Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 77. Band, (Jahrgang 1874)

Deutsche Studien. II. 
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deutsam, und vollends die Art des gebrauchten Tones gemahnt 
an das Vorbild: 16 Reimzeilen, paarweise gebunden, vier 
Hebungen stumpf oder drei Hebungen klingend, allerdings 
nach dem System des dreitheiligen Baues regelmässig geordnet, 
der Abgesang in folgender Weise gestaltet: 
4 Heb. stumpf a. 
3 Heb. klingend Waise. 4 Heb. stumpf a. 
3 Heb. klingend b. 
4 Heb. stumpf Waise. 3 Heb. klingend b. 
Die natürliche Entsprechung: stumpfer Reim, klingende 
Waise; klingender Reim, stumpfe Waise — ist, wie man 
sieht, bewahrt. 
37, 18. ,$ö we dir, sumerwunne! 
Zwölfzeilige Strophe in Reimpaaren, jede Zeile zu vier 
Hebungen. Kein zweisilbiger Auftact überliefert; kein Hiatus. — 
Ein ähnliches Motiv wie im vorigen: Mahnung des treulosen 
Geliebten, den andere Frauen abziehen. Aber Liebesschmerz 
combinirt mit Trauer der Natur, mit herbstlichen Erscheinun 
gen : dies in der formelhaften Weise vermuthlich des volks- 
thümlichen Tanzliedes nach Liliencron bei Haupt 6, 73 ff. 
(Doch kennt auch die französische Poesie jener Zeit den 
form eihaften Natur eingang.) 
Hier zweifle ich nicht an der weiblichen Autorschaft. 
Freilich, wenn man die wol stenden ougen als ,schöne Augen' 
versteht (vergl. MF. 56, 22), so wäre es recht unpassend, dass 
die Frau ihre körperlichen Vorzüge selber lobte. Aber man 
wird wie MF. 186, 1. 2 (est nu lanc daz mir diu ougen min 
ze fröweden nie gestuonden wol) an den hellen, ungetrübten 
Blick der Freude denken dürfen, den auch der Gegensatz 
truobent verlangt. 
3, 1. ,Du bist min, ich bin dm. 
In diesem sechszeiligen Liede redet eine vornehme Dame, 
gleichviel ob es von ihr herrührt, oder ob sie es bloss citirt. 
Das letztere nimmt wohl Schmeller an, wenn er (Bayer. 
Wb. 3, 500) das Gedichtchen unter die Improvisationen des 
Volkes rechnet und mit den Schnadahipfeln vergleicht. Die 
Dame schreibt an einen geistlichen Lehrer (MF. 8. 222, 4 
u t per te didici) und Liebhaber, grossentheils in Reimprosa.
	        
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