesordnung übergehen will, für den kann die bulgarische
Hypothese nunmehr einen literar-historischen, aber sonst keinen
anderen Sinn und Werth haben. Nach dieser Richtung hin
kann man die Aufgabe der Slavistik als gelöst ansehen. Möge
es auch in anderen Fällen noch so gelingen!
L i t e r a t u r.
Ap. Sis. Apostolus e eodice mon. Sisatovac ed. F. Miklosich. Wien, 1853.
Assem. Assemanovo izborno evangjelje. Na svetlo dao Dr. J. Örncie. V.
Rimu, 1878.
Cloz. Glagolita Clozianus ed. B. Kopitar. Wien, 183Ö.
Glag-, Fragm. Glagolitische Fragmente. Höfler und Safarik. Prag, 1857.
Miklosich. Etymologisches Wörterbuch der slavischen Sprachen. Wien,
1886. Vergleichende Grammatik der slavischen Sprachen. 4 Bände.
Mar. Quattuor Evang. vers. pal. Codex Marianus ed. V. Jagic. Berlin, 1883.
Sav. kn. Savina kniga in Sreznevskij’s: Drevnie slav. Pamjatniki jus. p.
Petersburg, 1868.
Spec. Specimina linguae palaeoslovenicae ed. V. Jagic. Petersbvtrg, 1882.
Supr. Monumenta linguae palaeoslovenicae e Codice Suprasliensi ed. Mi
klosich. Wien, 1851.
Zogr. Quattuor evang. Codex glagoliticus olim Zographensis nunc Petro-
politanus ed. V. Jagic. Berlin, 1879.
Zingerle. Der Paradiesgarten der altdeutschen Genesis.
785
Der Paradiesgarten der altdeutschen Genesis.
Eine Untersuchung
von
Dr. Oswald Zingerle.
Scherer bemerkt bei Besprechung der Wiener Genesis: 1
,Leider widersteht er (der Dichter) bei dem Streben nach
Detaillirung und ausführlicher Veranschaulichung nicht ganz
der Eitelkeit, auch einige Gelehrsamkeit zur Schau zu tragen.
Bei der Vegetation des Paradieses ergeht er sich in einer Masse
von Baum- und Pflanzennamen, für die er irgend ein nahe
liegendes Compendium, etwa Isidor origg. 17, 8—10 ausgezogen
haben muss/ Diese Vermuthung über die Quelle dieses Pflanzen
verzeichnisses ist meines Wissens bisher die einzige geblieben,
ein Beweis, dass man den Werth desselben verkannt hat, obwohl
es für mittelalterliche Horticultur von nicht geringem Interesse
ist und wir darum dem Dichter für seine Mittheilungen zu
Dank verpflichtet sein müssen.
Die biblische Ueberlieferung 2 hält sich bekanntlich in
der Schilderung des Paradieses ganz kurz: Plantaverat autem
dominus deus de liumo omne lignum pulchrum visu et ad vescendum
suave; lignum etiam vitae in medio päradisi, lignumque scientiae
honi et mali. Hält man dazu die betreffende Partie der alt
deutschen Genesis, zunächst in der Wiener Fassung, so scheint
darin allerdings eine gewisse Gelehrsamkeit hervorzutreten,
denn hier ist das Paradies nicht nur mit den köstlichsten Obst
bäumen, worunter der Baum des Lebens und jener der Er-
kenntniss hervorragen, ausgestattet, sondern ausserdem wird
1 QF. 1,13.
2 Genes. II, 8.
786
Zingerle.
noch eine Reihe anderer Bäume und Pflanzen namhaft gemacht:
Lilia, rosa. Sinamin, zitwar, galgan, plieffer, balsamo, wiroch,
timidm, mirrun. crocus, ringele, tille, chonele, fenechele, lauenclele,
peonia, saluaia, rata, nardus, balsamita, minz, epphicli, chres,
lattbch, astriza, wichpoin. Dass hiezu aber nicht die angezogene
Schrift Isidors Quelle sein könne, davon überzeugt man sich
bald; gleich zitwar, galgan, plieffer finden wir dort nicht, und
so lässt uns Isidor noch ah und zu im Stich. Wir müssten
also noch nach einer zweiten Quelle suchen, doch können wir
uns das Nachforschen wohl überhaupt ersparen: der Verfasser
hat weder irgend ein Compendiiun ausgezogen, noch mit seinen
botanischen Kenntnissen prunken wollen, was ebenso überflüssig
als thöricht gewesen wäre, denn in solchem Umfange besassen
sie damals gewiss nicht blos hochgelehrte Leute unter Pfaffen
und Laien. Man erinnere sich nur daran, dass den Benedictinern
ihre Ordensregel die Land- und Gartencultur vorschrieb, und
wie diese haben auch andere Orden darauf Bedacht genommen,
nicht allein aus Utilitätsgründen, damit die Küche mit Gemüsen
und würzhaften Kräutern versorgt werde, sondern auch der
Augenweide und AVollust wegen. Ist es nicht charakteristisch,
wenn in Herrads von Landsberg Hortus deliciarum der Eremit
von der obersten Stufe der zur Krone des Lebens führenden
Leiter noch herabstürzt, weil er seinen Garten dem Gebete
vorzieht? 1 Dem Weltmenschen scheint eine derartige Freude
weniger als Sünde angerechnet worden zu sein, und er konnte
sich ihr darum um so mehr hingeben; sie hat auch nicht ge
fehlt und brachte ohne Zweifel eine gewisse Pflanzenkenntniss
mit sich, besonders bei den Frauen, welche sich die Gemüse-,
Kräuter- und Blumenzucht mehr angelegen sein Hessen, 2 erstere
schon wegen des reichlichen Bedarfs in der Küche. Man darf
endlich nicht vergessen, welche bedeutende Rolle die Pflanzen
in der Arzneikunst spielten, und diese wurde nicht ausschliess
lich gewerbs- oder berufsmässig betrieben; neben Mönchen
und Nonnen waren auch Männer und Frauen weltlichen Standes
darin mehr oder weniger erfahren und kannten die Heilkraft
1 S. Engelhardt, Herrad von Landsberg und ihr Werk Hortus deliciarum
S. 45.
2 S. Weinhold, Deutsche Frauen 2 II, 70.
Der Paradiesgarten der altdeutschen Genesis.
787
verschiedener Kräuter, deren Verwendung zu Arzneien, 1 wie
wir das heutzutage besonders beim Landvolke noch beobachten
können. Dies Alles in Betracht gezogen, durfte unser Dichter
kaum eine imponirende Wirkung seines botanischen Excurses
bei seinen Lesern erwarten.
Sehen wir aber dieses Pflanzenverzeichniss genauer an,
so zeigt sich unverkennbar eine systematische Anordnung, indem
die nach Lilie und Rose genannten Gewächse im Wesentlichen
in zwei Gruppen, eine exotische und eine einheimische, in
welch ersterer wieder nach den Producten eine Gliederung
vorgenommen erscheint, zerfallen. Was nun die erwähnten
Gewürze und Wohlgerüche anlangt, so waren sie im Mittelalter
vielfältig in Anwendung, ihre Namen wenigstens allgemein be
kannt, und noch mehr gilt dies von der zweiten Gruppe, welche
fast durchwegs gewöhnliche Gartenpflanzen umfasst, wie sie
noch heute gezogen werden. Dies, sowie der Umstand, dass Ge
wächse, die nach gelehrter Tradition dem Paradiese zugesprochen
wurden, übergangen sind, macht Scherers Ansicht nur um so
bedenklicher, und eine andere Beobachtung, die zugleich die
umfassende und nachhaltige Einwirkung Karolingischer Cultur
bestätigt, lässt keinen Zweifel übrig, dass dem Verfasser der
Genesis hei Zusammenstellung der einheimischen Pflanzengruppe
lediglich die Gartencultur seiner Zeit vor Augen schwebte.
