Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 96. Band, (Jahrgang 1880)

Ueber die grossen Seuchen des Orients nach arabischen Quellen. 
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Es zeigt sich nämlich, dass zwischen dem Erscheinen der 
grossen Seuchen und den politischen oder wirthschäftlichen 
Zuständen der Staaten und Völker ein unmittelbarer Zusammen 
hang besteht. Die Ursachen hiefür liegen so offen da, dass 
es kaum erforderlich ist, hierüber in längere Erörterungen ein 
zugehen. Der Krieg, und ganz besonders der Krieg in 
asiatischer Weise, mit Verheerung ganzer Landstriche, gewalt 
samer Austreibung ganzer Volksstämme, unter Missachtung 
aller erworbenen Rechte, mit Plünderung der Städte und Zu 
sammenhäufung grosser, schlecht und unregelmässig verpflegter 
Menschenmassen, welche die Keime ansteckender, bösartiger 
Krankheiten entwickelten, dazu die nachlässige oder ganz 
unterlassene Beerdigung der im Kampfe Gefallenen oder den 
Anstrengungen und Entbehrungen Erlegenen, verbunden mit 
den Einflüssen einer heissen Temperatur, besonders in wasser 
reichen und sumpfigen Landstrichen, mussten offenbar auf den 
Gesundheitszustand der Massen den allerungünstigsten Einfluss 
ausüben. Es zeigt sich in der That, dass unter der Einwir 
kung und dem Zusammentreffen solcher ungünstiger Umstände 
in einzelnen Gegenden die Seuchen und die Pest besonders 
oft und heftig auftraten. 1 
Ziehen wir nun einen Vergleich zwischen dem Mittelalter 
und der Gegenwart, so müssen wir es als einen grossen Fort 
schritt der europäischen Wissenschaft betrachten, dass man es 
so weit gebracht hat, diesen so gefährlichen Zusammenhang 
zwischen Politik und Gesundheitszustand zu lösen, der gewiss 
zum grossen Theile den raschen und völligen Verfall der 
Cultur des mittelalterlichen Orients befördert hat. 
1 Ein arabischer Autor (Ibn Nafys in dem Werke: Almugiz fy-ltibb) sagt 
über den Ursprung der Pest: Die Pest entstellt aus einer Verderbniss, 
die, sei es durch tellurische, sei es durch meteorologische Einflüsse, ver 
ursacht wird. In die erstere Kategorie gehören das verdorbene Wasser, 
die grosse Anzahl der Aeser, wie dies auf den Schlachtfeldern der Fall 
ist, wenn die Gefallenen nicht beerdigt werden, dann feuchter, nasser, 
faulende Stoffe enthaltender Erdboden, ebenso auch die grosse Menge 
der Erdthiere (hasharät) und der Frösche; zur zweiten Kategorie (den 
meteorologischen Ursachen) gehören die Sternschnuppen und Meteore, 
wenn sie in grosser Anzahl auftreten, gegen Ende des Sommers, die unge 
wöhnliche Ernte an Körnerfrüchten (hobub) u. s. w. — Nach dem Werke: 
Badl almä'un fy fad 1 altä'un, in der öffentlichen Bibliothek zu Kairo.
	        
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