Full text: Die Staatsbahn von Wien bis Triest mit ihren Umgebungen

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finden, als bis das Knablein, das in einer Wiege aus dem Holze dieses Bau— 
mes geschaukelt worden, als Diener des Herrn den Fluch vom Haupte des ruhe⸗ 
losen Burgbewohners hinweggenommen. Und darum höre man zur mitternächt⸗ 
lichen Stunde oft klagendes Gewimmer in den unheimlichen Mauerresten. Eine an⸗ 
dere Sage bezeichnet die beiden einander gegenuͤber liegenden Burgen als Raubschloös— 
ser, bewohnt von beutelustigen Wegelagerern, die, obwohl einander selbst oft befehdend, 
dennoch ein Geschäft gleichmäßig betrieben, die Pluͤnderung reisender Kaufherren 
oder frommer Pilger, welche durch's Thal hinzogen. Ehe der Wanderer sich's ver⸗ 
sah, ward er gepackt, auf das eine Schloß emporgeschleppt, und dort seiner Hab⸗ 
seligkeiten beraubt: kaum von dort entlassen, fiel er alsbald in die Hände des 
benachbarten Raubritters, der, was ihm jenseits etwa noch geblieben war, ihm 
diesseits abnahm. Man sprach sogar von einer Kette, die das Thal sperrte und 
zur Falle für die Reisenden diente. Vielleicht ließe sich dieser Sage, so finster und 
faustrechtartig sie klingen mag, eine andere, ganz freundliche und friedliche Deu— 
tung unterschieben: 
„Das Städtlein Baden hütet ein Thal, gar lieb und traut, 
Von Waldesgruͤn beschattet, von Felsgestein umgraut; 
Dort schaut aus schwarzen Foͤhren hoch in den Bach hinein 
Burg Rauheneck zur Linken, zur Rechten Rauhenstein. 
Es geht ein schoͤnes Mährlein von diesen Schlössern um, 
Ererbt und aufbehalten aus grauem Alterthum: 
Da droben hausten Brüder, hier einer, einer dort, 
Die ließen keinen Wand'rer unausgebeutet fort. 
Es lief von Gold gediegen wohl uͤber's Thal gespannt 
Mit unsichtbaren Gliedern ein Zauberkettenband, 
Das faßte sacht und wiegte den lieben Wandersmann, 
Bis staunend der Besiegte zum Berge klomm hinan. 
Und kam er so gefangen in's eine Felsennest, 
Ausschütten mußt' er droben der Güter heil'gen Rest; 
Fort mußt' er dann behende zum andern Bergkoloß, 
Wo, was er hier gerettet, er drüben ganz erschloß. 
Das Maͤhr' ist nicht verklungen, noch lebt es deutungsvoll: 
Ich will es klar euch deuten, wie man es deuten soll; 
Die Brüder sind — die Schloͤsser, hier eines, eines dort, 
Die lassen keinen Wandrer ganz unbefangen fort.
	        
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