Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 96. Band, (Jahrgang 1880)

Emerico Amari in seinem Verhältnis8 zu G. B. Vico. 
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sein Verhältniss zu Vico umständlich ausspricht, sondern über- 
diess auch aus Inhalt, Tendenz und Anlage seines Hauptwerkes 
hinlänglich zu erkennen ist, inwieweit er von Vico abzugehen 
oder über denselben hinauszugehen sich gedrungen fühlte. 
Vico’s geistige Bestrebungen culminirten in seinen Be 
mühungen um Schaffung einer Philosophie der Geschichte, 
oder, wie Amari sich ausdrückt, einer Philosophie der Mensch 
heit (filosofia dell’ umanita). Die Wissenschaft der verglei 
chenden Gesetzeskunde, um welche Amari sich bemühte, hat 
allerdings die von Vico geschaffene Philosophie der Menschheit, 
d. h. die philosophische Erkenntniss der gemeinmenschlichen 
Lebens- und Entwickelungszustände zu ihrer Voraussetzung 
und Unterlage, ist aber doch ihrer Idee nach etwas davon 
Verschiedenes, indem für sie nicht die Lebenszustände der 
Völker und der Menschheit, sondern die zur Regelung der 
selben geschaffenen Normen, und in diesen primär und zu 
nächst nicht ihre Gleichartigkeit und Einheit, wie bei Vico, 
sondern vielmehr ihre Mannigfaltigkeit und Unterschiedenheit 
von einander Object der wissenschaftlichen Erkenntniss sind. 
Die diese Mannigfaltigkeit und Verschiedenheit durchherr 
schende wesentliche Gleichartigkeit oder Harmonie, an welcher 
Amari festhält, ist erst ein der vorgenommenen Vergleichung 
nachfolgendes Ergehniss, welches nicht unmittelbar aus der 
Vergleichung der differenten Gesetze und Gesetzgebungen als 
solcher resultirt, sondern in Folge der Application der geschichts 
philosophischen Anschauungen Vico’s auf den durch die ver 
gleichende Gesetzeswissenschaft eruirten thatsächlichen Befund. 
Die vergleichende Gesetzeswissenschaft verdankt nach Amari 1 
dem Verfasser der Scienza nuova die Aufweisung bestimmter 
unveränderlicher, in der menschlichen Natur begründeter und 
providentiell stabilirter Normen des Entwickelungsganges der 
Gemeinwesen, Gesetze und geschichtlichen Ereignisse; Vico 
hat, mit anderen Worten, die Metaphysik der vergleichenden 
Gesetzeswissenschaft geschaffen. Da diese Metaphysik auf das 
Axiom von der Gleichförmigkeit der Lebensentwickelung aller 
Völker gegründet ist, so oblag es Vico, die Gleichförmigkeit 
in den gesetzlichen Einrichtungen derselben als den compen- 
1 Critica ecc., p. 318.
	        
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