Wie zur Zeit Karls des Grossen die Gärten bestellt wurden,
darüber belehrt uns ein Abschnitt im Capitulare de villis. Kerner
hat den wichtigen Nachweis erbracht, dass die Bepflanzung
unserer Bauerngärten noch ganz den dort enthaltenen Bestim
mungen entspreche, 2 und zum gleichen Resultate gelangen wir
bezüglich der Angaben in unserem Gedichte, wodurch selbst
verständlich der dort verzeicknete Pflanzenvorrath nicht er
schöpft wird. Neben der Lilie und Rose entsprechen sich näm
lich ringele = solsequium, tille = anetum, chonele = satureiam,
fenechele — fenicolum, säluaia — salviam, ruta = rutam, minz
— menta, eppkic.h = apium, chres = nasburtium, lattbch =
lactucas; ausserdem glaube ich aber noch für einige andere
1 S. Weinhold a. a. O. I, 171 ff.
2 Kerner, Die Flora der Bauerngärten in Deutschland, in den Verhand
lungen des zoologisch-botanischen Vereines in Wien V, 787 ft'.
788
Zi n gei le.
Pflanzen Identität nachweisen zu können, und zwar für astriza,
balsamita und peonia.
astriza erklären die Wörterbücher richtig mit imperatoria,
wofür ich aber lieber den althergebrachten deutschen Namen
Meisterwurz gebrauche.
In Pflanzenglossaren 1 erscheint astrenza, astricia allerdings
für aristolochia longa, die auch lange holwurznngelvmrz, 3 biver-
wurz, 1 später meist Osterlucey, nach jetziger Nomenclatur Aristo-
lochia clematitis heisst, aber der Name ist offenbar aus Astren-
tium, Ostritium etc. hervorgegangen, und so findet sich z. B.
Astricum astrenza, Ostricion gerese Vostrez, Verstümmelungen
eines Namens, mit dem die Meisterwurz bezeichnet wurde, wie
unter Anderem bei Tabernemontanus I, 296 zu lesen ist: Es uoirt
die Meisterwu/rtz bey den Kreutlern | Simplicisten wind den erfahrnen
Medicis Imperatoria genannt. Bey den Calendermachern | die ire
Fantaseyen mit dem gestirn haben | als die dises Wercks sich nicht
viel annemmen | sondern es den alten vnverstendigen Weibern be
fehlen | deßgleichen auch bey den Apoteckern hat dieses edel Ge-
wächfi viel zerstörte vnd Barbarische Namen bekommen | dann
es von ihnen genannt ivirdt j Ostricium | Astrencium, Ostentium,
Astrantia, Ostrutvum, Asteritium, Astrutium vnd MagistrantiaA
Was die Uebertragung des Namens astrenza auf die Oster-
lucei veranlasste, kann ich nicht sagen. 6 Im Capitulare findet
sich zwar keine entsprechende Benennung, doch vermuthet
Kerner nicht ohne Grund, dass unter Olisatum die beim Volke
in hohem Ansehen stehende Meisterwurz zu verstehen sei, und
wie diese in der Genesis unter die Gartengewächse eingereiht
ist, was Kerners Vermuthung nur noch mehr unterstützt, thun
später die Botaniker deren Cultur Erwähnung. 7
balsamita wird im mittelhochdeutschen Wörterbuch gar
nicht bestimmt, von Lexer dagegen als Balsampflanze erklärt,
womit gewiss Jedermann eine falsche Vorstellung verbindet.
1 Graff, Spr. HI, 864; Germ. IX, 23.
2 Sumerlat. 52, 20; Brunfels I, 49.
3 Innsbruck. Hs. 355.
4 Sumerlat. 21, 22; Innsbruck. Hs. 355 und in Kräuterbüchern.
5 S. auch daselbst I, 300; Herbarius, cap. 25 ; Brunfels, Append. II, 155 u. 163.
6 S. Pritzel u. Jessen, Die deutschen Volksnamen der Pflanzen, S. 38.
7 Bock I, 127; Tabernemontanus I, 295.
Der Paradiesgalten der altdeutschen Genesis.
789
Der Name wird wie mellilotaß Apia cum,- thymus, 3 calta 4
mit binesuga glossirt, dem sich Benennungen wie biniwurz,
binibluoma, binikrut = thymus 5 an die Seite stellen lassen und
wozu unter Anderem die Grazer Handschrift 991 die Er
läuterung gibt: Binsauge oder peynsaug. Dip wörtll wirt zuge
rechnet zvoayen Klircuttern: dan Erh(ardus) rechnet es auf dy
Mellissam | vnd das Khreutterbuecli auff die Todte nessel mit den
Rotten pluemlein vnd vierekheten stingll (vrtica mortua) außgenumen
Binsaugen wer ein anders den Peynsaug | das ich doch nit ver-
main. Der Name war also einer ganzen Reihe von Pflanzen
gemein, und zwar solchen, zu welchen Isidors Interpretation
von Apiacum passt: quod flores eins apes maxime appetunt.
Neben Honigklee, Thymian, Nesseln und vielen Anderen gehört
aber auch die Gattung Mentha dazu, und in diese ist unsere
balsamita einzureihen, wie zunächst die Glosse Balsamita mince 11
beweist. Damit aber nicht genug. Kerner führt aus älteren
botanischen Werken zum Sisimbrium des Capitulare den Namen
balsamite an, doch lässt sich derselbe in gleicher Bedeutung
schon für weit frühere Zeit belegen, z. B. sisimbra, sisymbrium
balsamitaSilimbrium (1. Sisim.) balsamitß und gleichfalls im
Herbarius Capitel 66 finden wir für Balsamkraut die Benen
nungen Balsamita sive Zisimhrium, welche Capitel 25 (Müntz,
mentha) auf Mentha aquatica bezogen werden, 9 womit auch
anderwärtige Angaben Übereinkommen. 10
1 Sumerlat. 62, 73; Germ. XXVI, 402; Innsbruck. Hs. 355.
2 Germ. IX, 23; Zeitschr. f. d. Phil. XII, 313.
3 Graff, Spr. III, 867; Sumerlat. 23, 73; Steinmeyer, Glossen II, 387, 28.
392, 11. 407, 28. 475, 6. 646, 70 u. ö.
4 Innsbruck. Hs. 355; Sumerlat. 56, 3.
5 Graff, Spr. HI, 867; Steinmeyer, Glossen II, 401, 14.
6 Sumerlat. 54, 59 u. 73.
2 Graff, Spr. HI, 871.
8 Innsbruck. Hs. 355; im Colmarer mnd. Pflanzenglossar (s. Zeitschr. f.
d. Phil. IX, 208) Sisinbrium minie.
9 Es heisst daselbst: es ist auch ein ander menta die heyfit zu la/ein menta
aquatica, auch heissen eltlich meyster mentam aquaticam simbrium oder
balsamita.
10 Zeitschr. f. d. Alt. IX, 394 balsamita menta aquaria i. bachmvinza; in
der Innsbruck. Hs. 355, aus der wir oben Sisimbrium bcitsamil notirten,
ist dann noch Sis. mit brachminiz (1. bachm.) und balsamata (1. balsa
mita) mit vischmintz glossirt: d. i. mentha aquatica, wozu ich beispiels-
790
% i n g e r 1 e.
