Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 68. Band, (Jahrgang 1871)

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Hartei. 
Oft hat eine scheinbare, rein äusserliche Aehnlichkeit 
unorganische Missbildungen in der Sprache hervorgerufen. 
Aber die Annahme einer Bildung nach falscher Analogie hat 
doch nur dort eine methodische Berechtigung, wo alle Versuche 
einer rationellen Auffassung erschöpft sind (vergl. Ritschl, 
Opusc. II 542) oder, wie Curtius selbst sich ausdrückt (Stud. 
III 382), wo ,unsere Forschung aus allen übrigen Positionen 
herausgetrieben ist/. Und überzeugend wirkt sie doch nur 
da, wo eine entschiedene Mehrheit organischer Bildungen 
einer Minderzahl anderer gegenüber tritt, und wo wir den 
Process der Anziehung durch eine kräftig genug in die Ohren 
fallende Aehnlichkeit ich möchte sagen nachfühlen können. 
Es begreift sich wie ein 75mal vor liquiden als Länge vor 
kommendes oe (seine organische Berechtigung vorausgesetzt) 
einmal 0478 ein ol to^ov (P463, H r 198 ist die Lesart unsicher) 
erzeugen konnte, es begreift sich wie die mit p und allenfalls 
auch die mit v beginnenden Wurzeln vor einigen anderen 
gleichen Anlauts Längung auftreten Hessen. Was hat aber 
p im Anlaut für eine Aehnlichkeit mit X und p., welche noch 
dazu in so überwiegender Mehrheit kurze Silben längen? 
Warum hat sich diese Licenz nicht auf jeglichen explosiven 
Anlaut übertragen? Man kann nicht wohl darauf erwiedern: 
X und p. wurden wegen ihrer liquiden Natur nach dem Muster 
von v und p behandelt, oder man muss zugeben, was allerdings 
meine Meinung ist, dass die Dauerlaute in der Aussprache in 
bestimmtester Weise von den Explosivlauten unterschieden 
waren. Damit aber bricht die Nothwendigkoit der Annahme 
falscher Analogie in sich zusammen. 
Bevor wir jedoch diesen Gedanken weiter verfolgen, 
dürfte es sich empfehlen, auf zwei Dichtungsarten einen Blick 
zu werfen, welche mit den sprachlichen Mitteln der epischen 
Poesie arbeiten, und die bis zu einem gewissen Grad als 
selbständige Entwickelungen am ehesten geeignet sind, uns 
zu sagen, ob der Kreis metrischer Eigenthümlichkeiten ihrer 
Muster — mochten diese nun als Antiquitäten oder Licenzen 
empfunden werden —■ sich mit der Zeit erweiterte oder be 
schränkte. Ich meine die Hymnenpoesie und die Hesiodischen 
Gedichte. Den einzelnen Stellen sind in Klammern die Verse 
der Ilias und Odyssee oder kurz die Zahl der Längungen bei
	        
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