Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 2. Band, (Jahrgang 1849)

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Es sei denn erlaubt, vorläufig bei (len Betrachtungen, die 
liier anzustellen sind, von den höchst schätzbaren Theorien 
der Philosophen und Juristen einen Augenblick abzusehen, und 
uns der Aufgabe selbst, als ob sie zuin erstenmale vorgelegt 
würde, unbefangen gegenüber zu stellen. Denn der Staat ist 
eine Thalsache; — nicht unser Begriff von ihn» hat sie ge 
schallen ; sie war da, und unser Begriff hat sich ihrer bemäch 
tigt, Nehmen wir denn dieses Factum als ein Gegebenes ein 
fach vor unsern Blick. 
Wir sehen uns mit Wesen unseres Gleichen in eine ge 
meinsame Verbindung gebracht, zu der wir nichts beigetragen 
haben, die uns lebendig umgibt, neben jener todten Körperwelt, 
in der wir leben. Diese Erscheinung muss, wie alle in der 
Natur entstandenen Thatsachen, in dieser Natur ihren Grund 
haben. Die erste Verbindung der Menschen überhaupt musste 
aus dem Verhältnisse des Menschen zur Natur selbst hervor 
gehen. Seine Geburt war ein ihm mitgegebener Anspruch, auf 
dem ihr angewiesenen Schauplatze der Erde — zu leben. Das 
Leben war sein erstes, angebornes liecht. Dieser unabweisliche 
Anspruch: sich zu erhalten, trieb ihn, mit der Nothwendigkeit 
natürlicher Triebe, — zur Arbeit. Anbau der Erde, Benützung 
dessen, was ihr, für sein Dasein nutzbar, eutsprosst, waren 
die von der Natur dargebotenen Mittel, die eigene Existenz zu 
sichern und gleichsam zu erweitern. Denn aus der Arbeit ent 
wächst gewissermassen ein zweites Ich, — ein Eigenthum. 
Jeder Mensch war von demselben Bedürfnisse, das ihn zur Ar 
beit trieb, eben so unabweislich getrieben, sich das Erarbeitete, 
als Fortsetzung seines Lebens, zu sichern; und so fliesst, mit 
gleicher NaturnothWendigkeit, aus dem Bedürfnisse der Arbeit 
für den Bestand des Menschen, ein Bedürfniss des Schutzes 
für den Bestand des Eigenthums. Ohne einen solchen Schutz, — 
der, wie das Dasein der menschlichen Gesellschaft beweist, 
sich nach Naturgesetzen erzeugt haben muss, — würde ein 
Krieg Aller gegen Alle unvermeidlich gewesen sein, die Men 
schen aufgerieben und das Entstehen einer Verbindung unter 
ihnen unmöglich gemacht haben. Dieses Schutzbediirfniss, durch 
sich selbst wechselseitig ausgesprochen, gründete unmittelbar 
jenes erste Verhältniss der menschlichen Willen zu einander,
	        
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