Handschrift liehe Studien.
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von Seite der Sprache. Die meisten unter denselben rühren nämlich
von italienischen Abselireihern und Überarbeitern her, welche sei
es unbewusst oder mit Absicht die Sprache ihrer Vorlage der
eigenen —• norditalienischen, speciell venetianischen — Mundart
anpassten. Können nun auch solche Texte keineswegs als Denkmäler
einer Sprache gelten, die je geredet wurde, so liefern sie dennoch
willkommene Beiträge zur Kunde der bisher nur ungenügend be
kannten älteren italienischen Mundarten. Was dann den Inhalt betrifft,
so enthalten diese, Handschriften nicht nur ein trotz der grössten
Verwilderung häufig treffliches Hilfsmittel zur Herstellung der älteren
Redaction der Chanson cle Roland, sondern auch den Text zweier
Dichtungen, welche bisher sonst nirgends nachgewiesen wurden:
la prise de Pampelunc und Macaire (die Königinn Sibille).
Als ich im vorigen Herbste diese Handschriften selbst besich
tigte, gewann ich die Überzeugung, dass eine Revision der oben an
gedeuteten in vielen Werken zerstreuten Mittheilungen von nicht
geringem Nutzen sein würde. Ich machte zugleich einen Versuch,
und das Ergebniss meiner kleinen Arbeit, die sich freilich wegen
Kürze der Zeit auf nur wenige Handschriften beschränken musste,
erlaube ich mir in folgenden Seiten vorzulegen. Dass dadurch dem
Verdienste ausgezeichneter Männer nicht der geringste Abbruch
geschehen soll, brauche ich kaum zu erklären; ich glaube vielmehr,
dass man die Achtung und die Dankbarkeit gegen seine Vorgänger
und Meister auf keine würdigere Weise bezeugen kann, als dadurch,
dass man den Nutzen, welchen ihre Leistungen gewähren, durch
kleine Nachträge zu erhöhen sucht. Desshalb verbleibe ich auch
nicht bei den Auszügen von Lacroix, weil sie von den später erschie
nenen Arbeiten bei weitem übertroffen worden sind, und diesem
unermüdlichen Sammler, der zuerst über unsere Handschriften um
ständlich berichtete, jetzt noch einmal seine Flüchtigkeit und Unge
nauigkeit vorzuhalten, hielt ich für eben so unnötbig als unschicklich.
Ich bespreche die von mir verglichenen Handschriften nach der
Folge der Zahlen, welche sie tragen, und in welcher sie auch der
Katalog von Zanetti und Bongiovanni verzeichnet 1 ).
i ) Ausser dieser bewahrt die Marcusbibliothek eine andere kleine Sammlung französi
scher Handschriften, die ein Supplement bilden, und in einem geschriebenen Kata
loge verzeichnet sind. Sie sind meistens jünger und historischen Inhaltes: darunter
findet sich aber auch die bekannte Sammlung proven^alischer Gedichte.