12 XIV. Abb.: Gomperz. Ueberreste einer ä. platon. Phaedon enth. Papyrusrolle
sie wohl süvjör,«; genannt werden konnte/ — Man darf an jeden
unbefangenen Leser des Phaedon getrost die Frage richten, ob
in der Schilderung der auf blosser selbstischer, die vortheilhaften
und nachtheiligen Folgen des eigenen Handelns sorgsam gegen
einander abwägender Klugheit beruhenden Selbstbeherrschung
irgend eine Handhabe zur Einführung der ,Selbsttäuschung* ge
geben ist, ganz abgesehen von der Frage, ob eüf/Jyjc das angemes
sene Wort auch nur zur Bezeichnung jenes Begriffes wäre. Was
aber die Interpolation betrifft, von welcher 83° 9 der Papyrus
unseren Platontext befreit, den Satz nämlich tiüto Lapystrcatov te
etvai y.y.i äXrfiiclatov, wofür wir jetzt paXtGTa Be stvai touto lesen, so
kann sich auch Usener ihr gegenüber des Zugeständnisses nicht
erwehren, das er S. 46 in die Worte kleidet: ,Hier könnte in der
That das einfache pd/«tot« elvai den Eindruck einer ursprünglicheren
Fassung machen/ Doch auch dieser Einräumung können wir nicht
lange froh werden. ,Aber* — so lautet der dem Zugeständniss
sofort nacheilende Vorbehalt — ,unerklärlich würde Be bleiben.. .
Dies Be lässt meines Erachtens nur die eine Erklärung zu, dass
ein Glied mit pdXwra pev vorangegangen und infolge des gleichen
Anfangs übersehen ist: der Satz könnte etwa gelautet haben
pdX'.ora (psv EvapfEC te <pa!v£a0at -/.a! äXv]6£;, pdXicra) 8s eTvat touto.*
Ueberzeugende Kraft kann dieser Schluss doch nur für den
jenigen besitzen, dem die in dieser uralten Schriftrolle waltende
,Verwilderung* bereits aus anderen Gründen als eine fest
stehende Thatsache gilt. Ich habe meinerseits geglaubt, durch
die Annahme einer minimalen Buchstabenirrung (Be statt 3tq) eine
Schreibung gewinnen zu dürfen, die in der That ,wie Gold von
dem Tombak* des traditionellen Textes absticht: y.ca fjyEujÖai -(pb?
o)ö dp pdXtaTa touto udo/Ei (= Tcäaxfl), p(aXis)t« 8(y)) eTvoci touto.
Nachtrag.
Zwischen der Niederschrift und dem Abdruck dieser
Blätter ist mir die Gelegenheit geboten worden, den Original-
Papyrus selbst einzusehen. Das Ergebniss mehrfacher Stichproben
war die Uebcrzeugung, dass das Facsimile unbedingt verlässlich
ist und eine Nachprüfung der Originalurkunde vollständig ent
behrlich macht.
Ausgegeben am 7. December 1892.