Bacher. Abraham Ihn Esra’s Einleitung zu seinem Pentatench-Commentar.
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Abraham Ibn Esra’s Einleitung zu seinem
Pentateucli-Commentar,
als Beitrag zur Geschichte der Bibelexegese
beleuchtet von
Ur. Wilhelm Bacher.
I.
Einleitende Bemerkungen.
,Das Volk der Schrift' nannte der Stifter des Islam die
Juden, seine hauptsächlichen Lehrmeister und Gegner. Als
Volk der Schrift gilt der jüdische Stamm auch Renan, dem
Urheber der Behauptung, dass die Aufgabe des jüdischen
Volkes in der Zerstreuung' einzig und allein in der Erhaltung
und Weiterüberlieferung der biblischen Schriften bestanden
habe. So einseitig nun auch diese Behauptung ist, sie beruht
dennoch auf einer geschichtlichen Thatsache. Die Samm
lung der Bücher, welche das jüdische Volk aus der Zeit
seiner nationalen Unabhängigkeit, aus der Offenbarungszeit
seiner Geschichte in die Zeiten der wachsenden und dauern
den Abhängigkeit gerettet hatte, diese Sammlung, welche die
Welt als Buch der Bücher hochhält, sie hat zu allen Zeiten
den Angelpunkt aller geistigen Bestrebungen im Judenthume
gebildet.
Aus der Bibel entnahmen die Epigonen der hebräischen
Propheten und Dichter die fortwährenden Antriebe zur Förde
rung und Erweckung der geistigen Regsamkeit; und wiederum
in die Bibel trugen sie die geistigen Schätze, welche sie frem
dem Boden entnahmen. Die Bibel war die Fahne, die zum
Kampfe, zum Siege oder auch zum Tode wehte; die Bibel
war aber auch das tlieuere Banner, um welches man mit inni
gem Vertrauen die auswärts errungenen Reichthümer nieder-