Wenn die neueren Botaniker Reckt haben, so ist eine
durch Zucht entstandene Abart der Mentha aquatica die Mentha
crispa, welche Kerner dem Sisimbrium des Capitulare identi-
ficirt; dazu stimmt auch die Angabe der Grazer Handschrift 991
-Balsamita, menta Crispa, Anebrum vischmyntzen, Khraußmintzen,
weißmyntzen, Balsamkhraut, palsen, Raydmintzen, Vnser fraion
Myntzen ym Intal, woraus aber zugleich ersichtlich ist, dass
diese beiden Pflanzen, wie überhaupt die Min zarten nicht immer
strenge auseinander gehalten werden. Ich erwähne nur, dass
der in der Grazer Handschrift verzeicknete Name weißmyntzen
in Glossaren und Kräuterbüchern gewöhnlich nepeta beigelegt
wird, was in der Form neptarn auch im Capitulare begegnet
und von Kerner auf Nepeta Cataria gedeutet wurde, in Graffs
Spr. III, 866 aber sisymbrium, sigiminza gleichgestellt ist; ferner,
dass sich in der Bezeichnung Balsam, Balsamkraut innerhalb
dieser Pflanzengattung ein gewisses Schwanken zeigt. So viel
steht fest, dass im Allgemeinen unter Balsamite eine von den
im Mittelalter unter dem Namen Minze gehenden Pflanzen zu
verstehen ist, und zwar kommt zumeist in Betracht Mentha aqua
tica respective crispa und dann etwa Tanacetum balsamita:
erstere Pflanze ist mit dem Sisimbrium, letztere nach Kerner
mit Costum des Capitulare identisch. Wenn daher bei Pritzel
und Jessen S. 95 mittelalterlich Balsamita und Sisymbriuvt
neben Costus, FemineUa, Mentha alba, romana, seraclinia, Oculus
christi., Tanacetum hortense als Chrysanthemum majus Asch, Tana-
halber auf Apod. Hieron. Arg. Herb, bei Brunfels, App. n, 193 verweise:
Bachmyntz | von den ’Latinischen Menta ruhen \ oder Menta aquatica ge
nant | vnd von den Teiitschen Bachmyntz | oder Fiachmyntz | oder Botmyntz.
darumb | das sein stengel rotfarb \ vnd an feuchten enden waclifien ist j da
auch zu Zeiten fisch wonent. Die Rothminze erachtet auch Bock für
sisimbrio. Dann auch in den Explanat. Herb. Jacobi de Manliis bei
Brunfels, App. II, 170 : Balsamita secundum Compositorem est Menta
aquatica, quae alio nomine Sisymbrium appellatur. Sed Balsamita est Menta,
quae odorem balsami habet: et est herba, quae apud nos circa aquas inue-
nitur und ebenda App. II, 16: Sisymbrium mentha aquatica ab Officinis
uel Balsamita: sic dicta, quod faciUime in Mentliam degenerat culta; s.
noch Lonicerus S. 267. Wie Bock bemerkt, wird Sisymbrium allerdings
noch mer kreiitern zu gelegt, wie Lonicerus a. a. O. und Tabernemon-
tanus II, 167 z. B. Brunnenkress damit bezeichnen; Germ. XXVI, 403
Sisimbrium eraclea.
Der Paradiesgarten der altdeutschen Genesis.
791
cetum balsamita, wofür auch balsamita in Hildegards Physica
kurzweg erklärt ist, und S. 234 nur mittelalterlich Boscanita,
Oculus corsalis als Mentha aquatica ausgegeben werden, lässt
sich dies keineswegs rechtfertigen; denn nach meinen Aus
führungen können wir balsamita in der Genesis, wo es — man
beachte dies — unmittelbar vor minz steht, und anderwärts
mit gutem Rechte auf Mentha aquatica oder crispa deuten. Ich
sage anderwärts. Bei Walther und Frauenlob treffen wir näm
lich denselben Pflanzennamen und gerade mit specieller Be
ziehung auf die Jungfrau Maria:
Walther 89, 51 balsamite, margarite, ob allen magden bist dü,
maget, ein magt, ein küneginne.
Frauenlob HMS n, 343b vröut iucli alle, vröut iuch iemer miner
balsamiten. 1
Wir dürfen dabei keineswegs an den orientalischen Balsam
denken, obwohl Epitheta wie balsam, balsamschrin 2 und gleich
zeitig auftauchende Bibelreminiscenzen es nahe legen, sondern
diese Dichter meinten damit ganz unzweifelhaft nur eine unserer
schmucklosen, aber duftigen Minzen, haben sich doch für
Mentha aquatica, crispa und piperita, sowie für Tanacetum balsa
mita vom Mittelalter bis auf unsere Tage die Namen Marien-
minze, Frauenminze und Liebfrauenblattl 3 fortgeerbt.
peonin findet sich im Capitulare nicht, doch bemerkt
Kerner zu diptamnum: ,die althochdeutschen Namen des Dic-
tamnus albus sind wizwurz etc. Von einigen Schriftstellern
des 15. und 16. Jahrhunderts (die schon ganz richtig erkannten,
dass diese Pflanze nicht der Dictamnus der Alten sei) wird
diese Pflanze auch Paeonia mascula genannt, und diese Beziehung
zwischen den beiden Pflanzennamen Paeonia und Dictamnus lässt
die Vermuthung auf kommen, dass unter dem Diptamus des
Capitulare die in allen Bauemgärten Deutschlands verbreitete,
in früherer Zeit wegen ihrer Heilkraft so hoch geschätzte
Paeonia officinalis gemeint sein könnte, doch spricht der Um
stand dagegen, dass der Name dieser von den Griechen xatwvta,
von den Römern peonia genannten Pflanze sich schon in den
1 Vgl. bahamie bei demselben HMS HI, 360 b .
2 S. Grimm z. gold. Schmiede S. XLIII.
3 S. Pritzel u. Jessen S. 234 u. 95; Cimbrisch. Wörterb. S. 185; im Nürn
berger Vocabular von 1482 Sisimbrium sant Marie minz.
792
Zi ngerle.
ältesten Recepten (Plionia, pyonia, Pionia) findet, und zwar
gleichzeitig mit dem Namen Diciamnus; aber sonderbar bleibt
es immerhin, dass diese in alter Zeit so hochgeschätzte Pflanze,
deren Name (von waiöv, heilen) sogar nach ihrer ausgezeichneten
Wirkungskraft gebildet wurde, und die eben darum auch in
späterer Zeit Benedicta, Benedicke, Benignenrose genannt wurde,
im Capitulare ausgelassen sein sollte/
Dictamnus, Dictamnum, Diptamnus (albus) wird in den
Glossaren allerdings als Weisswurz 1 hingestellt, doch spätere
Schriftsteller beanständen diesen Namen, und ich lasse als Ver
treter dieser Bock sprechen (T, 173 von Peonien-Rosen), der
mit gewohntem Eifer für seine Ansicht eintritt: welche weisse
wurtzel unsere Meyster für Dictam verkaufen \ dar wider ich den
kampff bestehen muß vnncl sage yetzund (wie vormals) mit ab
gesagtem feindts brieff | das dise weisse wwrtzel nit Dictam oder
Dyptam (wie sie sagen) sein kan oder mag | wil auch darüber
alle gespenst der Lamen erwarten in aller disputation | sunder ist
das recht icarhafftig Peonia Mascula aller scribenten u. s. w.
