Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 120. Band, (Jahrgang 1890)

Gian Vincenzo Gravina als Äesthetiker. 
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Empfehlungsbriefe an Serafino Biseardi mitgegeben, welcher 
nunmehr die Leitung des vielversprechenden Landsmannes 
(Biseardi stammte aus Cosenza) übernahm. Biseardi war ein 
hervorragender Jurist, wie Fabroni 1 bezeugt, der geradezu 
meint ,in neapolitano foro jureconsultorum princeps nv/merabatnr*, 
aber er besass überdies das lebhafteste Interesse für die 
,schönen Wissenschaften*. Dies war der rechte Mann, welchen 
Gravina brauchte, der sich zwar dem Rechtsstudium widmen 
sollte, aber mehr Neigung für die schönen Künste besass. 
Ihm verdankte er es, dass er sich zunächst dem weiteren 
Studium der griechischen und der lateinischen Literatur, sowie 
der Redekunst zuwenden durfte, wobei es sich glücklich traf, 
dass eben einer der tüchtigsten italienischen Philologen, Gregorio 
Messeri, griechische Literatur vortrug. Ebenfalls Biseardi Wal 
es zu danken, dass Gravina späterhin seinen anfänglichen 
Widerwillen gegen das Rechtsstudium überwinden lernte, 
nachdem ihm sein Meister gezeigt hatte, wie diese Wissenschaft 
neben dem toclten Formelkram und öden Wust, in welchen 
sie versunken war, auch eine lichte und herrliche Seite besitze 
und mit dem Blick des Philosophen betrachtet sich wertli 
zeige, dass die edelsten Geister ihr dienten. Mit demselben 
glühenden Eifer betrieb er nun die Rechtswissenschaft, sowie 
auch Theologie und canonisches Recht. Er hatte es nie zu 
bedauern, den Jugendträumen von Dichterruhm, welche ihn 
damals erfüllten, entsagt zu haben, denn während er als Jurist 
zu den höchsten Triumphen gelangte und seinen Namen — 
mindestens in Italien — unsterblich machte, bilden seine im 
späteren Alter wieder aufgenommenen poetischen Versuche die 
schwächste Seite seiner Leistungen und trugen ihm nur Spott 
und Hohn ein. Hier jedoch haben wir es weder mit Gravina 
dem Juristen, noch mit Gravina dem Poeten, sondern nur 
mit Gravina dem philosophischen Kunstkritiker zu thun. Für 
diesen war der Einfluss jener drei Männer (Caloprese, Biseardi, 
Messeri) von so grosser, Richtung gebender Bedeutung, dass 
ihrer, wenn auch kurz, Erwähnung geschehen musste. In 
dieser Zeit lernte Gravina jene Fünfzahl am höchsten stellen, 
1 Vitae italorum doctrina excellentium qui saeculo XVIII floruerant 
auctore Angelo Fabronio, Romae 1769. 
1*
	        
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