Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 76. Band, (Jahrgang 1874)

Homerische Studien. 
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sehr geneigt wären. Denn wenn wir die lebendigen Laute der 
griechischen Sprache vernehmen und ihren quantitativen Werth 
messen könnten, würden wir hier nicht minder, wie ja sogar 
in modernen Sprachen, quantitative Unterschiede zwischen den 
als Längen geltenden Yocalen finden, wir würden erfahren, 
dass nicht alle w und yj, w und r t die gleiche Dauer besitzen, 
dass zwischen einem optativischen ot und ai und den Nominal 
endungen oi und ai Längenunterschiede bestehen. Die zu beob 
achtenden prosodischen Erscheinungen geben entweder keinen, 
oder einen unsere Voraussetzungen widerlegenden Aufschluss, 
wie ein Blick auf die (S. 340 ff.) mitgetheilten Fälle zeigt. Wir 
können diese Unterschiede ruhig ununtersucht lassen, wenn 
diejenigen ot und ca z. B., welche uns nach anderweitigen Indi- 
cien mit Recht als die leichtesten und flüchtigsten gelten', sich 
als genug gehaltreich erweisen, um in so zahlreichen Fällen 
als volle Längen vor anlautendem Vocal zu erscheinen. 
Der Versictus ist also nach unserer Untersuchung der 
wichtigste Factor hei der Erhaltung langer Ausgänge vor voca- 
lischem Anlaut und übt seinen Einfluss aus theils durch die 
ihm eigene Tonstärke, indem dabei der gemessene Vortrag des 
griechischen Hexameter nach jeder Hebung ein Absetzen der 
Stimme gestattete. Daneben kommt es allerdings noch auf die 
Qualität der Ausgänge an und die Festigkeit derselben wird 
theils durch die bessere Quantität, z. B. des 1)1,10« gegenüber 
st ai 01, theils durch die mit dieser besseren Quantität meist 
verbundene bessere Tonstärke bewirkt. Sobald die langen Vo- 
cale und Diphthonge, in die Senkung des Verses gestellt, der 
mächtigen Stütze des Ictus entbehren, schrumpfen sie zu Kürzen 
zusammen, offenbar in Folge des schnellen Zusammensprechens 
mit dem nächsten vocalischen Anlaut. Die durch das Ver 
schmelzen des Aus- und Anlautes bewirkte enge Verbindung 
verlangt der kunstvoll verschlungene Bau des Verses, der in 
seine eintönigen G-lieder zerfiele, wenn die Stimme ebenso häufig 
nach der Senkung wie nach der Hebung anhielte. Dass in der 
That eine so enge und rasche Verbindung der Worte die 
Kürzung bewirkt, ersieht man daraus, dass, sobald dieselbe auf 
irgend eine Art gelockert und der Fluss des Verses unter 
brochen wird, sei es durch eine Cäsurpause, sei es indem ein 
einzelnes Wort durch einen kräftigen Ictus von seiner Um-
	        
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