Neben Dictamnus albus erscheint aber auch ein Dictamnum
nigrum, und wenn erstere Pflanze mit Paeonia mascula ver
wechselt wurde, konnte das Gleiche wohl auch zwischen letzterer
und Paeonia femina stattfinden, um so mehr, als sich ver
schiedene Berührungspunkte boten. Man vergleiche nur die
betreffenden Abschnitte im Herbarius. Da heisst es bei Diptam
und Anderem: Dye wwrtzel deuon braucht man in der ertzney
vnd der ist ziceyerhcaid. Eine weiß, die ander schwartz vnd
haben beid ein natur, aber doch brauchet man die iceyßen in der
ertzney vnd selten die schwartzen. Und dann bei Peonia: Dise
icurtz praucht man in der ertzney vnd sy sol sein schwartz färb
vnd nit leicht oder löchret . . . Der würdig meyster Auicenna in
seinem andern büch in dem capitel beonia spricht das do sey
ziceierhand beonia eine freiilich die ander männlich. Die manlich
hat weiß icilrtz als lang als ein vinger vnd die freülich hat ivurtzel
die sind in vil geteilet. Da werden also die zwei Päonien nach
Form und Farbe der Wurzel unterschieden, was letztere an-
1 Graff, Spr. I, 1050. III, 870; Sumerlat. 22, 11. 56, 20. 40, 34. 01,61;
Germ. IX, 22 und XXVI, 402; Zeitschr. f. d. Phil. XII, 312; ebenda
IX, 202 Dyplamnus icithcrnth; Steinmeyer, Glossen II, 674, 69 wizitnuurzj
Zeitschr. f. d. Alt. IX, 394.
Der Paradiesgarten der altdeutschen Genesis.
793
langt, je nachdem sie weiss oder schwarz ist, wie bei Dictamnus,
und da die weisse Wurzel ausdrücklich der Paecmia mascula
zugesprochen wird, kann die schwarze nur der Paeonia femina
angehören und es wäre demnach Paeonia mascula mit Dictamnus
albus und Paeonia femina mit Dictamnum nigrum zusammen
zustellen. Zum einen Theil werden wir auf diesem Wege wieder
zur Ansicht der alten Botaniker zurückgeführt, zum andern
passt noch recht gut die gemeinsame Bezeichnung Gichtwurz. 1
Nach Pritzel und Jessen S. 134 wäre allerdings Dictamnum
nigrum Ajuga chamaepitys, aber das schliesst für das Mittelalter
diese andere naheliegende Auffassung nicht aus, und wenn in
Recepten Paeonia und Dictamnus neben einander Vorkommen,
wird meines Erachtens dadurch der Erklärung des diptam im
Capitulare als Paeonia kein Hinderniss entgegengestellt.
Dass in der That ihre Cultur in den Gärten sehr alt ist,
bezeugt ihr Vorkommen in der Genesis.
Von den in der Wiener Fassung aufgezählten neunzehn
Pflanzen der zweiten Gruppe lassen sich demnach blos vier
im Capitulare nicht nach weisen: crocus, lauendele, nardus, icich-
pom. Man kann bei diesen zweifeln, ob sie der heimischen
Pflanzenwelt angehören, ja man ist fast eher geneigt, dieselben
mit Ausnahme des Lavendels für exotische G-ewächse zu halten,
da sie in den biblischen Schriften öfters erwähnt werden 2 und
schon daraus dem Dichter bekannt sein mussten, von anderen
Nachrichten und Beschreibungen in den gelesensten Werken
des Mittelalters ganz abgesehen; doch lässt sieh die Frage ein
werfen, warum hat er sie bei der schon betonten, unläugbar syste
matischen Anordnung nicht der ersten Gruppe angeschlossen,
woran ihn doch nichts hinderte"? Oder sollten ihm diese Namen
' Graff, Spr. I, 1051 G-ihtwurz dictamnum nigrum; s. Germ. IX, 22; Zeitschr.
f. d. Phil. XII, 312 Dictamnum nigrum . githwrz . hec herba (ante uirtulis
tat ut ferrum a corpore expettat. sagittas excuciat. Häufig treffen wir
diesen Namen für die gewöhnliche Paeonia, d. i. die weibliche in
Kräuterbüchern oder wenigstens wird ihre Heilkraft bei Gicht u. s. w.
hervorgehoben; so Hildegards Pbysica cap. 127; Bock 1,174; Herbarius
unter Beonienkömer; Naturbnch S. 56 u. a.; im Ebinger’schen Voca-,
bular (Herrigs Archiv LXXHI, 99 ff.) Pycmia gihtkom; die Glossare
bieten meist beonie oder daraus entstellte Formen, vereinzelt ist wilt-
man in der Innsbruck. Hs. 355 und wtlula Germ. XXVI, 402.
2 Alle drei Cant. IV, 14.
Sifcznngsber. d. phil.-hist. CI. CXII. Bd. II Hffi. 51
794
Zingerle.
zu spät in den Sinn gekommen sein? Möglich ist es, wahr
scheinlich nicht. Vielleicht finden wir einen vermittelnden Aus
weg. Dabei kommt zunächst im Anschlag, ob diese Pflanzen etwa
damals schon in die Cultur Europas und auch der Alpenländer
übergegangen waren, und in zweiter Linie, ob altheimische
Pflanzen gleich benannt waren und vielleicht ähnliche Ver
wendung fanden, was den Glauben an Identität um so leichter
wachrufen konnte, als orientalische Pflanzenproducte vielfältig
noch weit später durch Surrogate ersetzt wurden und eine aus
eigener Anschauung entsprungene Kenntniss der Pflanzen nicht
zu erreichen war.
crocus, in der Genesis unmittelbar nach mirrun, aber
wegen der Verbindung mit ringele offenbar in die zweite
Gruppe einzubeziehen, ist Safran, doch haben wir die Wahl
zwischen verschiedenen Pflanzen, dem orientalischen (Crocus
sativus) und Frühlings- oder Wiesensafran (Crocus vernus) und
dem sogenannten Safflor (Cartliamus tinctorius).
Die Cultur des echten Safrans, dm-ch die Araber nach
Spanien gebracht, 1 war im 12. Jahrhundert gewiss noch auf
die südlichen Küstenländer des Mittelmeeres beschränkt und
nicht in jene Gegenden vorgedrungen, die im 15. und 16. Jahr
hundert als safranbauend bezeichnet werden, wie Bock 2 z. B.
dies von Oesterreich besonders rühmt, und so konnte der
Dichter nur das daraus gewonnene und im Mittelalter sehr
beliebte Gewürz- und Färbemittel kennen; dagegen war ihm
kaum fremd Crocus vernus, wovon ich allerdings nicht sagen
kann, ob er, zu medicinischen Zwecken etwa, in Gärten culti-
virt wurde. Spätere nennen diese Pflanze wild (spanisch)
Saffran, 3 welcher Name auch der Herbstzeitlose (Colchicum
1 Hehn, Culturpflanzen S. 179; Flächiger, Pharmakognosie des Pflanzen
reiches 2 S. 73Gff.
2 II, 56: Wolan die teütschen haben den Saffran auch gelernt pflantzen | wie
wol sie gm Orient \ gen Ciliciam \ Lyciam \ Aetoliam \ Siciliam \ vn vff die
Saffranberg Turolum vn Olimpuni nie kamen sind \ nit destoweniger wärt
yetzund der teiitsch Österreichisch Saffran \ so v fit die statt Wien weclißt
vber den Orientischen \ mitlagischen vnd andern gepreiset. Der Rheinstrom
kent dise wurtz auch j darauß sich etliche erziehen u. s. w. Eine alte An
weisung quamodo crocus coli debeat ist Germ. XXX, 381 aus einer Olmützer
Hs. abgedruckt.
