Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 85. Band, (Jahrgang 1877)

Glaube und Geschichte im Lichte des Dramas. 
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und der zugleich feigen, treulosen und schwelgerischen Satyrn 
zugleich als die Dümmeren und Schlechteren; dagegen thun 
sich die angeblich schwachen und beschränkten Sterblichen 
in der Person des listigen Dulders Odysseus als die zugleich 
Klugen und Tapferen hervor, die von den Göttern verfolgt 
und verlassen ihr G eschick durch eigene Kraft zum glücklichen 
Ausgang zu wenden im Stande sind. Allerdings wagt sich der 
,Götterfeind' Euripides nur an die dii minorum gentium, die 
Kyklopen und Waldgötter, immerhin aber an ,auswärtige' 
Mächte, jenseits der sinnlichen und Menschenwelt gelegene 
überirdische und übermenschliche Wesen, auf deren Existenz 
der religiöse Dramatiker den Schicksalslauf seiner Helden baut. 
In neuerer Zeit hat nur Tieck ,Satyrdramen' in diesem 
Sinne als Satiren auf die von den Dichtern der Zeit beliebte 
Form der dramatischen Motivirung verfasst; Skaramutz, der 
sich in der ,verkehrten Welt' auf den Thron des bei den 
Hirten weilenden ,excentrischen Narren' Apoll schwingt, den 
,Theatermaschinisten' zu seinem poetischen Minister, den Wirth 
und den sentimentalen Familienvater zu seinen Bundesgenossen 
macht, am Parnass eine Finanzquelle in Gestalt einer Brauerei 
und Bäckerei eröffnet und mit dem Pegasus die Stallfütterung 
einführt, während der trauernde Poet einsam in der Verbannung 
weilt, ist eine glänzende Satire auf das nach dem Geschmack 
des Pöbels, statt nach jenem der Kunst zugerichtete sentimen 
tale Familien- oder das mit Theatereffecten gewürzte Ausstat 
tungsstück, an dessen Erfolgen das Taschentuch und der De- 
corateur mehr Antheil haben, als der Dichter. 
Ist das Drama des absoluten Werdens kein Drama, das 
religiöse Drama aber auf die Annahme ,auswärtiger' (über 
irdischer und übermenschlicher) Ursachen des Glückswechsels 
gebaut,, so bleibt für das Profandrama nur die Annahme 
innerer, d. li. innerhalb der sichtbaren Erscheinungswelt selbst 
gelegener Ursachen übrig. Die auf der Bühne dem Zuschauer 
sichtbar gewordenen, dem Glückswechsel vorhergehenden Er 
eignisse müssen die bedingenden Gründe, des nachfolgenden 
Wechsels vollständig und anschaulich enthalten, ohne zu Ein 
griffen von ,aussenher', zum deus ex machina des Dichters 
seine Zuflucht nehmen zu dürfen. Von dem Helden selbst,
	        
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