Sickel. Beiträge zur Diplomatik VII.
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Beiträge zur Diplomatik VII.
Von
I)r. Th. Sickel,
wirklichem Mitglieds der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften.
Kanzler und Recoguoscenteii bis zum Jahre 953.
Seit mehr denn zwei Jahrhunderten ist die Geschichte
der Kanzlei in Frankreich und Deutschland, denen in den An
fängen auch diese Institution,gemeinsam war, Gegenstand zahl
reicher Untersuchungen und Darstellungen gewesen. Und doch
ist cs seit Delanoüe und Mallinckr'ot, welche da den Reigen
eröffnet haben, kaum versucht worden, geschweige denn ge
lungen, das eine Capitol dieser Geschichte zu schreiben, nämlich
das Capitol über die Geschäftsführung durch die Kanzlei.
Gewiss .eine sehr dunkle und schwer aufzuklärende Partie,
zumal was die ersten Jahrhunderte anbetrifft. Doch davon ab
gesehen, ist die Vernachlässigung derselben vielleicht noch
mehr darauf zurückzuführen, dass die ursprüngliche und eigent
liche Thätigkeit der Kanzler sehr bald durch eine anderweitige
in den Schatten gedrängt worden ist. Anfänglich waren diese
lediglich dazu bestellt, die Entschliessungen der Könige in die
rechte schriftliche Form zu bringen. Doch das schon war ein
Vertrauensamt, das nicht den schlechtesten Männern übertragen
wurde. Dass solche in der nächsten Umgebung des Königs
weilten, hob sie dann höher und höher. Zugleich wurde aber
durch bedeutende Persönlichkeiten auch das Amt gehoben und
mit der Zeit geradezu umgebildet: die Kanzler wurden nach
und nach die Rathgeber in den öffentlichen wie in den privaten