3 Tabernemontanus II, 322.
Der Paradiesgarten der altdeutschen Genesis.
795
autumnale) und Carthamus tinctorius gegeben wurde. 1 So werden
im Herbarius Capitel 121 zweierhand Safran unterschieden:
Einer ist genant Cartamus oder Crocus hortensis. das ist
ivilder saffran, der auff dem velde oder in den gertten weckst
und den nüczt man zu mangen dingen auswendig deß leibs, vnd
darm.it zä ferben. Der ander ist geheissen crocus orientalis.
vnd den nützt man in der ertzney. Später wird dann über
ersteren berichtet: Serapio in dem büch aggregatoris in dem
capitel cartamus spricht das des sind zweyer hand eines heymisch
der ander wilde. Der heymisch hat bletter die sind scharpff vnd
dornecht, vnd hatt eben haubter geleych den oliuen den grössern.
vnnd haben blümen die geleychen an der Farbe dem saffran. der
wild saffran stamme geleychet beynalie dem heymischen, alleine dyser
an dem stamm nit bletter hat. Auch Carthamus tinctorius stammt
aus dem Orient, aus Ostindien, 2 und es käme wieder darauf
an, wann dies Gewächs nach Europa verpflanzt wurde und
wann dafür der Name Crocus aufkam. Mir scheint diese Be
zeichnung verhältnissmässig jung, und wenn unser Dichter schon
in die Ferne schweifte, dachte er jedenfalls an den echten Safran,
respective das daraus gewonnene Färbe- und Gewürzmittel;
dass er dies wirklich gethan, möchte ich aus der Verbindung
mit der Ringelblume schliessen: beiden ist die gelbe Farbe
gemein, und wie K. v. Würzburg diese zum Vergleiche heran
zieht, verwendet jenen zu gleichem Zwecke G. v. Strassburg,
Tristan 1583 bei der Beschreibung des Hündchens Peticriu:
ein site roter danne grän,
diu ander gelwer dan safrän.
Aber er konnte zugleich eine einheimische Pflanze, vielleicht
Crocus vernus, damit in Zusammenhang bringen. 3
Ebenso verhält es sich mit nardus. Garere nos Indica
Nardo quis dubitet, qui Spicam quidem uocari apud Galenum
1 Apod. Herbar. Hieron. Arg. Append. bei Brunfels II, 198: Auch ist (ausser
Carthamus) ein ander blüm Wilder Saß'ron genant | darumb das sein blum
dem zammen oder edlen Saffron gleich ist \ von den latinischen Hermo-
dactylm genant \ vnd in teütscher Zungen Zeitloßen \ oder Wilder Saffron
oder Querckenwurtzlen; ebenso H. Braunschweig S. 89 b.
2 S. Hehn, Culturpflanzen a. a. 0.
3 Das Colmarer Pflanzenglossar (Zeitscbr. f. d. Phil. IX, 202) bietet
Crocus steynvaern.
61
796
Z i n g e r 1 e.
legerit, sagt ein älterer Botaniker, 1 und wenn anderswo auch
berichtet wird Spica nardi ist ein blüm oder gewäcks in gestalt
der langen Figwurtz \ vnd in latin herba Victorialis genant | eins
güten geschmacks von lndia biß gen Allekayr bracht \ von Allekayr
gen Alexandria \ von Alexandria gen Venedig oder Genua | die
es vns dann lijfern. Vnd wo funden icirt Spica on züsatz | so
iverd verstanden Spica nardi \ das bracht würt von lndia,' 1 so
dürfen wir doch annehmen, dass damals und später noch unter
dem Namen der indischen Narde (Nardostachys Jatamansi) viel
fältig nur Surrogate in Handel gebracht wurden, 3 und im frühem
Mittelalter war die Kenntniss dieser Pflanze jedenfalls nur auf
literarischem Wege vermittelt. Ich habe bereits auf die Bibel
verwiesen und erinnere noch an das unguentum nardi spicati,
womit nach Evangelium Marci XIV, 3 Magdalena Christum
salbte. Dessen gedenkt Tabernemontanus II, 540 bei Indianisch
Spicanarde, während anderseits mittelalterliche Dichter an die
biblische Darstellung weitere Aufschlüsse knüpfen, so cler Fran
kensteiner im Kreuziger V. 819:
so harn di salbe von der wurz
di nardus heizet und ist kurz
von iren greten üzgeschozzen:
uz den zwien so gesprozzen
wirt gedruckt ein vüchtic saf,
da von bekumt der salben laß.
und der Dichter des Buches der Märtyrer berichtet, dass jen
seits des Meeres noch die Gewohnheit herrsche, sich damit zu
salben:
für daz gewürme in grdzer hitz
und daz der mensch ouch niht sivitz. 4
1 Io. Mainavdi Ferrarien. de quibusdam Simplicibus censurae bei Brunfels,
Append. II, 39.
2 Apocl. Germ. Herb. Hieron. Arg. bei Brunfels, Append. II, 197; s. H.
Braunschweig S. 80.
3 S. Pritzel u. Jessen S. 243.
4 S. meine Abhandlung in den Sitzungsberichten der phil.-hist. Classe der
kais. Akad. der Wissenscli. Bd. 105, S. 96. In der Legenda aurea, De
sancta Maria Magdalena (bei Grässe, S. 408) heisst es: nam incolae re-
gionis illius propter vehementissimum solis calorem unguentis et balneis
utebcmtur. — Unter nardus verstand man geradezu die Salbe: Stein
meyer, Glossen II, 399, 45 Nardum salbun; ebenda 483, 48 geselbe.
Der Paradiesgarten der altdeutschen Genesis.
797
Ob Erstcrer diese Angaben unmittelbar aus seiner Quelle schöpfte,
kann icb nicht sagen und ist für unsern Zweck auch ohne Be
lang: wer über Aussehen, Vorkommen und Verwendung der
Narde unterrichtet sein wollte, konnte sich ja leicht aus den
Werken der Alten oder den bekannten Compendien des Isidor,
Babanus Maurus und Anderer Belehrung holen, was der Ver
fasser der Genesis nicht einmal nöthig hatte, da er blos den
Namen anführt. Aber es handelt sich bei diesem überhaupt
darum, ob hinter seinem nardus nicht eine ganz andere Pflanze
steckt. In der Urstende, wo dem Paradiese gleichfalls die
Narde zugeschrieben wird, verhält es sich anders, denn hier
tritt sie in Gesellschaft von Balsam und Myrthe auf, und der
Dichter schätzt diese zusammen für die köstlichsten Wohl
gerüche, welchen nichts gleichkommt: 1 Anlass genug, um dabei
an die mit dem Attribut odoratissima ausgezeichnete Narde des
Orients zu denken.
Sehen wir nun, wofür nardus in der einheimischen Pflanzen
welt zu halten ist.
Schon von Isidor wird im Anschluss an die alten Natur
historiker neben Nardus Indica und Syriaca noch Nardus Cel-
tica, in Liguriae alpibus et in Syria wachsend, genannt, und in
der nachmittelalterlichen Zeit erscheinen gar mancherlei Kräuter
unter dem Namen Narde, ohne dass hinsichtlich der alten Be
zeichnungen eine einheitliche Anschauung durchgedrungen wäre.
