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Joseph Chmel.
in demselben kleinen Aufsatze, der bestimmt war, die kritische
Untersuchung einer der vorzüglichsten bisherigen Quellen der
österreichischen Staats - Geschichte gleichsam vorzubereiten, meine
eigene Ansicht aufgestellt, und dasselbe Document für unterschoben
erklärt; zugleich auch ausgesprochen, dass ich es für ein Werk der
Kanzlei König Ottokar’s II. (beiläufig um 1274 von dem königlichen
Notar Henricus de Isernia angefertigt) halte. Seitdem ist nun diese
Abhandlung des Privat -Docenten an der k. Universität zu Berlin,
Herrn Dir. Wilhelm Wattenbacb, der historischen Commission
eingeschickt, und von ihr auch zum Abdruck in unserm „Archiv für
Kunde österreichischer Geschichtsquellen’ bestimmt worden. Sie
erscheint sogleich. Herr Wattenbach hält (mit Dr. Böhmer) den
von 1358 bis 1365 regierenden Herzog Rudolf IV. für den Urheber
dieser und mehrerer anderer Fälschungen 4 ). — Er nennt meine
Hypothese „ganz unwahrscheinlich” und glaubt, König Otto
kar II. habe daran nicht gedacht, nicht zu denken gebraucht!
Aufforderung genug, meine Ansicht zu begründen und zu recht-
fertigen! Man könnte über diese Frage ein ganzes Buch schrei
ben, sie ist ja eine der wichtigsten in unserer Geschichte. Da ich
aber mit Herbeischaffung neuen Stoffes und dessen Zurechtlegung
aus einem längeren Zeiträume vollauf beschäftigt bin, zudem zwar
Kritik der Quellen, durchaus aber nicht Polemik der G es chichts-
i) Bereits im Jahre 1839, also fünf Jahre vor Böhmer, und dreizehn Jahre
vor Wattenbach hat der Geschichtsschreiber des Hauses Habsburg, Fürst
Llchnowsky, in seiner Geschichte durch sehr freimüthige Andeutungen
dem „titelsüchtigen” und „eitlen” Herzoge Rudolf IV. die Urheberschaft
dieser Urkunde zugedacht.
Ich habe allen Respect vor Liclinowsky’s Freimuth und seiner (sub-
jectiven) Un p ar t eil ich kei t, die ansehr vielen Stellen seines umfang
reichen Geschichtswerkes hervorleuchtet, übrigens mit dem Vorworte des
ersten Bandes nicht selten in Widerspruch geräth; aber grüudl iche
Kenntniss der so verwickelten Verhältnisse im dreizehnten,
vierzehnten und fünfzehnten Jahrhunderte wird nur durch die umfassend
sten und mühsamsten Studien erworben, die man im Texte dieses durch
seinen reichen Apparat von Beilagen (Regesten u. s. w.) jedenfalls höchst
schiitzenswerthen Werkes nur zu häufig vermisst. Lichnowsky macht
sehr oft Äusserungen , die durch seine eigenen Regesten widerlegt werden
können. —