Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 38. Band, (Jahrgang 1861)

60 
V a h 1 e n 
Massstabe zu fest verrannt, als dass er für die Kritik im Einzelnen 
sich hinreichend freien Blick zu wahren vermocht hätte: und so fand 
jüngst Bursian in seinen schätzbaren Beiträgen zur Kritik der 
Poetik (in Fleckeisen’s Jahrbüchern 18S9) noch reichliche Gele 
genheit, Aldinische Lesarten zu verurtheilen und den verderbten 
Zügen der Handschriften Besseres zu entlocken. 
Aldus’ Recension muss aufgegeben und die Kritik auf die Über 
lieferung der Handschriften allein zurückgeführt werden. Diese aber 
ist eine wesentlich einfache; denn alle uns bekannten Handschriften 
sind Abschriften ein und desselben Exemplars, die sich nur durch 
das Mehr oder Weniger von Sorgfalt oder Einsicht der Abschreiber 
unterscheiden. Bekker hat mit sicherem Tact aus der nicht kleinen 
Zahl drei bewährte Repräsentanten herausgegriffen, unter denen 
wiederum demselben Pariser Codex, dem wir die Rhetorik in der 
verhältnissmässig reinsten Gestalt verdanken (A c n. 1741), ein be 
vorzugter Platz gebührt. Jenes gemeinsame Stammexemplar enthielt 
aber die Poetik bereits in der verstümmelten, am Ende und in der 
Mitte um grosse Partien gekürzten Form und in der Zertrümme 
rung der ursprünglichen Ordnung, in der wir sie heute lesen. Sieht 
man ah von dieser weit hinter der Quelle unserer Handschriften 
zurück liegenden Gestaltung, über welche Spengel’s und Bernays' 
Untersuchungen Licht verbreitet haben, so ist im Übrigen dieTextes- 
überlieferung der Poetik in nichts verschieden von dem, was uns in 
der Mehrzahl Aristotelischer Schriften entgegentritt. Um von gewöhn 
lichen Buchstabenverirrungen zu schweigen, kleine Lücken, welche 
der Gleichklang der Worte oder, obwohl nicht so häufig wie Bursian 
meint, die Unleserlichkeit des Archetypons veranlasst hat, in den 
Text gedrungene Marginalnoten emsiger aber unachtsamer Leser, 
worauf sich im Wesentlichen das Gebiet der Interpolation auch hier 
beschränkt, Verstellungen und Wiederholungen von Wörtern und 
Wortverbindungen, dies und Ähnliches sind die Gebrechen dieser 
Überlieferung, auf welche die kritische Heilmethode zu diagnosti- 
ciren hat. 
I 9. S. 1447 b 20. 
Gleich im ersten Capitel begegnen wir einer Stelle, in welcher 
ein eigenmächtiger Zusatz des Aldus in den meisten Texten, auch in 
dem neuesten von Bekker noch steht, obwohl derselbe dem Ge 
danken des Aristoteles schnurstracks zuwiderläuft. 'Op.otw? ds y.äv d
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.