Brunfels 2 z. B. hält Nardus Celtica für Lavendula, Bock 3 für
Maria magdalen blümen \ die man auß Vngeren bringt, welcher
Nardus in Aeglogis Vergi. Saliunca genent würt, und Tabernemon-
tanus II, 541 berichtet davon: Den Celtischen Nardum beschreibet
Mattliiolus daß es ein kleines Gewächs sey | welches langlechte
vnnd bleychgelbe Blatter habe: Sein Wurtzel sey spitzig | mit viel
angewachsenen \ dünnen vnd wolriechenden Zaseln: Auß der Wurtzel
konipt ein dünner Stengel vnd fast kurtz \ an welchen | wie Diosc.
auch vermeldet | gute Blümlein herfür komenen . . . Dieser Nar
dus wächst in Welschlandt auff dem Gebirge Liguriae | deßgleichen
auch in dem Gebirgen bey Tirol \ Kärnten vnd Steyermark. Es
1 S. Hahn, Gedichte des 12. und 13. Jahrh. 126, 12 ff.
2 Exegema omnium Simplicium, quae sunt apud Dioseoridem etc.
Append. II, 3.
3 I, 14: Lauander vnnd Spica.
798
Zingerle.
ist das offenbar der echte Speik (Valeriana Celtica) oder, wie
es in der Grazer Handschrift 991, die in Kärnten oder Steier
mark geschrieben wurde, heisst: Nardus romana, quam etiam
celticam, vnser rechter gemayner Speykhß und nach der Be
schreibung des Lonicerus S. 286 haben wir auch unter Marien
Magdalenen Blumen dieselbe Pflanze, die im Herbarius als
spica celtica, Renisch (d. i. Römisch) spick, erscheint, zu ver
stehen. Anderswo begegnet man freilich divergirenden An
sichten, indem z. B. Spica celtica und Spica romana auseinander
gehalten werden, wie in Apod. Germ. Herb. Ilieron. Arg.: 2
Ein ander geschlecht spica ist \ das in latin Spica romana genant |
vnd in teiitschem sant Marien magdalenen blümen, ivachßet zwi
schen Vngem vnnd Osterrich | nit iveit von der Steirmark | etlich
maß anhangend mit dem geschmack der vorgenanten Spica nardi |
das drit geschlecht der Spica von den Latinischen Saliunca | oder
Spica celtica \ in teiitscher zungen Katzenleyterlin \ ist ein kraut
lang aneinander hangend \ ein grün färb \ in gestalt des Spica-
nardi in gleicher weiß einem seyl \ gantz on geschmack. Da ist
sogar — etliche Doctores und der merer teyl der alten Philosophen
tragen die Schuld — Spica celtica auf Lycopodium (clavatum)
gedeutet, wie Charakteristik und Name (Katzenleyterlin) 3 un
zweifelhaft erweisen. Doch ich will nicht weiter abschweifen.
Valeriana celtica wird beim Nardus der Genesis kaum in
Betracht kommen, obwohl diese Alpenpflanze schon früh in
den Apotheken gar wohl bekannt war und obwohl die Wurzel
stöcke derselben noch gegenwärtig einen Ausfuhrartikel nach
dem Orient bilden, 4 denn in Gärten wurde sie wohl ebenso
wenig einst wie jetzt cultivirt. Aber wir finden noch eine
andere Valeriana unter die Narden eingereiht: Phv uel Cretica
Nardus sine controuersia nostra est Valeriana \ Baldrion | oder
Dennmark äussert sich Brunfels,und anderwärts wird Valeriana
als Nardus silvestris oder agrestis 6 bezeichnet, zu Deutsch auch
1 S. Lexer, Kärntn. Worterb. S. 236; Schmeller, Bair. Wörterb. II, 657.
2 Brunfels, Append. II, 197;. vgl. ebenda II, 112: Paudulphi Callinutii
aduersus Nie. Leonieenum Pliniomastigen Defensio.
3 S. Tabernemontanus II, 188.
1 Flückiger, Pharmakogn. 433.
5 Append. II, 3; s. auch Tabernemontanus I, 562.
6 Grazer Hs. 991; Tabernemontanus a. a. 0.
Der Paradiesgarten der altdeutschen Genesis.
799
Katzenkraut, Katzenwurzel und Katzenwadel, 1 wozu vielleicht
die Glosse zum Macer Spica nardi kattenstert 2 gestellt werden
darf, wenn schon Katzenwadel (Katzenzagei) sonst gewöhnlich für
Equisetum und Anderes gebraucht ist. 3 Der Baldrian (Valeriana
Phu oder Valeriana offidnalis?) 4 wurde auch cultivirt 3 und so
könnte er immerhin an unserer Stelle gemeint sein.
Ausserdem verdient noch Lavendula spica besondere Be
achtung, beim Volke unter dem aus lateinischem Spica hervor
gegangenen Namen Spik, Gespick, Spigget bekannt. Das ein
fache Spica, Spick begegnet auch in Glossaren und Kräuter
büchern und wurde schon in alter Zeit nardispic oder spica-
narde gleichgestellt, 6 welche Benennungen allein die Wörter
bücher aus der altdeutschen Literatur belegen und dafür die
wesentlich richtige Erklärung Lavendel geben. Bezeichnend
genug wurde Spick in frühem Jahrhunderten geradezu Nar
dus Gei~manica geheissen und davon Lavendula (Lavendel) ge
schieden, 7 wie unter Anderen auch in Hildegards Physica Spica
(Lavendula spica) und L,avendula (Lavendula vera) gesondert
behandelt sind. 8 Genau genommen haben wir also unter Nardi
spic, spicanarde erstere Pflanze zu verstehen, und in Folge dessen
bietet auch das in der Genesis voranstehende lauendele für die
Auffassung des dortigen nardus als Lavendula spica keine
Schwierigkeit.
Für Geum. urbanuni, Nigella und Melilotm coendea sind wohl
erst später die Namen Nardenwurz, Nardenkraut, Nardensamen
und Nardes in Gebrauch gekommen. So viel steht jedenfalls
fest und darauf kommt es auch vorzüglich an, dass im Mittel-
alter einheimische Pflanzen als Nardus galten, und dass im
14. — 15. Jahrhundert eine sogenannte Karde , in Gärten zu
finden war, bezeugt das von Sachse publicirte Glossar, wo
1 S. Pritzel u. Jessen S. 426.
2 Sumerlat. 66, 18.
3 S. Pritzel u. Jessen S. 559.
4 S. Flückiger a. a. O.
5 Von Herbarien abgesehen, verweise ich noch auf das Gedicht Fon dem
Mayen Kranlz im Liederbuch der Clara Hätzlerin II, 57, 268.
0 Sumerlat. 58, 53; im Colmarer Pflanzenglossar (Zeitsehr. f. d. Phil. IX,
205 findet sieh Nardo sttmachinm Spicamardi.
7 S. unter Anderen Lonicerus S. 285.
3 Cap. XXV u. XXXV; vgl. hiezu Flückiger, Pharmakogn. S. 773.
800
Z i n g e r 1 e.
nardus neben saluia, rutta, ysopus, verbena und Anderen im
Abschnitte De lierbis hortensibus aromaticis verzeichnet ist, 1
und wir sind ohne Zweifel berechtigt, deren Cultur auf frühere
Jahrhunderte auszudehnen. Aber was sollen wir darunter ver
stehen? eine Baldrian- oder Lavendelart?
