Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 85. Band, (Jahrgang 1877)

Mutli. Der Mythus vom Markgrafen Eüdeger. 
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Der Mythus vom Markgrafen Eüdeger 
von 
Richard v. Muth. 
Wenn sich gleich für das Ideal höfischer Milde und Zucht, 
für Rüedeger von Bechdären, clen guoten marcgruven unseres 
Nibelungenliedes, ein Platz in der Geschichte der Ostmark 
nicht gefunden hat, wäre es doch durchaus irrig- den Helden 
der Sage für nicht mehr halten zu wollen als ein Phantasie 
gebilde der österreichischen Volks- und Hofepik des XII. Jahr 
hunderts. Die Genesis des Epos belehrt uns vielmehr, dass in 
der Zeit der Aufzeichnung und Vereinigung epischer Lieder 
Sänger und Dichter mit ängstlicher Treue festhalten an der 
Ueberlieferung und nur in den seltensten Fällen, wenn sie die 
poetische Oekonomie geradezu zwingt, es wagen, den bestimmt 
umgrenzten Stoff mit Figuren eigener Erfindung zu bereichern. 
Demnach sind wir überall dort, wo eine Gestalt des Volksepos, 
zumal wenn ihr Charakter in einer gleichmässigen Ausbildung 
in verschiedenen Dichtungen erscheint, auf eine historische 
Persönlichkeit mit Sicherheit nicht zurückgeführt werden kann, 
berechtigt, nach einem mythischen Typus für dieselbe zu 
forschen. 
Laclunann hat zuerst für den Markgrafen Riideger, der 
seit dem XIV. Jahrhundert als ein historisch beglaubigter Vor 
gänger der Babenberger galt, eine mythische Grundlage ange 
nommen: er scheine ihm eher ein göttliches Wesen als ein 
Held (Kritik d. Sage. Anm. S. 338); Möllenhoff hat dann, ge 
stützt auf die Analogie des Stammwortes hruod clamor, fama,
	        
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