Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 73. Band, (Jahrgang 1873)

IJelier (len Einfluss der Tonlelire auf Herhart’s Philosophie. 
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meinen, dass selbst der offenste Blick in die Seele, wie sie 
es macht, gewisseHarmonieen richtig, andere unrichtig zu finden, 
ihrer Uebcrzeugung von dieser Richtigkeit oder Unrichtigkeit 
selbst nur den geringsten Zusatz geben könne'. Ebensowenig 
darf ,der Unterschied zwischen Ehre und Schande, Recht und 
Unrecht, Tugend und Laster so lange zweifelhaft bleiben', bis 
die Psychologie etwa ,den Ursprung der Gemüthshandlungen 
nachgewiesen hätte, welche in uns Vorgehen, indem wir das 
Sittliche beurtheilen und beschliessen'. Was die Psycho 
logie leistet und leisten kann, ist in beiden Fällen, bei der 
Tonlehre nicht weniger wie bei der Ethik, Theorie; und selbst 
diese ,bleibt demjenigen unverständlich, der nicht zuvor das kennt, 
wovon sie redet', in einem Fall die ursprünglichen musikalisch 
ästhetischen, im andern die ebenso ,ursprünglichen praktischen' 
Ideen, deren Giltigkeit beide, die Harmonielehre wie die Sitten 
lehre, voraussetzen, ohne sie beweisen zu können'. So fest 
wie die Ueberzeugung des Musikers von der harmonischen 
oder disharmonischen Natur gewisser Ton Verhältnisse steht, als 
,ein streng absolutes Wissen, fest als ein ursprünglich mannig 
faltiges Wissen; fest ohne Princip und ohne Einheit, aber 
zugleich als eine Summe von Principien, die zur Vereinigung 
in ein einziges Kunstwerk fähig sind' — so fest, darf man in 
Herbart’s Geist suppliren, muss auch die Ueberzeugung des 
Ethikers von der absoluten, mannigfaltigen, principiellen Natur 
seines praktischen Wissens, von der unbedingt lobens- oder 
tadelnswerthen Natur gewisser Willensverhältnisse stehen. 
Die ,nützliche Vergleichung' der Tonlelire mit den Grund 
lehren der praktischen Philosophie, von der wir Herbart sprechen 
hörten, hat wie wir sehen den Zweck, dem ,Vorurtheil, welches 
theoretische und praktische Philosophie in einander mengt', 
ein Ende zu machen. Die fundamentale Trennung der prakti 
schen von der theoretischen Philosophie, der Lebensnerv seines 
Philosophirens, soll durch das ,Gleichniss' der ersteren, die 
Tonlehre, zur Evidenz erhoben werden. Durch die empirische 
Bestätigung, welche sie durch ihr Zusammentreffen mit den 
Ergebnissen mathematisch-psychologischer Speculation gewissen
	        
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