Beiträge zur Diplomatik VIT.
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die Ergebnisse selbsteigener Forschung veröffentlicht hatte, hat
er in der Verfassungsgeschichte mit Benutzung aller ein
schlägigen Arbeiten die Entwicklung des Amts zu schildern
gesucht. Die allmähliche Fortbildung desselben und die
Organisation in ihren Phasen stehen da natürlich im Vorder
gründe. Daneben hat allerdings auch die formale Behandlung
der Geschäfte in einigen Bemerkungen Berücksichtigung ge
funden, doch zu einer eigentlichen zusammenhängenden Dar
stellung derselben hat es auch Waitz nicht bringen können,
da ihm fast noch gar nicht vorgearbeitet war. Indem ich somit
eine diesen Autoren nicht zur Last fallende Lücke in den be
treffenden Abschnitten ihrer Werke constatire, bemerke ich
zugleich, dass ihre und Anderer Arbeiten mir es wesentlich
erleichtert haben, die Lücke auszufüllen.
Die Kanzlei in ihrer eigentlichen Berufsarbeit zu beob
achten, das war und ist noch heute Aufgabe derer, welche
sich speciell mit den Diplomen als den Denkmälern der Thätig-
keit der Kanzler und ihrer Untergebenen befassen. Und
welchen Weg wir dabei einzuschlagen haben, das hat uns
wiederum der Meister Mabillon gelehrt. Denn er zuerst ver
suchte eine Geschichte des Amtes und der Amtstätigkeit zu
schreiben und verwertete zu dem Behufe nicht allein die
Namen und Titel in den Urkunden, sondern auch deren directe
Aussagen über die Functionen und was sich aus den ver
schiedenen Formen der Vollziehung der Diplome folgern lässt.
Jede seiner Wahrnehmungen oder Bemerkungen über die iussio
regis, über dictare, scribere, offerre, recoguoscere, subscribere,
sigillare u. s. w. bekundet den angebornen und in langer
Detailforschung entwickelten Scharfblick, und gelang es Ma
billon trotzdem nicht, zu vollem Verständniss der Dinge vor
zudringen, so hatte das seinen Grund lediglich darin, dass die
wenigen ihm zu Gebote stehenden Daten noch nicht genügen
konnten, die verschiedenen Phasen der Entwicklung und den
Gang derselben durch viele Jahrhunderte hindurch erkennen
zu lassen. Dann aber, als das Material reichlicher floss, wurde
eine geraume Zeit der Vorgang Mabillon’s kaum beachtet und
noch weniger nachgeahmt.
So wollen wir Diplomatiker in Deutschland in seine Fuss-
tapfen zu treten suchen. Sind wir doch mit der urkundlichen
Silzungsber. d. phil.-liist. CI. XCIII. B'd. IV. Ilft. 42