Bezüglich wiclipöm ist eine derartige Beziehung und Deu
tung am schwierigsten. Es wird damit cassia glossirt' 2 und
diese als arbor in Avabia ausgegeben; für identisch hielt man
fistula im hohen Liede, wo es IY, 14 heisst: nardus et crocus,
fistula et cinnamomum cum universis lignis libani, myrrha et aloe
cum omnibus pmmis unguentis, und davon sagt Williram in
seiner Paraphrase 69, 26 Die bezeichenet fistula. diu der ist
breuis arbuscula unte rote rinton hat, was nur auf die Cassia,
welche schon von den Alten dem Cinnamomum aufs Nächste
verwandt erachtet wurde, 3 bezogen werden kann. Wir treffen
denn auch den Namen Cassia fistula für Zimmtröhre, und Flücki-
ger bemerkt: ,um zwischen den Zimmtzweigen, der Xylocasia,
Casia lignea und den Röhren der abgeschälten Rinden zu unter
scheiden, entstanden für die letztere Waare die Ausdrücke
y.cks'.z cjp'.vc, vacia. GupiypicY)?, Casia fistula, fistularis‘. Cinnamo
mum und Cassia sind also eigentlich nur Benennungen für ver
schiedene Zimmtsorten, die als Gewürz und Rauchwerk nicht
blos im Alterthum gepriesen wurden, sondern auch im Mittel-
alter in hohem Werthe standen und nicht selten als kost
bare Geschenke nach dem Norden gingen. In Hinsicht auf
die nicht blos literarische Berühmtheit von Cassia cinnamomea
wäre nicht zu wundern, dass unser Dichter damit den Paradies
garten zierte. Daneben könnte man vielleicht noch an ein
anderes Gewächs denken, nämlich an Linnes Cassia fistula, die
von der Zimmtcassia wohl zu unterscheiden ist, die aber auch
im Mittelalter denselben Namen besass und deutsch als Bocks
horn, Cassienröhre u. s. w. bezeichnet wurde, 4 doch gehört
auch diese nicht unserm Klima an.
1 Herrigs Archiv Bd. XLYII, 433.
2 Steinmeyer, Glossen I, 516,54; Germ. IX, 22. XXVI, 407; Zeitselir. f.
d. Phil. XII, 310.
3 Vgl. Billerbeck, Flora classica S. 105 ff.; Lenz, Botanik der alten
Griechen und Römer S. 455 ff.; Flächiger, Pharmakogn. S. 561 ff.
4 Sumerlat. 5G,6; Zeitselir. f. d. Phil. IX, 200; vgl. auch Pritzel u. Jessen S.84.
Der Paradiesgarten der altdeutschen Genesis. 801
Lonicerus S. 551 führt indess noch eine andere Cassia
an, ,die Garten Cassien | Cassia coronaria, so in den Gärten vnnd
Feldern in Italia gezielet gewesen \ zum gebrauch der Blumen zu
den Jungfrawenkräntzen | vnd zu der Bynen nahrung \ weiche son
derliche lust vnd begierd zu diesen Blumen haben. Diese Cassia
ist gar gemein in Italia gewesen | so unter die Stauden oder
Sträuch nicht zu zehlen | dann sie nur ein Kräutergewächs ist |
wie andere Blumen | als der Steinklee \ Wiesenklee | Bonen vnnd
dergleichen Kräuter | von welcher Blumen sich die Bynen ernehren |
Dieses ist die Cassia | davon Vergilius in Eclogis meldet‘ u. s. w.
Was Yergil unter casia verstand, scheint noch nicht ganz auf
geklärt zu sein. Lavendel, Zeiland (Daphne) und Cinnamomum,
welches Gewächs nach Italien verpflanzt worden sein soll,
wurden herangezogen, 1 der italienische Zeiland vornehmlich
deshalb, weil er hei Hyginus als Casia erscheint. 2 Dass die
Alten wirklich inländische Pflanzen damit zusammenwarfen,
ersehen wir aus Plinius, welcher hei cinnamomum und casia
hinzufügt (nat. hist. XII, 20): Ilis adiecere mangories quam Daph-
nidis vocant, cognominatam isocinnamon, pretiumque ei faciunt X
CCC. adulteratur styrace et propter similitudinem corticum laurus
tenuissimis surculis. quin et in nostro orbe seritur, extremo-
que in margine imperii, qua Rhenus adluit, vidi in al-
variis apium satam. color abest ille torridus sole, et ob id
simul idem odor. Und sollten wir fürs Mittelalter nicht Aehn-
liches erwarten dürfen? Megenberg 363, 8 z. B. handelt von
der Ilolzgatz, daz ist ein paum in Arabia, sam Plinius spricht,
von der Cassienroern und von dem Cassianpaum; die Holzgatz
ist die Cassia des Alterthums, die Cassienroere die Cassia
jistula L., und nun ist noch der Cassianpaum zu deuten. Nie und
nimmer kann er, wie bei Pritzel und Jessen S. 84 zu lesen ist,
auch die Cassia fistula Linnes sein, vielmehr haben wir ihn
der Beschreibung nach für ein ganz anderes Gewächs zu halten,
und zwar vermuthe ich darunter eine Daphne. 3
1 S. unter Anderem Porbigers und Glasers Note zu Eclog. II, 49; Voss,
Virgils Gedichte (II. Idylle).
2 Billerbeck a. a. 0. S. 101.
3 Vgl. die Angaben Megenbergs mit. der Schilderung des Zylandt oder
Seidelbastes in botanischen Werken.
«02
Zingerle.
Insofern nun ivichpoum die gewöhnliche deutsche Be
zeichnung für Cassia ist, 1 bedarf es liiefür keines besonderen
Nachweises, d. h. wenn Cassia wirklich auch einheimische
Pflanzen bedeutete, ging auf diese der Name ivichpoum über
und er konnte aus Missverständnis sogar auf andere über
tragen werden. In der That scheint ivichpoum schon in früher
Zeit nicht allgemein mehr verstanden worden zu sein, denn
wir treffen dafür in mehreren Handschriften fichpoum, fighoum
und Aehnliches, 2 eine Verwechslung, die allerdings aus der
Schreibweise entspringen konnte und um so näher lag, da der
Feigenbaum Schreibern meist bekannter sein mochte als die
Cassia; dass hiebei aber nicht Oberflächlichkeit allein im Spiel
ist, bezeugt die Nebeneinanderstellung von ivihbaum cassia,
wildwicboum sicomorus. 3 Und was anders als das mangelnde
Verständniss sollte den Verfasser der Milstätter Genesis be
wogen haben, wickpom durch Sewenpom zu ersetzen?
Nach dem Gesagten wäre es nicht unmöglich, dass des
altern Dichters wichpom mit dem Cassianpaum Megenbergs zu
sammenfällt, nach der oben ausgesprochenen Vermuthung also
eine Daphne wäre. Es erübrigt noch, einen Blick auf das
Pflanzenverzeichniss in der Milstätter Fassung zu werfen.
Im Ganzen herrscht Uebereinstimmung, an einigen Stellen
weicht es aber ab, und zwar wird hier der Bose die zitlose zu
gesellt und nebstdem folgt auf wirbch noch aloe, wogegen
peonia und eppkich fehlen und wickpom durch Sewenpom ersetzt ist.
