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Prof. Dr. Karl Otto.
in seiner Polemik gegen das absolute Fortbestehen des mosaischen
Gesetzes eng an die paulinische Lehre an: die Christen hätten ein
neues Gesetz, welches für das ganze menschliche Geschlecht, nicht
bloss für ein Volk, bestimmt und durch welches das frühere Gesetz
aufgehoben sei 1 ). Dies führt er dergestalt durch, dass sich die
paulinische Grundlage nicht verkennen lässt. 3) Justinus spreche
sich an einer Stelle des Dialogs a ) gegen den Genuss des Opferflei
sches aus, während Paulus I. Kor. 10, 2S ff. nur unter einer ge
wissen Bedingung dagegen sei. Aber jener richtet sich dort nicht gegen
den Apostel, sondern gegen die Gnostiker, indem er dem Verbote die
Beziehung jenes Fleisches auf die heidnischen Götter, die Dämonen,
zum Grunde legt. Aus diesem Gesichtspunkte verbietet auch Paulus
I. Kor. 10, 14 fF. die Theilnahme an Opfermahlzeiten eben als Dämonen
dienst. Andere dem Apostel nichts weniger als feindlichgesinnte Väter
klagen ebenfalls über die Gleichgültigkeit der Gnostiker in jenem Punkte.
Weitere Einwände übergehen wir, da sie sich auf durchaus neutrale
Vorstellungen beziehen. Justinus kann schon darum nicht ebionitisch
gesinnt gewesen sein, weil er sich über die judaisirenden Christen
als ihm fremde Parteien erklärt. Und wie hätte er die Heidenchristen
in seiner ersten Apologie höher als die Judenchristen setzen können ?
Er nennt jene geradezu akriSiOTspoi xcd mororspoc 3 ). Demnach
gehörte er zu den gemässigten echt apostolischen Heidenchristen.
Er hat eine doppelte Grundlage seiner Darstellung der christ
lichen Lehre: das kirchlich-traditionelle Taufbekenntniss und die
heilige Schrift. Die prophetischen Schriften des alten Testamentes
haben ihm ja die Brücke zum Christenthum geschlagen, und stets
beruft er sich in seiner Darstellung auf die (neutestamentlichen)
„Denkwürdigkeiten de!- Apostel.” In Bezug hierauf vermag kein
Widerspruch sich geltend zu machen. Nur hinsichtlich des ersteren
Punktes erlaube ich mir noch Einiges beizufügen, da er von den
Gelehrten bisher keine Berücksichtigung gefunden hat.
Die Grundlage jenes Bekenntnisses war das Taufmandat auf
Vater, Sohn und Geist 4 ), worin die Centralidee des Evangeliums
*0 Dial. c. Tr. cc. 11 12. 67.
2 ) C. 34 sq.
3 ) Apol. 1. c. 53.
4 ) Matth. 28, 19. — Schon in den Schriften des neuen Testamentes finden wir
weitere Spuren davon. So ist Hebr. 10, 29, was alle Ausleger merkwürdiger