Die Einführung der zitlose dürfen wir lediglich dem aus
der Textumgestaltung entsprungenen Beimbedürfnisse zuschrei
ben; ungleich schwieriger ist deren Bestimmung, weil im Mittel-
alter verschiedene Pflanzen unter diesem Namen auftreten. Bei
den Lyrikern erscheint die zitelose durchweg als Frühlingsblume
und sonst wird sie von Dichtern und Prosaikern nur ganz ver
einzelt als Herbstblume angeführt. Anders in den Pflanzen
glossaren, die damit gewöhnlich Hermodactylus verdeutschen, 4
1 Auch Casio bei Virgil wird damit glossirt: Steinmeyer, Glossen II. 633, 3.
673. 26. 676, 39. 688, 47.
2 Steinmeyer, Glossen I, 516, 54.
2 Graff, Spr. III, 865.
4 Graff, Spr. III, 872; Sumerlat. 22, 14 und 56, 64 und 40, 30; Germ.
XXVI, 402; Innsbruck. Hs. 355; Zeitschr. f. d. Phil. IX, 204 u. a.
Der Paradiesgarten der altdeutschen Genesis.
803
das ist nach Ansicht älterer und neuerer Botaniker 1 Colchicum
autumnale, unsere Herbstzeitlose. Nebenher gehen noch die
deutschen Benennungen huntlouch, 2 heükoubito 3 und hobluome, 4
wovon die erste dem Allium vineale eigen wurde, die zweite
fast ganz verschwand und die dritte eine allgemeine Bedeutung
annahm. So sagt R. v. Ems im Barlaam 213, 10:
Noch teuer mm rät also getan,
daz du geruochtest dich verstau,
daz al diu weit unde ir kint
dem dürren heu gelichet sint
mit allem ir ruome.
reht als ein heuhluome
lebet daz mensche, anders niht.
Offenbar ist es da nur allgemeiner Ausdruck für Wiesenblume,
wie z. B. Notker in der Psalmenparaphrase flos feni damit
übersetzt. Uebrigens brachte man Hermodactylus und Colchi
cum auch in Zusammenhang mit dem Narcissus der Alten. Bei
Brunfels I, 129 lesen wir: De Narcisso et Hermodactylo: Latinae
Narcisstts, Hermodactylus, Germanicae in Marcio Hornungsblüm.
In Septernbri Zeytlößlin, wozu die Narcisse und eine Blume, die
nicht so sehr der Herbstzeitlose als dem Schneeglücklein (Galan-
thus nivalis) ähnelt, abgebildet sind, und bei Bock II, 54 finden
wir die Meinung ausgesprochen, ,das die blum darvon | so wir
nackete blicmen oder Zeitlosen nennen j sei das recht Narcissus der
alten \ dauon die Poeten auch fabuliren \ vnd mag icol sein \ das
Diosc. zweymal daruon geschähen hah | erstlich von der wurtzel
mit jrem kraut vnder dem Colchico j darnach von der blümen
vnder dem Narcisso
Narcissus, Crocus vernus, Primula elatior, Bellis perennis,
Anemone nemorosa, Levcojum vernum, Tussilago faifara sind
denn die Frühlingsblumen, die den Namen Zeitlose theilen: 5
1 S. Pritzel u. Jessen S. 105.
2 Graff, Spr. n, 143. III, 865, 870; Snmerlat. 62, 8; Germ. XXVI. 408.
3 Graff, Spr. HI, 870. IV, 759; Germ. IX, 23; Zeitsehr. f. tl. Phil. XII, 313;
Snmerlat. 40, 29. 62, 26; vgl. Hildegards Physica, Cap. XL VI.
* Germ. XXVI, 403.
5 S. J. Zingerle, Diu Zitelose und Zeitschr. f. d. Phil. XVII, 292; Pritzel
u. Jessen S. 679.
S04
Zi nge rl e.
und es kommt wie vielfach in der Pflanzenwelt der alte Satz
pro locis mutantur etiam nomina zur Geltung.
Welche Blume in jedem einzelnen Falle unter Zeitlose
zu verstehen ist, lässt sich oft nicht errathen. Zuweilen sind
nähere Angaben wie Bezeichnung der Farbe einigermassen
förderlich, auch Andeutungen anderer Art vermögen auf das
Richtige zu führen. Wenn z. B. Maria mit aller schönistes
zeitloß der willigen Armuot 1 angesprochen wird, liegt in
diesem Beisatz eine Anspielung auf eine charakteristische Eigen
schaft der betreffenden Pflanze und wir werden dadurch auf
Colchicum autumnale geleitet: die kriechen, sagt Bock II, 54 von
den Wiesenzeitlosen, also on kleydung (das ist) on kraut bletter
herfür j sunder schlieffen nacket aus den runden zwibelen. Der
Mangel an Blättern, das onkleydüng-sein bot den Anknüpfungs
punkt. Dabei darf die locale Verbreitung der Namen und
Pflanzen nicht ausser Acht gelassen werden; in der Genesis
kann sie allein dem Ziel uns nahe bringen. 2
Warum der Verfasser der Milstätter Genesis die aloe
einfügte, ist leicht abzusehen. Schon die Bibel erwähnt sie
als Arom, und konnte auch im frühem Mittelalter der Abend
länder deren aus dem Alterthume stammende Werthschätzung
und ausgedehnte Verwendung im Oriente 3 nicht ermessen, so
gaben ihm doch die Bücher Kunde von dem arbor odoris sua-
vissimi et summi, dessen Holz uice timiamatum verbrannt wurde. 1
Und sollte schon zur Zeit unseres Dichters dafür die Bezeich
nung lignum paradisi existirt haben? Das wäre ein Grund
mehr für die Interpolation gewesen.
Die Weglassung von peonia und epphich kann ich mir nur aus
formellen Ursachen erklären. Was die Substitution für iciclipbm
veranlasst haben mag, wurde schon berührt; dass der Bearbeiter
statt dessen gerade den Sewenpom (Juniperus Sabina) wählte, ist
auffallend und sehr beachtenswerth, weil wir damit wieder auf den
Ausgangspunkt, das Capitulare de villis zurückgeführt werden.
1 Scluneller, Bair. Wörterb. II, 1161.
2 Diemer gibt im Wörterbueke zu Genesis und Exodus an: zitlose, Zeit
lose, hemiodactylus.
3 S. Strantz, Die Blumen in Sage und Geschickte S. 437 ff.; Fliickiger,
Pharmakogn. S. 195.
4 Als Rauchwerk nennen es nickt selten die mittelalterlichen Dichter.
Der Paradiesgarten der altdeutschen Genesis.
805
Nach diesen Ergebnissen wird die Annahme, der Ver
fasser der Genesis habe seinem Verzeichnisse ein Compendium
oder etwa Pflanzenglossare zu Grunde gelegt, wohl aufgegeben
werden müssen. Wenn er derlei Quellen benützt hätte, so
wäre ihm eine solche Fülle von Pflanzennamen zu Gebote ge
standen, dass es als ein höchst seltsamer Zufall betrachtet
werden müsste, dass seine Wahl mit einigen wenigen Ausnahmen
gerade auf Pflanzen fiel, die im Capitulare verzeichnet sind und
deren Gedeihen zudem nicht von klimatischen Verhältnissen
abhängig ist, die ebenso in räubern Gegenden Vorkommen und
nicht wie die Kastanie, der Pfirsich- und Mandelbaum, die
Feige und der Lorbeer wärmeren Himmelsstrichen angehören.
Sicherlich hätte er sonst auch solcher Gewächse Erwähnung
gethan, und wenn dies unterblieb, geschah es sonder Zweifel
darum, weil sie eben in seiner Heimat nicht gediehen.
BIBL ÖAW